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Ankommen nach der Flucht // THEMA<br />
tungen stehen neben aggressiver Fremdenfeindlichkeit, Rassismus<br />
und Populisten, die offenbar erfolgreich auf Stimmenfang<br />
gehen. Das Thema hat erkennbar politische Kontroversen angeheizt<br />
und polarisiert die Gesellschaft.<br />
Dabei bleibt immer wieder die Bereitschaft zu differenzieren<br />
auf der Strecke. Auch wäre mitunter einzugestehen, dass<br />
man in Wissenschaft, Praxis und Politik angesichts der neuen<br />
Konstellationen vieles nicht so genau weiß, dass man es mit<br />
einer Reihe neuer Herausforderungen zu tun hat, gelegentlich<br />
an die eigenen Grenzen gerät und dass so manche bewährte<br />
Antwort nicht mehr ausreicht, ja, dass dann und wann improvisiert<br />
werden muss. Mit Blick auf das bislang verfügbare empirische<br />
Wissen ist schließlich einzuräumen, dass Forschung zu<br />
jungen Geflüchteten lange Zeit ein randständiges Thema war<br />
(Netzwerk Flüchtlingsforschung 2016).<br />
Mittlerweile hat sich die Aufmerksamkeit an dieser Stelle<br />
erkennbar verschoben, mit der Folge, dass erste Forschungsprojekte<br />
am Deutschen Jugendinstitut (DJI) und an anderen<br />
wissenschaftlichen Einrichtungen auf den Weg gebracht wurden<br />
(siehe Informationskasten). Meist liegen bislang aber bestenfalls<br />
erste Zwischenergebnisse vor. Es mangelt also an belastbaren<br />
empirischen Daten, die die Vielfalt der Lebenslagen<br />
Geflüchteter zumindest annährend abbilden könnten. Viele der<br />
aktuell drängenden Fragen bleiben damit vonseiten der Forschung<br />
zunächst unbeantwortet (Johansson 2016).<br />
Mehr als die Hälfte der Schutzsuchenden<br />
ist jünger als 25 Jahre<br />
Neben den großen wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es<br />
eine ganze Reihe von Fallstudien, lokalen Befragungen und Expertisen.<br />
Darüber hinaus werden immer mehr Reportagen und<br />
Berichte aus der Fachpraxis über zivilgesellschaftlich engagierte<br />
Menschen veröffentlicht. In der Summe zeichnen diese Veröffentlichungen<br />
jedoch ein sehr heterogenes Bild, das nur eine<br />
belastbare Aussage zulässt: Es gibt große Unterschiede bezüglich<br />
der biografischen Hintergründe, Lebenslagen und Belastungen<br />
junger Geflüchteter, ihrer Unterbringung und Betreuung<br />
sowie ihrer subjektiven und rechtlichen Perspektiven. Zum<br />
Teil hängen diese offenbar auch mit den lokal verfügbaren<br />
Strukturen, Ressourcen und Konstellationen zusammen; teilweise<br />
sind die Differenzen aber auch durch die jeweiligen individuellen<br />
und familialen Bedarfslagen bedingt. So kann es gegenwärtig<br />
nur um eine Annäherung an das Thema gehen; diese<br />
allerdings ist notwendig – auch als Beitrag zur Versachlichung<br />
der öffentlichen Debatte über Geflüchtete.<br />
Auf Basis der Statistik über Asylerstanträge des Bundesamts<br />
für Migration und Flüchtlinge (BAMF 2016) lässt sich festhalten,<br />
dass die Anzahl der jungen geflüchteten Menschen seit<br />
dem Jahr 2015 deutlich gewachsen ist: Inzwischen halten sich<br />
Überblick über erste wichtige Studien<br />
Seit dem Beginn der großen internationalen Fluchtbewegung<br />
im Sommer 2015 sind mehrere größere Forschungsprojekte<br />
gestartet worden. Allerdings stehen dabei junge<br />
Geflüchtete – also Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene<br />
– nur bedingt im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dieser<br />
Altersgruppe wendet sich vor allem das im Sommer 2016<br />
vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe gestartete Projekt<br />
ReGES zu. Es untersucht die Integrationsverläufe von Geflüchteten<br />
in das Bildungssystem und konzentriert sich dabei<br />
auf zwei entscheidende Bildungsetappen: auf die frühkindliche<br />
Bildung und den Übergang von der Sekundarstufe I<br />
in das Ausbildungssystem (LFBI 2016).<br />
Das Thema Übergang in Bildung und Beschäftigung, allerdings<br />
bei der Altersgruppe der 18- bis 24-jährigen Geflüchteten,<br />
steht auch im Mittelpunkt der Studie »WELL-<br />
COME« des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung<br />
(IAB 2016). Untersucht werden die Lebenssituation und die<br />
für diese Altersphase typischen Übergänge.<br />
Thematisch noch etwas weiter angelegt ist die IAB-<br />
SOEP-BAMF-Flüchtlingsstichprobe: Angestrebt wird, auf der<br />
Basis standardisierter Instrumente Informationen zur schulischen<br />
Bildung, zur Berufsausbildung beziehungsweise zur<br />
beruflichen Situation, aber beispielsweise auch zu Sprache,<br />
Wohnsituation, familiärer Situation und gesellschaftlicher<br />
Partizipation zu gewinnen. Dabei sollen die Auswirkungen<br />
der besonderen rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen<br />
für Schutzsuchende sowie die Wirksamkeit von<br />
unterschiedlichen Förderprogrammen in den Blick genommen<br />
werden. Befragt werden 2000 erwachsene Geflüchtete<br />
(IAB-SOEP-BAMF 2016).<br />
Deutlicher kleiner ist die qualitative Stichprobe der Studie<br />
des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration<br />
und Migration. Auch in diesem Projekt steht die<br />
Lebenslage erwachsener Flüchtlinge in Deutschland im Zentrum<br />
– allerdings mit zwei Schwerpunkten: Erstens geht es<br />
vorrangig um die Perspektive der Betroffenen selbst und<br />
zweitens um Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus<br />
(SVR 2016).<br />
Die persönlichen Sichtweisen junger Geflüchteter stehen<br />
auch im Mittelpunkt der Studie des Deutschen Jugendinstituts<br />
(DJI) zu den Erfahrungen und Perspektiven minderjähriger<br />
Flüchtlinge (siehe S. 14 in dieser Ausgabe).<br />
In Bezug auf die Situation von 10- bis 13-jährigen geflüchteten<br />
Kindern ist eine qualitative Befragung von Bedeutung,<br />
die von World Vision Deutschland und der Hoffnungsträger<br />
Stiftung finanziert wird (World Vision Deutschland<br />
2016). Bisher nur sehr wenige Daten sind verfügbar über die<br />
institutionellen Bedingungen der Unterbringung, Förderung,<br />
Begleitung, Vertretung, Bildung und Ausbildung junger Geflüchteter<br />
(siehe S. 19, S. 22, S. 25 in dieser Ausgabe).<br />
3 . 2016 DJI IMPULSE 5