Für eine weltoffene Gesellschaft - DAAD-magazin
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B 2 DER TAGESSPIEGEL <strong>DAAD</strong><br />
NR. 21 373 / DIENSTAG, 26. JUNI 2012<br />
Von der<br />
TU Aachen ins<br />
Präsidentenamt<br />
Alumni sind die<br />
Botschafter Deutschlands<br />
Ausländische Studenten kommen in der<br />
Regel zu uns, weil sie etwas lernen wollen.<br />
Vielleicht lockt sie der Hochtechnologiestandort<br />
unseres Landes, vielleicht<br />
der Ruf <strong>eine</strong>r bestimmten Universität<br />
oder <strong>eine</strong>s besonderen Wissenschaftszweiges,<br />
vielleicht haben schon Vater,<br />
Mutter oder Freunde hier studiert. Eines<br />
istgewiss. Sieallesindbereit,in<strong>eine</strong>für<br />
sie fremde Welt einzutauchen und sich<br />
mitihrauseinanderzusetzen.Undsiewollen,<br />
was sie gelernt haben, nach Hause<br />
tragen und in der globalen Welt von<br />
heutefürsichund,wennesgelingt,auch<br />
zumNutzenihresLandeseinsetzen.<br />
Wieviele Alumni Jerman,sonenntman<br />
diefrüherenStudentenausDeutschland,<br />
heuteinIndonesienleben,weißniemand<br />
genau.Mancheredenvon20000,andere<br />
nennenhöhereZahlen.Sicherjedochist,<br />
dassgroßeTeiledergebildetenSchichten<br />
in Indonesien jedenfalls bis vor wenigen<br />
Jahrendeutsch-orientiertwaren.Hierzulande<br />
erinnert sich vielleicht noch mancher<br />
Absolvent <strong>eine</strong>r unseren TechnischenUniversitätenanindonesischeMitstudenten.<br />
Denn Ingenieurwissenschaftenwaren<br />
diebevorzugten Fächerdieser<br />
Studenten. Freundschaften entstanden,<br />
Interessenwurdengeweckt,auchEhengeschlossen.<br />
Und in Indonesien? Bereits mit der<br />
Rückkehr der ersten paar hundert frisch<br />
gebackenen Diplomingenieuren entstandenkl<strong>eine</strong>GruppenvonAlumni,diesich<br />
andenAufbauihresLandesmachtenund<br />
dabeimitihremneuerworbenenWissen<br />
undmitihrenErfahrungennachDeutschland<br />
blickten. Wirtschaft und Industrie<br />
beider Länder begannen, sich aufeinanderhinzuorientieren.ManfuhrVW-Käfer,<br />
hatte Grundig-Geräte zu Hause und<br />
deutsche Maschinen in den Betrieben.<br />
Erstes Symbol für die entstehende<br />
deutsch-indonesischewirtschaftlicheKooperation<br />
war dasriesige Stahlwerk Krakatau<br />
Steel. In jenen Jahren konnte fast<br />
jeder deutsche Investor damit rechnen,<br />
auf <strong>eine</strong>n indonesischen Partner zu treffen,<br />
derin Braunschweig, Hannover,Aachen,<br />
München oder Berlin studiert<br />
hatte. Auch in Führungspositionen von<br />
Wirtschaft und Industrie waren die<br />
Indonesien zahlt Stipendien<br />
und bekommt dafür<br />
Staatsschulden erlassen<br />
Alumni Jerman zu finden. <strong>Für</strong> Medizin<br />
galt allmählich ähnliches. Die Architektur<br />
folgte nach. So manche Moschee<br />
wurde von <strong>eine</strong>m in Deutschland ausgebildetenDiplomingenieurgebaut.Beisovielen„deutschen“DiplomingenieurenimLandkonntenichtausbleiben,dasseinigeauchindasFeldderPolitikvorrückten.AlsichMitteder90erJahrenachJakartakam,hattenesbereitsviervonihneninsKabinettgeschafft,darunterauchderMann,demvorbehaltenwar,zumIngenieurderneuenindonesischenDemokratiezuwerden:Dr.IngBacharudinJusufHabibie.<br />
