[*] Für eine Arbeit zum Thema Freiseuse/Friseurin brauchte ich ...
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Worin ist eigentl<strong>ich</strong> der zunehmende Gebrauch von<br />
<strong>Friseurin</strong> anstatt Friseuse<br />
begründet? Lag dies, wie öfter vermutet, als Parallele an der – negativen –<br />
Doppelbedeutung von Masseuse, wobei dieses Wort mit gle<strong>ich</strong>er Endung ja auch die<br />
'Prostituierte' beze<strong>ich</strong>net? 1<br />
Zunächst ist zu erwähnen, daß die einschlägige Berufsorganisation, der Zen-<br />
tralverband des Deutschen Friseurhandwerks (Köln), als weibl<strong>ich</strong>e, dem Friseur<br />
entsprechende Beze<strong>ich</strong>nung seit den 70er Jahren, <strong>Friseurin</strong> verwendet. In den älteren<br />
Ausbildungsordnungen zwischen 1940 und 1973 findet s<strong>ich</strong> nur die männl<strong>ich</strong>e Ver-<br />
sion Friseur; erst danach kam in den offiziellen Texten die weibl<strong>ich</strong>e, movierte Form<br />
<strong>Friseurin</strong> hinzu. Friseuse wurde – und wird – parallel gebraucht. Das Schlüssel-<br />
verze<strong>ich</strong>nis für die Angaben zur Tätigkeit in den Vers<strong>ich</strong>erungsnachweisen der Bundes-<br />
anstalt für <strong>Arbeit</strong> verze<strong>ich</strong>nete übrigens in der Ausgabe von 1990 noch Friseuse, in<br />
der von 1992 allerdings Friseur bzw. <strong>Friseurin</strong>.<br />
In die spezielle Fachliteratur – etwa in die frühen Fachzeitschriften Der deut-<br />
sche Friseur oder die Deutsche allgem<strong>eine</strong> Friseurzeitung – kann <strong>ich</strong> hier n<strong>ich</strong>t ein-<br />
dringen, ein Aufschluß bietender Blick sei aber geworfen in Brockhaus' Konversations-<br />
Lexikon vom Ende des 19. Jahrhunderts 2 :<br />
"Friseur [...] Gewerbetreibender, dessen Thätigtkeit von alters her im Anfertigen von Straßen-<br />
und Theaterperücken, im Theaterfrisieren und im Damen- und Herrenfrisieren besteht. Besondere<br />
Gruppen bilden die Herrenfrisieure (Cabinetiers), die Damen-, Theaterfriseure und die Tischarbeiter<br />
(Post<strong>ich</strong>eurs) […]. Die Glanzperiode des Gewerbes fiel in die Zeit der Allongeperücke und der Puder-<br />
frisur mit dem Zopf […]. Damals waren unter den Friseuren viele Franzosen […]. In neuerer Zeit be-<br />
schränkt s<strong>ich</strong> die Thätigkeit der F. immer mehr auf das Frisieren des natürl<strong>ich</strong>en Haars sowie auf An-<br />
fertigung und Erfindung von Haararbeiten für Damen." 3<br />
1 Man vergle<strong>ich</strong>e etwa die bemerkung im Hamburger Abendblatt vom 26. 5. 2005: „N<strong>ich</strong>t DJane, n<strong>ich</strong>t<br />
Plattendreherin, nein: DJeuse. Wie ehemals Friseuse, was ja abgeschafft wurde, weil <strong>eine</strong>m darauf<br />
zieml<strong>ich</strong> abgeschmackte Reime einfallen konnten“, und den Kommentar Luise F. Puschs, online<br />
unter www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/friseuse-oder-friseurin/. Aus S<strong>ich</strong>t der<br />
Sprachwissenschaft heißt es beispielsweise im Metzler Lexikon Sprache mit Blick auf die Wortbildung:<br />
„Andere Bildungsmuster sind sehr selten und <strong>zum</strong> Teil negativ besetzt; -ess/-esse, -ette,<br />
-ice, -euse, z. B. Masseuse, Friseuse“; Stuttgart/Weimar 2 2000, S. 246. Neutral sind aber Diseuse und<br />
Souffleuse einzuschätzen, andere wie Balletteuse, Coiffeuse, Dompteuse kommen selten vor.<br />
2 Band 7; Leipzig 14 1898. Hier taucht k<strong>eine</strong> feminine Variante auf, anders als z. B. im Nachfolgelexikon<br />
