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Neue Blickwinkel - DAAD-magazin

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Nr. 3 Dezember 2011, 31.Jg.<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Blickwinkel</strong><br />

Deutschland wird älter<br />

Meer – Wetter – Wind<br />

Forschen an der Ostsee<br />

Erfolgsgeschichte<br />

125 Jahre Automobil


2<br />

© Jens Schuenemann<br />

INHALT<br />

Frische Brise:<br />

studieren und forschen in<br />

Flensburg und Kiel<br />

S. 20<br />

Fundierte Ausbildung:<br />

In-Country-Stipendien in Uganda<br />

S. 30<br />

Titel:<br />

Feine Abstimmung:<br />

wertvolle Kooperation von<br />

Industrie und Hochschullabor<br />

S. 22<br />

Kontrastreich: Frankfurt am Main<br />

ist mehr als Banken-Skyline<br />

S.16<br />

Furioses Spiel:<br />

Iveta Apkalna aus Lettland<br />

ist Königin der Orgel<br />

S. 40<br />

© Landeshauptstadt Kiel/Insa Matzen<br />

© Mirco Lomoth<br />

<strong>DAAD</strong> Letter – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Dialog Seite 4<br />

Kluge Köpfe gegen den Hunger 4<br />

Spektrum Deutschland Seite 6<br />

EinBlick: Glocken – nicht nur zur Weihnachtszeit 6<br />

Nachrichten 8<br />

<strong>DAAD</strong>-Standpunkt Seite 10<br />

Promovieren in Deutschland – zukunftsorientiert und international<br />

Titel Seite 12<br />

50+ Ein Land kommt in die Jahre 12<br />

100+ Aussicht auf ein sehr langes Leben 15<br />

Hochschule Seite 16<br />

<strong>Neue</strong>s vom Campus 16<br />

Bauen mit Weitblick<br />

Hochschulen bauen nachhaltig 18<br />

Ortstermin Seite 20<br />

Kiel und Flensburg: Meer, Wetter, Wind und mehr<br />

Wissenschaft und Wirtschaft Seite 22<br />

Wenn die Chemie stimmt<br />

Ideen aus Universitätslaboren sind wertvoll für die Industrie<br />

Trends Seite 24<br />

Spannende Zukunft<br />

125 Jahre Automobil<br />

Europa Seite 26<br />

ERASMUS wird 25<br />

Gratulation an das europäische Mobilitätsprogramm<br />

Rätsel Seite 28<br />

Sprachecke Seite 29<br />

<strong>DAAD</strong> Report Seite 30<br />

Wirksam vor Ort<br />

In-Country-Stipendien in Uganda 30<br />

Ankommen im deutschen Alltag<br />

30 Jahre <strong>DAAD</strong>-Freundeskreis 32<br />

Mit Wissenschaft zum Wandel<br />

Gemeinsame pakistanisch-deutsche Forschung 33<br />

Stipendiaten forschen 34<br />

In Verbindung bleiben<br />

<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max Huber geht in den Ruhestand 36<br />

Nachrichten 37<br />

Gestern Stipendiat – und heute …<br />

Iveta Apkalna 40<br />

Köpfe 41<br />

Unvergessliche Deutschstunden 42<br />

Impressum 42<br />

Deutsche Chronik Seite 43<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


© plainpicture<br />

In Hannover steht seit Oktober 2011 eine<br />

ungewöhnliche Uhr: die Weltbevölkerungsuhr.<br />

Sie zeigt an, wie viele Menschen auf der<br />

Erde leben. Dieses in Deutschland einzigartige<br />

Messinstrument hat die Stiftung Weltbevölkerung<br />

installiert, um auf das enorme<br />

Wachstum der Menschheit aufmerksam zu<br />

machen. Nach Schätzung der Stiftung gibt es<br />

jedes Jahr 82,947 Millionen Menschen mehr<br />

auf der Erde, das sind 227 252 pro Tag oder<br />

158 pro Minute. Schon heute müssen mehr<br />

als sieben Milliarden Menschen mit Nahrung<br />

versorgt werden. Gibt die Erde genügend für<br />

alle her? Ja – unter einigen Voraussetzungen.<br />

Zum Beispiel müssten die Ergebnisse der Agrarforscher<br />

die Landwirte erreichen und in<br />

die Praxis umgesetzt werden, sagen Manfred<br />

Zeller und Areeya Manasboonphempool vom<br />

Food Security Center der Universität Hohenheim<br />

(Seite 4).<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

Nicht überall auf der Welt sind die Geburtenraten<br />

hoch und wächst die Bevölkerung.<br />

Wissenschaftler sprechen von einer<br />

„demografischen Teilung“: Fast alle Entwicklungsländer<br />

müssen mit immer mehr Einwohnern<br />

zurechtkommen, dagegen schrumpft in<br />

den meisten Industriestaaten die Gesellschaft<br />

und gleichzeitig gibt es dort immer mehr alte<br />

Menschen. Neben Japan und Hongkong werden<br />

in Deutschland die wenigsten Kinder pro<br />

1 000 Einwohner geboren. Wie sich die Deutschen<br />

auf diesen Wandel einstellen, welche<br />

Chancen er für ältere Arbeitnehmer bedeutet<br />

und welche zukunftsfähigen Ansätze es gibt,<br />

für immer mehr alte Menschen zu sorgen, lesen<br />

Sie in der Titelgeschichte ab Seite 11.<br />

Wenn es um Geburten geht, liegt Uganda<br />

im Vergleich zu Deutschland am entgegengesetzten<br />

Ende der Skala. Hier bringt jede<br />

Frau durchschnittlich sieben Kinder zur Welt,<br />

die Bevölkerung wächst nahezu ungebremst.<br />

EDITORIAL 3<br />

Sie zu ernähren ist eine große Herausforderung<br />

und nur mit gut ausgebildeten Fachkräften<br />

zu bewältigen. Dazu kommt: Bildung<br />

beeinflusst die Geburtenrate eines Landes in<br />

hohem Maße, wie das Berlin-Institut für Bevölkerung<br />

und Entwicklung ermittelt hat. „Überall<br />

auf der Welt bekommen gebildete Frauen<br />

weniger Kinder als ungebildete“, heißt es in<br />

einer neuen Studie. Zur besseren Ausbildung<br />

trägt der <strong>DAAD</strong> mit seinen In-Country-Stipendien<br />

für den wissenschaftlichen Nachwuchs<br />

bei. Das bedeutet eine Entwicklung von Uganda<br />

durch Ugander (Seite 30).<br />

Schreiben Sie uns Ihre Anregungen, Themenwünsche<br />

und Kritik. Sie erreichen<br />

uns per E-Mail unter: spross@trio-medien.de<br />

Allen Leserinnen und Lesern wünschen<br />

wir ein friedliches, gesundes und erfolgreiches<br />

Jahr 2012.<br />

Der <strong>DAAD</strong> und die Letter-Redaktion


4 DIALOG<br />

Manfred Zeller ist häufig in der Welt unterwegs.<br />

Ein schmales Studierzimmer an der<br />

Universität Hohenheim reicht dem Professor<br />

für Entwicklungspolitik für den ländlichen<br />

Raum und Leiter des vom <strong>DAAD</strong> geförderten<br />

Food Security Center (FSC), um<br />

auf der Weltkarte drei Schwerpunkte des<br />

Hungerproblems zu markieren: das Horn<br />

von Afrika, das südliche Afrika und die<br />

bevölkerungsreichen Länder Indien und<br />

China. Die 31-jährige Agrarökonomin Areeya<br />

Manasboonphempool fügt mit Nordvietnam<br />

ihren Forschungsschwerpunkt hinzu.<br />

Im Doktorandenprogramm des FSC arbeitet<br />

die <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin daran, einen<br />

Ausgleich der Interessen von Bauern im<br />

Hochland und den Wasserverbrauchern<br />

stromabwärts zu erreichen.<br />

Nach Jahrzehnten der Entwicklungshilfe<br />

und Agrarforschung hungert immer noch<br />

knapp eine Milliarde Menschen. Hat die<br />

Forschung versagt?<br />

Manfred Zeller: Ohne die Agrarforschung<br />

und die Umsetzung der Ergebnisse wäre<br />

das Hungerproblem noch viel größer. Seit<br />

50 Jahren wächst die Weltbevölkerung sehr<br />

stark an. Die Nahrungsmittelproduktion hat<br />

im Wesentlichen mitgehalten. Dennoch: Dass<br />

eine Milliarde Menschen hungert, ist völlig<br />

inakzeptabel.<br />

Kürzlich haben Ernährungsforscher in<br />

der Zeitschrift „Nature“ ein Fünf-Punkte-<br />

Programm zur Nahrungssicherung<br />

vorgeschlagen. Darunter: kein weiterer<br />

Kahlschlag zugunsten landwirtschaftlicher<br />

Flächen, angepasste Pflanzensorten und<br />

bessere Anbaumethoden. Wäre die Welt<br />

damit gerettet?<br />

Zeller: Diese technologischen Ansätze sind<br />

richtig und bekannt. Doch der Hunger hat<br />

noch andere Ursachen, die in institutionellen,<br />

Kluge Köpfe<br />

sozio-ökonomischen und politischen Bereichen<br />

liegen. Für diese notwendigen Verbesserungen<br />

werden ausgebildete Fach- und<br />

Führungskräfte benötigt. Wir brauchen mehr<br />

Experten für Landwirtschaft, Ökologie und<br />

Ernährungssicherung in den Entwicklungsländern<br />

sowie mehr angewandte Forschung<br />

für die dortigen Herausforderungen. Besonders<br />

kommt es auf die Umsetzung der Ideen<br />

und Konzepte im Land an. Das lernen die<br />

Stipendiaten hier am Food Security Center im<br />

<strong>DAAD</strong>-Exceed-Programm.<br />

Areeya Manasboonphempool: Viele hilfreiche<br />

Forschungsergebnisse erreichen die<br />

Anwender nicht – die Bauern, die Entscheidungsträger<br />

in Wirtschaft und Politik. Es<br />

reicht auch nicht aus, sie lediglich über neue<br />

Erkenntnisse zu informieren. Die Menschen<br />

müssen so überzeugt werden, dass sie hinter<br />

den Veränderungen stehen. Es gibt eine riesige<br />

Lücke zwischen dem Wissenschaftler, der<br />

ein kluges Konzept etwa für die Landbewirtschaftung<br />

oder die Bewässerung entwickelt,<br />

und den Entscheidungsträgern vor Ort.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


gegen den Hunger<br />

Wie versorgt man sieben Milliarden Menschen mit Nahrung?<br />

Die Probleme sind erkannt,<br />

Lösungen erarbeitet – hapert es an<br />

Überzeugungsarbeit?<br />

Manasboonphempool: Ja. Als Agrarforscher<br />

müssen wir nicht nur die Landwirte<br />

überzeugen, wir suchen auch nach Anreizen<br />

für die politischen Entscheidungsträger,<br />

damit unsere Ideen Anwendung finden. Im<br />

November 2011 habe ich für mein Promotionsthema<br />

den Norden Vietnams besucht.<br />

Dort bearbeiten Kleinbauern die Ackerkrume.<br />

Ihnen gehört das Land nicht, es wird ihnen<br />

vom Staat nur befristet zur Nutzung überlassen.<br />

Also unternehmen sie nichts gegen die<br />

Bodenerosion, welche durch den Maisanbau<br />

an Hangflächen entsteht. Der Boden degradiert<br />

und verliert sein Vermögen, Wasser<br />

zurückzuhalten. Dadurch steigt flussabwärts<br />

das Risiko für Überschwemmungen und die<br />

mitgeschwemmte Erde verlandet den größten<br />

Stausee in Nordvietnam. In meiner Studie<br />

erhebe ich die wirtschaftlichen und sozialen<br />

Eckdaten und die Interessen der Beteiligten<br />

– Bauern, Beamte, Betreiber des Staudamms.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© steffen honzera<br />

Mein Ziel ist es, alle an einen Tisch zu bekommen,<br />

um einen Interessensausgleich zu<br />

finden. Denkbar ist ein finanzieller Anreiz<br />

für Bauern, um einfachste landwirtschaftliche<br />

Techniken gegen die Erosion einzusetzen.<br />

Jetzt reden Sie wie eine Politikerin.<br />

Manasboonphempool: Es ist eher Politikberatung.<br />

Ich werde Überzeugungsarbeit für<br />

alle Interessengruppen leisten müssen. Das<br />

wird eine schwierige Aufgabe. Im Doktorandenprogramm<br />

in Hohenheim lernen wir auch<br />

die Soft Skills und tauschen uns mit Kollegen<br />

– auch anderer Disziplinen – aus allen Regionen<br />

dieser Welt aus. Das bedeutet auch, sich<br />

selbst verständlich darzustellen und auf die<br />

anderen zuzugehen.<br />

Zeller: Forscher sollten sich viel stärker<br />

untereinander und zugleich mit wirtschaftlichen<br />

und politischen Entscheidungsträgern<br />

vernetzen. Dieser Ansatz steht im Food Security<br />

Center im Mittelpunkt. Wir sind eine<br />

Plattform für Wissensaustausch, Ausbildung<br />

und initiieren eigene Forschung. Auf jedem<br />

DIALOG 5<br />

Kontinent haben wir Partneruniversitäten.<br />

Aktuell arbeiten wir an einem weltumspannenden<br />

wissenschaftlichen Netzwerk zur<br />

Ernährungssicherung.<br />

Manasboonphempool: In diesem multidisziplinären<br />

Umfeld lerne ich als Agrarökonomin<br />

die Sichtweise eines Pflanzenzüchters,<br />

eines Biotechnologen oder die Arbeitsweise<br />

von Sozialwissenschaftlern und anderen Ökonomen<br />

kennen. Das ist einmalig.<br />

Bis zum Jahr 2050 müssen weitere zwei<br />

Milliarden Menschen miternährt werden.<br />

Stehen die großen Hungerkatastrophen<br />

noch bevor?<br />

Zeller: Das ist keine Zwangsläufigkeit. Bis<br />

2050 könnten wir die Lebensmittelproduktion<br />

weltweit deutlich steigern und im Prinzip<br />

alle Menschen ernähren. Vorausgesetzt wir<br />

investieren sehr viel mehr als bisher in die<br />

ländliche Entwicklung und den Agrar- und<br />

Ernährungssektor, insbesondere in die kleinbäuerliche<br />

Landwirtschaft. Denn Hunger ist<br />

vorwiegend eine Folge von Armut und ein<br />

Problem der gerechten Verteilung der Nahrungsmittel.<br />

Der große Teil der Armen und<br />

Hungernden lebt im ländlichen Raum und<br />

ist abhängig von der Landwirtschaft. Genau<br />

dort brauchen wir Experten, die hierzulande<br />

– etwa als Stipendiaten – ausgebildet werden.<br />

Unsere Absolventen bringen diesen Menschen<br />

dann die nötigen Methoden, Institutionen<br />

und Technologien näher.<br />

Wo haben Entwicklungshilfe und<br />

Agrarforschung in den letzten Jahren<br />

Wirkung gezeigt?<br />

Zeller: In Thailand, Costa Rica und Brasilien<br />

half die Forschung einer vielseitigen<br />

und exportorientierten Landwirtschaft auf<br />

die Beine. In Thailand stiegen die Reiserträge<br />

stark an, gleichzeitig produziert das Land<br />

viele andere Grundnahrungsmittel. Costa<br />

Rica hat eine stabile Demokratie und eine<br />

ausgeglichene Wirtschaft mit den Eckpfeilern<br />

Kaffee, Landwirtschaft und Tourismus. Brasilien<br />

hat schon immer viel in Agrarforschung<br />

investiert und erntet jetzt gewissermaßen die<br />

Früchte der Forschung.<br />

Das Gespräch führte Martin Schäfer.


© picture alliance


EinBlick<br />

Ihre Stimmen gehören zum Alltag: Glocken läuten<br />

im ganzen Land Stunde um Stunde von Kirchtürmen<br />

oder Rathäusern und erinnern die Deutschen an die<br />

Zeit: vier Schläge – vier Uhr. Sonntags, in der Weihnacht<br />

und Ostern rufen Glocken Christen zum Gottesdienst.<br />

An ihren Klang knüpfen sich unterschiedliche<br />

Gefühle eines ganzen Volkes: Glocken mobilisierten<br />

zum Krieg und läuteten den Frieden ein. Sie rufen<br />

zur Trauer und begrüßen den Neujahrstag. Ihr Guss<br />

ist noch immer ein feierlicher Akt. Rund 1 000 Jahre<br />

alt sind Deutschlands älteste Glocken. Das Glockengießerhandwerk<br />

hat eine bedeutende Tradition. Auf<br />

fünf Kontinenten hängen Glocken zum Beispiel aus<br />

Thüringen. Auch der „Dicke Pitter“ im Kölner Dom<br />

(hier im Bild) wurde dort gegossen – mit rund 24 000<br />

Kilogramm und über drei Metern Durchmesser gehört<br />

diese Glocke zu den größten der Welt.


8 SPEKTRUM<br />

DEUTSCHLAND<br />

Lange Reise: Die ersten türkischen Gastarbeiter fahren 1961 mit dem Zug von Istanbul<br />

nach München – nach 50 Stunden erreichen sie ihr Ziel<br />

Türkei/Deutschland<br />

50 Jahre türkische Gastarbeiter<br />

Ihre Reise war lang und beschwerlich: Als<br />

die ersten türkischen Gastarbeiter 1961 von<br />

Istanbul nach München reisten, waren sie 50<br />

Stunden mit dem Zug unterwegs. In München<br />

angekommen, wurden sie an Unternehmensstandorte<br />

in ganz Deutschland verteilt. Hintergrund<br />

war das deutsch-türkische Anwerbeabkommen,<br />

das im Oktober 2011 sein 50-jähriges<br />

Jubiläum feierte.<br />

Dieses Abkommen gehört zu einer Reihe<br />

von Verträgen, die die Bundesrepublik in den<br />

1950er und 1960er Jahren mit einigen europäischen<br />

und nordafrikanischen Ländern<br />

abschloss. Die ausländischen Arbeitskräfte<br />

Umfrage der BBC<br />

Deutschland ist beliebt<br />

Deutschland ist das Land mit dem besten<br />

Ruf – und das seit Jahren. Zu diesem Ergebnis<br />

kommt eine jährliche Umfrage von BBC<br />

World Services. 2011 hat der britische Rundfunksender<br />

weltweit über 28 000 Menschen<br />

danach befragt, welche Länder ihrer Ansicht<br />

nach positiven Einfluss auf die internationale<br />

Politik haben. Etwa 61 Prozent der Befragten<br />

bewerten Deutschland positiv, dann erst nennen<br />

sie Großbritannien, Japan, Kanada und<br />

Frankreich. Deutschland taucht seit 2008 im<br />

BBC- Ranking auf. Seitdem rangiert das Land<br />

auf Platz eins.<br />

sollten für einen begrenzten Zeitraum in<br />

Deutschland tätig sein – deshalb nannte man<br />

sie Gastarbeiter. Vor allem die Autoindustrie<br />

und der Bergbau suchten dringend Arbeitskräfte.<br />

Türken bildeten die größte Gruppe der<br />

Gastarbeiter: Zwischen 1961 und 1973 bewarben<br />

sich mehr als zweieinhalb Millionen Türken<br />

um eine deutsche Arbeitserlaubnis; jeder<br />

Vierte erhielt die Genehmigung.<br />

Viele von ihnen blieben in Deutschland: Weil<br />

sie hier bessere Perspektiven hatten, ihre Familien<br />

nachgezogen waren und weil sie sich in<br />

ihrer eigentlichen Heimat bald fremd fühlten.<br />

Dabei kümmerte sich Deutschland zunächst<br />

wenig um eine angemessene Integrationspolitik<br />

– mit gravierenden Folgen. Angesichts<br />

ihrer islamisch geprägten Herkunft fiel es<br />

Deutschland<br />

Großbritannien<br />

Japan<br />

Kanada<br />

61 57 57 55 51 50<br />

© picture alliance/Beynelmilel<br />

vielen türkischen Gastarbeitern schwer, sich<br />

in Deutschland zurechtzufinden. So blieben<br />

sie häufig in ihrem eigenen Milieu und hatten<br />

nur wenig Kontakt zu Deutschen. Die Folgen<br />

einer lange Zeit fehlenden Integrationspolitik<br />

sind bis heute spürbar. Teilweise belasten sie<br />

auch die deutsch-türkischen Beziehungen.<br />

Die Geschichte der türkischen Gastarbeiter<br />

hat aber auch viele positive Seiten: Sie und<br />

ihre Nachkommen sind in allen Bereichen<br />

der Gesellschaft angekommen und haben einen<br />

großen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg<br />

Deutschlands. Auch in der Politik sind sie aktiv.<br />

Prominente Beispiele sind Cem Özdemir<br />

(Büdnis 90/Die Grünen) und die niedersächsische<br />

Integrationsministerin Aygül Özkan<br />

(CDU).<br />

Frankreich<br />

USA<br />

© Quelle: BBC-Studie | Gestaltung: axeptDESIGN<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Jüdisches Museum Berlin<br />

