Aufrufe
vor 1 Jahr

Rotary Magazin 05/2019

  • Text
  • Rotary
  • Paix
  • Suisse
  • Liechtenstein
  • Russland
  • Rotarier
  • Mitglieder
  • Membres
  • Fondation
  • Frieden
Rotary Magazin 05/2019

SCHWERPUNKT – ROTARY

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – MAI 2019 ROTARISCHER GASTBEITRAG ROTARY UND 18 Das Thema «Frieden und Konfliktprävention» steht an erster Stelle der «Six Areas of Focus» der Rotary Foundation. Denn ohne Frieden kann Rotary auch seine anderen Ziele wie die Hygieneförderung oder den Schutz von Mutter und Kind nicht umsetzen. Ein Blick auf die lange Auseinandersetzung unserer Organisation mit dem Thema Frieden. Wer in die rotarischen Annalen sieht, stellt fest, dass das Thema Frieden von Beginn an ein zentrales Anliegen Rotarys war. Zwar standen im «Club One» in Chicago zunächst die lokalen Probleme der rasant wachsenden Metropole am Michigansee und die Berufsethik der Gründungsmitglieder im Vordergrund. Doch schon in den allerersten Tagen der Organisation wollte ihr Gründer Paul Harris nicht nur Freundschaft, guten Willen und Rechtschaffenheit in seiner Umgebung stiften; von Beginn an hatte er auch das grosse Ganze seiner Zeit, den Frieden der Welt, im Blick. Fast schon ein Klassiker aus jener Zeit ist Harris’ Ausspruch: «Der Weg zum Krieg ist gut gepflastert, der Weg zum Frieden ist eine Wildnis.» Besonders stark engagierte sich Paul Harris in den Jahren der beiden Weltkriege. So sagte er 1917 angesichts des amerikanischen Eintritts in den Ersten Weltkrieg in seinen Ausführungen an die National Convention in Atlanta nicht nur, dass dieser Weltkonflikt vielleicht ein verdeckter Segen für sein Land sein könne, in dem es herausgefordert wird, sich ernsthaft mit sich selbst zu befassen. Sondern er sprach auch davon, dass dieser Krieg dazu auffordert, respektvoll die Beziehungen der eigenen Nation zu anderen Ländern zu hinterfragen. Als amerikanischer Patriot, der Harris zweifellos war, sah er das eigene Land auf der Seite des Guten und die Kriegsgegner der europäischen Mittelmächte auf der Seite des Bösen. Harris sagte aber auch: «Rotary wurde auf dieser Seite des Ozeans geboren. Es könnte aber genauso gut in jedem anderen Land der Freiheit geboren worden sein. Es könnte jedoch niemals seine Wurzeln im Despotismus haben. Dieser grosse internationale Streit ist nun zu Amerikas Streit geworden. Es ist zu Rotarys Streit geworden. Rotary war immer der Feind des Unrechts. Rotary ist im 20. Jahrhundert der Zerstörer der Kasten, der Zerstörer der Heuchelei, der Feind des Unnatürlichen, der Freund aller echten Dinge und der Verbündete der Wahrheit und der Rechtschaffenheit.» Ganz nebenbei brach der Rotary- Gründer hier mit einer