Mit s<strong>eine</strong>n „deutschen“ Erfahrungenerwiessichder„Aachener“Flugzeugbauer<br />
und langjährige Mitarbeiter von<br />
MBB als Glücksfall für sein Land. Nach<br />
demSturzSuhartos1997/98insPräsidentenamt<br />
katapultiert, hat er in <strong>eine</strong>r „weißenRevolution“diegesetzlichenundverfassungsrechtlichen<br />
Strukturen für die<br />
neueDemokratiegelegt,vonderFreiheit<br />
der Presse bis zu <strong>eine</strong>m demokratischen<br />
Wahl-undParteienrecht,vonderDezentralisierungdesLandesbiszumAbbauder<br />
politischenRolledes Militärs, vomAntikartellrechtzurUnabhängigkeitderZentralbank<br />
und nicht zu vergessen, bis zur<br />
FreiheitfürOsttimor.<br />
Obwohl angesichts <strong>eine</strong>s <strong>weltoffene</strong>n<br />
und stark anglophonen internationalen<br />
BildungsmarktesdieZahlderinDeutschlandstudierendenIndonesierinzwischen<br />
zurückgegangenist–zurZeitgibtesetwa<br />
2500 indonesische Studierende bei uns<br />
– findensichnochimmer Alumni Jerman<br />
in Positionen. Dazu zählen der erste frei<br />
gewählte Gouverneur der Zwölf-Millionenstadt<br />
Jakarta und der Rektor der führendenUniversitätdesLandes.Umauch<br />
für zukünftige Alumni gerüstet zu sein,<br />
wurde kürzlich erstmals ein neuartiges<br />
„Debt-Swap“ Stipendienprogramm geschaffen,dasauchKfWund<strong>DAAD</strong>einbindet.<br />
Sein Inhalt: Indonesien finanziert<br />
300StipendienfürDoktorandengegen<strong>eine</strong>ngroßzügigenSchuldenerlassvondeutscherSeite.<br />
Heinrich Seemann<br />
— Der Autor ist Botschafter a.D. und war<br />
unter anderem in Indonesien tätig.<br />
<strong>DAAD</strong>: Beilage des Tagesspiegels.<br />
Redaktion: Rolf Brockschmidt;<br />
Anzeigen: Jens Robotta.<br />
Postanschrift: 10876 Berlin, Tel. (030) 29021-0.<br />
DIE WELT ZU GASTErfahrungen ausländischer Studenten und Wissenschaftler<br />
Erfolgreich. Yasmine Aguib zögerte nach dem 11. September nur kurz, ob sie wirklich nach Deutschland kommen sollte. Sie entschied sich dafür. Heute ist sie wissenschaftliche<br />
Referentin des Präsidenten der TU München. Foto: Astrid Eckert/TUM<br />
Von Jana Schlütter<br />
DasWarten fand YasmineAguibam härtesten.<br />
Als wissenschaftliche Referentin<br />
des Präsidenten der TU München war<br />
sie seit März 2011 bei den Vorbereitungen<br />
für die Exzellenzinitiative dabei und<br />
sah, wie viel Mühe in solch <strong>eine</strong>m Mammut-Antrag<br />
steckt. Im November kamen<br />
die Gutachter, die Entscheidung fiel erst<br />
MitteJuni.„WirkonntendenTitelverteidigen“,<br />
sagt Aguib und lacht erleichtert.<br />
Die Ägypterin fühlt sich der TU verbunden.<br />
Hier hat sie studiert, geforscht und<br />
arbeitetnunanderInternationalisierung<br />
der Hochschule. Es ist ein Weg, der für<br />
sienichtselbstverständlichwar.<br />
An <strong>eine</strong>m Tag im Frühling 2001 wurden<br />
die Weichen gestellt. Die Eltern saßenbeimSchneideraufderCouch.Während<br />