Juden und Muslime im Dialog<br />

Das Jüdische Museum Berlin plant ein islamisch-jüdisches<br />

Forum mit dem Titel „Moslemische<br />

Fragen, jüdische Antworten“. Damit<br />

will sich das Museum zu seinem zehnjährigen<br />

Jubiläum stärker in die in Deutschland aktuelle<br />

Debatte um Integration von Minderheiten<br />

einmischen. „Die Erfahrungen der deutschen<br />

Juden im 19. Jahrhundert angesichts des<br />

Drucks zur Säkularisierung können auch für<br />

den europäischen Islam von Interesse sein“,<br />

sagt Programmdirektorin Cilly Kugelmann.<br />

An dem Vorhaben beteiligen sich auch islamische<br />

Wissenschaftler.<br />

In den vergangenen zehn Jahren brachte das<br />

Museum seinen über sieben Millionen Besuchern<br />

die mehr als 2 000 Jahre währende<br />

Geschichte der deutsch-jüdischen Beziehungen<br />

und die jüdische Kultur nahe. Dabei setzt<br />

die Institution auch auf Interaktion: Neben<br />

der Dauerausstellung gehört das Rafael Roth<br />

Learning Center zu dem Museum. In diesem<br />

Medienzentrum können Besucher selbst Antworten<br />

auf ihre Fragen suchen. Bekannt ist<br />

das Jüdische Museum für seine besondere Architektur.<br />

Der markante Zickzackbau stammt<br />

von dem amerikanischen Star-Architekten Daniel<br />

Libeskind.<br />

www.jmberlin.de<br />

Alumniportal Deutschland<br />

Webinar zu erneuerbaren Energien<br />

Das Seminarthema ist spannend, der Ort aber<br />

meilenweit entfernt? Dann bietet sich ein Webinar<br />

an. Diese neue Kursform via Internet gibt<br />

es jetzt auch im Alumniportal Deutschland<br />

(APD). Die Teilnehmer sehen und hören die<br />

Referenten über einen Audio-Video-Stream.<br />

In einem interaktiven Live-Chat können sie<br />

außerdem Fragen stellen und untereinander<br />

diskutieren. „Ein Webinar funktioniert wie ein<br />

gewöhnliches Seminar – mit dem Unterschied,<br />

dass die Teilnehmer überall sein können, solange<br />

sie einen Computer vor sich haben“, erklärt<br />

Felicitas Quaß vom APD. Seit Ende 2010<br />

gibt es dort Webinare zu Themen wie erneuerbare<br />

Energien, Online-Journalismus, EU- und<br />

Finanzkrise oder auch Public Policy.<br />

Das Angebot ist für alle Deutschland-Alumni<br />

zugänglich. Registrierung im APD und Teilnahme<br />

an den Webinaren sind kostenfrei.<br />

www.alumniportal-deutschland.de/webinare<br />

Franziska Collet<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

Künstler und politischer Kopf:<br />

Boualem Sansal aus Algerien<br />

Friedenspreis<br />

Ehrung für mutigen Kritiker<br />

Für den algerischen Schriftsteller Boualem<br />

Sansal bedeuten die Revolutionen in den<br />

arabischen Ländern eine „kopernikanische<br />

Wende“. „Die Menschen wollen eine echte<br />

universelle Demokratie, ohne Grenzen und<br />

Tabus“, sagt der Autor aus dem Maghreb. Im<br />

Nahen Osten würden wie 1989 in Deutschland<br />

„mit herrlichem Getöse“ sämtliche Mauern<br />

fallen, versicherte Sansal am 16. Oktober in<br />

der Frankfurter Paulskirche. Dort nahm er den<br />

mit 25 000 Euro dotierten Friedenspreis des<br />

Deutschen Buchhandels entgegen.<br />

Ausgezeichnet wurde Sansal ebenso als<br />

Künstler wie als politischer Kopf. Der Literaturwissenschaftler<br />

Peter von Matt nannte den<br />

Erzähler in seiner Laudatio „witzig und weise,<br />

unerbittlich in den Diagnosen“. Der 63-jährige<br />

promovierte Volkswirt, der in der algerischen<br />

Küstenstadt Bourmedès lebt, ist der schärfste<br />

Kritiker der politischen Verhältnisse in Algerien.<br />

Seit 1999 äußert er sich entsprechend in<br />

Romanen und Essays.<br />

Nach der Veröffentlichung seines regimekritischen<br />

Buches „Persönliches und Politisches<br />

Tagebuch, Algerien, 40 Jahre danach“ im Jahr<br />

2003 verlor er sein Amt im Industrieministerium.<br />

Seine Bücher sind in Algerien verboten<br />

und erscheinen in Frankreich. Viele seiner<br />

Werke liegen auch in deutscher Sprache vor.<br />

Sansals Rede und die Ansprachen zur Preisverleihung<br />

sind als Buch erhältlich (Friedenspreis<br />

des Deutschen Buchhandels 2011 – Boualem<br />

Sansal, Frankfurt a.M.: MVB, 14,90 Euro) Llo<br />

© picture alliance/Sven Simon<br />

© picture-alliance/dpa<br />

SPEKTRUM DEUTSCHLAND<br />

Piratenpartei<br />

Wahlerfolg in Berlin<br />

Bei den Wahlen zum Berliner Landesparlament<br />

erzielte die Piratenpartei knapp zehn<br />

Prozent der Stimmen. Die 2006 gegründete<br />

Partei setzt sich für die Stärkung der Bürgerrechte,<br />

mehr Demokratie und mehr Mitbestimmung<br />

ein. Der freie Zugang aller Bürger<br />

zu digitalen Medien ist eines der wichtigen<br />

Anliegen. Der Politikwissenschaftler Dr. Gero<br />

Neugebauer von der Freien Universität Berlin<br />

gibt Antworten zum Wahlergebnis.<br />

Was macht die Piratenpartei so<br />

erfolgreich?<br />

Die Piratenpartei betreibt Politik anders als<br />

die großen Parteien. Sie arbeitet sehr basisdemokratisch:<br />

Häufig liegt zu bestimmten<br />

Punkten keine offizielle Stellungnahme vor,<br />

weil sich die Partei noch nicht auf einen<br />

Standpunkt geeinigt hat. Erst nach einer<br />

ausführlichen internen Diskussion tritt<br />

die Organisation mit ihrer Meinung an die<br />

Öffentlichkeit.<br />

Haben viele Wähler die Piraten aus Protest<br />

gewählt?<br />

Kleine Parteien wie die Piraten haben die<br />

Funktion, auf Versäumnisse der großen Parteien<br />

aufmerksam zu machen. Der Erfolg der<br />

Piraten drückt also sowohl Protest der Wähler<br />

gegen die Arbeit der großen Parteien als auch<br />

einen Bedarf an neuer Politik aus.<br />

Jeder zweite Deutsche glaubt an den<br />

Einzug der Piratenpartei in den nächsten<br />

Bundestag. Wie ist Ihre Prognose für die<br />

Wahl 2013?<br />

Wenn die Partei langfristig Erfolg haben will,<br />

muss sie Inhalte liefern. Sie muss dadurch<br />

ihre Identität klären und damit Attraktivität<br />

erzeugen, um Wähler zu mobilisieren. Auf ihr<br />

derzeitiges Image als Protestpartei können<br />

sich die Piraten nicht verlassen.<br />

FC<br />

9


10 DIALOG<br />

© <strong>DAAD</strong>/Eric A. Lichtenscheidt<br />

<strong>DAAD</strong>-Standpunkt<br />

Dorothea Rüland ist<br />

Generalsekretärin des <strong>DAAD</strong><br />

Als rohstoffarmes Land ist Deutschland besonders<br />

auf wissenschaftliche Innovation<br />

und deren Umsetzung in die Praxis angewiesen.<br />

Doktorandinnen und Doktoranden leisten<br />

hierzu einen zentralen Beitrag, sowohl in der<br />

Promotionsphase, als auch durch ihre spätere<br />

wissenschaftliche Tätigkeit. Die Suche nach<br />

zukünftigen Leistungsträgern ist schon lange<br />

nicht mehr auf das eigene Land beschränkt.<br />

Weltweit konkurrieren Hochschulen um wissenschaftlichen<br />

Nachwuchs. Der Werbung<br />

um vielversprechende Doktorandinnen und<br />

Doktoranden kommt dabei eine immer wichtigere<br />

Rolle zu. Die angloamerikanischen<br />

Länder sind durch das bekannte System der<br />

„Graduate Schools“ und international renommierte<br />

Universitäten in diesem Feld besonders<br />

erfolgreich.<br />

Das traditionelle deutsche System der Einzelpromotion<br />

liefert in vielen Fällen hervorragende<br />

Ergebnisse. Nachholbedarf besteht<br />

aber in Bezug auf die Transparenz,<br />

Promovieren in Deutschland<br />

– zukunftsorientiert und international<br />

Von Dorothea Rüland<br />

Betreuungsqualität, Berufsqualifizierung und<br />

internationale Sichtbarkeit. Der <strong>DAAD</strong> fördert<br />

daher seit zehn Jahren die Entwicklung und<br />

Umsetzung international ausgerichteter strukturierter<br />

Promotionsprogramme. Wir möchten<br />

so die Wege, die zur Promotion führen, schneller,<br />

sicherer und zielführender gestalten, um<br />

eine Promotion in Deutschland gerade auch<br />

für exzellente ausländische Graduierte noch<br />

attraktiver zu machen.<br />

Im Programm „International promovieren in<br />

Deutschland (IPID)“ fördert der <strong>DAAD</strong> daher<br />

mit 12 Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung<br />

die Internationalisierung von strukturierten<br />

Promotionsprogrammen. Aus 168 Anträgen<br />

wurden 39 Projekte an 29 deutschen Hochschulen<br />

ausgewählt, die für die Laufzeit von<br />

2010 bis 2013 mit bis zu 100 000 Euro im Jahr<br />

unterstützt werden.<br />

Das große Interesse der Hochschulen an der<br />

Einrichtung strukturierter Promotionsangebote<br />

zeigte auch die im Rahmen von IPID veranstaltete<br />

zweitägige Konferenz des <strong>DAAD</strong> im<br />

Oktober in Berlin. Unter dem Motto „International<br />

promovieren in Deutschland – Wege zu<br />

einer zukunftsorientierten Doktorandenausbildung“<br />

nahmen über 180 Hochschulvertreter<br />

aus ganz Deutschland teil.<br />

Strukturierte Promotionsprogramme haben<br />

eine Reihe von Vorteilen: Die Zusammenarbeit<br />

mit mehreren Betreuern und der ständige Austausch<br />

mit anderen jungen Wissenschaftlern,<br />

die in verwandten Themengebieten arbeiten,<br />

sichert die Qualität und den Promotionserfolg.<br />

In strukturierten Programmen wird für die<br />

Promotion üblicherweise ein Zeitraum von<br />

drei bis vier Jahren angestrebt. Dies erhöht<br />

die Planbarkeit des eigenen Karrierewegs.<br />

Auch das ist ein Punkt, der für in-, aber gerade<br />

auch für ausländische Graduierte besonders<br />

wichtig ist. Außerdem eröffnen die Programme<br />

nicht nur klar definierte Perspektiven für<br />

die teilnehmenden Doktoranden, sondern sie<br />

sorgen auch für neue Strukturen. Denn an den<br />

beteiligten Fakultäten und Hochschulen werden<br />

einheitliche Verfahren für die Auswahl,<br />

Zulassung, Betreuung und Prüfung von Doktorandinnen<br />

und Doktoranden eingeführt.<br />

Unterschiedliche Persönlichkeiten und Fachkulturen<br />

erfordern unterschiedliche Herangehensweisen.<br />

Daher wird der <strong>DAAD</strong> auch<br />

zukünftig verschiedene Promotionsmodelle in<br />

Deutschland unterstützen. Um international<br />

wettbewerbsfähig zu bleiben und exzellente<br />

Nachwuchswissenschaftler für eine Promotion<br />

in Deutschland zu gewinnen, werden aber international<br />

ausgerichtete Promotionsprogramme<br />

eine stärkere Rolle als bisher spielen müssen.<br />

Wir als <strong>DAAD</strong> werden das unsrige tun,<br />

um diese Entwicklung aktiv mitzugestalten.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Ein Land kommt in die Jahre<br />

Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft und wird älter<br />

© Joanna Nottebrock 50+<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

TITEL<br />

11


12 TITEL<br />

Auf dem Erdball leben seit kurzem sieben Milliarden Menschen und die Geburtenzahlen<br />

steigen weiter. Deutschland entwickelt sich entgegengesetzt: Immer<br />

weniger Kinder werden geboren. Die Bevölkerung nimmt ab und zugleich steigt<br />

der Anteil an Alten. Der demografische Wandel verändert ganze Landstriche,<br />

Versorgungssysteme, Arbeitswelten und Bildungskonzepte – eine umfassende<br />

Herausforderung und Chance.<br />

Nach Wanzleben fährt der Bus aus Magdeburg<br />

am Wochenende nur alle zwei Stunden.<br />

Er hält am ehemaligen Bahnhof. Der Zugbetrieb<br />

zwischen der Ortschaft und der rund<br />

20 Kilometer entfernten Landeshauptstadt in<br />

Sachsen-Anhalt lohnt sich nicht mehr. Zu wenig<br />

Menschen nutzen die Bahn. Auch der Bus<br />

ist am Wochenende nicht voll besetzt. Wanzleben<br />

hat in den letzten 20 Jahren 15 Prozent<br />

seiner Bewohner verloren. Viele junge Leute<br />

zogen fort und immer weniger Kinder wurden<br />

geboren. Geblieben sind Rentner, deren<br />

Lebenserwartung Jahr um Jahr steigt. Heute<br />

ist die Hälfte der 5 200 Einwohner schon über<br />

50 Jahre alt. Der Trend geht weiter. Die kleine<br />

Gemeinde schrumpft und altert.<br />

„Vor dieser Entwicklung zu erstarren wie<br />

das Kaninchen vor der Schlange, ist sinnlos“,<br />

sagt Ernst Isensee. Der Chef eines Wohnungsunternehmens<br />

ist Mitglied im Rat der übergeordneten<br />

Stadt Wanzleben-Börde. Er will<br />

nicht zusehen, wie junge Menschen aus der<br />

Gegend verschwinden, Wohnungen verwaisen,<br />

Arbeitskräfte fehlen, Läden und Schulen<br />

schließen oder alte Menschen einsam werden.<br />

„Wir betrachten das Schrumpfen als Chance.“<br />

Städtebauliche Veränderungen mit sozialem<br />

Ziel, heißt das Motto in Wanzleben: Gärten anstelle<br />

leerstehender Häuser, im alten Bahnhof<br />

ein soziales Zentrum. Vor allem aber ein aktives<br />

Vereins- und Gemeindeleben und Unternehmer,<br />

Politiker und Bürger, die miteinander<br />

reden, planen und gestalten. Die Stadt Wanzleben<br />

rückte nachbarschaftliche Hilfe, Pflege,<br />

Betreuung und Fürsorge ins Bewusstsein<br />

ihrer Bürger. Im „Bündnis für Familie“ sind<br />

die 40 Vereine, Unternehmen und Banken der<br />

Ortschaft mit ihren ehrenamtlichen Angeboten<br />

vernetzt. Landesregierung, Kommune und<br />

Vereine ziehen an einem Strang. So kann es<br />

gehen.<br />

Vor solchen Aufgaben stehen nicht nur die<br />

Bürger von Wanzleben, sondern ein ganzes<br />

Land. „Wie organisiert eine alternde und<br />

schrumpfende Gesellschaft ihr Zusammenleben<br />

neu?“ Darum gehe es jetzt, sagt Reiner<br />

Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für<br />

Bevölkerung und Entwicklung. Das Institut<br />

Ein Leben lang: mobil bleiben und dazulernen<br />

informiert im „Online-Handbuch Demografie“<br />

über die historische und aktuelle Entwicklung<br />

der Bevölkerung weltweit, in Europa und in<br />

Deutschland.<br />

Im Herbst 2011 legte auch die Bundesregierung<br />

in ihrem Demografie-Bericht aktuelle<br />

Prognosen vor. Danach schrumpft die deutsche<br />

Bevölkerung voraussichtlich von 81,7<br />

Millionen im März 2011 auf 65 Millionen im<br />

Jahr 2060 – das wären rund 17 Millionen Menschen<br />

weniger. Stimmen diese Berechnungen,<br />

ist in 50 Jahren außerdem der Anteil der Alten<br />

sehr viel höher: Jeder Dritte in Deutschland<br />

wäre mindestens 65 Jahre alt, Frauen hätten<br />

eine Lebenserwartung von fast 90 Jahren.<br />

Abnäher im Stadtkleid<br />

Kleine und mittlere Städte schrumpften und<br />

alterten in den letzten Jahren vor allem im Osten<br />

Deutschlands dramatisch. Ein Grund dafür<br />

liegt 20 Jahre zurück. Nach der Wiedervereinigung<br />

der beiden deutschen Staaten verließen<br />

damals viele junge Menschen in einer großen<br />

Welle Ostdeutschland. Sie suchten nach dem<br />

Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft in den<br />

westlichen Bundesländern Arbeit. Leerstehende<br />

Häuser sind seitdem ein Problem. Seit<br />

2002 fördert der Bund im Projekt „Stadtumbau<br />

Ost“ ihren Abriss. 300 000 Wohnungen<br />

sind schon verschwunden. „Wenn das Kleid<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© Joanna Nottebrock


© Fritz Stockmeier<br />

zu groß wird, muss man Abnäher einsetzen,<br />

um attraktiv zu bleiben“, sagt Heike Liebmann<br />

vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung<br />

und Strukturplanung. „Wichtiger als der Abriss<br />

ist aber die Frage nach den zukunftsfähigen<br />

Bereichen.“<br />

Nicht immer lässt sich vorausplanen, welche<br />

Stadtteile das sind. Das kommt ganz auf die<br />

Menschen an, die dort leben. In Leipzig verwandelten<br />

Anwohner entstehende Freiflächen<br />

in Nachbarschaftsgärten und Abenteuerspielplätze.<br />

Junge Menschen schützten Gebäude<br />

aus der Gründerzeit vor dem Verfall. In Absprache<br />

mit den Eigentümern gründeten sie<br />

Vereine und stellten die Räume Künstlern und<br />

Initiativen zur Verfügung. „All denen, die nie<br />

genug Fläche für ihre Ideen haben“, sagt die<br />

Stadt- und Raumplanerin Heike Liebmann.<br />

Mit diesen „Wächterhäusern“ geschah das vor<br />

einigen Jahren noch Undenkbare: „Die Pioniere<br />

haben in Leipzig mittlerweile vom Verfall<br />

bedrohte Quartiere entwickelt und aufgewertet.“<br />

Heute zieht die Stadt viele junge Künstler<br />

an und wächst wieder.<br />

Wertvolles Miteinander<br />

Erwartungsgemäß entleeren sich kleine und<br />

entlegene Orte schneller und überaltern, erklärt<br />

Steffen Kröhnert vom Berlin-Institut. Die<br />

Entwicklung ist kaum aufzuhalten. Trotzdem<br />

bleiben manche Dörfer überraschend stabil<br />

und das liegt offenbar auch hier am Engagement<br />

der Menschen. „Wir haben die Vereinsdichte<br />

erhoben“, sagt der Sozialwissenschaftler.<br />

„Stabile Dörfer haben mehr Vereine als die<br />

stark schrumpfenden. Man kann also sicher<br />

davon ausgehen, dass aktive Bürger zur Attraktivität<br />

eines Ortes beitragen.“<br />

Die stabilen Dörfer kann und sollte man politisch<br />

stärken, meint Steffen Kröhnert, und<br />

schrumpfenden Regionen finanzielle Budgets<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

TITEL<br />

50+: A Country Getting On in Years<br />

Germany’s population is on the decline and getting older<br />

As the world’s population continues to grow, Germany’s population numbers<br />

are decreasing, and the number of its old people is on the rise. According to<br />

the latest projections, Germany is expected to shrink by some 17 million inhabitants<br />

by 2060. By then, every third German will be over the age of 65. This<br />

means major changes for German society. The educational system must be<br />

reoriented as young people become fewer. Health care for Germany’s aging<br />

population calls for new ideas. And as the working world increasingly depends<br />

on older employees, society’s conceptions of age will change. One thing is<br />

clear: where people join forces and tackle this development, even cities and<br />

communities with vacant buildings can remain sustainable places to live.<br />

für die Infrastruktur ohne Zweckbindung zur<br />

Verfügung stellen. „Dann können lokal gewählte<br />

Vertreter entscheiden, wofür sie das<br />

Geld einsetzen“, sagt Kröhnert. Wird die vierspurige<br />

Straße gebaut, weil sie gefördert wird,<br />

oder lieber in einen Schulbus investiert? Mehr<br />

Verantwortung für die eigene Entwicklung<br />

und damit auch mehr Handlungsspielraum<br />

könnte in strukturell schwachen Regionen ein<br />

Weg in die Zukunft sein.<br />

Schwester Agnes<br />

Eine der größten Herausforderungen ist in<br />

ausgedünnten Regionen die medizinische<br />

Versorgung. Denn wenn Hausärzte in den<br />

Ruhestand gehen, fehlen junge Nachfolger.<br />

In Mecklenburg-Vorpommern erprobt das Gesundheitsministerium<br />

seit 2005 zusammen<br />

mit der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald<br />

ein neues Modell: die „Gemeindeschwester<br />

AGnES“. Eine pfiffige Abkürzung für ein<br />

Unternehmen mit umständlichem Namen: die<br />

„Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Healthgestützte,<br />

Systemische Intervention“. Kurz:<br />

Eine ausgebildete Krankenschwester vor Ort<br />

betreut die Patienten, hat einen Computer<br />

dabei und steht über Bild und Ton zur Not<br />

mit dem Arzt in Verbindung. Die Idee macht<br />

Schule. Andere Bundesländer starten ähnliche<br />

Projekte.<br />

Für den selbstbestimmten Alltag auch im<br />

hohen Alter tut sich indes ein neuer Markt<br />

Zukunftsfähig: Alt und Jung wohnen unter einem Dach in München/Riem<br />

© picture-alliance/Sueddeutsche<br />

13


14 TITEL<br />

100-Jährige<br />

90<br />

80<br />

70<br />

1910 2050 (Prognose)<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

500 500<br />

auf. „Ambient Assisted Living“ oder kurz AAL<br />

heißt das Stichwort, unter dem sich die technische<br />

Entwicklung den Bedürfnissen im Alter<br />

zuwendet: Fußböden zum Beispiel, die in der<br />

Hausarztpraxis Signale auslösen, wenn ein<br />

Mensch längere Zeit auf ihnen liegt.<br />

Auf ein besonderes Krankheitsrisiko des<br />

Alterns muss sich nicht nur das Gesundheitssystem<br />

einstellen, sondern die ganze<br />

Gesellschaft: Demenz. 2050 wird von den<br />

90-Jährigen voraussichtlich jeder Dritte geistig<br />

verwirrt sein. „Pflegeheime für alle, die von<br />

Demenz betroffen sind – das wird nicht funktionieren“,<br />

sagt Reiner Klingholz. Im sächsischen<br />

Hoyerswerda kommen schon heute auf<br />

100 000 Einwohner 2 190 Demenzkranke. Die<br />

Versorgung in Pflegeheimen überfordert viele<br />

Kommunen. Noch ist nicht klar, was zu tun ist.<br />

„Wir müssen eine Kultur schaffen, in der das<br />

zivilgesellschaftliche Engagement sehr viel<br />

normaler wird als heute“, sagt der Demograf<br />

Künftig länger im Beruf: Heute ist bei jedem Zweiten<br />

meist schon mit 55 Jahren Schluss<br />

Alterskurve: 1910 gab es 100 000<br />

70-Jährige in Deutschland – 2050<br />

werden es voraussichtlich 800 000<br />

sein<br />

Altersstruktur der deutschen Bevölkerung<br />

in Tausender-Angaben<br />

und appelliert an mehr menschliche Nähe,<br />

um herumirrende Personen in den Alltag zu<br />

integrieren. Polizisten, Bankangestellte oder<br />

Kassierer in Kaufhäusern, die erkennen, wenn<br />

ein Mensch den Überblick verloren hat und<br />

Angehörige anrufen, sind wichtig. „Es geht<br />

nicht um Engagement nur aus Mitleid“, sagt<br />

Klingholz. „Der respektvolle Umgang mit alten<br />

dementen Menschen erfordert zunächst, dass<br />

die Gesellschaft das Alter an sich aufwertet.“<br />

Den Silberschatz heben<br />

Alter und Erfahrung gewinnen für die Arbeitswelt<br />

zentrale Bedeutung. Wo junge Ärzte<br />

fehlen, sorgen sich auch Betriebe um den<br />

Nachwuchs. Viele Unternehmen klagen, dass<br />

sie Ausbildungs- und Arbeitsplätze nicht besetzen<br />

können, weil die Altersgruppe der Erwerbstätigen<br />

ab 20 Jahre so stark abnimmt.<br />

Deutschland hat in Europa die wenigsten Jugendlichen<br />

unter 18 Jahre – nur 16,5 Prozent<br />

der Bevölkerung. In Island sind es dagegen 25<br />

Prozent. Wie sich das deutsche Bildungssystem<br />

auf schrumpfende Schüler- und Studierendenzahlen<br />

einstellt, ist völlig offen. „2014 wird<br />

© picture alliance/ZB<br />

die letzte große Welle von Studierenden an den<br />

Hochschulen landen. Danach sind die Zahlen<br />

rückläufig“, sagt Professorin Victoria Büsch,<br />

Vizepräsidentin der privaten SRH Hochschule<br />

Berlin. Für die Arbeitswelt sei es umso wichtiger,<br />

den Silberschatz zu heben. Gemeint sind<br />

ältere Menschen mit silbergrauem Haar. Die<br />

für Bewerbungen häufig gesuchten Eigenschaften<br />

„fit, flexibel und dynamisch“ scheinen<br />

auf sie nicht zuzutreffen – doch das sind<br />

Klischees. „Stereotype Altersbilder müssen<br />

sich ändern“, so Bürsch.<br />

Falsch sei zum Beispiel die Annahme, dass<br />

die Leistungsfähigkeit im Alter generell abnimmt.<br />

Die Vorstellung basiere auf einer statistischen<br />

Verzerrung, erklärt die Volkswirtin.<br />

„Diese Entwicklung trifft jedoch für 70 Prozent<br />

der Berufstätigen nicht zu.“ Im Gegenteil:<br />

Studien zeigen, dass die Leistungsfähigkeit<br />

sogar vielfältiger wird, je älter die Menschen<br />

sind.<br />

Solche Informationen kommen bei den Personalleitern<br />

vieler Unternehmen gut an. Sie werden<br />

zunehmend aktiv beraten – zum Beispiel<br />

vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

im Rahmen des Programms „Perspektive<br />

50plus“. Im Demografie Netzwerk tauschen<br />

sich Unternehmen aus. Es geht um Weiterbildung,<br />

Gesundheit oder Arbeitsplatzgestaltung<br />

für Ältere. Einige schreiten mit guten Ideen<br />

voran: Das Kreditinstitut Ing-DiBa bildet im<br />

Projekt „Azubis 50+“ gezielt Menschen über<br />

50 Jahre aus. Der Autobauer BMW ermöglicht<br />

älteren Arbeitnehmern die Gestaltung ihres<br />

Arbeitsplatzes. Der neue Bundesverband Initiative<br />

50Plus tritt auch an, um die Potenziale<br />

dieser Generation stärker ins Licht zu rücken.<br />

Nur die älteren Bewerber und Arbeitnehmer<br />

selbst können den Wandel auf dem Arbeitsmarkt<br />

noch nicht ganz glauben. „Ihnen fehlt<br />

die Wertschätzung der eigenen Fähigkeiten“,<br />

sagt Victoria Büsch. Doch auch hier wird die<br />

deutsche Gesellschaft wohl mit fortschreitendem<br />

Alter dazulernen.<br />

www.berlin-institut.org/online-handbuchdemografie<br />

Bettina Mittelstraß<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© Jens Koenig/STOCK4B


