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ПОДКАМЕННАЯ ТУНГУСКА PODKAMENNAYA TUNGUSKA

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<strong>ПОДКАМЕННАЯ</strong> <strong>ТУНГУСКА</strong><br />

<strong>PODKAMENNAYA</strong> <strong>TUNGUSKA</strong><br />

Teil 2


545 KM PER KANU AUF DER STEINIGEN <strong>TUNGUSKA</strong><br />

Samstag, 03.08.2013<br />

Tag 5, Km 375 – 335<br />

Ein ruhiger Tag. Es ist diesig, als wir morgens<br />

aus dem Zelt kriechen, und den ganzen Tag wird<br />

sich die Sonne nicht richtig durchsetzen.<br />

Bei Km 360 passieren wir ein weiteres<br />

Wrack – ein großer Lastkahn, der vor<br />

noch nicht allzu langer Zeit gesunken zu<br />

sein scheint, denn er ist noch nicht komplett<br />

plattgedrückt. Hier mit einem<br />

Schubverbund hochzufahren, wenn der<br />

Fluss im Frühjahr 20.000 m³ Wasser pro<br />

Sekunde führt und nicht wie jetzt vielleicht<br />

1.500 m³/s, muß großes Tennis<br />

sein – und offensichtlich geht es nicht<br />

immer gut…<br />

Das sieht dann wohl etwa so aus:<br />

ZENTRALSIBIRIEN, JULI – AUGUST 2013<br />

Teil 2<br />

Am relativ großen Zufluss Kondromo kommt Abwechslung<br />

in die Küche – P zieht einen schönen<br />

Lenok (Sibirische Forelle) aus dem Wasser. Dazu<br />

fangen wir noch drei Äschen, wie üblich in deutlich<br />

unter einer halben Stunde. Es ist richtiggehend<br />

schade, dass die Brüder immer so schnell<br />

„ansprechen“; wir würden gerne noch weiterangeln,<br />

aber mehr Fisch können wir abends beim<br />

besten Willen nicht essen.<br />

An einer Stelle, wo die Berge zurücktreten, die<br />

Ufer flach werden und der Fluss sich breit macht,<br />

laufen wir unerwartet auf eine Sandbank. Wir<br />

haben uns mittig gehalten, irgendwo eine „falsche<br />

Abzweigung“ genommen und sitzen nun auf dem<br />

Trockenen – rundherum ist das Wasser teilweise<br />

nur 5 cm tief. Die Hauptströmung scheint<br />

am abgelegenen Ufer entlang zu laufen,<br />

aber dorthin ist es fürchterlich weit. Wir<br />

hoffen, am näheren Ufer auch eine schiffbare<br />

Rinne zu finden und haben auch<br />

Glück, müssen bis dorthin aber eine Stunde<br />

lang das Boot treideln und sogar über die<br />

besonders flachen Stellen schieben. Wandertag<br />

in der Mitte der Tunguska.<br />

Bei Km 334 beginnen wir, aufmerksam das<br />

Ufer zu beobachten. Irgendwo hier soll<br />

eine Hütte versteckt sein, und da bei Km<br />

325 der Bolshoi Porog – die Große Stromschnelle<br />

– beginnt, die wir am nächsten


Morgen ausgeruht angehen wollen, haben wir hier<br />

unser Nachtlager geplant. Nach angestrengtem<br />

Suchen sehen wir wirklich eine horizontale Linie<br />

vage durch die Bäume schimmern – das Dach der<br />

Hütte. Nun gilt es, die Stelle beim Anlegen nicht<br />

aus den Augen zu verlieren, denn vom Ufer aus ist<br />

die Hütte im Wald nicht mehr zu sehen – man<br />

steht ja am Fuße der steilen Böschung. Wir suchen<br />

ewig, bis wir den kleinen Trampelpfad finden,<br />

der hinaufführt, nur um oben eine herbe Enttäuschung<br />

zu erleben: die Hütte ist winzig, primitiv,<br />

und total verdreckt, im Grunde nicht mehr als<br />

eine überdachte Müllkippe. Wir nehmen uns zwei<br />

oder drei Holzscheite und beschließen, unser Zelt<br />

am Ufer aufzubauen.<br />