ihre Tochter ein Kleid für den Abiballanprobierte,flogenzwischenMutter<br />
und Vater Argumente hin und her. Yasmine<br />
sei noch so jung, Deutschland sei<br />
viel zu weit weg. Ein ganzes Studium sei<br />
<strong>eine</strong>langeZeit.UndinderFremdeseisie<br />
mutterseelenallein. Auf der anderen<br />
Seite: Ein Stipendium, was für <strong>eine</strong><br />
Chance! Das wollten die Eltern ihr nicht<br />
vorenthalten.Dochsobaldsich<strong>eine</strong>rvon<br />
beiden für den Schritt nach Deutschland<br />
entschiedenhatte,kipptederandereum.<br />
Yasmine Aguib war Jahrgangsbeste in<br />
derDeutschenSchuleinKairogeworden;<br />
ihr Direktor und zwei Lehrer hatten sie<br />
daraufhin für ein <strong>DAAD</strong>-Stipendium für<br />
ein Studium in Deutschland vorgeschlagen.<br />
Ein Traum für Aguib, die in Hannovergeborenwurdeundbiszuihremfünften<br />
Lebensjahr dort lebte. Lauter schöne<br />
Kindheitserinnerungen verband sie mit<br />
dem Land. Ihr Vater hatte hier als Inge-<br />
Sieistimmerdieerstegewesen.Dieerste<br />
Afrikanerin mit <strong>eine</strong>m Doktortitel, die<br />
erste Professorin. 1984 war sie die erste<br />
PersonausAfrika,diemitdemAlternativenNobelpreisausgezeichnetwurde.Genau20JahrespäterfolgtederFriedensnobelpreis.<br />
Eshätte auch ganzanders kommen<br />
können. Wangari Mathaai wurde in<br />
dieEndzeitdesKolonialismusgeboren.In<br />
ihrem Land gab es brutale Kämpfe zwischen<br />
Freiheitskämpfern aus ihrem<br />
StammundderbritischenKolonialmacht.<br />
In dieser Zeit hat sie etwas erreicht, was<br />
viele Mädchen ihrer Generation für unmöglichgehaltenhaben:Siedurfteindie<br />
Schulegehen.Zuverdankenhattesiedas<br />
ihremBruder,derihrerMutter<strong>eine</strong>einfacheFragegestellthatte:„Warumgehtunsere<br />
Schwester nicht in die Schule?“ Sie<br />
lerntegernunddurfteauf<strong>eine</strong>weiterführendechristlicheSchulegehen.<br />
1960 gehörte sie zu den 300 jungen<br />
Leuten, die der amerikanische Präsident<br />
JohnF.KennedyzumStudiumindieUSA<br />
eingeladen hatte. Sie besuchte zunächst<br />
ein College in Kansas und studierte später<br />
Biologie an der Universität in Pittsburgh.SechsJahrehatsieindenUSAgelernt.DannkehrtesienachKeniazurück,<br />
das unterdessen unabhängig geworden<br />
war.Siewar<strong>eine</strong>dererstenDozentinnen<br />
Auf Augenhöhe<br />
Yasmine Aguib lebt seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. Nun will sie Ägypten helfen<br />
nieur promoviert, Yasmine Aguib erinnerte<br />
sich an Süßigkeiten und Freunde<br />
aus der Kinderkrippe. Nun hatte sie drei<br />
Tage,umdenskeptischenEltern<strong>eine</strong>Unterschrift<br />
für ihre <strong>DAAD</strong>-Bewerbung abzuringen.<br />
Dabei war sie sich selbst nicht<br />
sicher, ob sie ihre Familie schon verlassenwill.„Vermutlichnehmensiemicheh<br />
nicht“,versuchtesiezubeschwichtigen.<br />
Während die Auswahl noch lief, begannAguibihrMedizinstudiuminKairo.GanzezehnTagelang.DannkamdieZusage<br />
vom<strong>DAAD</strong>.Auch das Bewerbungstelefonat<br />
mit der TU München lief gut.<br />
Nach 40 Minuten sagte der Professor zu<br />
