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Letter - DAAD-magazin

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nr. 2 august 2008, 28.Jg.


Foto: picture-alliance/dpa<br />

Foto: Reiner Zensen<br />

2<br />

InhalT<br />

Glücksforschung:<br />

Fortuna auf der Spur<br />

S.18<br />

Naturschutz:<br />

Monokulturen zerstören<br />

biologische Vielfalt<br />

S.30<br />

Titel:<br />

Esskultur:<br />

Zwischen Bio- und Fastfood<br />

S.10<br />

Spitzenposition in der Sozialforschung:<br />

Jutta Allmendinger<br />

S.33<br />

Abb. aus: Boccaccio „De Casibus Virorum Illustrium“ (Paris, 1467)<br />

Foto: digitalstock/B. Schug<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Dialog Seite 4<br />

Zwischen Konflikt und Frieden<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten beim „Global Media Forum“ S. 4<br />

Leserbriefe S. 6<br />

<strong>DAAD</strong>-Standpunkt S. 7<br />

Spektrum Deutschland Seite 8<br />

Titel<br />

Ernährung in Deutschland<br />

Seite 10<br />

Zwischen Fastfood und Biokost<br />

„Einen Coffee to go, bitte“<br />

S. 10<br />

Interview mit Gunther Hirschfelder S. 12<br />

Hochschule<br />

Abschied vom Vollzeit-Studenten<br />

Seite 14<br />

Weiterbildung an deutschen Hochschulen S. 14<br />

Neues vom Campus S. 16<br />

Wissenschaft<br />

Das Glück hat viele Gesichter<br />

Seite 18<br />

Eine Ausstellung in Dresden<br />

Ohne Sinn kein Glück<br />

S. 18<br />

Interview mit Wilhelm Schmid<br />

Labor für Multis<br />

S. 19<br />

Hohe Investitionen am Forschungsstandort Deutschland S. 21<br />

Ortstermin Seite 22<br />

Hamburg: Ein Hauch von Eigensinn S. 22<br />

Europa<br />

Clean Sky<br />

Seite 24<br />

Europäische Union fördert umweltfreundliche Flugzeuge S. 24<br />

Arbeiten weltweit<br />

Zwei Deutsche in Russland:<br />

Seite 26<br />

Tragfähige Geschäftsbeziehungen S. 26<br />

Rätsel Seite 28<br />

Sprachecke Seite 29<br />

<strong>DAAD</strong> Report Seite 30<br />

Artenschutz geht alle an<br />

Alumni engagieren sich für biologische Vielfalt S. 30<br />

Alumni-Netzwerk in Korea S. 32<br />

Gestern Stipendiatin – und heute ...<br />

Jutta Allmendinger S. 33<br />

Stipendiaten forschen S. 34<br />

Nachrichten S. 36<br />

Köpfe S. 40<br />

Bücher von unseren Lesern S. 42<br />

Impressum S. 42<br />

Deutsche Chronik Seite 43<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


Einerseits: Die Deutschen essen zu viel, zu<br />

fett und zu süß. Andererseits: Nirgendwo<br />

stehen Biokost und gesunde Ernährung so<br />

hoch im Kurs wie in Deutschland. Zwei gegensätzliche<br />

Trends, die aber noch nicht alles<br />

über deutsche Esskultur aussagen: Fastfood,<br />

Coffee to go und Snack-Kultur gehören ebenso<br />

dazu wie festlich zelebrierte Mahlzeiten. Die<br />

neue Vielfalt deutscher Essgewohnheiten ruft<br />

Wissenschaftler auf den Plan und regt Politiker<br />

zu nationalen Gesundheits-Aktionen an<br />

(Titelgeschichte Seite 10). Den Leuten auf den<br />

Teller geschaut hat auch der Bonner Ethnologe<br />

Gunther Hirschfelder. Er gibt Auskunft über<br />

den Wandel der Esskultur aus kulturhistorischer<br />

Sicht (Interview Seite 12).<br />

Eine gute Mahlzeit kann Menschen glücklich<br />

machen. Das ist freilich nur eine<br />

von vielen Möglichkeiten, Glück zu erleben.<br />

Was sich Menschen verschiedener Kulturen<br />

auf der Jagd nach dem Glück alles einfallen<br />

lassen und welche Opfer sie dafür bringen<br />

– vom Risikosport bis zur Schönheitsoperation<br />

–, erfährt der Besucher einer Ausstellung<br />

in Dresden. Am Ende weiß er vor allem eins:<br />

Das eine Glück gibt es nicht (Seite 18). Eine<br />

wahre „Glückshysterie“ bescheinigt der Berliner<br />

Philosoph und langjährige <strong>DAAD</strong>-Gastdozent<br />

Wilhelm Schmid den Deutschen heute.<br />

Schmid ist selbst Autor eines Bestsellers zum<br />

Thema Glück und zeigt ganz eigene Wege auf<br />

(Interview Seite 18).<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Glücksmoment beim Essen<br />

Ein Kriterium für Lebens-Glück ist in<br />

weltweiten Umfragen auch die Bildung.<br />

Lebenslanges Lernen lautet das Stichwort –<br />

an deutschen Hochschulen setzt es sich nur<br />

allmählich durch. In anderen europäischen<br />

Ländern und in den USA ist es längst guter<br />

Brauch – nun sollen auch in Deutschland immer<br />

mehr Berufstätige in die Hörsäle (zurück)<br />

streben können. Wissenschaftliche Weiterbildung<br />

setzt neue Strategien voraus, wie den<br />

verstärkten Dialog zwischen Hochschule und<br />

Berufswelt (Seite 14).<br />

Weiterbildung für ausländische Hochschulabsolventen<br />

und Alumni zu aktuellen<br />

Themen gehört seit Jahrzehnten zur<br />

Programmpalette des <strong>DAAD</strong>. 24 Alumni aus<br />

13 Ländern bildeten sich in diesem Sommer<br />

an der Uni Göttingen in Sachen Artenschutz<br />

weiter. Auf Einladung des <strong>DAAD</strong> besuchten<br />

sie auch die UN-Weltkonferenz zur Biodiversität<br />

in Bonn – mit 6 000 Teilnehmern ein<br />

Foto: Free Agencja Fotograficzna/StockFood<br />

EdITorIal 3<br />

internationales Forum für Know-how und<br />

neue Kontakte. Der Umweltforscher Houman<br />

Liaghati aus Iran fand dort den Partner für<br />

einen geplanten Naturschutzpark in seinem<br />

Heimatland (Seite 30).<br />

Einem Teil dieser <strong>Letter</strong>-Ausgabe liegt ein<br />

Fragebogen bei, mit dem der <strong>DAAD</strong> seine<br />

Adress-Datei aktualisieren möchte. <strong>DAAD</strong> und<br />

<strong>Letter</strong>-Redaktion sind sehr dankbar für eine<br />

schnelle Antwort per Post, Fax oder E-Mail.<br />

Nur wer uns schreibt, kann <strong>Letter</strong> weiterhin<br />

erhalten.


4 dIalog<br />

Zwischen Konflikt und Frieden<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten über die Rolle der Medien<br />

Mehr als 900 Teilnehmer aus 100 Ländern trafen sich zum „Global Media<br />

Forum“ der Deutschen Welle in Bonn. Repräsentanten aus Medien und<br />

Politik, Kultur und Wirtschaft, Wissenschaft und Entwicklungszusammenarbeit<br />

diskutierten über die Rolle der Medien bei Konfliktprävention<br />

und Friedensstiftung. Mit dabei waren neun <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Sie studieren in <strong>DAAD</strong>-geförderten<br />

„Aufbaustudiengängen mit entwicklungsbezogener Thematik“.<br />

So nehmen Christiana Amuzu (29) aus Ghana (auf unserem<br />

Bild links) und Jan Andrew Zubiri (24) von den Philippinen (Mitte)<br />

am Mas terstudiengang „Environmental Governance“ an der Universität<br />

Freiburg teil; Sofyan Syahnur (38) aus der Provinz Aceh in<br />

Indonesien (rechts) promoviert am Zentrum für Entwicklungsforschung<br />

in Bonn.<br />

Inwiefern können Medien dazu beitragen,<br />

Konflikte abzuschwächen und den<br />

Friedensprozess zu unterstützen?<br />

CHRISTIANA AMUZU:<br />

Wir dürfen die Rolle der Medien nicht überbewerten.<br />

Sie können weder Frieden schaffen<br />

noch Korruption unterbinden. Dafür braucht<br />

es integre Politiker und aufgeklärte, demokratiebewusste<br />

Bürger. Die Medien können allenfalls<br />

Vermittler sein. Für mich ist entscheidend,<br />

dass Menschen durch Medien nicht<br />

ausgegrenzt werden.<br />

Ressourcen wie etwa Rohstoffe sind häufig<br />

der Zündstoff für Konflikte. Deshalb beobachte<br />

ich genau, wie mit den neuen Ölfunden in<br />

Ghana umgegangen wird – sie bedeuten nicht<br />

automatisch Wohlstand für alle. Letztendlich<br />

ist die Regierung für eine gerechte Verteilung<br />

verantwortlich. Aber es ist hilfreich zu wissen,<br />

dass die Medien diesen Prozess wachsam begleiten.<br />

JAN ANDREW ZUBIRI:<br />

Ich bewerte die Rolle der Medien etwas anders.<br />

Sie können durchaus dazu beitragen,<br />

Konflikte abzuschwächen, und zwar genau<br />

dann, wenn sie ihre Aufgabe als unabhängige<br />

Berichterstatter wahrnehmen<br />

und unzensiert berichten dürfen. Mir ist<br />

auf der Bonner Konferenz klar gewor-<br />

den, wie stark die Medien die öffentliche Meinung<br />

beeinflussen und sensibilisieren. Daher<br />

können sie erheblich zum Bewusstseinswandel<br />

im Umwelt- und Klimaschutz beitragen.<br />

Wenn die Menschen daraufhin tatsächlich ihr<br />

Verhalten ändern, helfen Medien durch ihre<br />

aufklärende Funktion mit, Konflikte und Aggression<br />

zu mindern.<br />

SOFyAN SyAHNUR:<br />

Das ist sicher richtig. Allerdings dürfen wir<br />

nicht vergessen, dass Medien gerade durch<br />

ihre Berichte Konflikte sogar verstärken und<br />

Propaganda betreiben können – aus welchen<br />

Gründen auch immer. Ich denke an die Zeit,<br />

als die Bewegung für ein freies Aceh in der Ära<br />

von Präsident Suharto mit Waffengewalt für<br />

einen unabhängigen Staat Aceh kämpfte. Die<br />

indonesische Regierung erklärte daraufhin<br />

die Region zum Kriegsgebiet. Damals konnten<br />

die Medien nicht frei berichten. Erst über den<br />

späteren Friedensschluss berichteten Journalisten<br />

objektiver. Nach dem Tsunami haben<br />

uns die Medien weltweit sehr unterstützt, indem<br />

sie das Ausmaß der Katastrophe zeigten<br />

und zu Spenden aufriefen.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Fotos: Eric Lichtenscheid


Welche Funktion übernehmen<br />

internationale und welche lokale Medien,<br />

und wie werden diese in Ihren Ländern<br />

wahrgenommen?<br />

JAN ANDREW ZUBIRI:<br />

Die Trennung von lokalen und internationalen<br />

Medien ist durch die neuen Technologien<br />

teilweise verwischt: Im Internet laufen<br />

Blogs und Podcasts, Nachrichten lese ich auf<br />

dem Handy. Wenn jeder berichten und seine<br />

Perspektive einbringen kann, wird es allerdings<br />

schwerer, die Wahrheit zu<br />

erkennen. Aktualität rund um<br />

die Uhr gewährleisten nur die<br />

internationalen Medien, nicht<br />

die lokalen. Die Zuschauer<br />

sind hautnah bei Krisen dabei,<br />

dafür waren die Berichte<br />

über den Tsunami ein gutes<br />

Beispiel. Zwar besitzt fast<br />

jede philippinische Familie<br />

einen Fernseher, egal<br />

wie arm sie ist, aber<br />

keinen Kabel- oder<br />

Satellitenanschluss,<br />

mit dem sie die internationalen<br />

Sender empfangen<br />

kann. Deshalb erfüllen<br />

lokale Sender eine wichtige<br />

Funktion in der Informationsvermittlung.<br />

CHRISTIANA AMUZU:<br />

In den ländlichen Regionen Ghanas<br />

haben längst nicht alle Haushalte einen<br />

Fernseher. Außerdem senden die internationalen<br />

Medien nur auf Englisch, das<br />

nicht alle Ghanaer gut genug verstehen.<br />

Deshalb sind die lokalen Fernsehsender<br />

so wichtig. Darüber hinaus hören die Menschen<br />

nach wie vor häufig Radio, weil das<br />

gesamte Programm in den lokalen Sprachen<br />

gesendet wird. Bei diesen Sendungen können<br />

die Hörer mitmachen und mitdiskutieren, das<br />

stärkt das Gemeinschaftsgefühl.<br />

Welche Medien nutzen Sie persönlich?<br />

CHRISTIANA AMUZU:<br />

Ich nutze alle Medien, aber mit meiner Familie<br />

in Ghana telefoniere ich nur, was leider sehr<br />

teuer ist. Meine Mutter hat nicht gelernt, mit<br />

dem Computer umzugehen, also kann sie auch<br />

nicht E-Mails senden oder empfangen – dies<br />

ist eine Generationenfrage, die sicher überall<br />

auf der Welt ähnlich ist und uns zeigt, wie rasant<br />

sich Medien entwickelt haben.<br />

SOFyAN SyAHNUR:<br />

Medien sind für meine Arbeit sehr wichtig.<br />

Ich möchte sie künftig vor allem nutzen, um<br />

dIalog<br />

der Gesellschaft meine Forschungsergebnisse<br />

mitzuteilen. Ich bin Ökonom und Dozent an<br />

der Syiah Kuala Universität in Banda Aceh.<br />

Die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung<br />

ist schlecht. Ich hoffe, dass meine Untersuchungen<br />

dazu beitragen, das Finanzmanagement<br />

weiterzuentwickeln und eine solide<br />

Basis für Investoren in der Region Aceh<br />

zu liefern. Medien sind außerdem ein<br />

hilfreiches Instrument für den Unterricht<br />

– Multimedia in der Lehre, das ist eine<br />

ganz neue Herausforderung für mich.<br />

JAN ANDREW ZUBIRI:<br />

Ich schreibe einen Blog über meine<br />

Erlebnisse und Erfahrungen in<br />

Deutschland. Das ist einfacher, als<br />

mit allen Freunden zu mailen.<br />

Deshalb hat es mir besonders gefallen,<br />

dass ich im „Global Media<br />

Forum“ von den Berichten professioneller<br />

Blogger profitieren<br />

konnte und auch andere<br />

digitale Medien thematisiert<br />

wurden. Die nächste Konferenz<br />

sollte insbesondere<br />

neue Medien und Formate<br />

zum Thema haben, daran<br />

würde ich gerne wieder<br />

teilnehmen.<br />

Das Interview führte<br />

Katja Spross<br />

5


6 dIalog<br />

leserbriefe<br />

„In Deutschland das Herz verloren“<br />

Können Sie es glauben? Ich habe die Welt getroffen!<br />

Jawohl! 250 fremde Menschen und 200<br />

verschiedene Kulturen habe ich in Tübingen<br />

beim internationalen Sommerkurs getroffen,<br />

und viele von ihnen sind zu Freunden geworden.<br />

Ich selbst habe in diesen vier Wochen –<br />

im August 2007 – mein Herz in Deutschland<br />

verloren. Ich besuchte den Deutschkurs für<br />

Fortgeschrittene an der Eberhard-Karls-Universität,<br />

um meine Sprachkenntnisse zu verbessern.<br />

Viele sehr lange und komplizierte deutsche<br />

Sätze habe ich konstruiert und sehr viel gelernt.<br />

Aber außer den Sommerkursen bot Tübingen<br />

auch viele andere Aktivitäten für ausländische<br />

Studierende: Filmabende, Theater,<br />

Stadtführungen, Jonglieren, Flamenco, Rock’n<br />

Roll, Sommerchor, Sport, Zeichenkurse, Japanischer<br />

Abend, Schwäbischer Abend, Exkursionen...<br />

Natürlich habe ich vorher viele Vorurteile<br />

über Deutschland gehabt, aber die habe ich<br />

schnell vergessen. Von der Höflichkeit der<br />

Menschen, der Sauberkeit der Straßen, von<br />

Grün und Blumen überall bis zu den typisch<br />

schwäbischen Kässpätzle habe ich alles genossen.<br />

Brezeln zum Frühstück, Wein am Abend –<br />

man genießt das Leben in Deutschland. Jetzt<br />

Vom Sommerkurs in Tübingen schwärmt die Kenianerin<br />

Emmy Chirchir (oben links)<br />

Collage: Emmy Chirchir<br />

ist Deutschland mein Traumland. Vielleicht<br />

habe ich nicht nur mein Herz, sondern – wie<br />

ein anderer Student feststellte – auch einen<br />

Teil meiner Seele in Deutschland verloren. Auf<br />

jeden Fall waren diese Wochen eine ganz tolle<br />

und wichtige Erfahrung für mich, und ich wünsche<br />

mir, dass mehr (Deutsch-)Studenten aus<br />

Kenia eine solche Möglichkeit bekommen.<br />

Emmy Chirchir,<br />

Deutschstudentin aus Nairobi, Kenia<br />

Das Leben auf den Kopf gestellt<br />

Ich studiere Übersetzen und Dolmetschen an<br />

der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in<br />

Germersheim. Dort hörte ich eine Vorlesung<br />

des berühmten Translationswissenschaftlers<br />

Professor Hans J. Vermeer. Seine Aussage „Der<br />

Mensch ist beschränkt“ regte mich zu Überlegungen<br />

an, die mit meinen persönlichen<br />

Erfahrungen in Deutschland zu tun haben<br />

und auch für <strong>Letter</strong>-Leser von Interesse sein<br />

könnten.<br />

Ich denke, dass die Wahrnehmungsfähigkeit<br />

der Menschen besonders bei der Begegnung<br />

mit dem Fremden beschränkt ist. Die eigenen<br />

Vorstellungen und Vorurteile lassen uns nur<br />

schwer über die eigene Nase hinausschauen.<br />

Alles Neue und Unverständliche als negativ<br />

zu bezeichnen, fällt leichter, als sich die Auseinandersetzung<br />

damit zuzumuten. Man könnte<br />

das damit erklären, dass man große Angst bekommt,<br />

wenn man einer neuen, fremden Kultur<br />

begegnet und wenn man sich gezwungen<br />

sieht, diese in sich aufzunehmen. Denn dieses<br />

Neue stellt das ganze Leben auf den Kopf, und<br />

man weiß nicht mehr, wer man ist.<br />

Ich komme nach Deutschland und fühle<br />

mich dieser neuen Umgebung mit ihren kulturellen,<br />

politischen und sozio-ökonomischen<br />

Gegebenheiten und ihren Menschen ausgesetzt.<br />

In der ersten Zeit bin ich sehr neugierig.<br />

Ich möchte alles um mich herum kennenlernen<br />

und bringe eine bestimmte Anpassungsbereitschaft<br />

mit. Ich versuche, mich mit den<br />

hier lebenden Menschen anhand der Sprache,<br />

die ich beherrsche, zu verständigen. Doch das<br />

gelingt nicht immer, selbst wenn ich die Sprache<br />

fließend spreche. Wir reden aneinander<br />

vorbei, als ob wir über ganz verschiedene Dinge<br />

sprechen würden. Ich über Liebe und er<br />

über Autos. So ungefähr. Ich fühle mich gekränkt<br />

und missverstanden. Ich ärgere mich<br />

über mich selbst (da ich anscheinend das, was<br />

ich zu sagen vermeinte, im Deutschen falsch<br />

ausgedrückt habe) und über den anderen, der<br />

merkwürdigerweise nicht versteht, was ich<br />

ihm zu sagen vermeine.<br />

Manchmal kommt es sogar dazu, dass ich<br />

mich gar nicht auf Deutsch unterhalten möchte.<br />

Weil ich dann MEINE Sprache nicht sprechen<br />

kann. Stattdessen muss ich mich an die<br />

sprachlichen Gesetzmäßigkeiten und kulturell<br />

bedingten Grenzen halten, in denen ich viel<br />

weniger Freiraum habe, mich als Persönlichkeit<br />

auszudrücken. In diesen Zeiten unterhalte<br />

ich mich lieber mit meinen Landsleuten, die<br />

mich ohne weiteres verstehen. Ich verstecke<br />

mich also vor dieser neuen, fremden Kultur<br />

und muss mich mit ihr nicht weiter auseinandersetzen.<br />

Psychologen meinen, dass man einen inneren<br />

Schmerz zulassen soll, bis er seinen<br />

Höchststand erreicht. Danach kommt in der<br />

Regel die Erkenntnis, warum man unter diesen<br />

oder jenen Umständen so leidet. Ich versuche<br />

es mit dem Deutschen. Allmählich komme ich<br />

zu der Erkenntnis, dass ich Angst habe, von<br />

der neuen Kultur verschlungen zu werden<br />

und die Wurzeln zu verlieren, die mich mit<br />

meinem Heimatland, meiner Familie, meiner<br />

Sprache verbinden. Ich denke, ich kann nun<br />

versuchen, mich dem Neuen und Fremden zu<br />

öffnen – ohne Angst vor Veränderung. Veränderung<br />

ist ein Prozess, und darin liegt eine Dynamik,<br />

eine Entwicklung. Sie bedeutet Leben<br />

und eine enorme Bereicherung - auch wenn<br />

sie schmerzhaft ist.<br />

Maria Togoeva aus Twer, Russland<br />

Zurzeit <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin in Germersheim<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


Foto: Eric Lichtenscheidt<br />

Stefan Hormuth ist<br />

Präsident des <strong>DAAD</strong><br />

Auf seiner Mitgliederversammlung am<br />

24. Juni 2008 hat der <strong>DAAD</strong> mit großer<br />

Mehrheit sein neues Aktionsprogramm „Qualität<br />

durch Internationalität“ für die Jahre<br />

2008 bis 2011 beschlossen. Das ist auch der<br />

Zeitraum, für den ich als neuer <strong>DAAD</strong>-Präsident<br />

gewählt bin, und ich freue mich, dass die<br />

ehrgeizigen Ziele dieses Programms breite<br />

Zustimmung bei den Mitgliedshochschulen<br />

gefunden haben:<br />

Deutschland ist heute das drittwichtigste Zielland<br />

für ausländische Studierende. Wir wollen<br />

Deutschlands Position im internationalen<br />

Wettbewerb um hervorragende Studierende,<br />

Graduierte und Doktoranden weiter stärken<br />

und die Zahl ausländischer Studierender<br />

an deutschen Hochschulen von jetzt knapp<br />

200 000 auf 300 000 steigern. Gleichzeitig<br />

wollen wir die Bedingungen für die Auswahl<br />

und Vorbereitung und vor allem den Studienerfolg<br />

und die Studienzufriedenheit unserer<br />

ausländischen Gäste verbessern.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Qualität durch<br />

Internationalität<br />

Das neue Aktionsprogramm des <strong>DAAD</strong><br />

Von Prof. Stefan Hormuth<br />

Deutsche Studierende sind jetzt schon international<br />

mobiler als die meisten ihrer Kommilitonen<br />

in anderen Industrieländern. Sowohl für<br />

die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen<br />

als auch für die Zukunft unseres Landes sind<br />

Auslandserfahrungen extrem wichtig. Daher<br />

wollen wir die Zahl der deutschen Studierenden<br />

im Ausland von jetzt 75 000 auf 100 000<br />

pro Jahr steigern. Jeder zweite statt bisher jeder<br />

dritte Studierende soll im Laufe seines Studiums<br />

entweder zu Studiensemestern, Praktika,<br />

Sommerkursen oder einer Abschlussarbeit<br />

ins Ausland gehen.<br />

Wir wollen die deutschen Hochschulen weiter<br />

internationalisieren. Ein wichtiger Beitrag<br />

dazu ist, die Zahl ausländischer Hochschullehrer<br />

von jetzt 2 000 auf 4 000 zu steigern.<br />

Der <strong>DAAD</strong> setzt sich außerdem dafür ein,<br />

dass noch mehr deutsche Universitäten im<br />

Ausland entstehen; nach Ägypten, Jordanien<br />

und Kasachstan jetzt in der Türkei, Vietnam,<br />

Oman und Pakistan. Weltweit sollen Sprach-<br />

und Fachtests zur Vorbereitung auf ein Studium<br />

in Deutschland angeboten werden. Das<br />

so genannte „Forschungsmarketing“, also die<br />

Werbung um Forscher und die Ansiedlung<br />

von Forschungseinrichtungen in Deutschland,<br />

werden wir ausbauen.<br />

dIalog<br />

daad-Standpunkt<br />

Der deutschen Sprache und der wissenschaftlichen<br />

Beschäftigung mit Deutschland an<br />

ausländischen Hochschulen wollen wir mehr<br />

Gewicht verleihen: durch unser Lektorennetzwerk,<br />

neue Zentren für Deutschlandstudien<br />

und die weltweite Förderung von Partnerschaften<br />

zwischen Germanistik-Fachbereichen<br />

in Deutschland und in aller Welt.<br />

Beim Wettbewerb um Spitzenpositionen vergessen<br />

wir nicht die Mitverantwortung, die<br />

wir als reiche Industrienation gegenüber den<br />

Entwicklungsländern haben. Hierzu bauen<br />

wir ein weltweites Netz von Fachzentren an<br />

ausländischen Hochschulen auf, beginnend<br />

mit Afrika und Indien. Außerdem fördern wir<br />

entwicklungspolitische Exzellenzzentren an<br />

deutschen Hochschulen und möchten mehr<br />

Stipendien in Krisen- und Konfliktgebiete<br />

sowie für demokratieunterstützende Fächer<br />

vergeben.<br />

Diese ehrgeizigen Ziele fügen sich nahtlos<br />

in die im Februar 2008 vom Bundeskabinett<br />

beschlossene Strategie der Bundesregierung<br />

zur Internationalisierung von Wissenschaft<br />

und Forschung und in die neuen Konzepte des<br />

Auswärtigen Amtes zur Außenwissenschaftspolitik<br />

ein. Um unsere Ziele zu erreichen,<br />

sollte der <strong>DAAD</strong>-Etat in den nächsten vier<br />

Jahren von jetzt rund 300 auf 400 Mio. Euro<br />

wachsen. Erste Signale der Geldgeber zeigen,<br />

dass eine solche Steigerung im Rahmen des<br />

Möglichen liegt, wenn es uns weiter gelingt,<br />

bei Hochschulen, den politisch Verantwortlichen<br />

und in der Öffentlichkeit das Bewusstsein<br />

für die Bedeutung der Internationalisierung<br />

zu wecken.<br />

7


8 SpEKTrum<br />

US-Botschaft<br />

Rückkehr ans<br />

Brandenburger Tor<br />

63 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

ist die amerikanische Botschaft<br />

in Berlin an ihren historischen<br />

Standort nah beim Brandenburger<br />

Tor zurückgekehrt.<br />

Der Botschaftsneubau wurde am<br />

4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag,<br />

mit 4 500 Gästen<br />

und im Beisein von Alt-Präsident<br />

George Bush und Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel feierlich eröffnet.<br />

