Aufrufe
vor 6 Monaten

Rotary Magazin 11/2023

  • Text
  • Rotary
  • Suisse
  • Liechtenstein
  • Novembre
  • Mitglieder
  • Menschen
  • Schweiz
  • Rotarier
  • Welt
  • Paix
  • Magazin

ROTARY SUISSE – ROTARY

ROTARY SUISSE – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – NOVEMBRE 2023 ERFOLGREICHER GLOBAL GRANT HYGIENE BEGINNT BEI DEN 46 Das Erfolgsgeheimnis heisst: sehr grosses Format und robustes Material. Es ist ein Ringbuch mit 48 Blättern, das aufgehängt wird wie ein Kalender, oben die Spiralbindung, einen Meter breit und 70 Zentimeter hoch. Jede Seite ist laminiert, durch Kunststoff geschützt gegen Feuchtigkeit und Verschmutzung. Das ist das Unterrichtsmittel, das die Schweizerin Corinne Wieser für den Einsatz in Haiti entworfen hat. Es wurde mit rotarischer Unterstützung erstellt und kommt nun in grossem Stil zur Anwendung. Wir treffen Corinne Wieser in Uster, wo sie bei ihrer Mutter zu Besuch ist, ehe sie wieder nach Haiti reist. Sie erklärt uns, wie Lehrerinnen und Lehrer in Haiti die Kinder anhand dieses Lehrbuchs mit Verhaltensgrundsätzen der Hygiene vertraut machen sollen. Das grosse Buch ist zweisprachig, Kreolisch wie Französisch, und umfasst 31 Lektionen, in denen man Schritt für Schritt lernt, wie sich Übertragungsketten von Mikroben unterbrechen lassen. Dargestellt wird dies durch Szenen aus dem Alltag. Farbige Zeichnungen veranschaulichen Situationen und Handlungen ohne viele Worte. So erfahren die jungen Leser etwa, wie man mittels Chlorzusatz Trinkwasser herstellt, wie man die Hände waschen muss oder wie man verhindert, dass beim Brotkauf kontaminiertes Geld mit Lebensmitteln in Berührung kommt. «Es ist ein visuelles Buch», sagt Corinne Wieser, die es gestaltet hat. Warum denn diese Grösse? «Auf diese Weise kann man sicherstellen, dass das Lehrmittel auch von der hintersten Ecke des Schulzimmers aus gesehen wird und dass es in der Schule bleibt», erklärt sie. Bei kleineren Büchern sei die Gefahr gross, dass sie nach einem Jahr nicht mehr da sind oder zerknautscht und beschädigt, also unbrauchbar für nächste Klassen. Ein Buch im Riesenformat dagegen könne einer Schule viele Jahre dienen. Wenn es auf dem Metallständer hängt, erinnert es an einen Grossbildschirm und tatsächlich, so Corinne Wieser, höre man von den Kindern oft: «Ich will ins Schulzimmer mit dem Fernsehbuch.» Kann man denn heute schon von Erfolg sprechen? «Wir sind sehr weit gekommen», sagt sie. 300 Exemplare dieser «Fernsehbücher» seien für die Schulen in Camp-Perrin und Les Cayes bereit zum Einsatz. Man habe 32 hoch motivierte Instruktorinnen und Instruktoren ausbilden können, die den Stoff gründlich erarbeitet hätten. Diese wiederum hätten im April und Mai 900 Lehrerinnen an drei Ausbildungstagen im Umgang mit dem grossen Buch geschult. In 900 Klassen werde dieses Hygiene-Wissen ab Oktober in den Unterricht eingebracht. Corinne Wieser zeigt positive Rückmeldungen aus Haiti. Darunter sind Videos von Schulklassen, die sich mit speziell komponierten Liedern für das Lehrmittel bedanken, oder von Aufführungen, in denen Lehrpersonen das Grafische mit eigenen Kreationen durch Singen und Bewegungen verstärken. Befriedigt und erleichtert ist beim Treffen in Uster auch An der Ecole Externat St. Joseph werden die Hygiene-Materialien verteilt. Die 70-jährige Direktorin (im Bild) und ihre 16 Lehrerkolleginnen haben zuvor die dreitägige Ausbildung absolviert

