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Sonntag, 11.08. 2013<br />
Tag 13, Dunst<br />
Wieder früh raus, Boot gepackt (die geschätzte<br />
Hälfte unseres Gepäcks ist inzwischen der Müll,<br />
den wir mitschleppen), um 9:30 Keksfrühstück<br />
auf dem Fluss. Die letzten 30 km sind wieder zähe<br />
Keulerei, bis wir um kurz vor zwei in Podkammenaya<br />
Tunguska anlegen (so heißt in diesem<br />
Fall das Nest am Zusammenfluss mit dem Yenissey).<br />
Ein Mann, der uns über den Yenissey nach<br />
Bor bringt, ist zum Glück schnell gefunden – er<br />
schüsselt mit Trecker und Boot auf Anhänger<br />
durch die Gegend. Gottseidank – viel Lust auf<br />
einen Spaziergang durchs Dorf haben wir nicht;<br />
der erste Eindruck erinnert stark an Sulomaj.<br />
Wir zerlegen ohne große Zeremonie den Ally, der<br />
uns zuverlässig 545 km die Tunguska herunter<br />
gebracht hat, verladen unseren Kram im Motorboot,<br />
und unser Fährmann bringt uns direkt zum<br />
Schiffsanleger von Bor, von dem aus wir möglichst<br />
bald per Schiff in die richtige Zivilisation<br />
zurück wollen. (Eigentlich haben wir Tickets für<br />
das Flugzeug am 14.8., aber nun sind wir früher<br />
dran. Das ist auch gut, denn in Bor ist wegen des<br />
Dunstes schon tagelang kein Flieger mehr gestartet.)<br />
Vom Zusammenfluss der 800 m breiten Tunguska<br />
mit dem zwei Kilometer breiten Yenissey<br />
ist wegen des Dunstes nicht viel zu sehen, aber die<br />
Strudel und Wirbel im Wasser sind respekteinflößend,<br />
und bei dieser Sicht auf jeden Fall nichts für<br />
ein Kanu. Unser Fährmann zieht einen Kompass<br />
aus der Tasche, um die Richtung halten zu können.<br />
Wir gehen direkt neben dem stattlichen, auf Pontons<br />
schwimmenden Schiffanleger – der in einem<br />
lustigen Trabantblau gestrichen ist – an Land, um<br />
uns nach den nächsten Fahrtmöglichkeiten zu erkundigen.<br />
Die violettgefärbte „Skipperin“ des<br />
Anlegers, die uns erst streng zurechtweist, weil<br />
wir über ihr frisch gewischtes Deck getrampelt<br />
sind, verliebt sich danach aber prompt in uns. Wir<br />
bekommen die Auskunft, dass das nächste Schiff<br />
am nächsten Morgen um 7:30 Uhr nach Yenisseysk<br />
ablegt und mieten jeder eine Kajüte auf dem<br />
Anleger – ein kleiner Sperrholzverschlag mit<br />
Fenster und Pritsche, dazu eine heiße Dusche, alles<br />
für 12 Euro pro Nase. Der Donnerbalken steht<br />
am Ufer. Wir sind happy – so sind wir direkt vor<br />
Ort, wenn das Boarding am nächsten Morgen los<br />
geht, können im großen Warteraum (unser Wohnzimmer,<br />
sozusagen) unser ganzes nasses Geraffel<br />
trocknen und uns dabei von Tatjana Andrejevna,<br />
der Skipperin, begeistert über die Flussschiffahrt<br />
auf dem Yenissey und ebenso begeistert über Putin<br />
erzählen lassen. Wir hinterlassen ihr unsere<br />
Axt, die Bratpfanne, ein paar Topfschwämme,<br />
Alufolie, und was sonst übrig geblieben und zu<br />
schade zum Wegschmeißen ist. Sie schlürt alles<br />
begeistert in ihre Höhle.<br />
Um sechs Uhr abends legt mit lautem Rumms die<br />
„Krasnoyarsk“ an, eine Schnellfähre skandinavischer<br />
Bauart. Wir lernen noch den 1. Offizier und<br />
den Boardmechaniker kennen, die unter lautem<br />
Protest von Tatjana Andrejevna Fabians kaputtes<br />
Kajütenschloß aufbrechen. Das Schiff bleibt über<br />
Nacht am Anleger. Wir gehen Bier kaufen, bekommen<br />
von der Verkäuferin ein halbes Brot aus<br />
ihrem Privatbestand geschenkt und bestaunen die<br />
Borer Glamourbräute, die voll aufgebrezelt in<br />
Hotpants, High Heels und Sonnenbrille durch den<br />
Nebel über die unbefestigten Straßen zum Geschäft<br />
gestokelt sind. Sensationell.<br />
Der Abend klingt aus bei Bier und Chips am<br />
Yenissey-ufer, inklusiver einiger ordentlicher Mückenstiche,<br />
da wir uns ja „angekommen“ fühlen<br />
und dementsprechend den Schnakenschutz vernachlässigen…