Bisher lagen unsere Zeltplätze jeweils auf Inseln,<br />

und dort weitab vom bewachsenen Teil auf der<br />

vorgelagerten Kiesbank, was uns im Hinblick auf<br />

nächtlichen Besuch relativ ruhig schlafen ließ.<br />

Zwar könnten Bären ohne Probleme die Tunguska<br />

durchschwimmen, aber der Mangel an Beutetieren<br />

macht die Inseln für sie uninteressant. Das könnte<br />

hier anders werden, wenn es vom Ufer herauf verführerisch<br />

nach Fischsuppe duftet. Wir ziehen<br />

daher alle Register: Proviantlager, Feuerstelle<br />

und Zelt errichten wir im Abstand von je etwa 100<br />

m voneinander, und um das Zelt ziehen wir erstmalig<br />

den eigens mitgeschleppten Bärenzaun.<br />

Dabei handelt es sich um einen mobilen Elektrozaun<br />

aus weißer Kunststofflitze, unter 9000V-<br />

Spannung gesetzt von einem kleinen, batteriebetriebenen<br />

Trafo. Die Idee ist, das Meister Petz,<br />

neugierig wie er ist, an dem Band schnuppert,<br />

RATENG! ordentlich einen gewischt bekommt<br />

und in den Wald verschwindet, um niemals wieder<br />

raus zu gehen.<br />

Ob es geholfen hätte? Man steckt nicht drin. Ich<br />

konnte jedenfalls die Litze problemlos in die<br />

Hand nehmen, ohne dass die Schläge allzu unangenehm<br />

gewesen wären. Aber immerhin ist so<br />

eines Bären Nase ja feucht (feucht und kalt, wenner<br />

gesund ist!), und er hat auch keine Gummisohlen<br />

an.<br />

Apropos Fischsuppe: Fab hatte sich bis jetzt stets<br />

gegen den Vorschlag verwahrt, doch mal eine ordentliche<br />

Ucha anzufertigen, jetzt aber ist es endlich<br />

soweit: große Fischstücke mit Kartoffeln,<br />

ordentlich Zwiebeln, Knoblauch, Lorbeer und<br />

Pfeffer, und zum Schluß ein kräftiger Schuß Wodka<br />

rein. Das Ganze auf offenem Feuer geschmiedet<br />

– mehr braucht es nicht für Sternenküche!<br />

Den ganzen Tag haben wir keinen einzigen Menschen<br />

gesehen.


Sonntag, 04.08. 2013<br />

Tag 6, Km 335 – 293<br />

Unbehelligt geschlafen, eine Kleinigkeit gefrühstückt,<br />

und los. Wieder ist es diesig, wieder wird<br />

es den ganzen Tag so bleiben. Vor dem Bolshoi<br />

Porog machen wir uns und das Boot klar. Besonders<br />

gut verzurrt haben wir alles schon beim Aufbruch,<br />

jetzt legen wir die Spritzschürzen an, Fab<br />

steckt den Trockenbeutel mit dem Sattelitentelefon<br />

für alle Fälle unter die Schwimmweste, und<br />

Piet setzt die Gopro-Kamera auf, um den Spaß zu<br />

dokumentieren. Leider werden dies die einzigen<br />

Aufnahmen bleiben, weil das Scheißding auch<br />

ausgeschaltet Strom verbraucht und uns unbemerkt<br />

den Akku leersaugt. Dazu haben wir Probleme<br />

mit dem Solarpanel, so dass wir ihn nicht<br />

wieder aufladen können. Ärgerlich.<br />

Die Stromschnelle ist insgesamt 7 km lang und<br />

aufgeteilt in vier Stufen, von denen die zweite und<br />

vierte die Stärksten sein sollen. Bei diesem Wasserstand<br />

kann man sie aber nicht wirklich klar<br />

auseinanderhalten – wir vermuten, dass es die 2.<br />

Stufe ist, in der es am meisten rund geht. Es sind<br />

wieder ordentlich tückische Felsen verteilt, und an<br />

einer Stelle stehen drei große Wellen von jeweils<br />

rund einem Meter Höhe kurz hintereinander. Der<br />

Ally wippt und biegt sich wie nix, und wir werden<br />

ordentlich nass...


