Letter - DAAD-magazin
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nr. 2 august 2008, 28.Jg.
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Foto: Reiner Zensen<br />
2<br />
InhalT<br />
Glücksforschung:<br />
Fortuna auf der Spur<br />
S.18<br />
Naturschutz:<br />
Monokulturen zerstören<br />
biologische Vielfalt<br />
S.30<br />
Titel:<br />
Esskultur:<br />
Zwischen Bio- und Fastfood<br />
S.10<br />
Spitzenposition in der Sozialforschung:<br />
Jutta Allmendinger<br />
S.33<br />
Abb. aus: Boccaccio „De Casibus Virorum Illustrium“ (Paris, 1467)<br />
Foto: digitalstock/B. Schug<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
Dialog Seite 4<br />
Zwischen Konflikt und Frieden<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten beim „Global Media Forum“ S. 4<br />
Leserbriefe S. 6<br />
<strong>DAAD</strong>-Standpunkt S. 7<br />
Spektrum Deutschland Seite 8<br />
Titel<br />
Ernährung in Deutschland<br />
Seite 10<br />
Zwischen Fastfood und Biokost<br />
„Einen Coffee to go, bitte“<br />
S. 10<br />
Interview mit Gunther Hirschfelder S. 12<br />
Hochschule<br />
Abschied vom Vollzeit-Studenten<br />
Seite 14<br />
Weiterbildung an deutschen Hochschulen S. 14<br />
Neues vom Campus S. 16<br />
Wissenschaft<br />
Das Glück hat viele Gesichter<br />
Seite 18<br />
Eine Ausstellung in Dresden<br />
Ohne Sinn kein Glück<br />
S. 18<br />
Interview mit Wilhelm Schmid<br />
Labor für Multis<br />
S. 19<br />
Hohe Investitionen am Forschungsstandort Deutschland S. 21<br />
Ortstermin Seite 22<br />
Hamburg: Ein Hauch von Eigensinn S. 22<br />
Europa<br />
Clean Sky<br />
Seite 24<br />
Europäische Union fördert umweltfreundliche Flugzeuge S. 24<br />
Arbeiten weltweit<br />
Zwei Deutsche in Russland:<br />
Seite 26<br />
Tragfähige Geschäftsbeziehungen S. 26<br />
Rätsel Seite 28<br />
Sprachecke Seite 29<br />
<strong>DAAD</strong> Report Seite 30<br />
Artenschutz geht alle an<br />
Alumni engagieren sich für biologische Vielfalt S. 30<br />
Alumni-Netzwerk in Korea S. 32<br />
Gestern Stipendiatin – und heute ...<br />
Jutta Allmendinger S. 33<br />
Stipendiaten forschen S. 34<br />
Nachrichten S. 36<br />
Köpfe S. 40<br />
Bücher von unseren Lesern S. 42<br />
Impressum S. 42<br />
Deutsche Chronik Seite 43<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
Einerseits: Die Deutschen essen zu viel, zu<br />
fett und zu süß. Andererseits: Nirgendwo<br />
stehen Biokost und gesunde Ernährung so<br />
hoch im Kurs wie in Deutschland. Zwei gegensätzliche<br />
Trends, die aber noch nicht alles<br />
über deutsche Esskultur aussagen: Fastfood,<br />
Coffee to go und Snack-Kultur gehören ebenso<br />
dazu wie festlich zelebrierte Mahlzeiten. Die<br />
neue Vielfalt deutscher Essgewohnheiten ruft<br />
Wissenschaftler auf den Plan und regt Politiker<br />
zu nationalen Gesundheits-Aktionen an<br />
(Titelgeschichte Seite 10). Den Leuten auf den<br />
Teller geschaut hat auch der Bonner Ethnologe<br />
Gunther Hirschfelder. Er gibt Auskunft über<br />
den Wandel der Esskultur aus kulturhistorischer<br />
Sicht (Interview Seite 12).<br />
Eine gute Mahlzeit kann Menschen glücklich<br />
machen. Das ist freilich nur eine<br />
von vielen Möglichkeiten, Glück zu erleben.<br />
Was sich Menschen verschiedener Kulturen<br />
auf der Jagd nach dem Glück alles einfallen<br />
lassen und welche Opfer sie dafür bringen<br />
– vom Risikosport bis zur Schönheitsoperation<br />
–, erfährt der Besucher einer Ausstellung<br />
in Dresden. Am Ende weiß er vor allem eins:<br />
Das eine Glück gibt es nicht (Seite 18). Eine<br />
wahre „Glückshysterie“ bescheinigt der Berliner<br />
Philosoph und langjährige <strong>DAAD</strong>-Gastdozent<br />
Wilhelm Schmid den Deutschen heute.<br />
Schmid ist selbst Autor eines Bestsellers zum<br />
Thema Glück und zeigt ganz eigene Wege auf<br />
(Interview Seite 18).<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Glücksmoment beim Essen<br />
Ein Kriterium für Lebens-Glück ist in<br />
weltweiten Umfragen auch die Bildung.<br />
Lebenslanges Lernen lautet das Stichwort –<br />
an deutschen Hochschulen setzt es sich nur<br />
allmählich durch. In anderen europäischen<br />
Ländern und in den USA ist es längst guter<br />
Brauch – nun sollen auch in Deutschland immer<br />
mehr Berufstätige in die Hörsäle (zurück)<br />
streben können. Wissenschaftliche Weiterbildung<br />
setzt neue Strategien voraus, wie den<br />
verstärkten Dialog zwischen Hochschule und<br />
Berufswelt (Seite 14).<br />
Weiterbildung für ausländische Hochschulabsolventen<br />
und Alumni zu aktuellen<br />
Themen gehört seit Jahrzehnten zur<br />
Programmpalette des <strong>DAAD</strong>. 24 Alumni aus<br />
13 Ländern bildeten sich in diesem Sommer<br />
an der Uni Göttingen in Sachen Artenschutz<br />
weiter. Auf Einladung des <strong>DAAD</strong> besuchten<br />
sie auch die UN-Weltkonferenz zur Biodiversität<br />
in Bonn – mit 6 000 Teilnehmern ein<br />
Foto: Free Agencja Fotograficzna/StockFood<br />
EdITorIal 3<br />
internationales Forum für Know-how und<br />
neue Kontakte. Der Umweltforscher Houman<br />
Liaghati aus Iran fand dort den Partner für<br />
einen geplanten Naturschutzpark in seinem<br />
Heimatland (Seite 30).<br />
Einem Teil dieser <strong>Letter</strong>-Ausgabe liegt ein<br />
Fragebogen bei, mit dem der <strong>DAAD</strong> seine<br />
Adress-Datei aktualisieren möchte. <strong>DAAD</strong> und<br />
<strong>Letter</strong>-Redaktion sind sehr dankbar für eine<br />
schnelle Antwort per Post, Fax oder E-Mail.<br />
Nur wer uns schreibt, kann <strong>Letter</strong> weiterhin<br />
erhalten.
4 dIalog<br />
Zwischen Konflikt und Frieden<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten über die Rolle der Medien<br />
Mehr als 900 Teilnehmer aus 100 Ländern trafen sich zum „Global Media<br />
Forum“ der Deutschen Welle in Bonn. Repräsentanten aus Medien und<br />
Politik, Kultur und Wirtschaft, Wissenschaft und Entwicklungszusammenarbeit<br />
diskutierten über die Rolle der Medien bei Konfliktprävention<br />
und Friedensstiftung. Mit dabei waren neun <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />
aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Sie studieren in <strong>DAAD</strong>-geförderten<br />
„Aufbaustudiengängen mit entwicklungsbezogener Thematik“.<br />
So nehmen Christiana Amuzu (29) aus Ghana (auf unserem<br />
Bild links) und Jan Andrew Zubiri (24) von den Philippinen (Mitte)<br />
am Mas terstudiengang „Environmental Governance“ an der Universität<br />
Freiburg teil; Sofyan Syahnur (38) aus der Provinz Aceh in<br />
Indonesien (rechts) promoviert am Zentrum für Entwicklungsforschung<br />
in Bonn.<br />
Inwiefern können Medien dazu beitragen,<br />
Konflikte abzuschwächen und den<br />
Friedensprozess zu unterstützen?<br />
CHRISTIANA AMUZU:<br />
Wir dürfen die Rolle der Medien nicht überbewerten.<br />
Sie können weder Frieden schaffen<br />
noch Korruption unterbinden. Dafür braucht<br />
es integre Politiker und aufgeklärte, demokratiebewusste<br />
Bürger. Die Medien können allenfalls<br />
Vermittler sein. Für mich ist entscheidend,<br />
dass Menschen durch Medien nicht<br />
ausgegrenzt werden.<br />
Ressourcen wie etwa Rohstoffe sind häufig<br />
der Zündstoff für Konflikte. Deshalb beobachte<br />
ich genau, wie mit den neuen Ölfunden in<br />
Ghana umgegangen wird – sie bedeuten nicht<br />
automatisch Wohlstand für alle. Letztendlich<br />
ist die Regierung für eine gerechte Verteilung<br />
verantwortlich. Aber es ist hilfreich zu wissen,<br />
dass die Medien diesen Prozess wachsam begleiten.<br />
JAN ANDREW ZUBIRI:<br />
Ich bewerte die Rolle der Medien etwas anders.<br />
Sie können durchaus dazu beitragen,<br />
Konflikte abzuschwächen, und zwar genau<br />
dann, wenn sie ihre Aufgabe als unabhängige<br />
Berichterstatter wahrnehmen<br />
und unzensiert berichten dürfen. Mir ist<br />
auf der Bonner Konferenz klar gewor-<br />
den, wie stark die Medien die öffentliche Meinung<br />
beeinflussen und sensibilisieren. Daher<br />
können sie erheblich zum Bewusstseinswandel<br />
im Umwelt- und Klimaschutz beitragen.<br />
Wenn die Menschen daraufhin tatsächlich ihr<br />
Verhalten ändern, helfen Medien durch ihre<br />
aufklärende Funktion mit, Konflikte und Aggression<br />
zu mindern.<br />
SOFyAN SyAHNUR:<br />
Das ist sicher richtig. Allerdings dürfen wir<br />
nicht vergessen, dass Medien gerade durch<br />
ihre Berichte Konflikte sogar verstärken und<br />
Propaganda betreiben können – aus welchen<br />
Gründen auch immer. Ich denke an die Zeit,<br />
als die Bewegung für ein freies Aceh in der Ära<br />
von Präsident Suharto mit Waffengewalt für<br />
einen unabhängigen Staat Aceh kämpfte. Die<br />
indonesische Regierung erklärte daraufhin<br />
die Region zum Kriegsgebiet. Damals konnten<br />
die Medien nicht frei berichten. Erst über den<br />
späteren Friedensschluss berichteten Journalisten<br />
objektiver. Nach dem Tsunami haben<br />
uns die Medien weltweit sehr unterstützt, indem<br />
sie das Ausmaß der Katastrophe zeigten<br />
und zu Spenden aufriefen.<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Fotos: Eric Lichtenscheid
Welche Funktion übernehmen<br />
internationale und welche lokale Medien,<br />
und wie werden diese in Ihren Ländern<br />
wahrgenommen?<br />
JAN ANDREW ZUBIRI:<br />
Die Trennung von lokalen und internationalen<br />
Medien ist durch die neuen Technologien<br />
teilweise verwischt: Im Internet laufen<br />
Blogs und Podcasts, Nachrichten lese ich auf<br />
dem Handy. Wenn jeder berichten und seine<br />
Perspektive einbringen kann, wird es allerdings<br />
schwerer, die Wahrheit zu<br />
erkennen. Aktualität rund um<br />
die Uhr gewährleisten nur die<br />
internationalen Medien, nicht<br />
die lokalen. Die Zuschauer<br />
sind hautnah bei Krisen dabei,<br />
dafür waren die Berichte<br />
über den Tsunami ein gutes<br />
Beispiel. Zwar besitzt fast<br />
jede philippinische Familie<br />
einen Fernseher, egal<br />
wie arm sie ist, aber<br />
keinen Kabel- oder<br />
Satellitenanschluss,<br />
mit dem sie die internationalen<br />
Sender empfangen<br />
kann. Deshalb erfüllen<br />
lokale Sender eine wichtige<br />
Funktion in der Informationsvermittlung.<br />
CHRISTIANA AMUZU:<br />
In den ländlichen Regionen Ghanas<br />
haben längst nicht alle Haushalte einen<br />
Fernseher. Außerdem senden die internationalen<br />
Medien nur auf Englisch, das<br />
nicht alle Ghanaer gut genug verstehen.<br />
Deshalb sind die lokalen Fernsehsender<br />
so wichtig. Darüber hinaus hören die Menschen<br />
nach wie vor häufig Radio, weil das<br />
gesamte Programm in den lokalen Sprachen<br />
gesendet wird. Bei diesen Sendungen können<br />
die Hörer mitmachen und mitdiskutieren, das<br />
stärkt das Gemeinschaftsgefühl.<br />
Welche Medien nutzen Sie persönlich?<br />
CHRISTIANA AMUZU:<br />
Ich nutze alle Medien, aber mit meiner Familie<br />
in Ghana telefoniere ich nur, was leider sehr<br />
teuer ist. Meine Mutter hat nicht gelernt, mit<br />
dem Computer umzugehen, also kann sie auch<br />
nicht E-Mails senden oder empfangen – dies<br />
ist eine Generationenfrage, die sicher überall<br />
auf der Welt ähnlich ist und uns zeigt, wie rasant<br />
sich Medien entwickelt haben.<br />
SOFyAN SyAHNUR:<br />
Medien sind für meine Arbeit sehr wichtig.<br />
Ich möchte sie künftig vor allem nutzen, um<br />
dIalog<br />
der Gesellschaft meine Forschungsergebnisse<br />
mitzuteilen. Ich bin Ökonom und Dozent an<br />
der Syiah Kuala Universität in Banda Aceh.<br />
Die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung<br />
ist schlecht. Ich hoffe, dass meine Untersuchungen<br />
dazu beitragen, das Finanzmanagement<br />
weiterzuentwickeln und eine solide<br />
Basis für Investoren in der Region Aceh<br />
zu liefern. Medien sind außerdem ein<br />
hilfreiches Instrument für den Unterricht<br />
– Multimedia in der Lehre, das ist eine<br />
ganz neue Herausforderung für mich.<br />
JAN ANDREW ZUBIRI:<br />
Ich schreibe einen Blog über meine<br />
Erlebnisse und Erfahrungen in<br />
Deutschland. Das ist einfacher, als<br />
mit allen Freunden zu mailen.<br />
Deshalb hat es mir besonders gefallen,<br />
dass ich im „Global Media<br />
Forum“ von den Berichten professioneller<br />
Blogger profitieren<br />
konnte und auch andere<br />
digitale Medien thematisiert<br />
wurden. Die nächste Konferenz<br />
sollte insbesondere<br />
neue Medien und Formate<br />
zum Thema haben, daran<br />
würde ich gerne wieder<br />
teilnehmen.<br />
Das Interview führte<br />
Katja Spross<br />
5
6 dIalog<br />
leserbriefe<br />
„In Deutschland das Herz verloren“<br />
Können Sie es glauben? Ich habe die Welt getroffen!<br />
Jawohl! 250 fremde Menschen und 200<br />
verschiedene Kulturen habe ich in Tübingen<br />
beim internationalen Sommerkurs getroffen,<br />
und viele von ihnen sind zu Freunden geworden.<br />
Ich selbst habe in diesen vier Wochen –<br />
im August 2007 – mein Herz in Deutschland<br />
verloren. Ich besuchte den Deutschkurs für<br />
Fortgeschrittene an der Eberhard-Karls-Universität,<br />
um meine Sprachkenntnisse zu verbessern.<br />
Viele sehr lange und komplizierte deutsche<br />
Sätze habe ich konstruiert und sehr viel gelernt.<br />
Aber außer den Sommerkursen bot Tübingen<br />
auch viele andere Aktivitäten für ausländische<br />
Studierende: Filmabende, Theater,<br />
Stadtführungen, Jonglieren, Flamenco, Rock’n<br />
Roll, Sommerchor, Sport, Zeichenkurse, Japanischer<br />
Abend, Schwäbischer Abend, Exkursionen...<br />
Natürlich habe ich vorher viele Vorurteile<br />
über Deutschland gehabt, aber die habe ich<br />
schnell vergessen. Von der Höflichkeit der<br />
Menschen, der Sauberkeit der Straßen, von<br />
Grün und Blumen überall bis zu den typisch<br />
schwäbischen Kässpätzle habe ich alles genossen.<br />
Brezeln zum Frühstück, Wein am Abend –<br />
man genießt das Leben in Deutschland. Jetzt<br />
Vom Sommerkurs in Tübingen schwärmt die Kenianerin<br />
Emmy Chirchir (oben links)<br />
Collage: Emmy Chirchir<br />
ist Deutschland mein Traumland. Vielleicht<br />
habe ich nicht nur mein Herz, sondern – wie<br />
ein anderer Student feststellte – auch einen<br />
Teil meiner Seele in Deutschland verloren. Auf<br />
jeden Fall waren diese Wochen eine ganz tolle<br />
und wichtige Erfahrung für mich, und ich wünsche<br />
mir, dass mehr (Deutsch-)Studenten aus<br />
Kenia eine solche Möglichkeit bekommen.<br />
Emmy Chirchir,<br />
Deutschstudentin aus Nairobi, Kenia<br />
Das Leben auf den Kopf gestellt<br />
Ich studiere Übersetzen und Dolmetschen an<br />
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in<br />
Germersheim. Dort hörte ich eine Vorlesung<br />
des berühmten Translationswissenschaftlers<br />
Professor Hans J. Vermeer. Seine Aussage „Der<br />
Mensch ist beschränkt“ regte mich zu Überlegungen<br />
an, die mit meinen persönlichen<br />
Erfahrungen in Deutschland zu tun haben<br />
und auch für <strong>Letter</strong>-Leser von Interesse sein<br />
könnten.<br />
Ich denke, dass die Wahrnehmungsfähigkeit<br />
der Menschen besonders bei der Begegnung<br />
mit dem Fremden beschränkt ist. Die eigenen<br />
Vorstellungen und Vorurteile lassen uns nur<br />
schwer über die eigene Nase hinausschauen.<br />
Alles Neue und Unverständliche als negativ<br />
zu bezeichnen, fällt leichter, als sich die Auseinandersetzung<br />
damit zuzumuten. Man könnte<br />
das damit erklären, dass man große Angst bekommt,<br />
wenn man einer neuen, fremden Kultur<br />
begegnet und wenn man sich gezwungen<br />
sieht, diese in sich aufzunehmen. Denn dieses<br />
Neue stellt das ganze Leben auf den Kopf, und<br />
man weiß nicht mehr, wer man ist.<br />
Ich komme nach Deutschland und fühle<br />
mich dieser neuen Umgebung mit ihren kulturellen,<br />
politischen und sozio-ökonomischen<br />
Gegebenheiten und ihren Menschen ausgesetzt.<br />
In der ersten Zeit bin ich sehr neugierig.<br />
Ich möchte alles um mich herum kennenlernen<br />
und bringe eine bestimmte Anpassungsbereitschaft<br />
mit. Ich versuche, mich mit den<br />
hier lebenden Menschen anhand der Sprache,<br />
die ich beherrsche, zu verständigen. Doch das<br />
gelingt nicht immer, selbst wenn ich die Sprache<br />
fließend spreche. Wir reden aneinander<br />
vorbei, als ob wir über ganz verschiedene Dinge<br />
sprechen würden. Ich über Liebe und er<br />
über Autos. So ungefähr. Ich fühle mich gekränkt<br />
und missverstanden. Ich ärgere mich<br />
über mich selbst (da ich anscheinend das, was<br />
ich zu sagen vermeinte, im Deutschen falsch<br />
ausgedrückt habe) und über den anderen, der<br />
merkwürdigerweise nicht versteht, was ich<br />
ihm zu sagen vermeine.<br />
Manchmal kommt es sogar dazu, dass ich<br />
mich gar nicht auf Deutsch unterhalten möchte.<br />
Weil ich dann MEINE Sprache nicht sprechen<br />
kann. Stattdessen muss ich mich an die<br />
sprachlichen Gesetzmäßigkeiten und kulturell<br />
bedingten Grenzen halten, in denen ich viel<br />
weniger Freiraum habe, mich als Persönlichkeit<br />
auszudrücken. In diesen Zeiten unterhalte<br />
ich mich lieber mit meinen Landsleuten, die<br />
mich ohne weiteres verstehen. Ich verstecke<br />
mich also vor dieser neuen, fremden Kultur<br />
und muss mich mit ihr nicht weiter auseinandersetzen.<br />
Psychologen meinen, dass man einen inneren<br />
Schmerz zulassen soll, bis er seinen<br />
Höchststand erreicht. Danach kommt in der<br />
Regel die Erkenntnis, warum man unter diesen<br />
oder jenen Umständen so leidet. Ich versuche<br />
es mit dem Deutschen. Allmählich komme ich<br />
zu der Erkenntnis, dass ich Angst habe, von<br />
der neuen Kultur verschlungen zu werden<br />
und die Wurzeln zu verlieren, die mich mit<br />
meinem Heimatland, meiner Familie, meiner<br />
Sprache verbinden. Ich denke, ich kann nun<br />
versuchen, mich dem Neuen und Fremden zu<br />
öffnen – ohne Angst vor Veränderung. Veränderung<br />
ist ein Prozess, und darin liegt eine Dynamik,<br />
eine Entwicklung. Sie bedeutet Leben<br />
und eine enorme Bereicherung - auch wenn<br />
sie schmerzhaft ist.<br />
Maria Togoeva aus Twer, Russland<br />
Zurzeit <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin in Germersheim<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
Foto: Eric Lichtenscheidt<br />
Stefan Hormuth ist<br />
Präsident des <strong>DAAD</strong><br />
Auf seiner Mitgliederversammlung am<br />
24. Juni 2008 hat der <strong>DAAD</strong> mit großer<br />
Mehrheit sein neues Aktionsprogramm „Qualität<br />
durch Internationalität“ für die Jahre<br />
2008 bis 2011 beschlossen. Das ist auch der<br />
Zeitraum, für den ich als neuer <strong>DAAD</strong>-Präsident<br />
gewählt bin, und ich freue mich, dass die<br />
ehrgeizigen Ziele dieses Programms breite<br />
Zustimmung bei den Mitgliedshochschulen<br />
gefunden haben:<br />
Deutschland ist heute das drittwichtigste Zielland<br />
für ausländische Studierende. Wir wollen<br />
Deutschlands Position im internationalen<br />
Wettbewerb um hervorragende Studierende,<br />
Graduierte und Doktoranden weiter stärken<br />
und die Zahl ausländischer Studierender<br />
an deutschen Hochschulen von jetzt knapp<br />
200 000 auf 300 000 steigern. Gleichzeitig<br />
wollen wir die Bedingungen für die Auswahl<br />
und Vorbereitung und vor allem den Studienerfolg<br />
und die Studienzufriedenheit unserer<br />
ausländischen Gäste verbessern.<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Qualität durch<br />
Internationalität<br />
Das neue Aktionsprogramm des <strong>DAAD</strong><br />
Von Prof. Stefan Hormuth<br />
Deutsche Studierende sind jetzt schon international<br />
mobiler als die meisten ihrer Kommilitonen<br />
in anderen Industrieländern. Sowohl für<br />
die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen<br />
als auch für die Zukunft unseres Landes sind<br />
Auslandserfahrungen extrem wichtig. Daher<br />
wollen wir die Zahl der deutschen Studierenden<br />
im Ausland von jetzt 75 000 auf 100 000<br />
pro Jahr steigern. Jeder zweite statt bisher jeder<br />
dritte Studierende soll im Laufe seines Studiums<br />
entweder zu Studiensemestern, Praktika,<br />
Sommerkursen oder einer Abschlussarbeit<br />
ins Ausland gehen.<br />
Wir wollen die deutschen Hochschulen weiter<br />
internationalisieren. Ein wichtiger Beitrag<br />
dazu ist, die Zahl ausländischer Hochschullehrer<br />
von jetzt 2 000 auf 4 000 zu steigern.<br />
Der <strong>DAAD</strong> setzt sich außerdem dafür ein,<br />
dass noch mehr deutsche Universitäten im<br />
Ausland entstehen; nach Ägypten, Jordanien<br />
und Kasachstan jetzt in der Türkei, Vietnam,<br />
Oman und Pakistan. Weltweit sollen Sprach-<br />
und Fachtests zur Vorbereitung auf ein Studium<br />
in Deutschland angeboten werden. Das<br />
so genannte „Forschungsmarketing“, also die<br />
Werbung um Forscher und die Ansiedlung<br />
von Forschungseinrichtungen in Deutschland,<br />
werden wir ausbauen.<br />
dIalog<br />
daad-Standpunkt<br />
Der deutschen Sprache und der wissenschaftlichen<br />
Beschäftigung mit Deutschland an<br />
ausländischen Hochschulen wollen wir mehr<br />
Gewicht verleihen: durch unser Lektorennetzwerk,<br />
neue Zentren für Deutschlandstudien<br />
und die weltweite Förderung von Partnerschaften<br />
zwischen Germanistik-Fachbereichen<br />
in Deutschland und in aller Welt.<br />
Beim Wettbewerb um Spitzenpositionen vergessen<br />
wir nicht die Mitverantwortung, die<br />
wir als reiche Industrienation gegenüber den<br />
Entwicklungsländern haben. Hierzu bauen<br />
wir ein weltweites Netz von Fachzentren an<br />
ausländischen Hochschulen auf, beginnend<br />
mit Afrika und Indien. Außerdem fördern wir<br />
entwicklungspolitische Exzellenzzentren an<br />
deutschen Hochschulen und möchten mehr<br />
Stipendien in Krisen- und Konfliktgebiete<br />
sowie für demokratieunterstützende Fächer<br />
vergeben.<br />
Diese ehrgeizigen Ziele fügen sich nahtlos<br />
in die im Februar 2008 vom Bundeskabinett<br />
beschlossene Strategie der Bundesregierung<br />
zur Internationalisierung von Wissenschaft<br />
und Forschung und in die neuen Konzepte des<br />
Auswärtigen Amtes zur Außenwissenschaftspolitik<br />
ein. Um unsere Ziele zu erreichen,<br />
sollte der <strong>DAAD</strong>-Etat in den nächsten vier<br />
Jahren von jetzt rund 300 auf 400 Mio. Euro<br />
wachsen. Erste Signale der Geldgeber zeigen,<br />
dass eine solche Steigerung im Rahmen des<br />
Möglichen liegt, wenn es uns weiter gelingt,<br />
bei Hochschulen, den politisch Verantwortlichen<br />
und in der Öffentlichkeit das Bewusstsein<br />
für die Bedeutung der Internationalisierung<br />
zu wecken.<br />
7
8 SpEKTrum<br />
US-Botschaft<br />
Rückkehr ans<br />
Brandenburger Tor<br />
63 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
ist die amerikanische Botschaft<br />
in Berlin an ihren historischen<br />
Standort nah beim Brandenburger<br />
Tor zurückgekehrt.<br />
Der Botschaftsneubau wurde am<br />
4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag,<br />
mit 4 500 Gästen<br />
und im Beisein von Alt-Präsident<br />
George Bush und Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel feierlich eröffnet.<br />
Das sandsteinfarbene Gebäude<br />
entstand nach einem Entwurf des<br />
kalifornischen Architekturbüros<br />
Moore Rubbell yudell und hat 130<br />
Millionen Dollar (83 Millionen<br />
Euro) gekostet. US-Botschafter<br />
William Timken und die 250 Botschaftsangestellten<br />
haben 14 000<br />
