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Taxi Times München April 2017

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Ausgabe 02-17

STADTPOLITIK

STADTPOLITIK STADTPOLITIK SCHÖNGERECHNETE BÜRGERBETEILIGUNG Die Stadt München stellt erste Ergebnisse zur Fußgängerzone in der Sendlinger Straße vor. Strittige Punkte weiter ungeklärt. Die Idee ist doch sehr hübsch: Ruhezonen mit Freizeitqualität statt Autos mit Lärm und Abgasen. Bänke unter Bäumen laden zum Verweilen ein. Fußgänger und Radfahrer begegnen sich friedvoll auf den vom Auto zurückeroberten Verkehrsflächen. Der Schönheitsfehler dabei ist, dass die Sendlinger Straße nicht nur Wohlfühlzone ist, sondern auch Einkaufsstraße mit Geschäften, Arztpraxen und Gewerbe. Wie bringt man das alles unter einen Hut? Diese Frage wurde im Rahmen der Bürgerbeteiligung von der Stadt beantwortet, zumindest versuchsweise. Das Studio STADT REGION zentralog hat im Auftrag der Stadt München zahlreiche Stimmungen und Rückmeldungen aufgefangen und zusammen mit den Antworten aus der Bürgerbefragung ausgewertet. Sein erstes Fazit: Die Fußgängerzone wird überwiegend positiv angenommen. „Traumhaft, lebenswert, echt münchnerisch.“ „Die Straße lädt zum Schlendern ein.“ „Besonders im Sommer sehr angenehm durch die Sitzgelegenheiten.“ Drei Originalzitate aus der Bürgerbefragung, die belegen sollen, wie beliebt die umstrittene Verkehrsregelung ist. Denn die Hier fehlt ein „Taxi frei“-Schild: die Sendlinger Straße als Fußgängerzone mit Liefer- und Anfahrtsschwierigkeiten. Umwidmung einer Verkehrsstraße zu einer Fußgängerzone bringt zahlreiche Komplikationen mit sich. Radlhighway und Wohlfühlzonen statt Individualverkehr: Stadt fühlt sich durch Umfragen bestätigt. ZUFAHRT NUR IM NOTFALL Am auffälligsten ist da die erschwerte Zufahrt zu Praxen, Kanzleien und Geschäften. 51 % der befragten Gewerbetreibenden gaben an, die Anfahrtssituation hätte sich verschlechtert. 34 % erkannten keine Veränderung und nur 16 % fanden die Fußgängerzonenregelung besser. Aus Kundensicht bewerten sogar 58 % die Fußgängerzone als Hindernis. Nun ist die Sendlinger Straße nicht die Neuhauser- oder Kaufingerstraße – und soll das auch nicht werden –, nur: Es besteht die Gefahr, dass wenn die „kleinen“ und alteingesessenen Gewerbebetriebe und Geschäfte aufgrund der verschlechterten Verkehrssituation abwandern, Ketten und Konzerne die Gewerbeflächen übernehmen. So ginge ein Stück München verloren. Besonders problematisch für die Geschäfte und Betriebe sind die engen Fenster für Lieferzeiten und die zum Teil weiten Wege. Auch die in der Straße ansässigen Praxen haben Schwierigkeiten mit der erschwerten Anfahrt. Selbst einfahrende Anwohner beschweren sich über Konflikte mit Fußgängern, die das von ihnen eroberte Terrain ungern mit Autos teilen wollen. Die Formalien zur Erlangung einer Zufahrtserlaubnis für Patienten oder auch Handwerker sind kaum bekannt. Diejenigen, die bereits eine Zufahrtserlaubnis beantragt haben, beschweren sich über zu lange Bearbeitungszeiten und zusätzliche Kosten. Inzwischen hat auch das KVR eingesehen, dass man von der niedrigen Zahl von Anträgen auf Sonderzufahrt nicht auf einen fehlenden Bedarf schließen kann. Die Parkaufsicht wurde angewiesen, bei vorhandenen Arztbestätigungen die Einfahrt zu gestatten und bei Notfällen auf die Vorlage zu verzichten – eine Regelung, von der vor allem die BG-Notfallpraxis profitiert. Allerdings ist es für einen Taxifahrer kaum möglich, zu beurteilen, welche Kunden nun bis vor die Praxis gefahren werden dürfen und welche nicht. Viele Kollegen fürchten Konsequenzen und verweigern eine Einfahrt generell. Dieses Verhalten ist nicht neu. Es betrifft vor allem Praxen am Marienplatz, aber auch in der Weinstraße. Bekommt ein Fahrer den Auftrag, einen Patienten in der betreffenden Praxis abzuholen, dann ist er auf den guten Willen von Schandies und FOTOS: Tom Buntrock ZUGÄNGLICHKEIT, ZUFAHRT, ANLIEFERUNG Gewerbetreibendenbefragung: Wie beurteilen Sie die Erreichbarkeit Ihres Gewerbes für Kundinnen und Kunden heute im Vergleich zu der Zeit vor dem Verkehrsversuch? 