Unterhalb der Stromschnelle, wir rätseln im dichten<br />

Nebel noch, ob es das jetzt war oder ob noch<br />

eine Stufe kommt, hören wir Motorenlärm von<br />

oben näher kommen. Nach ewiger Zeit sehen wir<br />

auch schemenhaft ein Boot auftauchen. Zwei<br />

waldläufermäßige Typen in einer großen Ilimka<br />

(langes, traditionelles Holzboot) voller Geraffel<br />

(Autoreifen, Fässer und noch alles Mögliche) begutachten<br />

flüchtig unser Boot, fragen, nordisch<br />

kurz angebunden, woher und wohin und bieten<br />

uns ihre Hilfe an. Wir lehnen dankend ab – ist ja<br />

alles im Lack – und die Brüder setzen mit einem<br />

freundlichen Nicken ihren Weg fort.<br />

Wir legen am Baikit an, ein relativ großer Zufluss,<br />

der genau so heißt wie das Nest, in dem wir gestartet<br />

sind. „Guter Ort“, bedeutet das wohl auf<br />

Ewenkisch, und der Name stimmt. Piet fängt<br />

zwei Lenok – mit zwei Würfen! Ruck-zuck hat<br />

auch Fab einen an der Angel, und nach fünf Minuten<br />

ist das Angeln abgehakt. Unterhalb des Zuflusses<br />

liegt am Ufer ein großer Kutter, etwa 10<br />

m. lang. Auf dem Vordeck sind an Wäscheleinen<br />

sicherlich 100 Fische zum Trocknen aufgehängt.<br />

Von der Besatzung sehen wir nichts, treffen aber<br />

später den rauschebärtigen Käpt`n, der mit einem<br />

kleineren Beiboot unterwegs ist. Er will eigentlich<br />

weiter den Fluss hoch, muss aber wegen des<br />

niedrigen Wasserstandes eine Pause einlegen und<br />

vertreibt sich die Zeit mit Fischen.<br />

Bei Km 293 erreichen wir Andryushkino an, wo<br />

wir übernachten wollen. Früher lebten hier einmal<br />

dauerhaft einige Familien, inzwischen gibt es<br />

aber nur noch eine Hütte, die von den Altgläubigen<br />

aus dem nicht weit entfernten Velmo beim<br />

Heumachen genutzt wird. Drinnen ist es sauber,<br />

aufgeräumt, und ein riesiges Bärenfell liegt auf<br />

dem Boden. Die Hütte liegt ziemlich weit vom<br />

Ufer entfernt auf einem Hügel, also kochen wir<br />

am Fluss (leckerste Ucha, der Herr Fab hat Blut<br />

geleckt) und marschieren dann durch die Dunkelheit<br />

hinauf ins Bett, wobei wir den einheimischen<br />

Bären laut das Lied vom Hund vorsingen, der für<br />

den Diebstahl von, unter anderem, Szer-welaaatwurst,<br />

mit Löffel, Gabel und Hackebeilchen<br />

totgeschlagen und von anderen Hunden beigesetzt<br />

wird, in einem Ma-hause-leeum unter dem blauweißen<br />

Schriftzug „HA-HO-HE, Hertha BSC!“.<br />

(Worauf man sich halt so einigen kann als Gladbach-<br />

respektive Werderfan in der Taiga).<br />

Unterhalb des Bolshoi Porog beginnt das Gebiet<br />

der Altgläubigen. Sie sind Anhänger einer Glaubensrichtung,<br />

die sich im 17. Jahrhundert gegen<br />

eine von Patriarch Nikon initiierte Reform der<br />

Liturgie wendete, daraufhin als Raskolniki, also<br />

Abspalter verfolgt wurden und sich unter diesem<br />

Druck in die abgelegensten Winkel des russischen<br />

Reiches zurückzogen. Erst 1905 wurden die letzten<br />

sie diskriminierenden Gesetze aufgehoben.<br />

Bis heute haben sich, vor allem in Sibirien, vereinzelt<br />

altgläubige Gemeinschaften gehalten, die<br />

zwar technische Errungenschaften nicht per se<br />

ablehnen, sich aber ansonsten streng gegen Einflüsse<br />

von außen abgrenzen und ein weitgehend<br />

autarkes, weltabgewandtes Leben führen.<br />

An der Tunguska leben sie in den Ortschaften Velmo,<br />

Kuzmovka und Kochumdek. Sie scheinen<br />

fleißig zu arbeiten und mit Verstand zu wirtschaften,<br />

denn die Orte zeigen trotz aller sibirischen<br />

Rumpeligkeit nicht die Anzeichen von Suff und<br />

Verfall, wie sie anderswo vorzufinden sind. Die<br />

Altgläubigen selber sind wie aus einem Bilderbuch<br />

unterwegs: die Männer mit langem Rauschebart,<br />

die Frauen mit langen Röcken und Kopftuch.<br />

Allerdings geben sie sich alle Mühe, uns<br />

aus dem Weg zu gehen, und zeigen sich auch<br />

sonst als ungehobelte Sektierer, die nicht einmal<br />

zurückgrüßen, wenn man ihnen auf dem Fluss von<br />

weitem zuwinkt.