Quadratmeter Fläche mit Büros,<br />
Konferenz- und Ausstellungsräumen<br />
zur Verfügung.<br />
Das US-Botschaftsgebäude<br />
aus den 30er Jahren des vorigen<br />
Jahrhunderts wurde im Zweiten<br />
Weltkrieg schwer beschädigt und<br />
später von den DDR-Behörden<br />
abgerissen. Nach dem Bau der<br />
Berliner Mauer lag das Grundstück<br />
fast drei Jahrzehnte im so<br />
genannten Todesstreifen zwischen<br />
West- und Ostberlin. Der Neubau<br />
sollte ursprünglich Ende der 90er<br />
Jahre fertig sein, verzögerte sich<br />
aber wegen der von den Amerikanern<br />
gewünschten umfangreichen<br />
Sicherheitsvorkehrungen. Llo<br />
Militärgeschichte<br />
13 Bände Weltkrieg<br />
Das umfänglichste deutsche Forschungsprojekt<br />
zur Geschichte<br />
des Zweiten Weltkrieges ist fertiggestellt:<br />
Das Militärgeschichtliche<br />
Forschungsamt in Potsdam hat im<br />
Mai die beiden letzten Teilbände<br />
der Reihe „Das Deutsche Reich<br />
und der Zweite Weltkrieg“ publiziert.<br />
Sie handeln von den letzten<br />
Kriegswochen 1945 sowie den<br />
unmittelbaren Folgen der Kampfhandlungen.<br />
An dem Mammut-Projekt, das<br />
in der Deutschen Verlags-Anstalt<br />
München erschienen ist, waren<br />
insgesamt 67 Historiker beteiligt.<br />
Zwischen dem Erscheinungsdatum<br />
der ersten und der letzten<br />
Eröffnet: die neue amerikanische Botschaft in Berlin<br />
Bände liegen 29 Jahre. An den ersten<br />
Bänden – bereits jeweils 1 000<br />
Seiten dick – waren noch Historiker<br />
beteiligt, die selbst in der<br />
Hitler-Wehrmacht gedient hatten.<br />
CK<br />
Hessisches Archiv<br />
17 Millionen Nazi-Opfer<br />
dokumentiert<br />
Das weltweit größte Archiv mit<br />
Dokumenten über die Opfer des<br />
Hitler-Faschismus ist jetzt auch<br />
der Öffentlichkeit zugänglich. Das<br />
Archiv vom Internationalen Suchdienst<br />
des Roten Kreuzes (ITS) in<br />
der hessischen Kleinstadt Arolsen,<br />
in dem sich rund 50 Millionen Dokumente<br />
über etwa 17 Millionen<br />
Häftlinge der Konzentrationslager<br />
(KZ), Zwangsarbeiter und<br />
Verschleppte befinden, hat seine<br />
Benutzer-Ordnung grundlegend<br />
liberalisiert.<br />
Jahrzehntelang bekamen nur<br />
Verfolgte des Nazi-Regimes und<br />
deren Angehörige Einblick in persönliche<br />
Unterlagen. Nach umfangreichen<br />
Digitalisierungsarbeiten<br />
können nun auch Wissenschaftler<br />
die zahllosen Arbeitsbücher, Häft-<br />
Foto: picture-alliance/Schroewig<br />
lingskarteien, Meldelisten und<br />
Totenscheine auswerten. Nach<br />
Ansicht von Experten lässt sich<br />
damit zum Beispiel das Schicksal<br />
einzelner Häftlinge sowie der KZ-<br />
Aufseher noch genauer rekonstruieren.<br />
So gehört zu dem Archivgut in<br />
Arolsen auch der nahezu komplett<br />
erhaltene Aktenbestand aus<br />
den KZs Buchenwald und Dachau.<br />
Ebenso befindet sich dort das<br />
Original von „Schindlers Liste“ –<br />
die Namensliste jener jüdischen<br />
Häftlinge, die der Fabrikant Oskar<br />
Schindler zusammenstellen ließ,<br />
um ihnen das Leben zu retten.<br />
Die Einrichtung beschäftigt rund<br />
280 Mitarbeiter und wird von der<br />
Bundesregierung mit einem jährlichen<br />
Zuschuss in Höhe von 14<br />
Millionen Euro finanziert. CK<br />
Einbürgerungstest<br />
Mit 33 Fragen<br />
zum deutschen Pass<br />
Wer die deutsche Staatsbürgerschaft<br />
erwerben will, muss sich<br />
künftig einem Wissenstest stellen.<br />
Das Bundesinnenministerium<br />
hat eine Liste mit Musterfragen<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
entwickelt, die sich auf deutsche<br />
Lebensverhältnisse, Rechtsordnung<br />
und Geschichte beziehen.<br />
Vom 1. September an bekommen<br />
Antragsteller für einen deutschen<br />
Pass jeweils 33 per Zufallsprinzip<br />
ausgewählte Fragen vorgelegt –<br />
mit je vier vorgegebenen Antworten,<br />
unter denen sie die richtige<br />
ankreuzen müssen. Bestanden<br />
hat, wer bei mindestens 17 von 33<br />
Fragen richtig geantwortet hat.<br />
Erlebtes Meer:<br />
simulierte Ansicht der<br />
Walhalle im Ozeanum<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Grundvoraussetzung für den<br />
Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft<br />
ist ein mindestens<br />
acht Jahre langer Aufenthalt in<br />
der Bundesrepublik sowie eine<br />
straffreie Lebensführung. Der<br />
Test soll vor allem Kenntnisse in<br />
Politik und Geschichte überprüfen.<br />
Gefragt wird unter anderem<br />
nach dem Gründungsjahr der<br />
Bundesrepublik, den Befugnissen<br />
des Bundespräsidenten oder auch<br />
Abkürzungen wie CDU, DDR oder<br />
DGB. Nach Ansicht von Bundesinnenminister<br />
Wolfgang Schäuble<br />
ist der Test „leichter als eine Führerscheinprüfung“.Ausländer-Organisationen<br />
und Volkshochschulen<br />
bieten bereits Vorbereitungskurse<br />
an.<br />
Dennoch ist eine innenpolitische<br />
Debatte darüber entbrannt, ob der<br />
Schwierigkeitsgrad der Fragen<br />
angemessen ist. Um den Sinn der<br />
Fragen richtig zu erfassen, sind jedenfalls<br />
gute Grundkenntnisse in<br />
der deutschen Sprache unerlässlich.<br />
CK<br />
Informationen: www.bmi.bund.de<br />
Ozeanum<br />
Trockenen Fußes<br />
durchs Meer<br />
Wer wissen will, wie Meere funktionieren,<br />
findet im neuen „Ozeaneum“<br />
in Stralsund (Mecklenburg-<br />
Vorpommern) eine Top-Adresse.<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
eröffnete im Juli die ersten fertiggestellten<br />
Teile des über 60 Millionen<br />
Euro teuren Projekts, das<br />
dem Deutschen Meeresmuseum<br />
angegliedert ist.<br />
Die neue Ausstellung präsentiert<br />
drei große Bereiche: „Das Weltmeer“,<br />
„Die Ostsee“ und „Erforschung<br />
und Nutzung der Meere“.<br />
Insgesamt 39 Aquarien beherbergen<br />
mehr als 5000 Fische verschiedenster<br />
Art. Ein Höhepunkt:<br />
Hinter einem fünf mal zehn Meter<br />
großen Schaufenster ist das<br />
typische Schwarmfischverhalten<br />
von Heringen zu beobachten.<br />
In Zusammenarbeit mit Greenpeace<br />
entstand die große Walhalle:<br />
Im Angesicht originalgetreuer<br />
Nachbildungen der Meeres-Riesen<br />
kann man es sich in Liegestühlen<br />
bequem machen und Walgesän-<br />
SpEKTrum<br />
gen lauschen. Das Ozeaneum will<br />
jedoch mehr sein als ein riesiges<br />
Show-Aquarium. Es versteht sich<br />
als Ort der Bildung und Forschung<br />
über die Vielfalt und die labilen<br />
Zusammenhänge innerhalb der<br />
europäischen Kaltwassermeere. kj<br />
Informationen: www.ozeaneum.de<br />
Migrationswörter<br />
Tollpatsch mit Currywurst<br />
Die deutsche Sprache wird stetig<br />
„unterwandert“: So genannte „Migrationswörter“<br />
gehen unbemerkt<br />
in den alltäglichen Sprachgebrauch<br />
ein. Damit sind nicht nur<br />
Anglizismen wie Download oder<br />
Trainer gemeint, sondern auch Begriffe<br />
wie Chaos, Hängematte oder<br />
Techtelmechtel.<br />
Den vom Goethe-Institut und<br />
dem Deutschen Sprachrat ausgerufenen<br />
Wettbewerb um „das<br />
bes te eingewanderte Wort“ konnte<br />
Tollpatsch für sich entscheiden,<br />
ein Migrationswort mit ungarischem<br />
Hintergrund. Überzeugt<br />
wurde die Jury auch durch die<br />
originelle Begründung der Einsenderin:<br />
„Dieses Wort ist viele<br />
Kilometer gelaufen und hat Grenzen<br />
überwunden. ‚Talpas’ nannte<br />
man ungarische Fußsoldaten<br />
im 17. Jahrhundert. ‚Breitfüßig,<br />
schwerfällig’ war die Bedeutung<br />
des Spitznamens.“<br />
Currywurst errang den zweiten<br />
Platz. Begründung: „Ein Traumpaar:<br />
die urdeutsche ‚Wurst‘ lebt<br />
mit dem tamilischen ‚Curry‘ in<br />
glücklicher Ehe.“ Ein Beweis, dass<br />
Integration nicht Assimilation heißen<br />
muss. kj<br />
Die besten Einsendungen sind<br />
unter dem Titel „Eingewanderte<br />
Wörter“ als Buch im Hueber<br />
Verlag erschienen.<br />
www.hueber.de/eingewanderte-woerter<br />
9
10 TITEl 10 TITEl<br />
Fotos: Michael Rö hrich (li.)/ Liz Van Steenburgh (re) - Fotolia.com<br />
Obst und Gemüse kauft Claudia Krämer<br />
beim Biobauern auf dem Ökomarkt im<br />
Herzen von Köln, andere Nahrungsmittel besorgt<br />
sie ab und zu in einem kleinen Bioladen<br />
um die Ecke. „Seitdem es in der Nähe einen<br />
Biosupermarkt gibt, ernähren wir uns nur<br />
noch von Bioprodukten. Die Auswahl im Supermarkt,<br />
vor allem an frischem Fleisch und<br />
Käse, ist unschlagbar. Der Einkauf ist zwar<br />
teurer als in den Discountern, aber dafür ist<br />
alles viel gesünder und schmeckt besser“, sagt<br />
die Mutter von zwei Schulkindern. Sie liegt mit<br />
ihrem Verhalten voll im Trend. „Bio“ boomt in<br />
Deutschland, und das schon seit Jahren.<br />
Neben den traditionellen kleinen Bioläden<br />
gibt es inzwischen 450 Biosupermärkte, allein<br />
2007 eröffneten 80 neue Geschäfte. „Bio für<br />
alle“ lautet ihr Motto und zahlt sich aus: Der<br />
Umsatz mit den ökologisch erzeugten Lebensmitteln<br />
wächst zurzeit um 15 Prozent jährlich<br />
und ist bei einem Volumen von fünf Milliarden<br />
Euro (2007) angekommen. Damit ist Deutschland<br />
mit Abstand der größte Biomarkt Europas,<br />
gefolgt von Großbritannien, Italien und<br />
Frankreich. Auch die größte Biomesse weltweit<br />
findet in Deutschland statt: die BioFach<br />
in Nürnberg. Jedes Jahr treffen sich hier Ende<br />
Februar um die 2 800 Aussteller und 45 000<br />
Fachbesucher. Das Erfolgsrezept wird bereits<br />
exportiert: BioFach-Tochtermessen gibt es in<br />
Shanghai, Tokio, Boston und São Paulo.<br />
Bio für alle<br />
41 Prozent der Deutschen kaufen „häufig oder<br />
immer“ Biolebensmittel, wie aus einer Umfrage<br />
der Wirtschaftsberater Ernst & young<br />
hervorgeht. 82 Prozent der Befragten gaben<br />
an, dass sie Bioprodukte mit einer gesunden<br />
Ernährung verbinden. Obst und Gemüse aus<br />
ökologischem Anbau gelten als besonders<br />
vitaminreich und schadstoffarm. „Besonders<br />
vitaminreich – das stimmt so nicht“, dämpft<br />
Bernhard Watzl die Euphorie. Der Ernährungswissenschaftler<br />
vom Max Rubner-Institut in<br />
Karlsruhe hat erforscht, welche messbaren<br />
Vorteile Bio-Äpfel bringen. Ergebnis: Über den<br />
Gehalt an Vitaminen entscheiden vor allem die<br />
Sorte und das Anbaugebiet. Ob ökologischer<br />
oder konventioneller Anbau, bleibt sich fast<br />
gleich. Aber es lohne sich trotzdem, Bio-Äpfel<br />
zu kaufen, betont der Forscher, allein schon<br />
um die Umwelt vor Pestiziden zu schonen. Biolebensmittel<br />
enthalten zudem deutlich weniger<br />
Zusatzstoffe als konventionelle Produkte.<br />
Bio hin oder her – wie viel Obst und Gemüse<br />
essen die Deutschen überhaupt? „Fünf Portionen<br />
am Tag“, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft<br />
für Ernährung (DGE). Sie hat seit ihrer<br />
und<br />
Ernährung in Deutschland –<br />
zwischen zwischen Fastfood Fastfood und Biokost Biokost<br />
Sie essen zu süß und zu fett, ziehen viele Snacks den<br />
festen Mahlzeiten vor und werden immer dicker. Um das<br />
Essverhalten der Deutschen sorgen sich Ernährungswissenschaftler,<br />
und die Politik reagiert mit Aktionsplänen zur Aufklärung.<br />
Dabei steht eines außer Frage: Nirgendwo sonst auf der Welt sind Bioprodukte<br />
so begehrt wie in Deutschland.<br />
abSTraCT<br />
Curried sausage and<br />
organically grown fruit<br />
Eating habits in Germany<br />
Germans are firm believers in organic foods,<br />
and the number of shoppers who buy them<br />
is increasing steadily. In addition to numerous<br />
small health-food shops, there are 450<br />
health-food supermarkets nationwide. Their<br />
revenues are growing by 15 % annually, and<br />
Germany is the largest market for whole<br />
foods in Europe by a wide margin. And yet,<br />
Germans eat too much food, too many fatty<br />
foods, and too many sweets. The result: they<br />
are getting fat. More than two-thirds of the<br />
men and 51% of the women in Germany are<br />
overweight, and one in five Germans is obese.<br />
A new national campaign is encouraging<br />
people to ingest fewer calories and get more<br />
exercise; the food industry is fighting it, and<br />
continues to come up with newer and more<br />
unusual products all the time. From toaster<br />
cutlets to edible play-dough, 180,000 different<br />
items vie for consumers’ favour. In the<br />
midst of this abundance, the number of<br />
people who cannot afford to eat their fill is<br />
also rising steadily. Some 800,000 people<br />
depend on donated foodstuffs, collected and<br />
distributed by charitable organizations.<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
Gründung 1953 die Aufgabe, die Bevölkerung<br />
in Deutschland wissenschaftlich fundiert über<br />
eine gesundheitsfördernde Ernährung aufzuklären.<br />
„Dieses Maß wird nicht erreicht“,<br />
erklärt Peter Stehle, Präsident der DGE und<br />
Direktor des Instituts für Ernährungswissenschaft<br />
der Universität Bonn.<br />
Die Bio-Welle schützt nicht vor falscher Ernährung.<br />
So ist allen guten Ratschlägen zum<br />
Trotz in Kantinen das beliebteste Essen seit<br />
Jahren Schnitzel mit Pommes frites, gefolgt<br />
von Currywurst. „Die Deutschen essen zu viel,<br />
zu fett, zu süß“ – zu diesem Ergebnis kommt<br />
die „Nationale Verzehrstudie“. Die erste repräsentative<br />
Erhebung seit 20 Jahren stellt fest,<br />
wie die Deutschen sich ernähren. Im Auftrag<br />
des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft<br />
und Verbraucherschutz befragten<br />
Forscher des Max Rubner-Instituts 20 000<br />
Bundesbürger zwischen 14 und 80 Jahren. Die<br />
Deutschen gaben Auskunft über ihr Wissen<br />
rund um das Thema Ernährung, ihr Einkaufsverhalten<br />
und ihre Kochkünste. Sie wurden<br />
gewogen und gemessen – und für zu schwer<br />
befunden: Mehr als zwei Drittel der Männer<br />
und 51 Prozent der Frauen sind übergewichtig,<br />
jeder Fünfte ist fettleibig.<br />
Für Kinder gilt Ähnliches: In der Altersgruppe<br />
der 3- bis 17-Jährigen ermittelte das Robert<br />
Koch-Institut 15 Prozent Übergewichtige,<br />
weitere sechs Prozent leiden an Fettleibigkeit<br />
(medizinisch: Adipositas). Besonders betroffen<br />
sind Kinder und Jugendliche aus Familien<br />
mit niedrigem sozialen Status und niedriger<br />
Schulbildung. Dieser Zusammenhang trifft<br />
auch auf Erwachsene zu: Unter den Bürgern<br />
mit Hauptschulabschluss gibt es fast doppelt<br />
so viele Übergewichtige wie unter denjenigen<br />
mit Abitur.<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Werbeverbot für Süßigkeiten?<br />
Da Fettleibigkeit nicht nur ein Schönheitsproblem<br />
ist, sondern das Risiko steigert, an Diabetes,<br />
Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Krebs<br />
zu erkranken, hat Bundesernährungsminister<br />
Horst Seehofer im Juni 2008 einen „Nationalen<br />
Aktionsplan Ernährung“ ins Leben gerufen.<br />
Gemeinsam mit Gesundheitsministerin<br />
Ulla Schmidt will er bis 2020 durch Werbekampagnen<br />
für eine gesundheitsbewusstere<br />
Ernährung und mehr Bewegung sorgen und<br />
einheitliche Qualitätsstandards für das Essen<br />
in Kantinen festlegen. Der Aktionsplan „In<br />
Form“ empfiehlt außerdem den Verzicht auf<br />
Werbung für Süßigkeiten. In den kommenden<br />
drei Jahren haben beide Ministerien 30 Millionen<br />
Euro für die Aufklärungsarbeit eingeplant.<br />
An gesetzgeberische Maßnahmen zur Durchsetzung<br />
der Ziele ist allerdings ebenso wenig<br />
gedacht wie an ein Schulpflichtfach Ernährung.<br />
„So werden übergewichtige Kinder nicht<br />
erreicht“, sagte die Grünen-Politikerin Bärbel<br />
Höhn in den Medien. Die frühere Vorsitzende<br />
des Bundestagsausschusses für Ernährung,<br />
TITEl<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz fordert<br />
ein Werbeverbot für Süßigkeiten im Fernsehen<br />
am Nachmittag, sowie eine Ampel-Kennzeichnung<br />
von Lebensmitteln, bei der die Farben<br />
Rot, Gelb oder Grün zeigen, wie hoch der Anteil<br />
von Fett, Zucker oder Salz ist. So könnten<br />
die Verbraucher auf einen Blick sehen, ob zu<br />
viele Kalorien in einem Produkt sind.<br />
Diese Ampel-Kennzeichnung – in Großbritannien<br />
bereits eingeführt – stößt bei Wissenschaftlern<br />
auf Kritik. DGE-Präsident Peter<br />
Stehle hält wenig von der Bewertung. „Die<br />
Grenzwerte, wann ein Produkt einen roten,<br />
gelben oder grünen Punkt erhält, lassen sich<br />
wissenschaftlich nicht belegen. Eine objektive<br />
Aussage ist nicht möglich. Worum geht<br />
es? Wollen wir Diabetes, Übergewicht oder<br />
Osteoporose vermeiden? Je nachdem fallen<br />
die Einstufungen der Lebensmittel ganz unterschiedlich<br />
aus“, sagt der Ernährungswissenschaftler.<br />
Ein Schulfach Ernährung als na-<br />
Gemeinsame Mahlzeit in der Familie: Immer seltener sitzen alle an einem Tisch<br />
turwissenschaftliches Grundlagenfach, „wie<br />
Physik, Chemie oder Biologie“ befürwortet<br />
Peter Stehle dagegen, wenn es um nachhaltige<br />
Aufklärung gehen soll.<br />
Schnitzel zum Toasten<br />
Tatsächlich sind die Verlockungen in der Werbung<br />
und im Supermarkt übermächtig. Die<br />
Lebensmittelindustrie arbeitet ständig an neuen<br />
Kreationen, um ihren Umsatz zu steigern:<br />
180 000 verschiedene Produkte buhlen um die<br />
Aufmerksamkeit der Verbraucher, Tendenz<br />
weiter auf Seite 13<br />
Foto: Pixland/F1 ONLINE<br />
11
12 TITEl<br />
Gunther Hirschfelder vertritt an der Universität Bonn eine<br />
Professur für Kulturanthropologie/Volkskunde. Der Privatdozent<br />
erforscht die Ess- und Trinkgewohnheiten in Europa.<br />
Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik<br />
und Autor des Buchs „Europäische Esskultur. Geschichte<br />
der Ernährung in Europa von der Steinzeit bis heute“, das<br />
im Campus-Verlag erschien.<br />
Warum beschäftigen Sie sich als Historiker<br />
und Volkskundler mit der europäischen<br />
Esskultur?<br />
Bereits als Schüler habe ich viele Fernreisen<br />
innerhalb und außerhalb Europas<br />
unternommen und dabei die fremden Länder<br />
auf dem Teller wahrgenommen. Diese<br />
wichtige Erfahrung bei Tisch hat sich zu<br />
einem wissenschaftlichen Interesse weiterentwickelt.<br />
Die Ernährungsweise des<br />
Menschen ist nicht biologisch vorgegeben,<br />
sondern kulturell beeinflusst. Das betrifft<br />
die Auswahl, die Wertschätzung und die<br />
Ablehnung von Nahrungsmitteln. Essen und<br />
Trinken zählen somit zu den besten Indikatoren,<br />
kulturelle Kontexte zu erschließen.<br />
Stimmt das auch heute?<br />
Nicht mehr so eindeutig wie früher. Wir<br />
befinden uns in Deutschland in einer Übergangsphase.<br />
Was wir essen, hängt heute<br />
weniger von einer Gruppe ab, als vielmehr<br />
von unserem Lebensstil. Vor 50 Jahren hat<br />
sich ein Industriearbeiter aus dem Ruhrgebiet<br />
24 Stunden täglich als solcher verhalten<br />
und auch so gegessen. Heute vermischen<br />
sich die Lebensstile, wir agieren nicht<br />
mehr bürgerlich oder proletarisch. Zum<br />
Beispiel hat die Konsumentengruppe der<br />
LOHAS – das steht für Life Style of Health<br />
and Sustainability – ein ausgeprägtes ökologisches<br />
Bewusstsein und ernährt sich<br />
entsprechend, greift aber unter dem Zeit-<br />
und Mobilitätsdiktat auch zu Fastfood.<br />
Was hat sich an der Esskultur in<br />
Deutschland in der letzten Generation<br />
verändert?<br />
Das Essen außer Haus hat extrem zugenommen,<br />
und es gibt wesentlich mehr<br />
Fertiggerichte und Halbfertiggerichte in den<br />
Supermärkten zu kaufen. Damit geht einher,<br />
dass die unter 30-Jährigen kaum noch<br />
kochen können. Wie man einen Schweinebraten<br />
zubereitet oder ein Schnitzel brät,<br />
gerät in Vergessenheit. Die Küche unterteilt<br />
sich heute in die schnelle Versorgungs-<br />
„Einen Coffee to go, bitte!”<br />
Interview mit dem<br />
Bonner Kulturwissenschaftler<br />
Gunther Hirschfelder<br />
küche im Alltag und die Erlebnisküche zu<br />
besonderen Anlässen. Kochen wird zur<br />
Freizeitgestaltung mit Eventcharakter. Beispiele<br />
sind Sonntagsbraten, Grillabende oder<br />
Plätzchenbacken in der Weihnachtszeit.<br />
Ein anderer Wandel betrifft das Essen auf<br />
der Straße. Noch in den 50er und 60er<br />
Jahren war es absolut verpönt, draußen im<br />
Gehen zu essen. Man hat es einfach nicht<br />
getan. Heute ist die „To-go-Welle“ auf dem<br />
Höhepunkt. Diesem Trend ging eine lange<br />
Entwicklung voraus: Auslöser war der<br />
Normwandel nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />
In Deutschland stationierte amerikanische<br />
Soldaten brachten nicht nur neue Kleidung<br />
und Musik mit, sondern auch andere Ess-<br />
und Trinkgewohnheiten. Sie bereiteten den<br />
Boden für die Snack-Kultur. Traditionen<br />
ändern sich aber nicht so schnell: Erst 1971<br />
eröffnete die Fastfood-Kette McDonald’s eine<br />
Filiale in München, Burger King folgte 1976<br />
in Berlin. Beide Ketten haben übrigens ziemlich<br />
lange in Deutschland Verluste gemacht.<br />
Hat das Essen in Deutschland im<br />
europäischen Vergleich einen geringen<br />
Stellenwert?<br />
Es gibt kein Industrieland auf der Welt, wo<br />
so wenig Geld für Essen und Trinken aus-<br />
gegeben wird wie in Deutschland. Während<br />
Franzosen oder Italiener 23 bis 24 Prozent<br />
ihres verfügbaren Einkommens in Nahrungsmittel<br />
und Getränke investieren, belasten<br />
Deutsche ihr Budget nur mit 13 Prozent.<br />
Aber deutsche Nahrungsmittel und Getränke<br />
sind besser als ihr Ruf. Weine von Mosel<br />
und Rhein zählen heute zu den beliebtesten<br />
und teuersten weltweit. Für regionale Weine<br />
haben wir ein hohes Qualitätsbewusstsein,<br />
beim Essen müssen wir noch nachziehen.<br />
So können junge urbane Deutsche leicht<br />
zehn französische Käsesorten aufzählen,<br />
aber kaum einer kennt ebenso viele deutsche<br />
Wurstsorten oder ist sogar stolz auf<br />
diese Vielfalt. Die mangelnde Akzeptanz<br />
ist ein Kulturmuster, das ebenfalls nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg einsetzte und die<br />
Abkehr von allem Deutschen forderte. Traditionen<br />
galten als altmodisch und belastet.<br />
Die Deutschen investieren dagegen in ihre<br />
Ausrüstung: Möglichst billige Lebensmittel<br />
bereiten sie mit den teuersten Herden, Töpfen<br />
und Messern der Welt zu. Allerdings<br />
setzt langsam ein Wandel von „nur billig“<br />
zu „mehr Qualität“ ein und Verbraucher<br />
besinnen sich auf regionale Produkte. Darüber<br />
freue ich mich, denn was aus der<br />
Region kommt und zur Jahreszeit passt,<br />
ist gesünder, schmeckt besser und gibt<br />
mehr Identität als gesichtsloses Essen, das<br />
um die halbe Welt transportiert wird.<br />
Das Interview führte Katja Spross<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: privat
Fortsetzung von Seite 11<br />
weiter steigend. Auf der größten internationalen<br />
Nahrungsmittelmesse, der Anuga in<br />
Köln, und der weltgrößten Verbraucherschau<br />
für Ernährung, der Grünen Woche in Berlin,<br />
gibt es nichts, was es nicht gibt: Essknete,<br />
Schnitzel zum Toasten, Softdrinks aus Brennnesseln,<br />
Nudeln in Form von Comic-Helden,<br />
Sojasprühsahne. Vor allem die Grüne Woche<br />
ist ein gigantischer Testmarkt: Was dort die<br />
425 000 Besucher gutheißen, bleibt auch woanders<br />
nicht im Regal liegen.<br />
Erst Spenden machen satt<br />
Bei so viel Übergewicht und der schier unendlichen<br />
Auswahl an Lebensmitteln fällt<br />