Das sandsteinfarbene Gebäude<br />

entstand nach einem Entwurf des<br />

kalifornischen Architekturbüros<br />

Moore Rubbell yudell und hat 130<br />

Millionen Dollar (83 Millionen<br />

Euro) gekostet. US-Botschafter<br />

William Timken und die 250 Botschaftsangestellten<br />

haben 14 000<br />

Quadratmeter Fläche mit Büros,<br />

Konferenz- und Ausstellungsräumen<br />

zur Verfügung.<br />

Das US-Botschaftsgebäude<br />

aus den 30er Jahren des vorigen<br />

Jahrhunderts wurde im Zweiten<br />

Weltkrieg schwer beschädigt und<br />

später von den DDR-Behörden<br />

abgerissen. Nach dem Bau der<br />

Berliner Mauer lag das Grundstück<br />

fast drei Jahrzehnte im so<br />

genannten Todesstreifen zwischen<br />

West- und Ostberlin. Der Neubau<br />

sollte ursprünglich Ende der 90er<br />

Jahre fertig sein, verzögerte sich<br />

aber wegen der von den Amerikanern<br />

gewünschten umfangreichen<br />

Sicherheitsvorkehrungen. Llo<br />

Militärgeschichte<br />

13 Bände Weltkrieg<br />

Das umfänglichste deutsche Forschungsprojekt<br />

zur Geschichte<br />

des Zweiten Weltkrieges ist fertiggestellt:<br />

Das Militärgeschichtliche<br />

Forschungsamt in Potsdam hat im<br />

Mai die beiden letzten Teilbände<br />

der Reihe „Das Deutsche Reich<br />

und der Zweite Weltkrieg“ publiziert.<br />

Sie handeln von den letzten<br />

Kriegswochen 1945 sowie den<br />

unmittelbaren Folgen der Kampfhandlungen.<br />

An dem Mammut-Projekt, das<br />

in der Deutschen Verlags-Anstalt<br />

München erschienen ist, waren<br />

insgesamt 67 Historiker beteiligt.<br />

Zwischen dem Erscheinungsdatum<br />

der ersten und der letzten<br />

Eröffnet: die neue amerikanische Botschaft in Berlin<br />

Bände liegen 29 Jahre. An den ersten<br />

Bänden – bereits jeweils 1 000<br />

Seiten dick – waren noch Historiker<br />

beteiligt, die selbst in der<br />

Hitler-Wehrmacht gedient hatten.<br />

CK<br />

Hessisches Archiv<br />

17 Millionen Nazi-Opfer<br />

dokumentiert<br />

Das weltweit größte Archiv mit<br />

Dokumenten über die Opfer des<br />

Hitler-Faschismus ist jetzt auch<br />

der Öffentlichkeit zugänglich. Das<br />

Archiv vom Internationalen Suchdienst<br />

des Roten Kreuzes (ITS) in<br />

der hessischen Kleinstadt Arolsen,<br />

in dem sich rund 50 Millionen Dokumente<br />

über etwa 17 Millionen<br />

Häftlinge der Konzentrationslager<br />

(KZ), Zwangsarbeiter und<br />

Verschleppte befinden, hat seine<br />

Benutzer-Ordnung grundlegend<br />

liberalisiert.<br />

Jahrzehntelang bekamen nur<br />

Verfolgte des Nazi-Regimes und<br />

deren Angehörige Einblick in persönliche<br />

Unterlagen. Nach umfangreichen<br />

Digitalisierungsarbeiten<br />

können nun auch Wissenschaftler<br />

die zahllosen Arbeitsbücher, Häft-<br />

Foto: picture-alliance/Schroewig<br />

lingskarteien, Meldelisten und<br />

Totenscheine auswerten. Nach<br />

Ansicht von Experten lässt sich<br />

damit zum Beispiel das Schicksal<br />

einzelner Häftlinge sowie der KZ-<br />

Aufseher noch genauer rekonstruieren.<br />

So gehört zu dem Archivgut in<br />

Arolsen auch der nahezu komplett<br />

erhaltene Aktenbestand aus<br />

den KZs Buchenwald und Dachau.<br />

Ebenso befindet sich dort das<br />

Original von „Schindlers Liste“ –<br />

die Namensliste jener jüdischen<br />

Häftlinge, die der Fabrikant Oskar<br />

Schindler zusammenstellen ließ,<br />

um ihnen das Leben zu retten.<br />

Die Einrichtung beschäftigt rund<br />

280 Mitarbeiter und wird von der<br />

Bundesregierung mit einem jährlichen<br />

Zuschuss in Höhe von 14<br />

Millionen Euro finanziert. CK<br />

Einbürgerungstest<br />

Mit 33 Fragen<br />

zum deutschen Pass<br />

Wer die deutsche Staatsbürgerschaft<br />

erwerben will, muss sich<br />

künftig einem Wissenstest stellen.<br />

Das Bundesinnenministerium<br />

hat eine Liste mit Musterfragen<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

entwickelt, die sich auf deutsche<br />

Lebensverhältnisse, Rechtsordnung<br />

und Geschichte beziehen.<br />

Vom 1. September an bekommen<br />

Antragsteller für einen deutschen<br />

Pass jeweils 33 per Zufallsprinzip<br />

ausgewählte Fragen vorgelegt –<br />

mit je vier vorgegebenen Antworten,<br />

unter denen sie die richtige<br />

ankreuzen müssen. Bestanden<br />

hat, wer bei mindestens 17 von 33<br />

Fragen richtig geantwortet hat.<br />

Erlebtes Meer:<br />

simulierte Ansicht der<br />

Walhalle im Ozeanum<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Grundvoraussetzung für den<br />

Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft<br />

ist ein mindestens<br />

acht Jahre langer Aufenthalt in<br />

der Bundesrepublik sowie eine<br />

straffreie Lebensführung. Der<br />

Test soll vor allem Kenntnisse in<br />

Politik und Geschichte überprüfen.<br />

Gefragt wird unter anderem<br />

nach dem Gründungsjahr der<br />

Bundesrepublik, den Befugnissen<br />

des Bundespräsidenten oder auch<br />

Abkürzungen wie CDU, DDR oder<br />

DGB. Nach Ansicht von Bundesinnenminister<br />

Wolfgang Schäuble<br />

ist der Test „leichter als eine Führerscheinprüfung“.Ausländer-Organisationen<br />

und Volkshochschulen<br />

bieten bereits Vorbereitungskurse<br />

an.<br />

Dennoch ist eine innenpolitische<br />

Debatte darüber entbrannt, ob der<br />

Schwierigkeitsgrad der Fragen<br />

angemessen ist. Um den Sinn der<br />

Fragen richtig zu erfassen, sind jedenfalls<br />

gute Grundkenntnisse in<br />

der deutschen Sprache unerlässlich.<br />

CK<br />

Informationen: www.bmi.bund.de<br />

Ozeanum<br />

Trockenen Fußes<br />

durchs Meer<br />

Wer wissen will, wie Meere funktionieren,<br />

findet im neuen „Ozeaneum“<br />

in Stralsund (Mecklenburg-<br />

Vorpommern) eine Top-Adresse.<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

eröffnete im Juli die ersten fertiggestellten<br />

Teile des über 60 Millionen<br />

Euro teuren Projekts, das<br />

dem Deutschen Meeresmuseum<br />

angegliedert ist.<br />

Die neue Ausstellung präsentiert<br />

drei große Bereiche: „Das Weltmeer“,<br />

„Die Ostsee“ und „Erforschung<br />

und Nutzung der Meere“.<br />

Insgesamt 39 Aquarien beherbergen<br />

mehr als 5000 Fische verschiedenster<br />

Art. Ein Höhepunkt:<br />

Hinter einem fünf mal zehn Meter<br />

großen Schaufenster ist das<br />

typische Schwarmfischverhalten<br />

von Heringen zu beobachten.<br />

In Zusammenarbeit mit Greenpeace<br />

entstand die große Walhalle:<br />

Im Angesicht originalgetreuer<br />

Nachbildungen der Meeres-Riesen<br />

kann man es sich in Liegestühlen<br />

bequem machen und Walgesän-<br />

SpEKTrum<br />

gen lauschen. Das Ozeaneum will<br />

jedoch mehr sein als ein riesiges<br />

Show-Aquarium. Es versteht sich<br />

als Ort der Bildung und Forschung<br />

über die Vielfalt und die labilen<br />

Zusammenhänge innerhalb der<br />

europäischen Kaltwassermeere. kj<br />

Informationen: www.ozeaneum.de<br />

Migrationswörter<br />

Tollpatsch mit Currywurst<br />

Die deutsche Sprache wird stetig<br />

„unterwandert“: So genannte „Migrationswörter“<br />

gehen unbemerkt<br />

in den alltäglichen Sprachgebrauch<br />

ein. Damit sind nicht nur<br />

Anglizismen wie Download oder<br />

Trainer gemeint, sondern auch Begriffe<br />

wie Chaos, Hängematte oder<br />

Techtelmechtel.<br />

Den vom Goethe-Institut und<br />

dem Deutschen Sprachrat ausgerufenen<br />

Wettbewerb um „das<br />

bes te eingewanderte Wort“ konnte<br />

Tollpatsch für sich entscheiden,<br />

ein Migrationswort mit ungarischem<br />

Hintergrund. Überzeugt<br />

wurde die Jury auch durch die<br />

originelle Begründung der Einsenderin:<br />

„Dieses Wort ist viele<br />

Kilometer gelaufen und hat Grenzen<br />

überwunden. ‚Talpas’ nannte<br />

man ungarische Fußsoldaten<br />

im 17. Jahrhundert. ‚Breitfüßig,<br />

schwerfällig’ war die Bedeutung<br />

des Spitznamens.“<br />

Currywurst errang den zweiten<br />

Platz. Begründung: „Ein Traumpaar:<br />

die urdeutsche ‚Wurst‘ lebt<br />

mit dem tamilischen ‚Curry‘ in<br />

glücklicher Ehe.“ Ein Beweis, dass<br />

Integration nicht Assimilation heißen<br />

muss. kj<br />

Die besten Einsendungen sind<br />

unter dem Titel „Eingewanderte<br />

Wörter“ als Buch im Hueber<br />

Verlag erschienen.<br />

www.hueber.de/eingewanderte-woerter<br />

9


10 TITEl 10 TITEl<br />

Fotos: Michael Rö hrich (li.)/ Liz Van Steenburgh (re) - Fotolia.com<br />

Obst und Gemüse kauft Claudia Krämer<br />

beim Biobauern auf dem Ökomarkt im<br />

Herzen von Köln, andere Nahrungsmittel besorgt<br />

sie ab und zu in einem kleinen Bioladen<br />

um die Ecke. „Seitdem es in der Nähe einen<br />

Biosupermarkt gibt, ernähren wir uns nur<br />

noch von Bioprodukten. Die Auswahl im Supermarkt,<br />

vor allem an frischem Fleisch und<br />

Käse, ist unschlagbar. Der Einkauf ist zwar<br />

teurer als in den Discountern, aber dafür ist<br />

alles viel gesünder und schmeckt besser“, sagt<br />

die Mutter von zwei Schulkindern. Sie liegt mit<br />

ihrem Verhalten voll im Trend. „Bio“ boomt in<br />

Deutschland, und das schon seit Jahren.<br />

Neben den traditionellen kleinen Bioläden<br />

gibt es inzwischen 450 Biosupermärkte, allein<br />

2007 eröffneten 80 neue Geschäfte. „Bio für<br />

alle“ lautet ihr Motto und zahlt sich aus: Der<br />

Umsatz mit den ökologisch erzeugten Lebensmitteln<br />

wächst zurzeit um 15 Prozent jährlich<br />

und ist bei einem Volumen von fünf Milliarden<br />

Euro (2007) angekommen. Damit ist Deutschland<br />

mit Abstand der größte Biomarkt Europas,<br />

gefolgt von Großbritannien, Italien und<br />

Frankreich. Auch die größte Biomesse weltweit<br />

findet in Deutschland statt: die BioFach<br />

in Nürnberg. Jedes Jahr treffen sich hier Ende<br />

Februar um die 2 800 Aussteller und 45 000<br />

Fachbesucher. Das Erfolgsrezept wird bereits<br />

exportiert: BioFach-Tochtermessen gibt es in<br />

Shanghai, Tokio, Boston und São Paulo.<br />

Bio für alle<br />

41 Prozent der Deutschen kaufen „häufig oder<br />

immer“ Biolebensmittel, wie aus einer Umfrage<br />

der Wirtschaftsberater Ernst & young<br />

hervorgeht. 82 Prozent der Befragten gaben<br />

an, dass sie Bioprodukte mit einer gesunden<br />

Ernährung verbinden. Obst und Gemüse aus<br />

ökologischem Anbau gelten als besonders<br />

vitaminreich und schadstoffarm. „Besonders<br />

vitaminreich – das stimmt so nicht“, dämpft<br />

Bernhard Watzl die Euphorie. Der Ernährungswissenschaftler<br />

vom Max Rubner-Institut in<br />

Karlsruhe hat erforscht, welche messbaren<br />

Vorteile Bio-Äpfel bringen. Ergebnis: Über den<br />

Gehalt an Vitaminen entscheiden vor allem die<br />

Sorte und das Anbaugebiet. Ob ökologischer<br />

oder konventioneller Anbau, bleibt sich fast<br />

gleich. Aber es lohne sich trotzdem, Bio-Äpfel<br />

zu kaufen, betont der Forscher, allein schon<br />

um die Umwelt vor Pestiziden zu schonen. Biolebensmittel<br />

enthalten zudem deutlich weniger<br />

Zusatzstoffe als konventionelle Produkte.<br />

Bio hin oder her – wie viel Obst und Gemüse<br />

essen die Deutschen überhaupt? „Fünf Portionen<br />

am Tag“, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft<br />

für Ernährung (DGE). Sie hat seit ihrer<br />

und<br />

Ernährung in Deutschland –<br />

zwischen zwischen Fastfood Fastfood und Biokost Biokost<br />

Sie essen zu süß und zu fett, ziehen viele Snacks den<br />

festen Mahlzeiten vor und werden immer dicker. Um das<br />

Essverhalten der Deutschen sorgen sich Ernährungswissenschaftler,<br />

und die Politik reagiert mit Aktionsplänen zur Aufklärung.<br />

Dabei steht eines außer Frage: Nirgendwo sonst auf der Welt sind Bioprodukte<br />

so begehrt wie in Deutschland.<br />

abSTraCT<br />

Curried sausage and<br />

organically grown fruit<br />

Eating habits in Germany<br />

Germans are firm believers in organic foods,<br />

and the number of shoppers who buy them<br />

is increasing steadily. In addition to numerous<br />

small health-food shops, there are 450<br />

health-food supermarkets nationwide. Their<br />

revenues are growing by 15 % annually, and<br />

Germany is the largest market for whole<br />

foods in Europe by a wide margin. And yet,<br />

Germans eat too much food, too many fatty<br />

foods, and too many sweets. The result: they<br />

are getting fat. More than two-thirds of the<br />

men and 51% of the women in Germany are<br />

overweight, and one in five Germans is obese.<br />

A new national campaign is encouraging<br />

people to ingest fewer calories and get more<br />

exercise; the food industry is fighting it, and<br />

continues to come up with newer and more<br />

unusual products all the time. From toaster<br />

cutlets to edible play-dough, 180,000 different<br />

items vie for consumers’ favour. In the<br />

midst of this abundance, the number of<br />

people who cannot afford to eat their fill is<br />

also rising steadily. Some 800,000 people<br />

depend on donated foodstuffs, collected and<br />

distributed by charitable organizations.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


Gründung 1953 die Aufgabe, die Bevölkerung<br />

in Deutschland wissenschaftlich fundiert über<br />

eine gesundheitsfördernde Ernährung aufzuklären.<br />

„Dieses Maß wird nicht erreicht“,<br />

erklärt Peter Stehle, Präsident der DGE und<br />

Direktor des Instituts für Ernährungswissenschaft<br />

der Universität Bonn.<br />

Die Bio-Welle schützt nicht vor falscher Ernährung.<br />

So ist allen guten Ratschlägen zum<br />

Trotz in Kantinen das beliebteste Essen seit<br />

Jahren Schnitzel mit Pommes frites, gefolgt<br />

von Currywurst. „Die Deutschen essen zu viel,<br />

zu fett, zu süß“ – zu diesem Ergebnis kommt<br />

die „Nationale Verzehrstudie“. Die erste repräsentative<br />

Erhebung seit 20 Jahren stellt fest,<br />

wie die Deutschen sich ernähren. Im Auftrag<br />

des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft<br />

und Verbraucherschutz befragten<br />

Forscher des Max Rubner-Instituts 20 000<br />

Bundesbürger zwischen 14 und 80 Jahren. Die<br />

Deutschen gaben Auskunft über ihr Wissen<br />

rund um das Thema Ernährung, ihr Einkaufsverhalten<br />

und ihre Kochkünste. Sie wurden<br />

gewogen und gemessen – und für zu schwer<br />

befunden: Mehr als zwei Drittel der Männer<br />

und 51 Prozent der Frauen sind übergewichtig,<br />

jeder Fünfte ist fettleibig.<br />

Für Kinder gilt Ähnliches: In der Altersgruppe<br />

der 3- bis 17-Jährigen ermittelte das Robert<br />

Koch-Institut 15 Prozent Übergewichtige,<br />

weitere sechs Prozent leiden an Fettleibigkeit<br />

(medizinisch: Adipositas). Besonders betroffen<br />

sind Kinder und Jugendliche aus Familien<br />

mit niedrigem sozialen Status und niedriger<br />

Schulbildung. Dieser Zusammenhang trifft<br />

auch auf Erwachsene zu: Unter den Bürgern<br />

mit Hauptschulabschluss gibt es fast doppelt<br />

so viele Übergewichtige wie unter denjenigen<br />

mit Abitur.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Werbeverbot für Süßigkeiten?<br />

Da Fettleibigkeit nicht nur ein Schönheitsproblem<br />

ist, sondern das Risiko steigert, an Diabetes,<br />

Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Krebs<br />

zu erkranken, hat Bundesernährungsminister<br />

Horst Seehofer im Juni 2008 einen „Nationalen<br />

Aktionsplan Ernährung“ ins Leben gerufen.<br />

Gemeinsam mit Gesundheitsministerin<br />

Ulla Schmidt will er bis 2020 durch Werbekampagnen<br />

für eine gesundheitsbewusstere<br />

Ernährung und mehr Bewegung sorgen und<br />

einheitliche Qualitätsstandards für das Essen<br />

in Kantinen festlegen. Der Aktionsplan „In<br />

Form“ empfiehlt außerdem den Verzicht auf<br />

Werbung für Süßigkeiten. In den kommenden<br />

drei Jahren haben beide Ministerien 30 Millionen<br />

Euro für die Aufklärungsarbeit eingeplant.<br />

An gesetzgeberische Maßnahmen zur Durchsetzung<br />

der Ziele ist allerdings ebenso wenig<br />

gedacht wie an ein Schulpflichtfach Ernährung.<br />

„So werden übergewichtige Kinder nicht<br />

erreicht“, sagte die Grünen-Politikerin Bärbel<br />

Höhn in den Medien. Die frühere Vorsitzende<br />

des Bundestagsausschusses für Ernährung,<br />

TITEl<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz fordert<br />

ein Werbeverbot für Süßigkeiten im Fernsehen<br />

am Nachmittag, sowie eine Ampel-Kennzeichnung<br />

von Lebensmitteln, bei der die Farben<br />

Rot, Gelb oder Grün zeigen, wie hoch der Anteil<br />

von Fett, Zucker oder Salz ist. So könnten<br />

die Verbraucher auf einen Blick sehen, ob zu<br />

viele Kalorien in einem Produkt sind.<br />

Diese Ampel-Kennzeichnung – in Großbritannien<br />

bereits eingeführt – stößt bei Wissenschaftlern<br />

auf Kritik. DGE-Präsident Peter<br />

Stehle hält wenig von der Bewertung. „Die<br />

Grenzwerte, wann ein Produkt einen roten,<br />

gelben oder grünen Punkt erhält, lassen sich<br />

wissenschaftlich nicht belegen. Eine objektive<br />

Aussage ist nicht möglich. Worum geht<br />

es? Wollen wir Diabetes, Übergewicht oder<br />

Osteoporose vermeiden? Je nachdem fallen<br />

die Einstufungen der Lebensmittel ganz unterschiedlich<br />

aus“, sagt der Ernährungswissenschaftler.<br />

Ein Schulfach Ernährung als na-<br />

Gemeinsame Mahlzeit in der Familie: Immer seltener sitzen alle an einem Tisch<br />

turwissenschaftliches Grundlagenfach, „wie<br />

Physik, Chemie oder Biologie“ befürwortet<br />

Peter Stehle dagegen, wenn es um nachhaltige<br />

Aufklärung gehen soll.<br />

Schnitzel zum Toasten<br />

Tatsächlich sind die Verlockungen in der Werbung<br />

und im Supermarkt übermächtig. Die<br />

Lebensmittelindustrie arbeitet ständig an neuen<br />

Kreationen, um ihren Umsatz zu steigern:<br />

180 000 verschiedene Produkte buhlen um die<br />

Aufmerksamkeit der Verbraucher, Tendenz<br />

weiter auf Seite 13<br />

Foto: Pixland/F1 ONLINE<br />

11


12 TITEl<br />

Gunther Hirschfelder vertritt an der Universität Bonn eine<br />

Professur für Kulturanthropologie/Volkskunde. Der Privatdozent<br />

erforscht die Ess- und Trinkgewohnheiten in Europa.<br />

Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik<br />

und Autor des Buchs „Europäische Esskultur. Geschichte<br />

der Ernährung in Europa von der Steinzeit bis heute“, das<br />

im Campus-Verlag erschien.<br />

Warum beschäftigen Sie sich als Historiker<br />

und Volkskundler mit der europäischen<br />

Esskultur?<br />

Bereits als Schüler habe ich viele Fernreisen<br />

innerhalb und außerhalb Europas<br />

unternommen und dabei die fremden Länder<br />

auf dem Teller wahrgenommen. Diese<br />

wichtige Erfahrung bei Tisch hat sich zu<br />

einem wissenschaftlichen Interesse weiterentwickelt.<br />

Die Ernährungsweise des<br />

Menschen ist nicht biologisch vorgegeben,<br />

sondern kulturell beeinflusst. Das betrifft<br />

die Auswahl, die Wertschätzung und die<br />

Ablehnung von Nahrungsmitteln. Essen und<br />

Trinken zählen somit zu den besten Indikatoren,<br />

kulturelle Kontexte zu erschließen.<br />

Stimmt das auch heute?<br />

Nicht mehr so eindeutig wie früher. Wir<br />

befinden uns in Deutschland in einer Übergangsphase.<br />

Was wir essen, hängt heute<br />

weniger von einer Gruppe ab, als vielmehr<br />

von unserem Lebensstil. Vor 50 Jahren hat<br />

sich ein Industriearbeiter aus dem Ruhrgebiet<br />

24 Stunden täglich als solcher verhalten<br />

und auch so gegessen. Heute vermischen<br />

sich die Lebensstile, wir agieren nicht<br />

mehr bürgerlich oder proletarisch. Zum<br />

Beispiel hat die Konsumentengruppe der<br />

LOHAS – das steht für Life Style of Health<br />

and Sustainability – ein ausgeprägtes ökologisches<br />

Bewusstsein und ernährt sich<br />

entsprechend, greift aber unter dem Zeit-<br />

und Mobilitätsdiktat auch zu Fastfood.<br />

Was hat sich an der Esskultur in<br />

Deutschland in der letzten Generation<br />

verändert?<br />

Das Essen außer Haus hat extrem zugenommen,<br />

und es gibt wesentlich mehr<br />

Fertiggerichte und Halbfertiggerichte in den<br />

Supermärkten zu kaufen. Damit geht einher,<br />

dass die unter 30-Jährigen kaum noch<br />

kochen können. Wie man einen Schweinebraten<br />

zubereitet oder ein Schnitzel brät,<br />

gerät in Vergessenheit. Die Küche unterteilt<br />

sich heute in die schnelle Versorgungs-<br />

„Einen Coffee to go, bitte!”<br />

Interview mit dem<br />

Bonner Kulturwissenschaftler<br />

Gunther Hirschfelder<br />

küche im Alltag und die Erlebnisküche zu<br />

besonderen Anlässen. Kochen wird zur<br />

Freizeitgestaltung mit Eventcharakter. Beispiele<br />

sind Sonntagsbraten, Grillabende oder<br />

Plätzchenbacken in der Weihnachtszeit.<br />

Ein anderer Wandel betrifft das Essen auf<br />

der Straße. Noch in den 50er und 60er<br />

Jahren war es absolut verpönt, draußen im<br />

Gehen zu essen. Man hat es einfach nicht<br />

getan. Heute ist die „To-go-Welle“ auf dem<br />

Höhepunkt. Diesem Trend ging eine lange<br />

Entwicklung voraus: Auslöser war der<br />

Normwandel nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

In Deutschland stationierte amerikanische<br />

Soldaten brachten nicht nur neue Kleidung<br />

und Musik mit, sondern auch andere Ess-<br />

und Trinkgewohnheiten. Sie bereiteten den<br />

Boden für die Snack-Kultur. Traditionen<br />

ändern sich aber nicht so schnell: Erst 1971<br />

eröffnete die Fastfood-Kette McDonald’s eine<br />

Filiale in München, Burger King folgte 1976<br />

in Berlin. Beide Ketten haben übrigens ziemlich<br />

lange in Deutschland Verluste gemacht.<br />

Hat das Essen in Deutschland im<br />

europäischen Vergleich einen geringen<br />

Stellenwert?<br />

Es gibt kein Industrieland auf der Welt, wo<br />

so wenig Geld für Essen und Trinken aus-<br />

gegeben wird wie in Deutschland. Während<br />

Franzosen oder Italiener 23 bis 24 Prozent<br />

ihres verfügbaren Einkommens in Nahrungsmittel<br />

und Getränke investieren, belasten<br />

Deutsche ihr Budget nur mit 13 Prozent.<br />

Aber deutsche Nahrungsmittel und Getränke<br />

sind besser als ihr Ruf. Weine von Mosel<br />

und Rhein zählen heute zu den beliebtesten<br />

und teuersten weltweit. Für regionale Weine<br />

haben wir ein hohes Qualitätsbewusstsein,<br />

beim Essen müssen wir noch nachziehen.<br />

So können junge urbane Deutsche leicht<br />

zehn französische Käsesorten aufzählen,<br />

aber kaum einer kennt ebenso viele deutsche<br />

Wurstsorten oder ist sogar stolz auf<br />

diese Vielfalt. Die mangelnde Akzeptanz<br />

ist ein Kulturmuster, das ebenfalls nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg einsetzte und die<br />

Abkehr von allem Deutschen forderte. Traditionen<br />

galten als altmodisch und belastet.<br />

Die Deutschen investieren dagegen in ihre<br />

Ausrüstung: Möglichst billige Lebensmittel<br />

bereiten sie mit den teuersten Herden, Töpfen<br />

und Messern der Welt zu. Allerdings<br />

setzt langsam ein Wandel von „nur billig“<br />

zu „mehr Qualität“ ein und Verbraucher<br />

besinnen sich auf regionale Produkte. Darüber<br />

freue ich mich, denn was aus der<br />

Region kommt und zur Jahreszeit passt,<br />

ist gesünder, schmeckt besser und gibt<br />

mehr Identität als gesichtsloses Essen, das<br />

um die halbe Welt transportiert wird.<br />

Das Interview führte Katja Spross<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: privat