Regel, die er selbst einmal aufgestellt hatte – nämlich dem Gebot, sich aus der Politik herauszuhalten (vermutlich meinte Harris mit diesem Gebot ohnehin nur, dass sich Rotary aus dem alltäglichen Gezänk der verschiedenen Parteien heraushalten sollte). In jedem Falle hat er mit seiner Atlanta-Rede klargestellt, dass die Rotarier stets dazu aufgefordert sind, sich dann einzumischen, wenn Frieden und Freiheit bedroht sind. Zwei Jahre später, auf der sogenannten «Victory Convention» in Salt Lake City 1919, fragte Paul Harris in seiner Grussadresse, ob es für Rotary, da der Krieg vorbei war, noch etwas zu tun gebe. Seine Antwort: mehr als jemals zuvor. Niemals, so Harris, sei der Ruf nach gut gesinnten Kräften so gross gewesen. Zwar erscheine die Zivilisation durchaus in ihren Grundfesten erschüttert, doch gab er sich zugleich überzeugt davon, dass sie stärker als je zuvor aus der Krise herauskommen werde. Nicht zuletzt dank Rotary. VOM PATRIOTEN ZUM WELTBÜRGER Wer die Reden und Grussadressen von Paul Harris an die verschiedenen Conventions aufmerksam durchliest, wird darin eine gewisse Entwicklung des Rotary- Gründers feststellen: weg vom amerikanischen Patrioten, der davon überzeugt war, dass vor allem sein Land für das Gute in der Welt steht, hin zu einem nachdenklich reflektierenden Weltbürger, der zunehmend bestrebt ist, Brücken zwischen den Völkern der Welt zu bauen. Ein Beispiel dafür sind seine Worte an die Convention 1921, die erstmals nicht in Amerika stattfand, sondern in Edinburgh. Damals forderte Harris, dass der Begriff der Freundschaft künftig alle Menschen einschliessen müsse. Er sprach von einer Freundschaft, die nicht nur nationale Meinungsunterschiede toleriert, sondern diese auch als naturgegebenes Erbe der Menschheit versteht. Keine Nation, so Harris weiter, solle in Zukunft für sich allein leben, stattdessen sollen die privaten und gesellschaftlichen Kräfte des Fortschritts voneinander lernen. Und wörtlich: «Rotary glaubt, je besser die Menschen einer Nation die Menschen einer anderen Nation verstehen, umso kleiner ist die Wahrscheinlichkeit für Spannungen, und deshalb wird Rotary zu gegenseitigem Verständnis und zu Freundschaften zwischen den Individuen verschiedener Nationen ermutigen.» Neben der Idee, Menschen verschiedener Herkunft zusammenzubringen, ragt hierbei vor allem der Wille heraus, auch auf Angehörige von Nationen zuzugehen, mit denen das eigene Land vor Kurzem noch im Kriege gestanden hatte. Auf der Konferenz von Edinburgh stimmten die Rotarier auch einstimmig dafür, den Einsatz für den Frieden in der Welt in ihre Verfassung und in ihre Statuten aufzunehmen. Wörtlich sprachen sie von der «Förderung der internationalen Verstän-