es schwer zu glauben, dass es im reichen<br />
Deutschland Menschen gibt, die nicht genug<br />
zu essen haben. Der sichtbare Beweis dafür<br />
sind die „Tafeln“. Sie funktionieren nach einem<br />
einfachen Prinzip: Unternehmen spenden Lebensmittel,<br />
die nicht mehr verkauft werden<br />
können, weil ihr Haltbarkeitsdatum abläuft<br />
oder sie am nächsten Tag nicht mehr frisch<br />
sind. Sie werden von den ehrenamtlichen Helfern<br />
der Tafeln an Bedürftige verteilt.<br />
Waren es zu Beginn meist Obdachlose, so<br />
sind es heute auch Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende<br />
und Rentner. Vor 15 Jahren<br />
eröffnete die erste Tafel in Berlin, heute unterstützen<br />
785 Tafeln in ganz Deutschland täglich<br />
800 000 Menschen mit gespendeten Lebensmitteln.<br />
Der Verein „Deutsche Tafel“ rechnet<br />
mit einem weiteren Anstieg der Nachfrage,<br />
denn die Kluft zwischen Arm und Reich geht<br />
in Deutschland weiter auseinander. Dies hat<br />
der Armutsbericht der Bundesregierung im<br />
Mai 2008 erneut bestätigt.<br />
Während bei den einen angesichts der stark<br />
steigenden Lebensmittelpreise häufig das Geld<br />
nicht reicht, um satt zu werden, geht es den anderen<br />
vor allem darum, Zeit zu sparen. Kaum<br />
noch jemand investiert mehrere Stunden am<br />
Tag, um aufwändig zu kochen. Kein Wunder<br />
also, dass hierzulande zwei Drittel aller Kunden<br />
regelmäßig zu Fertigprodukten oder halbfertigen,<br />
vorbereiteten Mahlzeiten greifen:<br />
Reis, der in wenigen Minuten in der Mikrowelle<br />
gart, oder fertig verpackter, frisch geschnittener<br />
Salat. So genanntes „Convenience Food“<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
findet sich immer öfter und in immer neuen<br />
Variationen in den Supermärkten.<br />
Auch die Mahlzeiten in der Familie passen<br />
sich den veränderten Lebensgewohnheiten<br />
an. Wenn überhaupt, dann finden Familien<br />
abends Zeit, gemeinsam zu essen: Die traditionelle<br />
deutsche Hauptmahlzeit hat sich vom<br />
Mittag auf den Abend verschoben. Und das<br />
klassische deutsche Frühstück mit einer Auswahl<br />
an Brot und Brötchen, mit Wurst, Käse<br />
und Marmelade wird während der Woche<br />
durch ein Frühstück amerikanischer Art abgelöst,<br />
also Müsli oder Cornflakes mit Milch.<br />
Tatsächlich essen Familienmitglieder<br />
immer öfter zeitversetzt. Das<br />
leiste der Fehlernährung ebenfalls<br />
Vorschub, meint Gunther Hirschfelder,<br />
Privatdozent für Volkskunde<br />
an der Universität Bonn. „Der chronologische<br />
Mahlzeitenablauf und<br />
die soziale Kontrolle fallen weg.<br />
Menschen nehmen pro Tag nicht<br />
drei oder vier Mahlzeiten zu sich,<br />
sondern acht oder zehn Snacks<br />
im Vorbeigehen. Sie haben keinen<br />
Überblick über die Menge, die sie<br />
verzehren“, sagt der Wissenschaftler<br />
(siehe Interview Seite 12).<br />
Und mehr als das: Das Gemeinschaftsgefühl,<br />
die sozialisierende<br />
Kraft des gemeinsamen Essens und<br />
Trinkens geht verloren. Denn längst<br />
steht fest, dass Essen über die reine<br />
Nahrungsaufnahme hinaus andere<br />
Funktionen erfüllt. Essen ruft das<br />
Gefühl der Zugehörigkeit hervor.<br />
Die Sehnsucht nach vertrauten<br />
Gerichten kennt jeder, der längere<br />
Zeit im Ausland war. „Essen gehört<br />
zu dem, was Menschen Trost<br />
spenden, Geborgenheit und Sicherheit<br />
vermitteln kann wie kaum ein<br />
Wort“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin<br />
Barbara Methfessel<br />
von der Pädagogischen Hochschule<br />
Heidelberg. Ob Bio oder konventionell<br />
– das spielt in diesem Zusammenhang<br />
keine große Rolle.<br />
Katja Spross<br />
Foto: Reiner Zensen<br />
TITEl<br />
Kaffee und Snack schnell zwischendurch –<br />
keine Zeit mehr für Genuss<br />
13
14<br />
hoChSChulE<br />
abschied vom<br />
Vollzeit-Studenten<br />
In Sachen Weiterbildung sind deutsche Hochschulen noch zögerlich<br />
Was in anderen Ländern selbstverständlich zum Profil und in die Lehrpläne von Hochschulen<br />
gehört, fristet in Deutschland immer noch ein Schattendasein, auch wenn zunehmend<br />
mehr Licht einfällt: die wissenschaftliche Weiterbildung.<br />
Dabei ist der Bedarf an mehr Bildung gerade<br />
bei berufstätigen Akademikern hoch.<br />
Deutsche Unternehmen investieren jährlich<br />
Milliarden von Euro in das wachsende Knowhow<br />
ihrer Mitarbeiter. Doch dieses Geld fließt<br />
vor allem in die Kassen privater Akademien<br />
und Business Schools. Hochschulen mit berufsbegleitenden<br />
Angeboten sind bislang in<br />
der Minderheit. In Kürze will die Deutsche<br />
Universität für Weiterbildung, ein gemeinsames<br />
Unternehmen von Hochschule und<br />
Wirtschaft, in Berlin an den Start gehen.<br />
Warum ist Weiterbildung ein Randthema,<br />
obwohl sie – gleichberechtigt neben Forschung<br />
und Lehre – zu den gesetzlich verankerten<br />
Kernaufgaben der Hochschule zählt?<br />
Überspitzt könnte die Antwort lauten: Mit<br />
Weiterbildung ist weder Karriere noch sicher<br />
viel Geld zu machen. Sie ist eher lästig und<br />
eine Gefahr für das wissenschaftliche Niveau.<br />
„Diese Kernaufgabe ist nicht institutionell in<br />
der Hochschule verankert, keiner fühlt sich<br />
verantwortlich“, beobachtet Professorin Anke<br />
Hanft.<br />
Die Weiterbildungsexpertin an der Universität<br />
Oldenburg, an der bereits neun berufsbegleitende<br />
Studienprogramme angeboten werden,<br />
hat Einblick in die entsprechenden Aktivitäten<br />
von Hochschulen in den USA, Finnland,<br />
Frankreich, Großbritannien, Österreich<br />
und Deutschland. In ihrer internationalen<br />
Vergleichsstudie – im Auftrag des Bundesbildungsministeriums<br />
– fand sie Folgendes heraus:<br />
Im Fokus deutscher Hochschulen steht<br />
weiterhin der Vollzeit-Student, auch wenn<br />
dieser Typus längst im Schwinden ist. Rund<br />
zwei Drittel der Studierenden arbeiten neben<br />
Vorlesung und Seminar; Berufstätigkeit und<br />
Bildung vermischen sich immer stärker. „Diese<br />
veränderte Realität wird im Ausland längst<br />
zur Kenntnis genommen und schlägt sich dort<br />
in den Strukturen nieder“, sagt Anke Hanft.<br />
Konkret: Die Grenzen zwischen grundständiger<br />
Bildung, Weiterbildung und beruflicher<br />
Bildung sind fließend. Bachelor- und Masterstudiengänge<br />
bilden ein lukratives Geschäftsfeld<br />
der wissenschaftlichen Weiterbildung.<br />
Hochschulen werben jenseits der traditionellen<br />
Klientel „Abiturient“ um neue Zielgruppen<br />
unter den Berufstätigen. In den USA machen<br />
letztere bereits 84 Prozent aller Studierenden<br />
aus. Beispiel Harvard: Dort übersteigt<br />
die Zahl der Teilnehmer von Weiterbildungsangeboten<br />
inzwischen die Zahl normaler<br />
Studierender. „Während deutsche Hochschulen<br />
vielfach eher als One-Stop-Unis agieren,<br />
haben ausländische Hochschulsysteme ihre<br />
Strukturen auf ein Lernen im Lebensverlauf<br />
eingestellt“, so die Oldenburger Professorin.<br />
Darüber hinaus sind diese eng mit anderen<br />
Bildungsträgern vernetzt und gehen gezielt<br />
auf die Wirtschaft zu, um maßgeschneiderte<br />
Leistungen anzubieten.<br />
Kommunikation mangelhaft<br />
Genau hieran hapert es in deutschen Hochschulen.<br />
Kommunikation mit der Berufswelt<br />
– mangelhaft. Das meint Professor Bernd Wagner<br />
von der Universität Augsburg, die sich früh<br />
als erste deutsche Hochschule für Weiterbildung<br />
stark machte. „Weiterbildung muss Dialog<br />
sein. Die Praxis lernt aus der Wissenschaft<br />
und die Wissenschaft aus der Praxis“, betont<br />
der Mitbegründer und langjährige Leiter des<br />
dortigen Zentrums für Weiterbildung und Wissenstransfer.<br />
„Wirtschaftswissenschaftler beispielsweise<br />
müssen doch wissen, mit welchen<br />
Problemen sich Manager herumschlagen.“ Im<br />
Dialog entstehen Kontakte und Netzwerke, es<br />
stellen sich neue Forschungsfragen, und es erwachsen<br />
Kooperationen; nicht zuletzt bleibt<br />
die berechtigte Hoffnung auf mehr Geld, so<br />
Bernd Wagner.<br />
Ursachen für die nicht nur sprachliche Entfremdung<br />
zwischen Wissenschaft und Praxis<br />
sieht der Augsburger Fachmann vor allem in<br />
den gängigen wissenschaftlichen Karriere-<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
mustern: Da werden Forschungsleistungen<br />
und lange Publikationslisten belohnt, aber<br />
nicht das Engagement im Austausch mit der<br />
Praxis oder gar in der Weiterbildung. Die Parameter<br />
müssen erweitert, neue Anreize geschaffen<br />
werden, betont Bernd Wagner: etwa<br />
durch zusätzliche finanzielle Honorierung,<br />
als weiteres Kriterium bei Berufungen, durch<br />
Schaffung von Stellen und Professuren mit<br />
Schwerpunkt Weiterbildung.<br />
Standesdünkel überwinden<br />
Vielleicht muss der demografisch bedingte<br />
Druck auf deutsche Hochschulen noch weiter<br />
steigen, ehe sie Weiterbildung als Kerngeschäft<br />
ernst nehmen und in ihrer Politik fest<br />
verankern. Mittelfristig wird die Zahl der jungen<br />
Erststudierenden sinken, und der Mangel<br />
an Fachkräften bringt schon jetzt viele Unternehmen<br />
in Schwierigkeiten. Mit einer gro ßen<br />
Qualifizierungsinitiative will die Bundesregierung<br />
mehr Berufstätige mit Ausbildung,<br />
aber ohne Abitur zum Studium und zur Weiterbildung<br />
ermuntern. Das Hochschulsystem<br />
soll durchlässiger werden, ein Ziel, das die<br />
Arbeitgeberverbände seit längerem fordern:<br />
„Der weitverbreitete Standesdünkel muss<br />
Küss mich – und du wirst<br />
zur märchenprinzessin<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
überwunden werden.“ Einige Hochschulen<br />
arbeiten bereits daran, berufliche Qualifikationen<br />
und Leistungen in Credit Points umzurechnen,<br />
ein Verfahren, das im Ausland gang<br />
und gäbe ist.<br />
Eine Chance für den massiven Ausbau der<br />
wissenschaftlichen Weiterbildung ist der Bologna-Prozess,<br />
die Umstellung auf europaweit<br />
anerkannte Bachelor- und Masterstudiengänge<br />
– so die Ansicht von Hochschulrektorenkonferenz,<br />
Industrie und Arbeitgeberverbänden.<br />
Zum Jahresanfang legten sie gemeinsam einen<br />
7-Punkte-Plan vor, um das unterschätzte<br />
Potenzial der Weiterbildung aufzudecken.<br />
15 Prozent der deutschen Masterstudiengänge<br />
zielen auf Weiterbildung, im internationalen<br />
Vergleich zu wenig. In Finnland beispielsweise<br />
hat die Zahl der Erwachsenen, die sich an<br />
der Hochschule weiterqualifizieren, die Zahl<br />
der Bachelorstudierenden um ein Drittel überrundet.<br />
Gemeinsam an den Start<br />
Während bisher vor allem private Anbieter<br />
den deutschen Weiterbildungsmarkt gestalten,<br />
gehen die Freie Universität Berlin (FU)<br />
als staatlich finanzierter Partner und der<br />
Bildungskonzern Klett Gruppe als privater<br />
Partner mit einem gemeinsam gegründeten<br />
Unternehmen, das ihnen zu gleichen Teilen<br />
gehört, an den Start: Die Deutsche Universität<br />
für Weiterbildung (DUW) in Berlin. „Das<br />
Beste aus zwei Welten“ verspricht der künftige<br />
Kanzler, Dr. Udo Thelen, wenn sich eine<br />
international renommierte Exzellenz-Universität<br />
und ein europaweit als Marktführer agierender<br />
Bildungskonzern zusammentun. Beide<br />
Partner ziehen daraus Gewinn, so Udo Thelen,<br />
der auch Geschäftsführer der Trägergesellschaft<br />
ist: Die FU Berlin erhält zusätzliche<br />
Kompetenz im Management privater Hochschulstrukturen,<br />
im Aufbau und Betrieb von<br />
Lehr- und Lernlogistik, in der Beratung und<br />
Zeichnung: Götz Wiedenroth<br />
abSTraCT<br />
hoChSChulE 15<br />
No More One-Stop Students<br />
German companies invest billions of euros<br />
every year in the expertise of their employees.<br />
But most of this money flows directly into the<br />
tills of private academies and business schools.<br />
German colleges and universities that offer<br />
programs for working people are still in the<br />
minority. While many of them act as one-stop<br />
schools, institutes of higher learning in other<br />
countries have adapted their systems to life-long<br />
learning and have a number of programs that<br />
are tailored to the business sector. In Germany,<br />
on the other hand, conventional career patterns<br />
are still the rule: research work and long publication<br />
lists are rewarded, but active involvement<br />
in practical work or in training are not.<br />
The government has introduced a large-scale<br />
qualification program for encouraging workers<br />
to study or continue training. The Bologna<br />
accord, aimed at standardizing master’s and<br />
bachelor’s degrees throughout Europe, is an<br />
opportunity for massive expansion of adult<br />
education in science. At least, so say the German<br />
Rectors’ Conference and many others in<br />
industry and employers’ associations; together<br />
they have developed a 7-point plan for mining<br />
the untapped potential benefits of continuing<br />
education. The Berlin University for Professional<br />
Studies, a joint effort by higher education<br />
and industry, will be opening in the near future.<br />
Betreuung von Kunden, in Vertrieb und Marketing.<br />
Die Klett Gruppe kann mit einem anerkannten<br />
Exzellenzpartner die akademische<br />
Qualität der Lehr- und Forschungsaktivitäten<br />
an der DUW sichern.<br />
Die DUW ist als private wissenschaftliche<br />
Hochschule staatlich anerkannt, sie hat somit<br />
Promotionsrecht und kann Professoren berufen.<br />
Im Herbst 2009 soll es mit berufsbegleitenden<br />
Masterstudiengängen in Bildungs-,<br />
Sozial- und Wirtschaftswissenschaften/Management<br />
losgehen. „In der Ausbaustufe der<br />
Hochschulentwicklung werden wir bis zu 30<br />
Studiengänge, Promotionsprogramme und Zertifikatskurse<br />
für 5 000 Studierende anbieten“,<br />
erläutert Udo Thelen. Die DUW kombiniert<br />
Elemente des Präsenzstudiums im In- und<br />
Ausland mit solchen des Fernstudiums unter<br />
Einsatz elektronisch vermittelter Lernphasen.<br />
Auch auf dem internationalen Bildungsmarkt<br />
will die DUW präsent sein. Wer in Sachen<br />
Weiterbildung erfolgreich sein will, so Thelen,<br />
muss auf Folgendes achten: „Wissenschaftliche<br />
Qualität bei größtmöglicher Marktnähe,<br />
Betreuungs- und Marketingkompetenz – und<br />
Kundenorientierung, Kundenorientierung,<br />
Kundenorientierung.“ Uschi Heidel
16<br />
hoChSChulE<br />
neues vom Campus<br />
Berlin<br />
Shakespeare an der Spree<br />
Shakespeare-Aufführungen in einem speziell<br />
dafür konstruierten Theaterbau – das soll es<br />
bald auch in Berlin geben. Vorbild ist das historische<br />
Londoner Globe-Theatre aus dem Jahr<br />
1599, das in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />
am Ufer der Themse rekonstruiert<br />
und 1997 neu eröffnet wurde. Die Pläne für<br />
das Berliner Theater wurden von Architekturstudenten<br />
der Technischen Universität Berlin<br />
(TU) erarbeitet. Eine hochkarätige Jury um<br />
den Stuttgarter Star-Architekten Jörg Schlaich<br />
wählte jetzt aus den Entwürfen zunächst vier<br />
aus.<br />
Aufgabe war es, „die atmosphärischen Qualitäten<br />
und räumlichen Besonderheiten des<br />
Londoner Globe Theatre in einer zeitgemäßen<br />
Interpretation aufzunehmen. „Eine wichtige<br />
Vorgabe war, Nähe zwischen den rund 500<br />
Zuschauern und den Schauspielern herzustellen.<br />
Zudem soll das Gebäude „mobil” sein, also<br />
möglichst schnell auf- und abbaubar. „Ein Problem<br />
war natürlich auch, dass die Entwürfe<br />
sehr preiswert zu realisieren sein müssen”,<br />
sagt TU-Studiendekanin Birgit M. Klauck, die<br />
die Arbeit an den Modellen im Rahmen eines<br />
Seminars begleitete.<br />
Die vier studentischen Sieger-Teams haben<br />
sich am historischen Vorbild orientiert, aber<br />
die Erfordernisse moderner Theaterarbeit und<br />
den künftigen Standplatz an der Spree mit einbezogen.<br />
Die Entscheidung über die Entwürfe,<br />
die nach Anregungen der Juroren überarbeitet<br />
werden, fällt noch in diesem Sommer. Der<br />
spektakuläre Theater-Bau soll dann an exponierter<br />
Stelle in Berlin realisiert werden – im<br />
neuen „Park an der Spree” in der Mühlenstraße.<br />
Er wird wohl nicht lange leer stehen, denn<br />
Fotos: Schapowalow/Robert Harding (li), Ilona Dehn/Fotostudio der TU Berlin (re)<br />
die Berliner Shakespeare-Company, seit einigen<br />
Jahren in Berlin und darüber hinaus tätig,<br />
wartet bereits auf die neue Spielstätte. ors<br />
Informationen:<br />
www.a.tu-berlin.de/innenraum<br />
Münster<br />
Krankenhaus für Simulanten<br />
Das im Herbst 2007 eröffnete Studienhospital<br />
im westfälischen Münster ist in seiner Art<br />
bislang einmalig. Hier trainieren Studierende<br />
der Medizin ihre praktischen und kommunikativen<br />
Kenntnisse am „lebenden Objekt“. In<br />
dem für rund 450 000 Euro errichteten „Krankenhaus“<br />
ist alles echt: die medizinischen<br />
Geräte, höhenverstellbare Betten, Krankenhausbeleuchtung,<br />
der Geruch nach Desinfektionsmittel<br />
–, nur die Patienten nicht. Bei ihnen<br />
handelt es sich um Schauspieler, die zwar im<br />
originalgetreuen Krankenhauspyjama stecken,<br />
aber ihre speziellen Krankheitsbilder<br />
nur einstudiert haben.<br />
An ihnen testen die Studierenden ihre praktischen<br />
Fähigkeiten: Ein ängstlicher Patient<br />
muss nach einem schwierigen Eingriff beruhigt<br />
werden, bei einem Notfallpatienten soll<br />
trotz starker Schmerzen eine Anamnese erhoben<br />
werden – Übungen, die ganz nah am<br />
Klinikalltag sind. Dank der detailgetreuen<br />
Einrichtung und Ausstattung des Hospitals<br />
lässt sich hier jede Arbeitssituation realistisch<br />
simulieren: vom Blutdruckmessen über Ultraschalluntersuchungen<br />
bis zu komplizierten<br />
Operationstechniken an lebensgroßen Puppen.<br />
Durch verspiegelte Fenster verfolgen und<br />
beurteilen Professoren und Mitstudierende<br />
die Übungen. Eine Kamera am Kopfende des<br />
Bettes filmt das Geschehen aus der Perspek-<br />
Das Globe Theatre in London (links) und ein Entwurf für Berlin<br />
Foto: WWU<br />
tive des Patienten. Die Aufnahmen ermöglichen<br />
anschließend eine Selbstkritik der angehenden<br />
Ärzte. Die Einbettung des Lernens<br />
in die konkrete praktische Situation steigert<br />
den Lernerfolg der Studierenden deutlich. Das<br />
neuartige Konzept des Studienhospitals soll<br />
dem oft beklagten Mangel an Praxisbezug im<br />
Medizinstudium entgegenwirken. kj<br />
Ärztliche Visite unter Beobachtung<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
Dresden<br />
Akzentfreies Deutsch<br />
Wie bitte, was haben Sie gerade gesagt? Selbst<br />
Ausländer, die in deutscher Grammatik nahezu<br />
perfekt sind und über einen reichen Wortschatz<br />
verfügen, erleben gelegentlich frustrierende<br />
Überraschungen, weil ihr starker Akzent<br />
die Kommunikation mit Deutschen trübt<br />
oder sogar negative Reaktionen auslöst.<br />
An der Universität Dresden ist nun am „Institut<br />
für Akustik und Sprachkommunikation”<br />
ein Computerprogramm entwickelt worden,<br />
das Ausländern zu einem vielleicht nicht ganz<br />
akzentfreien, aber doch immerhin akzentarmen<br />
Deutsch verhelfen soll. Das Prinzip von<br />
AZAR (Apparatur zur Akzentreduzierung)<br />
ist es, Akzentfehler per Spracherkennung zu<br />
identifizieren und dem Schüler eine gezielte<br />
Rückmeldung über die korrekte Aussprache<br />
zu geben. Die Worte des Schülers werden<br />
dabei von der Software analysiert; es gibt gezielte<br />
Übungsanweisungen, welcher Teil des<br />
Gesprochenen sich wie anhören soll. Ein typisches<br />
Problem für russischsprachige Menschen<br />
ist etwa die Länge der Vokale, die mit<br />
AZAR gezielt auf das deutsche Maß gebracht<br />
werden können.<br />
Als Ergebnis kommt ein „Standarddeutsch”<br />
heraus, sagt Projektleiter Professor Rüdiger<br />
Hoffmann, der lachend eingesteht, selbst<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
von einer „akzentbelasteten” Herkunft – er<br />
stammt aus Sachsen – geprägt zu sein. Theoretisch<br />
könnte auch ein Schwabe oder Sachse<br />
mit einem adaptieren AZAR-Programm seinen<br />
Dialekt loswerden. Doch das ist nicht das Ziel<br />
des Projektes.<br />
Als Prototyp ist zunächst ein Programm für<br />
Russlanddeutsche entwickelt worden. Erste<br />
Im netz<br />
Die älteste Bibelhandschrift der<br />
Welt ist jetzt – in einem ersten<br />
Teilabschnitt – für jedermann im Internet<br />
zugänglich. In einer einmaligen<br />
Kooperation zwischen der Universitätsbibliothek<br />
Leipzig, der British<br />
Library, dem Katharinenkloster auf<br />
dem Sinai und der Russischen Nationalbibliothek<br />
in St. Petersburg sollen<br />
bis Juli 2009 alle erhaltenen 800 Seiten<br />
und über 40 Fragmente der nach<br />
heutigem Wissen ältesten erhaltenen<br />
Bibel mit vollständigem Neuen Testament<br />
digitalisiert und öffentlich zugänglich<br />
gemacht werden. Unter www.<br />
codex-sinaiticus.net sind die hochaufgelösten<br />
Fotografien der Handschriften in<br />
verschiedenen Ansichten abrufbar.<br />
Teil einer Manuskriptseite aus der<br />
1600 Jahre alten Bibel<br />
Abb.: www.codex-sinaiticus.net<br />
Als Forum für die Diskussion über die Rolle<br />
der Geisteswissenschaften in der globalisierten<br />
Welt versteht sich die Internetplattform<br />
www.internationale-geisteswissenschaften.de. Sie<br />
wurde mit Unterstützung des <strong>DAAD</strong> und des<br />
„International Graduate Center for the Study<br />
of Culture“ (GCSC) der Universität Gießen von<br />
internationalen Doktoranden der Geisteswissenschaften<br />
entwickelt und bietet Informationen<br />
über die Prozesse von Internationalität/<br />
Interkulturalität, umfassende Tagungsdokumentationen<br />
sowie Austausch und Networking<br />
für Geisteswissenschaftler. Unter der<br />
Rubrik „Wissenschaftlerprofile“ besteht die<br />
Möglichkeit für einen persönlichen Webauftritt<br />
der Teilnehmer.<br />
Ein gemeinsam vom <strong>DAAD</strong> und der DFG<br />
(Deutsche Forschungsgemeinschaft) entwickeltes<br />
neues Internetangebot, der Research<br />
Explorer, präsentiert systematische und umfassende<br />
Informationen zu deutschen For-<br />
hoChSChulE 17<br />
Erfahrungen im Unterrichts-Alltag erscheinen<br />
positiv. Die Methode ist auch auf andere Sprachen<br />
übertragbar. Als nächstes steht, gefördert<br />
aus Mitteln der Europäischen Union, die Entwicklung<br />
von Programmen an, die den Akzent<br />
von Polen, Briten, Slowaken und Tschechen<br />
bei der Verwendung der deutschen Sprache<br />
glätten sollen. ors<br />
schungseinrichtungen. Interessenten gelangen<br />
unter www.daad.de/research-explorer oder www.dfg.<br />
de/research-explorer kostenlos in englischer und<br />
deutscher Sprache zu Kontaktdaten von über<br />
17 000 in- und außeruniversitären Instituten<br />
aller Art. Drei verschiedene Zugangswege erleichtern<br />
die Recherche: Es kann nach einem<br />
bestimmten Fachgebiet gesucht werden, nach<br />
Einrichtungen an einem bestimmten Ort oder<br />
– in der erweiterten Suche – nach speziellen<br />
Forschungsschwerpunkten. Der Research Explorer<br />
bietet unkomplizierte Hilfe für Wissenschaftler<br />
im In- und Ausland, die potenzielle<br />
Forschungspartner oder Entscheidungshilfe<br />
für einen Forschungs aufenthalt suchen.