Aguib, sie könne schon mal Koffer packen.<br />
Mitten in dieser Aufbruchstimmung<br />
flogen zwei Flugzeuge in die New<br />
Yorker Zwillingstürme, in den USA wurden<br />
Muslime angegriffen. Ausgerechnet<br />
jetztwolltesienachEuropa?<br />
Aguib ließ sich nicht abschrecken.<br />
Kein Wohnheimplatz frei? Dann zog sie<br />
eben ins oberbayerische Mühldorf zu <strong>eine</strong>rGastfamilie.<br />
DieFamiliehatte siebereits<br />
während <strong>eine</strong>s Schüleraustausches<br />
aufgenommen, sie verstand sich mit der<br />
Gastschwester und war sofort integriert.<br />
„Das schaffe ich“, wurde ihr Motto. Sie<br />
wollte anderen Studenten von ihrem<br />
Landerzählen,freutesichüberjedenoch<br />
sonaiveFrageundfandesspannend,das<br />
WissenausderDeutschenSchuleim Alltaganwendenzukönnen.<br />
DerWegzurUnijedochgerietzu<strong>eine</strong>r<br />
halben Weltreise. Zwischen den anspruchsvollenBiotechnologie-Vorlesungen<br />
suchte sie nach <strong>eine</strong>r Bleibe in München.<br />
Monatelang kassierte sie Absagen.<br />
<strong>Für</strong> <strong>eine</strong> Wohnungsbesichtigung verpasste<br />
Aguib <strong>eine</strong> prüfungsrelevante<br />
Übung und irrte durch unbekannte Stra-<br />
Das Leben verändert<br />
Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai aus Kenia war <strong>DAAD</strong>-Alumna<br />
Wangari Maathai, Politikerin und Umweltaktivistin<br />
aus Kenia. Foto: REUTERS<br />
an der neuen Universität Nairobi. Mathaai<br />
wurde 1965 Assistentin des GießenerVeterinärmedizinersReinholdR.Hofmann,<br />
der bis 1971 die veterinärmedizinische<br />
Fakultät der Universität Nairobi<br />
mit aufgebaut hatte.1967 bis 1969<br />
forschte die spätere Politikerin und Umweltschützerin<br />
mit <strong>eine</strong>m <strong>DAAD</strong>-Doktoranden-Stipendium<br />
in Deutschland. In<br />
GießenundMünchenlegtesiedieGrundlagefürihreProfessurinVeterinäranato-<br />
ßen – bis sie nach <strong>eine</strong>m Regenguss wie<br />
ein begossener Pudel auf <strong>eine</strong>r Stahlbrücke<br />
stand. „Warum tue ich mir das an“,<br />
fragtesiesich.DieGastmuttergingjeden<br />
Tagdavonaus,dassYasmineaufgibt.Die<br />
Mutter zu Hause hörte am Telefon nur<br />
einbeschwingtes:„Allesbestens!“<br />
Abbrechen kam für die zielstrebige<br />
junge Frau nicht infrage. Das dreijährige<br />
Bachelorstudium zur Molekularen Biotechnologie<br />
fand sie ideal, schon in der<br />
Schule hatte sie Genetik fasziniert. Mit<br />
demAbschluss standen alleTürenoffen:<br />
Wissenschaftsmanagement, Forschung,<br />
Journalismus.AlsägyptischeFreundeein-<br />
Jede Wendung der Revolution<br />
haben die jungen Ägypter<br />
aus der Ferne verfolgt<br />
wandten, dass Biologie und Chemie zu<br />
Hausek<strong>eine</strong>nsogutenRufhättenwieMedizin,<br />
focht sie das nicht an: „Dann wird<br />
esZeit,dasssichdasändert!“<br />
Aus dem Bachelor- wurde ein Masterstudium,<br />
es folgte <strong>eine</strong> Promotion und<br />
die Stelle im Stab des TU-Präsidenten.<br />
Mehr als zehn Jahre ist sie nun schon in<br />
Deutschland. Die Grenzen verschwimmen;<br />