100+<br />

Aussicht auf ein sehr langes Leben<br />

Interview mit Gabriele Doblhammer-Reiter, Direktorin des<br />

Rostocker Zentrums zur Erforschung des Demografischen Wandels<br />

und des Doktorandenprogramms „Demo-Doc“<br />

Wir werden immer älter. Aber geht das immer<br />

so weiter? Wie gut sind die Berechnungen?<br />

Welche Konsequenzen ergeben sich<br />

aus ihnen? Antworten liefert das Rostocker<br />

Zentrum zur Erforschung des Demografischen<br />

Wandels. Hier wird internationale<br />

Forschung zu Ursachen und Folgen der<br />

Veränderungen gebündelt.<br />

Wie zuverlässig sind<br />

derzeit die Voraussagen zur<br />

Bevölkerungsentwicklung?<br />

Prognosen spiegeln die Annahmen wider,<br />

die man der Berechnung zugrundelegt. Wie<br />

werden sich Lebenserwartung, Fertilität<br />

und Migration in Zukunft entwickeln? Wir<br />

Demografen haben den Anstieg der Lebenserwartung<br />

unterschätzt. Außerdem haben<br />

wir angenommen, dass die durchschnittliche<br />

Kinderzahl in Deutschland höher sein würde,<br />

als sie heute ist. Die Migration kann man fast<br />

nicht voraussagen, da sie politisch gesteuert<br />

wird. Wir liegen oft ziemlich schlecht mit<br />

unseren Prognosen. Aber sie sind besser als<br />

Prognosen über die Entwicklung der Wirtschaft.<br />

Denn in der gegenwärtigen Bevölkerungsstruktur<br />

steckt bereits viel Information<br />

über die Zukunft.<br />

Wie alt können wir noch werden?<br />

Jedes zweite heute in den Industrieländern<br />

Neugeborene wird seinen 100. Geburtstag erreichen.<br />

Es gibt schon jetzt immer mehr 100-<br />

bis 110-Jährige. Das ist ein Phänomen der<br />

vergangenen 30 Jahre. In Frankreich, Japan<br />

oder Spanien ist dieser Trend noch stärker als<br />

in Deutschland.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

Ab wann ist ein Mensch eigentlich „alt“?<br />

Die bisherigen Altersstrukturen verlieren<br />

an Bedeutung: bis hier ist man jung, dann<br />

mittelalt und dann alt. Das kann man aufgrund<br />

der steigenden Lebenserwartung nicht<br />

mehr definieren. Damit lockern sich auch<br />

die Rollen, die wir im Laufe unseres Lebens<br />

einnehmen. Die Menschen leben immer<br />

länger gesund und fit. Demografen sprechen<br />

davon, dass sich die Alterung hinausschiebt,<br />

und berechnen deshalb das Alter neu. Wir<br />

gehen nicht mehr vom Zeitpunkt der Geburt<br />

aus, um zu sagen, wie alt ein Mensch ist. Fixpunkt<br />

ist jetzt der Zeitpunkt des Todes: Wie<br />

viele Jahre hat ein Mensch noch zu leben?<br />

Wie weit ist es bis dahin? Dann sieht man:<br />

Heute hat ein 70-Jähriger noch so viele Jahre<br />

zu leben wie ein 60-Jähriger vor 50 Jahren.<br />

Wie verändert sich der Arbeitsrhythmus in<br />

einer alternden Gesellschaft?<br />

Das ist die Frage: Mit 25 die Ausbildung<br />

abschließen und bis 65 arbeiten wie bisher?<br />

Und was soll man in den restlichen 35 Jahren<br />

tun? Nichts? Der bislang übliche hintereinandergestaffelte<br />

Lebensweg wird nicht mehr<br />

funktionieren. Die Übergänge zwischen den<br />

einzelnen Lebensphasen und damit auch zur<br />

Rente müssen fließender werden. Wer will,<br />

sollte bis zum 75. Lebensjahr oder länger<br />

arbeiten können. Deutschland ist diese Herausforderung<br />

in letzter Zeit politisch aktiv angegangen,<br />

hat das Eintrittsalter in die Rente<br />

angehoben und das Auszahlungsniveau der<br />

Renten reduziert. Das muss man tun, wenn<br />

man mit einer alternden Gesellschaft umgehen<br />

will. Da sind wir weiter als viele andere<br />

europäische Länder.<br />

www.rostockerzentrum.de<br />

Das Gespräch führte Bettina Mittelstraß.<br />

© privat<br />

Demo-Doc<br />

TITEL<br />

Multinational PhD Programme<br />

The University of Rostock, in cooperation with<br />

the Max Planck Institute for Demographic<br />

Research Rostock (MPIDF), launched the new<br />

PhD programme “Demo-Doc” in 2011. Demo-<br />

Doc is funded by <strong>DAAD</strong> as part of its “International<br />

promovieren in Deutschland” (IPID<br />

– International doctoral studies in Germany)<br />

programme. PhD candidates from partner universities<br />

in Sweden, Spain and Italy discuss<br />

their research on current demographic developments<br />

with their German colleagues. “Conceptions<br />

of age and the adaptation of social<br />

security systems to demographic shifts are key<br />

areas of interest for cross-cultural exchange,”<br />

says spokeswoman Nadja Milewski.<br />

www.demodoc.uni-rostock.de<br />

15


16<br />

NEUES VOM CAMPUS<br />

Bochum<br />

Deutsch-Türkischer Doppelmaster<br />

Deutsches, Türkisches und Internationales<br />

Wirtschaftsrecht – so heißt der neue gemeinsame<br />

Masterstudiengang der Ruhr-Universität<br />

Bochum und der Kültür Universität Istanbul.<br />

Derzeit sind sechs Studierende für das Programm<br />

eingeschrieben. Der Studiengang<br />

schließt mit einem Doppelmaster ab und richtet<br />

sich an junge Nachwuchsjuristen, die sowohl<br />

die deutsche als auch die türkische Sprache<br />

beherrschen und sich auf die deutsch-türkischen<br />

Beziehungen spezialisieren wollen.<br />

Ziel ist es unter anderem, ein Absolventen-<br />

Netzwerk aufzubauen, das künftig die Beziehungen<br />

der beiden Länder mitgestaltet.<br />

Die Lehrveranstaltungen finden an der<br />

Kültür Universität Istanbul statt und werden<br />

eigens für die Studierenden des Programms<br />

angeboten. Regelmäßige Vorträge von Referenten<br />

aus Wirtschaft, Wissenschaft und<br />

Politik sowie ein dreimonatiges Praktikum<br />

in Deutschland oder der Türkei runden den<br />

Lehrplan ab. Gefördert wird der Studiengang<br />

von der Stiftung Mercator. Diese vergibt Stipendien,<br />

die die Studiengebühren abdecken.<br />

Studienbeginn ist jeweils der 15. September.<br />

Münster<br />

30 Millionen Euro für die Lehre<br />

„Entweder regnet es, oder die Kirchenglocken<br />

läuten.“ Dieses gern zitierte Klischee über die<br />

Stadt Münster wird jetzt erweitert: „Modernste<br />

Lehre in altehrwürdigen Mauern“ – das ist<br />

ab sofort Realität in der Universität. Die Hochschule<br />

erhält rund 30 Millionen Euro zur Verbesserung<br />

der Lehre.<br />

In den nächsten fünf Jahren wird das Geld<br />

in 22 Professorenstellen und in zahlreiche Arbeitsplätze<br />

für wissenschaftliche Mitarbeiter<br />

investiert. Auch soll die Anzahl der Tutorien<br />

Pionier: Johann Christian August Heinroth<br />

war 1811 der erste Professor für<br />

Universitäts psychiatrie weltweit<br />

und Repetitorien erhöht werden. Darüber hinaus<br />

baut die Universität die Beratungsstellen<br />

aus und gründet mit dem „Teach Tank“<br />

ein Zentrum für Hochschullehre. „Dort gibt<br />

es spezielle Weiterbildungskurse für Nachwuchswissenschaftler.<br />

Wer 120 Einheiten<br />

absolviert hat, erhält ein Zertifikat“, erklärt<br />

Professor Regina Jucks, wissenschaftliche Leiterin<br />

des Zentrums.<br />

Das Fördergeld stammt aus dem Qualitätspakt<br />

Lehre, in den die Bundesregierung bis<br />

2020 zwei Milliarden Euro investiert. Die<br />

Universität Münster erhält den größten Anteil<br />

des Budgets. Seit Beginn des Wintersemesters<br />

werden deutschlandweit 111 Hochschulen unterstützt.<br />

Diese mussten zuvor ein Konzept<br />

einreichen, wie sie die Fördergelder verwenden<br />

wollen. Über die nächsten Anträge wird<br />

im Dezember 2011 entschieden, dann gibt es<br />

einen positiven Schub für die Lehre im Sommersemester<br />

2012.<br />

© fotosol/imagebroker/Okapia<br />

© Haack/Wikipedia<br />

Leipzig<br />

200 Jahre Lehrstuhl für Psychiatrie<br />

Der weltweit erste Lehrstuhl für Psychiatrie<br />

feiert seinen 200. Geburtstag: Im Oktober 1811<br />

erhielt Johann Christian August Heinroth den<br />

Ruf auf den Lehrstuhl für Psychische Therapie<br />

an der Universität Leipzig. Damit war der Mediziner<br />

und Philosoph der erste Hochschullehrer<br />

in diesem Fachgebiet.<br />

Die Berufung Heinroths kennzeichnet den<br />

Beginn der Universitätspsychiatrie: Heinroth<br />

erkannte, dass psychiatrische Krankheiten Erkrankungen<br />

wie andere auch sind. Er setzte<br />

sich dafür ein, dass sie in der medizinischen<br />

Lehre, Forschung und der Versorgung der<br />

Patienten berücksichtigt werden. Allerdings<br />

wurde seine Erkenntnis an Orten erst nach<br />

Jahren berücksichtigt. Weitere Lehrstühle für<br />

Psychiatrie entstanden erst 30 Jahre nach<br />

Heinroths Berufung oder noch später.<br />

Berlin<br />

Internet und Gesellschaft<br />

Verändert das Internet die Gesellschaft? Welche<br />

Auswirkungen hat es auf unser Zusammenleben?<br />

Diesen Fragen will ein neu gegründetes<br />

Institut in Berlin nachgehen: Das „Alexander<br />

von Humboldt Institut für Internet und<br />

Gesellschaft“ erforscht die Wechselwirkungen<br />

zwischen Internet und Gesellschaft. Einen<br />

Forschungsschwerpunkt bilden die gesellschaftlichen<br />

Konsequenzen, die die weltweite<br />

Vernetzung von Informationen mit sich bringt.<br />

Finanziert wird das Institut in den nächsten<br />

drei Jahren vom US-Internetkonzern Google<br />

mit insgesamt 4,5 Millionen Euro. Trotz dieser<br />

Unterstützung sei die Einrichtung unabhängig,<br />

betonen Forscher und Unternehmen.<br />

Daher wird auch die Forschungsergebnisse<br />

unabhängig publiziert. Mit anderen Worten:<br />

Kein Forschungsergebnis werde Google vorab<br />

zur Freigabe vorgelegt.<br />

Gründungsgesellschafter des Instituts sind<br />

die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität<br />

der Künste Berlin und das Wissenschaftszentrum<br />

Berlin für Sozialforschung.<br />

Das Hamburger Hans-Bredow-Institut ist integrierter<br />

Kooperationspartner.<br />

Besser lehren – besser lernen:<br />

Uni Münster gründet „Teach Tank“<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Osnabrück<br />

Selbstständige Roboter<br />

Ein Roboter, der selbstständig plant und entscheidet? Ein solcher Automat<br />

soll bald Wirklichkeit werden. In Osnabrück wurde jetzt eine<br />

Außenstelle des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz<br />

eröffnet. Das neue Institut befasst sich unter anderem mit<br />

der Interpretation von Sensordaten. „Roboter sollen in Zukunft ihre<br />

Umgebung wahrnehmen, daraus Schlüsse ziehen und entsprechend<br />

vorgegebenen Regeln ihre Handlungen selbstständig planen“, erklärt<br />

der wissenschaftliche Leiter Professor Joachim Hertzberg. Die Computersysteme<br />

sollen zum Beispiel in Mähdreschern eingesetzt werden,<br />

die das Getreide automatisch abernten und zum Transporter liefern.<br />

Durch die Außenstelle gewinnt die Universität Osnabrück einen<br />

attraktiven Forschungspartner. Regionale Unternehmen hoffen, von<br />

den Technologien des Instituts zu profitieren. Diese sollen vor allem<br />

in der Landmaschinentechnik und in der Elektromobilität eingesetzt<br />

werden.<br />

Tübingen<br />

Studienanfänger in Islamischer Theologie<br />

An der Universität Tübingen haben mit dem laufenden Wintersemester<br />

24 Studierende ihr Studium der Islamischen Theologie aufgenommen.<br />

Der Bachelorstudiengang dauert acht Semester und verbindet<br />

das Theologiestudium mit geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen<br />

Aspekten. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit der<br />

religiösen Glaubenspraxis und deren Vermittlung.<br />

Ergänzend zum Bachelorstudiengang will die Universität bald auch<br />

ein Masterprogramm sowie ein Lehramtsstudium anbieten. Damit<br />

trägt sie dem wachsenden Bedarf an islamischen Religionslehrern<br />

Rechnung: Bis zu 2 000 Lehrer werden in den nächsten Jahren für<br />

rund 700 000 muslimische Schüler benötigt, schätzt das Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung. Der Islam ist die größte nichtchristliche<br />

Glaubensgemeinschaft in Deutschland. Weitere islamische<br />

Zentren befinden sich an den Universitäten Münster, Frankfurt und<br />

Erlangen-Nürnberg.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

Bei jedem Wetter:<br />

Ein Roboter aus<br />

Osnabrück geht<br />

seinen Weg<br />

Excellence in<br />

Management<br />

Education<br />

© DFKI<br />

Study in<br />

Germany.<br />

Experience<br />

the world.<br />

Full-time MBA at WHU<br />

<strong>Neue</strong>s aus dem Netz<br />

HOCHSCHULE 17<br />

+++ Vokabeltrainer: Auf dem Online-Sprachportal<br />

Gengo kann man individuell Vokabeln<br />

und Sprachübungen einpflegen und trainieren.<br />

Teilnehmer eines Sprachkurses können<br />

außerdem Aufgaben austauschen und sich<br />

vernetzen.<br />

www.gengo.de<br />

+++ App aufs Handy: Studierende der Uni<br />

Hohenheim können sich jetzt alle wichtigen<br />

Informationen rund um Veranstaltungen und<br />

Mensaplan auf ihr Smartphone laden. Eine Besonderheit<br />

der App: Der integrierte Hörsaal-<br />

Finder zeigt den Weg durch die Gebäude.<br />

www.uni-hohenheim.de/app.html<br />

+++ LeibnizOpen: Die aktuellen Forschungsergebnisse<br />

von allen 87 Leibniz-Instituten<br />

können auf dem Internetportal LeibnizOpen<br />

nachgelesen werden. Dort sind mehr als 9 000<br />

Texte aus den Gebieten Bildungswesen und<br />

Erziehung, Informatik, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften<br />

zu finden. Der Zugang<br />

ist gratis, eine Registrierung ist nicht nötig.<br />

www.leibnizopen.de Franziska Collet<br />

General Management Program<br />

(12 months plus 3 months Master Thesis)<br />

W Start Date: March<br />

W Teaching language is English<br />

W Concentrations in: Advanced Finance & Accounting,<br />

Marketing & Sales, Leadership & Personal Development,<br />

Operations, Innovation & Entrepreneurship, Strategy & Organization<br />

W International modules in the US, India & China included<br />

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18<br />

HOCHSCHULE<br />

Bauen mit Weitblick<br />

Hochschulen sind in Deutschland beim Thema „nachhaltiges Bauen“ Vorreiter<br />

Der Gedanke der Nachhaltigkeit bestimmt<br />

heute weltweit die Gestaltung von Lebensraum.<br />

Es geht dabei vor allem um erneuerbare<br />

Energien und ein auf lange Sicht<br />

friedliches und produktives Miteinander<br />

der Menschen. Moderne Hochschularchitektur<br />

in Deutschland macht sich auf diesen<br />

Weg.<br />

Es soll ein Ort der Begegnung werden: Ein<br />

offenes Foyer und großzügige Freitreppen<br />

verbinden die Ebenen. Die Tische der Bibliothek<br />

sind am Fenster angeordnet, die Hörsäle<br />

haben Tageslicht. Egal wo die Studierenden<br />

sitzen, immer haben sie einen Blick ins Grüne.<br />

2012 soll das neue Hörsaal- und Medienzentrum<br />

auf dem Campus Lichtwiese der Technischen<br />

Universität (TU) Darmstadt fertig sein.<br />

Der Architekt Ferdinand Heide, selbst TU-Absolvent,<br />

hat sich viel einfallen lassen, damit<br />

das Leben auf dem Campus angenehm und<br />

inspirierend wird. Der Campus Lichtwiese soll<br />

zum grünen Campus werden und das Medienzentrum<br />

ein Vorbild für nachhaltiges Bauen.<br />

Nachhaltigkeit bedeutet, sich Gedanken darüber<br />

zu machen, welche Auswirkungen heutige<br />

Entscheidungen auf künftige Generationen<br />

haben und verantwortungsvoll mit den vorhandenen<br />

Ressourcen umzugehen. Beim Bauen<br />

heißt das zum Beispiel, Gebäude mit Solaranlagen<br />

auszustatten und Energie zu sparen,<br />

indem man Wände und Fenster gut abdichtet.<br />

Aber dabei dürfe es nicht bleiben, betont Peter<br />

Pfab, der in Bayern für den Hochschulbau<br />

zuständig ist: „Nachhaltiges Bauen heißt auch,<br />

ein Gebäude so zu entwerfen, dass sich die<br />

Menschen darin langfristig wohl fühlen.“<br />

„Gerade in der Wissenschaft ist der Austausch<br />

mit Kollegen der Schlüssel zum Erfolg“, sagt<br />

Peter Pfab. Daher werden an beiden Münchner<br />

Universitäten und am Zentrum für Demenzforschung<br />

in Großhadern zurzeit Laborlandschaften<br />

mit neuen Formen gebaut:<br />

Neben den Speziallaboren bieten große, verbundene<br />

Bereiche optimale Bedingungen zur<br />

Zusammenarbeit der Forscher. Zugleich laden<br />

gemütliche Nischen zum Nachdenken ein. Im<br />

Hochschulbau auf ökologische Aspekte Rücksicht<br />

zu nehmen, ist für Ministerialrat Pfab<br />

eine Selbstverständlichkeit. Das neue Chemie-<br />

Gebäude in Großhadern kann zum Beispiel<br />

auf Grund einer sehr guten Wärmedämmung<br />

auf Heizkörper verzichten und die im Innenraum<br />

entstehende Wärme nutzen. Auf allen<br />

bayerischen Uni-Dächern finden sich zudem<br />

Solarzellen. Dazu sind die Hochschulen verpflichtet.<br />

„Jetzt arbeiten wir daran, den CO2-<br />

Ausstoß drastisch zu reduzieren“, berichtet<br />

Pfab.<br />

Sozial und ökologisch<br />

Ganz ohne CO2-Ausstoß geht es auch schon an<br />

deutschen Hochschulen. „Zero Emission University“<br />

wird der europaweit einzigartige Umwelt-Campus<br />

Birkenfeld der Fachhochschule<br />

Trier in Rheinland-Pfalz genannt. Modernste<br />

Technik sorgt für die emissionsfreie Energie-<br />

und Wärmeversorgung. Der Campus setzt um,<br />

was an der Fachhochschule in Forschung und<br />

Lehre zentral ist: der Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanke.<br />

2 350 Studierende leben auf<br />

dem Umwelt-Campus und auch hier ermöglicht<br />

und fördert die Architektur der Anlage<br />

den regen Austausch über Fachdisziplinen<br />

hinweg.<br />

Bibliothek der Zukunft<br />

Zu einer vorausschauenden Bauweise gehört<br />

auch, die zukünftige Nutzung einzelner Gebäudeteile<br />

zu bedenken. „Nachhaltig bauen<br />

bedeutet, sich darüber Gedanken zu machen,<br />

wie Bibliotheken in fünfzig Jahren aussehen<br />

könnten“, sagt Thorsten Schmidt, Baudirektor<br />

an der TU Darmstadt. „Vielleicht brauchen wir<br />

dann gar keine Bücherregale mehr, sondern<br />

nur noch digitale Lesegeräte.“ Deshalb ist in<br />

der neuen Bibliothek jede Fläche flexibel nutzbar:<br />

als Freihand-Magazin, als Lesesaal, als<br />

Büro oder als Seminarraum. Schon jetzt lobt<br />

die deutsche Hochschulrektorenkonferenz die<br />

TU Darmstadt als umfassendes Beispiel für<br />

„gute Praxis“.<br />

Nachahmer finden sich in Sachsen. Dort will<br />

die Architekturprofessorin Angela Mensingde<br />

Jong die Hochschule für Technik und Wirtschaft<br />

(HTW) Dresden zum „Sustainable Campus“<br />

umbauen. „Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit<br />

leisten, bevor der Mehrwert<br />

von nachhaltigen Konzepten erkannt wird.”<br />

Rat und Know-how holt sich Mensing bei den<br />

Treffen des „International Sustainable Campus<br />

Network“, dem international führende<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


© HCU<br />

Universitäten wie Yale, Harvard, Oxford, Cambridge<br />

und die ETH Zürich angehören.<br />

„Auch die HafenCity University in Hamburg<br />

hat für uns Vorbildfunktion“, sagt Angela<br />

Mensing-de Jong. Auf dem ehemaligen<br />

Hamburger Hafengelände wird gerade gebaut,<br />

wovon viele Hochschulen träumen. Direkt am<br />

Wasser entsteht der spektakuläre Neubau der<br />

HafenCity Universität (HCU), die seit 2006<br />

Vorbild Hamburg: Die HafenCity Universität wird<br />

nachhaltig gebaut und inspiriert andere Hochschulen<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© Ferdinand Heide Architekt BDA<br />