18 WISSEnSChaFT<br />
das glück hat viele gesichter<br />
Dresdener Ausstellung über eine Grundkonstante des Lebens<br />
„Glück – welches Glück“ – unter diesem<br />
Titel präsentiert eine Ausstellung im<br />
Deutschen Hygiene-Museum in Dresden<br />
Glücksvorstellungen verschiedener Zeiten<br />
und Kulturen.<br />
Vom rosenumwundenen Torbogen am Eingang<br />
der Ausstellung sind es nur wenige<br />
Schritte in die romantische Liebeslaube. Und<br />
bereits hier, wo der Besucher womöglich das<br />
Glück schlechthin erwartet, wird klar: Liebesglück<br />
und Liebesleid liegen ganz nah beieinander.<br />
Der „Kuss“ des Bildhauers Auguste<br />
Rodin und die „Eifersucht“ auf dem Gemälde<br />
von Edvard Munch rufen allerlei widersprüchliche<br />
Assoziationen wach.<br />
Entmutigen lassen sollte sich davon aber<br />
niemand. Denn die lehrreiche Schau, die das<br />
Deutsche Hygiene-Museum gemeinsam mit<br />
dem „Siemens Arts Program“ acht Monate<br />
lang in der sächsischen Landeshauptstadt<br />
zeigt, führt durchaus auf die erwartete Glücksspur:<br />
In sieben von dem afrikanischen Künstler<br />
Meschac Gaba (Benin) gestalteten Räumen<br />
– die Glückszahl 7 ist bewusst gewählt – und<br />
anhand von 400 Exponaten aus Kunst, Kulturgeschichte<br />
und Wissenschaft lassen sich<br />
Glücksvorstellungen verschiedenster Zeiten,<br />
Kulturen und Individuen aufs Beste nachvollziehen.<br />
Die Ausstellungsmacher gehen davon aus,<br />
dass das Streben nach Glück eine Grundkonstante<br />
des menschlichen Lebens ist. Die Amerikaner<br />
haben den Anspruch auf Glück – „the<br />
pursuit of happiness“ – 1776 immerhin in ihre<br />
Verfassung geschrieben. Doch welches Glück<br />
ist eigentlich gemeint?<br />
Doppelbödige Fortuna<br />
Während die Engländer und Franzosen zwischen<br />
„good luck“ und „happiness“ oder<br />
„bonne chance“ und „le bonheur“ unterscheiden,<br />
haben die Deutschen nur das eine Wort<br />
„Glück“. Im Mittelalter konnte „g(e)lücke“ ein<br />
gutes oder schlechtes Schicksal bedeuten –<br />
und vielleicht hat das Wort deshalb bis heute<br />
etwas Doppelbödiges, ähnlich wie das lateinische<br />
„fortuna“. Die Göttin Fortuna, die sich<br />
auf einer Kugel durch die Jahrhunderte bewegt<br />
– Zeichen für die Unsicherheit des Glücks – ist<br />
denn auch am Anfang und Ende der Ausstellung<br />
in Bild und Skulptur präsent.<br />
Dazwischen konfrontiert die Schau den Besucher<br />
– unter anderem an Bildschirmen und<br />
Hörstationen – mit Höhepunkten des Glücks<br />
oder dessen, was Menschen dafür halten:<br />
Glücksspender sind etwa exquisite<br />
Speisen, Musik und auch Rauschmittel.<br />
Beim Risikosport suchen Menschen<br />
Glück im Nervenkitzel und gehen beim<br />
Extremsport bis an ihre Grenzen – nicht<br />
zuletzt auch für das Glück der Anerkennung.<br />
Für das Glück der Schönheit legen<br />
sie sich auf den Operationsstisch.<br />
Sie suchen Glück spiritueller Art in der<br />
Religion und entwerfen Utopien vom<br />
Paradies auf Erden. Das Glück hat eben<br />
viele Gesichter.<br />
Glück im Ländervergleich<br />
Dass Geld allein nicht glücklich macht,<br />
ist eine Binsenweisheit. Bewiesen wird<br />
sie einmal mehr durch ökonomische<br />
Untersuchungen, die feststellen, dass<br />
reiche Menschen eine größere subjektive<br />
Zufriedenheit haben als arme, dass aber von<br />
einem bestimmten Wohlstands-Niveau an der<br />
weitere Einkommensanstieg nicht glücklicher<br />
macht.<br />
Foto: Emmanuel Aguirre, 2007<br />
Foto: Staatsbibliothek zu Berlin<br />
Dennoch zählt Wohlstand zu den wesentlichen<br />
Faktoren bei Untersuchungen der Glücksforschung.<br />
Diese wird vor allem von Ökonomen,<br />
Sozialwissenschaftlern und Psychologen betrieben<br />
und hat in den letzten 20 Jahren an<br />
Bedeutung stetig zugenommen.<br />
So erstellten Forscher der britischen Universität<br />
Leicester 2006 die erste „World Map of<br />
Happiness“. Dafür werteten sie mehr als 100<br />
Glücksstudien mit 80 000 Beteiligten aus.<br />
Hauptkriterien waren Gesundheit, Wohlstand<br />
und Bildung. Der niederländische Soziologe<br />
Ruut Veenhoven nennt in dem wissenschaftlich<br />
anspruchsvollen Begleitbuch zur Ausstellung<br />
Zahlen aus der von der Erasmus Universität<br />
Rotterdam erstellten „World Database of<br />
Happiness“: Demnach liegen Dänemark und<br />
die Schweiz mit einem Wert von 8,2 und 8,1<br />
ganz oben auf der Glücksskala, weit oben rangiert<br />
auch Deutschland mit 7,2 gleich hinter<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
den USA (7,4), während das afrikanische Land<br />
Zimbabwe mit 3,3 ganz unten platziert ist.<br />
Solche Ländervergleiche beweisen oft nicht<br />
mehr, als dass Glück nicht nur eine Frage des<br />
materiellen Besitzes ist, sondern auch Faktoren<br />
wie politische Freiheit, Frieden und Sicherheit<br />
ausschlaggebend sind. Über das individuell<br />
ganz verschiedene Glücksempfinden,<br />
die Lebenszufriedenheit des Einzelnen und<br />
sein Talent zum Glück sagen sie so gut wie<br />
gar nichts aus.<br />
Kein dauerhafter Reiz<br />
Ist Glück über das Bruttosozialprodukt nur<br />
unzureichend zu verorten, so kann die heutige<br />
Hirnforschung schon mit exakteren Aussagen<br />
dienen. Der französische Neurologe<br />
Guillaume Duchenne unterschied 1862 echte<br />
Gefühlsregungen von unechten, indem er<br />
feststellte, dass nur beim echten Lächeln die<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Glück messen:<br />
Der Neurologe Guillaume Duchenne<br />
untersuchte 1862 das Lächeln<br />
Glücksmomente:<br />
Mancher findet sie im Nervenkitzel<br />
beim Risikosport (links unten)<br />
Augenmuskeln beteiligt sind. Heute können<br />
Neurologen das Lächeln und andere positive<br />
Gefühlsregungen in bestimmten Gehirnregionen<br />
nachweisen. Es ist der angenehme Reiz<br />
im Belohnungssystem des Gehirns, der den<br />
Menschen dazu bringt, sich um immer neue<br />
Glücksempfindungen zu bemühen.<br />
Ein Dauerzustand kann das freilich nicht<br />
sein. Das zeigen die Dresdener Ausstellungsmacher<br />
eindringlich an einem Versuch mit Ratten:<br />
Die Tiere konnten per Knopfdruck selbst<br />
einen elektrischen Reiz im Gehirn auslösen<br />
und betrieben die angenehme Stimulierung<br />
so dauerhaft, dass sie darüber das Essen und<br />
Trinken vergaßen und jämmerlich zugrunde<br />
gingen.<br />
Kein Wunder, dass der Besucher die Glücksschau<br />
nicht einfach nur glücklich, sondern vor<br />
allem sehr nachdenklich verlässt.<br />
Leonie Loreck<br />
WISSEnSChaFT<br />
Die Ausstellung ist bis zum 2. November<br />
geöffnet. Informationen: www.dhmd.de/glueck<br />
Das Begleitbuch zur Ausstellung ist im Carl<br />
Hanser Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro<br />
ohne Sinn kein glück<br />
Der Philosoph Wilhelm Schmid über Irrtümer bei der Glückssuche<br />
Herr Professor Schmid, warum hat das<br />
Thema Glück gerade jetzt Hochkonjunktur?<br />
In der Geschichte kommt es immer wieder<br />
vor, dass Menschen glauben, ohne<br />
Glück nicht leben zu können. Schon zu<br />
Zeiten der antiken Philosophen Aristoteles,<br />
Epikur und später Seneca war Glück ein<br />
wichtiges Thema und zuletzt im 18. Jahrhundert<br />
während der Aufklärung. Das ist<br />
immer in Zeiten großer Verunsicherung so:<br />
Dann suchen die Menschen nach Phänomenen,<br />
denen sie zutrauen, Kraftspender<br />
zu sein. Dazu gehört offenbar das Glück.<br />
In Deutschland ist nach 1989 für zahlreiche<br />
Menschen ein Traum zerplatzt. Viele<br />
Ostdeutsche hatten schon lange nicht mehr<br />
daran geglaubt, dass das sozialistische System<br />
sie glücklich machen könnte, trauten<br />
das aber dem westlichen System zu. Auch<br />
abSTraCT<br />
“Glück – welches Glück”<br />
is the title of an exhibition on happiness — or,<br />
more precisely, on the many ways happiness<br />
has been perceived through the ages and in<br />
different cultures. Running at the Deutsches<br />
Hygiene-Museum in Dresden until early November,<br />
the exhibition is presented jointly by the<br />
museum and the Siemens Arts Program under<br />
the artistic direction of Meschac Gaba, an artist<br />
from Benin. As 400 exhibits from the realms<br />
of art, cultural history and science show: The<br />
facets of happiness are numerous and varied<br />
— and definitely open to critical examination.<br />
One such examiner is the Berlin-based philosopher<br />
and long-time <strong>DAAD</strong> guest lecturer<br />
Wilhelm Schmid, who attests that people today<br />
are prone to “happiness hysteria”. Says Schmid:<br />
“A feeling of well-being is a good thing, but it<br />
cannot persist continuously. What people really<br />
seek is the meaning of life.” An important<br />
aspect of that, asserts Schmid, is a feeling of<br />
interrelatedness, whether with fellow humans<br />
or with nature. “Once you feel your life has<br />
meaning, happiness follows automatically”.<br />
im Westen glaubten die Menschen, dass<br />
das kapitalistische System für das Glück<br />
sorgen werde – in Form von Wohlstand für<br />
alle Menschen dieser Erde. Das kann das<br />
westliche System nun aber nicht mehr glaubhaft<br />
machen, und so haben die Menschen<br />
die Hoffnung verloren, dass ihr Glück von<br />
irgendeinem System bereitgestellt wird.<br />
Deshalb suchen sie ganz persönlich nach<br />
dem Glück. Was Mitte der 90er Jahre noch<br />
etwas verhalten begann, hat heute geradezu<br />
die Form von Glückshysterie angenommen.<br />
Wie äußert sich das?<br />
Bücher zu dem Thema sind heute Bestseller,<br />
und ein Film wie „Happy-Go-Lucky“<br />
zieht – allein wegen des Titels – Massen<br />
ins Kino. Die Menschen verstehen unter<br />
Glück: sich toll fühlen, Spaß haben, Lust<br />
19
20 WISSEnSChaFT<br />
Foto: ullstein bild/Granger Collection<br />
Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin und<br />
unterrichtet als außerplanmäßiger Professor an der<br />
Universität Erfurt. Bekannt wurde er als Vertreter der<br />
Lebenskunstphilosophie mit Büchern wie „Schönes<br />
Leben? Einführung in die Lebenskunst“ (2000). Sein<br />
Buch „Glück. Alles, was Sie darüber wissen müssen,<br />
und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist“<br />
(2007) wurde zum Bestseller. Schmid, der bei dem<br />
französischen Philosophen Michel Foucault promovierte<br />
und Vater von vier Kindern ist, lehrte als langjähriger<br />
<strong>DAAD</strong>-Gastdozent in den 90er Jahren zunächst in<br />
Riga (Lettland) und bis 2006 in Tiflis (Georgien).<br />
Informationen: www.lebenskunstphilosophie.de<br />
empfinden und dass alles positiv läuft.<br />
Dafür überwinden sie Berge und durchschwimmen<br />
Ozeane. Doch der Glaube, das<br />
allein sei Glück, ist ein furchtbarer Irrtum.<br />
Was machen die Glückssucher falsch?<br />
Wohlgefühl ist eine wunderbare Sache, aber<br />
es gibt sie niemals auf Dauer. Am schönsten<br />
drückt dies der französische Begriff für<br />
Glück aus: le bonheur. Die „gute Stunde“<br />
ist machbar, und man kann für solche<br />
Glücksmomente viel tun: ein Glas Wein, ein<br />
schönes Gespräch, eine Urlaubsreise, das<br />
alles tut gut. Insofern irren sich die Propagandisten<br />
des Glücks nicht. Aber sie irren<br />
sich, wenn sie glauben, ihr Leben zu einer<br />
einzigen Wohlfühl-Veranstaltung machen zu<br />
können. Mit diesem Versuch scheitern sie.<br />
Was raten Sie ihnen?<br />
Mein Rat ist: Frage Dich, was Leben für<br />
Dich ist. Leben findet ständig in Gegensätzen<br />
statt. Es gibt nicht nur Freude,<br />
sondern auch freudlose, wenn nicht gar<br />
leidvolle Zeiten. Wenn man nicht nur das<br />
Positive, sondern auch das Negative als<br />
Bestandteil des Lebens akzeptiert, erfährt<br />
Foto: Benno Kraehahn<br />
man erst den Reichtum des Lebens. Ich<br />
bezeichne das als das „Glück der Fülle“.<br />
Bleibt der Mensch bei der Glückssuche<br />
ganz auf sich selbst bezogen?<br />
Wenn die Menschen nach Glück fragen, meinen<br />
sie oft etwas ganz anderes. Sie suchen<br />
eigentlich nach Sinn. Ohne Glück – das kriegt<br />
man hin, aber ohne Sinn können wir nicht leben.<br />
Sinn ist überall, wo Zusammenhang ist.<br />
Das gilt zum Beispiel für den sozialen Zusammenhang.<br />
Für Liebende stellt sich kaum die<br />
Frage nach dem Sinn des Lebens, weil sie ihn<br />
schon besitzen. Auch der Zusammenhang mit<br />
der Natur ist Sinnerfahrung. Wenn Sinn da<br />
ist, kommt das Glück automatisch hinterher.<br />
Sie waren einige Jahre als Gastdozent in<br />
Georgien tätig. Sind die Menschen dort<br />
glücklicher als in Deutschland?<br />
Menschen in Georgien haben eine ganz andere<br />
Vorstellung von Glück als die Deutschen –<br />
so wie es ohnehin nicht den einen Glücksbegriff<br />
gibt. Für die Georgier spielen familiäre<br />
und soziale Bindungen noch eine große Rolle.<br />
Deshalb fragen sie viel weniger nach Glück<br />
und Lebenssinn. Sie sind konsterniert darüber,<br />
dass Menschen im Westen oft keinen Lebenssinn<br />
sehen, und entwickeln eine Skepsis<br />
gegenüber unserer Wohlstandsgesellschaft.<br />
Glück der Liebenden:<br />
Auguste Rodins „Der Kuss“ von 1886<br />
Die philosophische Wissenschaft hat das<br />
Image, eher theoretisch, ja elitär zu sein.<br />
Sie selbst beschäftigen sich als Philosoph<br />
unmittelbar mit den Menschen. Was kann<br />
Philosophie bewirken?<br />
In der arbeitsteiligen Gesellschaft ist die Philosophie<br />
die Disziplin der Nachdenklichkeit.<br />
Nachdenken kann jeder, aber die Philosophen<br />
sind darin Profis. Sie haben keine Lösungen,<br />
können Menschen aber dabei helfen, Orientierung<br />
im Leben zu finden. Das war von<br />
ungefähr 800 vor Christus bis ins 19. Jahrhundert<br />
hinein typisch für die Philosophie.<br />
Zuletzt hat sich die Philosophie über längere<br />
Zeit den Wissenschaften zur Grundlagenreflektion<br />
zur Verfügung gestellt – etwa in<br />
Form von Wissenschaftsphilosophie oder<br />
Sprachphilosophie. Erst heute wendet sie<br />
sich wieder verstärkt Fragen des praktischen<br />
Lebens zu. Dazu gehören etwa die<br />
Auswirkungen moderner Technologien<br />
oder neuer medizinischer Forschungsergebnisse<br />
auf das Leben der Menschen.<br />
Sind Sie glücklich?<br />
Die Frage nach Glück stelle ich mir privat<br />
nie, weil ich mir über ihre Begrenztheit im<br />
Klaren bin.<br />
Aber Sie verschaffen sich doch glückliche<br />
Momente?<br />
Ja, wenn ich morgens ins Café gehe, um dort<br />
zu arbeiten, fühle ich mich wohl. Dann bestelle<br />
ich eine Tasse Espresso, die ich im Verlauf<br />
von ungefähr zwei Stunden trinke, denn<br />
wenn man die kleine Pfütze Kaffee nicht in<br />
sich hineinschüttet, sondern ganz langsam<br />
zu sich nimmt, steigt das Wohlgefühl.<br />
Die Fragen stellte Leonie Loreck<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
labor für multis<br />
Hohe Investitionen am Forschungsstandort Deutschland<br />
Multinationale Unternehmen – vor allem<br />
aus Partnerländern in der Europäischen<br />
Union – forschen und entwickeln gerne<br />
in Deutschland. Der Schlüssel zum Erfolg<br />
sind innovative Technologien, mit denen<br />
auch die hohen Löhne der Beschäftigten<br />
gesichert werden.<br />
In Garching bei München betreibt das US-<br />
Weltunternehmen General Electric sein europäisches<br />
Forschungszentrum. Es ist eines von<br />
weltweit vier. Der koreanische Elektronikkonzern<br />
Samsung hat sein Entwicklungszentrum<br />
für Europa in Stuttgart angesiedelt, der niederländische<br />
Mitbewerber Philips große Forschungsstätten<br />
in Aachen und Hamburg. Das<br />
sind Beispiele dafür, wie gern Konzerne mit<br />
Hauptsitz im Ausland am Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland in Forschung und Entwicklung<br />
investieren. Deutschland nimmt Platz zwei<br />
auf der internationalen Skala ein – die USA<br />
führen sie an. „Dabei stehen die Gelder für die<br />
Zukunftslabors in engem Zusammenhang mit<br />
den Investitionen der Firmen für ihre Produktionsanlagen<br />
im jeweiligen Land“, erläutert<br />
Heike Belitz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung,<br />
die das Investitionsverhalten<br />
für die Bundesregierung untersucht hat.<br />
Die multinationalen Unternehmen zeigen<br />
mit ihren Standortentscheidungen, wo auf<br />
der Welt die besten Voraussetzungen für Innovationen<br />
und vielversprechende Arbeitsplätze<br />
bestehen. Im jüngsten statistischen Vergleichsjahr,<br />
2005, gaben ausländische Firmen<br />
für Forschung und Entwicklung in den USA<br />
25 Milliarden Euro aus. Deutschland kam mit<br />
einer Summe von 12 Milliarden Euro auf fast<br />
die Hälfte. Dieses Kapital stammt wiederum<br />
zu 50 Prozent von Firmen aus Partnerländern<br />
innerhalb der Europäischen Union: Der<br />
europäische Wirtschaftsraum entwickelt sich<br />
zu einem eigenen Innovationspool neben den<br />
USA und Japan.<br />
Technologie made in Germany<br />
Umgekehrt platzierten deutsche Großunternehmen<br />
rund zehn Milliarden für Forschung<br />
im Ausland. Der internationale Zugewinn am<br />
Forschungsstandort Deutschland blieb damit<br />
zwei Milliarden Euro höher als der Mittelabfluss.<br />
„Von einer Abwanderung der Industrieforschung<br />
ins Ausland kann keine Rede<br />
sein“, sagt Heike Belitz.<br />
Foto: General Electric<br />
Unter allen Branchen ist die Pharmaindustrie<br />
Spitzenreiter bei der Internationalisierung.<br />
50 Cent von jedem Euro geben deutsche Firmen<br />
im Ausland aus. Andererseits spielen in<br />
diesem Wirtschaftssektor mehr ausländische<br />
Großunternehmen mit als in jedem anderen.<br />
An dem hohen Grad der Internationalisierung<br />
wird zugleich klar, dass Gesundheit und Medizin<br />
Trendsetter der globalen Wirtschaft sind.<br />
„Im laufenden Jahrzehnt hat die Spezialisierung<br />
auf forschungsintensive Güter Deutschlands<br />
Stellung in den Weltmärkten gefestigt“,<br />
betont Heike Belitz. Auf die neuen Bereiche<br />
müsse sich auch die Schul- und Hochschulbildung<br />
einstellen, damit weitere wirtschaftliche<br />
WISSEnSChaFT<br />
Solarzellen oder organische<br />
Leuchtdioden:<br />
Die Konzerne General Electric<br />
und Philips betreiben<br />
Zukunftslabore in Deutschland<br />
Erfolge nicht an personellen<br />
Engpässen scheiterten.<br />
Ein Musterbeispiel für die<br />
innovativen Berufsfelder sind<br />
die optischen Technologien<br />
als Allzweckmittel für Bohren,<br />
Schweißen, Messen, Oberflächenbearbeitung<br />
und Nachrichtenübermittlung.<br />
Ihr größter<br />
Vorzug: Licht ist die umweltfreundliche<br />
Energie schlechthin.<br />
Laut Bundesforschungsministerium<br />
nimmt Deutschland<br />
in dem Bereich gegenwärtig<br />
„im internationalen Vergleich<br />
die Spitzenstellung“ ein. Neben<br />
Traditionsfirmen wie Bosch haben hierzulande<br />
auch rund tausend kleinere und mittlere<br />
Unternehmen ihren Schwerpunkt in der Optik.<br />
Dabei fällt auf: Je kleiner der Betrieb, desto<br />
höher ist der Anteil akademisch ausgebildeter<br />
Mitarbeiter. Bei Firmen mit bis zu zehn Arbeitskräften<br />
ist jeder Zweite Ingenieur, bei<br />
mittleren Unternehmen mit bis zu 250 Angestellten<br />
hat immerhin jeder Dritte einen Hochschulabschluss.<br />
Innovationen hängen also<br />
keineswegs nur von multinationalen Unternehmen<br />
und ihrem großen Geld ab, vielmehr<br />
generieren gerade in Deutschland auch kleine<br />
Werkstätten große Wissenschaft.<br />
Hermann Horstkotte<br />
Foto: Philips<br />
21
22 orTSTErmIn<br />
Foto: Code Unique<br />
Hamburg<br />
Ein hauch von Eigensinn<br />
Aus den tiefwurzelnden Traditionen der<br />
Freien und Hansestadt Hamburg ist eine<br />
ganz eigene Wissenschaftslandschaft gewachsen:<br />
Sie pflegt die Affinität zu anderen<br />
Kulturen und treibt wichtige Zukunftsbereiche<br />
voran.<br />
Es soll Hamburger geben, die Labskaus mögen.<br />
Doch was in diesem Traditionsgericht<br />
für Seeleute, einem rötlichen Brei, wirklich<br />
steckt, weiß nur der Koch. Sicher ist nur: Labskaus<br />
ist im heutigen Hamburg nicht mehr so<br />
angesagt. Die Eckkneipe weicht immer mehr<br />
Lokalen im „Edelgammel-Look“, wo man exquisit<br />
speist.<br />
Ästhetisierung allenthalben, auch – oder<br />
besonders – in der Architektur: Zwielichtige<br />
Hafenbezirke wurden zur Hafencity und der<br />
einst düstere, weltweit längste Lagerhausbau<br />
zur teuren Speicherstadt modelliert. Neue Artefakte<br />
mit beeindruckend ästhetischer Wucht<br />
wachsen aus dem Wasser, wie die einem gigantischen<br />
Segelschiff nachempfundene Elbphilharmonie<br />
der Stararchitekten Herzog und<br />
De Meuron, die 2010 „vom Stapel laufen“ soll.<br />
Vollends Symbol für das Wesen und Wirken<br />
Hamburgs ist die von Oswald Mathias Ungers<br />
entworfene Kunsthalle: in Form gegossenes<br />
Understatement, teuer, quadratisch, klar und<br />
reduziert – etwas britisch und sehr hanseatisch.<br />
Weltoffene Tradition<br />
In der Stadt an der Elbe mit einem der umsatzstärksten<br />
Häfen Europas trieben bereits die<br />
legendären Hansekaufleute und Reeder Handel<br />
mit der ganzen Welt. Selbstbewusst leistet<br />
man sich Stil und Kultur. Seit Januar 2006<br />
wird dieser Habitus auch wissenschaftlich gepflegt<br />
– mit der neuen HafenCity Universität.<br />
Foto: DESY in Hamburg<br />
Sie bündelt die vormals dezentralen Bereiche<br />
Architektur, Stadtplanung, Bauingenieurwesen<br />
und Geomatik. Innerhalb von zwei Jahren<br />
expandierte diese Uni, deren Hauptgebäude<br />
erst 2011 bezugsfertig sein wird, bereits zu einer<br />
der größeren Hochschulen Hamburgs mit<br />
internationalem Renommee.<br />
Insgesamt bringt die weltoffene Tradition<br />
der alten Hansestadt eine spezifische, eng<br />
vernetzte Wissenschaftslandschaft hervor:<br />
mit 16 Hochschulen und 70 000 Studierenden,<br />
der weltweit größten Spezialbibliothek<br />
für Wirtschaftswissenschaften und vielen renommierten<br />
außeruniversitären Forschungsinstitutionen<br />
wie dem Deutschen Elektronen-<br />
Synchroton Forschungszentrum (DESy).<br />
Hamburgs Universität ist mit ihren 38 000<br />
Studierenden, 680 Professoren (davon 130 am<br />
Uniklinikum Eppendorf) und weiteren 3000<br />
Wissenschaftlern die fünftgrößte deutsche<br />
Uni. Über weite Strecken liest sich die Forschungs-<br />
und Lehrpalette wie ein Reisebuch<br />
rund um die Welt. Afrikanische Sprachen und<br />
Kulturen gehören ebenso zum wissenschaft-<br />
lichen Repertoire wie Finnougristik/Uralistik,<br />
Turkologie, Japanologie, Sinologie, Korea n istik,<br />
Geschichte der Juden oder Entwicklung<br />
der Weltwirtschaft.<br />
Globale Forschungsaspekte<br />
Hamburgs Geisteswissenschaften zeigen ihre<br />
genuine Stärke im Austausch mit anderen Fächern,<br />
wie in den Projekten des 2006 gegründeten<br />
interdisziplinären Carl Friedrich von<br />
Weizsäcker-Zentrums für Naturwissenschaft<br />
und Friedensforschung (ZNF). Gewalt, Macht,<br />
Sicherheit und Stabilität politischer Systeme<br />
gehören zu den Themen im ZNF, das den Ruf<br />
Hamburgs als Zentrum für globale Konflikt-<br />
und Entwicklungsforschung festigt. Bereits<br />
1971 hatte die Stadt das Institut für Friedensforschung<br />
und Sicherheitspolitik (IFSH) gegründet.<br />
Der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />
Entwicklung in Afrika, Asien,<br />
Lateinamerika, Nah- und Mittelost wiederum<br />
widmet sich das German Institute of Global<br />
and Area Studies (GIGA). Heute ist es die größ-<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
te europäische Forschungseinrichtung für globale<br />
und regionale (vergleichende) Studien.<br />
Kompetenz im Cluster<br />
Seit der Jahrhundertwende hat die Stadt ihre<br />
Ausgaben für Wissenschaft und Forschung um<br />
mehr als 20 Prozent gesteigert. Ziel ist, Grundlagen-<br />
und technologieorientierte Forschung<br />
und Entwicklung zu vernetzen. Strategische<br />
Kompetenz-Cluster sollen die Interaktion von<br />
Wissenschaft und Wirtschaft fördern.<br />
Beispielhaft für diese Zukunftsstrategie ist<br />
das Industriecluster für zivile Luftfahrt, das<br />
weltweit drittgrößte nach Seattle und Toulouse.<br />
Beteiligt sind die Technische Universität<br />
Hamburg-Harburg (TUHH), die Hochschule<br />
für angewandte Wissenschaften und die Helmut-Schmidt-Uni<br />
der Bundeswehr. Die große<br />
Forschungssumme von mehreren hunderttausend<br />
Euro, die von der Industrie mitgetragen<br />
wird, mag die Vehemenz erklären, mit der<br />
Hamburg den Ausbau des Luftfahrt-Areals in<br />
Hamburg-Finkenwerder vorantrieb.<br />
Etwas ruhiger geht es beim Bau von „Leuchttürmen“<br />
in der Grundlagenforschung zu, so<br />
etwa beim Hamburger Life Science-Cluster, das<br />
in den letzten zwei Jahren deutlich ausgebaut<br />
wurde. Am Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf<br />
(UKE) bietet ein neuer Forschungscampus<br />
exzellenten Wissenschaftlern eine besondere<br />
Infrastruktur. Das UKE beteiligt sich etwa<br />
an Forschungen im neurogenerativen und<br />
-degenerativen Bereich sowie an der Diabetes-<br />
Prävention. Hohe Kompetenz findet sich hier<br />
auch in der Tropenmedizin. Der Hamburger<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: H. Mahsen/adpic.de<br />
„KlimaCampus“ – international anerkanntes<br />
Exzellenz-Zentrum für Klimaforschung<br />
– ist ein Verbund aus Universität und zahlreichen<br />
außeruniversitäten renommierten<br />
Forschungseinrichtungen.<br />
Langfristig aufgestellt ist der Wissenschaftsstandort<br />
mit dem Elektronen-Synchroton<br />
DESy, das sich zu einem weltweit einzigartigen<br />
Strukturforschungszentrum entwickelt.<br />
Seit 2005 ermöglicht der Freie-Elektronen-<br />
Laser „Flash“ mit seinen hochintensiven ultrakurzen<br />
Lichtblitzen spektakuläre neuartige<br />
Experimente. 2009 wird die weltweit brillantesteSpeicherring-Röntgenstrahlungsquelle<br />
„Petra III“ in Betrieb gehen, 2013 der Europäische<br />
Freie-Elektronen-Laser „XFEL“.<br />
Gutes Klima für Stifter<br />