Fortsetzung von Seite 11<br />

weiter steigend. Auf der größten internationalen<br />

Nahrungsmittelmesse, der Anuga in<br />

Köln, und der weltgrößten Verbraucherschau<br />

für Ernährung, der Grünen Woche in Berlin,<br />

gibt es nichts, was es nicht gibt: Essknete,<br />

Schnitzel zum Toasten, Softdrinks aus Brennnesseln,<br />

Nudeln in Form von Comic-Helden,<br />

Sojasprühsahne. Vor allem die Grüne Woche<br />

ist ein gigantischer Testmarkt: Was dort die<br />

425 000 Besucher gutheißen, bleibt auch woanders<br />

nicht im Regal liegen.<br />

Erst Spenden machen satt<br />

Bei so viel Übergewicht und der schier unendlichen<br />

Auswahl an Lebensmitteln fällt<br />

es schwer zu glauben, dass es im reichen<br />

Deutschland Menschen gibt, die nicht genug<br />

zu essen haben. Der sichtbare Beweis dafür<br />

sind die „Tafeln“. Sie funktionieren nach einem<br />

einfachen Prinzip: Unternehmen spenden Lebensmittel,<br />

die nicht mehr verkauft werden<br />

können, weil ihr Haltbarkeitsdatum abläuft<br />

oder sie am nächsten Tag nicht mehr frisch<br />

sind. Sie werden von den ehrenamtlichen Helfern<br />

der Tafeln an Bedürftige verteilt.<br />

Waren es zu Beginn meist Obdachlose, so<br />

sind es heute auch Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende<br />

und Rentner. Vor 15 Jahren<br />

eröffnete die erste Tafel in Berlin, heute unterstützen<br />

785 Tafeln in ganz Deutschland täglich<br />

800 000 Menschen mit gespendeten Lebensmitteln.<br />

Der Verein „Deutsche Tafel“ rechnet<br />

mit einem weiteren Anstieg der Nachfrage,<br />

denn die Kluft zwischen Arm und Reich geht<br />

in Deutschland weiter auseinander. Dies hat<br />

der Armutsbericht der Bundesregierung im<br />

Mai 2008 erneut bestätigt.<br />

Während bei den einen angesichts der stark<br />

steigenden Lebensmittelpreise häufig das Geld<br />

nicht reicht, um satt zu werden, geht es den anderen<br />

vor allem darum, Zeit zu sparen. Kaum<br />

noch jemand investiert mehrere Stunden am<br />

Tag, um aufwändig zu kochen. Kein Wunder<br />

also, dass hierzulande zwei Drittel aller Kunden<br />

regelmäßig zu Fertigprodukten oder halbfertigen,<br />

vorbereiteten Mahlzeiten greifen:<br />

Reis, der in wenigen Minuten in der Mikrowelle<br />

gart, oder fertig verpackter, frisch geschnittener<br />

Salat. So genanntes „Convenience Food“<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

findet sich immer öfter und in immer neuen<br />

Variationen in den Supermärkten.<br />

Auch die Mahlzeiten in der Familie passen<br />

sich den veränderten Lebensgewohnheiten<br />

an. Wenn überhaupt, dann finden Familien<br />

abends Zeit, gemeinsam zu essen: Die traditionelle<br />

deutsche Hauptmahlzeit hat sich vom<br />

Mittag auf den Abend verschoben. Und das<br />

klassische deutsche Frühstück mit einer Auswahl<br />

an Brot und Brötchen, mit Wurst, Käse<br />

und Marmelade wird während der Woche<br />

durch ein Frühstück amerikanischer Art abgelöst,<br />

also Müsli oder Cornflakes mit Milch.<br />

Tatsächlich essen Familienmitglieder<br />

immer öfter zeitversetzt. Das<br />

leiste der Fehlernährung ebenfalls<br />

Vorschub, meint Gunther Hirschfelder,<br />

Privatdozent für Volkskunde<br />

an der Universität Bonn. „Der chronologische<br />

Mahlzeitenablauf und<br />

die soziale Kontrolle fallen weg.<br />

Menschen nehmen pro Tag nicht<br />

drei oder vier Mahlzeiten zu sich,<br />

sondern acht oder zehn Snacks<br />

im Vorbeigehen. Sie haben keinen<br />

Überblick über die Menge, die sie<br />

verzehren“, sagt der Wissenschaftler<br />

(siehe Interview Seite 12).<br />

Und mehr als das: Das Gemeinschaftsgefühl,<br />

die sozialisierende<br />

Kraft des gemeinsamen Essens und<br />

Trinkens geht verloren. Denn längst<br />

steht fest, dass Essen über die reine<br />

Nahrungsaufnahme hinaus andere<br />

Funktionen erfüllt. Essen ruft das<br />

Gefühl der Zugehörigkeit hervor.<br />

Die Sehnsucht nach vertrauten<br />

Gerichten kennt jeder, der längere<br />

Zeit im Ausland war. „Essen gehört<br />

zu dem, was Menschen Trost<br />

spenden, Geborgenheit und Sicherheit<br />

vermitteln kann wie kaum ein<br />

Wort“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin<br />

Barbara Methfessel<br />

von der Pädagogischen Hochschule<br />

Heidelberg. Ob Bio oder konventionell<br />

– das spielt in diesem Zusammenhang<br />

keine große Rolle.<br />

Katja Spross<br />

Foto: Reiner Zensen<br />

TITEl<br />

Kaffee und Snack schnell zwischendurch –<br />

keine Zeit mehr für Genuss<br />

13


14<br />

hoChSChulE<br />

abschied vom<br />

Vollzeit-Studenten<br />

In Sachen Weiterbildung sind deutsche Hochschulen noch zögerlich<br />

Was in anderen Ländern selbstverständlich zum Profil und in die Lehrpläne von Hochschulen<br />

gehört, fristet in Deutschland immer noch ein Schattendasein, auch wenn zunehmend<br />

mehr Licht einfällt: die wissenschaftliche Weiterbildung.<br />

Dabei ist der Bedarf an mehr Bildung gerade<br />

bei berufstätigen Akademikern hoch.<br />

Deutsche Unternehmen investieren jährlich<br />

Milliarden von Euro in das wachsende Knowhow<br />

ihrer Mitarbeiter. Doch dieses Geld fließt<br />

vor allem in die Kassen privater Akademien<br />

und Business Schools. Hochschulen mit berufsbegleitenden<br />

Angeboten sind bislang in<br />

der Minderheit. In Kürze will die Deutsche<br />

Universität für Weiterbildung, ein gemeinsames<br />

Unternehmen von Hochschule und<br />

Wirtschaft, in Berlin an den Start gehen.<br />

Warum ist Weiterbildung ein Randthema,<br />

obwohl sie – gleichberechtigt neben Forschung<br />

und Lehre – zu den gesetzlich verankerten<br />

Kernaufgaben der Hochschule zählt?<br />

Überspitzt könnte die Antwort lauten: Mit<br />

Weiterbildung ist weder Karriere noch sicher<br />

viel Geld zu machen. Sie ist eher lästig und<br />

eine Gefahr für das wissenschaftliche Niveau.<br />

„Diese Kernaufgabe ist nicht institutionell in<br />

der Hochschule verankert, keiner fühlt sich<br />

verantwortlich“, beobachtet Professorin Anke<br />

Hanft.<br />

Die Weiterbildungsexpertin an der Universität<br />

Oldenburg, an der bereits neun berufsbegleitende<br />

Studienprogramme angeboten werden,<br />

hat Einblick in die entsprechenden Aktivitäten<br />

von Hochschulen in den USA, Finnland,<br />

Frankreich, Großbritannien, Österreich<br />

und Deutschland. In ihrer internationalen<br />

Vergleichsstudie – im Auftrag des Bundesbildungsministeriums<br />

– fand sie Folgendes heraus:<br />

Im Fokus deutscher Hochschulen steht<br />

weiterhin der Vollzeit-Student, auch wenn<br />

dieser Typus längst im Schwinden ist. Rund<br />

zwei Drittel der Studierenden arbeiten neben<br />

Vorlesung und Seminar; Berufstätigkeit und<br />

Bildung vermischen sich immer stärker. „Diese<br />

veränderte Realität wird im Ausland längst<br />

zur Kenntnis genommen und schlägt sich dort<br />

in den Strukturen nieder“, sagt Anke Hanft.<br />

Konkret: Die Grenzen zwischen grundständiger<br />

Bildung, Weiterbildung und beruflicher<br />

Bildung sind fließend. Bachelor- und Masterstudiengänge<br />

bilden ein lukratives Geschäftsfeld<br />

der wissenschaftlichen Weiterbildung.<br />

Hochschulen werben jenseits der traditionellen<br />

Klientel „Abiturient“ um neue Zielgruppen<br />

unter den Berufstätigen. In den USA machen<br />

letztere bereits 84 Prozent aller Studierenden<br />

aus. Beispiel Harvard: Dort übersteigt<br />

die Zahl der Teilnehmer von Weiterbildungsangeboten<br />

inzwischen die Zahl normaler<br />

Studierender. „Während deutsche Hochschulen<br />

vielfach eher als One-Stop-Unis agieren,<br />

haben ausländische Hochschulsysteme ihre<br />

Strukturen auf ein Lernen im Lebensverlauf<br />

eingestellt“, so die Oldenburger Professorin.<br />

Darüber hinaus sind diese eng mit anderen<br />

Bildungsträgern vernetzt und gehen gezielt<br />

auf die Wirtschaft zu, um maßgeschneiderte<br />

Leistungen anzubieten.<br />

Kommunikation mangelhaft<br />

Genau hieran hapert es in deutschen Hochschulen.<br />

Kommunikation mit der Berufswelt<br />

– mangelhaft. Das meint Professor Bernd Wagner<br />

von der Universität Augsburg, die sich früh<br />

als erste deutsche Hochschule für Weiterbildung<br />

stark machte. „Weiterbildung muss Dialog<br />

sein. Die Praxis lernt aus der Wissenschaft<br />

und die Wissenschaft aus der Praxis“, betont<br />

der Mitbegründer und langjährige Leiter des<br />

dortigen Zentrums für Weiterbildung und Wissenstransfer.<br />

„Wirtschaftswissenschaftler beispielsweise<br />

müssen doch wissen, mit welchen<br />

Problemen sich Manager herumschlagen.“ Im<br />

Dialog entstehen Kontakte und Netzwerke, es<br />

stellen sich neue Forschungsfragen, und es erwachsen<br />

Kooperationen; nicht zuletzt bleibt<br />

die berechtigte Hoffnung auf mehr Geld, so<br />

Bernd Wagner.<br />

Ursachen für die nicht nur sprachliche Entfremdung<br />

zwischen Wissenschaft und Praxis<br />

sieht der Augsburger Fachmann vor allem in<br />

den gängigen wissenschaftlichen Karriere-<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


mustern: Da werden Forschungsleistungen<br />

und lange Publikationslisten belohnt, aber<br />

nicht das Engagement im Austausch mit der<br />

Praxis oder gar in der Weiterbildung. Die Parameter<br />

müssen erweitert, neue Anreize geschaffen<br />

werden, betont Bernd Wagner: etwa<br />

durch zusätzliche finanzielle Honorierung,<br />

als weiteres Kriterium bei Berufungen, durch<br />

Schaffung von Stellen und Professuren mit<br />

Schwerpunkt Weiterbildung.<br />

Standesdünkel überwinden<br />

Vielleicht muss der demografisch bedingte<br />

Druck auf deutsche Hochschulen noch weiter<br />

steigen, ehe sie Weiterbildung als Kerngeschäft<br />

ernst nehmen und in ihrer Politik fest<br />

verankern. Mittelfristig wird die Zahl der jungen<br />

Erststudierenden sinken, und der Mangel<br />

an Fachkräften bringt schon jetzt viele Unternehmen<br />

in Schwierigkeiten. Mit einer gro ßen<br />

Qualifizierungsinitiative will die Bundesregierung<br />

mehr Berufstätige mit Ausbildung,<br />

aber ohne Abitur zum Studium und zur Weiterbildung<br />

ermuntern. Das Hochschulsystem<br />

soll durchlässiger werden, ein Ziel, das die<br />

Arbeitgeberverbände seit längerem fordern:<br />

„Der weitverbreitete Standesdünkel muss<br />

Küss mich – und du wirst<br />

zur märchenprinzessin<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

überwunden werden.“ Einige Hochschulen<br />

arbeiten bereits daran, berufliche Qualifikationen<br />

und Leistungen in Credit Points umzurechnen,<br />

ein Verfahren, das im Ausland gang<br />

und gäbe ist.<br />

Eine Chance für den massiven Ausbau der<br />

wissenschaftlichen Weiterbildung ist der Bologna-Prozess,<br />

die Umstellung auf europaweit<br />

anerkannte Bachelor- und Masterstudiengänge<br />

– so die Ansicht von Hochschulrektorenkonferenz,<br />

Industrie und Arbeitgeberverbänden.<br />

Zum Jahresanfang legten sie gemeinsam einen<br />

7-Punkte-Plan vor, um das unterschätzte<br />

Potenzial der Weiterbildung aufzudecken.<br />

15 Prozent der deutschen Masterstudiengänge<br />

zielen auf Weiterbildung, im internationalen<br />

Vergleich zu wenig. In Finnland beispielsweise<br />

hat die Zahl der Erwachsenen, die sich an<br />

der Hochschule weiterqualifizieren, die Zahl<br />

der Bachelorstudierenden um ein Drittel überrundet.<br />

Gemeinsam an den Start<br />

Während bisher vor allem private Anbieter<br />

den deutschen Weiterbildungsmarkt gestalten,<br />

gehen die Freie Universität Berlin (FU)<br />

als staatlich finanzierter Partner und der<br />

Bildungskonzern Klett Gruppe als privater<br />

Partner mit einem gemeinsam gegründeten<br />

Unternehmen, das ihnen zu gleichen Teilen<br />

gehört, an den Start: Die Deutsche Universität<br />

für Weiterbildung (DUW) in Berlin. „Das<br />

Beste aus zwei Welten“ verspricht der künftige<br />

Kanzler, Dr. Udo Thelen, wenn sich eine<br />

international renommierte Exzellenz-Universität<br />

und ein europaweit als Marktführer agierender<br />

Bildungskonzern zusammentun. Beide<br />

Partner ziehen daraus Gewinn, so Udo Thelen,<br />

der auch Geschäftsführer der Trägergesellschaft<br />

ist: Die FU Berlin erhält zusätzliche<br />

Kompetenz im Management privater Hochschulstrukturen,<br />

im Aufbau und Betrieb von<br />

Lehr- und Lernlogistik, in der Beratung und<br />

Zeichnung: Götz Wiedenroth<br />

abSTraCT<br />

hoChSChulE 15<br />

No More One-Stop Students<br />

German companies invest billions of euros<br />

every year in the expertise of their employees.<br />

But most of this money flows directly into the<br />

tills of private academies and business schools.<br />

German colleges and universities that offer<br />

programs for working people are still in the<br />

minority. While many of them act as one-stop<br />

schools, institutes of higher learning in other<br />

countries have adapted their systems to life-long<br />

learning and have a number of programs that<br />

are tailored to the business sector. In Germany,<br />

on the other hand, conventional career patterns<br />

are still the rule: research work and long publication<br />

lists are rewarded, but active involvement<br />

in practical work or in training are not.<br />

The government has introduced a large-scale<br />

qualification program for encouraging workers<br />

to study or continue training. The Bologna<br />

accord, aimed at standardizing master’s and<br />

bachelor’s degrees throughout Europe, is an<br />

opportunity for massive expansion of adult<br />

education in science. At least, so say the German<br />

Rectors’ Conference and many others in<br />

industry and employers’ associations; together<br />

they have developed a 7-point plan for mining<br />

the untapped potential benefits of continuing<br />

education. The Berlin University for Professional<br />

Studies, a joint effort by higher education<br />

and industry, will be opening in the near future.<br />

Betreuung von Kunden, in Vertrieb und Marketing.<br />

Die Klett Gruppe kann mit einem anerkannten<br />

Exzellenzpartner die akademische<br />

Qualität der Lehr- und Forschungsaktivitäten<br />

an der DUW sichern.<br />

Die DUW ist als private wissenschaftliche<br />

Hochschule staatlich anerkannt, sie hat somit<br />

Promotionsrecht und kann Professoren berufen.<br />

Im Herbst 2009 soll es mit berufsbegleitenden<br />

Masterstudiengängen in Bildungs-,<br />

Sozial- und Wirtschaftswissenschaften/Management<br />

losgehen. „In der Ausbaustufe der<br />

Hochschulentwicklung werden wir bis zu 30<br />

Studiengänge, Promotionsprogramme und Zertifikatskurse<br />

für 5 000 Studierende anbieten“,<br />

erläutert Udo Thelen. Die DUW kombiniert<br />

Elemente des Präsenzstudiums im In- und<br />

Ausland mit solchen des Fernstudiums unter<br />

Einsatz elektronisch vermittelter Lernphasen.<br />

Auch auf dem internationalen Bildungsmarkt<br />

will die DUW präsent sein. Wer in Sachen<br />

Weiterbildung erfolgreich sein will, so Thelen,<br />

muss auf Folgendes achten: „Wissenschaftliche<br />

Qualität bei größtmöglicher Marktnähe,<br />

Betreuungs- und Marketingkompetenz – und<br />

Kundenorientierung, Kundenorientierung,<br />

Kundenorientierung.“ Uschi Heidel


16<br />

hoChSChulE<br />

neues vom Campus<br />

Berlin<br />

Shakespeare an der Spree<br />

Shakespeare-Aufführungen in einem speziell<br />

dafür konstruierten Theaterbau – das soll es<br />

bald auch in Berlin geben. Vorbild ist das historische<br />

Londoner Globe-Theatre aus dem Jahr<br />

1599, das in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />

am Ufer der Themse rekonstruiert<br />

und 1997 neu eröffnet wurde. Die Pläne für<br />

das Berliner Theater wurden von Architekturstudenten<br />

der Technischen Universität Berlin<br />

(TU) erarbeitet. Eine hochkarätige Jury um<br />

den Stuttgarter Star-Architekten Jörg Schlaich<br />

wählte jetzt aus den Entwürfen zunächst vier<br />

aus.<br />

Aufgabe war es, „die atmosphärischen Qualitäten<br />

und räumlichen Besonderheiten des<br />

Londoner Globe Theatre in einer zeitgemäßen<br />

Interpretation aufzunehmen. „Eine wichtige<br />

Vorgabe war, Nähe zwischen den rund 500<br />

Zuschauern und den Schauspielern herzustellen.<br />

Zudem soll das Gebäude „mobil” sein, also<br />

möglichst schnell auf- und abbaubar. „Ein Problem<br />

war natürlich auch, dass die Entwürfe<br />

sehr preiswert zu realisieren sein müssen”,<br />

sagt TU-Studiendekanin Birgit M. Klauck, die<br />

die Arbeit an den Modellen im Rahmen eines<br />

Seminars begleitete.<br />

Die vier studentischen Sieger-Teams haben<br />

sich am historischen Vorbild orientiert, aber<br />

die Erfordernisse moderner Theaterarbeit und<br />

den künftigen Standplatz an der Spree mit einbezogen.<br />

Die Entscheidung über die Entwürfe,<br />

die nach Anregungen der Juroren überarbeitet<br />

werden, fällt noch in diesem Sommer. Der<br />

spektakuläre Theater-Bau soll dann an exponierter<br />

Stelle in Berlin realisiert werden – im<br />

neuen „Park an der Spree” in der Mühlenstraße.<br />

Er wird wohl nicht lange leer stehen, denn<br />

Fotos: Schapowalow/Robert Harding (li), Ilona Dehn/Fotostudio der TU Berlin (re)<br />

die Berliner Shakespeare-Company, seit einigen<br />

Jahren in Berlin und darüber hinaus tätig,<br />

wartet bereits auf die neue Spielstätte. ors<br />

Informationen:<br />

www.a.tu-berlin.de/innenraum<br />

Münster<br />

Krankenhaus für Simulanten<br />

Das im Herbst 2007 eröffnete Studienhospital<br />

im westfälischen Münster ist in seiner Art<br />

bislang einmalig. Hier trainieren Studierende<br />

der Medizin ihre praktischen und kommunikativen<br />

Kenntnisse am „lebenden Objekt“. In<br />

dem für rund 450 000 Euro errichteten „Krankenhaus“<br />

ist alles echt: die medizinischen<br />

Geräte, höhenverstellbare Betten, Krankenhausbeleuchtung,<br />

der Geruch nach Desinfektionsmittel<br />

–, nur die Patienten nicht. Bei ihnen<br />

handelt es sich um Schauspieler, die zwar im<br />

originalgetreuen Krankenhauspyjama stecken,<br />

aber ihre speziellen Krankheitsbilder<br />

nur einstudiert haben.<br />

An ihnen testen die Studierenden ihre praktischen<br />

Fähigkeiten: Ein ängstlicher Patient<br />

muss nach einem schwierigen Eingriff beruhigt<br />

werden, bei einem Notfallpatienten soll<br />

trotz starker Schmerzen eine Anamnese erhoben<br />

werden – Übungen, die ganz nah am<br />

Klinikalltag sind. Dank der detailgetreuen<br />

Einrichtung und Ausstattung des Hospitals<br />

lässt sich hier jede Arbeitssituation realistisch<br />

simulieren: vom Blutdruckmessen über Ultraschalluntersuchungen<br />

bis zu komplizierten<br />

Operationstechniken an lebensgroßen Puppen.<br />

Durch verspiegelte Fenster verfolgen und<br />

beurteilen Professoren und Mitstudierende<br />

die Übungen. Eine Kamera am Kopfende des<br />

Bettes filmt das Geschehen aus der Perspek-<br />

Das Globe Theatre in London (links) und ein Entwurf für Berlin<br />

Foto: WWU<br />

tive des Patienten. Die Aufnahmen ermöglichen<br />

anschließend eine Selbstkritik der angehenden<br />

Ärzte. Die Einbettung des Lernens<br />

in die konkrete praktische Situation steigert<br />

den Lernerfolg der Studierenden deutlich. Das<br />

neuartige Konzept des Studienhospitals soll<br />

dem oft beklagten Mangel an Praxisbezug im<br />

Medizinstudium entgegenwirken. kj<br />

Ärztliche Visite unter Beobachtung<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


Dresden<br />

Akzentfreies Deutsch<br />

Wie bitte, was haben Sie gerade gesagt? Selbst<br />

Ausländer, die in deutscher Grammatik nahezu<br />

perfekt sind und über einen reichen Wortschatz<br />

verfügen, erleben gelegentlich frustrierende<br />

Überraschungen, weil ihr starker Akzent<br />

die Kommunikation mit Deutschen trübt<br />

oder sogar negative Reaktionen auslöst.<br />

An der Universität Dresden ist nun am „Institut<br />

für Akustik und Sprachkommunikation”<br />

ein Computerprogramm entwickelt worden,<br />

das Ausländern zu einem vielleicht nicht ganz<br />

akzentfreien, aber doch immerhin akzentarmen<br />

Deutsch verhelfen soll. Das Prinzip von<br />

AZAR (Apparatur zur Akzentreduzierung)<br />

ist es, Akzentfehler per Spracherkennung zu<br />

identifizieren und dem Schüler eine gezielte<br />

Rückmeldung über die korrekte Aussprache<br />

zu geben. Die Worte des Schülers werden<br />

dabei von der Software analysiert; es gibt gezielte<br />

Übungsanweisungen, welcher Teil des<br />

Gesprochenen sich wie anhören soll. Ein typisches<br />

Problem für russischsprachige Menschen<br />

ist etwa die Länge der Vokale, die mit<br />

AZAR gezielt auf das deutsche Maß gebracht<br />

werden können.<br />

Als Ergebnis kommt ein „Standarddeutsch”<br />

heraus, sagt Projektleiter Professor Rüdiger<br />

Hoffmann, der lachend eingesteht, selbst<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

von einer „akzentbelasteten” Herkunft – er<br />

stammt aus Sachsen – geprägt zu sein. Theoretisch<br />

könnte auch ein Schwabe oder Sachse<br />

mit einem adaptieren AZAR-Programm seinen<br />

Dialekt loswerden. Doch das ist nicht das Ziel<br />

des Projektes.<br />

Als Prototyp ist zunächst ein Programm für<br />

Russlanddeutsche entwickelt worden. Erste<br />

Im netz<br />

Die älteste Bibelhandschrift der<br />

Welt ist jetzt – in einem ersten<br />

Teilabschnitt – für jedermann im Internet<br />

zugänglich. In einer einmaligen<br />

Kooperation zwischen der Universitätsbibliothek<br />

Leipzig, der British<br />

Library, dem Katharinenkloster auf<br />

dem Sinai und der Russischen Nationalbibliothek<br />

in St. Petersburg sollen<br />

bis Juli 2009 alle erhaltenen 800 Seiten<br />

und über 40 Fragmente der nach<br />

heutigem Wissen ältesten erhaltenen<br />

Bibel mit vollständigem Neuen Testament<br />

digitalisiert und öffentlich zugänglich<br />

gemacht werden. Unter www.<br />

codex-sinaiticus.net sind die hochaufgelösten<br />

Fotografien der Handschriften in<br />

verschiedenen Ansichten abrufbar.<br />

Teil einer Manuskriptseite aus der<br />

1600 Jahre alten Bibel<br />

Abb.: www.codex-sinaiticus.net<br />

Als Forum für die Diskussion über die Rolle<br />

der Geisteswissenschaften in der globalisierten<br />

Welt versteht sich die Internetplattform<br />

www.internationale-geisteswissenschaften.de. Sie<br />

wurde mit Unterstützung des <strong>DAAD</strong> und des<br />

„International Graduate Center for the Study<br />

of Culture“ (GCSC) der Universität Gießen von<br />

internationalen Doktoranden der Geisteswissenschaften<br />

entwickelt und bietet Informationen<br />

über die Prozesse von Internationalität/<br />

Interkulturalität, umfassende Tagungsdokumentationen<br />

sowie Austausch und Networking<br />

für Geisteswissenschaftler. Unter der<br />

Rubrik „Wissenschaftlerprofile“ besteht die<br />

Möglichkeit für einen persönlichen Webauftritt<br />

der Teilnehmer.<br />

Ein gemeinsam vom <strong>DAAD</strong> und der DFG<br />

(Deutsche Forschungsgemeinschaft) entwickeltes<br />

neues Internetangebot, der Research<br />

Explorer, präsentiert systematische und umfassende<br />

Informationen zu deutschen For-<br />

hoChSChulE 17<br />

Erfahrungen im Unterrichts-Alltag erscheinen<br />

positiv. Die Methode ist auch auf andere Sprachen<br />

übertragbar. Als nächstes steht, gefördert<br />

aus Mitteln der Europäischen Union, die Entwicklung<br />

von Programmen an, die den Akzent<br />

von Polen, Briten, Slowaken und Tschechen<br />

bei der Verwendung der deutschen Sprache<br />

glätten sollen. ors<br />

schungseinrichtungen. Interessenten gelangen<br />

unter www.daad.de/research-explorer oder www.dfg.<br />

de/research-explorer kostenlos in englischer und<br />

deutscher Sprache zu Kontaktdaten von über<br />

17 000 in- und außeruniversitären Instituten<br />

aller Art. Drei verschiedene Zugangswege erleichtern<br />

die Recherche: Es kann nach einem<br />

bestimmten Fachgebiet gesucht werden, nach<br />

Einrichtungen an einem bestimmten Ort oder<br />

– in der erweiterten Suche – nach speziellen<br />

Forschungsschwerpunkten. Der Research Explorer<br />

bietet unkomplizierte Hilfe für Wissenschaftler<br />

im In- und Ausland, die potenzielle<br />

Forschungspartner oder Entscheidungshilfe<br />

für einen Forschungs aufenthalt suchen.


18 WISSEnSChaFT<br />

das glück hat viele gesichter<br />

Dresdener Ausstellung über eine Grundkonstante des Lebens<br />

„Glück – welches Glück“ – unter diesem<br />

Titel präsentiert eine Ausstellung im<br />

Deutschen Hygiene-Museum in Dresden<br />

Glücksvorstellungen verschiedener Zeiten<br />

und Kulturen.<br />

Vom rosenumwundenen Torbogen am Eingang<br />

der Ausstellung sind es nur wenige<br />

Schritte in die romantische Liebeslaube. Und<br />

bereits hier, wo der Besucher womöglich das<br />

Glück schlechthin erwartet, wird klar: Liebesglück<br />

und Liebesleid liegen ganz nah beieinander.<br />

Der „Kuss“ des Bildhauers Auguste<br />

Rodin und die „Eifersucht“ auf dem Gemälde<br />

von Edvard Munch rufen allerlei widersprüchliche<br />

Assoziationen wach.<br />

Entmutigen lassen sollte sich davon aber<br />

niemand. Denn die lehrreiche Schau, die das<br />

Deutsche Hygiene-Museum gemeinsam mit<br />

dem „Siemens Arts Program“ acht Monate<br />

lang in der sächsischen Landeshauptstadt<br />

zeigt, führt durchaus auf die erwartete Glücksspur:<br />

In sieben von dem afrikanischen Künstler<br />

Meschac Gaba (Benin) gestalteten Räumen<br />

– die Glückszahl 7 ist bewusst gewählt – und<br />

anhand von 400 Exponaten aus Kunst, Kulturgeschichte<br />

und Wissenschaft lassen sich<br />

Glücksvorstellungen verschiedenster Zeiten,<br />

Kulturen und Individuen aufs Beste nachvollziehen.<br />

Die Ausstellungsmacher gehen davon aus,<br />

dass das Streben nach Glück eine Grundkonstante<br />

des menschlichen Lebens ist. Die Amerikaner<br />

haben den Anspruch auf Glück – „the<br />

pursuit of happiness“ – 1776 immerhin in ihre<br />

Verfassung geschrieben. Doch welches Glück<br />

ist eigentlich gemeint?<br />

Doppelbödige Fortuna<br />

Während die Engländer und Franzosen zwischen<br />

„good luck“ und „happiness“ oder<br />

„bonne chance“ und „le bonheur“ unterscheiden,<br />

haben die Deutschen nur das eine Wort<br />

„Glück“. Im Mittelalter konnte „g(e)lücke“ ein<br />

gutes oder schlechtes Schicksal bedeuten –<br />

und vielleicht hat das Wort deshalb bis heute<br />

etwas Doppelbödiges, ähnlich wie das lateinische<br />

„fortuna“. Die Göttin Fortuna, die sich<br />

auf einer Kugel durch die Jahrhunderte bewegt<br />

– Zeichen für die Unsicherheit des Glücks – ist<br />

denn auch am Anfang und Ende der Ausstellung<br />

in Bild und Skulptur präsent.<br />

Dazwischen konfrontiert die Schau den Besucher<br />

– unter anderem an Bildschirmen und<br />

Hörstationen – mit Höhepunkten des Glücks<br />

oder dessen, was Menschen dafür halten:<br />

Glücksspender sind etwa exquisite<br />

Speisen, Musik und auch Rauschmittel.<br />

Beim Risikosport suchen Menschen<br />

Glück im Nervenkitzel und gehen beim<br />

Extremsport bis an ihre Grenzen – nicht<br />

zuletzt auch für das Glück der Anerkennung.<br />

Für das Glück der Schönheit legen<br />

sie sich auf den Operationsstisch.<br />

Sie suchen Glück spiritueller Art in der<br />

Religion und entwerfen Utopien vom<br />

Paradies auf Erden. Das Glück hat eben<br />

viele Gesichter.<br />

Glück im Ländervergleich<br />

Dass Geld allein nicht glücklich macht,<br />

ist eine Binsenweisheit. Bewiesen wird<br />

sie einmal mehr durch ökonomische<br />

Untersuchungen, die feststellen, dass<br />

reiche Menschen eine größere subjektive<br />

Zufriedenheit haben als arme, dass aber von<br />

einem bestimmten Wohlstands-Niveau an der<br />

weitere Einkommensanstieg nicht glücklicher<br />

macht.<br />

Foto: Emmanuel Aguirre, 2007<br />

Foto: Staatsbibliothek zu Berlin<br />

Dennoch zählt Wohlstand zu den wesentlichen<br />

Faktoren bei Untersuchungen der Glücksforschung.<br />

Diese wird vor allem von Ökonomen,<br />

Sozialwissenschaftlern und Psychologen betrieben<br />

und hat in den letzten 20 Jahren an<br />

Bedeutung stetig zugenommen.<br />

So erstellten Forscher der britischen Universität<br />

Leicester 2006 die erste „World Map of<br />

Happiness“. Dafür werteten sie mehr als 100<br />

Glücksstudien mit 80 000 Beteiligten aus.<br />

Hauptkriterien waren Gesundheit, Wohlstand<br />

und Bildung. Der niederländische Soziologe<br />

Ruut Veenhoven nennt in dem wissenschaftlich<br />

anspruchsvollen Begleitbuch zur Ausstellung<br />

Zahlen aus der von der Erasmus Universität<br />

Rotterdam erstellten „World Database of<br />

Happiness“: Demnach liegen Dänemark und<br />

die Schweiz mit einem Wert von 8,2 und 8,1<br />

ganz oben auf der Glücksskala, weit oben rangiert<br />

auch Deutschland mit 7,2 gleich hinter<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


den USA (7,4), während das afrikanische Land<br />

Zimbabwe mit 3,3 ganz unten platziert ist.<br />

Solche Ländervergleiche beweisen oft nicht<br />

mehr, als dass Glück nicht nur eine Frage des<br />

materiellen Besitzes ist, sondern auch Faktoren<br />

wie politische Freiheit, Frieden und Sicherheit<br />

ausschlaggebend sind. Über das individuell<br />

ganz verschiedene Glücksempfinden,<br />

die Lebenszufriedenheit des Einzelnen und<br />

sein Talent zum Glück sagen sie so gut wie<br />

gar nichts aus.<br />

Kein dauerhafter Reiz<br />

Ist Glück über das Bruttosozialprodukt nur<br />

unzureichend zu verorten, so kann die heutige<br />

Hirnforschung schon mit exakteren Aussagen<br />

dienen. Der französische Neurologe<br />

Guillaume Duchenne unterschied 1862 echte<br />

Gefühlsregungen von unechten, indem er<br />

feststellte, dass nur beim echten Lächeln die<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Glück messen:<br />