Anregende Lernatmosphäre: Der geplante<br />

Hörsaal der TU Darmstadt spart Energie und<br />

schafft Raum für Begegnungen<br />

alle architektonischen und bautechnischen<br />

Studiengänge Hamburgs zusammenfasst. Alle<br />

Fenster dreifach verglast, für Strom und Heizung<br />

werden Photovoltaik, Erd- und Sonnenwärme<br />

genutzt, es gibt eine windangetriebene<br />

Lüftungsanlage, das Licht geht nur an, wenn<br />

es dunkel und wirklich jemand im Raum ist,<br />

und zur Lüftung öffnen sich nachts automatisch<br />

die Fenster.<br />

Zugleich hat das Dresdener Architekturbüro<br />

Code Unique viel dafür getan, auch in Hamburg<br />

den sozialen Aspekt von Nachhaltigkeit<br />

zu berücksichtigen: Das Gebäude gliedert<br />

sich in zwei Teile, die durch eine transparente<br />

mehrgeschossige Halle vertikal und horizontal<br />

eng vernetzt sind. Café und Mensa sowie<br />

studentische Arbeits- und Seminarräume<br />

sind überwiegend in den schönsten Lagen am<br />

Wasser untergebracht. Die Räume lassen sich<br />

an unterschiedliche Bedürfnisse und Personenzahlen<br />

anpassen. Auditorium, Bibliothek,<br />

Galerie und Café stehen allen Bewohnern der<br />

HafenCity jederzeit offen. „Die Studierenden<br />

können ihre Studieninhalte am eigenen Gebäude<br />

erforschen und weiter entwickeln“,<br />

schwärmte Hamburgs Wissenschaftssenatorin<br />

Dr. Herlind Gundelach beim Baustart.<br />

Ökologischer Holzbau: Die Mensa Moltke<br />

in Karlsruhe steht als Modell auch im New<br />

Yorker Museum of Modern Art (MoMA)<br />

© Leon Schmidt/TU Darmstadt<br />

HOCHSCHULE 19<br />

Bei der Neuplanung des Campus Lichtwiese<br />

in Darmstadt denkt man noch einen Schritt in<br />

eine andere Zukunft. Unweit des neuen Hörsaal-<br />

und Medienzentrums entstand auch ein<br />

neues Kinderhaus. Die Universität öffnet sich<br />

für die Familien ihrer Mitarbeiter und Studierenden.<br />

„Beim Kinderhaus konnten wir auf<br />

geballte interne Kompetenz zurückgreifen“,<br />

sagt Thorsten Schmidt. Es wurde in Massiv-<br />

Holzbauweise gebaut – Böden und Wände und<br />

haben allergiesichere Oberflächen, die in Abstimmung<br />

mit den TU-Wissenschaftlern ausgewählt<br />

wurden. Das Holz schafft eine warme<br />

Atmosphäre, in der Kinder sich wohl fühlen<br />

und der wissenschaftliche Nachwuchs auch<br />

den eigenen gut aufgehoben weiß.<br />

Sarah Elsing<br />

Seminarraum unter Strom: Das preisgekrönte<br />

Solarhaus der TU Darmstadt spendet Schatten<br />

und Energie<br />

© Wikipedia


20<br />

ORTSTERMIN<br />

Kiel und Flensburg<br />

Meer, Wetter, Wind und mehr<br />

Die nördlichsten Universitätsstädte Deutschlands liegen direkt an der Ostsee.<br />

Das Meer war und ist hier oben das beherrschende Thema – auch für Forscher.<br />

Die Ostsee beginnt in Kiel und Flensburg<br />

mitten in der Stadt. Schmale Meeresbuchten<br />

reichen bis in die Zentren hinein. In beiden<br />

Städten verbreitet die „Förde“ ein maritimes<br />

Flair. Kiel, die Landeshauptstadt Schleswig-<br />

Holsteins, ist bekannt für die weltweit größte<br />

Segelsportregatta, die Kieler Woche. Der Hafen<br />

der 240 000 Einwohner zählenden Stadt und<br />

die internationale Schifffahrt vermitteln das<br />

Bild einer Metropole. Eher idyllisch wirkt dagegen<br />

Flensburg mit seiner weitläufigen Altstadt.<br />

Doch auch die 88 000-Einwohner-Stadt<br />

ist weltoffen: Sie liegt in Sichtweite der Grenze<br />

zu Dänemark und pflegt einen lebhaften<br />

Austausch mit den Nachbarn. Derzeit stellt die<br />

dänische Minderheit sogar den Bürgermeister.<br />

Land der Horizonte<br />

Etwa 8 000 Studierende leben in Flensburg. Die<br />

Fächerauswahl ist überschaubar; die Universität<br />

hat pädagogische und wirtschaftswissenschaftliche<br />

Schwerpunkte, die Fachhochschule<br />

technische. Im Kieler Studienverzeichnis reicht<br />

das Angebot so weit wie der Blick im „Land der<br />

Horizonte“ – so der Beiname Schleswig-Holsteins.<br />

An der fast 350 Jahre alten Christian-Albrecht-Universität<br />

(CAU), der Fachhochschule<br />

und der Muthesius-Kunsthochschule sind rund<br />

30 000 Studierende immatrikuliert.<br />

Stürmisches Wetter ist im Norden Deutschlands<br />

Alltag. Der Wind treibt nicht nur die<br />

vielen Sportsegler an: Er ist Energielieferant<br />

der Zukunft und daher zentrales Forschungsthema.<br />

Schleswig-Holstein gehört zu den führenden<br />

Windenergie-Regionen der Welt – und<br />

will diese Stellung noch ausbauen: Bis 2020<br />

sollen erneuerbare Energien die gesamte<br />

Stromversorgung decken.<br />

Wertvolles Wetter<br />

„Eine vollständig nachhaltige Energieversorgung<br />

ist in den nächsten Jahrzehnten weltweit<br />

möglich“, sagt Professor Olav Hohmeyer von<br />

der Universität Flensburg. Er ist Mitglied im<br />

Weltklimarat (IPCC). Am Flensburger Lehrstuhl<br />

für Energie- und Ressourcenwirtschaft<br />

leitet er Forschungsprojekte zur Umsetzung<br />

solcher Pläne: Wie kann das technologisch<br />

Mögliche ökonomisch realisiert werden?<br />

Gemeinsam mit der Fachhochschule bildet<br />

Hohmeyer sogenannte Change Agents aus:<br />

Wirtschaftsingenieure des internationalen<br />

Studiengangs „Energie- und Umweltmanagement“.<br />

„Sie setzen wichtige Veränderungen<br />

durch, indem sie nachhaltige technische Lösungen<br />

konzipieren, die am Markt umsetzbar<br />

sind“, sagt Hohmeyer. In diesem Bereich<br />

fördert der <strong>DAAD</strong> auch Masterstudierende<br />

Sailing City Kiel: Sportsegler aus der ganzen<br />

Welt treffen sich jedes Jahr auf der Kieler<br />

Woche zum Wettkampf<br />

aus Entwicklungsländern. Die Absolventen<br />

können international Spitzenpositionen in der<br />

nachhaltigen Energiewirtschaft besetzen.<br />

Der Ozean genießt vor allem am Forschungsstandort<br />

Kiel besondere Aufmerksamkeit:<br />

als Ort, an dem das Wetter gemacht wird, als<br />

Fundgrube ungenutzter Ressourcen und besonders<br />

als dem Klimawandel unterworfenes<br />

Ökosystem. „Die Weltmeere erleben derzeit<br />

einen dramatischen Wandel. Sie versauern<br />

durch den Eintrag von CO2 und werden überfischt“,<br />

erklärt Professor Martin Visbeck,<br />

stellvertretender Direktor des Helmholtz-Zentrums<br />

für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR) und<br />

Sprecher des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“<br />

in Kiel. „Wir untersuchen die Risiken<br />

und Chancen dieses Wandels.“ In dem von der<br />

Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten<br />

Netzwerk widmen sich Forscher verschiedenster<br />

Disziplinen dem Ozeanwandel:<br />

Ökonomen und Ökologen entwickeln Modelle<br />

zur Vermeidung der Überfischung, während<br />

Ozeanographen Meeresströmungen messen<br />

sowie modellieren und Geologen maritime<br />

Gashydrate aufspüren. Zugleich verbessern<br />

Informatiker die Simulation des CO2-Eintrags<br />

in den Ozean. Designer und Meeresforscher<br />

konzipieren unterdessen eine multimediale<br />

Ausstellung, die den Ozeanwandel an die<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Öffentlichkeit bringen soll. Möglich machen<br />

das die beteiligten Institute: sieben Fakultäten<br />

der CAU, die Muthesius Kunsthochschule, das<br />

außeruniversitäre Leibniz-Institut für Weltwirtschaft<br />

(IfW) sowie das GEOMAR.<br />

Das GEOMAR steht im Zentrum der Kieler<br />

Meeresforschung. Mit Schiffen der deutschen<br />

Forschungsflotte brechen die Wissenschaftler<br />

zu weltweiten Expeditionen auf. Von dieser<br />

maritimen Kompetenz profitieren auch Studierende<br />

der geowissenschaftlichen Fächer.<br />

Hier liegt die Kieler Uni in den Hochschulrankings<br />

ganz vorne. Das Spektrum reicht von<br />

der marinen Paläontologie über angewandte<br />

Geologie und Physik des Erdsystems, die Meeresbiologie<br />

und -chemie bis hin zu den marinen<br />

Geowissenschaften.<br />

Bei aller Liebe zum Meer spart Kiel nicht<br />

an Exzellenz auf anderen Gebieten. Im Forschungsschwerpunkt<br />

„Angewandte Lebens-<br />

Adressen online:<br />

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel –<br />

www.uni-kiel.de | Universität Flensburg<br />

– www.uni-flensburg.de | Fachhochschule<br />

Flensburg – www.fh-flensburg.de |<br />

Fachhochschule Kiel – www.fh-kiel.de –<br />

Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel<br />

(ab 2012) – www.geomar.de | Muthesius<br />

Kunsthochschule – www.muthesiuskunsthochschule.de<br />

| Kompetenzzentrum<br />

CEWind – www.cewind.de | Max- Planck-<br />

Institut für Evolutionsbiologie –<br />

www.evolbio.mpg.de<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© Landeshauptstadt Kiel/Thomas Eisenkrätzer<br />

© GEOMAR<br />

Wind and Sea<br />

wissenschaften“ an der CAU verfolgen Biologen,<br />

Mediziner, Agrar- und Ernährungswissenschaftler<br />

das gemeinsame Ziel, molekulare<br />

Prozesse in Menschen, Tieren und Pflanzen<br />

besser zu verstehen. Die Universität kooperiert<br />

dafür unter anderem mit dem Leibniz-<br />

Zentrum für Medizin und Biowissenschaften<br />

in Borstel und dem Max-Planck-Institut (MPI)<br />

für Evolutionsbiologie in Plön. Gefördert von<br />

der deutschen Exzellenzinitiative, konzentriert<br />

sich ein Teil dieser Forschungen auf<br />

neue Ansätze zur Bekämpfung chronischer<br />

Entzündungen.<br />

Rückenwind für mehr<br />

Die facettenreiche Expertise zieht Wissenschaftler<br />

und Studierende aus aller Welt nach<br />

Norden. Zum Beispiel Guy Martial Kenmoe aus<br />

Kamerun. Der 27-Jährige macht in Kiel den<br />

Bachelor in Elektrotechnik. „Anschließend<br />

ORTSTERMIN<br />

Flensburg and Kiel, both on the Baltic coast, are Germany‘s northernmost university towns. Wind and<br />

sea pervade not only the landscape, but also research. The higher education institutions in Kiel have<br />

bundled research on marine-related topics in the excellence cluster “Oceans of the Future”. The network<br />

also includes the non-university Leibniz Institute of Marine Sciences and the Kiel Institute for the<br />

World Economy. Emphasis on economics and engineering is characteristic of the University of Flensburg<br />

and Flensburg University of Applied Sciences. Flensburg plays an international role in research<br />

on sustainable energy sources, and wind power in particular brings engineers from all over the world<br />

to northern Germany.<br />

möchte ich mich in einem Masterstudium mit<br />

erneuerbaren Energien beschäftigen.“ Vor Augen<br />

hat er etwa den Master in „Wind Engineering“.<br />

Diesen Studiengang hat die Forschungsgenossenschaft<br />

CEWind eingerichtet. In der<br />

Genossenschaft vernetzen sich die Flensburger<br />

und Kieler Hochschulen sowie die Fachhochschule<br />

Westküste und die Nordakademie<br />

Elmshorn. Auch sie wollen damit den Wandel<br />

hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung<br />

vorantreiben. So viel Rückenwind bietet Wissenschaftlern<br />

in den norddeutschen Universitätsstädten<br />

einen sicheren Erfolgskurs.<br />

Christoph Mann<br />

Forschungscamp im offenen Ozean: Wie<br />

reagieren Lebensgemeinschaften im Meer<br />

auf den Anstieg von Kohlenstoffdioxid?<br />

21


22<br />

WISSENSCHAFT & WIRTSCHAFT<br />

Wenn die Chemie stimmt ...<br />

Kreative Ideen aus Universitätslaboren sind wertvoll für die Industrie<br />

Deutsche Chemie-Konzerne zählen zu<br />

den globalen Riesen. Trotz ausgezeichneter<br />

eigener Forschungslabore kooperieren<br />

sie häufig mit Hochschulen – zum<br />

gegenseitigen Vorteil. Ein Schlaglicht auf<br />

Forschungsverbünde im „Internationalen<br />

Jahr der Chemie“ der UNESCO.<br />

Viele Menschen denken bei Katalysator<br />

ans Auto. Ein Katalysator ist jedoch ein<br />

wichtiger Bestandteil von rund 80 Prozent<br />

aller Prozesse in der Chemie. Er wird gerne<br />

als Heiratsvermittler bezeichnet – er vermittelt<br />

zwischen zwei Molekülen, die nicht oder<br />

nur schwer miteinander reagieren. Wissenschaftler<br />

aus Industrie und Forschung suchen<br />

nach Katalysatoren, um chemische Prozesse<br />

zu optimieren oder neue zu finden, etwa um<br />

Abfallprodukte zu recyceln.<br />

Ein Beispiel ist CaRLa: Im Catalysis Research<br />

Laboratory des Chemie-Konzerns BASF und<br />

der Universität Heidelberg betreiben Postdoktoranden<br />

aus aller Welt Grundlagenforschung<br />

auf dem Gebiet der homogenen Katalyse<br />

– sie suchen also nach genau solchen<br />

Zauberformeln. Das Heidelberger Labor wurde<br />

im Mai 2005 gegründet. Mitinitiator war<br />

Peter Hofmann, Lehrstuhlinhaber Organische<br />

Chemie III der Universität. „Für uns ist die Zusammenarbeit<br />

mit der Industrie ein immenser<br />

Vorteil“, sagt er. „Nachwuchswissenschaftler<br />

können die gesamte Infrastruktur der<br />

BASF nutzen – und auch mal für einige<br />

Wochen einen Großversuch in<br />

den dortigen Labors durchführen.“ Das<br />

wird den derzeit 12 Postdocs leicht gemacht:<br />

Michael Limbach, Forscher der<br />

BASF vor Ort, organisiert die direkten<br />

Kontakte zum Unternehmen.<br />

Das Labor bearbeitet technologisch<br />

ungelöste Fragestellungen.<br />

„Grundlagenforschung braucht<br />

Zeit“, sagt Limbach. „Sie ist<br />

gemessen an den Erfolgsaussichten<br />

immer risikoreich und<br />

damit in einem universitären<br />

Umfeld optimal aufgehoben.“<br />

Die Industrie muss<br />

Forschungsprojekte aufgeben,<br />

wenn sie nicht nach einer gewissen Zeit wirtschaftlich<br />

sind – CaRLa hat einen deutlich<br />

längeren Atem. Sollte es zu einem patentierbaren<br />

Ergebnis kommen, gibt es eine klare<br />

Vereinbarung: Die BASF hat neun Wochen<br />

Zeit, das Patent anzumelden, danach sind<br />

die Forschungsergebnisse frei zur Publikation.<br />

So profitieren Unternehmen und Wissenschaft.<br />

Seit 2005 sind bereits 26 Patente<br />

zusammengekommen.<br />

Kooperationen wie diese ermöglichen es<br />

BASF darüber hinaus, Verbindungen zu vielversprechenden<br />

Nachwuchswissenschaftlern<br />

aufzubauen. „CaRLa hat unter Katalyseforschern<br />

einen sehr guten Ruf“, betont Limbach.<br />

„Wir erhalten Bewerbungen von promovierten<br />

Chemikern aus den weltweit führenden Arbeitskreisen<br />

in der homogenen Katalyse.“ Zudem<br />

finanziert die BASF eine Winter School,<br />

zu der die Arbeitskreise ihren jeweils besten<br />

Postdoc schicken können. Kehren die Gäste in<br />

ihre Heimat zurück, berichten sie von ihren<br />

Erfahrungen. So erhält CaRLa ständig mehr<br />

Bewerbungen. Neben der Winter School finanziert<br />

die BASF internationale Gastwissenschaftler,<br />

die mehrere Tage oder Wochen in<br />

Heidelberg arbeiten.<br />

Anspruchsvolle Produkte<br />

Für die deutschen Chemie-Unternehmen<br />

sind Kooperationen mit Hochschulen<br />

sehr wichtig. Dabei sind schon in<br />

den firmeneigenen Forschungslabors<br />

mehr als 40 000 Mitarbeiter tätig –<br />

und damit fast jeder zehnte Chemie-<br />

Beschäftigte. Die Forschungsaufwendungen<br />

lagen 2010 bei rund<br />

9,4 Milliarden Euro. Über fünf<br />

Prozent ihres Umsatzes steckt<br />

die Branche jedes Jahr in die<br />

Erforschung und Entwicklung<br />

neuer Produkte und Produktionsverfahren.<br />

Von den Innovationen<br />

profitieren andere Branchen<br />

wie der Fahrzeug- und Maschinenbau<br />

oder die Elektroindustrie. „Die Zahlen belegen<br />

unsere hohe Forschungsintensität“, sagt Gerd<br />

Romanowski, der für Forschung und Bildung<br />

zuständige Geschäftsführer des Verbandes der<br />

Chemischen Industrie (VCI). „Da die deutsche<br />

Chemie immer stärker auf wissenschaftlich<br />

anspruchsvolle Produkte setzen muss, wachsen<br />

die Anforderungen an die Qualifikation<br />

unserer Arbeitskräfte.“<br />

Über das Förderwerk<br />

„Fonds“ der Chemischen<br />

Industrie unterstützt der<br />

Verein deshalb chemische<br />

Grundlagenforschung<br />

sowie Projekte für den<br />

Chemieunterricht an<br />

Schulen. Mehr als elf<br />

Millionen Euro stellte<br />

der Fonds 2011 zum<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


„Internationalen Jahr der Chemie“ bereit.<br />

Die UNESCO hatte das Jahr unter das Motto<br />

„Leben ist Chemie“ gestellt. Damit sollten die<br />

Beiträge der Chemie zum Klimaschutz, zur<br />

Energie- und Gesundheitsversorgung sowie<br />

zur Ernährung veranschaulicht werden.<br />

Um ihre globale Rolle zu kräftigen, hat die<br />

deutsche Chemie-Industrie auch untereinander<br />

keine Berührungsängste – das zeigt das<br />

erfolgreiche Unternehmen Invite. Das Startup<br />

aus Leverkusen entstand als Joint Venture<br />

zwischen der Bayer Technology<br />

Services und<br />

der TU Dortmund aus<br />

einem von der Europäischen<br />

Union finanzierten<br />

Forschungsprojekt. 25 Partner<br />

aus Forschung und Industrie<br />

arbeiten unter Federführung<br />

von Bayer Technology Services<br />

an nachhaltigeren Herstellungsverfahren<br />

oder kurz: an<br />

der Fabrik der Zukunft. Sie<br />

soll Ressourcen schonen, den<br />

Energieverbrauch senken und<br />

Herstellungskosten minimieren.<br />

Invite erforscht und testet<br />

neue Produktionsverfahren in einem<br />

eigens dafür ausgerichteten Technikum<br />

– eine Mischung aus Labor und Produktionshalle.<br />

Die Forscher bauen Chemiefabriken<br />

nach einem Baukastenprinzip: Einzelne Produktionsschritte<br />

sollen standardisiert werden;<br />

die Apparate dafür werden in einem Container<br />

zusammengefasst. Die verschiedenen<br />

Container wiederum können dann flexibel<br />

kombiniert werden – eine effiziente Art, eine<br />

komplette Produktionskette aufzubauen.<br />

Schneller und besser sein<br />

Warum aber arbeitet ein forschungsstarkes<br />

Unternehmen überhaupt mit einer Hochschule<br />

zusammen? „Wir erhalten sehr viele neue<br />

Anregungen“, sagt Invite-Geschäftsführer<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

www.chemistry2011.org<br />

Thomas Bieringer, der zuvor bei Bayer beschäftigt<br />

war. „<strong>Neue</strong>, bahnbrechende Technologien<br />

können nicht von einer einzelnen<br />

Firma alleine realisiert werden. Wir stellen<br />

mit Invite eine Plattform zur Verfügung, auf<br />

der wir gemeinsam mit unseren Partnern aus<br />

Industrie und Hochschule neue und überlegene<br />

Standards für die Fabrik der Zukunft<br />

entwickeln können.“ Auch Bayer setzt darauf,<br />

Nachwuchstalente kennenzulernen. „Einige<br />

Doktoranden haben sicher gute Chancen, bei<br />

Bayer Karriere zu machen“, so<br />

Bieringer.<br />

Die deutsche Chemie-Industrie<br />

will ein großer Global Player<br />

bleiben – und Vorbild für andere<br />

Branchen sein. Nicht umsonst<br />

sagt Gerd Romanowski vom VCI:<br />

„Wir brauchen die besten Chemiker,<br />

die besten Physiker, die<br />

besten Ingenieure. Denn nur wer<br />

besser und schneller ist, kann im<br />

globalen Wettbewerb bestehen.<br />

Die Chemie wird dank ihrer engen<br />

Beziehungen zu Hochschulen<br />

ihren Beitrag dazu leisten!“<br />

Boris Hänßler<br />

WISSENSCHAFT & WIRTSCHAFT 23<br />

When the chemistry is right …<br />

Partnerships with institutes of higher education are very important for German<br />

chemicals companies. Their own research labs are staffed with over 40,000<br />

employees – this accounts for nearly 10 per cent of all employed chemists.<br />

In 2010, Germany’s chemicals companies spent some EUR 9.4 billion on<br />

research alone. And each year, they invest over five per cent of their revenues<br />

in researching and developing new products and manufacturing processes.<br />

The German chemicals industry not only wants to remain a major global<br />

player within the sector – it also wants to be a role model for other industries<br />

as well. As Gerd Romanowski from the German Chemical Industry Association<br />

puts it, “You have to be better and faster if you want to stay on top in<br />

the global marketplace. The chemicals industry already has a leg up on the<br />

competition thanks to its strong collaborative efforts with the universities.”