Grund für die Kirchenspaltung waren übrigens so<br />

schwerwiegende theologische Meinungsverschiedenheiten<br />

wie die Frage, ob man sich mit zwei<br />

Fingern bekreuzigt und zweimal Halleluja sagt<br />

(Altgläubige) oder mit drei Fingern und drei Mal<br />

Halleluja sagt (normale Verrückte). Zehntausende<br />

wurden deswegen hingerichtet. Die Bojarin<br />

Morozowa ließ man 1675 im Kloster verhungern<br />

– sie wurde verewigt auf diesem Bild von Wassilij<br />

Surikow, das sie mit irrem Blick und zwei trotzig<br />

emporgereckten Fingern auf dem Weg in den Kerker<br />

zeigt.<br />

Montag, 05.08. 2013<br />

Tag 7, Km 293 – 255, Dunst<br />

Fab fängt direkt nach dem Frühstück in<br />

Andryushkino vier Äschen in zehn Minuten, während<br />

Piet mit irgendetwas anderem herumpuzzelt.<br />

Damit ist das Angeln für den Tag erledigt... Auf<br />

dem Weg zum Velmo treffen wir unsere Bekannten<br />

vom Vortag – die zwei sind auf dem Rückweg<br />

nach Baikit. Weitere Menschen sehen wir nicht<br />

an diesem Tag. Kurz hinter dem Zufluss des Velmo,<br />

der selber sicherlich 200 m breit ist, feiern<br />

wir bei Km 272,5 (anhand der Karte relativ genau<br />

bestimmt) Bergfest – wir haben jetzt genau so viel<br />

hinter uns gebracht, wie bis zum Yenissey noch<br />

vor uns liegt. Darauf einen armenischen Cognac.<br />

So gestärkt geht es erstmal 10 km geradeaus in<br />

den Dunst. Der Fluss dürfte hier um die 600 m<br />

breit sein – zähe Quälereik**kscheiße! Gegen<br />

18:30 kommen wir am Zufluss Podporozhny direkt<br />

über den Velminskie Porogi (Velmo-<br />

Stromschnellen) an – ein munteres Flüßchen mit<br />

so eiskaltem Wasser, dass beim Geschirrspülen<br />

die Hände schmerzen. Dafür können wir unser


Bier zum gebratenen Fisch bei perfekter Trinktemperatur<br />

aus beschlagenen Dosen genießen.<br />

Die Kriebelmücken feiern ein Fest, aber wir haben<br />

Gesicht und Hände (die einzigen jetzt ungeschützten<br />

Körperstellen) so in DEET getränkt, dass wir<br />

sie im Großen und Ganzen ignorieren können.<br />

Bloß im Auge hat man manchmal eine, und auch<br />

in die Nase fliegen sie gerne – man muss dauernd<br />

niesen davon...<br />

Unsere Hütte für die Nacht ist hinter uns zwischen<br />

den Bäumen am hohen Ufer zu sehen. Ziemlich<br />

groß, mit einer Banja, und ziemlich verrumpelt –<br />

wir legen uns schlafen, nachdem wir eine Maus<br />

aus einer an der Wand hängenden Nudeltüte befreit<br />

haben, Zeltunterlage und Rettungsdecke über<br />

die muffigen Bärenfelle auf den Pritschen gebreitet<br />

und unsere Moskitonetze aufgehängt haben.<br />

Wie immer räumen wir die Äxte vom Vorplatz<br />

hinter den Ofen in die Hütte - wollen es dem Taiga-Axtmörder<br />

ja nicht allzu leicht machen... Hier<br />

installieren wir zusätzlich noch eine<br />

„Alarmanlage“, indem wir unsere Paddel von innen<br />

gegen die geschlossene Tür lehnen. Wir<br />

schlafen ausgezeichnet, während sich in der Nacht<br />

die vorm sicheren Tod bewahrte Maus durch unsere<br />

Haferflocken frisst.