wo „zu Hause“ ist, ist nicht mehr<br />
ganz klar. Die Verbindung zu Ägypten<br />
riss trotzdem nie ab. Sie reist so oft wie<br />
möglich dorthin, engagierte sich im<br />
deutsch-ägyptischen Wissenschaftsjahr,<br />
pflegt die Freundschaften aus der SchulzeitundlerntesoihrenMannkennen.<br />
Er<br />
ist ihr nach der Hochzeit nach München<br />
gefolgt, studiert nun an der TU. Wie es<br />
weitergeht? „Es gibt so viele Möglichkei-<br />
mie. 1971 promovierte sie als erste Frau<br />
an der Universität Nairobi. „Der <strong>DAAD</strong><br />
hat mein Leben maßgeblich verändert:<br />
Er gab mir die Chance, das zu lernen,<br />
was ich für m<strong>eine</strong>n akademischen<br />
Werdegang brauchte“, hat sie einmal gesagt.<br />
Mathaai hatte <strong>eine</strong>n wesentlichen AnteilihrerakademischenKarriereimRahmen<br />
der Universitätspartnerschaft Gießen-Nairobi<br />
absolviert. Diese wurde<br />
1962-1975vomdamaligenBundesministeriumfürWirtschaftlicheZusammenarbeit<br />
gefördert. Von 1973 bis 1981 hatte<br />
sieselbstdanndasInstitutgeleitet.1978<br />
hieltsiesichwiederummit<strong>eine</strong>mStipendium<br />
des <strong>DAAD</strong> in Deutschland zu Forschungszweckenauf.Berühmtwurdesie<br />
durch das 1977 gegründete „Green Belt<br />
Movement“, das inzwischen in Kenia 47<br />
MillionenBäumegepflanzthat.<br />
Als Wangari Mathaai 2001 im Alter<br />
von 71 Jahren starb, sagte der Präsident<br />
der Justus-Liebig-Universität Gießen:<br />
„Der Schutz der Umwelt, der Menschenrechte<br />
wie auch andere Ziele von<br />
Prof. Mathaai haben auch an der Justus-Liebig-Universität<br />
in Forschung und<br />
Lehre <strong>eine</strong>n hohen Stellenwert; wir fühlen<br />
uns unserer verstorbenen Alumna in<br />
besondererWeiseverbunden.“ deh/R.B.<br />
ten“,sagtAguib.DieHirnforschungreizt<br />
sienachwievor,inihrerPromotionging<br />
esumInfektionenmitPrionen.Auchandere<br />
neurodegenerative Erkrankungen<br />
findet sie spannend. Genauso wie das<br />
Wissenschaftsmanagement. „Am liebstenwürdeichbeidesmachen“,sagtsie.<br />
Vor allem aber lässt sie der Umbruch<br />
in Ägypten nicht los. Teilweise Tag und<br />
Nacht haben sie, ihr Mann und ihre<br />
Schwesterjede Wendung derRevolution<br />
verfolgt. Wenn in Ägypten Funkstille<br />
herrschte, haben sie versucht, per InternetdenInformationsflussaufrechtzuerhaltenundDemonstrationeninMünchen<br />
organisiert. „Manchmal sind wir schockierteingeschlafenundsehrfrühaufgewacht“,<br />
erinnert sie sich. Nach Ägypten<br />
zu fliegen, um über die neue Verfassung<br />
abzustimmen, war Ehrensache – auch<br />
wenndortmanchermeint,dieAuslandsägypterhättenk<strong>eine</strong>Ahnung,waseigentlichpassiertsei.„EsgibtüberallÄgypter,<br />
die sich für Politik interessieren und solche,diedasnichttun“,entgegnetAguib.<br />
Sie empfindet es als Pflicht, ihrem<br />
Land etwas zurückzugeben, sei es über<br />
ehrenamtliche Initiativen in ihrer Freizeit,seiesüberihreStelleanderUniversität<br />
oder über <strong>eine</strong> Rückkehr. Im Moment<br />
wirkt sie daran mit, internationale<br />