Der Neurologe Guillaume Duchenne<br />

untersuchte 1862 das Lächeln<br />

Glücksmomente:<br />

Mancher findet sie im Nervenkitzel<br />

beim Risikosport (links unten)<br />

Augenmuskeln beteiligt sind. Heute können<br />

Neurologen das Lächeln und andere positive<br />

Gefühlsregungen in bestimmten Gehirnregionen<br />

nachweisen. Es ist der angenehme Reiz<br />

im Belohnungssystem des Gehirns, der den<br />

Menschen dazu bringt, sich um immer neue<br />

Glücksempfindungen zu bemühen.<br />

Ein Dauerzustand kann das freilich nicht<br />

sein. Das zeigen die Dresdener Ausstellungsmacher<br />

eindringlich an einem Versuch mit Ratten:<br />

Die Tiere konnten per Knopfdruck selbst<br />

einen elektrischen Reiz im Gehirn auslösen<br />

und betrieben die angenehme Stimulierung<br />

so dauerhaft, dass sie darüber das Essen und<br />

Trinken vergaßen und jämmerlich zugrunde<br />

gingen.<br />

Kein Wunder, dass der Besucher die Glücksschau<br />

nicht einfach nur glücklich, sondern vor<br />

allem sehr nachdenklich verlässt.<br />

Leonie Loreck<br />

WISSEnSChaFT<br />

Die Ausstellung ist bis zum 2. November<br />

geöffnet. Informationen: www.dhmd.de/glueck<br />

Das Begleitbuch zur Ausstellung ist im Carl<br />

Hanser Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro<br />

ohne Sinn kein glück<br />

Der Philosoph Wilhelm Schmid über Irrtümer bei der Glückssuche<br />

Herr Professor Schmid, warum hat das<br />

Thema Glück gerade jetzt Hochkonjunktur?<br />

In der Geschichte kommt es immer wieder<br />

vor, dass Menschen glauben, ohne<br />

Glück nicht leben zu können. Schon zu<br />

Zeiten der antiken Philosophen Aristoteles,<br />

Epikur und später Seneca war Glück ein<br />

wichtiges Thema und zuletzt im 18. Jahrhundert<br />

während der Aufklärung. Das ist<br />

immer in Zeiten großer Verunsicherung so:<br />

Dann suchen die Menschen nach Phänomenen,<br />

denen sie zutrauen, Kraftspender<br />

zu sein. Dazu gehört offenbar das Glück.<br />

In Deutschland ist nach 1989 für zahlreiche<br />

Menschen ein Traum zerplatzt. Viele<br />

Ostdeutsche hatten schon lange nicht mehr<br />

daran geglaubt, dass das sozialistische System<br />

sie glücklich machen könnte, trauten<br />

das aber dem westlichen System zu. Auch<br />

abSTraCT<br />

“Glück – welches Glück”<br />

is the title of an exhibition on happiness — or,<br />

more precisely, on the many ways happiness<br />

has been perceived through the ages and in<br />

different cultures. Running at the Deutsches<br />

Hygiene-Museum in Dresden until early November,<br />

the exhibition is presented jointly by the<br />

museum and the Siemens Arts Program under<br />

the artistic direction of Meschac Gaba, an artist<br />

from Benin. As 400 exhibits from the realms<br />

of art, cultural history and science show: The<br />

facets of happiness are numerous and varied<br />

— and definitely open to critical examination.<br />

One such examiner is the Berlin-based philosopher<br />

and long-time <strong>DAAD</strong> guest lecturer<br />

Wilhelm Schmid, who attests that people today<br />

are prone to “happiness hysteria”. Says Schmid:<br />

“A feeling of well-being is a good thing, but it<br />

cannot persist continuously. What people really<br />

seek is the meaning of life.” An important<br />

aspect of that, asserts Schmid, is a feeling of<br />

interrelatedness, whether with fellow humans<br />

or with nature. “Once you feel your life has<br />

meaning, happiness follows automatically”.<br />

im Westen glaubten die Menschen, dass<br />

das kapitalistische System für das Glück<br />

sorgen werde – in Form von Wohlstand für<br />

alle Menschen dieser Erde. Das kann das<br />

westliche System nun aber nicht mehr glaubhaft<br />

machen, und so haben die Menschen<br />

die Hoffnung verloren, dass ihr Glück von<br />

irgendeinem System bereitgestellt wird.<br />

Deshalb suchen sie ganz persönlich nach<br />

dem Glück. Was Mitte der 90er Jahre noch<br />

etwas verhalten begann, hat heute geradezu<br />

die Form von Glückshysterie angenommen.<br />

Wie äußert sich das?<br />

Bücher zu dem Thema sind heute Bestseller,<br />

und ein Film wie „Happy-Go-Lucky“<br />

zieht – allein wegen des Titels – Massen<br />

ins Kino. Die Menschen verstehen unter<br />

Glück: sich toll fühlen, Spaß haben, Lust<br />

19


20 WISSEnSChaFT<br />

Foto: ullstein bild/Granger Collection<br />

Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin und<br />

unterrichtet als außerplanmäßiger Professor an der<br />

Universität Erfurt. Bekannt wurde er als Vertreter der<br />

Lebenskunstphilosophie mit Büchern wie „Schönes<br />

Leben? Einführung in die Lebenskunst“ (2000). Sein<br />

Buch „Glück. Alles, was Sie darüber wissen müssen,<br />

und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist“<br />

(2007) wurde zum Bestseller. Schmid, der bei dem<br />

französischen Philosophen Michel Foucault promovierte<br />

und Vater von vier Kindern ist, lehrte als langjähriger<br />

<strong>DAAD</strong>-Gastdozent in den 90er Jahren zunächst in<br />

Riga (Lettland) und bis 2006 in Tiflis (Georgien).<br />

Informationen: www.lebenskunstphilosophie.de<br />

empfinden und dass alles positiv läuft.<br />

Dafür überwinden sie Berge und durchschwimmen<br />

Ozeane. Doch der Glaube, das<br />

allein sei Glück, ist ein furchtbarer Irrtum.<br />

Was machen die Glückssucher falsch?<br />

Wohlgefühl ist eine wunderbare Sache, aber<br />

es gibt sie niemals auf Dauer. Am schönsten<br />

drückt dies der französische Begriff für<br />

Glück aus: le bonheur. Die „gute Stunde“<br />

ist machbar, und man kann für solche<br />

Glücksmomente viel tun: ein Glas Wein, ein<br />

schönes Gespräch, eine Urlaubsreise, das<br />

alles tut gut. Insofern irren sich die Propagandisten<br />

des Glücks nicht. Aber sie irren<br />

sich, wenn sie glauben, ihr Leben zu einer<br />

einzigen Wohlfühl-Veranstaltung machen zu<br />

können. Mit diesem Versuch scheitern sie.<br />

Was raten Sie ihnen?<br />

Mein Rat ist: Frage Dich, was Leben für<br />

Dich ist. Leben findet ständig in Gegensätzen<br />

statt. Es gibt nicht nur Freude,<br />

sondern auch freudlose, wenn nicht gar<br />

leidvolle Zeiten. Wenn man nicht nur das<br />

Positive, sondern auch das Negative als<br />

Bestandteil des Lebens akzeptiert, erfährt<br />

Foto: Benno Kraehahn<br />

man erst den Reichtum des Lebens. Ich<br />

bezeichne das als das „Glück der Fülle“.<br />

Bleibt der Mensch bei der Glückssuche<br />

ganz auf sich selbst bezogen?<br />

Wenn die Menschen nach Glück fragen, meinen<br />

sie oft etwas ganz anderes. Sie suchen<br />

eigentlich nach Sinn. Ohne Glück – das kriegt<br />

man hin, aber ohne Sinn können wir nicht leben.<br />

Sinn ist überall, wo Zusammenhang ist.<br />

Das gilt zum Beispiel für den sozialen Zusammenhang.<br />

Für Liebende stellt sich kaum die<br />

Frage nach dem Sinn des Lebens, weil sie ihn<br />

schon besitzen. Auch der Zusammenhang mit<br />

der Natur ist Sinnerfahrung. Wenn Sinn da<br />

ist, kommt das Glück automatisch hinterher.<br />

Sie waren einige Jahre als Gastdozent in<br />

Georgien tätig. Sind die Menschen dort<br />

glücklicher als in Deutschland?<br />

Menschen in Georgien haben eine ganz andere<br />

Vorstellung von Glück als die Deutschen –<br />

so wie es ohnehin nicht den einen Glücksbegriff<br />

gibt. Für die Georgier spielen familiäre<br />

und soziale Bindungen noch eine große Rolle.<br />

Deshalb fragen sie viel weniger nach Glück<br />

und Lebenssinn. Sie sind konsterniert darüber,<br />

dass Menschen im Westen oft keinen Lebenssinn<br />

sehen, und entwickeln eine Skepsis<br />

gegenüber unserer Wohlstandsgesellschaft.<br />

Glück der Liebenden:<br />

Auguste Rodins „Der Kuss“ von 1886<br />

Die philosophische Wissenschaft hat das<br />

Image, eher theoretisch, ja elitär zu sein.<br />

Sie selbst beschäftigen sich als Philosoph<br />

unmittelbar mit den Menschen. Was kann<br />

Philosophie bewirken?<br />

In der arbeitsteiligen Gesellschaft ist die Philosophie<br />

die Disziplin der Nachdenklichkeit.<br />

Nachdenken kann jeder, aber die Philosophen<br />

sind darin Profis. Sie haben keine Lösungen,<br />

können Menschen aber dabei helfen, Orientierung<br />

im Leben zu finden. Das war von<br />

ungefähr 800 vor Christus bis ins 19. Jahrhundert<br />

hinein typisch für die Philosophie.<br />

Zuletzt hat sich die Philosophie über längere<br />

Zeit den Wissenschaften zur Grundlagenreflektion<br />

zur Verfügung gestellt – etwa in<br />

Form von Wissenschaftsphilosophie oder<br />

Sprachphilosophie. Erst heute wendet sie<br />

sich wieder verstärkt Fragen des praktischen<br />

Lebens zu. Dazu gehören etwa die<br />

Auswirkungen moderner Technologien<br />

oder neuer medizinischer Forschungsergebnisse<br />

auf das Leben der Menschen.<br />

Sind Sie glücklich?<br />

Die Frage nach Glück stelle ich mir privat<br />

nie, weil ich mir über ihre Begrenztheit im<br />

Klaren bin.<br />

Aber Sie verschaffen sich doch glückliche<br />

Momente?<br />

Ja, wenn ich morgens ins Café gehe, um dort<br />

zu arbeiten, fühle ich mich wohl. Dann bestelle<br />

ich eine Tasse Espresso, die ich im Verlauf<br />

von ungefähr zwei Stunden trinke, denn<br />

wenn man die kleine Pfütze Kaffee nicht in<br />

sich hineinschüttet, sondern ganz langsam<br />

zu sich nimmt, steigt das Wohlgefühl.<br />

Die Fragen stellte Leonie Loreck<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

labor für multis<br />

Hohe Investitionen am Forschungsstandort Deutschland<br />

Multinationale Unternehmen – vor allem<br />

aus Partnerländern in der Europäischen<br />

Union – forschen und entwickeln gerne<br />

in Deutschland. Der Schlüssel zum Erfolg<br />

sind innovative Technologien, mit denen<br />

auch die hohen Löhne der Beschäftigten<br />

gesichert werden.<br />

In Garching bei München betreibt das US-<br />

Weltunternehmen General Electric sein europäisches<br />

Forschungszentrum. Es ist eines von<br />

weltweit vier. Der koreanische Elektronikkonzern<br />

Samsung hat sein Entwicklungszentrum<br />

für Europa in Stuttgart angesiedelt, der niederländische<br />

Mitbewerber Philips große Forschungsstätten<br />

in Aachen und Hamburg. Das<br />

sind Beispiele dafür, wie gern Konzerne mit<br />

Hauptsitz im Ausland am Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland in Forschung und Entwicklung<br />

investieren. Deutschland nimmt Platz zwei<br />

auf der internationalen Skala ein – die USA<br />

führen sie an. „Dabei stehen die Gelder für die<br />

Zukunftslabors in engem Zusammenhang mit<br />

den Investitionen der Firmen für ihre Produktionsanlagen<br />

im jeweiligen Land“, erläutert<br />

Heike Belitz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung,<br />

die das Investitionsverhalten<br />

für die Bundesregierung untersucht hat.<br />

Die multinationalen Unternehmen zeigen<br />

mit ihren Standortentscheidungen, wo auf<br />

der Welt die besten Voraussetzungen für Innovationen<br />

und vielversprechende Arbeitsplätze<br />

bestehen. Im jüngsten statistischen Vergleichsjahr,<br />

2005, gaben ausländische Firmen<br />

für Forschung und Entwicklung in den USA<br />

25 Milliarden Euro aus. Deutschland kam mit<br />

einer Summe von 12 Milliarden Euro auf fast<br />

die Hälfte. Dieses Kapital stammt wiederum<br />

zu 50 Prozent von Firmen aus Partnerländern<br />

innerhalb der Europäischen Union: Der<br />

europäische Wirtschaftsraum entwickelt sich<br />

zu einem eigenen Innovationspool neben den<br />

USA und Japan.<br />

Technologie made in Germany<br />

Umgekehrt platzierten deutsche Großunternehmen<br />

rund zehn Milliarden für Forschung<br />

im Ausland. Der internationale Zugewinn am<br />

Forschungsstandort Deutschland blieb damit<br />

zwei Milliarden Euro höher als der Mittelabfluss.<br />

„Von einer Abwanderung der Industrieforschung<br />

ins Ausland kann keine Rede<br />

sein“, sagt Heike Belitz.<br />

Foto: General Electric<br />

Unter allen Branchen ist die Pharmaindustrie<br />

Spitzenreiter bei der Internationalisierung.<br />

50 Cent von jedem Euro geben deutsche Firmen<br />

im Ausland aus. Andererseits spielen in<br />

diesem Wirtschaftssektor mehr ausländische<br />

Großunternehmen mit als in jedem anderen.<br />

An dem hohen Grad der Internationalisierung<br />

wird zugleich klar, dass Gesundheit und Medizin<br />

Trendsetter der globalen Wirtschaft sind.<br />

„Im laufenden Jahrzehnt hat die Spezialisierung<br />

auf forschungsintensive Güter Deutschlands<br />

Stellung in den Weltmärkten gefestigt“,<br />

betont Heike Belitz. Auf die neuen Bereiche<br />

müsse sich auch die Schul- und Hochschulbildung<br />

einstellen, damit weitere wirtschaftliche<br />

WISSEnSChaFT<br />

Solarzellen oder organische<br />

Leuchtdioden:<br />

Die Konzerne General Electric<br />

und Philips betreiben<br />

Zukunftslabore in Deutschland<br />

Erfolge nicht an personellen<br />

Engpässen scheiterten.<br />

Ein Musterbeispiel für die<br />

innovativen Berufsfelder sind<br />

die optischen Technologien<br />

als Allzweckmittel für Bohren,<br />

Schweißen, Messen, Oberflächenbearbeitung<br />

und Nachrichtenübermittlung.<br />

Ihr größter<br />

Vorzug: Licht ist die umweltfreundliche<br />

Energie schlechthin.<br />

Laut Bundesforschungsministerium<br />

nimmt Deutschland<br />

in dem Bereich gegenwärtig<br />

„im internationalen Vergleich<br />

die Spitzenstellung“ ein. Neben<br />

Traditionsfirmen wie Bosch haben hierzulande<br />

auch rund tausend kleinere und mittlere<br />

Unternehmen ihren Schwerpunkt in der Optik.<br />

Dabei fällt auf: Je kleiner der Betrieb, desto<br />

höher ist der Anteil akademisch ausgebildeter<br />

Mitarbeiter. Bei Firmen mit bis zu zehn Arbeitskräften<br />

ist jeder Zweite Ingenieur, bei<br />

mittleren Unternehmen mit bis zu 250 Angestellten<br />

hat immerhin jeder Dritte einen Hochschulabschluss.<br />

Innovationen hängen also<br />

keineswegs nur von multinationalen Unternehmen<br />

und ihrem großen Geld ab, vielmehr<br />

generieren gerade in Deutschland auch kleine<br />

Werkstätten große Wissenschaft.<br />

Hermann Horstkotte<br />

Foto: Philips<br />

21


22 orTSTErmIn<br />

Foto: Code Unique<br />

Hamburg<br />

Ein hauch von Eigensinn<br />

Aus den tiefwurzelnden Traditionen der<br />

Freien und Hansestadt Hamburg ist eine<br />

ganz eigene Wissenschaftslandschaft gewachsen:<br />

Sie pflegt die Affinität zu anderen<br />

Kulturen und treibt wichtige Zukunftsbereiche<br />

voran.<br />

Es soll Hamburger geben, die Labskaus mögen.<br />

Doch was in diesem Traditionsgericht<br />

für Seeleute, einem rötlichen Brei, wirklich<br />

steckt, weiß nur der Koch. Sicher ist nur: Labskaus<br />

ist im heutigen Hamburg nicht mehr so<br />

angesagt. Die Eckkneipe weicht immer mehr<br />

Lokalen im „Edelgammel-Look“, wo man exquisit<br />

speist.<br />

Ästhetisierung allenthalben, auch – oder<br />

besonders – in der Architektur: Zwielichtige<br />

Hafenbezirke wurden zur Hafencity und der<br />

einst düstere, weltweit längste Lagerhausbau<br />

zur teuren Speicherstadt modelliert. Neue Artefakte<br />

mit beeindruckend ästhetischer Wucht<br />

wachsen aus dem Wasser, wie die einem gigantischen<br />

Segelschiff nachempfundene Elbphilharmonie<br />

der Stararchitekten Herzog und<br />

De Meuron, die 2010 „vom Stapel laufen“ soll.<br />

Vollends Symbol für das Wesen und Wirken<br />

Hamburgs ist die von Oswald Mathias Ungers<br />

entworfene Kunsthalle: in Form gegossenes<br />

Understatement, teuer, quadratisch, klar und<br />

reduziert – etwas britisch und sehr hanseatisch.<br />

Weltoffene Tradition<br />

In der Stadt an der Elbe mit einem der umsatzstärksten<br />

Häfen Europas trieben bereits die<br />

legendären Hansekaufleute und Reeder Handel<br />

mit der ganzen Welt. Selbstbewusst leistet<br />

man sich Stil und Kultur. Seit Januar 2006<br />

wird dieser Habitus auch wissenschaftlich gepflegt<br />

– mit der neuen HafenCity Universität.<br />

Foto: DESY in Hamburg<br />

Sie bündelt die vormals dezentralen Bereiche<br />

Architektur, Stadtplanung, Bauingenieurwesen<br />

und Geomatik. Innerhalb von zwei Jahren<br />

expandierte diese Uni, deren Hauptgebäude<br />

erst 2011 bezugsfertig sein wird, bereits zu einer<br />

der größeren Hochschulen Hamburgs mit<br />

internationalem Renommee.<br />

Insgesamt bringt die weltoffene Tradition<br />

der alten Hansestadt eine spezifische, eng<br />

vernetzte Wissenschaftslandschaft hervor:<br />

mit 16 Hochschulen und 70 000 Studierenden,<br />

der weltweit größten Spezialbibliothek<br />

für Wirtschaftswissenschaften und vielen renommierten<br />

außeruniversitären Forschungsinstitutionen<br />

wie dem Deutschen Elektronen-<br />

Synchroton Forschungszentrum (DESy).<br />

Hamburgs Universität ist mit ihren 38 000<br />

Studierenden, 680 Professoren (davon 130 am<br />

Uniklinikum Eppendorf) und weiteren 3000<br />

Wissenschaftlern die fünftgrößte deutsche<br />

Uni. Über weite Strecken liest sich die Forschungs-<br />

und Lehrpalette wie ein Reisebuch<br />

rund um die Welt. Afrikanische Sprachen und<br />

Kulturen gehören ebenso zum wissenschaft-<br />

lichen Repertoire wie Finnougristik/Uralistik,<br />

Turkologie, Japanologie, Sinologie, Korea n istik,<br />

Geschichte der Juden oder Entwicklung<br />

der Weltwirtschaft.<br />

Globale Forschungsaspekte<br />

Hamburgs Geisteswissenschaften zeigen ihre<br />

genuine Stärke im Austausch mit anderen Fächern,<br />

wie in den Projekten des 2006 gegründeten<br />

interdisziplinären Carl Friedrich von<br />

Weizsäcker-Zentrums für Naturwissenschaft<br />

und Friedensforschung (ZNF). Gewalt, Macht,<br />

Sicherheit und Stabilität politischer Systeme<br />

gehören zu den Themen im ZNF, das den Ruf<br />

Hamburgs als Zentrum für globale Konflikt-<br />

und Entwicklungsforschung festigt. Bereits<br />

1971 hatte die Stadt das Institut für Friedensforschung<br />

und Sicherheitspolitik (IFSH) gegründet.<br />

Der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Entwicklung in Afrika, Asien,<br />

Lateinamerika, Nah- und Mittelost wiederum<br />

widmet sich das German Institute of Global<br />

and Area Studies (GIGA). Heute ist es die größ-<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


te europäische Forschungseinrichtung für globale<br />

und regionale (vergleichende) Studien.<br />

Kompetenz im Cluster<br />

Seit der Jahrhundertwende hat die Stadt ihre<br />

Ausgaben für Wissenschaft und Forschung um<br />

mehr als 20 Prozent gesteigert. Ziel ist, Grundlagen-<br />

und technologieorientierte Forschung<br />

und Entwicklung zu vernetzen. Strategische<br />

Kompetenz-Cluster sollen die Interaktion von<br />

Wissenschaft und Wirtschaft fördern.<br />

Beispielhaft für diese Zukunftsstrategie ist<br />

das Industriecluster für zivile Luftfahrt, das<br />

weltweit drittgrößte nach Seattle und Toulouse.<br />

Beteiligt sind die Technische Universität<br />

Hamburg-Harburg (TUHH), die Hochschule<br />

für angewandte Wissenschaften und die Helmut-Schmidt-Uni<br />

der Bundeswehr. Die große<br />

Forschungssumme von mehreren hunderttausend<br />

Euro, die von der Industrie mitgetragen<br />

wird, mag die Vehemenz erklären, mit der<br />

Hamburg den Ausbau des Luftfahrt-Areals in<br />

Hamburg-Finkenwerder vorantrieb.<br />

Etwas ruhiger geht es beim Bau von „Leuchttürmen“<br />

in der Grundlagenforschung zu, so<br />

etwa beim Hamburger Life Science-Cluster, das<br />

in den letzten zwei Jahren deutlich ausgebaut<br />

wurde. Am Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf<br />

(UKE) bietet ein neuer Forschungscampus<br />

exzellenten Wissenschaftlern eine besondere<br />

Infrastruktur. Das UKE beteiligt sich etwa<br />

an Forschungen im neurogenerativen und<br />

-degenerativen Bereich sowie an der Diabetes-<br />

Prävention. Hohe Kompetenz findet sich hier<br />

auch in der Tropenmedizin. Der Hamburger<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: H. Mahsen/adpic.de<br />

„KlimaCampus“ – international anerkanntes<br />

Exzellenz-Zentrum für Klimaforschung<br />

– ist ein Verbund aus Universität und zahlreichen<br />

außeruniversitäten renommierten<br />

Forschungseinrichtungen.<br />

Langfristig aufgestellt ist der Wissenschaftsstandort<br />

mit dem Elektronen-Synchroton<br />

DESy, das sich zu einem weltweit einzigartigen<br />

Strukturforschungszentrum entwickelt.<br />

Seit 2005 ermöglicht der Freie-Elektronen-<br />

Laser „Flash“ mit seinen hochintensiven ultrakurzen<br />

Lichtblitzen spektakuläre neuartige<br />

Experimente. 2009 wird die weltweit brillantesteSpeicherring-Röntgenstrahlungsquelle<br />

„Petra III“ in Betrieb gehen, 2013 der Europäische<br />

Freie-Elektronen-Laser „XFEL“.<br />

Gutes Klima für Stifter<br />

Der eigentliche Charme des Wissenschaftsstandorts<br />

Hamburg liegt in der Mischung<br />

von Tradition und Moderne, einer quasi organisch<br />

gewachsenen interdisziplinären Forschungskultur<br />

mit einem Hauch von großbürgerlichem<br />

Eigensinn. Der zeigt sich auch in<br />

der kritischen Medienlandschaft – mit dem<br />

„Norddeutschen Rundfunk“, der Wochenzeitung<br />

„Die Zeit“, den Magazinen „Der Spiegel“<br />

und „stern“. Auch diese für Deutschlands<br />

Demokratie wichtige Medienkompetenz wird<br />

wissenschaftlich gepflegt. Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />

bietet neben der<br />

Uni auch die Hamburg Media School.<br />

In diesem aufgeschlossenen Klima gedeiht<br />

eine beachtliche Stiftungskultur. So gründete<br />

die ZEIT-Stiftung im Jahr 2000 beispielsweise<br />

orTSTErmIn<br />

Kontraste: die historischen Lagerhäuser in Hamburgs<br />

Speicherstadt bei Ebbe und das Hauptgebäude der<br />

HafenCity Universität im Entwurf (ganz links).<br />

Weltweit einzigartiges Forschungzentrum:<br />

das Elektronen-Synchroton DESY (links unten)<br />

die staatlich anerkannte Bucerius Law School.<br />

Die private, technisch orientierte Hochschule<br />

„Northern Institute of Technology Management“<br />

(NIT) wurde von der TUHH gemeinsam<br />

mit der Hamburger Körber-Stiftung und<br />

mehreren großen Wirtschaftsunternehmen<br />

initiiert und bildet internationale Nachwuchskräfte<br />

für die Industrie aus. Der reiche Erbe<br />

Jan Philipp Reemtsma etablierte 1984 das<br />

Hamburger Institut für Sozialforschung (eine<br />

Stiftung bürgerlichen Rechts), das sich mit<br />

nonkonformistischen Studien unter anderem<br />

zu Nation, Gesellschaft und Gewalt einen Namen<br />

macht.<br />

Hamburg fährt gut in die Zukunft auf seinem<br />

von Traditionen gesäumten Weg. Deshalb wird<br />

Labskaus wohl auch weiterhin auf Hamburgs<br />

Speisekarten zu finden sein.<br />

Ruth Kuntz-Brunner<br />

Informationen:<br />

www.wissenschaft.hamburg.de<br />

abSTraCT<br />

Hamburg<br />

The cosmopolitan tradition of Hamburg,<br />

one-time member of the old Hanseatic<br />

League, contributes to a unique and highly<br />

networked scientific landscape. With 16 colleges<br />

and many renowned non-university<br />

research institutes, Hamburg maintains a<br />

particular affinity to other cultures and promotes<br />

important advances into the future.<br />

The University of Hamburg is the fifth largest<br />

university in Germany. The new HafenCity-<br />

Uni architectural school, established in 2006,<br />

has already grown to be the second largest<br />

university in Hamburg. Great potential is also<br />

found in the research facilities around DESY,<br />

the German electron synchrotron, which is fast<br />

becoming a structure research centre unique<br />

throughout the world. The University Medical<br />

Center Hamburg-Eppendorf focuses on life<br />

sciences, with particular expertise in tropical<br />

medicine. The third largest civilian aerospace<br />

industry cluster in the world is formed here<br />

by three colleges and numerous companies.<br />

In the humanities, Hamburg is among<br />

the most prestigious research centres for<br />

the study of cultures on other continents,<br />

as well as in the areas of international<br />

security, peace and development.<br />

23


24 Europa<br />

Sauberer himmel<br />

Die Europäische Union fördert umweltfreundliche Flugzeuge<br />

In den neuen Public Private Partnerships<br />

des 7. Forschungsrahmenprogramms gibt<br />

die Industrie den Ton an. Universitäten<br />

spielen die Rolle des Juniorpartners.<br />

Flugzeuge der Zukunft sollen weniger umweltschädliche<br />

Abgase und nur noch die<br />

Hälfte des Klimakillers CO2 ausstoßen – so<br />

könnten sie von Europa aus den Weltmarkt erobern.<br />

Wenn alles nach Plan läuft, sind in sieben<br />

Jahren Prototypen wettbewerbsfähig, die<br />

deutlich weniger Luft verschmutzen und weniger<br />

Lärm erzeugen. Das sieht das Großprojekt<br />

„Clean Sky“ im Rahmen des 7. Forschungsprogramms<br />

der Europäischen Union (EU) vor.<br />

Es handelt sich um eine „Joint Technology<br />

Initiative“ von 86 Partnern aus 16 Ländern.<br />

Sie stammen vorwiegend aus der Luftfahrtindustrie,<br />

aber auch Universitäten und andere<br />

öffentliche Forschungsinstitutionen wie die<br />

deutsche Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) sind<br />

dabei. Das Konsortium stellt 800 Millionen<br />

Euro bereit, Europa fördert das Vorhaben in<br />

derselben Höhe. Ähnliche Kooperationen dienen<br />

innovativen Arzneimitteln, der Telekommunikation<br />

und der Nanoelektronik. Dabei<br />

ist Public Private Partnership ein neuartiges<br />

Förderinstrument auf EU-Ebene.<br />

„Clean Sky wird von der Industrie angetrieben“,<br />

erläutert Ursula Eul von der FhG, „sowohl<br />

in der Entstehung der Initiative wie in<br />

ihrer Zielsetzung und nicht zuletzt durch den<br />

Finanzbeitrag der Unternehmen.“ Es gehe<br />

also nicht um Grundlagenforschung, so Eul,<br />

sondern darum, laufende technologische Entwicklungen<br />

zur Anwendungsreife zu bringen.<br />

Dabei sei die Zahl von 86 Partnern für modernes<br />

Projektmanagement kein Maximum. Vielmehr<br />

sind weitere, möglichst finanzkräftige<br />

Teilnehmer erwünscht.<br />

Die Gemeinschaftsinitiative „Clean Sky“<br />

gliedert sich in sechs thematische Untereinheiten<br />

etwa zum umweltfreundlichen Motor<br />

oder neuen, wiederverwertbaren Werkstoffen.<br />

Jeder Themenbereich hat sein eigenes Leitgremium,<br />

das für die Ausschreibung der<br />

Forschungsprojekte und die Vergabe an Bewerber<br />

verantwortlich ist. Dabei bekommen<br />

Firmen aus dem Gemeinschaftstopf höchstens<br />

die Hälfte der nötigen Projektmittel. Universitäten<br />

und andere öffentliche Forschungseinrichtungen<br />

(wie die FhG) können bis zu 75<br />

Prozent erhalten. Sie werden also von Unternehmen<br />

subventioniert.<br />

Patentrechte sind noch unklar<br />

Dennoch stößt das neue Förderinstrument<br />

der Joint Technology Initiatives außerhalb der<br />

Industrie auf Bedenken. Wilfried Kraus von<br />

der Ständigen Vertretung Deutschlands bei<br />

der EU befürchtet einen Dschungel von Regelungen,<br />

den einzelne Universitäten anders<br />

als Großunternehmen gar nicht überblicken<br />

können. Außerdem gebe es Sonderregelungen<br />

in Fragen der Urheber- und Patentrechte, die<br />

alle öffentlichen Forschungsträger schlechter<br />

stellen als sonst im Rahmenprogramm üblich.<br />

Adam Wolisz, Professor für Telekommunikation<br />

an der TU Berlin, weist auf eine andere<br />

grundlegende Gefahr von Partnerkonflikten<br />

hin: „Offen gesagt: Spannungen zwischen der<br />

langfristig angelegten Universitätsforschung<br />

und der von Marktbedürfnissen geprägten<br />

Industrie wird es immer geben.“ Allerdings:<br />

Die Industrie steuert zu den bislang vier Joint<br />

Initiatives insgesamt dreimal soviel Geld bei<br />

wie die EU-Kommission aus Steuergeldern.<br />

Vielleicht ist das ein Trost für die Hochschulforschung.<br />

Hermann Horstkotte<br />

Infos: www.cleansky.eu<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


nachrichten<br />

Europäisches Technologieinstitut<br />

Zentrale in Budapest<br />

Das Europäische Institut für Innovation<br />

und Technologie (EIT)<br />

erhält seinen Sitz in Budapest. Die<br />

ungarische Hauptstadt setzte sich<br />

gegen vier Mitbewerber durch, darunter<br />

auch die ostdeutsche Stadt<br />

Jena. Mit dieser Entscheidung der<br />

EU-Forschungsminister ist das<br />

ambitionierte Projekt einer europäischen<br />

Exzellenz-Zentrale für<br />

Innovation seiner Verwirklichung<br />

einen entscheidenden Schritt nähergekommen.<br />

Bereits Anfang<br />

2006 hatte die EU-Kommission<br />

ihren Plan eines „europäischen<br />

Massachusetts Institute of Technology“<br />

vorgestellt, um der geballten<br />

Innovationskraft der US-Wirtschaft<br />

und US-Forschung etwas<br />

Gleichwertiges entgegenzusetzen.<br />

Während das Massachusetts Institute<br />

of Technology aber eine Universität<br />

mit einem Milliarden-Etat<br />

ist, wird es sich beim EIT um eine<br />

Koordinierungsstelle mit rund 60<br />

Mitarbeitern handeln. Für die Aufgaben<br />

bis 2013 sind etwas über<br />

300 Millionen Euro eingeplant.<br />

Das EIT soll Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />

und Unternehmen<br />

zu Wissens- und Innovationsgemeinschaften<br />

(Knowledge<br />

and Innovation Communities, KIC)<br />

zusammenführen und vernetzen.<br />

Der Erfolg des Europäischen Instituts<br />

steht und fällt mit der Bereitschaft<br />

der Unternehmen, sich<br />

zu beteiligen und zu investieren.<br />

Neue Formen der Energiegewinnung<br />

und die nächste Generation<br />

der Informationstechnologie gehören<br />

voraussichtlich zu den ersten<br />

Tätigkeitsfeldern des EIT. An den<br />

innovativen Partnerschaftsprojekten<br />

zwischen Wirtschaft und<br />

Wissenschaft sollen die Hochschulen<br />

gleichberechtigt beteiligt<br />

werden und unter anderem einen<br />

prestigeträchtigen EIT-Stempel für<br />

Master- und Promotionsabschlüsse<br />

erhalten.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Forschungsprojekt<br />

Gegen „saure“ Ozeane<br />

Die von Menschen verursachte<br />

Emission von Kohlendioxid verändert<br />

nicht nur die Atmosphäre,<br />

sondern wirkt sich auch negativ<br />

auf die Ozeane aus. Wissenschaftler<br />

sprechen von der „Versauerung<br />

der Meere“. Diesen Prozess wollen<br />

27 Forscherteams aus neun europäischen<br />

Ländern im Projekt EPO-<br />

CA unter die Lupe nehmen, unterstützt<br />

mit 6,5 Millionen Euro der<br />

Europäischen Union. Insgesamt<br />

hat das Forschungsvorhaben ein<br />

Volumen von 16,5 Millionen Euro<br />

und wird vom Ozeanografischen<br />

Labor im französischen Villefranche-sur-Mer<br />

koordiniert.<br />

Professor Ulf Riebesell vom<br />

Leibniz-Institut für Meereswissenschaften<br />

in Kiel ist stellvertretender<br />

Koordinator von EPOCA. Er<br />

sieht die Position Europas durch<br />

das Projekt auf dem relativ neuen<br />

Gebiet der Umweltforschung<br />

gestärkt. Die Forscher interessiert<br />

vor allem, wie sich die Kohlendioxidanreicherung<br />

der Meere<br />

auf das tierische und pflanzliche<br />

Plankton auswirkt. Sie wollen<br />

jene kritische Schwelle der Versauerung<br />

feststellen, ab der die<br />

Ökosysteme der Weltmeere be-<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Foto: Alfred-Wegener-Institut/www.awi.de<br />

droht sind. Die Ergebnisse sollen<br />

der EU zusätzliche Argumente für<br />

die Verhandlungen zum Kyoto-<br />

Nachfolgevertrag geben.<br />

China/EU<br />

Mehr Europäer lernen<br />

Chinesisch<br />

Das Verhältnis zwischen der Europäischen<br />

Union (EU) und China ist<br />

trotz des bedeutenden Handelsvolumens<br />

nie frei von Spannungen.<br />

In der Wirtschaft ist die Produktpiraterie<br />

immer wieder Thema und<br />

in den politischen Beziehungen<br />

sind es die Menschen- und Bürgerrechte.<br />

Umso wichtiger sind<br />

bilateraler Dialog und Austausch,<br />

den China und die EU durch ein<br />

Sprach-Programm weiter fördern<br />

wollen: „EU Window“ ermöglicht<br />

200 Lehrern und 400 Schulleitern<br />

Europa<br />

Das Gehäuse der<br />

Flügelschnecke Limacina<br />

löst sich im „sauren“ Meer auf<br />

aus EU-Staaten, ihre Sprach-<br />

und Landeskenntnisse in<br />

China zu verbessern. An-<br />

und Abreise müssen die<br />

Teilnehmer bezahlen, für<br />

die Kosten vor Ort kommt<br />

China auf. Das vierjährige<br />

Programm beginnt im kommenden<br />

Jahr.<br />

Der für Mehrsprachigkeit zuständige<br />

EU-Kommissar Leonard<br />

Orban und der stellvertretende<br />

chinesische Bildungsminister<br />

Zhang Xinsheng unterzeichneten<br />

das entsprechende Abkommen<br />

Anfang Juni in Brüssel.<br />

Bereits seit 2007 fördert die chinesische<br />

Regierung Studierende<br />

aus Europa und vergibt Stipendien<br />

für Sprachaufenthalte. In<br />

umgekehrter Richtung ist Peking<br />

ebenfalls am Austausch interessiert:<br />

Im Rahmen des Hochschul-<br />

Mobilitätsprogramms ERASMUS<br />

Mundus haben bisher 450 chinesische<br />

Studierende – von insgesamt<br />

rund 4 000 Geförderten – ein<br />

Stipendium in der EU erhalten, 20<br />

chinesische Universitäten sind<br />

Partner in ERASMUS Mundus-<br />

Konsortien.<br />

Katja Spross<br />

Exotische Zeichen stehen in Europa immer häufiger auf dem Stundenplan<br />

25


26<br />

arbEITEn WElTWEIT<br />

Viele Stunden<br />

in der Sauna<br />

Tragfähige Geschäftsbeziehungen<br />

in Russland<br />

Russland ist für deutsche Unternehmer ein<br />

interessantes und zugleich unbekanntes<br />

Terrain. Allein in Moskau sind etwa 3 000,<br />

in der Russischen Föderation rund 4 500<br />

deutsche Unternehmen tätig. Trotz langjähriger<br />

Wirtschaftsbeziehungen gibt es<br />

immer noch bürokratische Hindernisse<br />

und Kommunikationsprobleme zwischen<br />

Deutschen und Russen. Thomas Olson<br />

arbeitet als Anwalt und Wirtschaftsprüfer,<br />

Steffen Fiebig als Vertriebsleiter in Moskau<br />

– beide wissen, was es heißt, sich auf dem<br />

russischen Markt zu behaupten.<br />

Thomas Olson arbeitet seit fast 20 Jahren<br />

in Moskau. Der Anwalt und Wirtschaftsprüfer<br />

berät deutschsprachige Unternehmer,<br />

die in Russland investieren wollen. „Wenn<br />

Sie bereit sind, zwölf bis 14 Stunden täglich<br />

zu arbeiten und relativ wenig zu schlafen,<br />

und wenn Sie ein gutes diplomatisches Geschick<br />

haben, können Sie hier etwas werden“,<br />

umreißt er sein Tätigkeitsprofil. Der heute<br />

39-Jährige kennt das Terrain wie wenige andere:<br />

Als Bürger der Deutschen Demokratischen<br />

Republik (DDR) studierte er noch zu Zeiten der<br />

Sowjetunion internationales Recht, machte<br />

seinen Abschluss in Moskau und begann dort,<br />

eine Kanzlei aufzubauen.<br />

Trotz perfekter Russischkenntnisse und<br />

guter Kontakte schlug auch bei Thomas Olson<br />

die überbordende Bürokratie zu. „Nach<br />

14 Jahren Tätigkeit vor Ort musste ich eine<br />

russische Zulassungsprüfung ablegen, um<br />

weiterhin hier arbeiten zu können“, erinnert<br />

er sich. Er belegte Kurse und büffelte Theorie,<br />

deren praktische Auswirkungen er längst<br />

umsetzte – und nahm die Hürde. So lange wie<br />

er ist kaum ein Ausländer auf dem Markt, das<br />

schafft Vertrauen auf beiden Seiten. „Ich achte<br />

bei allen Beratungen stets auf die Interessen<br />

beider Seiten. Dokumente müssen gründlich<br />

und solide verfasst sein, damit die angebahnte<br />

Geschäftsbeziehung auch auf lange Sicht gut<br />

funktioniert.“<br />

Identität bewahrt<br />

Denn das Verhältnis zwischen den Partnern<br />

ändert sich ständig. Hat anfangs der Investor<br />

das Kapital und das Know-how, geht Letzteres<br />

im Laufe der Jahre immer stärker auf die russische<br />

Seite über. Da sind stabile Vereinbarungen<br />

gefragt. Thomas Olson begleitet Mittelständler<br />

ebenso wie Großkonzerne auf ihrem<br />

Weg in die russische Wirtschaftswelt. Dabei<br />

geht es um interkulturelles Dolmetschen,<br />

Grundstückskauf, Beratung im Baurecht oder<br />

die Kontaktanbahnung zu den Ministerien.<br />

„Viele Mandanten sind immer noch erstaunt,<br />

wenn es in Russland nicht so läuft, wie sie es<br />

aus Deutschland gewohnt sind. Da hilft nur,<br />

darauf hinzuweisen, dass wir uns auf russischem<br />

Territorium befinden und hier die<br />

russischen Gesetze und Mentalitäten gelten“,<br />

erläutert Thomas Olson das tägliche Geschäft.<br />

Trotz der manchmal nicht einfachen Prozesse<br />

Zwischen Pracht und Moderne: Moskauer Metrostation…<br />

in einem Land mit dauernd wachsendem<br />

Markt ist der Wirtschaftsprüfer mit vollem<br />

Engagement dabei. „Die Ergebnisse meiner<br />

Arbeit sind sichtbar, und es macht mich sehr<br />

stolz, wenn ich einen Flughafen oder eine Fabrik<br />

sehe, an deren Bau ich beteiligt war.“<br />

Obwohl oder gerade weil Thomas Olson<br />

schon so lange in Moskau lebt, pflegt er seine<br />

deutsche Identität ganz bewusst. Der Mecklenburger<br />

hört im Internet täglich einen privaten<br />

norddeutschen Radiosender und lebt in der<br />

deutschen Community in Moskau. „Ich brauche<br />

diese Heimatverbundenheit, um meine<br />

Mandanten überzeugend vertreten zu können.<br />

Das wissen und respektieren die russischen<br />

Partner.“ Und noch eine Qualifikation für das<br />

Bestehen auf dem russischen Markt nennt<br />

Thomas Olson: „Sie müssen politische Prozesse<br />

analysieren können und in diesem Rahmen<br />

im Interesse der Mandanten handeln.“<br />

Aneinander vorbei<br />

Auch Steffen Fiebig kennt das heutige Russland<br />

ebenso gut wie die ehemalige Sowjetunion.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: Blume Bild


<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: JA/F1 ONLINE<br />

Der Potsdamer studierte zu DDR-Zeiten fünf<br />

Jahre im heutigen Weißrussland und legte in<br />

Minsk seinen Diplom-Ingenieur im Fach Motorentechnik<br />

ab. „In der Schule hat mich Russisch<br />

nicht sonderlich interessiert. Erst später,<br />

als ich nach meiner Ausbildung zum Studium<br />

entsandt wurde, lernte ich das Land und vor<br />

allem die Menschen kennen und schätzen.“<br />

Der damals 21-Jährige war begeistert von der<br />

Herzlichkeit seiner russischen Kommilitonen<br />

und wurde zu einem Russland-Fan.<br />

Zurück in Deutschland, blieb er in Kontakt<br />

mit den russischen Freunden und bewarb sich<br />

sofort, als er eine Anzeige des Bosch-Konzerns<br />

las. Dort wurden Mitarbeiter für Projekte in<br />

der Russischen Föderation gesucht, Steffen<br />

Fiebig war mit seinen perfekten Russischkenntnissen<br />

und seiner Fachausbildung ein<br />

idealer Kandidat. „Als ich diese Annonce las,<br />

wurde der Wunsch, nach Russland zu gehen,<br />

wieder geweckt. Als Mitarbeiter der Robert<br />

Bosch GmbH in Deutschland habe ich gemerkt,<br />

wie häufig Deutsche und Russen aneinander<br />

vorbeireden.“<br />

Seit Oktober 2005 ist der 42-jährige Verkaufsleiter<br />

bei OOO Robert Bosch in Moskau, einer<br />

Tochter der deutschen Robert Bosch GmbH. Er<br />

ist dort verantwortlich für den Vertrieb und die<br />

technische Anpassung von Einspritzsystemen<br />

für Dieselmotoren, sei es für Lkw, Pkw oder<br />

Schiffe. Steffen Fiebig begann mit zwei Kollegen,<br />

heute führt er ein Team von insgesamt<br />

25 Mitarbeitern. „Mich hat die Aufbauarbeit<br />

gereizt. Es galt, Techniker und Projektmanager<br />

einzustellen, zu schulen und einzusetzen. Ab<br />

2009 wollen wir auch hier im Land fertigen.“<br />

Erfolgsfaktor Russisch<br />

Steffen Fiebig bedauert, dass die Deutschen<br />

häufig die Tendenz haben, die ausländischen<br />

Partner belehren zu wollen. Er erlebt die<br />

deutsch-russischen Mentalitätsunterschiede<br />

und nennt das Haupthindernis für geschäftliche<br />

Abschlüsse: unterschiedliche Zeithorizonte.<br />

„Ich weiß inzwischen nicht mehr, wie<br />

viele Stunden ich in der Sauna verbracht und<br />

wie viele Gläser Wodka ich getrunken habe,<br />

denn hier läuft fast alles auf der Beziehungsebene.<br />

Ein deutscher Unternehmer, der meint,<br />

nach zweistündigen Verhandlungen die Basis<br />

für ein Geschäft gelegt zu haben, wird niemals<br />

Erfolg haben.“ Das gilt auch für die jüngere<br />

Generation, die sich im Übrigen eher am Westen<br />

orientiert und ein deutlich anderes Verständnis<br />

von wirtschaftlichen Abläufen hat als<br />

die von Sowjetzeiten geprägten Jahrgänge.<br />

Die Funktion als Übersetzer zwischen beiden<br />

Kulturen bestimmt Steffen Fiebigs tägliche<br />

Arbeit. Während russische Kunden mehrere<br />

Treffen als selbstverständlich ansehen, drängt<br />

der deutsche Mutterkonzern auf schnelle<br />

Abschlüsse und effiziente Abwicklung – ein<br />

täglicher Spagat, der für den Ingenieur den<br />

Reiz seiner Arbeit ausmacht. Denn er erlebt<br />

…und das 2004<br />

eröffnete Messegelände<br />

Crocus Expo<br />

arbEITEn WElTWEIT<br />

auch, wie erfolgreich deutsche Unternehmen<br />

in Russ land sind. „Wir haben ein gutes Image<br />

und werden von den russischen Partnern sehr<br />

geschätzt – ein Marktvorteil, den es auszubauen<br />

gilt. Internationalisierte Strukturen<br />

und Mitarbeiter mit sehr guten Russischkenntnissen<br />

sind die Erfolgsfaktoren“, ist er<br />

überzeugt. Denn auch hier gilt: „Das persönliche<br />

Gespräch auf Russisch ist die Grundlage<br />

für alle weiteren Schritte.“<br />

Bis Ende 2009 bleibt Steffen Fiebig mit seiner<br />

Frau und der kleinen Tochter noch in der<br />

russischen Hauptstadt, die auch sehr anstrengend<br />

sein kann. „Der unglaubliche Verkehr<br />

macht es unmöglich, sich so zu bewegen, wie<br />

wir es gewohnt sind. Hinzu kommen die extreme<br />

Umweltbelastung und die sehr schwierigen<br />

Behördengänge“, zählt er die Nachteile<br />

auf. Ohne die spezialisierte Abteilung des Konzerns<br />

hätte er Probleme mit Aufenthaltsgenehmigung<br />

und Arbeitserlaubnis bekommen.<br />

Und dennoch: Er schließt nicht aus, erneut<br />

nach Russland zu kommen – zu viele Freunde<br />

und positive Erlebnisse binden ihn an dieses<br />

Land. Isabell Lisberg-Haag<br />

27<br />

Foto: PhotoXPress/VISUM


28 rÄTSEl<br />

In diesem Rätsel sollen neue Wörter kreiert<br />

werden – und zwar durch den Austausch der<br />

jeweils ersten Silbe. Zum Beispiel: Aus Geländer wird Engländer,<br />

aus Patrone eine Zitrone, aus Trauring ein Hering.<br />

Aus den nachstehenden elf Wörtern entstehen neue, wenn man<br />

folgende Anfangssilben richtig einsetzt:<br />

Alt, An, Er, Gar, Geld, In, Nie, Park, Rich, Som, Zun<br />

1. Ham-mer –<br />

2. Tanz-fläche –<br />

3. Haupt-stadt –<br />

4. Län-ge –<br />

5. Kes-sel –<br />

6. Volks-zählung –<br />

7. Mut-ter –<br />

8. Sar-dine –<br />

9. Fisch-fang –<br />

10. Oh-renleiden –<br />

11. Flur-stück –<br />

................mer<br />

................fläche<br />

................stadt<br />

................ge<br />

................sel<br />

................zählung<br />

................ter<br />

................dine<br />

................fang<br />

................renleiden<br />

................stück<br />

Bei richtiger Silbenkombination ergeben die elf Anfangsbuchstaben der neuen Wörter<br />

die Lösung: Es ist der Begriff für ein weltweit beliebtes Verhalten in der Freizeit.<br />

Schreiben Sie das Lösungswort an ▼<br />

Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne und zehn Trostpreise vergeben. Bei<br />

diesem Rätsel nehmen an der Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen und Lesern teil,<br />

deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige<br />

Anschrift des Absenders angeben!<br />

DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />

1. Duden – Die deutsche Rechtschreibung. Dudenverlag<br />

2. Der große Conrady: Das Buch deutscher Gedichte von den Anfängen bis zur Gegenwart.<br />

Hrsg.von Karl Otto Conrady. Artemis und Winkler Verlag 2008<br />

3. Die Blaue Blume. Traditional German Folk Songs. Von Sterndreher: CD New Earth Records<br />

4. Manfred Reitz: Erlebniswelt Naturwissenschaften. Moleküle, Zellen, Pflanzen, Menschen.<br />

Editio Cantor Verlag 2008<br />

Bitte geben Sie mit der Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />

Wer war’s? Professor Grübler fragt<br />

Aus guten Gründen spricht man vom „finsteren Mittelalter“.<br />

Es ist eine Zeit der Willkür. Universitäten gibt<br />

es noch nicht. Kaum jemand kann überhaupt lesen und<br />

schreiben.<br />

In dieser Zeit gelingt es einer Frau, eine erstaunliche Wirkung<br />

zu entfalten. Sie ist das zehnte Kind einer adligen Familie und<br />

tritt in ein Kloster ein. Umgeben von – männlichen – religiösen<br />

Autoritäten, weiß sich die lebenskluge Frau doch immer wieder<br />

neu zu behaupten. Sie bringt theologische Texte in Umlauf und<br />

wehrt Kritik dadurch ab, dass sie selbstbewusst behauptet, ihre Haltung<br />

gründe sich auf „Visionen“. Sie verfasst Schriften zu Theologie,<br />

Ethik, Musik, Natur und Krankheiten.<br />

Geschickt nutzt sie ihre Popularität: Sie bereist ihre Heimatregion<br />

und hält öffentliche Ansprachen. Mit einer gewissen Berechtigung<br />

gilt sie als Vorläuferin der Frauenbewegung, der Naturheilkunde,<br />

ja der volkstümlichen Belehrung. Jedenfalls gibt es seit 1995 einen<br />

Publizistik-Preis, der nach ihr benannt ist – übrigens wurde<br />

dieser Preis von Zahnärzten aus Rheinland-Pfalz gestiftet.<br />

Die gelehrte Frau erreicht ein für die Zeitumstände außergewöhnlich<br />

hohes Alter. Sie stirbt mit ungefähr 82 Jahren.<br />

Ganz genau lässt sich das allerdings nicht ermitteln, weil<br />

ihr Geburtsdatum nur geschätzt werden kann.<br />

1998 hat die katholische Kirche eine Reihe von<br />

Gedenkveranstaltungen zu Ehren dieser Powerfrau<br />

abgehalten. Daraufhin erlebte ihre Heimatstadt<br />

einen Pilger- und Tourismus-Boom. Die<br />

Zahl der Hotel-Übernachtungen in ihrem<br />

Geburts ort stieg um 15 Prozent.<br />

!<br />

Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />

Unter den richtigen Lösungen werden<br />

fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />

ist ausgeschlossen. Bitte wählen<br />

Sie unter den links unten genannten<br />

Preisen.<br />

Senden Sie die Lösung an ▼<br />

Redaktion <strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong><br />

Trio MedienService<br />

Dr. Leonie Loreck<br />

Chausseestraße 103<br />

10115 Berlin, Germany<br />

Fax: +49 30/28 09 61 97<br />

E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />

Einsendeschluss ist der 10. November 2008<br />

Die Lösung und die Gewinner<br />

der vorigen <strong>Letter</strong>-Rätsel<br />

finden Sie auf Seite 42<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


SpraChWErKSTaTT<br />

nicht nur ein romancier …<br />

Bindewörter – so genannte Konjunktionen – verknüpfen Wörter, Satzteile oder ganze<br />

Sätze miteinander. Es gibt einfache, wie aber, auch, oder, sowie zweigliedrige, die der<br />

Aussage etwas mehr Nachdruck verleihen: entweder – oder, nicht nur – sondern auch,<br />

sowohl – als auch, weder – noch, zwar – aber. Bitte setzen Sie im folgenden Text die<br />

richtigen Bindewörter ein.<br />

Theodor Fontane, gezeichnet<br />

von Max Liebermann 1896<br />

Er ist ohne Zweifel der bedeutendste<br />

Vertreter des poetischen Realismus<br />

in Deutschland, und _____ Wilhelm<br />

Raabe _____ Theodor Storm, die beiden<br />

anderen großen norddeutschen<br />

Erzähler dieser Epoche, werden bis<br />

heute so viel gelesen wie er: Heinrich<br />

Theodor Fontane (1819–1898).<br />

Fontane hat _____ _____ wunderbare,<br />

ausdrucksstarke Balladen und<br />

Gedichte geschrieben, wie „Die<br />

Brück’ am Tay“, „John Maynard“<br />

_____ „Herr von Ribbeck“, _____<br />

_____ Novellen und Reiseberichte,<br />

darunter das fünfbändige Werk<br />

„Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (1862–89). Berühmt geworden _____ ist<br />

er durch seine großartigen Zeit- und Gesellschaftsromane. Zu den bekanntesten zählen<br />

„Effi Briest“ und „Der Stechlin“, ____ _____ „Irrungen, Wirrungen“, „Unwiederbringlich“<br />

und „Frau Jenny Treibel“, alle erst ab 1888 entstanden. In diesen Romanen setzt sich<br />

Fontane ____ kritisch, _____ meist humorvoll-ironisch und eher im Plauderton _____ mit<br />

historischen Themen _____ _____ mit sozialen Fragen auseinander. Dabei nimmt er _____<br />

die Rolle des allwissenden Erzählers ein _____ benutzt die ausgefeilten Dialoge seiner<br />

Romanfiguren, um beispielsweise das preußische Standesdenken und starre Konventionen<br />

in Frage zu stellen.<br />

Doch das Werk Fontanes umfasst _____ politische Texte, Kriegsberichte und Theaterkritiken:<br />

Er war _____ _____ Schriftsteller, _____ _____ Journalist und Apotheker. Im brandenburgischen<br />

Neuruppin als Apothekersohn geboren, ging Fontane nach dem Besuch<br />

des Gymnasiums _____ an eine Gewerbeschule in Berlin, brach sie _____ 1836 ab.<br />

Stattdessen ergriff er den Beruf seines Vaters, bis er sich 1849 ganz für das Schreiben<br />

entschied. Schon zuvor hatte er _____ literarisch _____ _____ journalistisch gearbeitet.<br />