Di. 06.08. 2013<br />

Tag 8, Km 255 – 217, Dunst<br />

Am Morgen zeigt das Thermometer 6 Grad Celsius.<br />

Wir genießen trotzdem das Frühstück aus<br />

Kaffee und Haferbrei am Ufer. Vor der Abfahrt<br />

zieht Fabian noch schnell eine Äsche aus dem<br />

Fluss. Bei der Vorbereitung der GoPro für den<br />

Ritt durch die Stromschnelle bemerken wir, dass<br />

die Kamera den Akku sinnfrei leergesaugt hat –<br />

damit haben wir das Ding für ganze vier Minuten<br />

Aufnahmen im Bolshoj Porog mitgeschleppt.<br />

Scheiß Elektroschrott.<br />

Direkt hinter der ersten Flussbiegung beginnen die<br />

Stromschnellen. Diese sind zwar kürzer, stellen<br />

sich aber als heftiger als der Bolshoj Porog heraus<br />

– drei Wellen hintereinander, jeweils über einen<br />

Meter hoch, rauschen in ganzer Länge über das<br />

Boot. Hinterher Hosentrocknen bei einem Cognac<br />

am nächsten Zufluss; dazu ein bisschen Angeln.<br />

Business as usual: nach zehn Minuten haben<br />

wir jeder zwei große Äschen.<br />

Danach Paddeln durch den Dunst, bis zur Insel<br />

Kukuj, wo wir auf der großen Kieszunge am oberen<br />

Ende unser Zelt aufschlagen. Mücken: ohne<br />

Ende. Abendbrot: Plov mit Äsche, sehr leckere<br />

Variante. Später klärt sich die Frage, warum fast<br />

nirgendwo Treibholz zu finden ist: das Zeug<br />

hängt in rauen Mengen und allen Größen auf der<br />

Linie des höchsten Wasserstandes (also ca. 12 m<br />

über dem jetzigen) am Waldrand zwischen den<br />

Bäumen.<br />

Mi. 07.08. 2013<br />

Tag 9, Dunst<br />

Verschlafen: erst um 9:30 aufgewacht. Zur Strafe<br />

geht`s ohne Frühstück aufs Wasser. Nach ca. 5<br />

km, die Insel Kukui verschwindet hinter uns im<br />

Dunst, gibt es Kekse, Schokolade und Salami im<br />

Boot, dazu Wasser, direkt im Boot sitzend aus<br />

dem Fluss gefiltert.<br />

Gegen 1 Uhr mittags erreichen wir Kuzmowka,<br />

eine Siedlung der Altgläubigen mit wohl zweioder<br />

dreihundert Einwohnern. Zwei kleine Jungs<br />

zeigen mir den Weg zum Geschäft, oben am hohen<br />

Ufer auf einem hölzernen Boardwalk entlang.<br />

Zwischen den Häusern türmen sich riesige Berge<br />

Feuerholz, in den Vorgärten wachsen Kartoffeln,<br />

irgendwo muht eine Kuh. Ein paar Kopftuchmuttis<br />

schlurfen rum und ein unfreundlicher Rauschebart<br />

dreht sich weg, als ich grüße. Am Geschäft<br />

angekommen, verschwinden die Jungs, bevor ich<br />

ihnen Kaugummis kaufen kann. Ein schön<br />

verrumpelter Laden für alles: Farbpötte, Klamotten,<br />

Schulhefte, Kekse und Bier, feilgeboten von<br />

einem weiteren Kopftuchmuttchen. Eingekauft:<br />

Kekse, Schokolade, Bier (12 x Staryj Melnik in


Glasflaschen, weil ansonsten nur fieses Zeug in<br />

Plastebomben zu haben ist). Mit einer fröhlich<br />

klimpernden Kiste auf der Schulter geht es zurück<br />

zum Ufer, wo Fab beim Boot wartet. Der rauschebärtige<br />

Sektierer schaut uns mürrisch hinterher.<br />

Danach: vorwärts, in den Dunst! Der Fluss ist<br />

um die 600 m breit, und das andere Ufer ist oft<br />

nicht zu sehen. Wir passieren Koshumdek, wohin<br />

sich ein Teil der Kuzmowka-Sektierer hinverkrümelt<br />

hat, wahrscheinlich wegen theologischer<br />

Meinungsverschiedenheiten. Wir verpassen zwei<br />

Fünfkilometerschilder. Eine von den Altgläubigen<br />

gemähte Wiese wird als Lagerplatz verworfen,<br />

weil ein Tierkadaver am Ufer liegt – vielleicht<br />

will sich Freund Petz abends noch einen<br />

Snack holen. Etwa bei Km 275 zelten wir auf der<br />

Kiesinsel „Belaya Kosa“. Es gibt Mücken wie<br />

noch nie – sie fliegen in Augen, Nase, Mund, und<br />

kriechen durch Fabs Kopfnetz, um auf der Innenseite<br />

zu sterben. Mit der Zeit entsteht unten im<br />

Netz ein veritabler, leckerer kleiner Mückenfriedhof.<br />

Apropos Dunst: Auf die Frage, ob dieses Waschküchenwetter<br />

ortsüblich sei, antwortete das Kopftuchmuttchen<br />

im Geschäft, so etwas hätte es seit<br />

30 Jahren nicht gegeben. Der Grund sei, dass<br />

rundherum die Taiga brenne, so dass nicht einmal<br />

die Hubschrauber fliegen würden. Wir beginnen,<br />

Dunstalternativpläne zu entwickeln. Zum Abendessen<br />

gibts Dosenfleisch mit Kartoffelbrei. Wir<br />

haben nicht geangelt, weil sich nach 7 Tagen<br />

Fisch am Stück doch ein gewisser Sättigungseffekt<br />

eingestellt hat.<br />

Während wir nach dem Essen im letzten Dämmerungslicht<br />

beim Absacker sitzen, das kleine Feuer<br />

im Hoboofen ist schon aus, kommt stromaufwärts<br />

ein Boot vorbei - sicher 10 Minuten lang ist es nur<br />

zu hören, bis es auf unserer Höhe schemenhaft<br />

durch den Nebel bricht. Als es schon wieder verschwunden<br />

ist, hören wir es oberhalb der Insel<br />

seine Fahrt verlangsamen und umkehren, so dass<br />

wir aufstehen und ihm zum Ufer entgegen gehen.<br />

Es kommt ziemlich nah heran, aber als wir zum<br />

Gruß den Arm heben, wendet es und verschwindet<br />

auf seinem Weg den Fluss hinauf. Offenbar ungehobelte<br />

Rauschebärte, die nur mal glotzen wollten.<br />

Am nächsten Morgen wird sich das Schauspiel<br />

wiederholen.