Forschungskooperationen auf Augenhöhezuschmieden,vondenenbeideSeiten<br />
gleichermaßen profitieren. Genauso<br />
gutkannsiesichvorstellen,dabeizuhelfen,<br />
die wissenschaftliche Infrastruktur<br />
inÄgyptenauszubauen:„Alsgutausgebildete<br />
Ägypter müssen wir das Land jetzt<br />
unterstützen“,sagtsie.„Sonstdürfenwir<br />
uns nicht über Wahlentscheidungen beschweren,dieausArmutoderUnwissenheitzustandekommen.“<br />
DER „MILLENIUM EXPRESS“<br />
Fahrtzu<strong>eine</strong>rfairenWelt<br />
Kann unser Planet <strong>eine</strong><br />
wachsende Bevölkerung<br />
ernähren? Wie lässt sich<br />
das Problem der Wasserversorgung<br />
lösen? Wie gelingt<br />
es Armut zu verhindern<br />
und Bildung für alle<br />
Kinder zu gewährleisten?<br />
Diese Fragen beschäftigen<br />
Stipendiaten des <strong>DAAD</strong>-<br />
Förderprogramms „Entwicklungsländerbezogene<br />
Aufbaustudiengänge“. Die<br />
Teilnehmer der insgesamt<br />
44 weiterbildenden Programme<br />
setzen sich für die<br />
Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele<br />
der Vereinten Nationen<br />
ein.<br />
2011 haben sie die Vortrags-<br />
und Konferenzreihe<br />
„Millennium Express“ ins<br />
Rollen gebracht. Der „Millenium<br />
Express“ „fuhr“ bis<br />
Ende Mai 2012 durch die<br />
deutsche Hochschullandschaft<br />
und trug die Ideen<br />
der Studierenden für ein<br />
gerechtes Jahrtausend.<br />
Insgesamt acht Stationen<br />
D<br />
lagen auf der Route: Dresden,<br />
Freiburg, Dortmund,<br />
Berlin, Suderburg, Flensburg,<br />
Hannover und Bonn.<br />
Das Ziel der Initiative war<br />
es, die Stipendiaten über<br />
die Fächergrenzen hinweg<br />
besser miteinander zu vernetzen<br />
und <strong>eine</strong>n nachhaltigen<br />
interkulturellen Austausch<br />
zu ermöglichen.<br />
Jede Station des „Millenium<br />
Express“ hatte <strong>eine</strong>n<br />
anderen thematischen<br />
Schwerpunkt. Das Spektrum<br />
reichte von grüner<br />
Ökonomie, Katastrophenmanagement,Erneuerbaren<br />
Energien bis hin zu<br />
Umweltmanagement sowie<br />
Bekämpfung von Hunger<br />
und Armut. In Dresden<br />
beispielsweise befassten<br />
sich die Stipendiaten mit<br />
den Folgen des Klimawandels,<br />
in Suderburg mit Wasserwirtschaft.<br />
Jedes mal<br />
wurden auch Experten aus<br />
Wissenschaft und Praxis,<br />
prominente Gäste sowie<br />
interessierte Öffentlichkeit<br />
Erweiterung<br />
des<br />
Weltbilds<br />
Ida Auken hat ein Jahr<br />
in Berlin studiert<br />
„<strong>Für</strong>michwareseingroßesErlebnis,in<strong>eine</strong>manderenLandzuleben.Dänemarkist<br />
einkl<strong>eine</strong>sLandundinDeutschlandhabe<br />
ich<strong>eine</strong>nanderenBlickaufmichundmein<br />
Landbekommen“,erzähltIdaAuken,die<br />
derzeitdänischeundeuropäischeInteressenalsUmweltministerinaufdemGipfel<br />
in Rio vertritt und vor gerade einmal elf<br />
Jahren mit <strong>eine</strong>m <strong>DAAD</strong>-Stipendium<br />
ein Jahr an der Humboldt-Universität zu<br />
BerlinTheologiestudierthatte.Ursprünglich<br />
wollte Auken nach Tübingen gehen,<br />
weilesdortguteProfessorengab,bekennt<br />