Der Große Brockhaus. Band 6; Leipzig 15 1930, wo Friseuse genannt wird.<br />
3 In Johann Georgs Krünitz' großem Lexikon Oekonomische Encyklopädie oder allgem<strong>eine</strong>s System der<br />
Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft. Band 15; Berlin 1778, wird die „besondere Profession der<br />
Frisirer oder Friseurs“ beschrieben, „welche an vielen Orten noch von den Perrückenmachern unterschieden<br />
sind“.<br />
1
Zugrunde liegt sprachl<strong>ich</strong> das französische Verb friser , das eigentl<strong>ich</strong> 'kräu-<br />
seln' bedeutet, vgl. heute Frisé, und in der Stoffbehandlung bzw. im Tuchmacher-<br />
gewerbe übl<strong>ich</strong> war und ist. Entsprechend beschreibt J. Ch. A. Heyse in s<strong>eine</strong>m<br />
Fremdwörterbuch, 11. Auflage 1853, Frisur auch als "krause Besetzung <strong>eine</strong>s<br />
Frauenkleides". So wird verständl<strong>ich</strong>, daß unter den Erläuterungen bzw. Ver-<br />
deutschungsvorschlägen nach 1800 auch Haarkräusler kursierte. 4 Frisieren ist seit dem<br />
frühen 17. Jahrhundert (zuerst 1616) und Friseur (schon anfangs mit der Variante<br />
Frisierer) seit Ende des 17. Jahrhunderts für das Deutsche belegt. 5<br />
Dem Sachzusammenhang nach und auch dem Einfluß des Französischen jener<br />
Jahre entsprechend lautete die weibl<strong>ich</strong>e Form allgemein zunächst Friseuse. 6 Ein<br />
früher Beleg aus der Literatur, den <strong>ich</strong> online ermitteln konnte, stammt aus dem Jahr<br />
1768. 7 Im Laufe der Zeit kam die eindeutschende Form <strong>Friseurin</strong> hinzu, die s<strong>ich</strong> schon<br />
in Daniel Sanders' Fremdwörterbuch aus dem Jahr 1871 findet! 8 Der Rechtschreib-<br />
Duden bucht sie – neben Friseuse – erst seit 1941. Hier dürften s<strong>ich</strong> zeittypische<br />
sprachpflegerische Eingriffe im Sinne der Verdeutschung auswirken, wie denn auch<br />
der Neue Brockhaus (Band 2, Leipzig 1938) die Variante <strong>Friseurin</strong> noch vor Friseuse<br />
notierte.<br />
Als Variante begegnet <strong>Friseurin</strong> allerdings schon früh, näml<strong>ich</strong> bei Jean Paul in<br />
s<strong>eine</strong>m zuerst 1796/97 erschienenen Roman Siebenkäs! Dieser Autor hegte bekanntl<strong>ich</strong><br />
auch sprachkritische und dabei puristische Neigungen. Wenige Jahrzehnte später<br />
ge<strong>brauchte</strong> Heinr<strong>ich</strong> H<strong>eine</strong> diese Wortform im zweiten Teil der Reisebilder (1827).<br />
Andere Funde aus dem 19. Jahrhundert kommen hinzu.<br />
Belegen in der Sprachdokumentation der Gesellschaft für deutsche Sprache ist dabei<br />
zu entnehmen, daß die Version <strong>Friseurin</strong> in den 60er Jahren auffiel und daß die kon-<br />
kurrierenden Beze<strong>ich</strong>nungen Friseuse bzw. <strong>Friseurin</strong> aber auch ganz unterschiedl<strong>ich</strong><br />
beurteilt wurden. Daß die besagte Masseuse den Ausschlag <strong>zum</strong> Wandel hin zu<br />
<strong>Friseurin</strong> gegeben hätte, ist indessen n<strong>ich</strong>t zu bestätigen, mag dies auch beim<br />
4 Der Deutsche Sprachverein lobte 1890 den deutschen Ausdruck Strälerin anstatt Friseuse (im „deut-<br />
schen Lothringen“ belegt): „Das Wort 'Strälerin' eignete s<strong>ich</strong> sehr zur allgem<strong>eine</strong>n Aufnahme“<br />
(Zeitschrift des allgem<strong>eine</strong>n deutschen Sprachvereins, Jg. V, 1890, Sp. 180).<br />
5 So z. B. nach Wolfgang Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen; Berlin 2 1993, und Moriz<br />
Heyne, Deutsches Wörterbuch; Leipzig 1905.<br />