Der eigentliche Charme des Wissenschaftsstandorts<br />
Hamburg liegt in der Mischung<br />
von Tradition und Moderne, einer quasi organisch<br />
gewachsenen interdisziplinären Forschungskultur<br />
mit einem Hauch von großbürgerlichem<br />
Eigensinn. Der zeigt sich auch in<br />
der kritischen Medienlandschaft – mit dem<br />
„Norddeutschen Rundfunk“, der Wochenzeitung<br />
„Die Zeit“, den Magazinen „Der Spiegel“<br />
und „stern“. Auch diese für Deutschlands<br />
Demokratie wichtige Medienkompetenz wird<br />
wissenschaftlich gepflegt. Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />
bietet neben der<br />
Uni auch die Hamburg Media School.<br />
In diesem aufgeschlossenen Klima gedeiht<br />
eine beachtliche Stiftungskultur. So gründete<br />
die ZEIT-Stiftung im Jahr 2000 beispielsweise<br />
orTSTErmIn<br />
Kontraste: die historischen Lagerhäuser in Hamburgs<br />
Speicherstadt bei Ebbe und das Hauptgebäude der<br />
HafenCity Universität im Entwurf (ganz links).<br />
Weltweit einzigartiges Forschungzentrum:<br />
das Elektronen-Synchroton DESY (links unten)<br />
die staatlich anerkannte Bucerius Law School.<br />
Die private, technisch orientierte Hochschule<br />
„Northern Institute of Technology Management“<br />
(NIT) wurde von der TUHH gemeinsam<br />
mit der Hamburger Körber-Stiftung und<br />
mehreren großen Wirtschaftsunternehmen<br />
initiiert und bildet internationale Nachwuchskräfte<br />
für die Industrie aus. Der reiche Erbe<br />
Jan Philipp Reemtsma etablierte 1984 das<br />
Hamburger Institut für Sozialforschung (eine<br />
Stiftung bürgerlichen Rechts), das sich mit<br />
nonkonformistischen Studien unter anderem<br />
zu Nation, Gesellschaft und Gewalt einen Namen<br />
macht.<br />
Hamburg fährt gut in die Zukunft auf seinem<br />
von Traditionen gesäumten Weg. Deshalb wird<br />
Labskaus wohl auch weiterhin auf Hamburgs<br />
Speisekarten zu finden sein.<br />
Ruth Kuntz-Brunner<br />
Informationen:<br />
www.wissenschaft.hamburg.de<br />
abSTraCT<br />
Hamburg<br />
The cosmopolitan tradition of Hamburg,<br />
one-time member of the old Hanseatic<br />
League, contributes to a unique and highly<br />
networked scientific landscape. With 16 colleges<br />
and many renowned non-university<br />
research institutes, Hamburg maintains a<br />
particular affinity to other cultures and promotes<br />
important advances into the future.<br />
The University of Hamburg is the fifth largest<br />
university in Germany. The new HafenCity-<br />
Uni architectural school, established in 2006,<br />
has already grown to be the second largest<br />
university in Hamburg. Great potential is also<br />
found in the research facilities around DESY,<br />
the German electron synchrotron, which is fast<br />
becoming a structure research centre unique<br />
throughout the world. The University Medical<br />
Center Hamburg-Eppendorf focuses on life<br />
sciences, with particular expertise in tropical<br />
medicine. The third largest civilian aerospace<br />
industry cluster in the world is formed here<br />
by three colleges and numerous companies.<br />
In the humanities, Hamburg is among<br />
the most prestigious research centres for<br />
the study of cultures on other continents,<br />
as well as in the areas of international<br />
security, peace and development.<br />
23
24 Europa<br />
Sauberer himmel<br />
Die Europäische Union fördert umweltfreundliche Flugzeuge<br />
In den neuen Public Private Partnerships<br />
des 7. Forschungsrahmenprogramms gibt<br />
die Industrie den Ton an. Universitäten<br />
spielen die Rolle des Juniorpartners.<br />
Flugzeuge der Zukunft sollen weniger umweltschädliche<br />
Abgase und nur noch die<br />
Hälfte des Klimakillers CO2 ausstoßen – so<br />
könnten sie von Europa aus den Weltmarkt erobern.<br />
Wenn alles nach Plan läuft, sind in sieben<br />
Jahren Prototypen wettbewerbsfähig, die<br />
deutlich weniger Luft verschmutzen und weniger<br />
Lärm erzeugen. Das sieht das Großprojekt<br />
„Clean Sky“ im Rahmen des 7. Forschungsprogramms<br />
der Europäischen Union (EU) vor.<br />
Es handelt sich um eine „Joint Technology<br />
Initiative“ von 86 Partnern aus 16 Ländern.<br />
Sie stammen vorwiegend aus der Luftfahrtindustrie,<br />
aber auch Universitäten und andere<br />
öffentliche Forschungsinstitutionen wie die<br />
deutsche Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) sind<br />
dabei. Das Konsortium stellt 800 Millionen<br />
Euro bereit, Europa fördert das Vorhaben in<br />
derselben Höhe. Ähnliche Kooperationen dienen<br />
innovativen Arzneimitteln, der Telekommunikation<br />
und der Nanoelektronik. Dabei<br />
ist Public Private Partnership ein neuartiges<br />
Förderinstrument auf EU-Ebene.<br />
„Clean Sky wird von der Industrie angetrieben“,<br />
erläutert Ursula Eul von der FhG, „sowohl<br />
in der Entstehung der Initiative wie in<br />
ihrer Zielsetzung und nicht zuletzt durch den<br />
Finanzbeitrag der Unternehmen.“ Es gehe<br />
also nicht um Grundlagenforschung, so Eul,<br />
sondern darum, laufende technologische Entwicklungen<br />
zur Anwendungsreife zu bringen.<br />
Dabei sei die Zahl von 86 Partnern für modernes<br />
Projektmanagement kein Maximum. Vielmehr<br />
sind weitere, möglichst finanzkräftige<br />
Teilnehmer erwünscht.<br />
Die Gemeinschaftsinitiative „Clean Sky“<br />
gliedert sich in sechs thematische Untereinheiten<br />
etwa zum umweltfreundlichen Motor<br />
oder neuen, wiederverwertbaren Werkstoffen.<br />
Jeder Themenbereich hat sein eigenes Leitgremium,<br />
das für die Ausschreibung der<br />
Forschungsprojekte und die Vergabe an Bewerber<br />
verantwortlich ist. Dabei bekommen<br />
Firmen aus dem Gemeinschaftstopf höchstens<br />
die Hälfte der nötigen Projektmittel. Universitäten<br />
und andere öffentliche Forschungseinrichtungen<br />
(wie die FhG) können bis zu 75<br />
Prozent erhalten. Sie werden also von Unternehmen<br />
subventioniert.<br />
Patentrechte sind noch unklar<br />
Dennoch stößt das neue Förderinstrument<br />
der Joint Technology Initiatives außerhalb der<br />
Industrie auf Bedenken. Wilfried Kraus von<br />
der Ständigen Vertretung Deutschlands bei<br />
der EU befürchtet einen Dschungel von Regelungen,<br />
den einzelne Universitäten anders<br />
als Großunternehmen gar nicht überblicken<br />
können. Außerdem gebe es Sonderregelungen<br />
in Fragen der Urheber- und Patentrechte, die<br />
alle öffentlichen Forschungsträger schlechter<br />
stellen als sonst im Rahmenprogramm üblich.<br />
Adam Wolisz, Professor für Telekommunikation<br />
an der TU Berlin, weist auf eine andere<br />
grundlegende Gefahr von Partnerkonflikten<br />
hin: „Offen gesagt: Spannungen zwischen der<br />
langfristig angelegten Universitätsforschung<br />
und der von Marktbedürfnissen geprägten<br />
Industrie wird es immer geben.“ Allerdings:<br />
Die Industrie steuert zu den bislang vier Joint<br />
Initiatives insgesamt dreimal soviel Geld bei<br />
wie die EU-Kommission aus Steuergeldern.<br />
Vielleicht ist das ein Trost für die Hochschulforschung.<br />
Hermann Horstkotte<br />
Infos: www.cleansky.eu<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
nachrichten<br />
Europäisches Technologieinstitut<br />
Zentrale in Budapest<br />
Das Europäische Institut für Innovation<br />
und Technologie (EIT)<br />
erhält seinen Sitz in Budapest. Die<br />
ungarische Hauptstadt setzte sich<br />
gegen vier Mitbewerber durch, darunter<br />
auch die ostdeutsche Stadt<br />
Jena. Mit dieser Entscheidung der<br />
EU-Forschungsminister ist das<br />
ambitionierte Projekt einer europäischen<br />
Exzellenz-Zentrale für<br />
Innovation seiner Verwirklichung<br />
einen entscheidenden Schritt nähergekommen.<br />
Bereits Anfang<br />
2006 hatte die EU-Kommission<br />
ihren Plan eines „europäischen<br />
Massachusetts Institute of Technology“<br />
vorgestellt, um der geballten<br />
Innovationskraft der US-Wirtschaft<br />
und US-Forschung etwas<br />
Gleichwertiges entgegenzusetzen.<br />
Während das Massachusetts Institute<br />
of Technology aber eine Universität<br />
mit einem Milliarden-Etat<br />
ist, wird es sich beim EIT um eine<br />
Koordinierungsstelle mit rund 60<br />
Mitarbeitern handeln. Für die Aufgaben<br />
bis 2013 sind etwas über<br />
300 Millionen Euro eingeplant.<br />
Das EIT soll Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />
und Unternehmen<br />
zu Wissens- und Innovationsgemeinschaften<br />
(Knowledge<br />
and Innovation Communities, KIC)<br />
zusammenführen und vernetzen.<br />
Der Erfolg des Europäischen Instituts<br />
steht und fällt mit der Bereitschaft<br />
der Unternehmen, sich<br />
zu beteiligen und zu investieren.<br />
Neue Formen der Energiegewinnung<br />
und die nächste Generation<br />
der Informationstechnologie gehören<br />
voraussichtlich zu den ersten<br />
Tätigkeitsfeldern des EIT. An den<br />
innovativen Partnerschaftsprojekten<br />
zwischen Wirtschaft und<br />
Wissenschaft sollen die Hochschulen<br />
gleichberechtigt beteiligt<br />
werden und unter anderem einen<br />
prestigeträchtigen EIT-Stempel für<br />
Master- und Promotionsabschlüsse<br />
erhalten.<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Forschungsprojekt<br />
Gegen „saure“ Ozeane<br />
Die von Menschen verursachte<br />
Emission von Kohlendioxid verändert<br />
nicht nur die Atmosphäre,<br />
sondern wirkt sich auch negativ<br />
auf die Ozeane aus. Wissenschaftler<br />
sprechen von der „Versauerung<br />
der Meere“. Diesen Prozess wollen<br />
27 Forscherteams aus neun europäischen<br />
Ländern im Projekt EPO-<br />
CA unter die Lupe nehmen, unterstützt<br />
mit 6,5 Millionen Euro der<br />
Europäischen Union. Insgesamt<br />
hat das Forschungsvorhaben ein<br />
Volumen von 16,5 Millionen Euro<br />
und wird vom Ozeanografischen<br />
Labor im französischen Villefranche-sur-Mer<br />
koordiniert.<br />
Professor Ulf Riebesell vom<br />
Leibniz-Institut für Meereswissenschaften<br />
in Kiel ist stellvertretender<br />
Koordinator von EPOCA. Er<br />
sieht die Position Europas durch<br />
das Projekt auf dem relativ neuen<br />
Gebiet der Umweltforschung<br />
gestärkt. Die Forscher interessiert<br />
vor allem, wie sich die Kohlendioxidanreicherung<br />
der Meere<br />
auf das tierische und pflanzliche<br />
Plankton auswirkt. Sie wollen<br />
jene kritische Schwelle der Versauerung<br />
feststellen, ab der die<br />
Ökosysteme der Weltmeere be-<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Foto: Alfred-Wegener-Institut/www.awi.de<br />
droht sind. Die Ergebnisse sollen<br />
der EU zusätzliche Argumente für<br />
die Verhandlungen zum Kyoto-<br />
Nachfolgevertrag geben.<br />
China/EU<br />
Mehr Europäer lernen<br />
Chinesisch<br />
Das Verhältnis zwischen der Europäischen<br />
Union (EU) und China ist<br />
trotz des bedeutenden Handelsvolumens<br />
nie frei von Spannungen.<br />
In der Wirtschaft ist die Produktpiraterie<br />
immer wieder Thema und<br />
in den politischen Beziehungen<br />
sind es die Menschen- und Bürgerrechte.<br />
Umso wichtiger sind<br />
bilateraler Dialog und Austausch,<br />
den China und die EU durch ein<br />
Sprach-Programm weiter fördern<br />
wollen: „EU Window“ ermöglicht<br />
200 Lehrern und 400 Schulleitern<br />
Europa<br />
Das Gehäuse der<br />
Flügelschnecke Limacina<br />
löst sich im „sauren“ Meer auf<br />
aus EU-Staaten, ihre Sprach-<br />
und Landeskenntnisse in<br />
China zu verbessern. An-<br />
und Abreise müssen die<br />
Teilnehmer bezahlen, für<br />
die Kosten vor Ort kommt<br />
China auf. Das vierjährige<br />
Programm beginnt im kommenden<br />
Jahr.<br />
Der für Mehrsprachigkeit zuständige<br />
EU-Kommissar Leonard<br />
Orban und der stellvertretende<br />
chinesische Bildungsminister<br />
Zhang Xinsheng unterzeichneten<br />
das entsprechende Abkommen<br />
Anfang Juni in Brüssel.<br />
Bereits seit 2007 fördert die chinesische<br />
Regierung Studierende<br />
aus Europa und vergibt Stipendien<br />
für Sprachaufenthalte. In<br />
umgekehrter Richtung ist Peking<br />
ebenfalls am Austausch interessiert:<br />
Im Rahmen des Hochschul-<br />
Mobilitätsprogramms ERASMUS<br />
Mundus haben bisher 450 chinesische<br />
Studierende – von insgesamt<br />
rund 4 000 Geförderten – ein<br />
Stipendium in der EU erhalten, 20<br />
chinesische Universitäten sind<br />
Partner in ERASMUS Mundus-<br />
Konsortien.<br />
Katja Spross<br />
Exotische Zeichen stehen in Europa immer häufiger auf dem Stundenplan<br />
25
26<br />
arbEITEn WElTWEIT<br />
Viele Stunden<br />
in der Sauna<br />
Tragfähige Geschäftsbeziehungen<br />
in Russland<br />
Russland ist für deutsche Unternehmer ein<br />
interessantes und zugleich unbekanntes<br />
Terrain. Allein in Moskau sind etwa 3 000,<br />
in der Russischen Föderation rund 4 500<br />
deutsche Unternehmen tätig. Trotz langjähriger<br />
Wirtschaftsbeziehungen gibt es<br />
immer noch bürokratische Hindernisse<br />
und Kommunikationsprobleme zwischen<br />
Deutschen und Russen. Thomas Olson<br />
arbeitet als Anwalt und Wirtschaftsprüfer,<br />
Steffen Fiebig als Vertriebsleiter in Moskau<br />
– beide wissen, was es heißt, sich auf dem<br />
russischen Markt zu behaupten.<br />
Thomas Olson arbeitet seit fast 20 Jahren<br />
in Moskau. Der Anwalt und Wirtschaftsprüfer<br />
berät deutschsprachige Unternehmer,<br />
die in Russland investieren wollen. „Wenn<br />
Sie bereit sind, zwölf bis 14 Stunden täglich<br />
zu arbeiten und relativ wenig zu schlafen,<br />
und wenn Sie ein gutes diplomatisches Geschick<br />
haben, können Sie hier etwas werden“,<br />
umreißt er sein Tätigkeitsprofil. Der heute<br />
39-Jährige kennt das Terrain wie wenige andere:<br />
Als Bürger der Deutschen Demokratischen<br />
Republik (DDR) studierte er noch zu Zeiten der<br />
Sowjetunion internationales Recht, machte<br />
seinen Abschluss in Moskau und begann dort,<br />
eine Kanzlei aufzubauen.<br />
Trotz perfekter Russischkenntnisse und<br />
guter Kontakte schlug auch bei Thomas Olson<br />
die überbordende Bürokratie zu. „Nach<br />
14 Jahren Tätigkeit vor Ort musste ich eine<br />
russische Zulassungsprüfung ablegen, um<br />
weiterhin hier arbeiten zu können“, erinnert<br />
er sich. Er belegte Kurse und büffelte Theorie,<br />
deren praktische Auswirkungen er längst<br />
umsetzte – und nahm die Hürde. So lange wie<br />
er ist kaum ein Ausländer auf dem Markt, das<br />
schafft Vertrauen auf beiden Seiten. „Ich achte<br />
bei allen Beratungen stets auf die Interessen<br />
beider Seiten. Dokumente müssen gründlich<br />
und solide verfasst sein, damit die angebahnte<br />
Geschäftsbeziehung auch auf lange Sicht gut<br />
funktioniert.“<br />
Identität bewahrt<br />
Denn das Verhältnis zwischen den Partnern<br />
ändert sich ständig. Hat anfangs der Investor<br />
das Kapital und das Know-how, geht Letzteres<br />
im Laufe der Jahre immer stärker auf die russische<br />
Seite über. Da sind stabile Vereinbarungen<br />
gefragt. Thomas Olson begleitet Mittelständler<br />
ebenso wie Großkonzerne auf ihrem<br />
Weg in die russische Wirtschaftswelt. Dabei<br />
geht es um interkulturelles Dolmetschen,<br />
Grundstückskauf, Beratung im Baurecht oder<br />
die Kontaktanbahnung zu den Ministerien.<br />
„Viele Mandanten sind immer noch erstaunt,<br />
wenn es in Russland nicht so läuft, wie sie es<br />
aus Deutschland gewohnt sind. Da hilft nur,<br />
darauf hinzuweisen, dass wir uns auf russischem<br />
Territorium befinden und hier die<br />
russischen Gesetze und Mentalitäten gelten“,<br />
erläutert Thomas Olson das tägliche Geschäft.<br />
Trotz der manchmal nicht einfachen Prozesse<br />
Zwischen Pracht und Moderne: Moskauer Metrostation…<br />
in einem Land mit dauernd wachsendem<br />
Markt ist der Wirtschaftsprüfer mit vollem<br />
Engagement dabei. „Die Ergebnisse meiner<br />
Arbeit sind sichtbar, und es macht mich sehr<br />
stolz, wenn ich einen Flughafen oder eine Fabrik<br />
sehe, an deren Bau ich beteiligt war.“<br />
Obwohl oder gerade weil Thomas Olson<br />
schon so lange in Moskau lebt, pflegt er seine<br />
deutsche Identität ganz bewusst. Der Mecklenburger<br />
hört im Internet täglich einen privaten<br />
norddeutschen Radiosender und lebt in der<br />
deutschen Community in Moskau. „Ich brauche<br />
diese Heimatverbundenheit, um meine<br />
Mandanten überzeugend vertreten zu können.<br />
Das wissen und respektieren die russischen<br />
Partner.“ Und noch eine Qualifikation für das<br />
Bestehen auf dem russischen Markt nennt<br />
Thomas Olson: „Sie müssen politische Prozesse<br />
analysieren können und in diesem Rahmen<br />
im Interesse der Mandanten handeln.“<br />
Aneinander vorbei<br />
Auch Steffen Fiebig kennt das heutige Russland<br />
ebenso gut wie die ehemalige Sowjetunion.<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: Blume Bild
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: JA/F1 ONLINE<br />
Der Potsdamer studierte zu DDR-Zeiten fünf<br />
Jahre im heutigen Weißrussland und legte in<br />
Minsk seinen Diplom-Ingenieur im Fach Motorentechnik<br />
ab. „In der Schule hat mich Russisch<br />
nicht sonderlich interessiert. Erst später,<br />
als ich nach meiner Ausbildung zum Studium<br />
entsandt wurde, lernte ich das Land und vor<br />
allem die Menschen kennen und schätzen.“<br />
Der damals 21-Jährige war begeistert von der<br />
Herzlichkeit seiner russischen Kommilitonen<br />
und wurde zu einem Russland-Fan.<br />
Zurück in Deutschland, blieb er in Kontakt<br />
mit den russischen Freunden und bewarb sich<br />
sofort, als er eine Anzeige des Bosch-Konzerns<br />
las. Dort wurden Mitarbeiter für Projekte in<br />
der Russischen Föderation gesucht, Steffen<br />
Fiebig war mit seinen perfekten Russischkenntnissen<br />
und seiner Fachausbildung ein<br />
idealer Kandidat. „Als ich diese Annonce las,<br />
wurde der Wunsch, nach Russland zu gehen,<br />
wieder geweckt. Als Mitarbeiter der Robert<br />
Bosch GmbH in Deutschland habe ich gemerkt,<br />
wie häufig Deutsche und Russen aneinander<br />
vorbeireden.“<br />
Seit Oktober 2005 ist der 42-jährige Verkaufsleiter<br />
bei OOO Robert Bosch in Moskau, einer<br />
Tochter der deutschen Robert Bosch GmbH. Er<br />
ist dort verantwortlich für den Vertrieb und die<br />
technische Anpassung von Einspritzsystemen<br />
für Dieselmotoren, sei es für Lkw, Pkw oder<br />
Schiffe. Steffen Fiebig begann mit zwei Kollegen,<br />
heute führt er ein Team von insgesamt<br />
25 Mitarbeitern. „Mich hat die Aufbauarbeit<br />
gereizt. Es galt, Techniker und Projektmanager<br />
einzustellen, zu schulen und einzusetzen. Ab<br />
2009 wollen wir auch hier im Land fertigen.“<br />
Erfolgsfaktor Russisch<br />
Steffen Fiebig bedauert, dass die Deutschen<br />
häufig die Tendenz haben, die ausländischen<br />
Partner belehren zu wollen. Er erlebt die<br />
deutsch-russischen Mentalitätsunterschiede<br />
und nennt das Haupthindernis für geschäftliche<br />
Abschlüsse: unterschiedliche Zeithorizonte.<br />
„Ich weiß inzwischen nicht mehr, wie<br />
viele Stunden ich in der Sauna verbracht und<br />
wie viele Gläser Wodka ich getrunken habe,<br />
denn hier läuft fast alles auf der Beziehungsebene.<br />
Ein deutscher Unternehmer, der meint,<br />
nach zweistündigen Verhandlungen die Basis<br />
für ein Geschäft gelegt zu haben, wird niemals<br />
Erfolg haben.“ Das gilt auch für die jüngere<br />
Generation, die sich im Übrigen eher am Westen<br />
orientiert und ein deutlich anderes Verständnis<br />
von wirtschaftlichen Abläufen hat als<br />
die von Sowjetzeiten geprägten Jahrgänge.<br />
Die Funktion als Übersetzer zwischen beiden<br />
Kulturen bestimmt Steffen Fiebigs tägliche<br />
Arbeit. Während russische Kunden mehrere<br />
Treffen als selbstverständlich ansehen, drängt<br />
der deutsche Mutterkonzern auf schnelle<br />
Abschlüsse und effiziente Abwicklung – ein<br />
täglicher Spagat, der für den Ingenieur den<br />
Reiz seiner Arbeit ausmacht. Denn er erlebt<br />
…und das 2004<br />
eröffnete Messegelände<br />
Crocus Expo<br />
arbEITEn WElTWEIT<br />
auch, wie erfolgreich deutsche Unternehmen<br />
in Russ land sind. „Wir haben ein gutes Image<br />
und werden von den russischen Partnern sehr<br />
geschätzt – ein Marktvorteil, den es auszubauen<br />
gilt. Internationalisierte Strukturen<br />
und Mitarbeiter mit sehr guten Russischkenntnissen<br />
sind die Erfolgsfaktoren“, ist er<br />
überzeugt. Denn auch hier gilt: „Das persönliche<br />
Gespräch auf Russisch ist die Grundlage<br />
für alle weiteren Schritte.“<br />
Bis Ende 2009 bleibt Steffen Fiebig mit seiner<br />
Frau und der kleinen Tochter noch in der<br />
russischen Hauptstadt, die auch sehr anstrengend<br />
sein kann. „Der unglaubliche Verkehr<br />
macht es unmöglich, sich so zu bewegen, wie<br />
wir es gewohnt sind. Hinzu kommen die extreme<br />
Umweltbelastung und die sehr schwierigen<br />
Behördengänge“, zählt er die Nachteile<br />
auf. Ohne die spezialisierte Abteilung des Konzerns<br />
hätte er Probleme mit Aufenthaltsgenehmigung<br />
und Arbeitserlaubnis bekommen.<br />
Und dennoch: Er schließt nicht aus, erneut<br />
nach Russland zu kommen – zu viele Freunde<br />
und positive Erlebnisse binden ihn an dieses<br />
Land. Isabell Lisberg-Haag<br />
27<br />
Foto: PhotoXPress/VISUM
28 rÄTSEl<br />
In diesem Rätsel sollen neue Wörter kreiert<br />
werden – und zwar durch den Austausch der<br />
jeweils ersten Silbe. Zum Beispiel: Aus Geländer wird Engländer,<br />
aus Patrone eine Zitrone, aus Trauring ein Hering.<br />
Aus den nachstehenden elf Wörtern entstehen neue, wenn man<br />
folgende Anfangssilben richtig einsetzt:<br />
Alt, An, Er, Gar, Geld, In, Nie, Park, Rich, Som, Zun<br />
1. Ham-mer –<br />
2. Tanz-fläche –<br />
3. Haupt-stadt –<br />
4. Län-ge –<br />
5. Kes-sel –<br />
6. Volks-zählung –<br />
7. Mut-ter –<br />
8. Sar-dine –<br />
9. Fisch-fang –<br />
10. Oh-renleiden –<br />
11. Flur-stück –<br />
................mer<br />
................fläche<br />
................stadt<br />
................ge<br />
................sel<br />
................zählung<br />
................ter<br />
................dine<br />
................fang<br />
................renleiden<br />
................stück<br />
Bei richtiger Silbenkombination ergeben die elf Anfangsbuchstaben der neuen Wörter<br />
die Lösung: Es ist der Begriff für ein weltweit beliebtes Verhalten in der Freizeit.<br />
Schreiben Sie das Lösungswort an ▼<br />
Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne und zehn Trostpreise vergeben. Bei<br />
diesem Rätsel nehmen an der Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen und Lesern teil,<br />
deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige<br />
Anschrift des Absenders angeben!<br />
DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />
1. Duden – Die deutsche Rechtschreibung. Dudenverlag<br />
2. Der große Conrady: Das Buch deutscher Gedichte von den Anfängen bis zur Gegenwart.<br />
Hrsg.von Karl Otto Conrady. Artemis und Winkler Verlag 2008<br />
3. Die Blaue Blume. Traditional German Folk Songs. Von Sterndreher: CD New Earth Records<br />
4. Manfred Reitz: Erlebniswelt Naturwissenschaften. Moleküle, Zellen, Pflanzen, Menschen.<br />
Editio Cantor Verlag 2008<br />
Bitte geben Sie mit der Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />
Wer war’s? Professor Grübler fragt<br />
Aus guten Gründen spricht man vom „finsteren Mittelalter“.<br />
Es ist eine Zeit der Willkür. Universitäten gibt<br />
es noch nicht. Kaum jemand kann überhaupt lesen und<br />
schreiben.<br />
In dieser Zeit gelingt es einer Frau, eine erstaunliche Wirkung<br />
zu entfalten. Sie ist das zehnte Kind einer adligen Familie und<br />
tritt in ein Kloster ein. Umgeben von – männlichen – religiösen<br />
Autoritäten, weiß sich die lebenskluge Frau doch immer wieder<br />
neu zu behaupten. Sie bringt theologische Texte in Umlauf und<br />
wehrt Kritik dadurch ab, dass sie selbstbewusst behauptet, ihre Haltung<br />
gründe sich auf „Visionen“. Sie verfasst Schriften zu Theologie,<br />
Ethik, Musik, Natur und Krankheiten.<br />
Geschickt nutzt sie ihre Popularität: Sie bereist ihre Heimatregion<br />
und hält öffentliche Ansprachen. Mit einer gewissen Berechtigung<br />
gilt sie als Vorläuferin der Frauenbewegung, der Naturheilkunde,<br />
ja der volkstümlichen Belehrung. Jedenfalls gibt es seit 1995 einen<br />
Publizistik-Preis, der nach ihr benannt ist – übrigens wurde<br />
dieser Preis von Zahnärzten aus Rheinland-Pfalz gestiftet.<br />
Die gelehrte Frau erreicht ein für die Zeitumstände außergewöhnlich<br />
hohes Alter. Sie stirbt mit ungefähr 82 Jahren.<br />
Ganz genau lässt sich das allerdings nicht ermitteln, weil<br />
ihr Geburtsdatum nur geschätzt werden kann.<br />
1998 hat die katholische Kirche eine Reihe von<br />
Gedenkveranstaltungen zu Ehren dieser Powerfrau<br />
abgehalten. Daraufhin erlebte ihre Heimatstadt<br />
einen Pilger- und Tourismus-Boom. Die<br />
Zahl der Hotel-Übernachtungen in ihrem<br />
Geburts ort stieg um 15 Prozent.<br />
!<br />
Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />
Unter den richtigen Lösungen werden<br />
fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />
ist ausgeschlossen. Bitte wählen<br />
Sie unter den links unten genannten<br />
Preisen.<br />
Senden Sie die Lösung an ▼<br />
Redaktion <strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong><br />
Trio MedienService<br />
Dr. Leonie Loreck<br />
Chausseestraße 103<br />
10115 Berlin, Germany<br />
Fax: +49 30/28 09 61 97<br />
E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />
Einsendeschluss ist der 10. November 2008<br />
Die Lösung und die Gewinner<br />
der vorigen <strong>Letter</strong>-Rätsel<br />
finden Sie auf Seite 42<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
SpraChWErKSTaTT<br />
nicht nur ein romancier …<br />
Bindewörter – so genannte Konjunktionen – verknüpfen Wörter, Satzteile oder ganze<br />
Sätze miteinander. Es gibt einfache, wie aber, auch, oder, sowie zweigliedrige, die der<br />
Aussage etwas mehr Nachdruck verleihen: entweder – oder, nicht nur – sondern auch,<br />