Auf der Tunguska<br />

Mutter Tunguska<br />

ein Kahn<br />

drinnen sitzen Männer<br />

Donnerstag, 08.08. 2013<br />

Tag 10. Dunst wie noch nie<br />

schwimmt ein roter Kahn<br />

schwimmt auf dem Fluss<br />

mit langen Bärten<br />

und fahren in den<br />

Dunst<br />

Um halb acht aufgestanden, um eine<br />

engagierte Attacke gegen den Dunst zu<br />

reiten – wir frühstücken auf dem Fluss,<br />

filtern Wasser auf dem Fluss, putzen<br />

uns die Zähne auf dem Fluss. Um 11<br />

Uhr haben wir schon 10 km auf der<br />

Uhr...<br />

Der Dunst bietet auf, was er hat – das<br />

Fast 60 km<br />

abgelegene Ufer ist den ganzen Tag nicht zu sehen.<br />

Auf 8 Flusskilometern fahren wir durch den<br />

Zentralsibirischen Nationalpark und sehen nichts<br />

davon. Den ganzen Tag kämpfen wir uns im<br />

Blindflug durch die Suppe, immer in der Hoffnung,<br />

das nächste Fünfkilometerschild nicht zu<br />

verpassen, um dort ein paar Kekse mit einem Belohnungsrum<br />

oder einem der letzten, kostbaren<br />

Biere herunterzuspülen.<br />

Die Hütte bei 120 km, die wir uns als Ziel vorgenommen<br />

haben, ist beim besten Willen nicht zu<br />

finden, so dass uns wieder nichts anderes übrig<br />

bleibt, als unser Zelt auf einer Kiesbank aufzuschlagen.<br />

Glücklicherweise waren vor nicht allzu<br />

langer Zeit Fischer hier und haben Feuerholz dagelassen.<br />

Freitag, 09.08.2013<br />

Tag 11, Dunst<br />

Um halb zehn aufgestanden. Keksfrühstück<br />

auf dem Fluss. Kurz danach stellen<br />

wir an einer Stelle mit munterer Strömung<br />

unseren Tourrekord auf: fünf Kilometer<br />

in 28 min. (Wahrscheinlich waren<br />

wir in den Stromschnellen tatsächlich<br />

noch schneller, aber da hatten wir auf<br />

anderes zu achten...).<br />

Bei Kilometer 105 beginnen die Щеки –<br />

der Fluss verengt sich bis auf 150 / 200<br />

m und fließt in engen Schleifen zwischen<br />

malerischen Felsformationen hindurch.<br />

Angeblich ist dies einer der schönsten<br />

Orte an der ganzen Tunguska – aber:<br />

Dunst! Ein wenig ist glücklicherweise<br />

trotzdem zu sehen, und wir lassen uns


ei einem Gläschen Rum langsam hindurchtreiben.<br />

Wir beobachten einen jungen Falken bei seinen<br />

ersten Flugübungen und dann, wie zwei große<br />

Falken einen Singvogel zum Absturz bringen und<br />

dann, während er versucht, sich aus dem Wasser<br />

zu retten, durch gezielte Attacken fertig machen.<br />

Kurze Zeit später ist lautes Krakeelen (ein Mähen<br />

und Hähen) aus dem Wald zu hören – offenbar<br />

freut sich ein Falkenjunges übers Essen. Wieder<br />

passieren uns Altgläubige, und wieder tun sie so,<br />

als ob sie uns nicht gesehen hätten. Sektierer, verbohrte.<br />

Beim Angeln in einem großen und recht kräftigen<br />

Zufluss fangen wir 3 stattliche Fische zunächst<br />

unbekannter Art - Ränken, wie wir später lernen.<br />

Sie machen sich ausgezeichnet in der Уха, und<br />

auch am nächsten Abend werden wir noch von<br />

ihnen zu essen haben. Das Nachtlager schlagen<br />

wir am Kiesstrand der Insel Черный auf Kilometer<br />

85 auf. Unser Plan für nächsten Morgen: in<br />

Sulomaj einen Bootsmann finden, der uns mit<br />

dem Motor an den Yenissey bringt, damit die<br />

Dunstplackerei ein Ende hat.


Ein Dunst<br />

Der Deinen Namen trägt<br />

Der Scheißdunst.<br />

Sa. 10.08.2013<br />

Tag 12, Km 85 – 30, Dunst<br />

Er folgt Dir hinterher<br />

wohin immer Du auch gehst!<br />

Früher Ausritt, um in Sulomaj an Land zu gehen<br />

und zu versuchen, eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen.<br />