sie,aberFreundehättenihrdringendgeraten,<br />
doch Berlin zu wählen, das sei doch<br />
<strong>eine</strong>lebendigeStadt.„EineguteEntscheidung“,findetsieimNachhineinundauch<br />
mitdenBerlinerProfessorenwarsiehoch<br />
zufrieden. „Professor Wolf Krötke hatte<br />
michunters<strong>eine</strong>Fittichegenommen–das<br />
war wunderbar. Das Prinzip des Lehrstuhls<br />
kennen wir so nicht in Dänemark.<br />
Er sagte immer, der Nagel muss sitzen.<br />
Ihm verdanke ich die breite Grundbildung,dieman<br />
in Deutschland erwartet.“<br />
DasTheologiestudiuminDeutschlandsei<br />
fürsie<strong>eine</strong>ErweiterungdesWeltbildesgewesen,<br />
<strong>eine</strong> Mischung aus Präzision und<br />
Phantasie.<br />
Aber die Zeit in Berlin war auch noch<br />
aus <strong>eine</strong>m anderen Grund sehr bedeutend:<br />
„Ich komme aus <strong>eine</strong>r sehr politischen<br />
Familie, jeder in Dänemark kennt<br />
m<strong>eine</strong>n Namen. Ich wollte dem entgehen.InBerlinkonnteichzumerstenMalIchsein.Damalswarichnochnichtpolitisch<br />
aktiv. In Berlin habe ich über den<br />
IdaAuken,seit2011dänischeUmweltministerin,<br />
hatte 2001 mit <strong>eine</strong>m <strong>DAAD</strong>-Stipendium<br />
Theologie an der Humboldt-Universität<br />
zu Berlin studiert. Foto: Claus Bjørn Larsen<br />
Unisport viel Handball gespielt und hart<br />
studiert.Ichhabemit<strong>eine</strong>rFrauausMagdeburg<br />
zusammengewohnt und kenne<br />
mich daher in Magdeburg, Dresden und<br />
aufRügenganzgutaus.“<br />
Nützliche Erfahrungen, denn kürzlich<br />
warsiemitAngelaMerkelbeiderSitzung<br />
des Ostseerates in Stralsund. „Als Politikerinmussmanalles<br />
benutzen,wasman<br />
hat und kennt, und m<strong>eine</strong> deutsche<br />
Grundbildung und der Kulturaustausch<br />
haben mir dort sehr geholfen.“ Rückblickend<br />
sagt sie: „Das <strong>DAAD</strong>-Stipendium<br />
war für mich sehr gut. Als Politikerin<br />
muss ich auf festem Grund stehen und<br />
frei sprechen, dabei hat mir die Zeit in<br />
Berlin sehr viel geholfen.“ Und sie<br />
kommtimmerwiedergernezurück.<br />
Rolf Brockschmidt<br />
in die Disskusionsrunde<br />
eingeladen. Die Studierenden<br />
konnten so Kontakt zu<br />
den Unternehmern aus der<br />
Region aufnehmen und<br />
bleibende Verbindungen<br />
für Wissens- und Technologietransfer<br />
mit den deutschen<br />
Partnern knüpfen.<br />
In Bonn, dem symbolischen<br />
„Zielbahnhof“ des<br />
„Millenium Express“ wurde<br />
das 25-Jubiläum des Stipendiaten-Programms„Entwicklungsländerbezogene<br />
Aufbaustudiengänge“<br />
gefeiert. Seit 1987 hat es<br />
mehr als 5 000 Stipendiatinnen<br />
und Stipendiaten<br />
gefördert und sich weltweit<br />
als <strong>eine</strong>s der nachgefragtesten<br />
und erfolgreichsten<br />
im Programmangebot<br />
des <strong>DAAD</strong> etabliert. Jedes<br />
Jahr starten rund 270<br />
junge Fach- oder Führungskräfte<br />
aus Entwicklungsund<br />
Schwellenländern an<br />
deutschen Hochschulen<br />
mit <strong>eine</strong>m Master- oder<br />
Doktorandenstudium. Tsp