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % 1 % deutlich verbessert Quelle: Gewerbetreibendenbefragung, STUDIO STADT REGION zentralog, Berlin. Polizisten angewiesen. Oder er riskiert ein Bußgeld. Problematisch ist: Viele Patienten gehen automatisch davon aus, dass das Taxi sie bis zur Praxistüre fahren darf. Viele Arztpraxen sind bereits sensibilisiert und statten ihre Patienten mit entsprechenden Bescheinigungen aus. Andere wälzen die Verantwortung auf die Zentralen und letztendlich auf den einzelnen Taxifahrer ab, denn er muss entscheiden, ob er ein Bußgeld riskieren will oder nicht. Unbefriedigend vor allem ist, dass es sich bei allem • Verkehrsunfallabwicklung • Verkehrsrecht • Bußgeldsachen • Zivilrecht • Strafrecht 3 % gering verbessert 38 % gleich geblieben 35 % gering verschlechtert 23 % stark verschlechtert Entgegenkommen des KVR und der Verkehrspolizei um Kannbestimmungen handelt. Rechtssicherheit gewinnt der Taxifahrer vor Ort dadurch nicht. KONFLIKTFREIE LÖSUNG GESUCHT Richtig wäre es, für alle betroffenen Praxen – also nicht nur die in der Sendlinger Straße – die Zufahrt mit dem Taxi freizugeben. Hat man den Patienten im Fahrzeug, so müsste eine Terminbestätigung als Berechtigung ausreichend sein. Wird das Taxi zur Abholung bestellt, so müsste das auf + - POSITIVBEISPIEL OFFENBACH: TAXI STATT UNERLAUBTE DURCHFAHRTEN Die SPD stellt dieser Tage einen Antrag für die Stadtverordnetenversammlung auf eine freie Taxianfahrt in der Offenbacher Fußgängerzone: „Wir möchten, dass weiterhin Familien in der Fußgängerzone wohnen, dass es Ärztehäuser und Apotheken gibt, die von Kranken auch erreicht werden können, und wir möchten, dass auch Gehbehinderte problemlos in die Fußgängerzone kommen können“, erklärt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gertrud Marx. Denn „nicht die eingeschränkte Seniorin, die mit einem Taxi die Fußgängerzone anfährt, um eine Freundin auf einen Kaffee zu treffen, ist das Problem. Das Problem sind die vielen Durchfahrten unberechtigter Fahrzeuge oder auch der Lieferverkehr außerhalb der Anlieferzeiten“ so die SPD-Politikerin. den Ausdruck des Fahrtauftrags ebenfalls zutreffen. So ein Fahrtauftrag lässt sich mit den Vermittlungssystemen beider Münchner Taxizentralen mühelos ausdrucken. Der Taxiverband München (TVM) hat signalisiert, eine dementsprechende Durchfahrtspraxis für alle Taxis beantragen zu wollen. Nur wenn das Taxi eine geregelte Zufahrt hat, kann es seinen Auftrag als das flexibelste Mitglied im ÖPNV gewissenhaft erfüllen. Allerdings muss für eine unbürokratische Gesamtlösung auch der politische Wille vorhanden sein. Doch zurück in die Sendlinger Straße und zu den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung. Denn noch ist das gewünschte Ziel einer konfliktfreien Lösung mit größtmöglicher Zufriedenheit nicht erreicht. Auch machen die vorgelegten Zahlen stutzig. So wurden alle neutralen Aussagen als Zustimmung gewertet. Das macht sich zwar statistisch besser, verschleiert aber gerade die Probleme, die es noch zu lösen gilt. Aus Sicht des Taxigewerbes ist eine Innenstadt mit Aufenthaltsqualität statt Durchgangsverkehr kein Schreckgespenst – wenn das Taxi weiterhin seine Aufgaben erfüllen kann. Salzburg macht es vor, wie das funktionieren kann: Zufahrt in die Altstadt haben nur Berechtigte, also Anwohner, Zulieferer, Handwerker und eben das Taxi. Eine Lösung ohne Taxi kann auf Dauer nicht funktionieren. Denn eines hat der Versuch mit der Fußgängerzone in der Sendlinger Straße bewiesen: Der Bedarf an Taxi ist da. Man muss es nur seine Arbeit machen lassen. tb NEGATIVBEISPIEL WIEN: RAMSCH STATT KLASSE Die Mariahilfer Straße wurde vor anderthalb Jahren zur Fußgängerzone. Ein Jahr nach dem Umbau zieht die Wiener Wirtschaftskammer ein bitteres Fazit: mehr als 16 % weniger Passanten und damit weniger Einkäufer. „Die Kaufleute beklagen Umsatzrückgänge, weil die zahlungskräftigen Käufer mit Auto weniger geworden sind“, berichtete der Obmann der Wirtschaftskammer-Sparte Handel, Rainer Trefelik, in einer eigenen Pressemitteilung. Die Händler reagieren mit Sortimentsumstellungen, denn vor allem die Käufer hochpreisiger Waren bleiben aus. Was bleibt, sind Billigwaren. Brienner Str. 11 D-80333 München Tel. 089 - 55 06 67-0 Fax. 089 55 06 67-129 www.artz-partner.de artz@artz-partner.de 24 APRIL / 2017 TAXI TAXI APRIL / 2017 25

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