Nach ca. 10 km tauchen am rechten<br />

Ufer die ersten Häuser und die üblichen zerdengelten<br />

metallenen Motorboote auf.<br />

Sulomai: postapokalyptische Szenerie aus abgebrannten,<br />

verfallenen und noch bewohnten Hütten<br />

in einer von halbwilden Hunden durchstreunten<br />

und von Müll übersäten Schlammlandschaft.<br />

Krass. Wir wurden schon in Baikit davor gewarnt,<br />

dass der Ort unter keinem guten Stern stünde<br />

und die Einwohner hauptsächlich damit beschäftigt<br />

seien, sich gegenseitig zu beklauen,<br />

wenn sie nicht gerade zu besoffen dazu seien.<br />

Eigentlich hatten wir auch vor, einen weiten Bogen<br />

um den Ort zu machen, aber der Dunst hat<br />

seine eigenen Gesetze...<br />

Piet stolpert also vorsichtig über den<br />

„Bürgersteig“ aus Holzbohlen in Richtung des<br />

örtlichen Geschäfts, eine Hand der ganzen Köter<br />

wegen immer am Pfefferspray. In der Mitte der<br />

„Hauptstraße“, auf halben Wege vom Fluss einen<br />

ziemlich steilen Berg hinauf, donnert der Dieselgenerator,<br />

der das Nest mit Strom versorgt.<br />

Sulomaj ist sozusagen die Hauptstadt des noch<br />

etwa 600 Seelen starken Mini-Volkes der Keten,<br />

die durch einige schon mittags um zwei schwer<br />

angeschlagene Gestalten vor dem Geschäft vertreten<br />

sind. Unter ihnen eine ca. 150-jährige winzige<br />

Oma in buntem chinesischen Plüschmorgenrock<br />

und Gummistiefeln, die sich auf eine selbstgeschnittene<br />

Birkenrute stützt und sich prompt mit<br />

einer dazukommenden, auf den ersten Blick<br />

„normalen“, Russin zu prügeln anfängt. Piet<br />

kommt nicht in den Laden, während sich die beiden<br />

mit ihren jeweiligen Gehstöcken beharken<br />

und unflätig beschimpfen, und sein vorsichtiges<br />

„Aber meine Damen...!“ verhallt ungehört. Erst<br />

die Verkäuferin kann die beiden trennen. Es stellt<br />

sich heraus, dass die Russin auch ohne Alkohol<br />

erhebliche Schlagseite hat. Sie bekreuzigt Piet<br />

und erklärt mir, dass sie ein neues Haus brauche,<br />

um als Prophetin Jesu die Menschen um sich zu<br />

scharen, denn siehe: Die Zeit ist nahe!<br />

Tatsächlich scheint das Ende der Welt in Sulomaj<br />

schon einige Tage in der Vergangenheit zu liegen.<br />

Ein völlig verrosteter und verbeulter Trecker ohne<br />

Fenster, Motorabdeckung oder Kotflügel bläst<br />

eine große schwarze Rußwolke in den grauen<br />

Dunst. Neben dem Laden steht eine glänzend polierte,<br />

offenbar funkelnagelneue Granitplatte für<br />

die Helden des Großen Vaterländischen Krieges,<br />

daneben aber schwelt in der Mitte eines Platzes<br />

ein stattlicher Haufen Müll und verbreitet beißenden<br />

Gestank. Auch der obligatorische bunte, eigentlich<br />

recht schicke Einheitskinderspielplatz ist<br />

nicht weit; daneben verfällt ein leerstehendes<br />

Haus. Gruseliger Scheiß.<br />

Es findet sich niemand, der uns die 80 km bis zum<br />

Yenissey fahren will. Ein freundlicher Opa, der<br />

im Fluss seine Wäsche wäscht, nimmt Piet in<br />

Schlepptau und versucht es noch in ein paar Häusern,<br />

allerdings ohne Erfolg. In einem Schuppen<br />

sitzen zwei Männer und bereiten Самоловы vor –<br />

Grundangeln mit bis zu mehreren hundert riesigen<br />

Haken an kleinen Schwimmern, mit denen Stör<br />

gewildert wird. Die Fische verfangen sich auf ihrem<br />

Weg Flussaufwärts in den Haken – ziemlich


heftig, hoch illegal und wahrscheinlich die einzige<br />

Möglichkeit, in Sulomaj einigermaßen über die<br />

Runden zu kommen.<br />

Immerhin gibt es Bier im Laden, und wir sind<br />

froh, als das fiese Nest im Dunst hinter uns zurückbleibt<br />

(was schnell geht – wir müssen nur ca.<br />

50 m vom Ufer weg...). PS: der ganze Ort hat<br />

insgesamt geschätzte 30 Zähne, verteilt auf alle<br />

Einwohner...<br />

Danach stumpfes Keulen gegen Uhr, Dunst und<br />

zeitweilig Wind, immerhin unterbrochen alle 5 –<br />

10 km durch ein Belohnungsbier. Wir lernen tatsächlich<br />

noch ein paar nüchterne Einwohner Sulomais<br />

kennen – 4 junge Kerle (ein Russe und drei<br />

Ewenken oder Keten), die per Boot auf dem Weg<br />

sind, eine Jagdhütte zu bauen. Das Zelt errichten<br />

wir wie üblich auf einer Kiesinsel, nachdem wir<br />

noch in der Hoffnung auf eine Hütte einen Pfad<br />

ca. 100 m in die Taiga verfolgt, uns dann aber zur<br />

Umkehr entschlossen haben. Man geht ungern<br />

tiefer rein... Mücken gibt es wieder ohne Ende,<br />

und zum Abendbrot die Renken vom Vortag, diesmal<br />

gebraten. Leider ist das Sonnenblumenöl ranzig<br />

geworden. Holz haben wir genug vom Ufer<br />

mitgebracht, so dass es ein ordentliches Lagerfeuer<br />

gibt.