24 TRENDS<br />

© Fotolia<br />

Trendforscher gehen davon aus, dass die<br />

Erfolgsgeschichte weitergehen wird, allerdings<br />

anders als bisher. Das Auto verliert<br />

seine Bedeutung als Statussymbol, neue<br />

Formen der Mobilität werden sich entwickeln,<br />

allen voran das Car-Sharing.<br />

Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung.<br />

Ich glaube an das Pferd.“ Diese<br />

berühmte Aussage stammt vom deutschen<br />

Kaiser Wilhelm II. Der Kaiser hat sich geirrt,<br />

wie wir heute wissen. Das Automobil, das<br />

1886 von Carl Benz aus Karlsruhe als „Dreirädriger<br />

Motorwagen“ zum Patent angemeldet<br />

wurde, ist eine gigantische Erfolgsgeschichte.<br />

Insgesamt fahren rund eine Milliarde Automobile<br />

über unseren Planeten, damit besitzt<br />

statistisch gesehen jeder siebte Erdenbürger<br />

ein Auto.<br />

Autoindustrie schafft Arbeitsplätze<br />

In Deutschland ist die Begeisterung für das<br />

Automobil auch im Jahr seines 125-jährigen<br />

Geburtstags groß. Das Auto sei das liebste<br />

Kind der Deutschen, heißt es. Das ist sicherlich<br />

übertrieben, hat aber einen wahren Kern<br />

– wie der Ansturm von über 900 000 Besuchern<br />

auf der Internationalen Automobilmesse<br />

2011 in Frankfurt zeigte. Nach den Krisenjahren<br />

kaufen die Deutschen mehr Autos als<br />

Spannende Zukunft<br />

Das Automobil feiert<br />

seinen 125. Geburtstag<br />

jemals zuvor und die Automobilindustrie steigert<br />

ihre Exporte – im ersten Halbjahr 2011<br />

noch einmal um sechs Prozent. Vor allem in<br />

Schwellenländern wie China und Brasilien<br />

genießen Autos made in Germany höchstes<br />

Ansehen. Damit bleibt die Automobilindustrie<br />

weiterhin der Wirtschaftsmotor Nummer eins.<br />

Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt<br />

direkt oder indirekt am Fahrzeugbau.<br />

Aber wie lange noch? Die deutschen Autobauer<br />

konnten sich immer auf ihre Innovationskraft<br />

verlassen, auch heute setzen Mercedes,<br />

BMW und Co. die technologischen Maßstäbe,<br />

die andere Nationen gerne kopieren. Diese<br />

Vorherrschaft ist in Gefahr. Trendforscher<br />

warnen vor einem tiefgreifenden Wandel der<br />

Branche, den deutsche Unternehmen nicht<br />

verschlafen dürften. So steige der Wunsch<br />

nach kleinen Fahrzeugen, statt nach großen<br />

Limousinen. Ausgerechnet sie sind jedoch das<br />

Aushängeschild der deutschen Hersteller.<br />

Ein zweiter Megatrend ist das Elektroauto.<br />

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen<br />

im Jahr 2020 rund eine Million Elektroautos<br />

über deutsche Straßen rollen. Zum Vergleich:<br />

Zurzeit sind in Deutschland etwa 42 Millionen<br />

Autos zugelassen. Der Anteil an Elektroautos<br />

wäre damit immer noch gering. Dennoch<br />

ist das Ziel sehr ehrgeizig. Zum einen muss<br />

eine Infrastruktur zum Laden der Batterien<br />

125 Jahre …<br />

alt wird 2011 auch die Geschirrspülmaschine.<br />

Die Amerikanerin Josephine Cochran erfand<br />

den praktischen Haushaltshelfer und erhielt<br />

dafür am 28. Dezember 1886 als erste Frau<br />

ein Patent. Niedrige Lohnkosten verhinderten<br />

zunächst eine großflächige Verbreitung. In<br />

Europa hatte Deutschland die Nase vorn. Hier<br />

kam 1929 die erste massentaugliche Spülmaschine<br />

auf den Markt. Der Durchbruch erfolgte<br />

allerdings deutlich später: Erst in den 1960er<br />

und 1970er Jahren entwickelte sich das Gerät<br />

zum Verkaufsschlager.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


aufgebaut werden – eine deutlich anspruchsvollere<br />

Aufgabe als der Bau von herkömmlichen<br />

Tankstellen. Zum anderen müssen die<br />

Käufer das Elektroauto als vollwertiges Fortbewegungsmittel<br />

akzeptieren. Das ist schwierig,<br />

denn es gibt viele Vorurteile.<br />

So haben Elektroautos eine geringe Reichweite,<br />

die allerdings im Alltag fast immer genügt.<br />

Doch wer es gewohnt ist, mit einer Tankfüllung<br />

1 000 Kilometer weit zu fahren, wird<br />

150 Kilometer, die mit einer Batterieladung<br />

möglich sind, erst einmal nicht akzeptieren.<br />

Weil bei den Batterien aber keine großen Fortschritte<br />

in Sicht sind, werden reine Elektroautos<br />

zunächst wohl nicht zum Zuge kommen.<br />

Die nahe Zukunft gehört Hybridautos und<br />

Elektroautos mit kleinem Benzinmotor, der<br />

bei leerer Batterie die Reichweite verlängert.<br />

Der Opel Ampera ist das erste Model aus deutscher<br />

Produktion, das mit dieser Technologie<br />

auf den Markt kommt.<br />

Man kann aus der Not aber auch eine Tugend<br />

machen. Geringe Reichweiten spielen in<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

der Stadt keine Rolle, hier werden ohnehin nur<br />

kurze Entfernungen gefahren. Forscher glauben<br />

deshalb, dass sich die Mobilität verändert:<br />

Für große Strecken sind Bahn und Flugzeug<br />

besser geeignet, in der Stadt reichen kleine<br />

Wagen, die aber durchaus luxuriös ausgestattet<br />

sein können. „Viele Fahrzeughersteller<br />

entwickeln ganz neue Mikrocars für Europa“,<br />

sagt Vishwas Shanka vom Marktforschungsunternehmen<br />

Frost & Sullivan, das kürzlich<br />

eine Studie dazu veröffentlicht hat. Sieben der<br />

zehn weltgrößten Autohersteller planen demnach,<br />

bis 2013 in Europa ein Mikrocar auf den<br />

Markt zu bringen. Diese Autos sind nur zwischen<br />

2,50 und 3,50 Meter lang und werden<br />

überwiegend elektrisch angetrieben.<br />

Die eigentliche Revolution findet jedoch<br />

nicht in den Entwicklungslaboren statt, sondern<br />

in den Köpfen der Kunden. Der Hamburger<br />

Trendforscher Peter Wippermann sieht<br />

einen schleichenden Bedeutungsverlust des<br />

Automobils vor allem bei jüngeren Menschen.<br />

Das Auto als Statussymbol für Freiheit habe<br />

TRENDS<br />

ausgedient. „Junge Menschen definieren ihren<br />

Status und ihre Sehnsucht, Freiheit zu<br />

leben, eher über Kommunikationstools wie<br />

Smartphones oder Tablet-Computer“, so Wippermann.<br />

Tatsächlich zeigt eine Studie des<br />

Center of Automotive Management in Bergisch<br />

Gladbach, dass junge Menschen eher auf das<br />

eigene Auto verzichten würden als aufs Handy.<br />

Fernanwesenheit statt Mobilität, nennt<br />

Wippermann das – Facebook lässt grüßen.<br />

Der Einzug des Internets ins Auto könnte die<br />

Branche gehörig durcheinanderwirbeln und<br />

das Tor öffnen für neue Mitspieler wie Google<br />

oder Apple. Beide Firmen kooperieren bereits<br />

mit deutschen Automobilherstellern bei der<br />

Entwicklung von Internetangeboten im Auto.<br />

In Zukunft werden solche Telematikdienste einen<br />

immer größeren Anteil an der Wertschöpfung<br />

erhalten.<br />

Junge Menschen nutzen Car2Go<br />

Hinzu kommt – ungünstig für Autoverkäufer<br />

– das Prinzip „Nutzen statt Besitzen“, wie Peter<br />

Wippermann es nennt. Wegen der hohen<br />

Kosten und weil das Auto seine Funktion als<br />

Statussymbol verliert, werden Kunden künftig<br />

weniger Autos kaufen, sie jedoch häufiger<br />

mieten. Einige Autobauer sind deshalb in das<br />

Car-Sharing eingestiegen. Das Angebot fristet<br />

in Deutschland bisher ein Schattendasein. Die<br />

Daimler AG hat in Ulm mit Car2Go einen ersten<br />

erfolgreichen Versuch gestartet, bei dem<br />

Interessenten überall im Stadtgebiet spontan<br />

einen Smart mieten können. Eine App auf<br />

dem Handy zeigt an, wo freie Fahrzeuge stehen,<br />

geöffnet wird das Auto mit einem Siegel<br />

auf dem Führerschein. Kosten: 24 Cent pro<br />

Minute. Seit 2011 fahren auch Elektrosmarts<br />

durch Ulm und beweisen, dass Elektromobilität<br />

alltagstauglich ist. Bernd Müller<br />

25


26 EUROPA<br />

ERASMUS wird 25<br />

Gratulation an das europäische Mobilitätsprogramm<br />

2012 wird gefeiert: ERASMUS – das erfolgreiche<br />

Mobilitätsprogramm der Europäischen<br />

Union wird 25 Jahre alt.<br />

Seit 1987 haben europaweit rund 2,5 Millionen<br />

Studierende dank eines ERASMUS-<br />

Stipendiums ihre Heimathochschule verlassen<br />

und internationale Studienerfahrung<br />

gesammelt. Künftig soll der internationale<br />

Austausch verstärkt werden: Mit dem neuen<br />

Programm „ERASMUS für alle“ will die Europäische<br />

Kommission von 2014 bis 2020 bis zu<br />

fünf Millionen Menschen einen Auslandsaufenthalt<br />

während ihres Bildungswegs ermögli-<br />

© privat<br />

chen. Geplant ist außerdem, dass Studierende<br />

erstmals ein Darlehen für ihr Auslandsstudium<br />

beantragen können.<br />

„Der <strong>DAAD</strong> hat das ERASMUS-Programm<br />

von Beginn an in Deutschland verwaltet. Damit<br />

ist er die älteste und erfahrenste Nationale<br />

Agentur in Europa“, erklärt Siegbert Wuttig,<br />

Leiter der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit<br />

im <strong>DAAD</strong>. ERASMUS<br />

hat die Kooperation der Hochschulen in Europa<br />

selbstverständlich gemacht und gleichzeitig<br />

die Lebenswege vieler Studierender nachhaltig<br />

geprägt. Siegbert Wuttig weist auf die vielen<br />

internationalen Familien hin, die dank ERAS-<br />

MUS gegründet wurden: „Die Kinder dieser<br />

Alumni sind quasi Europäer von Geburt an.“<br />

Anlässlich des Jubiläums richtet der <strong>DAAD</strong><br />

unter anderem acht Regionalkonferenzen aus<br />

und veröffentlicht zwei Publikationen. In einer<br />

davon berichten Alumni, Hochschulmitarbeiter<br />

und Vertreter aus Politik und Wirtschaft<br />

über den Nutzen der ERASMUS-Erfahrung für<br />

ihren beruflichen Werdegang. Zum Jubiläum<br />

gab der <strong>DAAD</strong> bei der Deutschen Post eine besondere<br />

Briefmarke in Auftrag.<br />

Zwei von 400 000 ERASMUS-Alumni<br />

aus Deutschland im Porträt<br />

Jenny Maennl-Schorn<br />

Parlamentarische Assistentin in Brüssel<br />

Mit Anfang 20 reiste Jenny Maennl-Schorn<br />

mutterseelenallein nach Brüssel. Im Gepäck<br />

hatte sie eine Liste mit Wohnmöglichkeiten.<br />

Sie fand eine Unterkunft und sog das multikulturelle<br />

Leben der Stadt auf. Als sie endlich<br />

vor dem Europäischen Parlament und der<br />

Europäischen Kommission stand, wusste sie:<br />

„Hier will ich hin! Es war ein Traum, der sich<br />

festgesetzt hatte. Teil dieser Welt zu werden,<br />

wurde mein Ziel.“<br />

Die junge Frau studierte von 1995 bis<br />

1999 Übersetzung an der Universität Heidelberg.<br />

Währenddessen verbrachte sie als<br />

PORTOCARD INDIVIDUELL VIDU<br />

55<br />

ERASMUS-Stipendiatin ein Semester in Brüssel.<br />

Dort gefiel es ihr so gut, dass der Abschied<br />

schwer fiel: „Der Aufenthalt in Brüssel ließ<br />

sich über das eine Semester hinaus nicht<br />

verlängern. Ich ging zurück nach Heidelberg,<br />

aber mir fehlte etwas. Die Internationalität<br />

dieses Weltdorfes, in dem alle Kulturen und<br />

Sprachen aufeinandertreffen.“<br />

Jenny Maennl-Schorn wechselte an die Universität<br />

Bamberg, wählte im Studiengang<br />

Romanistik Politikwissenschaft hinzu und<br />

unterrichtete ERASMUS-Studierende. Nach<br />

Abschluss des Studiums arbeitete sie in der<br />

Wirtschaft, dann folgte sie ihrem Mann in die<br />

USA und nach Leuven. Dort lernte sie Niederländisch<br />

und wurde Parlamentarische Assistentin<br />

von Dr. Hans-Gert Pöttering, ehemaliger<br />

Präsident des Europäischen Parlaments und<br />

Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung.<br />

„Nun bin ich genau dort, wo ich hin wollte.<br />

Es war wie eine Heimkehr. Heute arbeite ich<br />

in Brüssel und lebe in meinem Beruf Internationalität.<br />

Täglich spreche ich verschiedene<br />

Sprachen und komme mit Menschen aus unterschiedlichsten<br />

Ländern zusammen.“<br />

Carsten Wilms<br />

Ständiger Vertreter der Deutschen Botschaft<br />

in Moldau<br />

„Skandinavien hat mich schon vor dem Studium<br />

fasziniert“, sagt Carsten Wilms. „Als Kind<br />

liebte ich Astrid Lindgrens Geschichten. Seit<br />

dem ERASMUS-Aufenthalt in Göteborg bin ich<br />

Skandinavien treu geblieben.“<br />

Mit Beginn des Jurastudiums an der Universität<br />

Mannheim lernte Carsten Wilms Schwedisch.<br />

Ein ERASMUS-Stipendium brachte ihn<br />

1994 nach Göteborg: „Für mich war es spannend,<br />

das skandinavische Rechtssystem kennenzulernen.<br />

Die Zeit in Schweden hat mir<br />

geholfen, das eigene Rechtssystem, die eigene<br />

Denkweise in einem anderen Licht zu sehen.<br />

Für mich war das eine wertvolle Erfahrung.“<br />

Nach dem Studium in Göteborg wechselte<br />

Carsten Wilms an die Universität Bonn, um<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Jubiläumsmarke: Sonderanfertigung<br />

im Auftrag des <strong>DAAD</strong><br />

neben Jura auch Skandinavistik zu belegen.<br />

Nach dem Abschluss wurde er wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Lehrstuhl für Skandinavistik<br />

und bewarb sich parallel beim Auswärtigen<br />

Amt. „Ich hatte Gefallen daran gefunden,<br />

neue Kulturen, andere Gesellschaften kennenzulernen.<br />

Als ich mich beim Auswärtigen Amt<br />

für die diplomatische Laufbahn interessierte,<br />

waren mein Schwedenaufenthalt und meine<br />

Sprachkenntnisse sicher von Vorteil. Meine<br />

ersten Auslandsaufenthalte führten mich nach<br />

Estland und Finnland. Drei Jahre im Ausland<br />

zu leben, dann wieder drei Jahre in Deutschland,<br />

das ist für mich genau richtig. Ich wandere<br />

nicht aus, lebe aber trotzdem ein international<br />

geprägtes Leben. Aktuell in Chis˛inău in<br />

der Republik Moldau.“<br />

Franziska Collet/Jens Schönlau/<br />

privat<br />

Sku:l communication ©<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

international<br />

Winter/Summer<br />

univerSity<br />

Kassel, Germany<br />

Hessen<br />

International<br />

Summer<br />

Universities<br />

Germany<br />

With the motto SuStainable environment | Cultural Heritage |<br />

Student Potential. We Care, the International Winter University<br />

[IWU] and the International Summer University [ISU] Kassel<br />

feature the strengths of the University of Kassel in environmental<br />

sciences and German language & culture.<br />

© fotolia.de<br />

Centrally located in the picturesque city of Kassel, where the<br />

Brothers Grimm collected the famous “Grimm’s Fairy Tales” and<br />

Arnold Bode initiated the world famous contemporary art<br />

exhibition “ documenta”, Uni Kassel holds some of the most<br />

significant cultural heritage in Germany and is therefore an ideal<br />

place for studying German language and culture.<br />

EUROPA<br />

Being a young and dynamic university founded in 1971, Uni Kassel<br />

also plays a leading role in environmental engineering in Germany<br />

through its active involvement in academic research and knowledge<br />

transfer. Graduates of the environmental science programs of<br />

the University have been movers and shakers of renewable energy<br />

development worldwide.<br />

IWU and ISU Kassel now invite students from around the world to<br />

personally experience the strength and uniqueness of Uni Kassel<br />

showcased in the intensive programs taught in English [optionally<br />

in German]. With an admission of around 60 students per program,<br />

it is the uniqueness of IWU and ISU that the visiting students are<br />

fully integrated into the local community. Students will be engaged<br />

not only in inspiring academic seminars, but also multifarious<br />

cultural and social activities. The joint efforts of the organizing<br />

teams, teaching staff, host families and tandem partners have<br />

constantly won the hearts and minds of the participants by taking<br />

care of the individual needs and potentials of the students.<br />

The <strong>DAAD</strong> quality seal awarded to IWU further speaks for the<br />

quality of the program.<br />

to find out more about iWu and iSu KaSSel, PleaSe folloW uS to:<br />

www.uni-kassel.de/iwu and www.uni-kassel.de/isu<br />

or email us: isu@uni-kassel.de.<br />

Anzeige<br />

27


28 RÄTSEL<br />

RÄTSEL<br />

WER WAR’S?<br />

Professor Grübler fragt<br />

Tiere begleiten sein Leben. Schon als Kleinkind bestaunt er den ausgestopften Papagei in der Wohnung einer Nachbarin.<br />

Gern füttert er Hühner und überlegt, wie man das Geflügel veranlassen könnte, mehr Eier zu legen. Da ist es<br />

naheliegend, dass er nach dem Abitur das Fach Tiermedizin studiert. Das Studium finanziert er unter anderem durch<br />

Artikel in Fachzeitschriften für Geflügelzucht.<br />

1933 erwirbt er den Doktorgrad mit einer Dissertation über die Arterien in Kopf und Hals der Hühner. Drei Jahre später<br />

legt er eine Habilitationsschrift über Qualitätsnormen bei Hühnereiern vor. Die Universität Berlin weist die Arbeit<br />

jedoch als „wissenschaftlich unzureichend“ ab. Erst 1960 erfüllt sich sein Traum von der Professur.<br />

Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits ein berühmter und bekannter Zoo-Direktor. Wie wohl keinem anderen Deutschen<br />

gelingt es ihm, Interesse für die Schönheiten Afrikas und seiner Tierbestände zu wecken. Sein Dokumentarfilm über<br />

den Tierreichtum Ostafrikas bekommt sogar einen „Oscar“. Er betont: „Die Erhaltung der letzten Zebraherden ist für<br />

die Menschheit genauso wichtig wie die Erhaltung der Akropolis oder des Petersdoms in Rom.“<br />

In diesem Rätsel geht es darum, unvollständige Hauptwörter sinnvoll zu ergänzen.<br />

Zu erraten sind jeweils der dritte und vierte Buchstabe eines Wortes. Die<br />

gefundenen Buchstaben-Paare ergeben – hintereinander gelesen – das Lösungswort.<br />

Es stammt aus der Welt des Sports und ist eine olympische Disziplin.<br />

1. EI LLE<br />

2. MA UNG<br />

3. NO R<br />

4. MA EFALLE<br />

5. BI ENKORB<br />

6. KA IUM<br />

7. ZW SCHGE<br />

8. QU STRASSE<br />

9. SA T<br />

10. KA MANN<br />

Lösungswort -<br />

Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne und fünf Trostpreise vergeben. Bei<br />

diesem Rätsel nehmen an der Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen und Lesern teil, deren<br />

Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige Adresse<br />

des Absenders angeben!<br />

DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />

Schreiben Sie das Lösungswort an t<br />

1. Duden – Die deutsche Rechtschreibung. Dudenverlag<br />

2. Die Lieblingsgedichte der Deutschen. Hrsg. von Lutz Hagestedt. Piper Verlag<br />

Dazu: Die Lieblingsgedichte der Deutschen. 100 Gedichte. 2 CD’s. Patmos Verlag<br />

3. Was wir heute wissen müssen. Von der Informationsflut zum Bildungsgut. Hrsg. von Joachim<br />

Mohr u.a. Deutsche Verlags-Anstalt München/Spiegel-Verlag Hamburg 2011<br />

4. Johann Sebastian Bach: Strange Beauty. Simone Dinnerstein (Klavier),<br />

Kammerorchester Staatsoper Berlin (1 CD)<br />

Bitte geben Sie mit der Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />

Unermüdlich kämpft er gegen Walfang, Elfenbeinhandel,<br />

Robbenschlachten, Legebatterien,<br />

das Tragen von Pelzmänteln, den<br />

Verzehr von Schildkrötensuppe. Geradezu<br />

legendär sind seine Auftritte im Fernsehen.<br />

Riesenwirbel löst seine zweite Ehe aus:<br />

Mit 69 Jahren heiratet er die Witwe seines<br />

Sohnes. Danach beantragt er die Adoption<br />

seiner beiden Enkelkinder und macht sie zu<br />

seinen Stiefsöhnen.<br />

Im Alter von knapp 78 Jahren stirbt er an<br />

Herzversagen: Der Tod ereilt ihn während<br />

eines Besuchs im Zirkus, gerade als die<br />

Tiger-Dressur zu Ende ist. Der Tier- und Afrikafreund<br />

hinterlässt ein Vermögen von rund<br />

27 Millionen Mark. Sein Urnengrab befindet<br />

sich in einem Wildpark in Tansania. Auf der<br />

Grabplatte steht in englischer Sprache, es<br />

sei besser, eine Kerze anzuzünden, als über<br />

die Dunkelheit zu jammern.<br />

Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />

Unter den richtigen Lösungen werden<br />

fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />

ist ausgeschlossen. Bitte wählen sie unter<br />

den links unten genannten Preisen.<br />

Senden Sie die Lösung an t<br />

!<br />

Redaktion <strong>DAAD</strong> Letter<br />

Trio MedienService GbR<br />

Chausseestraße 103<br />

10115 Berlin, Germany<br />

Fax: +49 30/85 07 54 52<br />

E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />

Einsendeschluss ist der<br />

10. März 2012<br />

Die Lösung und die Gewinner<br />

der vorigen Letter-Rätsel<br />

finden Sie auf Seite 42<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

SPRACHWERKSTATT<br />

Zwischen Traum und Wirklichkeit<br />

© picture-alliance/dpa<br />

Träume, Vorstellungen und Möglichkeiten<br />

werden im Deutschen mit dem Konjunktiv<br />

ausgedrückt. Bezogen auf Vergangenes wird<br />

er mit „hätte“ oder „wäre“ gebildet (hätte gelacht;<br />

wäre geblieben), in Bezug auf Gegenwärtiges<br />

und Zukünftiges mit „würde“ plus<br />

Infinitiv (würde bleiben) oder der einfachen<br />

Form (bliebe). Bitte wandeln Sie im Folgenden<br />

jeweils den Infinitiv in den Konjunktiv um.<br />

(Haben) ____ er eine weniger blühende<br />

Phantasie _____, (werden) _____ aus Karl<br />

May (1842–1912) vielleicht nie einer der<br />

meistgelesenen Autoren deutscher Trivialliteratur<br />

_____. Er (schreiben) _____ womöglich<br />

nicht über 70 Jugenderzählungen und<br />

Romane _____, seine Werke (erscheinen<br />

und verkauft werden) _____ nicht in vierzig<br />

Sprachen _____ und weltweit rund 200<br />

Millionen Mal _____ _____. Sein „Schatz im<br />

Silbersee“ (1889) und der vierteilige Roman<br />

um den Apachen-Häuptling Winnetou (1893;<br />

1910) (sein) _____ heute nicht berühmt.<br />

Karl May-Held: Schauspieler Pierre Brice als Als Carl Friedrich May wurde er in eine arme<br />

Häuptling Winnetou<br />

sächsische Weberfamilie hineingeboren.<br />

Seine Kindheit (sein können) _____ kaum<br />

entbehrungsreicher und die Erziehung kaum<br />

strenger _____ _____. Nach der Ausbildung zum Volksschullehrer (sein) _____ seine<br />

Berufschancen nicht schlecht _____, (verurteilt und entlassen werden) _____ May nicht<br />