1950 wurde Fontane _____ _____ Pressereferent der preußischen Regierung, _____ er<br />

heiratete _____ seine Schulfreundin Emilie Rouanet-Kummer. Von 1855 bis 1859 war<br />

er als Korrespondent in London tätig, und 1860 begann er als Redakteur und Kriegsberichterstatter<br />

bei der Berliner „Kreuzzeitung“. Zehn Jahre darauf wechselte er _____<br />

noch als Theaterkritiker zur „Vossischen Zeitung“, widmete sich ____ ab 1876 nur noch<br />

der Schriftstellerei, so dass zwei Jahre später sein erster Roman, „Vor dem Sturm“, erscheinen<br />

konnte.<br />

Am 20. September vor 110 Jahren starb Theodor Fontane in Berlin, wo er _____ begraben<br />

wurde.<br />

Christine Hardt<br />

LÖSUNG: weder, noch, nicht nur, oder, sondern auch, aber, aber auch, zwar, aber, sowohl, als auch, entweder, oder, auch, nicht nur,<br />

sondern auch, zwar, aber, sowohl, als auch, nicht nur, sondern, auch, zwar, aber, auch.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: akg-images<br />

auFgESpIESST<br />

das ist der hammer!<br />

SpraChECKE<br />

Ein Hammer ist zunächst einmal ein Werkzeug<br />

zum Schlagen oder Klopfen, ein Gerät also, mit<br />

dem man nach Herzenslust hämmern kann. In<br />

jedem deutschen Haushalt liegt oder hängt mindestens<br />

einer. Wer allerdings jemandem zeigen<br />

möchte, «wo der Hammer hängt», der denkt in<br />

den seltensten Fällen an Werkzeug. Er will womöglich<br />

seinem Nachbarn gehörig die Meinung<br />

sagen, und um das auszudrücken, verwendet er<br />

diese schöne Redensart. Er könnte sogar noch<br />

weiter gehen und behaupten, der Nachbar sei<br />

«behämmert», habe also irgendwann einen<br />

Hammer auf den Kopf bekommen und sei folglich<br />

nicht ganz richtig in diesem. Was übrigens<br />

die Franzosen auch gerne sagen: «Il est complètement<br />

marteau.»<br />

Näher am Werkzeug sind wir wiederum auf einer<br />

Versteigerung, bei der irgendetwas «unter<br />

den Hammer» kommt: Hier wird das Höchstgebot<br />

durch einen Hammerschlag des Auktionärs<br />

bestätigt und verbindlich gemacht. Auch dieses<br />

«Unter-den-Hammer-Kommen» ist eine alte deutsche<br />

Redensart, die man einfach kennt, ohne sie<br />

unbedingt täglich zu gebrauchen.<br />

Ausgedient hat der Hammer aber lange noch<br />

nicht – dass etwas «ein Hammer» sei, hört man<br />

im heutigen Alltagsdeutsch sogar sehr oft. Gemeint<br />

ist: Es ist super, es ist unglaublich, es<br />

übertrifft alle Erwartungen, die positiven wie<br />

die negativen. Das Freistoßtor von Michael Ballack<br />

im Europameisterschaftsspiel Deutschland<br />

gegen Österreich war jedenfalls «ein Hammer»<br />

– und zwar, sprachlich gesehen, in doppeltem<br />

Sinne: ein scharf geschossener, hammerharter<br />

Ball, gegen den der gegnerische Torwart nichts<br />

ausrichten konnte, und ein alle Erwartungen<br />

übertreffendes, großartiges Tor.<br />

Auf die unerhörtesten Sachverhalte und sensationellsten<br />

Neuigkeiten kann man mit der Bemerkung<br />

«Hammer, oder?» reagieren – zumindest<br />

tun das viele Jugendliche. Und Sensationen<br />

gibt es heute am laufenden Band: Mein Bäcker<br />

um die Ecke wirbt seit Wochen mit unglaublich<br />

niedrigen «Hammerpreisen» für seine Brötchen<br />

und Brezeln, und das Fahrradgeschäft daneben<br />

hämmert den Passanten ein: «Der Hammer!<br />

Reparaturen sofort! Keine Wartezeiten!» Von<br />

den Preisen für diese Reparaturen ist dort nicht<br />

die Rede – hoffentlich sind sie nicht allzu hoch.<br />

Denn meine letzte Stromrechnung war, na was was<br />

denn wohl: echt echt der Hammer!<br />

29


30 daad<br />

artenschutz geht alle an<br />

Alumni engagieren sich für biologische Vielfalt<br />

Ein drängendes Thema aus zwei Perspektiven:<br />

In einer Sommerschule der Universität<br />

Göttingen bildeten sich 24 Alumni aus<br />

Schwellen- und Entwicklungsländern über<br />

Biodiversität weiter. In Bonn besuchten sie<br />

die UN-Konferenz zum gleichen Thema.<br />

Riesige Plantagen bestimmen das Bild der<br />

Karibikküste um den Hafen Puerto Limón<br />

in Costa Rica, dem zweitgrößten Bananen-<br />

Exporteur der Welt. Arbeiter schleppen sich<br />

über die Felder und riskieren täglich ihre Gesundheit<br />

angesichts von Unmengen an Pestiziden,<br />

die Flugzeuge aus der Luft versprühen.<br />

Die Chemikalien töten zwar Schädlinge<br />

und ermöglichen so einen maximalen Ertrag<br />

der populären Dessertbananen, aber sie vernichten<br />

zugleich nützliche Kleinstlebewesen.<br />

„Es gibt über 100 Bananenarten, aber die<br />

Monokulturen auf unseren Feldern haben<br />

die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft<br />

längst verdrängt“, kritisiert Luis Pocasangre<br />

vom landwirtschaftlichen Forschungs- und<br />

Studienzentrum Centro Agronómico Tropical<br />

de Investigación y Enseñanza.<br />

Luis Pocasangre hat sich gemeinsam mit 24<br />

Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen<br />

in der vom <strong>DAAD</strong> geförderten Sommerschule<br />

zum Thema „Managing Biodiversity in Developing<br />

Countries“ an der Universität Göttingen<br />

weitergebildet. Die Gäste kamen aus 13 Entwicklungs-<br />

und Schwellenländern und hatten<br />

alle einen Teil ihrer Ausbildung in Deutschland<br />

absolviert.<br />

Mit welchen Instrumenten lässt sich Biodiversität<br />

in Entwicklungsländern steuern? Welche<br />

Rolle spielt Biodiversität in den Bildungssystemen?<br />

Das waren einige der Fragen, mit denen<br />

sich die Alumni beschäftigten. Sie hörten Vorträge<br />

und diskutierten in Workshops mögliche<br />

Antworten. „Die Stimmung war entspannt, die<br />

Kommunikation unkompliziert“, sagt Marie<br />

Mbolo. Sie arbeitet im Regionalbüro der Nichtregierungsorganisation<br />

Forest Stewardship<br />

Council in yaoundé, Kamerun, und ist Hochschullehrerin<br />

an der dortigen Universität.<br />

Marie Mbolo war schon einmal in Deutschland<br />

– mit einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium. Damals<br />

hielt ihr Vater sie für verrückt: „Du möchtest<br />

doch nicht etwa bei der ehemaligen Kolonialmacht<br />

studieren?“ Die Deutschen gelten als<br />

Menschen, die die Dinge „geradeheraus“ sagen.<br />

Diese Mentalität gefiel der Stipendiatin,<br />

also ließ sie sich von den Vorbehalten ihres<br />

Vaters nicht abschrecken. In Deutschland<br />

lernte sie nicht nur moderne Methoden im<br />

Forstmanagement kennen, auch die gründliche<br />

deutsche Art, Veranstaltungen zu organisieren,<br />

nahm sie sich zum Vorbild. Künftig<br />

möchte Marie Mbolo Alumni-Workshops in ihrer<br />

Heimat anbieten. „In Kamerun leben viele<br />

Deutschland-Alumni, aber ich kenne nicht<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: digitalstock/A. Pobitzer<br />

einmal alle an meiner Fakultät“, sagt sie. Die<br />

Sommerschule sei ein Beispiel für gelungene<br />

Alumni-Arbeit.<br />

Deutsche Nationalparks als Vorbild<br />

In der Göttinger Sommerschule wechselten<br />

sich Theorie und Praxis ab: Die Gäste<br />

unternahmen Exkursionen zum Naturpark<br />

Solling-Vogler mit seinen seltenen Pflanzen<br />

wie Sonnentau oder Steifenfarn sowie in das<br />

größte zusammenhängende Laubwaldgebiet<br />

Deutschlands, den Nationalpark Hainich.<br />

yue Wang aus China war sehr angetan: „Das<br />

pädagogische Konzept im Hainich-Park ist<br />

spannend, denn es gelingt, der Öffentlichkeit<br />

die Schönheit der Natur zu vermitteln.“ Die<br />

Absolventin der Universität yale, USA, arbeitet<br />

im chinesischen Kunming in der Provinz<br />

yunnan für die Non-Profit-Organisation Nature<br />

Conservancy. „Wir möchten in Kunming<br />

zwei Nationalparks errichten – die ersten in<br />

China überhaupt“, sagt sie. Das pädagogische<br />

Konzept im Hainich-Park könne hierfür ein<br />

Vorbild sein.<br />

Rund um Artenvielfalt: <strong>DAAD</strong>-Alumni besuchen<br />

die Bonner UN-Konferenz über Biodiversität<br />

Nach dem Ausflug in die Natur ging es dorthin,<br />

wo über das Schicksal der Natur mitentschieden<br />

wird – in die Politik. Konkret: zur<br />

9. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention<br />

über die biologische Vielfalt, zu der 6 000<br />

Teilnehmer aus aller Welt nach Bonn gereist<br />

waren.<br />

Luis Pocasangre nahm an einer Diskussion<br />

über Biotreibstoffe und an einer Sitzung über<br />

den Zusammenhang von Tourismus und Biodiversität<br />

teil. Außerdem besuchte der Costa<br />

Ricaner seinen Doktorvater Richard Sikora<br />

am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften<br />

und Ressourcenschutz der Universität Bonn.<br />

Im Jahr 2000 hatte Luis Pocasangre promoviert,<br />

seither arbeiten die beiden zusammen.<br />

„Die Bonner Wissenschaftler lernen auf unseren<br />

Feldern praktische Beispiele aus dem<br />

Ressourcenschutz, etwa im Bananenanbau,<br />

kennen und wir profitieren von den besser<br />

ausgerüsteten deutschen Laboren“, sagt Luis<br />

Pocasangre. Derzeit betreut sein Bonner Kollege<br />

fünf Doktoranden aus Costa Rica, die bei<br />

ihm studiert hatten.<br />

Nicht nur alte Verbindungen wurden in<br />

Bonn aufgefrischt, die Alumni knüpften auf<br />

der UN-Konferenz auch neue Kontakte. Zum<br />

Beispiel Houman Liaghati. Der Leiter des Forschungsinstituts<br />

für Umweltwissenschaften<br />

an der National Shahid Beheshti Universität<br />

im Iran kam mit dem Träger des alternativen<br />

Nobelpreises 1997, Michael Succow, ins Gespräch.<br />

Succow fördert mit seiner Stiftung unter<br />

anderem ein Nationalparkprogramm für<br />

Fotos: <strong>DAAD</strong>/Lichtenscheidt<br />

daad<br />

Aserbaidschan. Mit ihm plant nun Houman<br />

Liaghati im kommenden Jahr ein gemeinsames<br />

Naturschutzprojekt im iranisch-turkmenischen<br />

Grenzgebiet.<br />

Das Projekt zeigt, wie sich Universitäten für<br />

Biodiversität engagieren. Welche Rolle Alumni<br />

dabei spielen können, war das Thema einer<br />

<strong>DAAD</strong>-Podiumsdiskussion am Rande der UN-<br />

Konferenz. Auf dem Podium saßen: die Kamerunerin<br />

Marie Mbolo, der Leiter der Göttinger<br />

Sommerschule, Christoph Kleinn, Martin<br />

Visbeck vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften,<br />

Balakrishna Pisupati vom United<br />

Nations Environment Programme und Edy<br />

Hartulistiyoso, Landwirtschaftlicher Attaché<br />

der indonesischen Botschaft in Brüssel. Alle<br />

Experten betonten, wie wichtig es sei, die komplexen<br />

Wechselbeziehungen zwischen Artenvielfalt<br />

und menschlicher Zivilisation einem<br />

breiten Publikum zu verdeutlichen: Eine Aufgabe,<br />

die Alumni übernehmen könnten. Edy<br />

Hartulistiyoso appellierte an die Öffentlichkeit:<br />

„Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und<br />

Öffentlichkeit müssen vereint gegen Artenverlust<br />

vorgehen. Artenschutz geht alle an – wir<br />

brauchen jetzt Gemeinschaftsgeist.“<br />

Konkrete Pläne<br />

Ob es gemeinsame Anstrengungen geben wird<br />

und Politiker Artenvielfalt zur Priorität erklären,<br />

ließ die UN-Konferenz offen. Die Alumni<br />

wollen sich deshalb nicht allein auf die Politik<br />

verlassen. Am letzten Tag ihrer Sommerschule<br />

präsentierten sie in der Bonner <strong>DAAD</strong>-<br />

Zentrale Ideen, wie sie Biodiversität in ihren<br />

Heimatländern im öffentlichen Bewusstsein<br />

verankern wollen. So planen sie, Curricula zu<br />

entwickeln, um biologische Vielfalt auf allen<br />

Ebenen der Bildungssysteme zu thematisieren.<br />

Eine andere Idee waren einfache Monitoring-Instrumente,<br />

mit deren Hilfe regionale<br />

Verwaltungen bedrohte Pflanzenarten schützen<br />

könnten. Für die Weiterentwicklung und<br />

Verwirklichung ihrer Ideen wollen die Alumni<br />

Partner und Geldgeber suchen. „Wir wollen<br />

schließlich biologische Vielfalt in der Natur,<br />

nicht in Laboren oder in einem Jurassic Park“,<br />

sagt Luis Pocasangre. Boris Hänßler<br />

31


32 daad<br />

Ein gewinn für beide länder<br />

Alumni gründen in Korea weltweit größtes Landesnetzwerk<br />

In Korea leben und arbeiten über 20 000<br />

Alumni, die in Deutschland studiert haben.<br />

Um ihr Potenzial besser nutzen zu können,<br />

gründeten sie im Mai das „Alumninetzwerk<br />

Deutschland – Korea“. Beide Länder sollen<br />

davon profitieren.<br />

Deutschland vollbrachte<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

das Wunder vom Rhein“,<br />

sagt Ki-Su Lee, Präsident der<br />

Korea University in Seoul.<br />

„Diesen wirtschaftlichen Erfolg<br />

nahm sich das koreanische Volk<br />

zum Vorbild. Die Koreaner litten<br />

nach der Befreiung von der<br />

japanischen Besatzung 1945<br />

und dem Korea-Krieg, der von<br />

1950-1953 dauerte, unter großen<br />

wirtschaftlichen Schwierigkeiten.“<br />

Die Aufbauleistung<br />

der Deutschen habe das Bild<br />

des westlichen Landes in Korea<br />

geprägt. Sie sei einer der Gründe,<br />

warum Koreaner auch heute<br />

noch gerne zum Studium nach<br />

Deutschland kommen. Die Zahlen<br />

sprechen für sich: Derzeit<br />

sind mehr als 4 000 Koreaner<br />

an deutschen Hochschulen eingeschrieben.<br />

Wiedervereinigung als Vorbild<br />

Das „Alumninetzwerk Deutschland – Korea“<br />

(ADeKo), das 45 koreanische Alumni-Verbände<br />

umfasst, handelt nach dem Motto „Verbinden<br />

– Stärken – Fördern“. Wichtigstes Ziel<br />

sind die Pflege und der Ausbau der deutschkoreanischen<br />

Beziehungen und die Förderung<br />

der Kooperationen im kulturellen, wissenschaftlichen<br />

und technischen Bereich. Ki-Su<br />

Lee, Vorstandsvorsitzender von ADeKo, ist<br />

überzeugt, dass nicht nur die Akademiker davon<br />

profitieren: „Die wissenschaftliche Grundlagenforschung<br />

ist in Deutschland sicher sehr<br />

fortschrittlich, aber auch die sozialen und politischen<br />

Aspekte interessieren uns. Die Deutschen<br />

haben sich erfolgreich wiedervereinigt.<br />

Koreaner möchten diesem Beispiel folgen.“<br />

Auch könne Deutschland viel von Korea lernen,<br />

meint Heidrun Kang, emeritierte deutsche<br />

Professorin und stellvertretende Vorstands-<br />

vorsitzende von ADeKo: „Koreaner sind stark<br />

zukunftsorientiert und generell fortschrittsgläubig,<br />

sie sind groß im Improvisieren und<br />

reagieren schnell auf neue Entwicklungen,<br />

während deutsche Strukturen oft zu rigide<br />

und die Mentalität eher als zaudernd erschei-<br />

nen.“ Die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit<br />

sei zwar etwas Positives, aber im Ganzen<br />

wäre etwas mehr Tempo vonnöten.<br />

Mehr Selbstbewusstsein<br />

Heidrun Kang hofft auch, dass das neue Netzwerk<br />

das Selbstbewusstsein der Deutschland-<br />

Alumni stärkt. Bisher habe die Bindung an<br />

die US-amerikanischen Universitäten zu einer<br />

engen Vernetzung der USA-Alumni geführt –<br />

in Korea sei das ein wichtiger Faktor auf dem<br />

Arbeitsmarkt. „Für die Deutschland-Alumni<br />

kann ADeKo jetzt eine entsprechende Lobbywirkung<br />

entfalten“, sagt Heidrun Kang.<br />

Ab 2009 werden Mitglieder und Sponsoren<br />

das „Alumninetzwerk Deutschland – Korea“<br />

tragen. Bis dahin läuft die Finanzierung über<br />

ein Alumni-Sonderprojekt des deutschen Bundesforschungsministeriums.<br />

Für die Koordi-<br />

<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max Huber:<br />

„Deutsch-koreanisches Alumninetzwerk<br />

setzt neue Maßstäbe.“<br />

Koreanische Deutschland-Alumni interessieren sich für deutsche Wissenschaft und Politik<br />

nation ist der <strong>DAAD</strong> verantwortlich. Dabei ist<br />

das koreanische Projekt ein großer Schritt in<br />

der Alumni-Arbeit. Denn durch ADeKo arbeitet<br />

der <strong>DAAD</strong> mit dem wohl größten Landesnetzwerk<br />

von Deutschland-Alumni weltweit<br />

zusammen. „Der <strong>DAAD</strong> wird in Korea besser<br />

vernetzt. Das stärkt seine Position und hilft<br />

enorm bei der Programmarbeit“, sagt Michael<br />

Paulus, Leiter des <strong>DAAD</strong>-Informationszentrums<br />

in Seoul. „Wir können stolz sein, ein<br />

bisher weltweit einzigartiges Alumni-Projekt<br />

angestoßen zu haben.“ Boris Hänßler<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Fotos: <strong>DAAD</strong>


Ihre ersten Monate in den USA verbrachte<br />

Jutta Allmendinger als Fußballtrainerin.<br />

Weil sie den Studienplatz an der University of<br />

Wisconsin in Madison nicht aufgeben wollte,<br />

die Zusage für das Stipendium aus Bonn jedoch<br />

auf sich warten ließ, hatte die couragierte<br />

26-jährige Diplom-Soziologin den Aufbruch<br />

ins ferne Studienland ganz ohne finanzielle<br />

Absicherung gewagt. Der Job, mit dem sie sich<br />

damals, im Jahr 1983, über Wasser hielt, bis<br />

das <strong>DAAD</strong>-Stipendium dann doch noch kam,<br />

lag ihr durchaus: „Ich spielte Frauenfußball<br />

und wollte ursprünglich Sportreporterin werden“,<br />

erinnert sie sich lachend.<br />

Die Episode ist typisch für die heutige Präsidentin<br />

des Wissenschaftszentrums Berlin für<br />

Sozialforschung und Professorin für Bildungssoziologie<br />

und Arbeitsmarktforschung an der<br />

Berliner Humboldt-Universität. Sie sagt von<br />

sich selbst, dass sie sich gern immer wieder<br />

auf Neues einlässt. So war das Graduiertenstudium<br />

in Madison auch nur der Beginn ihrer<br />

amerikanischen Karriere: 1984 wechselte sie<br />

nach Harvard, wo sie als Research Assistant<br />

arbeitete und 1989 promovierte.<br />

Die amerikanischen Jahre seien prägend gewesen,<br />

meint Allmendinger und erzählt von<br />

Erfahrungen, die sie in Deutschland nicht hätte<br />

machen können: Wie ihr Betreuer, Professor<br />

an der University of Madison, bei ihrer Ankunft<br />

an der Bushaltestelle stand, um sie abzuholen.<br />

Wie sie am nächsten Tag an der Universität<br />

dessen Frau begegnete und verwundert<br />

erfuhr, dass diese dort auch Professorin war<br />

– ein Beispiel für das in Deutschland bis heute<br />

selten praktizierte Dual-career-couple-Modell.<br />

Wie sie über Studierende staunte, die mit ihren<br />

Kindern in die Uni kamen.<br />

Dass sie nach Deutschland zurückkehrte,<br />

hatte nicht zuletzt mit ihrer Doktormutter in<br />

Harvard zu tun: Die ermunterte sie dazu, als<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Gestern Stipendiatin – und heute...<br />

Jutta allmendinger<br />

Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung<br />

„Entwicklungshelferin“ die Zahl der Professorinnen<br />

in Deutschland anzuheben. Nach<br />

Stationen in Frankfurt, Mannheim und Berlin<br />

habilitierte sie an der Freien Universität Berlin<br />

und wurde 1992 als Professorin für Soziologie<br />

an die Universität München berufen, wo sie<br />

1999 einen Lehrstuhl erhielt.<br />

Als 1994 ihr Sohn Philipp zur Welt kam,<br />

passte die Professorin mit Kind am Münchner<br />

Institut nicht recht ins Bild. Schnell war ihr<br />

klar, dass sie für ihr Mitarbeiterteam ein „Vorbild“<br />

sein konnte. Kurzerhand brachte sie das<br />

Kind mit in die Uni – und sorgte für ein Mutter-Kind-Zimmer.<br />

Denn Chancengerechtigkeit<br />

für Frauen ist für Allmendinger keineswegs<br />

nur Forschungsgegenstand, sondern auch<br />

praktisches Projekt.<br />

Als sie 2003 Direktorin am Institut für Arbeitsmarkt-<br />

und Berufsforschung (IAB) in<br />

Nürnberg wurde, fand sie dort keine einzige<br />

daad<br />

Frau auf leitendem Posten. Bei ihrem Abschied<br />

Ende 2006 war der Prozentsatz von<br />

Frauen in Führungspositionen von null auf 39<br />

gestiegen. „Die Rekrutierung von Frauen in<br />

solchen ‚Männertrutzburgen’ ist schwierig“,<br />

sagt Allmendinger, „aber jede einzelne Frau<br />

war ein extremer Gewinn, und niemand am<br />

IAB stellt das in Frage.“<br />

Chancengerechtigkeit – das Thema ist für sie<br />

ein Dauerbrenner. Die Forscherin, zu deren<br />

Themen Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik,<br />

Wettbewerb, Soziale Ungleichheit und Lebensverläufe<br />

gehören, prangert vor allem die<br />

schlechten Bildungschancen für Kinder aus<br />

sozial schwachen Familien an und betont den<br />

Zusammenhang zwischen „Bildungsarmut“<br />

und „Einkommensarmut“. Sozialpolitik ist für<br />

sie auch Bildungspolitik. Deshalb hat sie am<br />

IAB, das der Nürnberger Bundesanstalt für<br />

Arbeit zuarbeitet, ein Projekt zur präventiven<br />

Bildungspolitik entwickelt. Grundlage war die<br />

wissenschaftliche Berechnung, dass es für die<br />

Gesellschaft billiger ist, in frühkindliche Erziehung<br />

zu investieren, als später Arbeitslosengeld<br />

zahlen zu müssen.<br />

Die politische Umsetzung des Projekts ist<br />

ihr wichtig, doch selbst in die Politik zu gehen,<br />

reizt sie nicht. „Der Politik fehlt der lange<br />

Atem“, sagt sie. Als Wissenschaftlerin dagegen<br />

kann sie fundierte Vorschläge erarbeiten und<br />

gut begründete Kritik üben. Das interessiert<br />

sie auch an ihrer neuen Aufgabe als Präsidentin<br />

des Wissenschaftszentrums Berlin, des<br />

größten Sozialforschungsinstituts Europas.<br />

An der renommierten gemeinnützigen Einrichtung<br />

betreiben 140 Ökonomen, Soziologen,<br />

Politologen, Juristen und Historiker „problemorientierte<br />

Grundlagenforschung“. Die<br />

leitenden Wissenschaftler lehren gleichzeitig<br />

an Berliner Universitäten. Allmendinger,<br />

die bekannt ist für ihren kommunikativen<br />

Führungsstil, arbeitet seit ihrem<br />

Amtsantritt 2007 an neuen Konzepten<br />

der Zusammenarbeit, baut „Brücken<br />

zwischen den Abteilungen“. In dem<br />

imposanten Bau am Berliner Reichpietschufer<br />

gibt es neuerdings einen<br />

Raum, der neben einem Computerarbeitsplatz<br />

auch einen Wickeltisch und<br />

Spielzeug bietet.<br />

Leonie Loreck<br />

Foto: Reiner Zensen<br />

33


Foto: photocase/BeneA<br />

34 <strong>DAAD</strong><br />

Stipendiaten forschen<br />

Forstwissenschaft<br />

Tigersuche auf Sumatra<br />

Es gibt heute weltweit nur noch 500 Sumatra-<br />

Tiger. Panthera tigris sumatrae, eine Unterart<br />

des asiatischen Tigers, ist akut vom Aussterben<br />

bedroht. Wissenschaftler der Technischen<br />

Universität Dresden wollen herausfinden, wie<br />

viele Exemplare es tatsächlich noch gibt, was<br />

ihr Überleben besonders gefährdet und wie<br />

anpassungsfähig die Raubkatzen sind. Auskunft<br />

darüber gibt vor allem die genetische<br />

Struktur der Tiere. Wie lässt sich diese ermitteln,<br />

wenn auf Tausenden von Quadratkilometern<br />

gerade einmal eine Handvoll Tiere lebt?<br />

Muhammad Ali Imron hat eine Lösung gefunden:<br />

Der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat entwickelt im Rahmen<br />

seiner Doktorarbeit eine nichtinvasive<br />

Erhebungsmethode, bei der durch Haare und<br />

Exkremente der Tiger deren DNA gewonnen<br />

werden kann.<br />

Imron stammt aus Java und hat an der Gadjah<br />

Mada Universität in Yogyakarta Forstwissenschaft<br />

studiert. Die Hochschule ist heute Partner<br />

der TU Dresden in Sachen Tigerforschung.<br />

An der Dresdener Forstwissenschaftlichen<br />

Fakultät arbeitet der indonesische Wissenschaftler<br />

an einem Pilotprojekt. Seine Forschungsmethoden<br />

müssen noch auf Herz<br />

und Nieren geprüft werden, denn<br />

er muss in der eingesammelten<br />

Tiger-Losung die Raubkatzen-DNA<br />

von der Beute-DNA unterscheiden.<br />

Muhammad Ali Imron lässt sich<br />

daher Tigerkot aus europäischen<br />

Zoos schicken und vergleicht die<br />

gewonnenen genetischen Daten<br />

mit den Blutproben der dazugehörigen<br />

Tiere. Erst wenn klar ist,<br />

wie die Tiger-Gene eindeutig zugeordnet<br />

werden können, beginnt<br />

die Feldforschung. Imron hofft, im<br />

nächsten Jahr nach Sumatra reisen<br />

zu können.<br />

Nach der Promotion möchte der<br />

Wildtier-Forscher endgültig in<br />

seine indonesische Heimat zurückkehren.<br />

„Es gibt dort viel zu<br />

tun, um Natur und Wildtiere zu erhalten.“<br />

Zur Finanzierung seiner<br />

Pläne möchte der engagierte Naturwissenschaftler<br />

noch während<br />

seiner Zeit in Deutschland ein<br />

Netzwerk zur Unterstützung der<br />

Naturschutzarbeit in Indonesien<br />

aufbauen.<br />

Foto: Ana Torfs, ANATOMY<br />

Wie viele Tiger leben noch<br />

auf Sumatra?<br />

Installation<br />

Historische Texte in neuem Licht<br />

Über 1200 Seiten aus den Gerichtsprotokollen<br />

über die „Strafsache wegen Ermordung von Dr.<br />

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg“ hat die<br />

Künstlerin Ana Torfs gelesen, bevor sie sich<br />

an die Arbeit zu ihrer Installation ANATOMY<br />

machte. Als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin des Berliner<br />

Künstlerprogramms beschäftigte sie sich im<br />

Freiburger Militärarchiv eingehend mit dem<br />

Prozess, der 1919 im Kriminalgericht Berlin<br />

stattgefunden hatte. Sie arbeitete sich durch<br />

Zeugenaussagen, handschriftliche Fahndungsbefehle<br />

und grausame Fotos der Ermordeten.<br />

Ana Torfs wählte 25 Aussagen aus und<br />

ließ diese von jungen Berliner Schauspielern<br />

vor laufender Videokamera sprechen.<br />

Parallel dazu projiziert die Künstlerin auf<br />

eine große Wandfläche die Innenaufnahme<br />

des Berliner Anatomischen Theaters, eines<br />

Hörsaals der Tierärztlichen Hochschule Berlin,<br />

und verknüpft damit das Gerichtsverfahren<br />

mit einer Schausektion. „Ich beginne<br />

meine Arbeit oft mit einem Text als Ausgangspunkt.<br />

Den ‚seziere’ ich dann, so dass man ihn<br />

hinterher aus einem völlig neuen Blickwinkel<br />

sieht.“<br />

Der dargestellte Text ist in kurze Szenen eingeteilt,<br />

in der alle Details aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln erzählt werden, damit die Relativität<br />

des Erzählten deutlich wird. Im Mittelpunkt<br />

stehen die Sprache und die Frage, wie<br />

viel sie über das Land, die Beteiligten und den<br />

Kontext verrät. ANATOMY wurde 2006 erst-<br />

Das „Anatomische Theater“ in Berlin erinnert an das Sezieren als Spektakel<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


mals in der daadgalerie in Berlin gezeigt und<br />

ist aktuell im Sprengel Museum Hannover zu<br />

sehen.<br />

Schon für frühere Projekte hat Ana Torfs historische<br />

Dokumente studiert: mehr als 4 000<br />

Seiten der Konversationshefte des ertaubten<br />

Beethoven für ihren Spielfilm „Zyklus von<br />

Kleinigkeiten“ (1998) und einen Prozesstext<br />

aus dem fünfzehnten Jahrhundert über Jeanne<br />

d’Arc für die Diaprojektion „Du mentir-faux“<br />

(2000).<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Wie viel Raum bietet die Stadt?<br />

Regionalwissenschaften<br />

Leben auf Straßen und Plätzen<br />

„Die Stadt Hanoi hat mich seit meinem ersten<br />

Besuch im Jahr 2002 sehr fasziniert. Im Vergleich<br />

zu anderen südostasiatischen Hauptstädten<br />

ist sie noch relativ klein, wandelt sich<br />

aber sehr schnell“, sagt Sandra Kürten, die<br />

an der Universität Passau im Fach „Southeast<br />

Asian Studies“ promoviert und derzeit mit<br />

einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium ein Jahr in der vietnamesischen<br />