Sonntag, 11.08. 2013<br />

Tag 13, Dunst<br />

Wieder früh raus, Boot gepackt (die geschätzte<br />

Hälfte unseres Gepäcks ist inzwischen der Müll,<br />

den wir mitschleppen), um 9:30 Keksfrühstück<br />

auf dem Fluss. Die letzten 30 km sind wieder zähe<br />

Keulerei, bis wir um kurz vor zwei in Podkammenaya<br />

Tunguska anlegen (so heißt in diesem<br />

Fall das Nest am Zusammenfluss mit dem Yenissey).<br />

Ein Mann, der uns über den Yenissey nach<br />

Bor bringt, ist zum Glück schnell gefunden – er<br />

schüsselt mit Trecker und Boot auf Anhänger<br />

durch die Gegend. Gottseidank – viel Lust auf<br />

einen Spaziergang durchs Dorf haben wir nicht;<br />

der erste Eindruck erinnert stark an Sulomaj.<br />

Wir zerlegen ohne große Zeremonie den Ally, der<br />

uns zuverlässig 545 km die Tunguska herunter<br />

gebracht hat, verladen unseren Kram im Motorboot,<br />

und unser Fährmann bringt uns direkt zum<br />

Schiffsanleger von Bor, von dem aus wir möglichst<br />

bald per Schiff in die richtige Zivilisation<br />

zurück wollen. (Eigentlich haben wir Tickets für<br />

das Flugzeug am 14.8., aber nun sind wir früher<br />

dran. Das ist auch gut, denn in Bor ist wegen des<br />

Dunstes schon tagelang kein Flieger mehr gestartet.)<br />

Vom Zusammenfluss der 800 m breiten Tunguska<br />

mit dem zwei Kilometer breiten Yenissey<br />

ist wegen des Dunstes nicht viel zu sehen, aber die<br />

Strudel und Wirbel im Wasser sind respekteinflößend,<br />

und bei dieser Sicht auf jeden Fall nichts für<br />

ein Kanu. Unser Fährmann zieht einen Kompass<br />

aus der Tasche, um die Richtung halten zu können.<br />

Wir gehen direkt neben dem stattlichen, auf Pontons<br />

schwimmenden Schiffanleger – der in einem<br />

lustigen Trabantblau gestrichen ist – an Land, um<br />

uns nach den nächsten Fahrtmöglichkeiten zu erkundigen.<br />

Die violettgefärbte „Skipperin“ des<br />

Anlegers, die uns erst streng zurechtweist, weil<br />

wir über ihr frisch gewischtes Deck getrampelt<br />

sind, verliebt sich danach aber prompt in uns. Wir<br />

bekommen die Auskunft, dass das nächste Schiff<br />

am nächsten Morgen um 7:30 Uhr nach Yenisseysk<br />

ablegt und mieten jeder eine Kajüte auf dem<br />

Anleger – ein kleiner Sperrholzverschlag mit<br />

Fenster und Pritsche, dazu eine heiße Dusche, alles<br />

für 12 Euro pro Nase. Der Donnerbalken steht<br />

am Ufer. Wir sind happy – so sind wir direkt vor<br />

Ort, wenn das Boarding am nächsten Morgen los<br />

geht, können im großen Warteraum (unser Wohnzimmer,<br />

sozusagen) unser ganzes nasses Geraffel<br />

trocknen und uns dabei von Tatjana Andrejevna,<br />

der Skipperin, begeistert über die Flussschiffahrt<br />

auf dem Yenissey und ebenso begeistert über Putin<br />

erzählen lassen. Wir hinterlassen ihr unsere<br />

Axt, die Bratpfanne, ein paar Topfschwämme,<br />

Alufolie, und was sonst übrig geblieben und zu<br />

schade zum Wegschmeißen ist. Sie schlürt alles<br />

begeistert in ihre Höhle.<br />

Um sechs Uhr abends legt mit lautem Rumms die<br />

„Krasnoyarsk“ an, eine Schnellfähre skandinavischer<br />

Bauart. Wir lernen noch den 1. Offizier und<br />

den Boardmechaniker kennen, die unter lautem<br />

Protest von Tatjana Andrejevna Fabians kaputtes<br />

Kajütenschloß aufbrechen. Das Schiff bleibt über<br />

Nacht am Anleger. Wir gehen Bier kaufen, bekommen<br />

von der Verkäuferin ein halbes Brot aus<br />

ihrem Privatbestand geschenkt und bestaunen die<br />

Borer Glamourbräute, die voll aufgebrezelt in<br />

Hotpants, High Heels und Sonnenbrille durch den<br />

Nebel über die unbefestigten Straßen zum Geschäft<br />

gestokelt sind. Sensationell.<br />

Der Abend klingt aus bei Bier und Chips am<br />

Yenissey-ufer, inklusiver einiger ordentlicher Mückenstiche,<br />

da wir uns ja „angekommen“ fühlen<br />

und dementsprechend den Schnakenschutz vernachlässigen…


Montag, 12.08.2013<br />

Rückreise<br />

Aufgrund unserer guten Beziehungen zur Obrigkeit<br />

sind wir am Morgen die ersten, die an Bord<br />

gehen dürfen. Wir breiten uns auf 4 Fensterplätzen<br />

aus und pennen noch eine Runde – Abfahrt<br />

von Bor ist um 7:30 Uhr - um 19:00 Uhr sollen<br />

wir in Yenisseysk sein. Von dort sind es noch ca.<br />

300 km Bus- oder Autofahrt nach Krasnoyarsk.<br />

Wie zum Hohn lichtet sich der<br />

Dunst, kaum dass wir Bor 50 km<br />

hinter uns gelassen haben, und die<br />

Sonne scheint aus allen Knopflöchern.<br />

Der Rest der Reise ist<br />

schnell verdöst; das Schiff füllt<br />

sich bei jedem Halt immer mehr, so<br />

dass wir zusammenrücken müssen.<br />

Am Ende werden nicht mehr alle<br />

Passagiere mitgenommen, die auf<br />

das Schiff warten – lediglich ein<br />

altes Muttchen, die mit einer ärztlichen<br />

Überweisung winkt, darf noch<br />

an Bord kommen.<br />

Gegen acht kommen wir in Yenisseysk an, und da<br />

wir für den Tag genug Enge und Lokalkolorit hatten,<br />

verzichten wir auf den Bus und nehmen uns<br />

ein Taxi nach Krasnoyarsk. Der Fahrer zwängt<br />

seine riesige nackte Plauze mit Ach und Krach<br />

hinter das Lenkrad, macht superschnulzige Schlager<br />

an, und los gehts. Fabian bemerkt hinsichtlich<br />

der Musikauswahl zutreffend, dass er trotz seines<br />

harten Äußeren tief im Inneren eigentlich doch ein<br />

H***fürst sei. Während wir uns mit ihm über die<br />

Schönheit der sibirischen Natur unterhalten, fährt<br />

er sein Fenster herunter und will mir meine leere<br />

Bierflasche abnehmen, um sie an den Straßenrand<br />

zu feuern.<br />

Um elf Uhr nachts kommen wir in Krasnoyarsk<br />

an. Am nächsten Tag lassen wir die Beine baumeln,<br />

buchen unsere Flüge um, und treffen Alexej,<br />

den Taxifahrer wieder. Am übernächsten Tag<br />

fliegen wir zurück.<br />

Вот и сказочки конец, а кто слушал – молодец!


2013<br />

Fabian Laucken (Fotos)<br />

Piet Mumm (Text + Fotos)

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