1861 wegen Diebstahls zu einer Haftstrafe _____ und aus dem Schuldienst _____ _____.<br />

In den folgenden Jahren war er wegen Betrugs und Hochstapelei mehrmals inhaftiert.<br />

Fast (vorbei sein) _____ es mit der Aussicht auf eine gesicherte bürgerliche Existenz<br />

_____ _____ – (bekehren) _____ er sich nicht Anfang der 1870er Jahre im Gefängnis<br />

_____.<br />

Nach der Entlassung wurde Karl May Zeitungsredakteur, veröffentlichte erste eigene<br />

Erzählungen und heiratete 1880. Wer aber (denken) _____ _____, dass er mit seinen<br />

Reiseromanen einen solchen Erfolg (haben) _____ _____, dass er sich schließlich als<br />

Schriftsteller (selbständig machen können)_____ _____ _____ _____? Er schrieb so,<br />

als (bereisen) _____ er den „Wilden Westen“ Amerikas und den Vorderen Orient selbst<br />

_____ und (sprechen) _____etliche Sprachen. Dass May dabei zum Helden seiner eigenen<br />

Romane (werden) _____ _____, war anfangs sicher nicht gewollt. Mit der Zeit aber<br />

schien es, als (verwischen) _____ sich die Grenze zwischen Fiktion und Realität immer<br />

mehr. So ließ er sich 1896 verkleidet als Winnetous Freund Old Shatterhand fotografieren,<br />

als (sein) _____ er identisch mit dem Ich-Erzähler seines Buches.<br />

Auf seiner ersten langen Orientreise 1899/1900 erlitt Karl May zwei Nervenzusammenbrüche.<br />

Es war, als wenn die Realität seine Phantasiewelt (zerstören) _____ _____. Vor<br />

100 Jahren, am 30. März 1912, starb Karl May in Radebeul bei Dresden an Herzversagen.<br />

Christine Hardt<br />

LÖSUNG: hätte gehabt; wäre geworden; hätte geschrieben; wären erschienen, verkauft worden; wären; hätte<br />

sein können; wären gewesen; wäre verurteilt, entlassen worden; wäre vorbei gewesen; hätte bekehrt; hätte<br />

gedacht; haben würde; würde selbständig machen können; hätte bereist; spräche; werden würde; verwischte;<br />

wäre; zerstört hätte.<br />

AUFGESPIESST<br />

Kein Tag ohne Rettungsschirm<br />

SPRACHECKE<br />

Wolkenlose Hitze? In Deutschland? Sehr selten!<br />

Sonnenschirme braucht man hier kaum, Regenschirme<br />

schon eher. Auch im Winter. Zum Fallschirmspringen<br />

ist es jetzt zu kalt, Schirmpilze<br />

findet man auch nicht mehr – aber muss man<br />

deshalb ständig vor dem häuslichen Bildschirm<br />

sitzen? Nein! Obwohl im Fernsehen permanent<br />

von einem neuen, offenbar riesigen, sündteuren,<br />

auf jeden Fall hochmodischen Schirm die Rede<br />

ist: dem Rettungsschirm.<br />

Was ist das eigentlich genau? Auf alle Fälle<br />

nichts Konkretes, sondern ein Modewort aus<br />

dem Bereich der politischen Metaphorik. Jedenfalls<br />

dann, wenn Staatspleiten abgewendet und<br />

Banken vor dem Zusammenbruch bewahrt werden<br />

müssen. Den Euro retten, das geht, wie inzwischen<br />

alle wissen, nur mit Schirm. Wie bitte?<br />

Ob die Wirtschaftswissenschaftler der Welt da<br />

wohl wirklich durchblicken? Oder die Politiker,<br />

die pausenlos darüber reden? Der Normalbürger<br />

jedenfalls tut sich schwer damit. Tatsache ist:<br />

kein Tag ohne Rettungsschirm.<br />

Ein Schirm, sofern er nicht unbenutzt im Schirmständer<br />

steht, hält Sonne oder Regen ab und<br />

schützt überhaupt vor mancherlei Unbill. Ein<br />

Schirm beschirmt. Und wer kann schon dauerhaft<br />

ohne Schirm den Widrigkeiten des Lebens<br />

trotzen? «Maria breit den Mantel aus / Mach<br />

Schirm und Schild für uns daraus / Lass uns<br />

darunter sicher stehn / Bis alle Stürm vorüber<br />

gehn», so heißt es seit Mitte des 17. Jahrhunderts<br />

in einem schönen Kirchenlied. Das versteht jeder.<br />

Aber was bedeutet es ganz konkret, wenn<br />

ein hochabstrakter Rettungsschirm der Europäischen<br />

Union über Griechenland aufgespannt<br />

wird? Tja.<br />

Während man sich von Tag zu Tag verzweifelter<br />

um konkrete Information bemüht, beschränkt<br />

sich die Verwendung des ominösen Begriffs<br />

schon lange nicht mehr auf die Politik. «Ein Rettungsschirm<br />

für den Schreiadler» lautete kürzlich<br />

die Überschrift einer Pressemitteilung der<br />

«Deutschen Wildtier Stiftung» – was einen Journalisten<br />

der Berliner «tageszeitung» zu der Frage<br />

veranlasste: «Ja, sind denn Vögel jetzt auch<br />

schon Griechen?» Es schwant einem jedenfalls<br />

nicht viel Gutes, wenn man vom Rettungsschirm<br />

hört. Also, mal rein sprachlich betrachtet: Lieber<br />

beim Konkreten bleiben! Zumal es draußen<br />

schon wieder regnet.<br />

29


30<br />

<strong>DAAD</strong> Report<br />

Wirksam vor Ort<br />

In-Country-Stipendien sind in Uganda ein Schlüssel für Entwicklung<br />

Gut ausgebildeter wissenschaftlicher<br />

Nachwuchs spielt in Entwicklungs- und<br />

Schwellenländern eine Schlüsselrolle bei<br />

der Weiterentwicklung. Doch wie können<br />

diese Länder ihre jungen Forscher halten,<br />

wenn bessere Bedingungen auf anderen<br />

Kontinenten locken? Mit In-Country-Stipendien<br />

hat der <strong>DAAD</strong> eine Antwort gefunden:<br />

Dieses Programm fördert junge<br />

Hochschullehrerinnen und -lehrer in ihrem<br />

Land oder in der Region.<br />

Um die Probleme in Afrika zu lösen, sollten<br />

die Wissenschaftler hier forschen, in einem<br />

chaotischen System und nicht in geordneten<br />

Systemen im Ausland“, betont Silver Mugisha.<br />

Der Bauingenieur hat seine Doktorarbeit<br />

bewusst in seiner Heimat Uganda geschrieben,<br />

für ihn ist das In-Country-Stipendium des<br />

<strong>DAAD</strong> einer der Schlüssel für die Entwicklung<br />

Ugandas: „Wir brauchen dringend junge Leute,<br />

die ihr Land lieben und es wirtschaftlich<br />

voranbringen wollen. Das <strong>DAAD</strong>-Stipendium<br />

hat mir damals sehr geholfen, heute motiviere<br />

ich junge Mitarbeiter, den gleichen Weg<br />

zu gehen.“ Silver Mugisha ist mittlerweile<br />

verantwortlich für die Unternehmensentwicklung<br />

bei der Nationalen Gesellschaft für<br />

Wasserversorgung und Abwasser und arbeitet<br />

damit in einem Schlüsselsektor: der gerechten<br />

Wasserversorgung.<br />

Der 43-Jährige ist einer von 500 gelisteten<br />

Stipendiaten, die der <strong>DAAD</strong> vor Ort im ostafrikanischen<br />

Uganda förderte. Seit Ende der<br />

1960er Jahre läuft das In-Country-Programm<br />

in diesem Land sehr erfolgreich. Solche Erfolgsmeldungen<br />

über Uganda gehen unter,<br />

weil das Land vor allem mit der Schreckensherrschaft<br />

von Idi Amin in Verbindung gebracht<br />

wird. Das Ende des Diktators war keineswegs<br />

das Ende des Terrors: Es folgte eine<br />

zweite Amtszeit von Milton Obote, der Menschen<br />

einkerkerte und folterte. Bis 2006 wütete<br />

ein Guerillakrieg im Norden des Landes.<br />

Aus dieser Region stammt Beatrice Odongkara.<br />

Als Kind musste sie sich im nordugandischen<br />

Gulu vor den Soldaten der Lord‘s Resistance<br />

Army im Busch verstecken und erlebte,<br />

wie Freunde und Verwandte entführt und<br />

ermordet wurden. Diese Erfahrungen prägten<br />

ihr Leben und brachten sie auf den Weg einer<br />

engagierten und erfolgreichen Wissenschaftlerin.<br />

„Ich wollte immer in Gulu arbeiten. Das<br />

ist kein einfacher Ort, aber dort sind meine<br />

Wurzeln und ich hatte mein Ziel vor Augen“,<br />

schildert sie ihre Berufung.<br />

Als an der Universität Gulu die medizinische<br />

Fakultät öffnete und händeringend junge<br />

Mediziner gesucht wurden, ergriff Beatrice<br />

Odongkara ihre Chance: Sie bewarb sich für<br />

ein <strong>DAAD</strong>-Stipendium. „Ich begriff, welche<br />

wichtige Rolle qualifizierter wissenschaftlicher<br />

Nachwuchs für mein Land spielt. Mit dem<br />

Stipendium bekam ich die Chance, meinen<br />

Beitrag zu leisten“, erinnert sie sich. Nach drei<br />

Jahren hatte sie den Master of Medicine, Pediatrics<br />

and Child Health in der Tasche. Heute<br />

arbeitet sie als Kinderärztin am Hospital der<br />

Universität Gulu, wo sie ihr nächstes Thema<br />

entdeckte: „Immer mehr Kinder erkranken<br />

an Diabetes, aber in Uganda mangelt es an<br />

Spezialisten. Auch für andere endokrinologische<br />

Erkrankungen fehlen uns die Experten.<br />

Deshalb werde ich eine Kinderklinik gründen<br />

und die Forschung auf diesem Feld in Gang<br />

setzen.“ Bis 2012 arbeitet die Medizinerin mit<br />

einem Stipendium der European Society for<br />

Paediatric Endocrinology (ESPE) am Gertrude<br />

Children’s Hospital der Universität Nairobi<br />

im benachbarten Kenia. Sie hofft, dort das<br />

notwendige Know-how und erste Kontakte zu<br />

Forscherkollegen zu gewinnen.<br />

Expertise und Engagement<br />

Ein Studium im Ausland kam für Beatrice<br />

Odongkara nicht in Frage. Zum einen fehlte<br />

ihr das Geld, zum anderen hatte sie nicht<br />

nur ihre eigenen Kinder zu versorgen: „Mein<br />

Mann und ich kümmern uns mit unserer Organisation<br />

um Kriegs- und Aidswaisen. Diese<br />

Arbeit duldet keine Unterbrechung. Außerdem<br />

ist es gerade während der Master- oder<br />

PhD-Phase wichtig, die Kontakte im eigenen<br />

Land zu halten“, unterstreicht sie. Diese Verbindung<br />

von Expertise und bewusstem Engagement<br />

für das eigene Land leben viele der<br />

ehemaligen Stipendiaten. So auch Geoffrey<br />

Bakunda. Der Dekan der School of Marketing<br />

and Hospitality Management an der Makerere<br />

Universität in Kampala hatte einen gut bezahlten<br />

Posten in einem Unternehmen vor Augen.<br />

Doch nach dem Master wurde ihm klar, dass<br />

er seine Kompetenzen für sein Land einsetzen<br />

wollte. „Das In-Country-Stipendium für meinen<br />

PhD-Abschluss hatte mehrere Vorteile.<br />

Ich konnte vor Ort forschen und Verbindungen<br />

in die Politik aufbauen.“ Der Ökonom ist<br />

Experte für den Agrarsektor, dem wichtigsten<br />

Wirtschaftszweig Ugandas und vieler Entwicklungsländer.<br />

Für seine Dissertation ergründete<br />

er die Marktchancen kleiner Unternehmer,<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Auf dem Campus beginnt die Zukunft:<br />

Studierende an der Universität Gulu in<br />

Norduganda<br />

Von den In-Country-Stipendien überzeugt<br />

(von links): Christine Dranzoa<br />

(Professorin und Universitätsgründerin),<br />

Beatrice Odongkara (Kinderärztin),<br />

Geoffrey Bakunda (Ökonom an der<br />

Makerere Universität), Silver Mugisha<br />

(Bauingenieur)<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

In-Country<br />

Scholarships<br />

<strong>DAAD</strong>’s in-country or sur-place scholarships<br />

fund training for future university instructors<br />

in developing and threshold countries. The<br />

scholarships are awarded for enrolment in<br />

Master’s or PhD degree programmes at a<br />

university in the candidate’s home country,<br />

or in another country in the region:<br />

Africa: Ethiopia, Kenya, Namibia, South<br />

Africa, Sudan, Tanzania, Uganda, Zimbabwe<br />

Brazil<br />

Southeast Asia: Cambodia, East<br />

Timor, Indonesia, Laos, Myanmar,<br />

Philippines, Thailand, Vietnam<br />

Contacts for further information:<br />

Sub-Saharan Africa: parmentier@daad.de<br />

Brazil: firzlaff@daad.de<br />

Southeast Asia: gabler@daad.de<br />

vor allem der ugandischen Kleinbauern. „Als<br />

die Regierung 1990 den Markt öffnete, waren<br />

die Bauern völlig unvorbereitet. Noch heute<br />

haben viele von ihnen keinen Überblick über<br />

adäquate Preise und Vermarktung ihrer Produkte“,<br />

schildert er die Situation.<br />

Der geringe Kenntnisstand hat Konsequenzen<br />

für Lehre und Forschung: Seine Studierenden<br />

sollen die Bedingungen des globalen Wettbewerbs<br />

kennenlernen und Wege aufzeigen,<br />

die Uganda auf den Weltmarkt führen können.<br />

Für ihn ist es daher selbstverständlich, dass<br />

seit fünf Jahren Chinesisch auf dem Lehrplan<br />

steht. Und Geoffrey Bakunda belässt es nicht<br />

bei akademischer Theorie: Er sitzt als Berater<br />

der Regierung in Gremien verschiedener<br />

alle Bilder: © Mirco Lomoth<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Ministerien und setzt sich dafür ein, dass wirtschaftswissenschaftliche<br />

Erkenntnisse den<br />

Weg ins praktische Handeln finden.<br />

Kompetenz im Land halten<br />

Wissenschaftliche Ausbildung ist die eine Seite<br />

der Stipendien, nachhaltiger Strukturaufbau<br />

die andere. Das bestätigt auch Christine<br />

Dranzoa, die fünf Jahre lang die ugandischen<br />

Stipendiaten mit auswählte. „Diese jungen<br />

Hochschullehrer sind unser Kapital, deshalb<br />

legen wir strenge Kriterien bei der Vergabe<br />

der Stipendien an.“ Die 47-jährige Biologin<br />

war stellvertretende Leiterin der Graduate<br />

School an der Makerere Universität und weiß<br />

am besten, wie wichtig gutes Personal für die<br />

ugandischen Hochschulen ist. Sie baut im<br />

Auftrag der Regierung die sechste staatliche<br />

Universität in der nordwestlichen Provinz<br />

Arua auf, im strategisch wichtigen Dreiländereck<br />

Uganda, Demokratische Republik Kongo<br />

und Sudan. „In der letzten Sitzung wurde ein<br />

Software-Ingenieur für ein In-Country-Stipendium<br />

des <strong>DAAD</strong> ausgewählt. Er wird uns nach<br />

seinem Masterabschluss beim Aufbau der<br />

IT-Abteilung an der neuen Muni-Universität<br />

unterstützen.“ Diese Universität wird in zwei<br />

Jahren mit 250 Studierenden den Lehrbetrieb<br />

aufnehmen, um die ländliche, von Armut geprägte<br />

Region strukturell aufzubauen und<br />

eine Entwicklung Ugandas durch Ugander zu<br />

ermöglichen. Isabell Lisberg-Haag<br />

31


32 <strong>DAAD</strong><br />

Ankommen im deutschen Alltag<br />

30 Jahre <strong>DAAD</strong>-Freundeskreis<br />

In mehr als 40 Universitätsstädten sind sie<br />

aktiv. Die Mitglieder des <strong>DAAD</strong>-Freundeskreises<br />

helfen ausländischen Stipendiaten<br />

beim Einleben in Deutschland. Jetzt feierte<br />

der deutsche Alumni-Verein sein 30.<br />

Jubiläum.<br />

Es war ein Freitag, als Syed Atif Mehdi aus<br />

Pakistan in Deutschland ankam. An der<br />

Universität Kaiserslautern wollte er Informatik<br />

studieren. Um sich von der Reise auszuruhen,<br />

blieb er am Samstag im Studentenheim.<br />

Am Sonntag trieb ihn der Hunger hinaus, doch<br />

alle Läden waren geschlossen. „In Pakistan<br />

kann man jeden Tag einkaufen“, erklärt Mehdi.<br />

„Damals begriff ich schlagartig, dass ich in<br />

ein mir ganz fremdes Land gekommen war.“<br />

Mehdis Freude war deshalb groß, als ihn<br />

eine E-Mail von Birgit Bittmann erreichte. Die<br />

Ingenieurwissenschaftlerin lud ihn zu einem<br />

Treffen mit anderen ausländischen Studierenden<br />

ein. Als Mitglied im <strong>DAAD</strong>-Freundeskreis<br />

organisierte sie in Kaiserslautern regelmäßige<br />

Treffen für ausländische <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten,<br />

um sie mit der hiesigen Kultur vertraut zu machen.<br />

In mehr als 40 Universitätsstädten von<br />

Hamburg bis München tun ehemalige Stipendiaten<br />

in den sogenannten Regionalgruppen<br />

des Freundeskreises das Gleiche: Mit geselligen<br />

Abenden, Wanderungen oder Museumsbesuchen<br />

helfen sie den Neuankömmlingen,<br />

die ersten Hürden im deutschen Alltag leichter<br />

zu nehmen.<br />

Als vor 30 Jahren in Bonn der <strong>DAAD</strong>-Freundeskreis<br />

e.V. als Zusammenschluss deutscher<br />

ehemaliger Stipendiaten gegründet wurde,<br />

war diese „aktive Gastgeberrolle“ ein wichtiger<br />

Impuls. Inzwischen ist der Verein, mit<br />

© Freundeskreis<br />

Pause im Landgasthof: Regionalgruppe München erkundet Oberbayern<br />

einer kleinen Geschäftsstelle in Bonn, von damals<br />

28 Gründungsmitgliedern auf gut 1 300<br />

zahlende Mitglieder angewachsen.<br />

Dem <strong>DAAD</strong> etwas zurückgeben<br />

Was motiviert die „freiwilligen Helfer“? Das<br />

Berliner Freundeskreis-Mitglied Sabine Englich:<br />

„Ich erinnere mich gern an die amerikanische<br />

Gastfreundschaft während meiner<br />

eigenen Stipendiatenzeit in Minneapolis.“ In<br />

Berlin, wo derzeit circa 700 <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

studieren und forschen, ist der Stammtisch<br />

am ersten Montag im Monat seit mehr als 20<br />

Jahren zur Institution geworden, erzählt die<br />

Wissenschaftlerin.<br />

Dankbarkeit für die Studienzeit in Spanien<br />

ist für <strong>DAAD</strong>-Alumna Birgit Bittmann ein<br />

wichtiges Motiv: „Ich möchte dem <strong>DAAD</strong> etwas<br />

zurückgeben.“ Bittmann, die zurzeit wieder in<br />

Feierstunde in Berlin: der akutelle Vorsitzende<br />

des Freundeskreises Christian Bode (rechts)<br />

und seine Vorgänger Hans-Georg Schultz-Gerstein<br />

(links) und Hermann Flessner (Mitte)<br />

Spanien forscht, weiß den Freundeskreis daheim<br />

derweil in guten Händen: Syed Atif Mehdi<br />

aus Pakistan findet sich inzwischen „so weit<br />

integriert“, dass er – neben seiner Promotion<br />

– die Treffen selbst organisiert.<br />

Und damit ist er kein Einzelfall: In Saarbrücken<br />

lädt – nach dem Wegzug deutscher<br />

Freundeskreismitglieder – der bulgarische<br />

Doktorand Valentin Popov zu Bowling und Billard,<br />

Kino und Theater ein. Und in Halle/Saale<br />

gab im Jahr 2009 der iranische Musikpädagoge<br />

und <strong>DAAD</strong>-Stipendiat Pooyan Azadeh selbst<br />

den Startschuss für den ersten Freundeskreis.<br />

Bei der Jubiläumsfeier im September in<br />

Berlin gab es viel Erfahrungsaustausch über<br />

diese Art der „Willkommenskultur“. Der neu<br />

gewählte Vorsitzende des Freundeskreises,<br />

der frühere <strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian<br />

Bode, erhielt von <strong>DAAD</strong>-Generalsekretärin Dorothea<br />

Rüland die Zusage für mehr finanzielle<br />

und personelle Unterstützung. Leonie Loreck<br />

© Reiner Zensen<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Mit Wissenschaft zum Wandel<br />