sowohl – als auch, weder – noch, zwar – aber. Bitte setzen Sie im folgenden Text die<br />
richtigen Bindewörter ein.<br />
Theodor Fontane, gezeichnet<br />
von Max Liebermann 1896<br />
Er ist ohne Zweifel der bedeutendste<br />
Vertreter des poetischen Realismus<br />
in Deutschland, und _____ Wilhelm<br />
Raabe _____ Theodor Storm, die beiden<br />
anderen großen norddeutschen<br />
Erzähler dieser Epoche, werden bis<br />
heute so viel gelesen wie er: Heinrich<br />
Theodor Fontane (1819–1898).<br />
Fontane hat _____ _____ wunderbare,<br />
ausdrucksstarke Balladen und<br />
Gedichte geschrieben, wie „Die<br />
Brück’ am Tay“, „John Maynard“<br />
_____ „Herr von Ribbeck“, _____<br />
_____ Novellen und Reiseberichte,<br />
darunter das fünfbändige Werk<br />
„Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (1862–89). Berühmt geworden _____ ist<br />
er durch seine großartigen Zeit- und Gesellschaftsromane. Zu den bekanntesten zählen<br />
„Effi Briest“ und „Der Stechlin“, ____ _____ „Irrungen, Wirrungen“, „Unwiederbringlich“<br />
und „Frau Jenny Treibel“, alle erst ab 1888 entstanden. In diesen Romanen setzt sich<br />
Fontane ____ kritisch, _____ meist humorvoll-ironisch und eher im Plauderton _____ mit<br />
historischen Themen _____ _____ mit sozialen Fragen auseinander. Dabei nimmt er _____<br />
die Rolle des allwissenden Erzählers ein _____ benutzt die ausgefeilten Dialoge seiner<br />
Romanfiguren, um beispielsweise das preußische Standesdenken und starre Konventionen<br />
in Frage zu stellen.<br />
Doch das Werk Fontanes umfasst _____ politische Texte, Kriegsberichte und Theaterkritiken:<br />
Er war _____ _____ Schriftsteller, _____ _____ Journalist und Apotheker. Im brandenburgischen<br />
Neuruppin als Apothekersohn geboren, ging Fontane nach dem Besuch<br />
des Gymnasiums _____ an eine Gewerbeschule in Berlin, brach sie _____ 1836 ab.<br />
Stattdessen ergriff er den Beruf seines Vaters, bis er sich 1849 ganz für das Schreiben<br />
entschied. Schon zuvor hatte er _____ literarisch _____ _____ journalistisch gearbeitet.<br />
1950 wurde Fontane _____ _____ Pressereferent der preußischen Regierung, _____ er<br />
heiratete _____ seine Schulfreundin Emilie Rouanet-Kummer. Von 1855 bis 1859 war<br />
er als Korrespondent in London tätig, und 1860 begann er als Redakteur und Kriegsberichterstatter<br />
bei der Berliner „Kreuzzeitung“. Zehn Jahre darauf wechselte er _____<br />
noch als Theaterkritiker zur „Vossischen Zeitung“, widmete sich ____ ab 1876 nur noch<br />
der Schriftstellerei, so dass zwei Jahre später sein erster Roman, „Vor dem Sturm“, erscheinen<br />
konnte.<br />
Am 20. September vor 110 Jahren starb Theodor Fontane in Berlin, wo er _____ begraben<br />
wurde.<br />
Christine Hardt<br />
LÖSUNG: weder, noch, nicht nur, oder, sondern auch, aber, aber auch, zwar, aber, sowohl, als auch, entweder, oder, auch, nicht nur,<br />
sondern auch, zwar, aber, sowohl, als auch, nicht nur, sondern, auch, zwar, aber, auch.<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: akg-images<br />
auFgESpIESST<br />
das ist der hammer!<br />
SpraChECKE<br />
Ein Hammer ist zunächst einmal ein Werkzeug<br />
zum Schlagen oder Klopfen, ein Gerät also, mit<br />
dem man nach Herzenslust hämmern kann. In<br />
jedem deutschen Haushalt liegt oder hängt mindestens<br />
einer. Wer allerdings jemandem zeigen<br />
möchte, «wo der Hammer hängt», der denkt in<br />
den seltensten Fällen an Werkzeug. Er will womöglich<br />
seinem Nachbarn gehörig die Meinung<br />
sagen, und um das auszudrücken, verwendet er<br />
diese schöne Redensart. Er könnte sogar noch<br />
weiter gehen und behaupten, der Nachbar sei<br />
«behämmert», habe also irgendwann einen<br />
Hammer auf den Kopf bekommen und sei folglich<br />
nicht ganz richtig in diesem. Was übrigens<br />
die Franzosen auch gerne sagen: «Il est complètement<br />
marteau.»<br />
Näher am Werkzeug sind wir wiederum auf einer<br />
Versteigerung, bei der irgendetwas «unter<br />
den Hammer» kommt: Hier wird das Höchstgebot<br />
durch einen Hammerschlag des Auktionärs<br />
bestätigt und verbindlich gemacht. Auch dieses<br />
«Unter-den-Hammer-Kommen» ist eine alte deutsche<br />
Redensart, die man einfach kennt, ohne sie<br />
unbedingt täglich zu gebrauchen.<br />
Ausgedient hat der Hammer aber lange noch<br />
nicht – dass etwas «ein Hammer» sei, hört man<br />
im heutigen Alltagsdeutsch sogar sehr oft. Gemeint<br />
ist: Es ist super, es ist unglaublich, es<br />
übertrifft alle Erwartungen, die positiven wie<br />
die negativen. Das Freistoßtor von Michael Ballack<br />
im Europameisterschaftsspiel Deutschland<br />
gegen Österreich war jedenfalls «ein Hammer»<br />
– und zwar, sprachlich gesehen, in doppeltem<br />
Sinne: ein scharf geschossener, hammerharter<br />
Ball, gegen den der gegnerische Torwart nichts<br />
ausrichten konnte, und ein alle Erwartungen<br />
übertreffendes, großartiges Tor.<br />
Auf die unerhörtesten Sachverhalte und sensationellsten<br />
Neuigkeiten kann man mit der Bemerkung<br />
«Hammer, oder?» reagieren – zumindest<br />
tun das viele Jugendliche. Und Sensationen<br />
gibt es heute am laufenden Band: Mein Bäcker<br />
um die Ecke wirbt seit Wochen mit unglaublich<br />
niedrigen «Hammerpreisen» für seine Brötchen<br />
und Brezeln, und das Fahrradgeschäft daneben<br />
hämmert den Passanten ein: «Der Hammer!<br />
Reparaturen sofort! Keine Wartezeiten!» Von<br />
den Preisen für diese Reparaturen ist dort nicht<br />
die Rede – hoffentlich sind sie nicht allzu hoch.<br />
Denn meine letzte Stromrechnung war, na was was<br />
denn wohl: echt echt der Hammer!<br />
29
30 daad<br />
artenschutz geht alle an<br />
Alumni engagieren sich für biologische Vielfalt<br />
Ein drängendes Thema aus zwei Perspektiven:<br />
In einer Sommerschule der Universität<br />
Göttingen bildeten sich 24 Alumni aus<br />
Schwellen- und Entwicklungsländern über<br />
Biodiversität weiter. In Bonn besuchten sie<br />
die UN-Konferenz zum gleichen Thema.<br />
Riesige Plantagen bestimmen das Bild der<br />
Karibikküste um den Hafen Puerto Limón<br />
in Costa Rica, dem zweitgrößten Bananen-<br />
Exporteur der Welt. Arbeiter schleppen sich<br />
über die Felder und riskieren täglich ihre Gesundheit<br />
angesichts von Unmengen an Pestiziden,<br />
die Flugzeuge aus der Luft versprühen.<br />
Die Chemikalien töten zwar Schädlinge<br />
und ermöglichen so einen maximalen Ertrag<br />
der populären Dessertbananen, aber sie vernichten<br />
zugleich nützliche Kleinstlebewesen.<br />
„Es gibt über 100 Bananenarten, aber die<br />
Monokulturen auf unseren Feldern haben<br />
die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft<br />
längst verdrängt“, kritisiert Luis Pocasangre<br />
vom landwirtschaftlichen Forschungs- und<br />
Studienzentrum Centro Agronómico Tropical<br />
de Investigación y Enseñanza.<br />
Luis Pocasangre hat sich gemeinsam mit 24<br />
Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen<br />
in der vom <strong>DAAD</strong> geförderten Sommerschule<br />
zum Thema „Managing Biodiversity in Developing<br />
Countries“ an der Universität Göttingen<br />
weitergebildet. Die Gäste kamen aus 13 Entwicklungs-<br />
und Schwellenländern und hatten<br />
alle einen Teil ihrer Ausbildung in Deutschland<br />
absolviert.<br />
Mit welchen Instrumenten lässt sich Biodiversität<br />
in Entwicklungsländern steuern? Welche<br />
Rolle spielt Biodiversität in den Bildungssystemen?<br />
Das waren einige der Fragen, mit denen<br />
sich die Alumni beschäftigten. Sie hörten Vorträge<br />
und diskutierten in Workshops mögliche<br />
Antworten. „Die Stimmung war entspannt, die<br />
Kommunikation unkompliziert“, sagt Marie<br />
Mbolo. Sie arbeitet im Regionalbüro der Nichtregierungsorganisation<br />
Forest Stewardship<br />
Council in yaoundé, Kamerun, und ist Hochschullehrerin<br />
an der dortigen Universität.<br />
Marie Mbolo war schon einmal in Deutschland<br />
– mit einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium. Damals<br />
hielt ihr Vater sie für verrückt: „Du möchtest<br />
doch nicht etwa bei der ehemaligen Kolonialmacht<br />
studieren?“ Die Deutschen gelten als<br />
Menschen, die die Dinge „geradeheraus“ sagen.<br />
Diese Mentalität gefiel der Stipendiatin,<br />
also ließ sie sich von den Vorbehalten ihres<br />
Vaters nicht abschrecken. In Deutschland<br />
lernte sie nicht nur moderne Methoden im<br />
Forstmanagement kennen, auch die gründliche<br />
deutsche Art, Veranstaltungen zu organisieren,<br />
nahm sie sich zum Vorbild. Künftig<br />
möchte Marie Mbolo Alumni-Workshops in ihrer<br />
Heimat anbieten. „In Kamerun leben viele<br />
Deutschland-Alumni, aber ich kenne nicht<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: digitalstock/A. Pobitzer<br />
einmal alle an meiner Fakultät“, sagt sie. Die<br />
Sommerschule sei ein Beispiel für gelungene<br />
Alumni-Arbeit.<br />
Deutsche Nationalparks als Vorbild<br />
In der Göttinger Sommerschule wechselten<br />
sich Theorie und Praxis ab: Die Gäste<br />
unternahmen Exkursionen zum Naturpark<br />
Solling-Vogler mit seinen seltenen Pflanzen<br />
wie Sonnentau oder Steifenfarn sowie in das<br />
größte zusammenhängende Laubwaldgebiet<br />
Deutschlands, den Nationalpark Hainich.<br />
yue Wang aus China war sehr angetan: „Das<br />
pädagogische Konzept im Hainich-Park ist<br />
spannend, denn es gelingt, der Öffentlichkeit<br />
die Schönheit der Natur zu vermitteln.“ Die<br />
Absolventin der Universität yale, USA, arbeitet<br />
im chinesischen Kunming in der Provinz<br />
yunnan für die Non-Profit-Organisation Nature<br />
Conservancy. „Wir möchten in Kunming<br />
zwei Nationalparks errichten – die ersten in<br />
China überhaupt“, sagt sie. Das pädagogische<br />
Konzept im Hainich-Park könne hierfür ein<br />
Vorbild sein.<br />
Rund um Artenvielfalt: <strong>DAAD</strong>-Alumni besuchen<br />
die Bonner UN-Konferenz über Biodiversität<br />
Nach dem Ausflug in die Natur ging es dorthin,<br />
wo über das Schicksal der Natur mitentschieden<br />
wird – in die Politik. Konkret: zur<br />
9. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention<br />
über die biologische Vielfalt, zu der 6 000<br />
Teilnehmer aus aller Welt nach Bonn gereist<br />
waren.<br />
Luis Pocasangre nahm an einer Diskussion<br />
über Biotreibstoffe und an einer Sitzung über<br />
den Zusammenhang von Tourismus und Biodiversität<br />
teil. Außerdem besuchte der Costa<br />
Ricaner seinen Doktorvater Richard Sikora<br />
am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften<br />
und Ressourcenschutz der Universität Bonn.<br />
Im Jahr 2000 hatte Luis Pocasangre promoviert,<br />
seither arbeiten die beiden zusammen.<br />
„Die Bonner Wissenschaftler lernen auf unseren<br />
Feldern praktische Beispiele aus dem<br />
Ressourcenschutz, etwa im Bananenanbau,<br />
kennen und wir profitieren von den besser<br />
ausgerüsteten deutschen Laboren“, sagt Luis<br />
Pocasangre. Derzeit betreut sein Bonner Kollege<br />
fünf Doktoranden aus Costa Rica, die bei<br />
ihm studiert hatten.<br />
Nicht nur alte Verbindungen wurden in<br />
Bonn aufgefrischt, die Alumni knüpften auf<br />
der UN-Konferenz auch neue Kontakte. Zum<br />
Beispiel Houman Liaghati. Der Leiter des Forschungsinstituts<br />
für Umweltwissenschaften<br />
an der National Shahid Beheshti Universität<br />
im Iran kam mit dem Träger des alternativen<br />
Nobelpreises 1997, Michael Succow, ins Gespräch.<br />
Succow fördert mit seiner Stiftung unter<br />
anderem ein Nationalparkprogramm für<br />
Fotos: <strong>DAAD</strong>/Lichtenscheidt<br />
daad<br />
Aserbaidschan. Mit ihm plant nun Houman<br />
Liaghati im kommenden Jahr ein gemeinsames<br />
Naturschutzprojekt im iranisch-turkmenischen<br />
Grenzgebiet.<br />
Das Projekt zeigt, wie sich Universitäten für<br />
Biodiversität engagieren. Welche Rolle Alumni<br />
dabei spielen können, war das Thema einer<br />
<strong>DAAD</strong>-Podiumsdiskussion am Rande der UN-<br />
Konferenz. Auf dem Podium saßen: die Kamerunerin<br />
Marie Mbolo, der Leiter der Göttinger<br />
Sommerschule, Christoph Kleinn, Martin<br />
Visbeck vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften,<br />
Balakrishna Pisupati vom United<br />
Nations Environment Programme und Edy<br />
Hartulistiyoso, Landwirtschaftlicher Attaché<br />
der indonesischen Botschaft in Brüssel. Alle<br />
Experten betonten, wie wichtig es sei, die komplexen<br />
Wechselbeziehungen zwischen Artenvielfalt<br />
und menschlicher Zivilisation einem<br />
breiten Publikum zu verdeutlichen: Eine Aufgabe,<br />
die Alumni übernehmen könnten. Edy<br />
Hartulistiyoso appellierte an die Öffentlichkeit:<br />
„Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und<br />
Öffentlichkeit müssen vereint gegen Artenverlust<br />
vorgehen. Artenschutz geht alle an – wir<br />
brauchen jetzt Gemeinschaftsgeist.“<br />
Konkrete Pläne<br />
Ob es gemeinsame Anstrengungen geben wird<br />
und Politiker Artenvielfalt zur Priorität erklären,<br />
ließ die UN-Konferenz offen. Die Alumni<br />
wollen sich deshalb nicht allein auf die Politik<br />
verlassen. Am letzten Tag ihrer Sommerschule<br />
präsentierten sie in der Bonner <strong>DAAD</strong>-<br />
Zentrale Ideen, wie sie Biodiversität in ihren<br />
Heimatländern im öffentlichen Bewusstsein<br />
verankern wollen. So planen sie, Curricula zu<br />
entwickeln, um biologische Vielfalt auf allen<br />
Ebenen der Bildungssysteme zu thematisieren.<br />
Eine andere Idee waren einfache Monitoring-Instrumente,<br />
mit deren Hilfe regionale<br />
Verwaltungen bedrohte Pflanzenarten schützen<br />
könnten. Für die Weiterentwicklung und<br />
Verwirklichung ihrer Ideen wollen die Alumni<br />
Partner und Geldgeber suchen. „Wir wollen<br />
schließlich biologische Vielfalt in der Natur,<br />
nicht in Laboren oder in einem Jurassic Park“,<br />
sagt Luis Pocasangre. Boris Hänßler<br />
31
32 daad<br />
Ein gewinn für beide länder<br />
Alumni gründen in Korea weltweit größtes Landesnetzwerk<br />
In Korea leben und arbeiten über 20 000<br />
Alumni, die in Deutschland studiert haben.<br />
Um ihr Potenzial besser nutzen zu können,<br />
gründeten sie im Mai das „Alumninetzwerk<br />
Deutschland – Korea“. Beide Länder sollen<br />
davon profitieren.<br />
Deutschland vollbrachte<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
das Wunder vom Rhein“,<br />
sagt Ki-Su Lee, Präsident der<br />
Korea University in Seoul.<br />
„Diesen wirtschaftlichen Erfolg<br />
nahm sich das koreanische Volk<br />
zum Vorbild. Die Koreaner litten<br />
nach der Befreiung von der<br />
japanischen Besatzung 1945<br />
und dem Korea-Krieg, der von<br />
1950-1953 dauerte, unter großen<br />
wirtschaftlichen Schwierigkeiten.“<br />
Die Aufbauleistung<br />
der Deutschen habe das Bild<br />
des westlichen Landes in Korea<br />
geprägt. Sie sei einer der Gründe,<br />
warum Koreaner auch heute<br />
noch gerne zum Studium nach<br />
Deutschland kommen. Die Zahlen<br />
sprechen für sich: Derzeit<br />
sind mehr als 4 000 Koreaner<br />
an deutschen Hochschulen eingeschrieben.<br />
Wiedervereinigung als Vorbild<br />
Das „Alumninetzwerk Deutschland – Korea“<br />
(ADeKo), das 45 koreanische Alumni-Verbände<br />
umfasst, handelt nach dem Motto „Verbinden<br />
– Stärken – Fördern“. Wichtigstes Ziel<br />
sind die Pflege und der Ausbau der deutschkoreanischen<br />
Beziehungen und die Förderung<br />
der Kooperationen im kulturellen, wissenschaftlichen<br />
und technischen Bereich. Ki-Su<br />
Lee, Vorstandsvorsitzender von ADeKo, ist<br />
überzeugt, dass nicht nur die Akademiker davon<br />
profitieren: „Die wissenschaftliche Grundlagenforschung<br />
ist in Deutschland sicher sehr<br />
fortschrittlich, aber auch die sozialen und politischen<br />
Aspekte interessieren uns. Die Deutschen<br />
haben sich erfolgreich wiedervereinigt.<br />
Koreaner möchten diesem Beispiel folgen.“<br />
Auch könne Deutschland viel von Korea lernen,<br />
meint Heidrun Kang, emeritierte deutsche<br />
Professorin und stellvertretende Vorstands-<br />
vorsitzende von ADeKo: „Koreaner sind stark<br />
zukunftsorientiert und generell fortschrittsgläubig,<br />
sie sind groß im Improvisieren und<br />
reagieren schnell auf neue Entwicklungen,<br />
während deutsche Strukturen oft zu rigide<br />
und die Mentalität eher als zaudernd erschei-<br />
nen.“ Die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit<br />
sei zwar etwas Positives, aber im Ganzen<br />
wäre etwas mehr Tempo vonnöten.<br />
Mehr Selbstbewusstsein<br />
Heidrun Kang hofft auch, dass das neue Netzwerk<br />
das Selbstbewusstsein der Deutschland-<br />
Alumni stärkt. Bisher habe die Bindung an<br />
die US-amerikanischen Universitäten zu einer<br />
engen Vernetzung der USA-Alumni geführt –<br />
in Korea sei das ein wichtiger Faktor auf dem<br />
Arbeitsmarkt. „Für die Deutschland-Alumni<br />
kann ADeKo jetzt eine entsprechende Lobbywirkung<br />
entfalten“, sagt Heidrun Kang.<br />
Ab 2009 werden Mitglieder und Sponsoren<br />
das „Alumninetzwerk Deutschland – Korea“<br />
tragen. Bis dahin läuft die Finanzierung über<br />
ein Alumni-Sonderprojekt des deutschen Bundesforschungsministeriums.<br />
Für die Koordi-<br />
<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max Huber:<br />
„Deutsch-koreanisches Alumninetzwerk<br />
setzt neue Maßstäbe.“<br />
Koreanische Deutschland-Alumni interessieren sich für deutsche Wissenschaft und Politik<br />
nation ist der <strong>DAAD</strong> verantwortlich. Dabei ist<br />
das koreanische Projekt ein großer Schritt in<br />
der Alumni-Arbeit. Denn durch ADeKo arbeitet<br />
der <strong>DAAD</strong> mit dem wohl größten Landesnetzwerk<br />
von Deutschland-Alumni weltweit<br />
zusammen. „Der <strong>DAAD</strong> wird in Korea besser<br />
vernetzt. Das stärkt seine Position und hilft<br />
enorm bei der Programmarbeit“, sagt Michael<br />
Paulus, Leiter des <strong>DAAD</strong>-Informationszentrums<br />
in Seoul. „Wir können stolz sein, ein<br />
bisher weltweit einzigartiges Alumni-Projekt<br />
angestoßen zu haben.“ Boris Hänßler<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Fotos: <strong>DAAD</strong>
Ihre ersten Monate in den USA verbrachte<br />
Jutta Allmendinger als Fußballtrainerin.<br />
Weil sie den Studienplatz an der University of<br />
Wisconsin in Madison nicht aufgeben wollte,<br />
die Zusage für das Stipendium aus Bonn jedoch<br />
auf sich warten ließ, hatte die couragierte<br />
26-jährige Diplom-Soziologin den Aufbruch<br />
ins ferne Studienland ganz ohne finanzielle<br />
Absicherung gewagt. Der Job, mit dem sie sich<br />
damals, im Jahr 1983, über Wasser hielt, bis<br />
das <strong>DAAD</strong>-Stipendium dann doch noch kam,<br />
lag ihr durchaus: „Ich spielte Frauenfußball<br />
und wollte ursprünglich Sportreporterin werden“,<br />
erinnert sie sich lachend.<br />
Die Episode ist typisch für die heutige Präsidentin<br />
des Wissenschaftszentrums Berlin für<br />
Sozialforschung und Professorin für Bildungssoziologie<br />
und Arbeitsmarktforschung an der<br />
Berliner Humboldt-Universität. Sie sagt von<br />
sich selbst, dass sie sich gern immer wieder<br />
auf Neues einlässt. So war das Graduiertenstudium<br />
in Madison auch nur der Beginn ihrer<br />
amerikanischen Karriere: 1984 wechselte sie<br />
nach Harvard, wo sie als Research Assistant<br />
arbeitete und 1989 promovierte.<br />
Die amerikanischen Jahre seien prägend gewesen,<br />
meint Allmendinger und erzählt von<br />
Erfahrungen, die sie in Deutschland nicht hätte<br />
machen können: Wie ihr Betreuer, Professor<br />
an der University of Madison, bei ihrer Ankunft<br />
an der Bushaltestelle stand, um sie abzuholen.<br />
Wie sie am nächsten Tag an der Universität<br />
dessen Frau begegnete und verwundert<br />
erfuhr, dass diese dort auch Professorin war<br />
– ein Beispiel für das in Deutschland bis heute<br />
selten praktizierte Dual-career-couple-Modell.<br />
Wie sie über Studierende staunte, die mit ihren<br />
Kindern in die Uni kamen.<br />
Dass sie nach Deutschland zurückkehrte,<br />
hatte nicht zuletzt mit ihrer Doktormutter in<br />
Harvard zu tun: Die ermunterte sie dazu, als<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Gestern Stipendiatin – und heute...<br />
Jutta allmendinger<br />
Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung<br />
„Entwicklungshelferin“ die Zahl der Professorinnen<br />
in Deutschland anzuheben. Nach<br />
Stationen in Frankfurt, Mannheim und Berlin<br />
habilitierte sie an der Freien Universität Berlin<br />
und wurde 1992 als Professorin für Soziologie<br />
an die Universität München berufen, wo sie<br />
1999 einen Lehrstuhl erhielt.<br />
Als 1994 ihr Sohn Philipp zur Welt kam,<br />
passte die Professorin mit Kind am Münchner<br />
Institut nicht recht ins Bild. Schnell war ihr<br />
klar, dass sie für ihr Mitarbeiterteam ein „Vorbild“<br />
sein konnte. Kurzerhand brachte sie das<br />
Kind mit in die Uni – und sorgte für ein Mutter-Kind-Zimmer.<br />
Denn Chancengerechtigkeit<br />
für Frauen ist für Allmendinger keineswegs<br />
nur Forschungsgegenstand, sondern auch<br />
praktisches Projekt.<br />
Als sie 2003 Direktorin am Institut für Arbeitsmarkt-<br />
und Berufsforschung (IAB) in<br />
Nürnberg wurde, fand sie dort keine einzige<br />
daad<br />
Frau auf leitendem Posten. Bei ihrem Abschied<br />
Ende 2006 war der Prozentsatz von<br />
Frauen in Führungspositionen von null auf 39<br />
gestiegen. „Die Rekrutierung von Frauen in<br />
solchen ‚Männertrutzburgen’ ist schwierig“,<br />
sagt Allmendinger, „aber jede einzelne Frau<br />
war ein extremer Gewinn, und niemand am<br />
IAB stellt das in Frage.“<br />
Chancengerechtigkeit – das Thema ist für sie<br />
ein Dauerbrenner. Die Forscherin, zu deren<br />
Themen Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik,<br />
Wettbewerb, Soziale Ungleichheit und Lebensverläufe<br />
gehören, prangert vor allem die<br />
schlechten Bildungschancen für Kinder aus<br />
sozial schwachen Familien an und betont den<br />
Zusammenhang zwischen „Bildungsarmut“<br />
und „Einkommensarmut“. Sozialpolitik ist für<br />
sie auch Bildungspolitik. Deshalb hat sie am<br />
IAB, das der Nürnberger Bundesanstalt für<br />
Arbeit zuarbeitet, ein Projekt zur präventiven<br />
Bildungspolitik entwickelt. Grundlage war die<br />
wissenschaftliche Berechnung, dass es für die<br />
Gesellschaft billiger ist, in frühkindliche Erziehung<br />
zu investieren, als später Arbeitslosengeld<br />
zahlen zu müssen.<br />
Die politische Umsetzung des Projekts ist<br />
ihr wichtig, doch selbst in die Politik zu gehen,<br />
reizt sie nicht. „Der Politik fehlt der lange<br />
Atem“, sagt sie. Als Wissenschaftlerin dagegen<br />
kann sie fundierte Vorschläge erarbeiten und<br />
gut begründete Kritik üben. Das interessiert<br />
sie auch an ihrer neuen Aufgabe als Präsidentin<br />
des Wissenschaftszentrums Berlin, des<br />
größten Sozialforschungsinstituts Europas.<br />
An der renommierten gemeinnützigen Einrichtung<br />
betreiben 140 Ökonomen, Soziologen,<br />
Politologen, Juristen und Historiker „problemorientierte<br />
Grundlagenforschung“. Die<br />
leitenden Wissenschaftler lehren gleichzeitig<br />
an Berliner Universitäten. Allmendinger,<br />
die bekannt ist für ihren kommunikativen<br />
Führungsstil, arbeitet seit ihrem<br />
Amtsantritt 2007 an neuen Konzepten<br />
der Zusammenarbeit, baut „Brücken<br />
zwischen den Abteilungen“. In dem<br />
imposanten Bau am Berliner Reichpietschufer<br />
gibt es neuerdings einen<br />
Raum, der neben einem Computerarbeitsplatz<br />
auch einen Wickeltisch und<br />
Spielzeug bietet.<br />
Leonie Loreck<br />
Foto: Reiner Zensen<br />
33
Foto: photocase/BeneA<br />
34 <strong>DAAD</strong><br />
Stipendiaten forschen<br />
Forstwissenschaft<br />
Tigersuche auf Sumatra<br />
Es gibt heute weltweit nur noch 500 Sumatra-<br />
Tiger. Panthera tigris sumatrae, eine Unterart<br />
des asiatischen Tigers, ist akut vom Aussterben<br />
bedroht. Wissenschaftler der Technischen<br />
Universität Dresden wollen herausfinden, wie<br />
viele Exemplare es tatsächlich noch gibt, was<br />
ihr Überleben besonders gefährdet und wie<br />
anpassungsfähig die Raubkatzen sind. Auskunft<br />
darüber gibt vor allem die genetische<br />
Struktur der Tiere. Wie lässt sich diese ermitteln,<br />
wenn auf Tausenden von Quadratkilometern<br />
gerade einmal eine Handvoll Tiere lebt?<br />
Muhammad Ali Imron hat eine Lösung gefunden:<br />
Der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat entwickelt im Rahmen<br />
seiner Doktorarbeit eine nichtinvasive<br />
Erhebungsmethode, bei der durch Haare und<br />
Exkremente der Tiger deren DNA gewonnen<br />
werden kann.<br />
Imron stammt aus Java und hat an der Gadjah<br />
Mada Universität in Yogyakarta Forstwissenschaft<br />
studiert. Die Hochschule ist heute Partner<br />
der TU Dresden in Sachen Tigerforschung.<br />
An der Dresdener Forstwissenschaftlichen<br />
Fakultät arbeitet der indonesische Wissenschaftler<br />
an einem Pilotprojekt. Seine Forschungsmethoden<br />
müssen noch auf Herz<br />
und Nieren geprüft werden, denn<br />
er muss in der eingesammelten<br />
Tiger-Losung die Raubkatzen-DNA<br />
von der Beute-DNA unterscheiden.<br />
Muhammad Ali Imron lässt sich<br />
daher Tigerkot aus europäischen<br />
Zoos schicken und vergleicht die<br />
gewonnenen genetischen Daten<br />
mit den Blutproben der dazugehörigen<br />
Tiere. Erst wenn klar ist,<br />
wie die Tiger-Gene eindeutig zugeordnet<br />
werden können, beginnt<br />
die Feldforschung. Imron hofft, im<br />
nächsten Jahr nach Sumatra reisen<br />
zu können.<br />
Nach der Promotion möchte der<br />
Wildtier-Forscher endgültig in<br />
seine indonesische Heimat zurückkehren.<br />
„Es gibt dort viel zu<br />
tun, um Natur und Wildtiere zu erhalten.“<br />
Zur Finanzierung seiner<br />
Pläne möchte der engagierte Naturwissenschaftler<br />
noch während<br />
seiner Zeit in Deutschland ein<br />
Netzwerk zur Unterstützung der<br />
Naturschutzarbeit in Indonesien<br />
aufbauen.<br />
Foto: Ana Torfs, ANATOMY<br />