Hauptstadt verbringt.<br />

In ihrer Arbeit untersucht sie dort die verschiedenen<br />

Nutzungsarten des öffentlichen<br />

Raums. „Parks, Plätze und auch Bürgersteige<br />

sind besonders von der zunehmenden<br />

Verstädterung betroffen. Eine hohe Bevölkerungsdichte<br />

und der Mangel an Wohnraum<br />

gefährden den Fortbestand des öffentlichen<br />

Raums, der leicht in Bauland umgewandelt<br />

werden kann.“ In Hanoi herrsche auch wegen<br />

der geringen Wohnfläche von nur 4,7 Quadratmeter<br />

pro Kopf ein akuter Mangel an privatem<br />

Raum, so die Wissenschaftlerin. Aus diesem<br />

Grund haben die Bewohner Hanois Strategien<br />

entwickelt, sich zusätzlichen Platz für private<br />

Tätigkeiten im öffentlichem Raum anzueignen<br />

– etwa indem sie die Bürgersteige zum Kochen<br />

und Essen belegen.<br />

Sandra Kürten hatte zunächst an der Bonner<br />

Universität „Regionalwissenschaften Südostasien“<br />

studiert. „Als ich kurz vor dem Abitur<br />

von dem Studiengang in Bonn erfuhr, wusste<br />

ich sofort, was ich studieren wollte, vor allem<br />

wegen der Kombination aus Politik, Geschichte<br />

und Fremdsprachen.“ Zum Studium gehörte<br />

auch das Erlernen der vietnamesischen<br />

Sprache, die sie heute sehr gut spricht. „Die<br />

Sprache eröffnet einem Ausländer viele Türen<br />

in Vietnam. So werde ich sehr schnell zu vietnamesischen<br />

Familien nach Hause zum Essen<br />

oder zu Ausflügen aufs Land eingeladen.“<br />

Nach der Promotion möchte die Wissenschaftlerin<br />

gerne die in Hanoi begonnene<br />

Kooperation mit dem Institute of Vietnamese<br />

Studies and Developement Science weiter ausbauen.<br />

Foto: Sandra Kürten<br />

Foto: Anindita Sarkar<br />

Molekularbiologie<br />

Schimmelpilzgenen auf der Spur<br />

Aspergillen, auch Gießkannenschimmel genannt,<br />

ist eine facettenreiche Schimmelpilzgattung<br />

mit rund 200 Arten. Ihre Vertreter<br />

dienen als Lebensmittelveredler oder stellen<br />

Penicillin her, können aber auch Krankheiten<br />

verursachen oder zu lebensbedrohlichen Infektionen<br />

führen. Für die Wissenschaft spielt<br />

vor allem eine Art eine zentrale Rolle: Aspergillus<br />

nidulans. Mit ihr beschäftigt sich<br />

Anindita Sarkar seit zwei Jahren. Die junge<br />

indische Naturwissenschaftlerin kam 2006<br />

mit einem Promotionsstipendium des Leibniz-<br />

<strong>DAAD</strong>-Programms nach Jena.<br />

Am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung<br />

und Infektionsbiologie e.V. – Hans-Knöll-Institut<br />

– will sie mehr über die Funktion von<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Genen erfahren, die an der Synthese so genannter<br />

Sekundärmetaboliten von Aspergillus<br />

nidulans beteiligt sind. Sekundärmetabolite<br />

sind chemische Stoffe, die von Pflanzen,<br />

Bakterien und Pilzen produziert werden, für<br />

deren Wachstum und Überleben aber nicht<br />

notwendig zu sein scheinen. Die Schimmelpilze<br />

bilden dabei häufig eine ganze Palette<br />

verschiedener Stoffe. Anindita Sarkar hat sich<br />

daraus die Klasse der Polyketide ausgesucht<br />

und es auf die Pilz-Gene abgesehen, die für<br />

den Aufbau dieser Polyketide verantwortlich<br />

sind.<br />

„Für Menschen können diese Stoffe Grundlage<br />

lebensrettender Medikamente sein, wie das<br />

Antibiotikum Cephalosporin oder Lovastatin,<br />

ein Cholesterin senkender Arzneistoff. Wir<br />

wollen mit den Methoden der Molekularbiologie<br />

diejenigen Gene charakterisieren, die für<br />

die Produktion solcher<br />

Polyketide verantwortlich<br />

sind.“ Wegen ihrer<br />

außerordentlich guten<br />

Leistungen wurde die<br />

junge Inderin bereits<br />

als assoziiertes Mitglied<br />

in die International<br />

Leibniz Research School<br />

(ILRS) aufgenommen.<br />

Doris Bünnagel<br />

Gießkannenschimmel<br />

im Fokus<br />

35


36<br />

daad<br />

nachrichten und berichte<br />

Wissenschaft weltoffen<br />

Niederlande auf Platz eins<br />

Immer mehr deutsche Studierende<br />

wollen an ausländischen Universitäten<br />

studieren. Das verdeutlicht<br />

die Ausgabe 2008 von „Wissenschaft<br />

weltoffen“, die der <strong>DAAD</strong> in<br />

Zusammenarbeit mit dem Hochschul-Informations-System<br />

(HIS)<br />

seit 2001 jährlich herausgibt. Danach<br />

verbrachten 75 800 deutsche<br />

Studierende 2005 – aus dem Jahr<br />

stammen die aktuellsten Daten –<br />

einige Zeit im Ausland, 14 Prozent<br />

mehr als im Jahr zuvor.<br />

Beliebteste Studienländer für<br />

den deutschen Akademikernachwuchs<br />

waren die Niederlande,<br />

gefolgt von Großbritannien, Österreich,<br />

den Vereinigten Staaten,<br />

der Schweiz und Frankreich. Drei<br />

Viertel aller deutschen Auslandsstudenten<br />

wählen einen Aufenthalt<br />

in einem dieser sechs Länder.<br />

Besonders stark sind angehende<br />

Mediziner sowie Sprach- und Kulturwissenschaftler<br />

vertreten.<br />

Die Zahl ausländischer Studierender<br />

in Deutschland ist 2007,<br />

nach hohen Steigerungsraten in<br />

den neunziger Jahren, auf 246 000<br />

leicht gesunken. Das entspricht<br />

12,4 Prozent der Studierenden<br />

an deutschen Hochschulen. Die<br />

meisten von ihnen kommen schon<br />

seit mehreren Jahren aus China,<br />

zweit- beziehungsweise drittstärkste<br />

Gruppe bilden die Bulgaren<br />

beziehungsweise die Polen.<br />

Deutlich angestiegen ist die Zahl<br />

der deutschen Wissenschaftler,<br />

die – von Förderorganisationen<br />

unterstützt – im Ausland arbeiten.<br />

Forschten im Jahr 2004 rund<br />

4 070 Wissenschaftler in anderen<br />

Ländern, so waren es zwei Jahre<br />

später gut 5 070. Allerdings wurde<br />

das „Rekordjahr“ 2002 mit 5 469<br />

deutschen Forschern im Ausland<br />

nicht wieder erreicht. ors<br />

Weitere Informationen unter<br />

www.wissenschaft-weltoffen.de<br />

Neues Stipendienprogramm<br />

Appetit auf Indien<br />

Mit dem Indientag am Südasien-<br />

Institut der Universität Heidelberg<br />

Anfang Juni weckte der <strong>DAAD</strong><br />

die Neugier auf wissenschaftliches<br />

Arbeiten im Subkontinent.<br />

Zugleich eröffnete er das neue<br />

Stipendienprogramm: „A New<br />

Passage to India“ – in Anlehnung<br />

an den berühmten Roman<br />

von Edward Morgan Forster. „Wir<br />

brauchen mehr Nachwuchs mit<br />

Indienkompetenz“, sagt Bundesforschungsministerin<br />

Annette<br />

Schavan. Warum? Das machen<br />

Prognosen deutlich, nach denen<br />

sich der Subkontinent mit seinen<br />

1,14 Milliarden Einwohnern<br />

in wenigen Jahrzehnten zu einer<br />

der stärksten Wirtschaftsnationen<br />

entwickeln wird.<br />

„Indien ist eines der großen und<br />

spannenden Forschungsfelder der<br />

Welt“, betont <strong>DAAD</strong>-Präsident Stefan<br />

Hormuth. „Wir wollen Appetit<br />

machen auf Indien, denn die dortigen<br />

Entwicklungen werden im<br />

Westen viel zu wenig wahrgenom-<br />

Jubel in Offenburg:<br />

Internationaler Masterstudiengang<br />

zählt zu den zehn Besten<br />

Foto: HS Offenburg<br />

Beschwingt: <strong>DAAD</strong> weckt Lust auf ein Studium in Indien<br />

men.“ Daher ermuntert er junge<br />

Menschen, zum Studium, zum<br />

Forschen oder für ein Praktikum<br />

in den Vielvölkerstaat zu gehen.<br />

In das neue Indienprogramm<br />

fließen 4,3 Millionen Euro aus<br />

dem Bundesforschungsministerium.<br />

Mit diesen Mitteln finanziert<br />

der <strong>DAAD</strong> Stipendien und unterstützt<br />

den Aufbau akademischer<br />

Kompetenzzentren – beispielsweise<br />

in Madras.<br />

Ein deutsches Kompetenzzentrum<br />

ist das interdisziplinäre Südasien-<br />

Institut der Universität Heidelberg.<br />

Es gehört zu den ersten Adressen<br />

für Studierende und Wissenschaftler<br />

mit diesem regionalen<br />

Schwerpunkt. 4 500 Studierende<br />

verteilen sich auf acht Teildisziplinen<br />

– von Politik über Geschichte<br />

und Geografie bis zu Sprachen.<br />

Alexander Wenisch<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: <strong>DAAD</strong>


Jordanien<br />

Fachhochschul-Programm<br />

in Amman<br />

Anfang Juli besuchten Bundesbildungsministerin<br />

Annette Schavan<br />

und <strong>DAAD</strong>-Präsident Stefan Hormuth<br />

mit einer hochrangigen Delegation<br />

die Deutsch-Jordanische<br />

Universität (GJU) in der Hauptstadt<br />

Amman. Bei dieser Gelegenheit<br />

erhielten 15 ausgewählte Studierende<br />

Stipendien für einen einjährigen<br />

Aufenthalt in Deutschland.<br />

Nach der German University Cairo<br />

ist die GJU das zweite große Projekt<br />

des <strong>DAAD</strong>-Programms „Studienangebote<br />

deutscher Hochschulen<br />

im Ausland“.<br />

Das Einzugsgebiet der GJU reicht<br />

über die Grenzen Jordaniens hinaus<br />

in die Palästinensischen<br />

Autonomiegebiete, den Nordirak<br />

und auf die arabische Halbinsel.<br />

Ministerin Schavan bezeichnete<br />

die Universität als „zentrales Projekt<br />

für die Internationalisierung<br />

von Wissenschaft und Forschung<br />

in der Region“.<br />

Die GJU orientiert sich an praxisbezogenen<br />

deutschen Fachhochschul-Studiengängen<br />

mit<br />

Bachelor- und Master-Abschluss<br />

in sechs Fachrichtungen: Betriebswirtschaft,<br />

Informatik und Computer,<br />

angewandte Naturwissenschaften,<br />

Ingenieurwesen, Medizintechnik<br />

und Architektur nebst<br />

Innenausbau. Außerdem gehören<br />

Deutsch als Fremdsprache und<br />

Übersetzen zum Lehrprogramm.<br />

„Für die bislang rund 800 Studierenden,<br />

die aus der ganzen Region<br />

kommen, ist die industrie nahe<br />

Fachausbildung besonders attraktiv“,<br />

erläutert <strong>DAAD</strong>-Präsident<br />

Hormuth. „Wegen der Karriere<br />

reizt außerdem Deutsch als zweite<br />

Fremdsprache neben Englisch.“<br />

HH<br />

Internationale Master<br />

Die zehn Besten<br />

Der Stifterverband für die Deutsche<br />

Wissenschaft und der <strong>DAAD</strong><br />

prämierten zum zweiten Mal die<br />

zehn besten internationalen Mas-<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

terstudiengänge an deutschen<br />

Hochschulen. Eine unabhängige<br />

Jury hatte sie aus 76 Bewerbungen<br />

von 63 Hochschulen ausgewählt.<br />

Die Preisträger zeichnen sich<br />

durch ein innovatives Gesamtkonzept,<br />

ein qualitätsvolles Lehrangebot<br />

und ein hohes Maß an Internationalisierung<br />

aus.<br />

Inzwischen sind nicht mehr nur<br />

die Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften<br />

im internationalen<br />

Wettbewerb um herausragende<br />

Nachwuchsforscher erfolgreich.<br />

Die Preisträger kommen aus sehr<br />

unterschiedlichen Disziplinen wie<br />

Philosophie, Landwirtschaft oder<br />

Medizin. Der Studiengang „Medical<br />

Neurosciences“ am Institut<br />

für Experimentelle Neurologie der<br />

Berliner Charité ist ein Beispiel<br />

für Innovation und Qualität. Er<br />

deckt die gesamte Breite der Neurowissenschaften<br />

ab und schließt<br />

Krankheitsprozesse mit ein. Ein<br />

sinnvolles Modell: Die Studierenden<br />

lernen, bei den Forschungsprojekten<br />

die Bedeutung für die<br />

Patienten mitzudenken. Das Studium<br />

schließt somit eine Lücke<br />

zwischen Labor und Behandlung.<br />

Alle prämierten Studiengänge<br />

erhielten ein Preisgeld von 20 000<br />

Euro und das Qualitätslabel „TOP<br />

10 International Master’s Degree<br />

Courses Made in Germany“. boh<br />

Deutsch-Türkische Universität<br />

Lehrbetrieb startet 2009<br />

Ende Mai vereinbarten der türkische<br />

und deutsche Außenminister<br />

die Gründung der Deutsch-<br />

Türkischen Universität (DTU) in<br />

Istanbul. Der <strong>DAAD</strong> übernimmt<br />

die Koordination auf deutscher<br />

Seite. Zu Vorklärungen war <strong>DAAD</strong>-<br />

Generalsekretär Christian Bode<br />

im Juni in die Türkei gereist. „Wir<br />

planen eine Volluniversität, abgesehen<br />

von Theologie und Medizin“,<br />

erklärte der Generalsekretär.<br />

„Dabei sollen interkulturelle und<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

das Profil der Studiengänge und<br />

der Forschung prägen ebenso wie<br />

die Kooperation mit der deutschtürkischen<br />

Wirtschaft.“ Bis zu<br />

5 000 Studierende können künftig<br />

an der binationalen Universität<br />

daad 37<br />

Gemeinsame Sache: Ali Babacan, Frank-Walter Steinmeier und<br />

Annette Schavan (von links) vereinbaren Start der Deutsch-Türkischen Universität<br />

Auf einen Klick<br />

Der <strong>DAAD</strong> im Internet<br />

www.daad.de/<strong>magazin</strong><br />

Nachrichten und Berichte über<br />

das weltweite Engagement des<br />

<strong>DAAD</strong> – informativ und aktuell.<br />

www.daad.de/alumni<br />

Das <strong>DAAD</strong>-Portal für alle<br />

Alumni mit Infos zu Alumni-<br />

Vereinen, Alumni-Kalender,<br />

Alumni-VIP-Galerie und<br />

Alumni-Adressdatenbank.<br />

studieren. Als Abschlüsse werden<br />

Bachelor, Master und Promotion<br />

angeboten. Die Unterrichtssprachen<br />

sind Englisch, Deutsch und<br />

Türkisch.<br />

Ein Konsortium deutscher<br />

Hochschulen wird die Studienprogramme<br />

mitentwickeln und<br />

Dozenten an den Bosporus entsenden.<br />

Mit dabei sind die Freie<br />

Universität Berlin und die Universität<br />

Heidelberg. In der Türkei arbeitende<br />

deutsche Unternehmen<br />

werden die Ausbildung an der<br />

neuen Universität fördern und<br />

Praktikumsplätze anbieten. Der<br />

Lehrbetrieb soll im Herbst 2009<br />

starten. Bis dahin muss noch ein<br />

Gründungsgesetz vom türkischen<br />

Parlament verabschiedet werden.<br />

HH<br />

Israel<br />

Neues Zentrum für<br />

Deutschlandstudien<br />

Bundesaußenminister Frank-Walter<br />

Steinmeier hat Anfang Juni<br />

im Rahmen seines dreitägigen<br />

Israelbesuchs das neue Deutschlandzentrum<br />

der Universität Haifa<br />

eröffnet. Es ist bereits die zweite<br />

Einrichtung dieser Art in Israel.<br />

Der <strong>DAAD</strong> fördert das Zentrum<br />

für fünf Jahre mit jährlich 200 000<br />

Euro.<br />

Foto: Steffen Kugler


38<br />

daad<br />

Die Universität bringt noch einmal<br />

dieselbe Summe auf. Die<br />

Einrichtung unter der Leitung<br />

des Wirtschaftswissenschaftlers<br />

Professor Benjamin Bental hat<br />

sich zum Ziel gesetzt, eine Brücke<br />

zwischen den traditionell<br />

getrennten Geistes- und den Sozial-,<br />

Rechts- und Wirtschaftswissenschaften<br />

zu schlagen. Einer<br />

der Forschungsschwerpunkte<br />

widmet sich dem Thema Integration<br />

von Minderheiten und<br />

Zuwanderern. In naher Zukunft<br />

soll sich das Zentrum zu einer<br />

selbstständigen Einrichtung für<br />

Deutschlandstudien entwickeln.<br />

Es ist Teil eines Netzwerkes von<br />

deutschlandkundlichen Zentren,<br />

die der <strong>DAAD</strong> weltweit an renommierten<br />

Hochschulen fördert. cho<br />

Japan-Lesebuch<br />

Großes Staunen<br />

Der Video-Künstler Jan Verbeek<br />

fand in Japan zwischen „Schrillheit<br />

und Ruhe” neue Inspiration:<br />

„Die Gegensätze, um die meine<br />

künstlerische Arbeit seit langem<br />

kreist, sind dort in extremer Weise<br />

und ganz selbstverständlich<br />

und gleichwertig vorhanden.”<br />

Seit 1993 sind 6 134 deutsche<br />

Wissenschaftler und Künstler mit<br />

<strong>DAAD</strong>-Hilfe nach Japan gegangen.<br />

25 von ihnen, darunter auch die<br />

ehemaligen Leiter der <strong>DAAD</strong>-Außenstelle<br />

in Tokio, haben nun ihre<br />

Erfahrungen aufgeschrieben, die<br />

zum 30-jährigen Jubiläum der Außenstelle<br />

in Buchform veröffentlicht<br />

wurden: „Wege nach Japan.<br />

<strong>DAAD</strong>-Alumni erinnern sich. Ein<br />

Lesebuch”. Die Siemens-Managerin<br />

Karin-Funke Rapp beispielsweise<br />

zeigte sich beeindruckt von<br />

der Verbindung aus Hightech und<br />

Tradition, der Soziologe Helmut<br />

Gross erlebte die Freundlichkeit<br />

und Hilfsbereitschaft der Gastgeber,<br />

machte aber auch Fremdheitserfahrungen,<br />

und die Chemikerin<br />

Brigitte Lindemann fühlte<br />

sich manches Mal wie ein Mensch<br />

von einem anderen Stern: „Große<br />

Frauen mit langen blonden Haaren<br />

sind dort eben recht selten.”<br />

Die historischen, analytischen,<br />

aber auch sehr persönlichen Berichte<br />

– alle durch private Fotos<br />

illustriert – berichten von individuellen<br />

Erfahrungen, beruflichen<br />

Karrieren, Faszination und Problemen,<br />

immer aber vom großen<br />

Staunen, das auch den Architekten<br />

Wolfgang Hesselberger<br />

einst erfasste: „Das war genau das<br />

gesuchte Land am anderen Ende<br />

der Welt, stolze Industrienation<br />

und trotzdem sehr geheimnisvoll.”<br />

ors<br />

Foto: Thomas Feltes<br />

Foto: Jan Verbeek<br />

Alltag in Japan:<br />

<strong>DAAD</strong>-Lesebuch<br />

zeigt die vielen<br />

Gesichter<br />

Südafrika-Deutschland<br />

Polizei im globalen Dialog<br />

Die Universitäten Bochum und<br />

Kapstadt bauen ein Netzwerk für<br />

Postgraduierte und Doktoranden<br />

in der internationalen Polizeiwissenschaft<br />

auf. Der <strong>DAAD</strong> unterstützt<br />

das Projekt mit zunächst<br />

40 000 Euro aus seiner „PhD-Net-<br />

Förderung“. Damit finanzieren<br />

die Kooperationspartner zwei<br />

Sommerakademien in den Jahren<br />

2009 und 2010.<br />

Die internationale Polizeiwissenschaft<br />

analysiert unterschiedliche<br />

Ansätze, innere Sicherheit durch<br />

staatliche und private Polizei<br />

herzustellen. Für deutsche Absolventen<br />

gab es bislang allerdings<br />

wenig Möglichkeiten, sich international<br />

auszutauschen. In Deutschland<br />

befindet sich diese Disziplin<br />

noch im Aufbau. Das Netzwerk<br />

soll den globalen Dialog fördern.<br />

Südafrika sei für das Netzwerk<br />

zudem ein spannender Partner,<br />

weil dort in den letzten Jahren<br />

eine neue demokratische Polizei<br />

entstanden sei, sagt Professor Thomas<br />

Feltes, Inhaber des Bochumer<br />

Lehrstuhls. „Wir können von den<br />

Erfolgen und Misserfolgen lernen,<br />

wenn es darum geht, Polizeien zu<br />

reformieren oder in Ländern im<br />

Umbruch neu aufzubauen.“<br />

Langfristig streben die beiden<br />

Universitäten eine Zusammenar-<br />

Verbrechen effektiv bekämpfen:<br />

Bochum und Kapstadt knüpfen Netzwerk<br />

beit mit der Europäischen Polizeiakademie<br />

CEPOL an, die derzeit<br />

polizeiwissenschaftliche Lehr-<br />

und Forschungsangebote auf europäischer<br />

Ebene entwickelt. boh<br />

Südostasien<br />

Fortbildung für Dekane<br />

„Dekane übernehmen immer<br />

mehr Verantwortung und werden<br />

mit neuen Aufgaben konfrontiert,<br />

für die sie sich meist nicht systematisch<br />

qualifizieren konnten“,<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08


<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: FH Köln<br />

sagt Christoph Hansert, Referatsleiter<br />

beim <strong>DAAD</strong>. Seit zwei Jahren<br />

können sich Hochschulmanager<br />

im „International Deans’ Course“<br />

weiterbilden, den der <strong>DAAD</strong> und<br />

die Fachhochschule Osnabrück in<br />

Kooperation mit der Hochschulrektorenkonferenz,<br />

dem CHE Consult<br />

und der Alexander von Humboldt-<br />

Stiftung anbieten. Die Fortbildung<br />

im Rahmen des DIES-Programms<br />

richtet sich im jährlichen Wechsel<br />

an Hochschulmanager aus Afrika<br />

und Südostasien. In diesem Jahr<br />

kommen sie aus Indonesien, Laos,<br />

Malaysia, den Philippinen, Thailand<br />

und Vietnam.<br />

Der Kurs besteht aus drei Teilen,<br />

die innerhalb eines Jahres stattfinden.<br />

Der Auftakt in Deutschland<br />

bot einen Überblick über den<br />

aktuellen Stand des Fakultäts-<br />

und Hochschulmanagements.<br />

Die Lehrmodule zu den Themen<br />

Hochschulsysteme, Governance,<br />

strategisches Management, Finanz-<br />

und Qualitätsmanagement<br />

wurden gemeinsam mit Experten<br />

aus Südostasien entwickelt.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt lag<br />

auf Soft Skills wie Konflikt- oder<br />

Meetingmanagement. „Ich habe<br />

viele neue Ideen aus den Soft-<br />

Skills-Workshops in Deutschland<br />

mitgenommen, die ich in meinen<br />

eigenen Programmen einsetzen<br />

werde“, sagte Illah Saileh aus Indonesien.<br />

Sie organisiert an ihrer<br />

Hochschule in Bogor die Weiterbildung<br />

der Dozenten.<br />

Zum zweiten Kursteil im Herbst<br />

treffen sich die Dekane zu regionalen<br />

Workshops in Indonesien,<br />

Vietnam und auf den Philippinen.<br />

Abschließend kommen alle<br />

Teilnehmer und Organisatoren in<br />

Indonesien zusammen und haben<br />

die Gelegenheit, Fachleute aus<br />

anderen asiatischen Ländern kennenzulernen<br />

und ein Netzwerk<br />

zu bilden – für Ahmad Faizal aus<br />

Malaysia ein wesentlicher Erfolgsfaktor<br />

des „International Deans’<br />

Course“: „Ich kann von jedem<br />

Teilnehmer hier etwas lernen,<br />

aber vor allem interessiert mich<br />

der Netzwerkgedanke.“ kj<br />

Alumni-Expertenseminar<br />

Grenzüberschreitende<br />

Gewässer<br />

Wie kann Nachhaltigkeit in Wassereinzugsgebieten<br />

erreicht werden?<br />

Vor welchen geopolitischen<br />

Herausforderungen stehen wir?<br />

Über diese Fragen diskutierten<br />

Wissenschaftler aus Entwicklungsländern<br />

und von spanischen<br />

Universitäten, darunter zahl-<br />

reiche ehemalige <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

und Mitglieder des German<br />

Alumni Water Network (GAWN),<br />

bei dem Alumni-Expertenseminar<br />

„Transboundary Waters: Sharing<br />

Information and Benefits“ im<br />

Juli in Saragossa. Der <strong>DAAD</strong> und<br />

das Institut für Technologie und<br />

Ressourcenmanagement in den<br />

Tropen und Subtropen der Fachhochschule<br />

Köln hatten die Veranstaltung<br />

organisiert, um einen<br />

Erfahrungsaustausch über grenzüberschreitende<br />

Wassersysteme<br />

und Flüsse wie Donau, Jordan<br />

oder Nil zu ermöglichen.<br />

Edson Wendland von der Universität<br />

São Paulo berichtete zum<br />

Beispiel von Projekten zur Nachhaltigkeit<br />

des Acuifero Guaraní,<br />

eines der größten unterirdischen<br />

Wasserspeicher der Welt. Er verläuft<br />

unter dem Siedlungsgebiet<br />

des indianischen Guaraní-Volkes<br />

und verteilt sich auf Brasilien,<br />

Argentinien, Paraguay und Uruguay.<br />

Der Acuifero ist eine wichtige<br />

Trinkwasserressource und seine<br />

Ausbeutung Ursache vieler politischer<br />

Konflikte in der Region.<br />

Das Expertenseminar fand im<br />

Rahmen der EXPO 2008 statt, die<br />

Weltthema Wasser:<br />

<strong>DAAD</strong>-Alumni auf der<br />

EXPO 2008 in Saragossa<br />

daad 39<br />

unter dem Motto „Wasser und<br />

nachhaltige Entwicklung“ stand.<br />

Damit präsentierte sich der <strong>DAAD</strong><br />

zum ersten Mal auf einer Weltausstellung<br />

außerhalb Deutschlands<br />

und schuf einen Raum für die entwicklungspolitische<br />

Diskussion<br />

zum Thema „Wasser“. boh<br />

<strong>DAAD</strong>-Außenstelle Japan<br />

Protagonisten einer<br />

Erfolgsgeschichte<br />

Bei der Feier zum 30-jährigen<br />

Bestehen der <strong>DAAD</strong>-Außenstelle<br />

in Tokio berichteten die ehemaligen<br />

Leiter Ulrich Lins, Georg<br />

Neumann, Dierk Stuckenschmidt<br />

sowie die derzeitige Leiterin, Irene<br />

Jansen, von ihren Erlebnissen<br />

und Erfahrungen in Japan. <strong>DAAD</strong>-<br />

Generalsekretär Christian Bode<br />

moderierte die Podiumsdiskussion.<br />

Rund 300 Alumni sowie Gäste<br />

aus Wissenschaft, Wirtschaft und<br />

Politik waren Ende Mai zum Jubiläums-Symposium,<br />

das die Außenstelle<br />

und der Freundeskreis<br />

der Ehemaligen „Tomo no kai“<br />

organisiert hatten, nach Tokio gekommen.<br />

Ehrengast war der Physik-Nobelpreisträger<br />

2007, Peter<br />

Grünberg. Neben dem Rückblick<br />

standen vor allem der mögliche<br />

Ausbau der deutsch-japanischen<br />

Wissenschaftskooperation im<br />

Mittelpunkt. Der <strong>DAAD</strong> plant, den<br />

Austausch zu intensivieren und<br />

strategische Allianzen zu schließen.<br />

cho<br />

30 Jahre Japanerfahrung:<br />

Außenstellenleiter mehrerer<br />

Generationen und<br />

<strong>DAAD</strong>-Generalsekretär<br />

Christian Bode (2. von rechts)<br />

in Tokio Foto: <strong>DAAD</strong>


40<br />

daad<br />

Alumnitreffen<br />

Riga und Almaty<br />

Rund 100 Gäste, darunter zahlreiche<br />

<strong>DAAD</strong>-Alumni, besuchten<br />

im Mai dieses Jahres den Deutschen<br />

Hochschultag im lettischen<br />

Riga. Sie diskutierten über den<br />

Hochschulstandort Deutschland,<br />

die deutsch-lettische Wissenschaftskooperation<br />

und darüber,<br />

wie sich Hochschulen europaweit<br />

profilieren können. Der deutsche<br />

Botschafter Eberhard Schuppius<br />

und <strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian<br />

Bode überreichten 36 neuen<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiatinnen und -Stipendiaten<br />