Gemeinsame pakistanisch-deutsche Forschung<br />

Jedes Jahr schickt Pakistan seine besten<br />

Hochschulabsolventen zur Promotion<br />

nach Deutschland. Wenn sie zurückkehren,<br />

forschen sie mit ihren deutschen Kollegen<br />

weiter an wichtigen Projekten. Ein<br />

neues <strong>DAAD</strong>-Programm fördert die grenzüberschreitenden<br />

Kooperationen.<br />

Es war eine ungewöhnliche Anfrage, die<br />

Professor Thomas Bier von der Technischen<br />

Universität Bergakademie Freiberg<br />

vor acht Jahren erreichte. Ein Ingenieur aus<br />

Pakistan, Syed Ali Rizwan, wollte an seinem<br />

Lehrstuhl für Baustofftechnik promovieren.<br />

Soweit noch nichts Besonderes. Nur: Syed<br />

Ali Rizwan war in seinem Heimatland selbst<br />

bereits Professor. Doch der Pakistani kam –<br />

erst zur Promotion, später noch einmal als<br />

<strong>DAAD</strong>-geförderter Postdoc. Auf einer Reise<br />

nach Pakistan stellte Thomas Bier fest, dass<br />

das Interesse an seinem Forschungsschwerpunkt<br />

Beton dort groß ist – und eine Chance<br />

für die Umwelt. „Pakistan könnte beim Bau<br />

künftig stärker natürliche lokale Rohmaterialien<br />

wie Reisschalenasche nutzen“, erläutert<br />

Torsten Westphal, der am Freiberger Lehrstuhl<br />

für Baustofftechnik arbeitet.<br />

Gemeinsam wollen Syed Ali Rizwan, heute<br />

Professor an der National University of Technology<br />

in Islamabad, und Thomas Bier in den<br />

nächsten Jahren ein Beton-Forschungslabor<br />

in Islamabad einrichten, Trainings und Workshops<br />

anbieten und den Austausch von Studierenden<br />

ankurbeln. Gefördert werden die<br />

Projektpartner vom neuen Programm „Pakistanisch-deutsche<br />

Forschungskooperation“,<br />

das der <strong>DAAD</strong> aus Mitteln des Auswärtigen<br />

Amtes finanziert. Pakistanische Forscher, die<br />

– meist nach der Promotion – aus Deutschland<br />

in ihre Heimat zurückkehren, erhalten über<br />

Kluge Köpfe in Berlin: pakistanische<br />

Regierungsstipendiaten vor der Kuppel<br />

des Reichstags<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© Ulf Dieter/<strong>DAAD</strong><br />

drei Jahre finanzielle Unterstützung für eine<br />

Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen.<br />

Promotion legt den Grundstein<br />

Finanziert werden Equipment, Forschungsreisen<br />

und Tagungen. „Viele Gebiete, auf denen<br />

in Deutschland geforscht wird, sind für die<br />

Entwicklung Pakistans hochrelevant“, sagt<br />

Lars Gerold, der im <strong>DAAD</strong> für die Region zuständig<br />

ist. So werden zum Beispiel am Lehrstuhl<br />

des Informatikprofessors Karsten Berns<br />

an der TU Kaiserslautern Roboter entwickelt,<br />

die Landminen aufspüren. Bisher haben zwei<br />

pakistanische Doktoranden an diesem Projekt<br />

mitgearbeitet. Einer von ihnen, Syed Atif Mehdi,<br />

stellte den Kontakt zum pakistanischen<br />

Informatikprofessor Abubakr Muhammad<br />

her. Er leitet das Roboterlabor an der Lahore<br />

University of Management Sciences, wo bereits<br />

einfache Roboter entwickelt werden, die<br />

ebenfalls gegen Landminen eingesetzt werden.<br />

„Wir kooperieren, damit die Kollegen in<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Pakistan etwas von unseren Technologien für<br />

ihre Bedürfnisse nutzen können“, sagt Karsten<br />

Berns. Der Haken: Die Roboter der TU Kaiserslautern<br />

sind wesentlich präziser – aber auch<br />

sehr viel teurer. „Unser gemeinsames Ziel ist<br />

eine kostengünstigere Variante des Roboters,<br />

die ähnlich gut einsetzbar ist wie der Prototyp<br />

aus Kaiserslautern.“<br />

Die Nachfrage nach der Unterstützung<br />

für die pakistanisch-deutsche Forschungskooperation<br />

war 2011 bereits groß. Schließlich<br />

haben allein 2011 rund 50 Pakistani in<br />

Deutschland ihre Promotion abgeschlossen.<br />

„Als künftige Hochschuldozenten sind sie die<br />

wissenschaftliche Zukunft ihres Landes“, sagt<br />

Lars Gerold und fügt hinzu: „Viele Doktoranden<br />

bauen hier gute Kontakte auf. Aus diesen<br />

Verbindungen sollen langfristige Kooperationen<br />

entstehen.“<br />

Infos:<br />

<strong>DAAD</strong>-Informationszentrum Islamabad:<br />

http://ic.daad.de/islamabad/en<br />

Julia Walter<br />

33<br />

© Ulf Dieter/<strong>DAAD</strong>


34 <strong>DAAD</strong><br />

Stipendiaten forschen<br />

Literaturwissenschaft<br />

Flucht vor der Zensur<br />

„Der Nebel, der in der Morgenröte wegzieht<br />

und nichts als Tau auf den Feldern zurücklässt,<br />

wird emporsteigen und sich in einer Wolke<br />

sammeln und dann im Regen niederfallen.<br />

Und nicht viel anders als der Nebel bin ich<br />

gewesen.“ Mit Zeilen wie diesen schrieb der<br />

arabische Dichter Khalil Gibran (1883–1931)<br />

Literaturgeschichte. Sein Werk „Der Prophet“<br />

– im US-amerikanischen Exil verfasst – findet<br />

man bis heute weltweit in den Buchläden.<br />

Doch über die Lebensumstände der arabischen<br />

Schriftsteller, die wie Gibran zu Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts ihre Heimat verließen,<br />

wissen wir längst nicht alles.<br />

„Meine Forschung klärt einige Missverständnisse<br />

auf“, sagt die Germanistin Dr.<br />

Najat Issa Hasan, die im Sommer 2011 mit<br />

einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium an der Humboldt-<br />

Universität zu Berlin arbeitete. Dort suchte die<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität<br />

Bagdad nach den Motiven, die Gibrans Autorengeneration<br />

nach Nord- und Südamerika<br />

trieben. Bisher glaubte man, dass die schlechte<br />

wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat<br />

entscheidend war. Najat Hasan kam zu einem<br />

anderen Ergebnis. „Die Zensur während der<br />

osmanischen Besatzung im heutigen Libanon<br />

hat eine wichtige Rolle gespielt“, sagt die Irakerin.<br />

„In Berlin habe ich herausgefunden,<br />

dass deutsche Autoren wie Bertolt Brecht ihr<br />

Land aus ganz ähnlichen Gründen verließen.“<br />

Da sie sich zur Ausreise gezwungen fühlten,<br />

waren Dichter wie Micha’il Na’ima und Elia<br />

Abu Madi im Ausland unglücklich. Ihre Gedichte<br />

erzählen von der Sehnsucht nach ihrer<br />

Heimat und der Liebe zu ihrer Familie. Immer<br />

jedoch sind die Texte von der Hoffnung auf<br />

bessere Zeiten erfüllt – eine Hoffnung, an<br />

die sich auch viele Schriftsteller im Irak der<br />

Gegenwart klammern. Auf ihre schwierige<br />

Situation will Najat Issa Hasan mit ihrer Forschungsarbeit<br />

hinweisen.<br />

Ihre Bücher musste die 35-Jährige nach<br />

Deutschland mitbringen, da sie in den Berliner<br />

Bibliotheken nicht zu finden waren. „Viele<br />

Deutsche lesen moderne arabische Exilautoren<br />

wie Rafik Schami“, sagt Najat Issa Hasan.<br />

„Ich finde, sie sollten auch die Urväter der arabischen<br />

Exilliteratur kennen.“<br />

Landschaftsökologie<br />

Die Geheimnisse des Medizinmanns<br />

Wie gut zwei Äthiopier sich verstehen, merkt<br />

man beim Essen. Wenn sie sich vertrauen,<br />

teilen sie sich einen Teller und füttern sich<br />

gegenseitig mit den Händen. Die deutsche<br />

Studentin Fanny Mundt erinnert sich noch<br />

genau, wie gerührt sie war, als sie während<br />

ihres ersten Aufenthalts in Äthiopien von einem<br />

Einheimischen gefüttert wurde. Damals,<br />

im Frühjahr 2011, forschte die angehende<br />

Landschaftsökologin als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin<br />

im Südwesten des Landes – mitten im Urwald.<br />

Ein halbes Jahr lang hatte sie Zeit, um Heilpflanzen<br />

zu finden, die in den Tiefen der äthiopischen<br />

Wälder wachsen. Dafür sprach sie mit<br />

rund fünfzig Medizinmännern, die ihr Wissen<br />

über die Heilkraft der Pflanzen von Generation<br />

zu Generation weitergeben. „Doch viele<br />

der traditionellen Heiler hüten ihre Rezepte<br />

Gesundheit aus Wäldern: Ein äthiopischer<br />

Medizinmann begutachtet Heilpflanzen<br />

wie einen Schatz“, erklärt Fanny Mundt. „Ich<br />

musste also immer damit rechnen, dass noch<br />

eine geheime Zutat fehlt.“ Dennoch gelang es<br />

der 23-Jährigen, während ihres Praktikums<br />

beim Naturschutzbund (NABU) ein Herbarium<br />

mit 60 Pflanzen anzulegen, die in der äthiopischen<br />

Volksmedizin verwendet werden.<br />

Die Veröffentlichung traditionellen Wissens<br />

könnte den Menschen in der armen Region<br />

helfen. Denn der Kafa-Bergnebelwald ist ein<br />

offizielles Biosphärenreservat, unter dessen<br />

Siegel die Äthiopier ihre Pflanzen gut vermarkten<br />

könnten. „Zwar darf man aus dem<br />

Kerngebiet eines Biosphärenreservats keine<br />

Pflanzen entnehmen, aus den Randzonen<br />

aber schon“, erklärt die Studentin der Universität<br />

Greifswald.<br />

Im Herbst 2011 schickte Michael Succow,<br />

Träger des alternativen Nobelpreises, seine<br />

engagierte Studentin erneut in das ostafrikanische<br />

Land; diesmal an den nordäthiopischen<br />

Lake Tana, wo ein weiteres Biosphärenreservat<br />

eingerichtet werden soll. Für Fanny Mundt<br />

war das ein großer Glücksfall: Die Diplomandin<br />

hat sich so in die Herzlichkeit der Menschen<br />

verliebt, dass sie nach ihrem Abschluss<br />

in Äthiopien leben und forschen möchte.<br />

Julia Walter<br />

Bauingenieurwesen<br />

Mut zum Brückenbauen<br />

Gustavo Cosenza ist fasziniert von Brücken:<br />

„Ich fand es schon als Kind beeindruckend,<br />

dass Menschen so große Bauwerke erschaffen,<br />

und ich wollte dasselbe tun“, sagt er. Deshalb<br />

arbeitete er bereits während des Bauingenieur-Studiums<br />

an der Universität Rafael Landívar<br />

in Guatemala als Bauleiter. Praktische<br />

Erfahrungen sammelte er reichlich, aber der<br />

spannendste Bereich blieb ihm verschlossen:<br />

die Konzeption und der Entwurf.<br />

„Diese Firmengeheimnisse wollte<br />

damals niemand mit mir teilen“, erinnert<br />

sich Gustavo Cosenza.<br />

An der Bauhaus-Universität Weimar<br />

fand er der 30-Jährige genau<br />

das, was ihn interessierte. Er beschäftigt<br />

sich mit Einflüssen von<br />

Naturgewalten auf Bauwerke. Dabei<br />

kann der angehende Bauingenieur<br />

seine Leidenschaft für Brücken ausleben:<br />

Gustavo Cosenza untersucht<br />

in seiner Masterarbeit, wie bestehende<br />

Spannbetonbrücken für höhere<br />

Belastungen ausgebaut werden können.<br />

Dazu wird ein steifer Rahmen<br />

um die Brücke errichtet und über<br />

Spannglieder mit ihr verbunden.<br />

© Fanny Mundt<br />

„Die Verstärkung wird dadurch sehr<br />

effektiv, und die Brücke hält auch<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


größere Belastungen aus.“ In einer Simulation<br />

am Computer ließ Gustavo Cosenza virtuellen<br />

Verkehr über die Brücke fahren. „Die<br />

Belastung ändert sich im fließenden Verkehr<br />

ständig“, sagt Cosenza, „das ist die besondere<br />

Herausforderung.“ Die Modellrechnung zeigte:<br />

Mit der Verstärkung hielt die Brücke in der<br />

Simulation viel größeren Lasten stand.<br />

Gustavo Cosenza ging noch einen Schritt weiter.<br />

Er verwendete den Eurocode, den neuen<br />

EU-Normenkatalog für die Konstruktion von<br />

Gebäuden, um die Belastbarkeit seiner Brücke<br />

einzuschätzen. Diese neuen Vorschriften sind<br />

für Guatemala sehr interessant. „Durch die<br />

schweren Tropenstürme stürzen viele Brücken<br />

regelmäßig ein“, sagt der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat. In<br />

seiner Heimat werden amerikanische Normen<br />

zugrundegelegt, die für die Wetter- und Umweltbedingungen<br />

seiner Meinung nach nicht<br />

sehr geeignet sind. Andererseits kostet die<br />

<strong>Neue</strong>ntwicklung zu viel Zeit und Geld. Der Eurocode<br />

erscheint ihm ideal für seine Heimat:<br />

Der Normenkatalog enthält für jedes Land einen<br />

individuellen Anhang und kann relativ<br />

leicht an andere geografische Gegebenheiten<br />

angepasst werden. Gustavo Cosenza möchte<br />

daher eine Zusammenarbeit zwischen Guatemala<br />

und der Europäischen Union anregen.<br />

Neurowissenschaften<br />

Das Gehirn verstehen<br />

„Eine Wissenschaftskultur entwickelt sich<br />

hier erst“, sagt Malte Rasch über China, wo<br />

der Neurowissenschaftler als Postdoc arbeitet.<br />

Durch das Programm „Sprache und Praxis in<br />

der VR China“ des <strong>DAAD</strong> lernte er die fremde<br />

Kultur vor Ort kennen. „In diesem Programm<br />

habe ich so gut Chinesisch gelernt, dass ich<br />

mich inzwischen recht gut verständigen<br />

kann“, sagt der 34-Jährige. Er erforscht an<br />

der Bejing Normal University, wie die Gehirne<br />

von Makaken funktionieren. Den <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendiaten und seine chinesischen Kollegen<br />

interessiert die Frage, wie diese Affen optische<br />

Reize aufnehmen und verarbeiten. So wollen<br />

sie herausfinden, wie das visuelle System des<br />

Menschen arbeitet. „Wir vermuten, dass bei<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© photocase<br />

Makake und Mensch ganz ähnliche Prozesse<br />

ablaufen“, erklärt Malte Rasch. Im Experiment<br />

sammeln die Chinesen dazu Daten: Sie zeigen<br />

den Tieren einfache Bilder und messen die<br />

Aktivität in den verschiedenen Bereichen des<br />

Gehirns.<br />

Malte Rasch hat mathematische Modelle<br />

entwickelt, die diese Aktivität prognostizieren.<br />

„Die Abläufe, die wir mit dem Modell errechnet<br />

haben, konnten wir genau so bei den<br />

Affen messen“, stellt der Neurowissenschaftler<br />

fest. Dieses Resultat war für die Forscher<br />

überraschend: „Wir hatten vermutet, dass<br />

noch weitere Hirnareale an der Verarbeitung<br />

der Information beteiligt sind.“ Mit den Ergebnissen<br />

aus dem Experiment will Malte Rasch<br />

Makake und Mensch: Beide verarbeiten<br />

optische Reize auf ähnliche Weise<br />

Belastungsprobe: Wie können bestehende<br />

Brücken verstärkt werden?<br />

<strong>DAAD</strong><br />

sein Modell weiter verfeinern. Die Daten der<br />

Forscher ermöglichen bisher zwar nur einen<br />

groben Einblick, für die Grundlagenforschung<br />

ist das aber bereits ein großer Gewinn. „Wenn<br />

wir die Reaktion des Gehirns mathematisch<br />

vorhersagen können, heißt das zwar noch<br />

nicht unbedingt, dass wir sie verstanden haben.<br />

Aber wir können die Phänomene genau<br />

beschreiben“, sagt Malte Rasch.<br />

An eine direkte medizinische Anwendung<br />

denkt der Neurowissenschaftler bisher nicht.<br />

„Das ist nicht das Ziel unserer Forschung“,<br />

stellt er klar. Aber die mathematischen Modelle,<br />

die Rasch entwickelt hat, helfen vielleicht<br />

bald dabei, Krankheiten zu diagnostizieren<br />

und zu behandeln. Maximilian Moll<br />

© André Ueberbach/Wikipedia<br />

35


36<br />

<strong>DAAD</strong><br />

In Verbindung bleiben<br />

<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max G. Huber geht in den Ruhestand<br />

ber ein Leben ohne den<br />

<strong>DAAD</strong> habe ich noch gar<br />

nicht nachgedacht. Dafür war<br />

bisher keine Zeit“, sagt Professor<br />

Max G. Huber. Seit 16 Jahren ist<br />

der gebürtige Freiburger <strong>DAAD</strong>-<br />

Vizepräsident. Zum 1. Januar<br />

2012 geht er in den Ruhestand.<br />

Max G. Huber in seinem Bonner <strong>DAAD</strong>-Büro<br />

© <strong>DAAD</strong>/Eric Lichtenscheidt Ü<br />

Bundespräsident Christian Wulff (vorne rechts) und <strong>DAAD</strong>-<br />

Vizepräsident Max G. Huber (links) eröffnen das große <strong>DAAD</strong>-<br />

Alumnitreffen in Costa Rica im Mai 2011<br />

Der Hochschullandschaft bleibt<br />

der 74-Jährige weiterhin treu:<br />

Gerade erst wurde Max G. Huber<br />

für weitere zwei Jahre zum Vorsitzenden<br />

des Bonner Universitätsclubs<br />

gewählt. „Und die<br />

Arbeit des <strong>DAAD</strong> werde ich auch<br />

künftig mit großem Interesse<br />

verfolgen, allerdings mit einer<br />

gewissen Portion Gelassenheit“,<br />

so der Professor für Theoretische<br />

Physik, der seit dem Rücktritt von<br />

Sabine Kunst, die im Februar 2011<br />

zur brandenburgischen Wissenschaftsministerin<br />

berufen wurde,<br />

die Amtsgeschäfte des <strong>DAAD</strong> führt.<br />

Auslandsbeziehungen<br />

systematisch gepflegt<br />

„Die Hochschullandschaft und damit<br />

auch die Arbeit des <strong>DAAD</strong> haben<br />

sich in den 16 Jahren meiner<br />

Amtszeit dramatisch verändert“,<br />

resümiert Huber. Die Internationalisierung<br />

gehöre für ihn zu den<br />

Meilensteinen der Veränderung.<br />

Der <strong>DAAD</strong> habe damals die Zeichen<br />

der Zeit erkannt und die Auslandsbeziehungen<br />

systematisch<br />

erweitert: Dazu zählen Formate<br />

wie Forschungs- und Bildungsmessen<br />

oder Seminare im Ausland<br />

und die enge Zusammenarbeit mit<br />

der Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

„Der <strong>DAAD</strong> hat eine einmalige<br />

Infrastruktur im Ausland geschaffen.<br />

Wir haben die Außenstellen<br />

ausgebaut und die Informationszentren<br />

gegründet, um in über<br />

50 Ländern weltweit die Präsenz<br />

der deutschen Hochschulen zu<br />

verstärken und nachhaltig zu<br />

fördern“, betont Huber. Entscheidend<br />

dazu beigetragen habe die<br />

Entwicklung einer Marketingstrategie<br />

des <strong>DAAD</strong> für die Hochschulen<br />

– für den <strong>DAAD</strong>-Vizepräsidenten<br />

ein weiterer Meilenstein: „Das<br />

fing damals mit einem Konzept<br />

an und ist heute Routine“, erklärt<br />

er. Die Niederlassung deutscher<br />

Universitäten im Ausland habe<br />

schließlich dazu beigetragen, die<br />

Exzellenz deutscher Wissenschaft<br />

sichtbarer zu machen.<br />

Der Wettbewerb um kluge Köpfe<br />

wird sich weiter verstärken, da ist<br />

sich Huber sicher. Der Fachkräftemangel<br />

in Deutschland beschäftigt<br />

den <strong>DAAD</strong> bereits und wird<br />

ihn in den kommenden Jahren vor<br />

neue Aufgaben stellen: „Gefragt<br />

sind überzeugende Strategien, um<br />

gut ausgebildete Fachkräfte nach<br />

Deutschland zu holen.“ Gleichzeitig<br />

müsse aber alles dafür getan<br />

werden, um eigene exzellente<br />

Wissenschaftler in Deutschland<br />

zu halten: „Wir müssen also im<br />

globalen Wettbewerb um kluge<br />

Köpfe so attraktiv wie möglich<br />

bleiben“, sagt Huber.<br />

Wertvolle Alumni-Familie<br />

Besonders am Herzen liegt dem<br />

Vizepräsidenten die Intensivierung<br />

der Kontaktpflege zu den<br />

rund zwei Millionen ausländischen<br />

Deutschland-Alumni. „Das<br />

sind Menschen zwischen 25 und<br />

70, die in Deutschland studiert<br />

oder wissenschaftlich gearbeitet<br />

haben und in der Regel gute Erinnerungen<br />

an diese Zeit haben“,<br />

sagt Huber. Das sei ein riesiges<br />

Potenzial, das gestärkt werden<br />

könne. Der Ausbau dieser Verbindungen<br />

bringe die Grundhaltung<br />

der Bundesrepublik zum Ausdruck,<br />

wie wichtig gute Beziehungen<br />

zu den Nachbarn im „globalen<br />

Dorf“ seien. Katja Lüers<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© <strong>DAAD</strong>


Nachrichten<br />

Wissenschaft und Sprache<br />

Deutsch schafft Wissen<br />

Immer weniger wissenschaftliche<br />

Texte erscheinen auf Deutsch. In<br />

den Naturwissenschaften ist es<br />

nur noch ein Prozent. Um diese<br />

Entwicklung ins Bewusstsein zu<br />

rufen, hatte der <strong>DAAD</strong> gemeinsam<br />

mit dem Institut für Deutsche<br />

Sprache und dem Goethe-Institut<br />

zur Konferenz „Deutsch in den<br />

Wissenschaften“ nach Essen<br />

eingeladen.<br />

Zwei Fragen bewegten die etwa<br />

200 Konferenzteilnehmer: Welche<br />

Bedeutung hat Sprache in der Wissenschaft?<br />

Welche Rolle spielt die<br />

deutsche Sprache in der internationalen<br />

Forschung? Das Resultat der<br />

Tagung: Nicht nur die deutschsprachigen<br />

Länder leiden unter dem<br />

Bedeutungsverlust ihrer Sprache<br />

in der Wissenschaft. Ähnliche<br />

Entwicklungen lassen sich zum<br />

Beispiel auch in Polen beobachten.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

In Essen plädierte die Mehrheit<br />

für eine Mehrsprachigkeit in<br />

der Wissenschaft. „Damit wird<br />

höchste sprachliche Genauigkeit<br />

erreicht“, sagte Professor Ludwig<br />

M. Eichinger, Direktor des<br />

Instituts für Deutsche Sprache in<br />

Mannheim.<br />

Während der Konferenz wurden<br />

auch die Sieger des Kreativ-Wettbewerbs<br />

„Deutsch schafft Wissen“<br />

ausgezeichnet. Gewonnen haben<br />

Jennifer Bohn und Johannes Hein,<br />

beide Absolventen der Bauhaus-<br />

Universität Weimar. Ihre Plakatserie<br />

arbeitet mit den vermeintlichen<br />

Babyfotos großer deutscher<br />

Erfinder Erfinder und legt ihnen<br />

erste Worte in den Mund. So könnte<br />

der Entdecker der Röntgenstrahlen,<br />

der Physiker Wilhelm<br />

Conrad Röntgen, als erstes Wort<br />

„Guck!“ gesagt haben. FC<br />

Siegerplakat im Wettbewerb „Deutsch schafft Wissen“: Die<br />

Jury erhielt fast 2 000 Einsendungen aus über 50 Ländern.<br />

© Hamish John Appleby<br />

Kleine Universität ganz groß: Bauhaus-Universität Weimar ist<br />

„Internationale Hochschule 2011“<br />

Internationale Hochschule<br />

Die Welt in Weimar<br />

„Internationalität ist in Weimar<br />

eine Herzensangelegenheit“, begründete<br />

<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident<br />

Max G. Huber die Entscheidung<br />

der Jury. Die Bauhaus-Universität<br />

Weimar darf sich seit November<br />

mit dem Titel „Internationale<br />

Hochschule 2011“ schmücken.<br />

Der Stifterverband für die deutsche<br />

Wissenschaft und der <strong>DAAD</strong><br />

haben die Hochschule für vorbildliche<br />

Lehre mit internationalem<br />

Bezug ausgezeichnet. Etwa 15 Prozent<br />

der rund 4 000 Studierenden<br />

und fast jeder zehnte Dozent an<br />

der Bauhaus-Universität kommen<br />

aus der ganzen Welt. Ebenfalls ein<br />

Plus: Mehr als die Hälfte der Studierenden<br />

verbringt einen Teil des<br />

Studiums im Ausland.<br />

Die auf Architektur, Gestaltung,<br />

Medien und Bauingenieurwesen<br />

konzentrierte Hochschule<br />

richtet bereits jeden zweiten<br />

Studiengang international aus.<br />

„Das Ziel sind 100 Prozent. Wer<br />

in Weimar studiert, ist international“,<br />

erklärt Muriel Helbig,<br />

Dezernentin für Internationale<br />

Beziehungen an der Bauhaus-<br />

Universität. Der mit 50 000 Euro<br />

dotierte Preis für die beste internationale<br />

Hochschule wurde<br />

zum zweiten Mal vergeben. bcm<br />

<strong>DAAD</strong> 37<br />

Deutsche Auslandsschulen<br />

Die Besten nach Deutschland<br />

Seit zehn Jahren fördert der <strong>DAAD</strong><br />

die besten Absolventen von Deutschen<br />

Auslands- und Sprachdiplomschulen.<br />

Sie erhalten ein<br />

Stipendium für ein gesamtes Studium<br />

in Deutschland. „In Deutschland<br />

lernt man kreativ und selbstständig“,<br />

erklärt Yin Shen. Die<br />

Chinesin ist <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin in<br />

München. Die gute Lehre war für<br />

sie Motivation, an der staatlichen<br />

Sprachdiplomschule Shanghai<br />

drei Jahre lang Deutsch zu lernen<br />

und ein deutsches Sprachdiplom<br />

zu erwerben. Die Chinesin macht<br />

gerade ihren Master in Volkswirtschaft,<br />

ihr Bachelorstudium hat<br />

sie in Heidelberg abgeschlossen.<br />

Sie war Gast beim Jubiläumstreffen<br />

der Stipendiaten und Alumni<br />

in Berlin. Dort wurde deutlich,<br />

welch große Bedeutung das Studium<br />

in Deutschland hat: „Die<br />

Absolventen bringen fachliches<br />

wie interkulturelles Know-how<br />

mit nach Hause, sie fungieren oft<br />

als die ersten Ansprechpartner,<br />

wenn es um Kooperationen geht,<br />

und sind gerade in angespannten<br />

Zeiten Brückenbauer und<br />

Fürsprecher für unser Land“, so<br />

Gisela Schneider vom <strong>DAAD</strong>. Zur<br />

Zeit fördert der <strong>DAAD</strong> 535 Absolventen<br />

Deutscher Auslands- und<br />

Sprachdiplomschulen. MM


38<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Regenbogen am Horizont: Ein Symbol der Hoffnung auf dem Alumni-Treffen in Ramallah<br />