Wie viele Tiger leben noch<br />
auf Sumatra?<br />
Installation<br />
Historische Texte in neuem Licht<br />
Über 1200 Seiten aus den Gerichtsprotokollen<br />
über die „Strafsache wegen Ermordung von Dr.<br />
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg“ hat die<br />
Künstlerin Ana Torfs gelesen, bevor sie sich<br />
an die Arbeit zu ihrer Installation ANATOMY<br />
machte. Als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin des Berliner<br />
Künstlerprogramms beschäftigte sie sich im<br />
Freiburger Militärarchiv eingehend mit dem<br />
Prozess, der 1919 im Kriminalgericht Berlin<br />
stattgefunden hatte. Sie arbeitete sich durch<br />
Zeugenaussagen, handschriftliche Fahndungsbefehle<br />
und grausame Fotos der Ermordeten.<br />
Ana Torfs wählte 25 Aussagen aus und<br />
ließ diese von jungen Berliner Schauspielern<br />
vor laufender Videokamera sprechen.<br />
Parallel dazu projiziert die Künstlerin auf<br />
eine große Wandfläche die Innenaufnahme<br />
des Berliner Anatomischen Theaters, eines<br />
Hörsaals der Tierärztlichen Hochschule Berlin,<br />
und verknüpft damit das Gerichtsverfahren<br />
mit einer Schausektion. „Ich beginne<br />
meine Arbeit oft mit einem Text als Ausgangspunkt.<br />
Den ‚seziere’ ich dann, so dass man ihn<br />
hinterher aus einem völlig neuen Blickwinkel<br />
sieht.“<br />
Der dargestellte Text ist in kurze Szenen eingeteilt,<br />
in der alle Details aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln erzählt werden, damit die Relativität<br />
des Erzählten deutlich wird. Im Mittelpunkt<br />
stehen die Sprache und die Frage, wie<br />
viel sie über das Land, die Beteiligten und den<br />
Kontext verrät. ANATOMY wurde 2006 erst-<br />
Das „Anatomische Theater“ in Berlin erinnert an das Sezieren als Spektakel<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
mals in der daadgalerie in Berlin gezeigt und<br />
ist aktuell im Sprengel Museum Hannover zu<br />
sehen.<br />
Schon für frühere Projekte hat Ana Torfs historische<br />
Dokumente studiert: mehr als 4 000<br />
Seiten der Konversationshefte des ertaubten<br />
Beethoven für ihren Spielfilm „Zyklus von<br />
Kleinigkeiten“ (1998) und einen Prozesstext<br />
aus dem fünfzehnten Jahrhundert über Jeanne<br />
d’Arc für die Diaprojektion „Du mentir-faux“<br />
(2000).<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Wie viel Raum bietet die Stadt?<br />
Regionalwissenschaften<br />
Leben auf Straßen und Plätzen<br />
„Die Stadt Hanoi hat mich seit meinem ersten<br />
Besuch im Jahr 2002 sehr fasziniert. Im Vergleich<br />
zu anderen südostasiatischen Hauptstädten<br />
ist sie noch relativ klein, wandelt sich<br />
aber sehr schnell“, sagt Sandra Kürten, die<br />
an der Universität Passau im Fach „Southeast<br />
Asian Studies“ promoviert und derzeit mit<br />
einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium ein Jahr in der vietnamesischen<br />
Hauptstadt verbringt.<br />
In ihrer Arbeit untersucht sie dort die verschiedenen<br />
Nutzungsarten des öffentlichen<br />
Raums. „Parks, Plätze und auch Bürgersteige<br />
sind besonders von der zunehmenden<br />
Verstädterung betroffen. Eine hohe Bevölkerungsdichte<br />
und der Mangel an Wohnraum<br />
gefährden den Fortbestand des öffentlichen<br />
Raums, der leicht in Bauland umgewandelt<br />
werden kann.“ In Hanoi herrsche auch wegen<br />
der geringen Wohnfläche von nur 4,7 Quadratmeter<br />
pro Kopf ein akuter Mangel an privatem<br />
Raum, so die Wissenschaftlerin. Aus diesem<br />
Grund haben die Bewohner Hanois Strategien<br />
entwickelt, sich zusätzlichen Platz für private<br />
Tätigkeiten im öffentlichem Raum anzueignen<br />
– etwa indem sie die Bürgersteige zum Kochen<br />
und Essen belegen.<br />
Sandra Kürten hatte zunächst an der Bonner<br />
Universität „Regionalwissenschaften Südostasien“<br />
studiert. „Als ich kurz vor dem Abitur<br />
von dem Studiengang in Bonn erfuhr, wusste<br />
ich sofort, was ich studieren wollte, vor allem<br />
wegen der Kombination aus Politik, Geschichte<br />
und Fremdsprachen.“ Zum Studium gehörte<br />
auch das Erlernen der vietnamesischen<br />
Sprache, die sie heute sehr gut spricht. „Die<br />
Sprache eröffnet einem Ausländer viele Türen<br />
in Vietnam. So werde ich sehr schnell zu vietnamesischen<br />
Familien nach Hause zum Essen<br />
oder zu Ausflügen aufs Land eingeladen.“<br />
Nach der Promotion möchte die Wissenschaftlerin<br />
gerne die in Hanoi begonnene<br />
Kooperation mit dem Institute of Vietnamese<br />
Studies and Developement Science weiter ausbauen.<br />
Foto: Sandra Kürten<br />
Foto: Anindita Sarkar<br />
Molekularbiologie<br />
Schimmelpilzgenen auf der Spur<br />
Aspergillen, auch Gießkannenschimmel genannt,<br />
ist eine facettenreiche Schimmelpilzgattung<br />
mit rund 200 Arten. Ihre Vertreter<br />
dienen als Lebensmittelveredler oder stellen<br />
Penicillin her, können aber auch Krankheiten<br />
verursachen oder zu lebensbedrohlichen Infektionen<br />
führen. Für die Wissenschaft spielt<br />
vor allem eine Art eine zentrale Rolle: Aspergillus<br />
nidulans. Mit ihr beschäftigt sich<br />
Anindita Sarkar seit zwei Jahren. Die junge<br />
indische Naturwissenschaftlerin kam 2006<br />
mit einem Promotionsstipendium des Leibniz-<br />
<strong>DAAD</strong>-Programms nach Jena.<br />
Am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung<br />
und Infektionsbiologie e.V. – Hans-Knöll-Institut<br />
– will sie mehr über die Funktion von<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Genen erfahren, die an der Synthese so genannter<br />
Sekundärmetaboliten von Aspergillus<br />
nidulans beteiligt sind. Sekundärmetabolite<br />
sind chemische Stoffe, die von Pflanzen,<br />
Bakterien und Pilzen produziert werden, für<br />
deren Wachstum und Überleben aber nicht<br />
notwendig zu sein scheinen. Die Schimmelpilze<br />
bilden dabei häufig eine ganze Palette<br />
verschiedener Stoffe. Anindita Sarkar hat sich<br />
daraus die Klasse der Polyketide ausgesucht<br />
und es auf die Pilz-Gene abgesehen, die für<br />
den Aufbau dieser Polyketide verantwortlich<br />
sind.<br />
„Für Menschen können diese Stoffe Grundlage<br />
lebensrettender Medikamente sein, wie das<br />
Antibiotikum Cephalosporin oder Lovastatin,<br />
ein Cholesterin senkender Arzneistoff. Wir<br />
wollen mit den Methoden der Molekularbiologie<br />
diejenigen Gene charakterisieren, die für<br />
die Produktion solcher<br />
Polyketide verantwortlich<br />
sind.“ Wegen ihrer<br />
außerordentlich guten<br />
Leistungen wurde die<br />
junge Inderin bereits<br />
als assoziiertes Mitglied<br />
in die International<br />
Leibniz Research School<br />
(ILRS) aufgenommen.<br />
Doris Bünnagel<br />
Gießkannenschimmel<br />
im Fokus<br />
35
36<br />
daad<br />
nachrichten und berichte<br />
Wissenschaft weltoffen<br />
Niederlande auf Platz eins<br />
Immer mehr deutsche Studierende<br />
wollen an ausländischen Universitäten<br />
studieren. Das verdeutlicht<br />
die Ausgabe 2008 von „Wissenschaft<br />
weltoffen“, die der <strong>DAAD</strong> in<br />
Zusammenarbeit mit dem Hochschul-Informations-System<br />
(HIS)<br />
seit 2001 jährlich herausgibt. Danach<br />
verbrachten 75 800 deutsche<br />
Studierende 2005 – aus dem Jahr<br />
stammen die aktuellsten Daten –<br />
einige Zeit im Ausland, 14 Prozent<br />
mehr als im Jahr zuvor.<br />
Beliebteste Studienländer für<br />
den deutschen Akademikernachwuchs<br />
waren die Niederlande,<br />
gefolgt von Großbritannien, Österreich,<br />
den Vereinigten Staaten,<br />
der Schweiz und Frankreich. Drei<br />
Viertel aller deutschen Auslandsstudenten<br />
wählen einen Aufenthalt<br />
in einem dieser sechs Länder.<br />
Besonders stark sind angehende<br />
Mediziner sowie Sprach- und Kulturwissenschaftler<br />
vertreten.<br />
Die Zahl ausländischer Studierender<br />
in Deutschland ist 2007,<br />
nach hohen Steigerungsraten in<br />
den neunziger Jahren, auf 246 000<br />
leicht gesunken. Das entspricht<br />
12,4 Prozent der Studierenden<br />
an deutschen Hochschulen. Die<br />
meisten von ihnen kommen schon<br />
seit mehreren Jahren aus China,<br />
zweit- beziehungsweise drittstärkste<br />
Gruppe bilden die Bulgaren<br />
beziehungsweise die Polen.<br />
Deutlich angestiegen ist die Zahl<br />
der deutschen Wissenschaftler,<br />
die – von Förderorganisationen<br />
unterstützt – im Ausland arbeiten.<br />
Forschten im Jahr 2004 rund<br />
4 070 Wissenschaftler in anderen<br />
Ländern, so waren es zwei Jahre<br />
später gut 5 070. Allerdings wurde<br />
das „Rekordjahr“ 2002 mit 5 469<br />
deutschen Forschern im Ausland<br />
nicht wieder erreicht. ors<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.wissenschaft-weltoffen.de<br />
Neues Stipendienprogramm<br />
Appetit auf Indien<br />
Mit dem Indientag am Südasien-<br />
Institut der Universität Heidelberg<br />
Anfang Juni weckte der <strong>DAAD</strong><br />
die Neugier auf wissenschaftliches<br />
Arbeiten im Subkontinent.<br />
Zugleich eröffnete er das neue<br />
Stipendienprogramm: „A New<br />
Passage to India“ – in Anlehnung<br />
an den berühmten Roman<br />
von Edward Morgan Forster. „Wir<br />
brauchen mehr Nachwuchs mit<br />
Indienkompetenz“, sagt Bundesforschungsministerin<br />
Annette<br />
Schavan. Warum? Das machen<br />
Prognosen deutlich, nach denen<br />
sich der Subkontinent mit seinen<br />
1,14 Milliarden Einwohnern<br />
in wenigen Jahrzehnten zu einer<br />
der stärksten Wirtschaftsnationen<br />
entwickeln wird.<br />
„Indien ist eines der großen und<br />
spannenden Forschungsfelder der<br />
Welt“, betont <strong>DAAD</strong>-Präsident Stefan<br />
Hormuth. „Wir wollen Appetit<br />
machen auf Indien, denn die dortigen<br />
Entwicklungen werden im<br />
Westen viel zu wenig wahrgenom-<br />
Jubel in Offenburg:<br />
Internationaler Masterstudiengang<br />
zählt zu den zehn Besten<br />
Foto: HS Offenburg<br />
Beschwingt: <strong>DAAD</strong> weckt Lust auf ein Studium in Indien<br />
men.“ Daher ermuntert er junge<br />
Menschen, zum Studium, zum<br />
Forschen oder für ein Praktikum<br />
in den Vielvölkerstaat zu gehen.<br />
In das neue Indienprogramm<br />
fließen 4,3 Millionen Euro aus<br />
dem Bundesforschungsministerium.<br />
Mit diesen Mitteln finanziert<br />
der <strong>DAAD</strong> Stipendien und unterstützt<br />
den Aufbau akademischer<br />
Kompetenzzentren – beispielsweise<br />
in Madras.<br />
Ein deutsches Kompetenzzentrum<br />
ist das interdisziplinäre Südasien-<br />
Institut der Universität Heidelberg.<br />
Es gehört zu den ersten Adressen<br />
für Studierende und Wissenschaftler<br />
mit diesem regionalen<br />
Schwerpunkt. 4 500 Studierende<br />
verteilen sich auf acht Teildisziplinen<br />
– von Politik über Geschichte<br />
und Geografie bis zu Sprachen.<br />
Alexander Wenisch<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: <strong>DAAD</strong>
Jordanien<br />
Fachhochschul-Programm<br />
in Amman<br />
Anfang Juli besuchten Bundesbildungsministerin<br />
Annette Schavan<br />
und <strong>DAAD</strong>-Präsident Stefan Hormuth<br />
mit einer hochrangigen Delegation<br />
die Deutsch-Jordanische<br />
Universität (GJU) in der Hauptstadt<br />
Amman. Bei dieser Gelegenheit<br />
erhielten 15 ausgewählte Studierende<br />
Stipendien für einen einjährigen<br />
Aufenthalt in Deutschland.<br />
Nach der German University Cairo<br />
ist die GJU das zweite große Projekt<br />
des <strong>DAAD</strong>-Programms „Studienangebote<br />
deutscher Hochschulen<br />
im Ausland“.<br />
Das Einzugsgebiet der GJU reicht<br />
über die Grenzen Jordaniens hinaus<br />
in die Palästinensischen<br />
Autonomiegebiete, den Nordirak<br />
und auf die arabische Halbinsel.<br />
Ministerin Schavan bezeichnete<br />
die Universität als „zentrales Projekt<br />
für die Internationalisierung<br />
von Wissenschaft und Forschung<br />
in der Region“.<br />
Die GJU orientiert sich an praxisbezogenen<br />
deutschen Fachhochschul-Studiengängen<br />
mit<br />
Bachelor- und Master-Abschluss<br />
in sechs Fachrichtungen: Betriebswirtschaft,<br />
Informatik und Computer,<br />
angewandte Naturwissenschaften,<br />
Ingenieurwesen, Medizintechnik<br />
und Architektur nebst<br />
Innenausbau. Außerdem gehören<br />
Deutsch als Fremdsprache und<br />
Übersetzen zum Lehrprogramm.<br />
„Für die bislang rund 800 Studierenden,<br />
die aus der ganzen Region<br />
kommen, ist die industrie nahe<br />
Fachausbildung besonders attraktiv“,<br />
erläutert <strong>DAAD</strong>-Präsident<br />
Hormuth. „Wegen der Karriere<br />
reizt außerdem Deutsch als zweite<br />
Fremdsprache neben Englisch.“<br />
HH<br />
Internationale Master<br />
Die zehn Besten<br />
Der Stifterverband für die Deutsche<br />
Wissenschaft und der <strong>DAAD</strong><br />
prämierten zum zweiten Mal die<br />
zehn besten internationalen Mas-<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
terstudiengänge an deutschen<br />
Hochschulen. Eine unabhängige<br />
Jury hatte sie aus 76 Bewerbungen<br />
von 63 Hochschulen ausgewählt.<br />
Die Preisträger zeichnen sich<br />
durch ein innovatives Gesamtkonzept,<br />
ein qualitätsvolles Lehrangebot<br />
und ein hohes Maß an Internationalisierung<br />
aus.<br />
Inzwischen sind nicht mehr nur<br />
die Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften<br />
im internationalen<br />
Wettbewerb um herausragende<br />
Nachwuchsforscher erfolgreich.<br />
Die Preisträger kommen aus sehr<br />
unterschiedlichen Disziplinen wie<br />
Philosophie, Landwirtschaft oder<br />
Medizin. Der Studiengang „Medical<br />
Neurosciences“ am Institut<br />
für Experimentelle Neurologie der<br />
Berliner Charité ist ein Beispiel<br />
für Innovation und Qualität. Er<br />
deckt die gesamte Breite der Neurowissenschaften<br />
ab und schließt<br />
Krankheitsprozesse mit ein. Ein<br />
sinnvolles Modell: Die Studierenden<br />
lernen, bei den Forschungsprojekten<br />
die Bedeutung für die<br />
Patienten mitzudenken. Das Studium<br />
schließt somit eine Lücke<br />
zwischen Labor und Behandlung.<br />
Alle prämierten Studiengänge<br />
erhielten ein Preisgeld von 20 000<br />
Euro und das Qualitätslabel „TOP<br />
10 International Master’s Degree<br />
Courses Made in Germany“. boh<br />
Deutsch-Türkische Universität<br />
Lehrbetrieb startet 2009<br />
Ende Mai vereinbarten der türkische<br />
und deutsche Außenminister<br />
die Gründung der Deutsch-<br />
Türkischen Universität (DTU) in<br />
Istanbul. Der <strong>DAAD</strong> übernimmt<br />
die Koordination auf deutscher<br />
Seite. Zu Vorklärungen war <strong>DAAD</strong>-<br />
Generalsekretär Christian Bode<br />
im Juni in die Türkei gereist. „Wir<br />
planen eine Volluniversität, abgesehen<br />
von Theologie und Medizin“,<br />
erklärte der Generalsekretär.<br />
„Dabei sollen interkulturelle und<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
das Profil der Studiengänge und<br />
der Forschung prägen ebenso wie<br />
die Kooperation mit der deutschtürkischen<br />
Wirtschaft.“ Bis zu<br />
5 000 Studierende können künftig<br />
an der binationalen Universität<br />
daad 37<br />
Gemeinsame Sache: Ali Babacan, Frank-Walter Steinmeier und<br />
Annette Schavan (von links) vereinbaren Start der Deutsch-Türkischen Universität<br />
Auf einen Klick<br />
Der <strong>DAAD</strong> im Internet<br />
www.daad.de/<strong>magazin</strong><br />
Nachrichten und Berichte über<br />
das weltweite Engagement des<br />
<strong>DAAD</strong> – informativ und aktuell.<br />
www.daad.de/alumni<br />
Das <strong>DAAD</strong>-Portal für alle<br />
Alumni mit Infos zu Alumni-<br />
Vereinen, Alumni-Kalender,<br />
Alumni-VIP-Galerie und<br />
Alumni-Adressdatenbank.<br />
studieren. Als Abschlüsse werden<br />
Bachelor, Master und Promotion<br />
angeboten. Die Unterrichtssprachen<br />
sind Englisch, Deutsch und<br />
Türkisch.<br />
Ein Konsortium deutscher<br />
Hochschulen wird die Studienprogramme<br />
mitentwickeln und<br />
Dozenten an den Bosporus entsenden.<br />
Mit dabei sind die Freie<br />
Universität Berlin und die Universität<br />
Heidelberg. In der Türkei arbeitende<br />
deutsche Unternehmen<br />
werden die Ausbildung an der<br />
neuen Universität fördern und<br />
Praktikumsplätze anbieten. Der<br />
Lehrbetrieb soll im Herbst 2009<br />
starten. Bis dahin muss noch ein<br />
Gründungsgesetz vom türkischen<br />
Parlament verabschiedet werden.<br />
HH<br />
Israel<br />
Neues Zentrum für<br />
Deutschlandstudien<br />
Bundesaußenminister Frank-Walter<br />
Steinmeier hat Anfang Juni<br />
im Rahmen seines dreitägigen<br />
Israelbesuchs das neue Deutschlandzentrum<br />
der Universität Haifa<br />
eröffnet. Es ist bereits die zweite<br />
Einrichtung dieser Art in Israel.<br />
Der <strong>DAAD</strong> fördert das Zentrum<br />
für fünf Jahre mit jährlich 200 000<br />
Euro.<br />
Foto: Steffen Kugler
38<br />
daad<br />
Die Universität bringt noch einmal<br />
dieselbe Summe auf. Die<br />
Einrichtung unter der Leitung<br />
des Wirtschaftswissenschaftlers<br />
Professor Benjamin Bental hat<br />
sich zum Ziel gesetzt, eine Brücke<br />
zwischen den traditionell<br />
getrennten Geistes- und den Sozial-,<br />
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften<br />
zu schlagen. Einer<br />
der Forschungsschwerpunkte<br />
widmet sich dem Thema Integration<br />
von Minderheiten und<br />
Zuwanderern. In naher Zukunft<br />
soll sich das Zentrum zu einer<br />
selbstständigen Einrichtung für<br />
Deutschlandstudien entwickeln.<br />
Es ist Teil eines Netzwerkes von<br />
deutschlandkundlichen Zentren,<br />
die der <strong>DAAD</strong> weltweit an renommierten<br />
Hochschulen fördert. cho<br />
Japan-Lesebuch<br />
Großes Staunen<br />
Der Video-Künstler Jan Verbeek<br />
fand in Japan zwischen „Schrillheit<br />
und Ruhe” neue Inspiration:<br />
„Die Gegensätze, um die meine<br />
künstlerische Arbeit seit langem<br />
kreist, sind dort in extremer Weise<br />
und ganz selbstverständlich<br />
und gleichwertig vorhanden.”<br />
Seit 1993 sind 6 134 deutsche<br />
Wissenschaftler und Künstler mit<br />
<strong>DAAD</strong>-Hilfe nach Japan gegangen.<br />
25 von ihnen, darunter auch die<br />
ehemaligen Leiter der <strong>DAAD</strong>-Außenstelle<br />
in Tokio, haben nun ihre<br />
Erfahrungen aufgeschrieben, die<br />
zum 30-jährigen Jubiläum der Außenstelle<br />
in Buchform veröffentlicht<br />
wurden: „Wege nach Japan.<br />
<strong>DAAD</strong>-Alumni erinnern sich. Ein<br />
Lesebuch”. Die Siemens-Managerin<br />
Karin-Funke Rapp beispielsweise<br />
zeigte sich beeindruckt von<br />
der Verbindung aus Hightech und<br />
Tradition, der Soziologe Helmut<br />
Gross erlebte die Freundlichkeit<br />
und Hilfsbereitschaft der Gastgeber,<br />
machte aber auch Fremdheitserfahrungen,<br />
und die Chemikerin<br />
Brigitte Lindemann fühlte<br />
sich manches Mal wie ein Mensch<br />
von einem anderen Stern: „Große<br />
Frauen mit langen blonden Haaren<br />
sind dort eben recht selten.”<br />
Die historischen, analytischen,<br />
aber auch sehr persönlichen Berichte<br />
– alle durch private Fotos<br />
illustriert – berichten von individuellen<br />
Erfahrungen, beruflichen<br />
Karrieren, Faszination und Problemen,<br />
immer aber vom großen<br />
Staunen, das auch den Architekten<br />
Wolfgang Hesselberger<br />
einst erfasste: „Das war genau das<br />
gesuchte Land am anderen Ende<br />
der Welt, stolze Industrienation<br />
und trotzdem sehr geheimnisvoll.”<br />
ors<br />
Foto: Thomas Feltes<br />
Foto: Jan Verbeek<br />
Alltag in Japan:<br />
<strong>DAAD</strong>-Lesebuch<br />
zeigt die vielen<br />
Gesichter<br />
Südafrika-Deutschland<br />
Polizei im globalen Dialog<br />
Die Universitäten Bochum und<br />
Kapstadt bauen ein Netzwerk für<br />
Postgraduierte und Doktoranden<br />
in der internationalen Polizeiwissenschaft<br />
auf. Der <strong>DAAD</strong> unterstützt<br />
das Projekt mit zunächst<br />
40 000 Euro aus seiner „PhD-Net-<br />
Förderung“. Damit finanzieren<br />
die Kooperationspartner zwei<br />
Sommerakademien in den Jahren<br />
2009 und 2010.<br />
Die internationale Polizeiwissenschaft<br />
analysiert unterschiedliche<br />
Ansätze, innere Sicherheit durch<br />
staatliche und private Polizei<br />
herzustellen. Für deutsche Absolventen<br />
gab es bislang allerdings<br />
wenig Möglichkeiten, sich international<br />
auszutauschen. In Deutschland<br />
befindet sich diese Disziplin<br />
noch im Aufbau. Das Netzwerk<br />
soll den globalen Dialog fördern.<br />
Südafrika sei für das Netzwerk<br />
zudem ein spannender Partner,<br />
weil dort in den letzten Jahren<br />
eine neue demokratische Polizei<br />
entstanden sei, sagt Professor Thomas<br />
Feltes, Inhaber des Bochumer<br />
Lehrstuhls. „Wir können von den<br />
Erfolgen und Misserfolgen lernen,<br />
wenn es darum geht, Polizeien zu<br />
reformieren oder in Ländern im<br />
Umbruch neu aufzubauen.“<br />
Langfristig streben die beiden<br />
Universitäten eine Zusammenar-<br />
Verbrechen effektiv bekämpfen:<br />
Bochum und Kapstadt knüpfen Netzwerk<br />
beit mit der Europäischen Polizeiakademie<br />
CEPOL an, die derzeit<br />
polizeiwissenschaftliche Lehr-<br />
und Forschungsangebote auf europäischer<br />
Ebene entwickelt. boh<br />
Südostasien<br />
Fortbildung für Dekane<br />
„Dekane übernehmen immer<br />
mehr Verantwortung und werden<br />
mit neuen Aufgaben konfrontiert,<br />
für die sie sich meist nicht systematisch<br />
qualifizieren konnten“,<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: FH Köln<br />
sagt Christoph Hansert, Referatsleiter<br />
beim <strong>DAAD</strong>. Seit zwei Jahren<br />
können sich Hochschulmanager<br />
im „International Deans’ Course“<br />
weiterbilden, den der <strong>DAAD</strong> und<br />
die Fachhochschule Osnabrück in<br />
Kooperation mit der Hochschulrektorenkonferenz,<br />
dem CHE Consult<br />
und der Alexander von Humboldt-<br />
Stiftung anbieten. Die Fortbildung<br />
im Rahmen des DIES-Programms<br />
richtet sich im jährlichen Wechsel<br />
an Hochschulmanager aus Afrika<br />
und Südostasien. In diesem Jahr<br />
kommen sie aus Indonesien, Laos,<br />
Malaysia, den Philippinen, Thailand<br />
und Vietnam.<br />
Der Kurs besteht aus drei Teilen,<br />
die innerhalb eines Jahres stattfinden.<br />
Der Auftakt in Deutschland<br />
bot einen Überblick über den<br />
aktuellen Stand des Fakultäts-<br />
und Hochschulmanagements.<br />
Die Lehrmodule zu den Themen<br />
Hochschulsysteme, Governance,<br />
strategisches Management, Finanz-<br />
und Qualitätsmanagement<br />
wurden gemeinsam mit Experten<br />
aus Südostasien entwickelt.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt lag<br />
auf Soft Skills wie Konflikt- oder<br />
Meetingmanagement. „Ich habe<br />
viele neue Ideen aus den Soft-<br />
Skills-Workshops in Deutschland<br />
mitgenommen, die ich in meinen<br />
eigenen Programmen einsetzen<br />
werde“, sagte Illah Saileh aus Indonesien.<br />
Sie organisiert an ihrer<br />
Hochschule in Bogor die Weiterbildung<br />
der Dozenten.<br />
Zum zweiten Kursteil im Herbst<br />
treffen sich die Dekane zu regionalen<br />
Workshops in Indonesien,<br />
Vietnam und auf den Philippinen.<br />
Abschließend kommen alle<br />
Teilnehmer und Organisatoren in<br />
Indonesien zusammen und haben<br />
die Gelegenheit, Fachleute aus<br />
anderen asiatischen Ländern kennenzulernen<br />
und ein Netzwerk<br />
zu bilden – für Ahmad Faizal aus<br />
Malaysia ein wesentlicher Erfolgsfaktor<br />
des „International Deans’<br />
Course“: „Ich kann von jedem<br />
Teilnehmer hier etwas lernen,<br />
aber vor allem interessiert mich<br />
der Netzwerkgedanke.“ kj<br />
Alumni-Expertenseminar<br />
Grenzüberschreitende<br />
Gewässer<br />
Wie kann Nachhaltigkeit in Wassereinzugsgebieten<br />
erreicht werden?<br />
Vor welchen geopolitischen<br />
Herausforderungen stehen wir?<br />
Über diese Fragen diskutierten<br />
Wissenschaftler aus Entwicklungsländern<br />
und von spanischen<br />
Universitäten, darunter zahl-<br />
reiche ehemalige <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />
und Mitglieder des German<br />
Alumni Water Network (GAWN),<br />
bei dem Alumni-Expertenseminar<br />
„Transboundary Waters: Sharing<br />
Information and Benefits“ im<br />
Juli in Saragossa. Der <strong>DAAD</strong> und<br />
das Institut für Technologie und<br />
Ressourcenmanagement in den<br />
Tropen und Subtropen der Fachhochschule<br />
Köln hatten die Veranstaltung<br />
organisiert, um einen<br />
Erfahrungsaustausch über grenzüberschreitende<br />
Wassersysteme<br />
und Flüsse wie Donau, Jordan<br />
oder Nil zu ermöglichen.<br />
Edson Wendland von der Universität<br />
São Paulo berichtete zum<br />
Beispiel von Projekten zur Nachhaltigkeit<br />
des Acuifero Guaraní,<br />
eines der größten unterirdischen<br />
Wasserspeicher der Welt. Er verläuft<br />
unter dem Siedlungsgebiet<br />
des indianischen Guaraní-Volkes<br />
und verteilt sich auf Brasilien,<br />
Argentinien, Paraguay und Uruguay.<br />
Der Acuifero ist eine wichtige<br />
Trinkwasserressource und seine<br />
Ausbeutung Ursache vieler politischer<br />
Konflikte in der Region.<br />
Das Expertenseminar fand im<br />
Rahmen der EXPO 2008 statt, die<br />
Weltthema Wasser:<br />
<strong>DAAD</strong>-Alumni auf der<br />
EXPO 2008 in Saragossa<br />
daad 39<br />
unter dem Motto „Wasser und<br />
nachhaltige Entwicklung“ stand.<br />
Damit präsentierte sich der <strong>DAAD</strong><br />
zum ersten Mal auf einer Weltausstellung<br />
außerhalb Deutschlands<br />
und schuf einen Raum für die entwicklungspolitische<br />
Diskussion<br />
zum Thema „Wasser“. boh<br />
<strong>DAAD</strong>-Außenstelle Japan<br />
Protagonisten einer<br />
Erfolgsgeschichte<br />
Bei der Feier zum 30-jährigen<br />
Bestehen der <strong>DAAD</strong>-Außenstelle<br />
in Tokio berichteten die ehemaligen<br />
Leiter Ulrich Lins, Georg<br />
Neumann, Dierk Stuckenschmidt<br />
sowie die derzeitige Leiterin, Irene<br />
Jansen, von ihren Erlebnissen<br />
und Erfahrungen in Japan. <strong>DAAD</strong>-<br />