die Stipendienurkunden.<br />

„In Lettland haben feierliche<br />

Verleihungen Tradition. Daran<br />

wollen wir anknüpfen“, erklärt<br />

Katharina Ertle vom <strong>DAAD</strong>-Informationszentrum<br />

in Riga.<br />

Bei einem Alumnitreffen im<br />

April in Almaty, Kasachstan, begrüßten<br />

Christian Bode und der<br />

deutsche Botschafter in Kasachstan,<br />

Rainer Schlageter, rund 100<br />

Stipendiatinnen und Stipendiaten<br />

des <strong>DAAD</strong> und der Präsidialstiftung<br />

„Bolashak“. Neben der<br />

fachlichen Diskussion und dem<br />

Erfahrungsaustausch der <strong>DAAD</strong>-<br />

Alumni standen vor allem neue<br />

Kontakte im Mittelpunkt des Treffens.<br />

Dazu besuchten auch Vertreter<br />

der deutschen Wirtschaft die<br />

Veranstaltung. cho<br />

Fachtreffen/Stipendiaten<br />

Einen Tag lang Mathematik<br />

So viele Mathematikdoktoranden<br />

habe er noch nie in einem Raum<br />

versammelt gesehen, sagte der<br />

Rektor der Bonner Universität,<br />

Professor Matthias Winiger in<br />

seiner Begrüßung vor rund 100<br />

ausländischen und deutschen<br />

Studierenden und Doktoranden<br />

der Mathematik. Die Stipendiaten<br />

von 23 deutschen Hochschulen,<br />

darunter 20 <strong>DAAD</strong>-Geförderte,<br />

waren der Einladung von <strong>DAAD</strong>,<br />

Universität Bonn und Hausdorff<br />

Center for Mathematics nach<br />

Bonn gefolgt. Das Fachtreffen sei<br />

an das „Jahr der Mathematik“<br />

gekoppelt und eine gute Gelegenheit,<br />

Netzwerke zu knüpfen, so<br />

<strong>DAAD</strong>-Vorstandsmitglied Professorin<br />

Sabine Kunst. In Workshops<br />

und Diskussionen setzten sich die<br />

jungen Mathematiker einen Tag<br />

lang mit Algebra, Geometrie, Analysis<br />

und Stochastik auseinander<br />

und diskutierten die besonderen<br />

Bedingungen der Internationalität<br />

ihrer Disziplin.<br />

Aber es drehte sich nicht alles<br />

um Mathematik: Neben dem fachlichen<br />

Austausch konnten sich<br />

die Teilnehmer beim Besuch der<br />

Bonner Wissenschaftsnacht und<br />

während einer Bootsfahrt auf dem<br />

Rhein besser kennenlernen. db<br />

Foto: Rafael Wiedenmeier<br />

Kasachstan: Farbenpracht<br />

und Eleganz auf dem<br />

Alumnitreffen<br />

Termine<br />

26./27. September 2008<br />

Deutsch-Ungarische<br />

Hochschultage in Budapest<br />

Deutsche Hochschulen und<br />

deutschsprachige Studiengänge<br />

in Ungarn stellen sich an der TU<br />

Budapest vor. Ungarische Studierende,<br />

Graduierte und Wissenschaftler<br />

können sich über Studien-<br />

und Forschungsmöglichkeiten<br />

in Deutschland und gemeinsame<br />

Kooperationsprogramme informieren.<br />

Außerdem soll über die<br />

künftige deutsch-ungarische Zusammenarbeit<br />

diskutiert werden.<br />

www.daad.de/hochschulen/<br />

fortbildung-beratung-und-veranstaltungen/08194.de.html<br />

27./28. Oktober 2008<br />

Deutsch-italienische<br />

Hochschultage in Bonn<br />

Abiturienten, Studierende und<br />

Wissenschaftler können sich bei<br />

der Veranstaltung umfassend über<br />

Studien-, Forschungs- und Kooperationsmöglichkeiten<br />

in Italien<br />

informieren. Vertreter aus Hochschulen<br />

und Wissenschaft erhalten<br />

zudem die Gelegenheit, sich<br />

über aktuelle Entwicklungen im<br />

jeweiligen Land auszutauschen.<br />

www.ait-dih.org<br />

21./22. November 2008<br />

“Go out! – Come to Africa”<br />

in Köln<br />

Mit Vorträgen, Diskussionen, Projekt-<br />

und Posterpräsentationen,<br />

Informationsständen, kulturellen<br />

und künstlerischen Darbietungen<br />

sowie kulinarischen Appetithäppchen<br />

gibt die Veranstaltung einen<br />

Einblick in die Studien- und Forschungsmöglichkeiten<br />

in Afrika.<br />

Anmeldung und Infos:<br />

afrikatag@daad.de<br />

Köpfe<br />

Als der amerikanische PräsidentschaftskandidatBarack<br />

Obama im Juli nach Berlin<br />

kam, war dies für ihn sein erster<br />

Deutschlandbesuch. Seine Halbschwester<br />

Auma Obama hat ihm<br />

da einiges voraus: Die 48-jährige<br />

Kenianerin hat 16 Jahre in<br />

Deutschland gelebt, studiert und<br />

gearbeitet. Bereits mit 17 lernte sie<br />

die deutsche Sprache im Goethe-<br />

Institut in Nairobi, kam 1980 als<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin nach Heidelberg,<br />

wo sie das Deutsch-Studium<br />

mit dem Master abschloss, und<br />

promovierte 1996 in Bayreuth,<br />

auch dabei vom <strong>DAAD</strong> gefördert.<br />

Die Auffassung von Arbeit in der<br />

deutschen und kenianischen Literatur<br />

und Kultur war das Thema<br />

ihrer Dissertation. Den deutschen<br />

Arbeitsalltag lernte sie bereits als<br />

Studentin beim Jobben kennen:<br />

Neben dem Studium arbeitete sie<br />

als Dolmetscherin auf Messen,<br />

hielt politische Seminare in der<br />

SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

und nahm an Polit-Talks im<br />

deutschen Fernsehen teil, wo sie<br />

sich unter anderem zur Ausländerfeindlichkeit<br />

in Deutschland<br />

äußerte.<br />

Die Mutter einer elfjährigen<br />

Tochter lebt heute wieder in Kenia<br />

und arbeitet als Ostafrika-Koordinatorin<br />

der Hilfsorganisation Care.<br />

Ihren eineinhalb Jahre jüngeren<br />

Halbbruder Barack traf sie vor 25<br />

Jahren, kurz nach dem Tod des<br />

gemeinsamen Vaters, zum ersten<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: AP Photo/M. Spencer Green


Foto: privat<br />

Mal. Seitdem sind die beiden eng<br />

miteinander verbunden. So trat<br />

Auma auch im Nominierungswahlkampf<br />

der Demokraten für Barack<br />

Obama auf. Dass sie damit einen<br />

heimlichen Wunsch ihres deutschen<br />

Doktorvaters Alois Wierlacher<br />

erfüllte, ist einem Bericht des<br />

Magazins „stern“ zu entnehmen:<br />

Demnach hat der Emeritus seine<br />

frühere Schülerin nicht nur als<br />

seine „beste afrikanische Studentin“<br />

in Erinnerung, sondern hätte<br />

sie auch „schon immer gern in der<br />

Politik gesehen“. Llo<br />

Gevork Babamalek Gharehpetian,<br />

ehemaliger <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendiat aus Iran und heute<br />

Professor der Elektrotechnik an<br />

der Amirkabir University of Technology<br />

(AUT) in Teheran, ist zum<br />

„Distinguished Professor all over<br />

in Iran“ ernannt worden. Jedes<br />

Jahr wählt das iranische Wissenschaftsministerium<br />

aus allen<br />

Fachrichtungen 20 Professoren<br />

für diesen Titel aus. Kriterien<br />

für die Wahl sind herausragende<br />

Leistungen in der Forschung, der<br />

Lehre und Engagement als Führungskraft<br />

der Universität.<br />

Gharehpetian kam 1993, nach<br />

dem Abschluss seines Masterstudiums<br />

in Teheran, mit einem<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendium zur Promotion<br />

für drei Jahre an die Technische<br />

Hochschule Aachen, wo er über<br />

die Wicklungen von Leistungstransformatoren<br />

forschte. Nach<br />

Stationen an der AUT und dem<br />

Forschungsinstitut des Energieministeriums<br />

leitet er seit 2001<br />

die Energietechnikgruppe an der<br />

Fakultät für Elektrotechnik der<br />

AUT und wurde erst kürzlich<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Foto: privat<br />

zum Professor ernannt. Der heute<br />

46-Jährige kehrte mehrfach<br />

mit Forschungsstipendien nach<br />

Deutschland zurück. Eines seiner<br />

aktuellen Forschungsgebiete: die<br />

Online- Überwachung von Transformatorwicklungen.<br />

kj<br />

Beziehungen spielen eine<br />

große Rolle im Verhältnis<br />

von Christian Hawkey zu Berlin.<br />

Die Einladung zu einer Hochzeit<br />

führte den bekannten New yorker<br />

Dichter vor drei Jahren nach<br />

Budapest – und von dort zum ersten<br />

Mal in die deutsche Haupt-<br />

stadt. Als er sich ein Jahr später<br />

bei einem Poesiefestival in die<br />

Berliner Dichterin Uljana Wolf<br />

verliebte, war es nur eine Frage<br />

der Zeit, dass Berlin zu seinem<br />

zweiten Lebensmittelpunkt wurde.<br />

Christian und Uljana feierten<br />

Hochzeit – und übersetzten gegenseitig<br />

ihre Werke in die jeweils<br />

eigene Sprache.<br />

So entstand die erste Sammlung<br />

von Hawkeys Gedichten<br />

in deutscher Sprache mit<br />

Hilfe seiner Frau („Reisen in<br />

Ziegengeschwindigkeit“,deutschenglisch,<br />

KOOKbooks Verlag<br />

Berlin 2008). Das Buchprojekt<br />

vollendete Hawkey in diesem<br />

Frühjahr während seines Berlin-<br />

Aufenthalts als Gast des Berliner<br />

Künstlerprogramms des <strong>DAAD</strong>.<br />

Der Dichter ist Professor für Literatur<br />

und Creative Writing am<br />

Pratt-Institut in Brooklyn, New<br />

york, und Herausgeber der amerikanischen<br />

Literaturzeitschrift „Jubilat“.<br />

Für seine Lyrik – assoziativ<br />

und voller Sprachwitz – erhielt er<br />

bereits bedeutende Preise. Llo<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Neuer Präsident der Europa-<br />

Universität Viadrina in<br />

Frankfurt (Oder) ist ab Oktober<br />

2008 der 67-jährige Jurist Gunter<br />

Pleuger. Der frühere Spitzendiplomat,<br />

der 1967 mit einem <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendium an der Ecole Nationale<br />

d’Administration in Paris studierte,<br />

war zuletzt von 2002 bis 2006<br />

als Deutscher Botschafter bei den<br />

Vereinten Nationen in New york<br />

tätig. Dort machte er sich unter<br />

anderem um die deutsch-amerikanische<br />

Freundschaft verdient, die<br />

während des Irakkrieges unter<br />

starken Druck geraten war.<br />

Seine internationalen Beziehungen<br />

und langjährigen Auslandserfahrungen<br />

könnten der<br />

kleinen Hochschule mit rund<br />

5 000 Studierenden aus 73 Ländern<br />

neue Impulse geben und<br />

manchen prominenten internationalen<br />

Gast an die deutsch-polnische<br />

Grenze locken. Pleuger betonte<br />

nach seiner Wahl vor allem<br />

die „Brückenfunktion“ der Hochschule<br />

zwischen den alten und<br />

neuen Ländern der Europäischen<br />

Union. Als Hochschulpräsident<br />

ist er Nachfolger der aus Altersgründen<br />

ausgeschiedenen Gesine<br />

Schwan, die 2009 als Kandidatin<br />

der SPD für das Amt des Bundespräsidenten<br />

antritt. kj<br />

Die Deutschen sind sparsamer<br />

als die Italiener – und das,<br />

obwohl die Südländer um einiges<br />

ärmer sind. Wenn Elena Carletti<br />

das sagt, muss es stimmen, denn<br />

sie gehört zu den wenigen Wirtschaftsexperten<br />

aus Italien, die<br />

auch Deutschlandkenner sind.<br />

Im Juli erhielt sie als erste Wirtschaftswissenschaftlerin<br />

den<br />

Ladislao Mittner-Preis. Der Preis<br />

wird alljährlich vom <strong>DAAD</strong> an<br />

Italiener vergeben, die den kul-<br />

daad 41<br />

turellen und wissenschaftlichen<br />

Dialog zwischen beiden Ländern<br />

pflegen.<br />

Als die Spezialistin für das Bankenwesen<br />

vor acht Jahren aus<br />

privaten Gründen in die deutsche<br />

Bankenmetropole Frankfurt<br />

am Main kam, brachte sie einen<br />

Doktorhut aus Bologna und einen<br />

weiteren aus London, aber nur geringe<br />

deutsche Sprachkenntnisse<br />

mit. Nach einem halben Jahr unterrichtete<br />

sie an der Universität<br />

Mannheim bereits in deutscher<br />

Sprache. Seit 2004 lehrt sie an der<br />

Universität Frankfurt und forscht<br />

am dortigen Center for Financial<br />

Studies über Wettbewerb und Regulierung<br />

der Banken, Bankfusionen<br />

und Corporate Governance.<br />

Im Herbst folgt die 38-jährige<br />

Professorin und Mutter eines<br />

vierjährigen Sohnes dem Ruf ans<br />

Europäische Hochschulinstitut<br />

in Florenz – mit der Option, bald<br />

nach Deutschland zurückzukehren:<br />

Der Mittner-Preis umfasst<br />

neben 5 000 Euro auch ein vierwöchiges<br />

Forschungsstipendium<br />

für Deutschland. Llo<br />

Foto: privat


42<br />

daad<br />

bücher von unseren lesern<br />

Ungarische Feuilletons<br />

Berühmt wurde der ungarische<br />

Journalist, Essayist und Arzt Max<br />

Nordau (1849-1923) durch sein<br />

kulturkritisches Buch „ Die conventionellen<br />

Lügen der Menschheit“<br />

(1883). Ein Jahrzehnt später<br />

prägte sein Hauptwerk „Entartung“<br />

die Geistes- und Begriffsgeschichte<br />

des Fin de Siècle.<br />

Der in Pest geborene Sohn einer<br />

orthodoxen jüdischen Familie errang<br />

literarischen Ruhm erst nach<br />

seiner Übersiedlung nach Paris.<br />

Die ersten 30 Jahre seiner journalistischen<br />

Tätigkeit in Pest wurden<br />

von der Nordau-Forschung bisher<br />

vernachlässigt.<br />

Mehr als 300 Feuilletons aus dieser<br />

Zeit hat die ungarische ehemalige<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin Hedvig<br />

Ujvári jetzt erstmals im Original<br />

erfasst und in einen historischen<br />

und literaturhistorischen Kontext<br />

gestellt. Unter den im „Pester<br />

Lloyd“ und im „Neuen Pester Journal“<br />

erschienenen Artikeln fand<br />

sie zahlreiche über die Wiener<br />

Weltausstellung von 1873. Die<br />

Germanistin mit Schwerpunkt<br />

Presse- und Mediengeschichte<br />

studierte und forschte in Ungarn,<br />

Deutschland und Österreich und<br />

unterrichtet zurzeit an mehreren<br />

ungarischen Hochschulen.<br />

Hedvig Ujvári: Dekadenzkritik<br />

aus der „Provinzstadt“. Max Nordaus<br />

Pester Publizistik. Argumentum<br />

Verlag, Budapest 2007<br />

Frankophone Dramen<br />

Die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert<br />

bedeutete auch eine Zäsur<br />

für die Erinnerungskultur:<br />

Die Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges<br />

sterben langsam aus – die<br />

nächste Generation sucht ihren<br />

eigenen, medial vermittelten und<br />

kulturellen Zugang zur Erinnerung.<br />

In ihrer Dissertation stellt<br />

die Literaturwissenschaftlerin<br />

Harold Pinter<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

und <strong>DAAD</strong>-Alumna Christine Felbeck<br />

ein Kompendium zeitgenössischer<br />

frankophoner Dramatiker<br />

zusammen, deren Stücke das Erinnern<br />

an den Weltkrieg behandeln.<br />

Ausführliche Präsentationen der<br />

Autoren und ihrer Gesamtwerke<br />

sowie ein dokumentarischer Anhang<br />

aus Briefen und Interviews<br />

runden das Buch ab.<br />

Christine Felbeck: Erinnerungsspiele.<br />

Memoriale Vermittlung<br />

des Zweiten Weltkrieges im französischsprachigenGegenwartsdrama.<br />

Narr Francke Attempto<br />

Verlag, 2008<br />

Britischer Nobelpreisträger<br />

Auf der deutschen Bühne war Harold<br />

Pinter in den 60er und 70er<br />

Jahren vor allem mit Stücken wie<br />

„Der Hausmeister“ oder „Die Geburtstagsfeier“<br />

präsent. Später<br />

sorgte er durch seine verbalen Attacken<br />

gegen die amerikanische<br />

und die britische Regierung für<br />

Kontroversen. 2005 erhielt er den<br />

Literatur-Nobelpreis. Peter Münder,<br />

der vier Jahre lang als <strong>DAAD</strong>-<br />

Lektor an der deutschen Abteilung<br />

der Chulalongkorn-Universität in<br />

Bangkok tätig war, promovierte<br />

bereits 1976 über „Harold Pinter<br />

und die Problematik des absurden<br />

Theaters“. In seiner neuen Monographie<br />

würdigt der als freier Autor<br />

in Hamburg lebende Münder<br />

die Entwicklung eines großen<br />

Sprachartisten und rebellischen<br />

Zeitgenossen.<br />

Peter Münder: Harold Pinter.<br />

Rowohlt 2007 kj<br />

Rätsel-Lösungen<br />

Die Lösung des vorigen <strong>Letter</strong>-Rätsels lautet:<br />

WELTLITERATUR.<br />

Die Lösung ergibt sich aus folgenden Wörtern: weich,<br />

ewig, leise, tot, langsam, intern, Tiefe, einig, reich, alt,<br />

Tag, unten, rau<br />

Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />

Nino Osepashvili, Tbilissi/Georgien; Ksenia Moor, Tomsk/<br />

Russland; Mahmut Suat Delibalta, Adana/Türkei;<br />

Yin Ling, Beijing/V. R. China; Lahbib Oubbi, Rabat/<br />

Marokko; M. R. Naimi-Jamal, Teheran/Iran; Gloria M.<br />

Tapia-Guerrero, Santiago/Chile; Aria Jackson, Portland/<br />

USA; Azra Zolotič, Odžak/Bosnien-Herzegowina;<br />

Iva Slováčková, Plzeň/Tschechische Republik<br />

Einen Trostpreis erhalten:<br />

Bjarnheiður Kristinsdóttir (Island), zurzeit Freiberg/<br />

Deutschland; Rolf Kuno, Paddington/Australien; F.<br />

Bilginoglu, Istanbul/Türkei; Alicia Denegri Schülke,<br />

Lima/Peru; Hely Läheteenmäki, Turku/Finnland;<br />

Malu Harten, Manta/Ecuador; Natalja Wachrushewa,<br />

Pawlowsk/Russland; Alejandro Ávila Uriza, Sta. Ma.<br />

La Ribera/Mexiko; Elena Selevanova, Stavropol/<br />

Russland; Boris Minovski, Veliko Tirnovo/Bulgarien<br />

Wer war’s?<br />

ADAM RIES(E)<br />

Einen Preis erhalten:<br />

Peter Zigman, Nitra/Slowakei; Walter Schönau, Groningen/<br />

Niederlande; Orlando Guerrero, Bogotá/Kolumbien; Zdenka<br />

Janská, Blatná/Tschechische Republik; Lina Abed Ibrahim<br />

(Palästinensische Gebiete), zurzeit Kassel/Deutschland<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong><br />

Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Herausgeber:<br />

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Redaktion: Dr. Isabell Lisberg-Haag und Dr. Leonie Loreck<br />

(verantwortlich), Uschi Heidel, Katja Sproß<br />

Weitere Autoren: Doris Bünnagel, Boris Hänßler (boh),<br />

Christine Hardt, Christian Hohlfeld (cho), Hermann Horstkotte<br />

(H.H.), Dr. Klaus Hübner (Michel), Katharina Jung (kj), Christoph<br />

Kessler (CK), Ruth Kuntz-Brunner, Horst Willi Schors (ors)<br />

Übersetzungen Abstracts: Elizabeth Crawford<br />

Koordination: Sabine Pauly<br />

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Auch nicht ausgezeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall<br />

die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> erscheint dreimal im Jahr.<br />

Einzelpreis 4,– Euro, Jahresabonnement 15,– Euro<br />

inklusive Porto und MwSt.<br />

Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />

Einem Teil dieser Ausgabe liegen ein Faltblatt des<br />

<strong>DAAD</strong>-Freundeskreises und ein Fragebogen bei.


3. April<br />

Nein zu größerer Nato<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

spricht sich beim Nato-Gipfel in<br />

Bukarest dagegen aus, der Ukraine<br />

und Georgien eine baldige Mitgliedschaft<br />

in dem Militärbündnis<br />

in Aussicht zu stellen. Deutschland<br />

demonstriert damit Rücksichtnahme<br />

gegenüber Russland.<br />

8. April<br />

Mehr Geld für Ärzte<br />

Die Mediziner-Gewerkschaft Marburger<br />

Bund setzt nach längerem<br />

Streik einen neuen Tarifvertrag<br />

für die rund 55 000 Klinikärzte in<br />

Deutschland durch. Deren Gehälter<br />

steigen um vier Prozent. Zum<br />

1. Januar 2009 folgt eine weitere<br />

Anhebung um 3,8 Prozent.<br />

14. April<br />

Wechsel in Sachsen<br />

Sachsens Ministerpräsident Georg<br />

Milbradt (CDU) gibt seinen Rücktritt<br />

bekannt. Er übernimmt die<br />

politische Verantwortung für die<br />

in eine Finanzkrise geratene Sächsische<br />

Landesbank. Der Landtag<br />

wählt Stanislaw Tillich (CDU) zum<br />

neuen Ministerpräsidenten. Erstmals<br />

wird damit ein Angehöriger<br />

der Sorben zum Regierungschef.<br />

Die Sorben sind eine kleine slawische<br />

Bevölkerungsgruppe, die an<br />

der Grenze zu Polen lebt.<br />

24. April<br />

Rüge für Geheimdienstler<br />

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes<br />

(BND), Ernst<br />

Uhrlau, wird vom Geheimdienst-<br />

Ausschuss des Parlaments gerügt.<br />

Grund ist, dass Uhrlau eine<br />

Ausspäh-Aktion gegen den afghanischen<br />

Minister Amin Farhang<br />

angeordnet hatte. Uhrlau darf allerdings<br />

im Amt bleiben.<br />

1. Mai<br />

Kanzlerin bekommt Preis<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

erhält in Aachen den Internationalen<br />

Karlspreis. Er wird für Verdienste<br />

um die europäische Einigung<br />

verliehen.<br />

Trauer um Hitler-Gegner<br />

Im Alter von 90 Jahren stirbt in<br />

Altenahr (Rheinland-Pfalz) der Ex-<br />

Offizier Philipp von Boeselager. Er<br />

hatte den Sprengstoff beschafft,<br />

mit dem Hitler bei dem fehlgeschlagenen<br />

Attentat vom 20. Juli<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 2/08<br />

Deutsche chronik<br />

Eine Auswahl von Ereignissen, die in der Bundesrepublik Schlagzeilen machten (1. April bis 31. Juli 2008)<br />

1944 getötet werden sollte. Boeselager<br />

entging der Verhaftungswelle<br />

der Nazis, weil er von keinem<br />

seiner Freunde aus dem Verschwörerkreis<br />

verraten wurde.<br />

7. Mai<br />

CDU und Grüne kooperieren<br />

Das Landesparlament von Hamburg<br />

bestätigt Bürgermeister Ole<br />

von Beust (CDU) im Amt. Beust<br />

stützt sich auf eine Koalition aus<br />

CDU und Grünen. Es ist das erste<br />

Landes-Bündnis dieser Art.<br />

17. Mai<br />

Bayern vorn<br />

Die Mannschaft von Bayern München<br />

wird Deutscher Fußballmeister<br />

2008. Zugleich beendet Bayern-Torhüter<br />

Oliver Kahn seine<br />

Karriere.<br />

19. Mai<br />

Wachsende Armut<br />

Jeder achte Bürger in Deutschland<br />

ist von Armut bedroht, stellt ein<br />

Bericht aus dem Bundesarbeitsministerium<br />

fest. Besonders ungünstig<br />

ist demnach die finanzielle<br />

Lage von Familien mit vielen<br />

Kindern sowie von Personen mit<br />

ausländischer Herkunft.<br />

22. Mai<br />

Köhler tritt wieder an<br />

Bundespräsident Horst Köhler<br />

(CDU) teilt mit, dass er 2009 für<br />

eine zweite Amtsperiode kandidieren<br />

will. Vier Tage später nominiert<br />

die SPD die Präsidentin<br />

der Universität Frankfurt/Oder,<br />

Gesine Schwan, als Gegenkandidatin.<br />

Die Wissenschaftlerin hatte<br />

sich bereits 2004 der Wahl um das<br />

höchste Staatsamt gestellt – und<br />

knapp verloren.<br />

24. Mai<br />

Kontinuität bei Linken<br />

Die beiden Vorsitzenden der Partei<br />

Die Linke, Oskar Lafontaine<br />

und Lothar Bisky, werden in ihren<br />

Ämtern bestätigt. Auf dem Parteitag<br />

in Cottbus (Brandenburg)<br />

bekommen die beiden Spitzenpolitiker<br />

allerdings weniger Ja-Stimmen<br />

als zwei Jahre zuvor.<br />

27. Mai<br />

Erinnerung an Nazi-Opfer<br />

In Berlin wird ein Mahnmal zur<br />

Erinnerung an die vom Hitler-Regime<br />

verfolgten Homosexuellen<br />

eingeweiht.<br />

Foto: Getty Images/AFP/BERTRAND GUAY<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Anselm Kiefer im Pariser Louvre<br />

vor einem seiner Werke<br />

4. Juni<br />

Preis für Anselm Kiefer<br />

Als erster Maler und Bildhauer<br />

erhält der weltweit bekannte<br />

Künstler Anselm Kiefer den<br />

diesjährigen Friedenspreis des<br />

Deutschen Buchhandels. Der<br />

63-Jährige habe in seinen Werken<br />

eine Bildsprache entwickelt, „die<br />

aus dem Betrachter einen Leser<br />

macht“, begründet der Stiftungsrat<br />

die Auszeichnung. Die Preisverleihung<br />

findet am 19. Oktober<br />

während der Buchmesse in Frankfurt<br />

statt.<br />

5. Juni<br />

Eklat im Landtag<br />

Im hessischen Landtag erzwingen<br />

die drei Parteien SPD, Grüne<br />

und Linke die Abschaffung der<br />

Studiengebühren. Wegen eines<br />

Formfehlers weigert sich Ministerpräsident<br />

Roland Koch (CDU), das<br />

Gesetz zu vollziehen. Daraufhin<br />

wird die Abstimmung wiederholt.<br />

Erneut spricht sich eine knappe<br />

Mehrheit dafür aus, die Studiengebühren<br />

zu streichen. Damit<br />

wird der Beschluss rechtskräftig.<br />

Hintergrund des Gerangels: Die<br />

CDU/FDP-Koalition in Wiesbaden<br />

hat bei den Landtagswahlen Ende<br />

Januar ihre Mehrheit verloren und<br />

ist nur noch geschäftsführend im<br />

Amt.<br />

8. Juni<br />

Tod eines Dichters<br />

Im Alter von 78 Jahren stirbt<br />

in Hamburg der Dichter Peter<br />

Rühmkorf. Er gilt als einer der<br />

bedeutendsten modernen Lyriker<br />

Deutschlands.<br />

25. Juni<br />

Krise bei Siemens<br />

Der Siemens-Konzern in München<br />

kündigt wegen schlechter<br />

Geschäftsergebnisse einen drastischen<br />

Stellen-Abbau an. Insgesamt<br />

will der Konzern rund 17000<br />

Jobs streichen, darunter mehr als<br />

5 000 in Deutschland.<br />

29. Juni<br />

Platz zwei im Fußball<br />

Beim Endspiel der Fußball-Europameisterschaft<br />

in Wien siegt<br />

Spanien über Deutschland mit<br />

1:0. Millionen Fußball-Fans verfolgen<br />

die Fernseh-Übertragung auf<br />

öffentlichen Plätzen.<br />

24. Juli<br />

Andrang bei Obama in Berlin<br />

Der US-Präsidentschaftskandidat<br />

Barack Obama besucht Berlin.<br />

In einer Rede vor rund 200 000<br />

Zuhörern an der Berliner Siegessäule<br />

unweit vom Brandenburger<br />

Tor wirbt er für eine engere Partnerschaft<br />

zwischen den USA und<br />

Europa. Zuvor führte er Gespräche<br />

mit Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

sowie mit Bundesaußenminister<br />

Frank-Walter Steinmeier.<br />

30. Juli<br />

„Punktsieg“ für Raucher<br />

Das Bundesverfassungsgericht<br />

in Karlsruhe fällt ein „raucherfreundliches“<br />

Urteil. Demnach<br />

darf in Gaststätten mit nur einem<br />

Raum kein striktes Rauchverbot<br />

gelten. Das Urteil wurde von zwei<br />

Gastwirten erstritten. Sie hatten<br />

argumentiert, ein totales Rauchverbot<br />

würde sie gegenüber größeren<br />

Restaurants benachteiligen,<br />

in denen eine räumliche Trennung<br />

zwischen Rauchern und Nichtrauchern<br />

leichter machbar sei.<br />

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