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – MAI 2019 DER FRIEDEN digung, des guten Willens und des Friedens durch eine Weltgemeinschaft von Geschäftsleuten und Fachkräften aus dem Berufsleben im Ideal des Dienens.» DAS ZEICHEN VON WIEN Ein wichtiger Meilenstein im Einsatz Rotarys für den Weltfrieden ist die Convention im Jahre 1931 in Wien. Sie war nicht nur die erste weltweite rotarische Konferenz auf dem europäischen Festland, sondern auch die erste in einem Land, das im Ersten Weltkrieg zu den Gegnern Amerikas gehört hatte. Das Umfeld dieser Konferenz war alles andere als günstig. Die Völker der Welt, die sich nach dem Gros sen Kriege im Völkerbund zusammengefunden hatten, drohten, wieder auseinanderzufallen. Die Grosse Depression in der Wirtschaft bedrohte die innere Stabilität zahlreicher Gesellschaften, und in denjenigen Ländern, die den Weltkrieg verloren hatten, wuchs der Wille, Revanche für die Niederlage zu nehmen. In diese Zeit hinein startete der britische Aussenminister Ar thur Henderson eine Initiative zur Abrüstung, die letztlich zur Genfer Abrüstungskonferenz von 1932 bis 1934 führte. Die Convention von Wien fand somit im Vorfeld der Genfer Abrüstungskonferenz statt – und setzte deshalb das Thema Frieden und Abrüstung auf die Tagesordnung. Eindringliche Gedanken hierzu trug der Viscount Cecil of Chelwood vor. Für ihn waren Investitionen in Waffen schlicht eine Verschwendung zulasten des Wohlstands der Gesellschaft. Und weiter: «Wenn wir die Arbeit und das Kapital, das heute für die Herstellung von Waffen eingesetzt wird, in produktivere Bereiche transferieren könnten, stünden alle – einschliesslich derer, die heute noch in Waffenschmieden beschäftigt sind – besser da.» Am folgenden Tage dann erklärten die Freunde in ihrer Resolution Nr. 28, dass sie mit tiefer Besorgnis die Pflege der Waffenarsenale der Nationen auf ihrem gegenwärtigen Niveau als ultimative Bedrohung für den Frieden der Welt und für eine Hetze zum Krieg ansehen. Zugleich erklärten sie im Namen ihrer 158 000 Mitglieder in 67 Ländern, dass sie jeden möglichen Schritt jeder Regierung begrüssen, der unternommen wird, um die im Jahre 1932 anstehende Genfer Abrüstungskonferenz zu einem Erfolg und zu einer substanziellen Abrüstung der Waffen in der Welt zu führen. Auch Paul Harris beteiligte sich in seinem Grusswort an den Beratungen in Wien. Als einen wesentlichen Baustein für den Frieden der Welt sah er den Begriff der Freundschaft an: «Freundschaft schafft eine Bereicherung für das Leben. Ohne sie wäre das Leben wirklich karg. Verständigung ist die Dienerin der Freundschaft. Ohne sie kann Freundschaft nicht existieren. Wo Freundschaft wächst, verschwinden Überlegenheitsgefühle ebenso wie Minderwertigkeitskomplexe. Wir sind alle Gottes Kinder. Und so wie ein Mitglied einer Familie essenziell wichtig ist für die anderen Angehörigen, so ist jede Nation in der grossen Völkerfamilie von essenzieller Bedeutung für alle anderen Nationen.» Die Wiener Resolution Nr. 28 und die Worte von Paul Harris waren grosse und starke Worte für eine noch grössere Sache. Doch verschärften sich bekanntermassen nur kurze Zeit darauf weltweit die politischen Verhältnisse, und ein neuer Krieg brachte noch mehr Leid über die Menschheit als der Grosse Krieg rund 25 Jahre zuvor. Natürlich hat Rotary die Rückkehr von Diktatur und Krieg nicht verursacht und in keiner Weise zu verantworten. Und doch waren die Bemühungen der rotarischen Freunde, den Frieden der Welt zu sichern, am Ende nicht erfolgreich. Ein Grund dafür war vielleicht, dass diese Organisation damals zwar schon eine beachtliche Grösse erreicht hatte, aber letztlich doch zu klein war, um die Gesellschaften wichtiger Länder wirklich zu prägen. GRÜNDUNG DER VEREINTEN NATIONEN Auch inmitten des Zweiten Weltkrieges leistete Rotary – das durch Verbote der Clubs in den faschistisch, nationalsozialistisch oder kommunistisch regierten Ländern wieder mehr oder weniger zu einer Organisation in den westlichen Ländern geschrumpft war – einen signifikanten Beitrag für den Frieden. Auf ihrer Convention in Havanna 1940 forderten die Anwesenden «Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit, die Heiligkeit des sicheren Wortes und Respekt vor den Menschenrechten» «FREUNDSCHAFT – NATURGEGEBENES ERBE DER MENSCHHEIT» ein. Diese Forderung wurde später, im Jahre 1948, zum Gerüst für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Im Jahre 1942 organisierten Rotary Clubs aus 21 Nationen eine Konferenz in London, um gemeinsam eine Grundlage für die künftige Bildung, Wissenschaft und Kultur nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu entwickeln. Diese Londoner Konferenz gilt als eines der Fundamente der späteren UNESCO. Und dann, im April 1945, gehörte Rotary zu den massgeblichen Kräften der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen in San Francisco. Dass Rotary International dazu offiziell als Beobachter eingeladen 19

Rotary Magazin