ROTARY SUISSE – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – NOVEMBRE 2023 KINDERN Hans Peter Frei vom RC Zürich-Oberland. Das rotarische Engagement für dieses Projekt hatte 2015 begonnen; Hans Peter Frei war als Verantwortlicher für die Verbindung des Distrikts 2000 mit der Rotary Foundation quasi Dreh- und Angelpunkt für das Vorhaben. Er schildert aus seiner Sicht, wie viel Energie und Durchhaltewillen es brauchte, um den Prozess von einer Stufe zur nächsten zu bringen. Jetzt allerdings könne man sagen: «Es läuft.» Haiti sei wohl eines der schwierigsten Länder für Kooperationsprojekte. Gerade deshalb aber sei es lohnend, sich zu engagieren, schliesslich sei gerade dort Unterstützung nötig, gibt Corinne Wieser zu bedenken. Wie ist sie damals auf Rotary gekommen? Corinne Wieser ist ursprünglich Krankenschwester; später bildete sie sich zur Grafikerin aus. Im Rahmen der 700-Jahr-Feier der Schweiz kam sie 1991 für ein Projekt von Radio Swiss Romande nach Haiti. Sie berichtete damals über ein lokales Ausbildungszentrum, die Ateliers- Écoles von Camp-Perrin, das Handwerker zu selbständiger unternehme rischer Tätigkeit ausbildete. Corinne Wieser war später immer wieder in Haiti. 2008 kam ihr die Idee, mit einem Buch für Kindergärten die Kinder auf Hygiene-Themen aufmerksam zu machen. 2010 wurde das Land von einer Choleraepidemie heimgesucht, die sich hartnäckig hielt, sodass sich die Idee des Hygiene-Buches verfestigte. Auf der Suche nach Finanzierung gelangte sie 2015 an Rotary und damit an Hans Peter Frei. Dieser sondierte die Möglichkeiten, er versuchte, Rotary Clubs im Distrikt 2000 zu motivieren, hielt Vorträge, fand bei zwölf Clubs Zustimmung und machte sich dann daran, einen Global Grant zu erhalten. Der Vorteil? «Ein Global Grant bedeutet, dass die Rotary Foundation das lokal gesammelte Geld verdoppelt, wenn sie das Projekt gutheisst», erklärt Frei. Dies gelang, und am Schluss standen 200 000 Franken für das Bildungsprojekt in Haiti bereit. 2018 wurde das Vorhaben offiziell lanciert. 900 Lehrerinnen und Lehrer wurden im Rahmen des Projekts bereits geschult Doch das war erst ein Teil der Strecke. In Haiti musste die Partnerseite gefunden werden, sprich ein lokaler Rotary Club, der die Zusammenarbeit mit der rotarischen Führung in der Region gewährleisten würde. Frei beharrte auf dem Grundsatz, nicht einfach Geld zu schicken, sondern wollte sicherstellen, dass die Unterstützung am Bestimmungsort ihre volle Wirkung entfaltet. Aber es brauchte, wie Frei schildert, auch diplomatische und taktische Ge ­ schicklichkeit sowie etliche persönliche Besuche in Haiti. Kommunikationshürden und Sprachbarrieren zwischen Französisch und Englisch, Bewilligungsverfahren und unerwartete Transportbehinderungen muss ten überwunden werden. Für den Druck des «Fernsehbuchs» fand sich nach längerer Suche die Bubu-Druckerei in Mönchaltorf. Die Spiralbindung von derart grosser Breite schafften nur die bereits erwähnten Ateliers-Écoles von Camp-Perrin, sodass acht Kilometer Draht in den Container mit Zielort Haiti gepackt wurden. Container und Haiti – das bedeutete Probleme. Waren ins Land zu bringen wird laut den Schilderungen durch Korruption und die staatliche Bürokratie enorm teuer bis unmöglich gemacht. Es gibt den Ausweg via Botschaften. Aber es war nicht die schweizerische, sondern die französische Botschaft, die es möglich machte, sieben Tonnen Material von Belgien nach Haiti zu verschiffen. Die Leitfäden für die Lehrer und die Testfragen für die Schüler wurden lokal in Haiti gedruckt. Corinne Wieser hatte immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen, der grösste war das Erdbeben im August 2021. Dann brannte das Haus aus, nur ihren Computer konnte sie retten. Hinzu kämen die politische Instabilität und unterbrochene Verkehrswege. In die Hauptstadt zu fahren sei zu riskant wegen Kidnapping, ausserdem sei die Kriminalität hoch. Die Stromproduktion sei völlig ungesichert, eine staatliche Versorgung gebe es nicht, auch keine Post. Man habe mit Treibstoffknappheit und einem instabilen Telefon- und Internetbetrieb zu kämpfen. Lehrer erhielten oft lange Zeit keinen Lohn. Der Umgang mit Behörden sei schwierig. Umso eindrücklicher findet es Corinne Wieser, dass im Projekt mit den Hygiene-Lehrmitteln so viele motivierte Lehrkräfte mitmachen. Überschlagsmässig könne man heute sagen: Wenn 900 Lehrpersonen mit Klassen von etwa 30 bis 40 Schülern das «Fernsehbuch» benutzen, ergebe das pro Jahr rund 30 000 Kinder, die mit dem Hygiene-Lehrgang in Berührung kämen. Hochgerechnet auf sechs Jahre, so lange sollten die Bücher halten, seien das mehr als 180 000 Kinder – wenn nicht mehr. K Rot. Beat Gygi | A zvg 47

Rotary Magazin