Generalsekretär Christian Bode<br />
moderierte die Podiumsdiskussion.<br />
Rund 300 Alumni sowie Gäste<br />
aus Wissenschaft, Wirtschaft und<br />
Politik waren Ende Mai zum Jubiläums-Symposium,<br />
das die Außenstelle<br />
und der Freundeskreis<br />
der Ehemaligen „Tomo no kai“<br />
organisiert hatten, nach Tokio gekommen.<br />
Ehrengast war der Physik-Nobelpreisträger<br />
2007, Peter<br />
Grünberg. Neben dem Rückblick<br />
standen vor allem der mögliche<br />
Ausbau der deutsch-japanischen<br />
Wissenschaftskooperation im<br />
Mittelpunkt. Der <strong>DAAD</strong> plant, den<br />
Austausch zu intensivieren und<br />
strategische Allianzen zu schließen.<br />
cho<br />
30 Jahre Japanerfahrung:<br />
Außenstellenleiter mehrerer<br />
Generationen und<br />
<strong>DAAD</strong>-Generalsekretär<br />
Christian Bode (2. von rechts)<br />
in Tokio Foto: <strong>DAAD</strong>
40<br />
daad<br />
Alumnitreffen<br />
Riga und Almaty<br />
Rund 100 Gäste, darunter zahlreiche<br />
<strong>DAAD</strong>-Alumni, besuchten<br />
im Mai dieses Jahres den Deutschen<br />
Hochschultag im lettischen<br />
Riga. Sie diskutierten über den<br />
Hochschulstandort Deutschland,<br />
die deutsch-lettische Wissenschaftskooperation<br />
und darüber,<br />
wie sich Hochschulen europaweit<br />
profilieren können. Der deutsche<br />
Botschafter Eberhard Schuppius<br />
und <strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian<br />
Bode überreichten 36 neuen<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiatinnen und -Stipendiaten<br />
die Stipendienurkunden.<br />
„In Lettland haben feierliche<br />
Verleihungen Tradition. Daran<br />
wollen wir anknüpfen“, erklärt<br />
Katharina Ertle vom <strong>DAAD</strong>-Informationszentrum<br />
in Riga.<br />
Bei einem Alumnitreffen im<br />
April in Almaty, Kasachstan, begrüßten<br />
Christian Bode und der<br />
deutsche Botschafter in Kasachstan,<br />
Rainer Schlageter, rund 100<br />
Stipendiatinnen und Stipendiaten<br />
des <strong>DAAD</strong> und der Präsidialstiftung<br />
„Bolashak“. Neben der<br />
fachlichen Diskussion und dem<br />
Erfahrungsaustausch der <strong>DAAD</strong>-<br />
Alumni standen vor allem neue<br />
Kontakte im Mittelpunkt des Treffens.<br />
Dazu besuchten auch Vertreter<br />
der deutschen Wirtschaft die<br />
Veranstaltung. cho<br />
Fachtreffen/Stipendiaten<br />
Einen Tag lang Mathematik<br />
So viele Mathematikdoktoranden<br />
habe er noch nie in einem Raum<br />
versammelt gesehen, sagte der<br />
Rektor der Bonner Universität,<br />
Professor Matthias Winiger in<br />
seiner Begrüßung vor rund 100<br />
ausländischen und deutschen<br />
Studierenden und Doktoranden<br />
der Mathematik. Die Stipendiaten<br />
von 23 deutschen Hochschulen,<br />
darunter 20 <strong>DAAD</strong>-Geförderte,<br />
waren der Einladung von <strong>DAAD</strong>,<br />
Universität Bonn und Hausdorff<br />
Center for Mathematics nach<br />
Bonn gefolgt. Das Fachtreffen sei<br />
an das „Jahr der Mathematik“<br />
gekoppelt und eine gute Gelegenheit,<br />
Netzwerke zu knüpfen, so<br />
<strong>DAAD</strong>-Vorstandsmitglied Professorin<br />
Sabine Kunst. In Workshops<br />
und Diskussionen setzten sich die<br />
jungen Mathematiker einen Tag<br />
lang mit Algebra, Geometrie, Analysis<br />
und Stochastik auseinander<br />
und diskutierten die besonderen<br />
Bedingungen der Internationalität<br />
ihrer Disziplin.<br />
Aber es drehte sich nicht alles<br />
um Mathematik: Neben dem fachlichen<br />
Austausch konnten sich<br />
die Teilnehmer beim Besuch der<br />
Bonner Wissenschaftsnacht und<br />
während einer Bootsfahrt auf dem<br />
Rhein besser kennenlernen. db<br />
Foto: Rafael Wiedenmeier<br />
Kasachstan: Farbenpracht<br />
und Eleganz auf dem<br />
Alumnitreffen<br />
Termine<br />
26./27. September 2008<br />
Deutsch-Ungarische<br />
Hochschultage in Budapest<br />
Deutsche Hochschulen und<br />
deutschsprachige Studiengänge<br />
in Ungarn stellen sich an der TU<br />
Budapest vor. Ungarische Studierende,<br />
Graduierte und Wissenschaftler<br />
können sich über Studien-<br />
und Forschungsmöglichkeiten<br />
in Deutschland und gemeinsame<br />
Kooperationsprogramme informieren.<br />
Außerdem soll über die<br />
künftige deutsch-ungarische Zusammenarbeit<br />
diskutiert werden.<br />
www.daad.de/hochschulen/<br />
fortbildung-beratung-und-veranstaltungen/08194.de.html<br />
27./28. Oktober 2008<br />
Deutsch-italienische<br />
Hochschultage in Bonn<br />
Abiturienten, Studierende und<br />
Wissenschaftler können sich bei<br />
der Veranstaltung umfassend über<br />
Studien-, Forschungs- und Kooperationsmöglichkeiten<br />
in Italien<br />
informieren. Vertreter aus Hochschulen<br />
und Wissenschaft erhalten<br />
zudem die Gelegenheit, sich<br />
über aktuelle Entwicklungen im<br />
jeweiligen Land auszutauschen.<br />
www.ait-dih.org<br />
21./22. November 2008<br />
“Go out! – Come to Africa”<br />
in Köln<br />
Mit Vorträgen, Diskussionen, Projekt-<br />
und Posterpräsentationen,<br />
Informationsständen, kulturellen<br />
und künstlerischen Darbietungen<br />
sowie kulinarischen Appetithäppchen<br />
gibt die Veranstaltung einen<br />
Einblick in die Studien- und Forschungsmöglichkeiten<br />
in Afrika.<br />
Anmeldung und Infos:<br />
afrikatag@daad.de<br />
Köpfe<br />
Als der amerikanische PräsidentschaftskandidatBarack<br />
Obama im Juli nach Berlin<br />
kam, war dies für ihn sein erster<br />
Deutschlandbesuch. Seine Halbschwester<br />
Auma Obama hat ihm<br />
da einiges voraus: Die 48-jährige<br />
Kenianerin hat 16 Jahre in<br />
Deutschland gelebt, studiert und<br />
gearbeitet. Bereits mit 17 lernte sie<br />
die deutsche Sprache im Goethe-<br />
Institut in Nairobi, kam 1980 als<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin nach Heidelberg,<br />
wo sie das Deutsch-Studium<br />
mit dem Master abschloss, und<br />
promovierte 1996 in Bayreuth,<br />
auch dabei vom <strong>DAAD</strong> gefördert.<br />
Die Auffassung von Arbeit in der<br />
deutschen und kenianischen Literatur<br />
und Kultur war das Thema<br />
ihrer Dissertation. Den deutschen<br />
Arbeitsalltag lernte sie bereits als<br />
Studentin beim Jobben kennen:<br />
Neben dem Studium arbeitete sie<br />
als Dolmetscherin auf Messen,<br />
hielt politische Seminare in der<br />
SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
und nahm an Polit-Talks im<br />
deutschen Fernsehen teil, wo sie<br />
sich unter anderem zur Ausländerfeindlichkeit<br />
in Deutschland<br />
äußerte.<br />
Die Mutter einer elfjährigen<br />
Tochter lebt heute wieder in Kenia<br />
und arbeitet als Ostafrika-Koordinatorin<br />
der Hilfsorganisation Care.<br />
Ihren eineinhalb Jahre jüngeren<br />
Halbbruder Barack traf sie vor 25<br />
Jahren, kurz nach dem Tod des<br />
gemeinsamen Vaters, zum ersten<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: AP Photo/M. Spencer Green
Foto: privat<br />
Mal. Seitdem sind die beiden eng<br />
miteinander verbunden. So trat<br />
Auma auch im Nominierungswahlkampf<br />
der Demokraten für Barack<br />
Obama auf. Dass sie damit einen<br />
heimlichen Wunsch ihres deutschen<br />
Doktorvaters Alois Wierlacher<br />
erfüllte, ist einem Bericht des<br />
Magazins „stern“ zu entnehmen:<br />
Demnach hat der Emeritus seine<br />
frühere Schülerin nicht nur als<br />
seine „beste afrikanische Studentin“<br />
in Erinnerung, sondern hätte<br />
sie auch „schon immer gern in der<br />
Politik gesehen“. Llo<br />
Gevork Babamalek Gharehpetian,<br />
ehemaliger <strong>DAAD</strong>-<br />
Stipendiat aus Iran und heute<br />
Professor der Elektrotechnik an<br />
der Amirkabir University of Technology<br />
(AUT) in Teheran, ist zum<br />
„Distinguished Professor all over<br />
in Iran“ ernannt worden. Jedes<br />
Jahr wählt das iranische Wissenschaftsministerium<br />
aus allen<br />
Fachrichtungen 20 Professoren<br />
für diesen Titel aus. Kriterien<br />
für die Wahl sind herausragende<br />
Leistungen in der Forschung, der<br />
Lehre und Engagement als Führungskraft<br />
der Universität.<br />
Gharehpetian kam 1993, nach<br />
dem Abschluss seines Masterstudiums<br />
in Teheran, mit einem<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendium zur Promotion<br />
für drei Jahre an die Technische<br />
Hochschule Aachen, wo er über<br />
die Wicklungen von Leistungstransformatoren<br />
forschte. Nach<br />
Stationen an der AUT und dem<br />
Forschungsinstitut des Energieministeriums<br />
leitet er seit 2001<br />
die Energietechnikgruppe an der<br />
Fakultät für Elektrotechnik der<br />
AUT und wurde erst kürzlich<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Foto: privat<br />
zum Professor ernannt. Der heute<br />
46-Jährige kehrte mehrfach<br />
mit Forschungsstipendien nach<br />
Deutschland zurück. Eines seiner<br />
aktuellen Forschungsgebiete: die<br />
Online- Überwachung von Transformatorwicklungen.<br />
kj<br />
Beziehungen spielen eine<br />
große Rolle im Verhältnis<br />
von Christian Hawkey zu Berlin.<br />
Die Einladung zu einer Hochzeit<br />
führte den bekannten New yorker<br />
Dichter vor drei Jahren nach<br />
Budapest – und von dort zum ersten<br />
Mal in die deutsche Haupt-<br />
stadt. Als er sich ein Jahr später<br />
bei einem Poesiefestival in die<br />
Berliner Dichterin Uljana Wolf<br />
verliebte, war es nur eine Frage<br />
der Zeit, dass Berlin zu seinem<br />
zweiten Lebensmittelpunkt wurde.<br />
Christian und Uljana feierten<br />
Hochzeit – und übersetzten gegenseitig<br />
ihre Werke in die jeweils<br />
eigene Sprache.<br />
So entstand die erste Sammlung<br />
von Hawkeys Gedichten<br />
in deutscher Sprache mit<br />
Hilfe seiner Frau („Reisen in<br />
Ziegengeschwindigkeit“,deutschenglisch,<br />
KOOKbooks Verlag<br />
Berlin 2008). Das Buchprojekt<br />
vollendete Hawkey in diesem<br />
Frühjahr während seines Berlin-<br />
Aufenthalts als Gast des Berliner<br />
Künstlerprogramms des <strong>DAAD</strong>.<br />
Der Dichter ist Professor für Literatur<br />
und Creative Writing am<br />
Pratt-Institut in Brooklyn, New<br />
york, und Herausgeber der amerikanischen<br />
Literaturzeitschrift „Jubilat“.<br />
Für seine Lyrik – assoziativ<br />
und voller Sprachwitz – erhielt er<br />
bereits bedeutende Preise. Llo<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Neuer Präsident der Europa-<br />
Universität Viadrina in<br />
Frankfurt (Oder) ist ab Oktober<br />
2008 der 67-jährige Jurist Gunter<br />
Pleuger. Der frühere Spitzendiplomat,<br />
der 1967 mit einem <strong>DAAD</strong>-<br />
Stipendium an der Ecole Nationale<br />
d’Administration in Paris studierte,<br />
war zuletzt von 2002 bis 2006<br />
als Deutscher Botschafter bei den<br />
Vereinten Nationen in New york<br />
tätig. Dort machte er sich unter<br />
anderem um die deutsch-amerikanische<br />
Freundschaft verdient, die<br />
während des Irakkrieges unter<br />
starken Druck geraten war.<br />
Seine internationalen Beziehungen<br />
und langjährigen Auslandserfahrungen<br />
könnten der<br />
kleinen Hochschule mit rund<br />
5 000 Studierenden aus 73 Ländern<br />
neue Impulse geben und<br />
manchen prominenten internationalen<br />
Gast an die deutsch-polnische<br />
Grenze locken. Pleuger betonte<br />
nach seiner Wahl vor allem<br />
die „Brückenfunktion“ der Hochschule<br />
zwischen den alten und<br />
neuen Ländern der Europäischen<br />
Union. Als Hochschulpräsident<br />
ist er Nachfolger der aus Altersgründen<br />
ausgeschiedenen Gesine<br />
Schwan, die 2009 als Kandidatin<br />
der SPD für das Amt des Bundespräsidenten<br />
antritt. kj<br />
Die Deutschen sind sparsamer<br />
als die Italiener – und das,<br />
obwohl die Südländer um einiges<br />
ärmer sind. Wenn Elena Carletti<br />
das sagt, muss es stimmen, denn<br />
sie gehört zu den wenigen Wirtschaftsexperten<br />
aus Italien, die<br />
auch Deutschlandkenner sind.<br />
Im Juli erhielt sie als erste Wirtschaftswissenschaftlerin<br />
den<br />
Ladislao Mittner-Preis. Der Preis<br />
wird alljährlich vom <strong>DAAD</strong> an<br />
Italiener vergeben, die den kul-<br />
daad 41<br />
turellen und wissenschaftlichen<br />
Dialog zwischen beiden Ländern<br />
pflegen.<br />
Als die Spezialistin für das Bankenwesen<br />
vor acht Jahren aus<br />
privaten Gründen in die deutsche<br />
Bankenmetropole Frankfurt<br />
am Main kam, brachte sie einen<br />
Doktorhut aus Bologna und einen<br />
weiteren aus London, aber nur geringe<br />
deutsche Sprachkenntnisse<br />
mit. Nach einem halben Jahr unterrichtete<br />
sie an der Universität<br />
Mannheim bereits in deutscher<br />
Sprache. Seit 2004 lehrt sie an der<br />
Universität Frankfurt und forscht<br />
am dortigen Center for Financial<br />
Studies über Wettbewerb und Regulierung<br />
der Banken, Bankfusionen<br />
und Corporate Governance.<br />
Im Herbst folgt die 38-jährige<br />
Professorin und Mutter eines<br />
vierjährigen Sohnes dem Ruf ans<br />
Europäische Hochschulinstitut<br />
in Florenz – mit der Option, bald<br />
nach Deutschland zurückzukehren:<br />
Der Mittner-Preis umfasst<br />
neben 5 000 Euro auch ein vierwöchiges<br />
Forschungsstipendium<br />
für Deutschland. Llo<br />
Foto: privat
42<br />
daad<br />
bücher von unseren lesern<br />
Ungarische Feuilletons<br />
Berühmt wurde der ungarische<br />
Journalist, Essayist und Arzt Max<br />
Nordau (1849-1923) durch sein<br />
kulturkritisches Buch „ Die conventionellen<br />
Lügen der Menschheit“<br />
(1883). Ein Jahrzehnt später<br />
prägte sein Hauptwerk „Entartung“<br />
die Geistes- und Begriffsgeschichte<br />
des Fin de Siècle.<br />
Der in Pest geborene Sohn einer<br />
orthodoxen jüdischen Familie errang<br />
literarischen Ruhm erst nach<br />
seiner Übersiedlung nach Paris.<br />
Die ersten 30 Jahre seiner journalistischen<br />
Tätigkeit in Pest wurden<br />
von der Nordau-Forschung bisher<br />
vernachlässigt.<br />
Mehr als 300 Feuilletons aus dieser<br />
Zeit hat die ungarische ehemalige<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin Hedvig<br />
Ujvári jetzt erstmals im Original<br />
erfasst und in einen historischen<br />
und literaturhistorischen Kontext<br />
gestellt. Unter den im „Pester<br />
Lloyd“ und im „Neuen Pester Journal“<br />
erschienenen Artikeln fand<br />
sie zahlreiche über die Wiener<br />
Weltausstellung von 1873. Die<br />
Germanistin mit Schwerpunkt<br />
Presse- und Mediengeschichte<br />
studierte und forschte in Ungarn,<br />
Deutschland und Österreich und<br />
unterrichtet zurzeit an mehreren<br />
ungarischen Hochschulen.<br />
Hedvig Ujvári: Dekadenzkritik<br />
aus der „Provinzstadt“. Max Nordaus<br />
Pester Publizistik. Argumentum<br />
Verlag, Budapest 2007<br />
Frankophone Dramen<br />
Die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert<br />
bedeutete auch eine Zäsur<br />
für die Erinnerungskultur:<br />
Die Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges<br />
sterben langsam aus – die<br />
nächste Generation sucht ihren<br />
eigenen, medial vermittelten und<br />
kulturellen Zugang zur Erinnerung.<br />
In ihrer Dissertation stellt<br />
die Literaturwissenschaftlerin<br />
Harold Pinter<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
und <strong>DAAD</strong>-Alumna Christine Felbeck<br />
ein Kompendium zeitgenössischer<br />
frankophoner Dramatiker<br />
zusammen, deren Stücke das Erinnern<br />
an den Weltkrieg behandeln.<br />
Ausführliche Präsentationen der<br />
Autoren und ihrer Gesamtwerke<br />
sowie ein dokumentarischer Anhang<br />
aus Briefen und Interviews<br />
runden das Buch ab.<br />
Christine Felbeck: Erinnerungsspiele.<br />
Memoriale Vermittlung<br />
des Zweiten Weltkrieges im französischsprachigenGegenwartsdrama.<br />
Narr Francke Attempto<br />
Verlag, 2008<br />
Britischer Nobelpreisträger<br />
Auf der deutschen Bühne war Harold<br />
Pinter in den 60er und 70er<br />
Jahren vor allem mit Stücken wie<br />
„Der Hausmeister“ oder „Die Geburtstagsfeier“<br />
präsent. Später<br />
sorgte er durch seine verbalen Attacken<br />
gegen die amerikanische<br />
und die britische Regierung für<br />
Kontroversen. 2005 erhielt er den<br />
Literatur-Nobelpreis. Peter Münder,<br />
der vier Jahre lang als <strong>DAAD</strong>-<br />
Lektor an der deutschen Abteilung<br />
der Chulalongkorn-Universität in<br />
Bangkok tätig war, promovierte<br />
bereits 1976 über „Harold Pinter<br />
und die Problematik des absurden<br />
Theaters“. In seiner neuen Monographie<br />
würdigt der als freier Autor<br />
in Hamburg lebende Münder<br />
die Entwicklung eines großen<br />
Sprachartisten und rebellischen<br />
Zeitgenossen.<br />
Peter Münder: Harold Pinter.<br />
Rowohlt 2007 kj<br />
Rätsel-Lösungen<br />
Die Lösung des vorigen <strong>Letter</strong>-Rätsels lautet:<br />
WELTLITERATUR.<br />
Die Lösung ergibt sich aus folgenden Wörtern: weich,<br />
ewig, leise, tot, langsam, intern, Tiefe, einig, reich, alt,<br />
Tag, unten, rau<br />
Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />
Nino Osepashvili, Tbilissi/Georgien; Ksenia Moor, Tomsk/<br />
Russland; Mahmut Suat Delibalta, Adana/Türkei;<br />
Yin Ling, Beijing/V. R. China; Lahbib Oubbi, Rabat/<br />
Marokko; M. R. Naimi-Jamal, Teheran/Iran; Gloria M.<br />
Tapia-Guerrero, Santiago/Chile; Aria Jackson, Portland/<br />
USA; Azra Zolotič, Odžak/Bosnien-Herzegowina;<br />
Iva Slováčková, Plzeň/Tschechische Republik<br />
Einen Trostpreis erhalten:<br />
Bjarnheiður Kristinsdóttir (Island), zurzeit Freiberg/<br />
Deutschland; Rolf Kuno, Paddington/Australien; F.<br />
Bilginoglu, Istanbul/Türkei; Alicia Denegri Schülke,<br />
Lima/Peru; Hely Läheteenmäki, Turku/Finnland;<br />
Malu Harten, Manta/Ecuador; Natalja Wachrushewa,<br />
Pawlowsk/Russland; Alejandro Ávila Uriza, Sta. Ma.<br />
La Ribera/Mexiko; Elena Selevanova, Stavropol/<br />
Russland; Boris Minovski, Veliko Tirnovo/Bulgarien<br />
Wer war’s?<br />
ADAM RIES(E)<br />
Einen Preis erhalten:<br />
Peter Zigman, Nitra/Slowakei; Walter Schönau, Groningen/<br />
Niederlande; Orlando Guerrero, Bogotá/Kolumbien; Zdenka<br />
Janská, Blatná/Tschechische Republik; Lina Abed Ibrahim<br />
(Palästinensische Gebiete), zurzeit Kassel/Deutschland<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong><br />
Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
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Kessler (CK), Ruth Kuntz-Brunner, Horst Willi Schors (ors)<br />
Übersetzungen Abstracts: Elizabeth Crawford<br />
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die Meinung des Herausgebers wieder.<br />
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Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />
Einem Teil dieser Ausgabe liegen ein Faltblatt des<br />
<strong>DAAD</strong>-Freundeskreises und ein Fragebogen bei.
3. April<br />
Nein zu größerer Nato<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
spricht sich beim Nato-Gipfel in<br />
Bukarest dagegen aus, der Ukraine<br />
und Georgien eine baldige Mitgliedschaft<br />
in dem Militärbündnis<br />
in Aussicht zu stellen. Deutschland<br />
demonstriert damit Rücksichtnahme<br />
gegenüber Russland.<br />
8. April<br />
Mehr Geld für Ärzte<br />
Die Mediziner-Gewerkschaft Marburger<br />
Bund setzt nach längerem<br />
Streik einen neuen Tarifvertrag<br />
für die rund 55 000 Klinikärzte in<br />
Deutschland durch. Deren Gehälter<br />
steigen um vier Prozent. Zum<br />
1. Januar 2009 folgt eine weitere<br />
Anhebung um 3,8 Prozent.<br />
14. April<br />
Wechsel in Sachsen<br />
Sachsens Ministerpräsident Georg<br />
Milbradt (CDU) gibt seinen Rücktritt<br />
bekannt. Er übernimmt die<br />
politische Verantwortung für die<br />
in eine Finanzkrise geratene Sächsische<br />
Landesbank. Der Landtag<br />
wählt Stanislaw Tillich (CDU) zum<br />
neuen Ministerpräsidenten. Erstmals<br />
wird damit ein Angehöriger<br />
der Sorben zum Regierungschef.<br />
Die Sorben sind eine kleine slawische<br />
Bevölkerungsgruppe, die an<br />
der Grenze zu Polen lebt.<br />
24. April<br />
Rüge für Geheimdienstler<br />
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes<br />
(BND), Ernst<br />
Uhrlau, wird vom Geheimdienst-<br />
Ausschuss des Parlaments gerügt.<br />
Grund ist, dass Uhrlau eine<br />
Ausspäh-Aktion gegen den afghanischen<br />
Minister Amin Farhang<br />
angeordnet hatte. Uhrlau darf allerdings<br />
im Amt bleiben.<br />
1. Mai<br />
Kanzlerin bekommt Preis<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
erhält in Aachen den Internationalen<br />
Karlspreis. Er wird für Verdienste<br />
um die europäische Einigung<br />
verliehen.<br />
Trauer um Hitler-Gegner<br />
Im Alter von 90 Jahren stirbt in<br />
Altenahr (Rheinland-Pfalz) der Ex-<br />
Offizier Philipp von Boeselager. Er<br />
hatte den Sprengstoff beschafft,<br />
mit dem Hitler bei dem fehlgeschlagenen<br />
Attentat vom 20. Juli<br />
<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />
Deutsche chronik<br />
Eine Auswahl von Ereignissen, die in der Bundesrepublik Schlagzeilen machten (1. April bis 31. Juli 2008)<br />
1944 getötet werden sollte. Boeselager<br />
entging der Verhaftungswelle<br />
der Nazis, weil er von keinem<br />
seiner Freunde aus dem Verschwörerkreis<br />
verraten wurde.<br />
7. Mai<br />
CDU und Grüne kooperieren<br />
Das Landesparlament von Hamburg<br />
bestätigt Bürgermeister Ole<br />
von Beust (CDU) im Amt. Beust<br />
stützt sich auf eine Koalition aus<br />
CDU und Grünen. Es ist das erste<br />
Landes-Bündnis dieser Art.<br />
17. Mai<br />
Bayern vorn<br />
Die Mannschaft von Bayern München<br />
wird Deutscher Fußballmeister<br />
2008. Zugleich beendet Bayern-Torhüter<br />
Oliver Kahn seine<br />
Karriere.<br />
19. Mai<br />
Wachsende Armut<br />
Jeder achte Bürger in Deutschland<br />
ist von Armut bedroht, stellt ein<br />
Bericht aus dem Bundesarbeitsministerium<br />
fest. Besonders ungünstig<br />
ist demnach die finanzielle<br />
Lage von Familien mit vielen<br />
Kindern sowie von Personen mit<br />
ausländischer Herkunft.<br />
22. Mai<br />
Köhler tritt wieder an<br />
Bundespräsident Horst Köhler<br />
(CDU) teilt mit, dass er 2009 für<br />
eine zweite Amtsperiode kandidieren<br />
will. Vier Tage später nominiert<br />
die SPD die Präsidentin<br />
der Universität Frankfurt/Oder,<br />
Gesine Schwan, als Gegenkandidatin.<br />
Die Wissenschaftlerin hatte<br />
sich bereits 2004 der Wahl um das<br />
höchste Staatsamt gestellt – und<br />
knapp verloren.<br />
24. Mai<br />
Kontinuität bei Linken<br />
Die beiden Vorsitzenden der Partei<br />
Die Linke, Oskar Lafontaine<br />
und Lothar Bisky, werden in ihren<br />
Ämtern bestätigt. Auf dem Parteitag<br />
in Cottbus (Brandenburg)<br />
bekommen die beiden Spitzenpolitiker<br />
allerdings weniger Ja-Stimmen<br />
als zwei Jahre zuvor.<br />
27. Mai<br />
Erinnerung an Nazi-Opfer<br />
In Berlin wird ein Mahnmal zur<br />
Erinnerung an die vom Hitler-Regime<br />
verfolgten Homosexuellen<br />
eingeweiht.<br />
Foto: Getty Images/AFP/BERTRAND GUAY<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Anselm Kiefer im Pariser Louvre<br />
vor einem seiner Werke<br />
4. Juni<br />
Preis für Anselm Kiefer<br />
Als erster Maler und Bildhauer<br />
erhält der weltweit bekannte<br />
Künstler Anselm Kiefer den<br />
diesjährigen Friedenspreis des<br />
Deutschen Buchhandels. Der<br />
63-Jährige habe in seinen Werken<br />
eine Bildsprache entwickelt, „die<br />
aus dem Betrachter einen Leser<br />
macht“, begründet der Stiftungsrat<br />
die Auszeichnung. Die Preisverleihung<br />
findet am 19. Oktober<br />
während der Buchmesse in Frankfurt<br />
statt.<br />
5. Juni<br />
Eklat im Landtag<br />
Im hessischen Landtag erzwingen<br />
die drei Parteien SPD, Grüne<br />
und Linke die Abschaffung der<br />
Studiengebühren. Wegen eines<br />
Formfehlers weigert sich Ministerpräsident<br />
Roland Koch (CDU), das<br />
Gesetz zu vollziehen. Daraufhin<br />
wird die Abstimmung wiederholt.<br />
Erneut spricht sich eine knappe<br />
Mehrheit dafür aus, die Studiengebühren<br />
zu streichen. Damit<br />
wird der Beschluss rechtskräftig.<br />
Hintergrund des Gerangels: Die<br />
CDU/FDP-Koalition in Wiesbaden<br />
hat bei den Landtagswahlen Ende<br />
Januar ihre Mehrheit verloren und<br />
ist nur noch geschäftsführend im<br />
Amt.<br />
8. Juni<br />
Tod eines Dichters<br />
Im Alter von 78 Jahren stirbt<br />
in Hamburg der Dichter Peter<br />
Rühmkorf. Er gilt als einer der<br />
bedeutendsten modernen Lyriker<br />
Deutschlands.<br />
25. Juni<br />
Krise bei Siemens<br />
Der Siemens-Konzern in München<br />
kündigt wegen schlechter<br />
Geschäftsergebnisse einen drastischen<br />
Stellen-Abbau an. Insgesamt<br />
will der Konzern rund 17000<br />
Jobs streichen, darunter mehr als<br />
5 000 in Deutschland.<br />
29. Juni<br />
Platz zwei im Fußball<br />
Beim Endspiel der Fußball-Europameisterschaft<br />
in Wien siegt<br />
Spanien über Deutschland mit<br />
1:0. Millionen Fußball-Fans verfolgen<br />
die Fernseh-Übertragung auf<br />
öffentlichen Plätzen.<br />
24. Juli<br />
Andrang bei Obama in Berlin<br />
Der US-Präsidentschaftskandidat<br />
Barack Obama besucht Berlin.<br />
In einer Rede vor rund 200 000<br />
Zuhörern an der Berliner Siegessäule<br />
unweit vom Brandenburger<br />
Tor wirbt er für eine engere Partnerschaft<br />
zwischen den USA und<br />
Europa. Zuvor führte er Gespräche<br />
mit Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
sowie mit Bundesaußenminister<br />
Frank-Walter Steinmeier.<br />
30. Juli<br />
„Punktsieg“ für Raucher<br />
Das Bundesverfassungsgericht<br />
in Karlsruhe fällt ein „raucherfreundliches“<br />
Urteil. Demnach<br />
darf in Gaststätten mit nur einem<br />
Raum kein striktes Rauchverbot<br />
gelten. Das Urteil wurde von zwei<br />
Gastwirten erstritten. Sie hatten<br />
argumentiert, ein totales Rauchverbot<br />
würde sie gegenüber größeren<br />
Restaurants benachteiligen,<br />
in denen eine räumliche Trennung<br />
zwischen Rauchern und Nichtrauchern<br />
leichter machbar sei.<br />
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