6 So etwa im schon erwähnten Fremdwörterbuch Heyses, hier 15. Auflage; Hannover 1873; auch in<br />
Brockhaus' Kl<strong>eine</strong>s Konversations-Lexikon. Fünfte, vollständig neubearbeitete Auflage; Leipzig 1911.<br />
Die aktuelle, 21. Auflage der Brockhaus-Enzyklopädie (2006) gibt als weibl<strong>ich</strong>e Form unvors<strong>ich</strong>tigerweise<br />
nur noch <strong>Friseurin</strong> an.<br />
7 Johann Daniel von Gullmann, Entwurf <strong>eine</strong>s deutschen <strong>Für</strong>stenrechts […]; Leipzig 1768. Nach der<br />
Google-Buchsuche und anderen Internetquellen.<br />
8 Im Grimmschen Deutschen Wörterbuch findet s<strong>ich</strong> (innerhalb der St<strong>ich</strong>wörter Strählerin und Umbindefrau)<br />
wohl Friseuse, doch <strong>Friseurin</strong> bzw. Frisörin n<strong>ich</strong>t.<br />
2
Wortgebrauch subjektiv durchaus von Einfluß gewesen sein. (Ernest Borneman, Sex<br />
im Volksmund, Reinbek 1971, und Heinz Küpper, Illustriertes Lexikon der deutschen<br />
Umgangssprache. Band 5, Stuttgart 1984 9 , wäre übrigens einiges zu Masseuse im Sinne<br />
von 'Prostituierte' zu entnehmen. Masseuse insbesondere kommt als Deck-<br />
beze<strong>ich</strong>nung beim Masochismus vor.)<br />
Zutreffend dürfte die Bemerkung von Els Oksaar in ihrer <strong>Arbeit</strong> Berufsbeze<strong>ich</strong>-<br />
nungen im heutigen Deutsch (Düsseldorf 1976) sein:<br />
"Das Suffix -in erweitert sein Gebiet auf Kosten von ... -euse […]. Neben Friseuse findet s<strong>ich</strong> Fri-<br />
seurin, neben Masseur Masseurin."<br />
Das heißt, daß die eingedeutschten Formen – die Schreibung mit ö kommt<br />
hinzu – s<strong>ich</strong> gegenüber der fremdsprachl<strong>ich</strong>en Version zunehmend durchsetzten.<br />
Und dies, wie gezeigt, schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts (Jean Paul), ganz<br />
unabhängig von den mutmaßl<strong>ich</strong>en gegenwärtigen Konnotationen. Es zeigt s<strong>ich</strong>, in<br />
der Bevorzugung der weibl<strong>ich</strong>en Personen- und Berufsbeze<strong>ich</strong>nungen auf -in, ein<br />
allgem<strong>eine</strong>r sprachl<strong>ich</strong>-grammatischer Trend.<br />
Es gibt also k<strong>eine</strong> feste Abfolge, kein striktes Nacheinander Friseuse – <strong>Friseurin</strong>,<br />
womögl<strong>ich</strong> abhängig von bestimmten Bedeutungsnunacen. Noch bzw. auch heute<br />
bestehen beide Varianten nebeneinander 10 , mit unterschiedl<strong>ich</strong>em Gebrauchs-<br />
schwerpunkt, zudem begleitet von der orthographisch eingedeutschten Form Fri-<br />
sörin, Frisöse – und gelegentl<strong>ich</strong> tritt daneben die Mischform Friseusin (Frisösin) auf. 11<br />
___________________<br />
© Gerhard Müller<br />
mueller-rastatt@web.de<br />
Rastatt, März 2012<br />
Zuerst als schriftl<strong>ich</strong>e Auskunft in der Zeitschrift Der Sprachdienst<br />
(Wiesbaden), Heft 2/2004, S. 49 f.<br />
Hier durchgesehen, erweitert und ergänzt sowie formal und<br />
orthographisch bearbeitet.<br />
9 Küpper (Band 3, 1983) notiert unter Friseuse übrigens 'Koloratursängerin' als theatersprachl<strong>ich</strong>e Bil-<br />
dung (die von der Sängerin hervorgebrachten Klänge verursachen quasi Dauerwellen).<br />
10 Die Friseuse, als ein Beispiel nur, ist Titel <strong>eine</strong>s Films von Doris Dörrie über <strong>eine</strong> Friseurmeisterin.<br />
11 Proben im Internet (bezogen auf Seiten aus Deutschland) belegen übrigens (2012), daß quantitativ<br />
weit vorn <strong>Friseurin</strong> und dann Friseuse rangieren, und mit großem Abstand folgen Frisöse, Frisörin,<br />
dahinter Friseusin und Frisösin.<br />
3