Alumnitreffen in Ramallah<br />

Einen Anfang machen<br />

„Es muss etwas passieren. Man<br />

kann nicht nur auf bessere Zeiten<br />

warten.“ So umschreibt <strong>DAAD</strong>-<br />

Referatsleiterin Renate Dieterich<br />

die Aufbruchstimmung auf dem<br />

ersten großen Alumni-Treffen<br />

in Ramallah. 150 Ehemalige diskutierten<br />

das Thema „Nachhaltige<br />

Entwicklung“. Im Blick: Der<br />

langfristige Erhalt von alter Bausubstanz,<br />

der Umgang mit der<br />

Umwelt oder das Ressourcenmanagement.<br />

Auch wenn in den palästinensischenAutonomiegebieten<br />

politische Hürden, etwa im Bereich<br />

nachhaltiger Landwirtschaft<br />

oder Wassermanagement, hoch<br />

sind, der erste Schritt ist immer,<br />

gemeinsam umzudenken.<br />

Vor allem die jüngeren Alumni<br />

sind voller Tatendrang. Ein praktischer<br />

Anfang könnte mit der<br />

Erziehung der Kinder gemacht<br />

werden. Gemeinsamkeit über Probleme<br />

hinweg demonstrierte auch<br />

der Eröffnungsabend: Eine Videoschaltung<br />

verband die Alumni-<br />

Gruppe im Gazastreifen mit der<br />

Veranstaltung in Ramallah. bcm<br />

<strong>Neue</strong> Stipendiaten<br />

Willkommen<br />

904 Stipendiaten aus 104 Ländern<br />

begrüßte der <strong>DAAD</strong> feierlich<br />

in der Hauptstadt. Sie alle werden<br />

künftig an Universitäten und<br />

Hochschulen in Berlin und Umgebung<br />

studieren. Das große Treffen<br />

an der Freien Universität Berlin<br />

ermöglichte ihnen einen ersten<br />

gemeinsamen Austausch. Freudige<br />

Erwartungen und große Pläne<br />

kennzeichneten die Gespräche.<br />

Die 22-jährige Maya Shenfeld aus<br />

Jerusalem etwa zeigte sich von ihrer<br />

neuen Heimat auf Zeit begeistert.<br />

Sie studiert Konzertgitarre an<br />

der Universität der Künste: „Berlin<br />

ist ein Traum für eine Musikerin.“<br />

Ihre persönlichen Ziele sind nicht<br />

nur auf Karriere getrimmt. „Ich<br />

möchte, dass meine Musik einmal<br />

Menschen verbindet.“ Ihr Vorbild:<br />

Die Arbeit des West-Eastern<br />

Divan Orchestra unter der Leitung<br />

Begeistert von der neuen Heimat auf Zeit:<br />

<strong>DAAD</strong> begrüßt Stipendiaten in Berlin<br />

von Dirigent Daniel Barenboim,<br />

den sie nun auch an der Berliner<br />

Staatsoper erleben kann.<br />

In diesem Sinne begrüßte auch<br />

Gesine Schwan, Präsidentin der<br />

Humboldt-Viadrina School of<br />

Governance in Berlin, die neuen<br />

Stipendiaten. Sie appellierte in ihrer<br />

Festrede an Gemeinschaftssinn<br />

und Verantwortung und legte den<br />

jungen Menschen aus aller Welt<br />

ans Herz, im Studium nicht immer<br />

nur an Wettbewerb und Konkurrenz<br />

zu denken. „Es kommt darauf<br />

an, neugierig zu sein und andere<br />

als Partner zu betrachten. Partnerschaft<br />

ist das entscheidende Strukturprinzip,<br />

das unserer heutigen<br />

Welt gerecht wird.“ bcm<br />

© <strong>DAAD</strong>/Sebastian Schobbert<br />

© <strong>DAAD</strong><br />

Deutschland/Ägypten<br />

Hochschule mitgestalten<br />

Wie können Studierende ihre<br />

Hochschule selbst mitgestalten?<br />

Diese Frage stand im Mittelpunkt<br />

der vom <strong>DAAD</strong> geförderten<br />

Sommerschule „Studentische<br />

Mitwirkung an Hochschulen“.<br />

Das Projekt führte Studierende<br />

aus Deutschland und Ägypten<br />

zusammen. Dabei lernten die<br />

ägyptischen Teilnehmer die Arbeit<br />

des Allgemeinen Studierendenausschusses<br />

(AStA) an der<br />

Pädagogischen Hochschule (PH)<br />

Ludwigsburg kennen. Begeistert<br />

nahmen die Ägypter die Anregungen<br />

auf. Gleichzeitig appellierten<br />

sie an ihre deutschen Kommilitonen,<br />

sich nicht mit dem Erreichten<br />

zufriedenzugeben.<br />

Neben der Sommerschule fördert<br />

der <strong>DAAD</strong> den deutsch-arabischen<br />

Masterstudiengang „International<br />

Education Management“.<br />

Dieses Studium ist ein Kooperationsprojekt<br />

der PH Ludwigsburg<br />

und der Helwan-Universität Kairo.<br />

„Unser Ziel ist es, deutsche und<br />

arabische Reformmanager im Bildungsbereich<br />

auszubilden, die in<br />

der Entwicklungszusammenarbeit<br />

ihre Zukunft sehen“, erläutert<br />

Koordinator Robert Schrembs von<br />

der PH Ludwigsburg. FC<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Frida-Kahlo-Stipendiatin Corinna von der Groeben verbringt<br />

2012 ein halbes Jahr in Mexiko: Die Fotografin plant eine Fotoserie<br />

über das Alltagsleben in den Vorstädten der Hauptstadt<br />

Künstlerinnen<br />

Deutsch-mexikanischer<br />

Austausch<br />

„Mexikanische Vögel“ heißt das<br />

Theaterstück von Stephanie Hecht.<br />

Darin geht es um die Konfrontation<br />

der Maya mit den spanischen<br />

Eroberern im 15. Jahrhundert.<br />

Die Autorin gehört zu den ersten<br />

Künstlerinnen des deutsch-mexikanischen<br />

Stipendienprogramms<br />

„Frida Kahlo“, die ihre Arbeit in<br />

Mexiko und Deutschland aufgenommen<br />

haben.<br />

Mit dem Frida-Kahlo-Programm<br />

fördern der <strong>DAAD</strong> und das mexikanische<br />

Außenministerium<br />

in den kommenden Jahren fünf<br />

deutsche und fünf mexikanische<br />

Nachwuchskünstlerinnen aus<br />

den Sparten Bildende Kunst und<br />

Film. Sie können in Deutschland<br />

beziehungsweise in Mexiko ein<br />

künstlerisches Vorhaben realisieren<br />

oder sich fortbilden. Benannt<br />

ist das Stipendium nach der mexikanischen<br />

Künstlerin Frida Kahlo<br />

(1907–1954), Tochter einer Mexikanerin<br />

und eines deutschen Emigranten.<br />

kv<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© <strong>DAAD</strong><br />

Brasilien<br />

In Deutschland studieren<br />

und forschen<br />

Die Zahl ist beachtlich: 10 000 Stipendien<br />

stellt die brasilianische<br />

Regierung Studierenden, Doktoranden<br />

und Wissenschaftlern für<br />

einen Studien- oder Forschungsaufenthalt<br />

in Deutschland bereit.<br />

„Dieses Angebot ist Teil eines Pakets,<br />

mit dem sich Brasilien stärker<br />

in den internationalen Wissenschaftsaustausch<br />

einbringen<br />

will“, erklärt Michael Eschweiler,<br />

der im <strong>DAAD</strong> das Referat Brasilien,<br />

Chile, Paraguay, Uruguay<br />

leitet. Daher investiert die Regierung<br />

in den wissenschaftlichen<br />

Nachwuchs und verfünffacht das<br />

gesamte Angebot bis 2014 auf insgesamt<br />

75 000 Stipendien. Private<br />

Unternehmen sollen zusätzlich<br />

25 000 Stipendien vergeben.<br />

Der <strong>DAAD</strong> unterstützt seine<br />

brasilianische Partneragentur<br />

CAPES, sowie den nationalen Forschungsrat<br />

CNPq bei der Vergabe<br />

der Stipendien. Dazu entsteht ein<br />

Internetportal, in dem brasilianische<br />

und deutsche Hochschulen<br />

ihre Studien- und Forschungsangebote<br />

veröffentlichen. Der <strong>DAAD</strong><br />

ist außerdem an der Auswahl der<br />

Stipendiaten beteiligt. FC<br />

10 Jahre DIES<br />

Training für<br />

Hochschulmanager<br />

DIES steht für Dialogue on Innovative<br />

Higher Education Strategies.<br />

Das Programm – gemeinsam vom<br />

<strong>DAAD</strong> und der Hochschulrektorenkonferenz<br />

(HRK) entwickelt<br />

und verantwortet – bildet seit<br />

zehn Jahren Hochschulmanager<br />

aus Entwicklungsländern fort. Neben<br />

Programmen für Dekane und<br />

Führungskräfte in der Verwaltung<br />

gibt es Trainings für Nachwuchswissenschaftler,<br />

die ihre Forschungsanträge<br />

optimieren wollen.<br />

Dazu kommen DIES-Projekte<br />

zur Qualitätssicherung von Studienangeboten,<br />

denn verlässliche,<br />

regional abgestimmte Standards<br />

erleichtern den Studierendenaustausch<br />

und erhöhen die internationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit.<br />

© <strong>DAAD</strong><br />

<strong>DAAD</strong> 39<br />

Seit mehreren Jahren haben<br />

sich DIES-Alumni in Lateinamerika,<br />

Ostafrika und Indonesien zu<br />

Netzwerken zusammengeschlossen.<br />

Viele engagieren sich nach<br />

ihrer Ausbildung selbst aktiv als<br />

Trainer für Hochschulmanagement,<br />

wie Dr. Abraham Simatupang<br />

aus Indonesien. Gemeinsam<br />

mit Alumni-Kollegen initiierte er<br />

unter anderem einen Masterstudiengang<br />

zum Hochschulmanagement,<br />

der künftig an vier Universitäten<br />

angeboten wird.<br />

Auf der DIES-Jubiläumskonferenz<br />

mit rund 150 Teilnehmern<br />

in Bonn betonte <strong>DAAD</strong>-Generalsekretärin<br />

Dorothea Rüland:<br />

„Hochschulen stehen weltweit vor<br />

großen Aufgaben: Sie müssen den<br />

Ansturm von Studierenden bewältigen,<br />

ihrer stärkeren Autonomie<br />

gerecht werden und sich im Wettbewerb<br />

behaupten. Dafür werden<br />

viele gute Hochschulmanager<br />

benötigt. Ihnen bietet DIES eine<br />

hervorragende Qualifikation.“ KS<br />

Architekten moderner Hochschulstrukturen in Entwicklungsländern:<br />

Teilnehmer von DIES


40 <strong>DAAD</strong><br />

Tanz. Bewegung. Musik. Dieser Dreiklang<br />

begleitet Iveta Apkalna seit ihrer Kindheit.<br />

Tänzerin will sie werden. Oder Pianistin. „Als<br />

Tänzerin würde ich nur wenige Jahre auf der<br />

Bühne stehen können, als Pianistin hätte ich<br />

jedoch – mit etwas Glück – die Möglichkeit,<br />

noch mit 80 Jahren Konzerte zu geben“, erzählt<br />

Apkalna. Mal abgesehen davon, dass<br />

es in Re – zekne, der Kleinstadt, in der Apkalna<br />

1976 geboren wurde und aufwuchs, keine<br />

Ballettschule gab. Dafür aber Musikschulen.<br />

Erst als Teenagerin kam sie mit der Orgel<br />

in Berührung: Zu Sowjetzeiten war Kirchenmusik<br />

in Lettland verboten. „Als ich mit 14,<br />

15 Jahren mein erstes Orgelkonzert hörte“,<br />

erinnert sich Apkalna lächelnd, „war das ein<br />

Glücksmoment.“ Wenig später bekam die Musikschule<br />

in Rézekne eine Orgel. „Ich war die<br />

Erste, die dort dieses Instrument studierte.“ Im<br />

Vergleich zu anderen Stars der Klassik-Szene<br />

Gestern Stipendiatin – und heute...<br />

Iveta Apkalna<br />

Lettische Organistin<br />

© Jens Schuenemann<br />

ist das ungewöhnlich spät. Und ebenfalls<br />

ungewöhnlich ist es, heute als Organistin berühmt<br />

zu werden.<br />

Es lag vermutlich auch am Cover: Sitzend,<br />

barfüßig, mit seitlich geneigtem Kopf voll<br />

blonder Locken, gekleidet in ein schimmerndes<br />

weißes Kleid mit Spaghetti-Trägern statt in<br />

das obligatorische Schwarz der Kirchenmusiker,<br />

so präsentierte sich Apkalna 2004 auf ihrer<br />

dritten CD „Himmel und Hölle“. Das Cover<br />

brachte ihr Aufmerksamkeit jenseits der Orgel-Szene<br />

und Einladungen in deutsche Talk-<br />

Shows. Einige Puristen sahen das kritisch: zu<br />

viel Glamour. Die Deutsche Phono-Akademie<br />

jedoch verlieh Apkalna 2005 für diese CD als<br />

erster Organistin überhaupt den Echo Klassik<br />

in der Rubrik „Instrumentalist des Jahres“.<br />

Sowohl ihr Klavier- als auch ihr Orgelexamen<br />

schloss Apkalna an der Musikakademie Riga<br />

mit Auszeichnung ab. Die endgültige Hinwendung<br />

zur Orgel war „eine Entscheidung des<br />

Herzens“, erklärt die Musikerin. „Die Orgel<br />

spricht Seele und Körper an. Am Klavier vermisste<br />

ich schnell die Fußarbeit und die ganze<br />

Körperbewegung. Wenn ich Orgel spiele, fühle<br />

ich mich wie ein Fisch im Wasser.“<br />

Zum Erfolg trugen auch ihre Lehrer bei, darunter<br />

Professor Ludger Lohmann. In seiner<br />

Solistenklasse an der Staatlichen Hochschule<br />

für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart<br />

studierte Apkalna als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin von<br />

2000 bis 2003. Danach fühlte sie sich bestärkt,<br />

als freischaffende Künstlerin zu arbeiten.<br />

Heute wohnt Apkalna in Berlin und Riga.<br />

2011 ist ihre sechste CD „L‘Amour et La Mort“<br />

erschienen. Sie gibt Orgelkonzerte in Kirchen<br />

und Konzertsälen auf der ganzen Welt. „Keine<br />

Orgel gleicht der anderen“, erklärt sie. „Jedes<br />

Instrument hat eine andere Disposition und<br />

verlangt eine andere Herangehensweise. Deshalb<br />

müssen wir Organisten auch immer mindestens<br />

einen Tag vor dem Konzert anreisen,<br />

weil wir uns mit dem Instrument vertraut machen<br />

müssen.“ Diese akribische Vorbereitung<br />

ist ihr wichtig.<br />

Zugleich steht sie wie alle berufstätigen Mütter<br />

vor der Herausforderung, Familie und Karriere<br />

zu vereinbaren und ihre Termine so zu<br />

legen, dass sie mit denen ihres Mannes, eines<br />

Tonmeisters, zusammenpassen. Im Idealfall<br />

verreist die ganze Familie. So wie im Herbst<br />

2011, als Apkalna beim Bonner Beethovenfest<br />

auftrat und ihr Mann zu Aufnahmen in die<br />

Kölner Philharmonie musste. „Das genießen<br />

wir sehr“, sagt Apkalna. Und solange die Kinder<br />

nicht in die Schule gingen, sei das problemlos<br />

möglich. Claudia Wallendorf<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11


Köpfe<br />

China übt auf Professor Bernd Wünnemann<br />

seit Jahrzehnten eine starke Faszination<br />

aus. Der <strong>DAAD</strong>-Dozent an der Universität<br />

Nanjing und Professor für Physische<br />

Geographie an der Freien Universität Berlin ist<br />

seit den 1990er Jahren immer wieder zu mehrwöchigen<br />

Forschungsexkursionen nach China<br />

aufgebrochen. Dort hat er sich insbesondere<br />

mit den Trockenräumen im Nordwesten des<br />

Landes beschäftigt. „Sehr rasch sind meine<br />

wissenschaftlichen Partner zu Freunden geworden.<br />

Diese Freundschaften und die positive<br />

Resonanz aller Forscherkollegen auf meine<br />

Arbeit haben mich gereizt, für längere Zeit in<br />

China zu bleiben. Ich wollte erfahren, wie die<br />

chinesischen Wissenschaftler leben, arbeiten,<br />

miteinander umgehen und welche geistigen<br />

und sozialen Bindungen sie unterhalten“, erklärt<br />

Bernd Wünnemann.<br />

Seit 2008 arbeitet der 60-Jährige als <strong>DAAD</strong>-<br />

Dozent und leitet das 2009 gegründete<br />

Deutsch-Chinesische Zentrum für Erdsystemforschung<br />

an der Universität Nanjing, das<br />

von der Freien Universität Berlin mitgetragen<br />

wird. Für seine herausragende Forschung<br />

zur Klima- und Umweltgeschichte Chinas,<br />

seine Leistungen in der akademischen Lehre<br />

und für die Förderung internationaler Netzwerkbildung<br />

zwischen deutschen und chinesischen<br />

Hochschulen, erhielt er kürzlich den<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

© privat<br />

Freundschaftspreis der Volksrepublik China.<br />

Der Preis ist die höchste Auszeichnung für<br />

Ausländer in China. „Ich fühle mich für die<br />

vielen Jahre aktiver Forschung und Lehre in<br />

China bestätigt. Natürlich wertet dieser ideelle<br />

Preis auch meine Präsenz in China auf – ein<br />

Vorteil für die vielen Aktivitäten, die ich noch<br />

mit den chinesischen Partnern vorhabe“, sagt<br />

Bernd Wünnemann. lü<br />

Mit dem Internationalen Jahr der Wälder<br />

2011 geht für Dr. Eduardo Rojas-Briales<br />

ein sehr arbeitsintensives Jahr zu Ende: „Wir<br />

haben viel erreicht“, resümiert der stellvertretende<br />

Generaldirektor und Leiter der<br />

Forstabteilung der UNO-Organisation für<br />

Landwirtschaft und Ernährung (FAO) in<br />

Rom. Die FAO habe die zwölf Monate intensiv<br />

genutzt, um den Menschen ein fundiertes<br />

Wissen über den Wald zu vermitteln, so der<br />

Spanier. „Bei unserer Arbeit geht es aber nicht<br />

nur darum, Wälder großflächig zu schützen“,<br />

erklärt Rojas-Briales, „sondern auch um deren<br />

weltweite Nutzung“. Ein Ansatz, der vor allem<br />

für die Entwicklungsländer entscheidend<br />

sei. Dort müsse die nachhaltige Waldnutzung<br />

dazu beitragen, dass sich der Lebensstandard<br />

der Bewohner verbessert. Nur dann kann die<br />

örtliche Bevölkerung den Sinn der Walderhaltung<br />

verstehen und mittragen.<br />

Bevor Rojas-Briales in 2010 seinen aktuellen<br />

Posten antrat, war er Vize-Dekan der Fakultät<br />

für Agrar- und Forstwissenschaften der Polytechnischen<br />

Universität Valencia. Zu Deutschland<br />

hat Rojas-Briales eine enge Beziehung –<br />

nicht nur wegen der Wälder: Insgesamt zehn<br />

Jahre hat er in der Bundesrepublik gelebt und<br />

<strong>DAAD</strong><br />

gearbeitet. Während seines Studiums der<br />

Forstwissenschaften an der Universität Freiburg<br />

war er von 1983 bis 1985 <strong>DAAD</strong>-Stipendiat.<br />

lü<br />

Ein Teil ihrer Familie kommt aus Polen<br />

und Deutschland, darum war der Italienerin<br />

Anna Aluffi Pentini die deutsche Sprache<br />

von Anfang an nicht fremd und sie blieb<br />

ihr treu. Im Oktober erhielt die Professorin<br />

für Erziehungswissenschaften den Ladislao<br />

Mittner-Preis für ihre besonderen Verdienste<br />

im Dialog zwischen Deutschland und Italien.<br />

Das Deutsch-Italienische Hochschulzentrum<br />

(DIH), dessen deutsche Geschäftsstelle im<br />

© <strong>DAAD</strong> Rom<br />

© FAO/Giulio Napolitano<br />

41


42<br />

<strong>DAAD</strong><br />

<strong>DAAD</strong> in Bonn ist, würdigt mit<br />

dem Preis italienische Wissenschaftler.<br />

Namensgeber ist der<br />

italienische Germanist Ladislao<br />

Mittner (1902–1975).<br />

Die Preisträgerin ist Professorin<br />

an der Universität Roma Tre. Nach<br />

Dolmetscherstudium für Deutsch<br />

und Französisch und Pädagogikstudium<br />

in Rom und Mainz promovierte<br />

sie 1995 zum Themengebiet<br />

interkulturelle Bildung.<br />

Einer ihrer Forschungsschwerpunkte<br />

ist interkulturelle Pädagogik,<br />

wobei ihr die Verschränkung<br />

von Theorie und Praxis am<br />

Herzen liegt. So widmet sich ein<br />

Forschungsprojekt einer Kinderkrippe<br />

für Familien mit Migrationshintergrund,<br />

ein anderes hilft<br />

alleinerziehenden Müttern aus<br />

Einwandererfamilien. Anna Aluffi<br />

Pentini sieht darin eine „befriedigende<br />

Arbeit und die Möglichkeit,<br />

die Praxis hinter der Theorie der<br />

interkulturellen Pädagogik kennenzulernen“.<br />

ors<br />

VIP-Galerie<br />

Alumni im Netz<br />

Was ist aus ehemaligen Stipendiaten<br />

geworden? Was verbindet<br />

sie viele Jahre nach ihrem Studium<br />

mit Deutschland? Wie hat der<br />

Studienaufenthalt in einem anderen<br />

Land ihren Lebenslauf beeinflusst?<br />

In kurzen Porträts geben<br />

viele <strong>DAAD</strong>-Alumni aus der ganzen<br />

Welt Antworten auf diese Fragen.<br />

Lesen Sie mehr in der <strong>DAAD</strong><br />

VIP-Galerie im Internet.<br />

www.daad.de/alumni/netzwerke/<br />

vip-galerie/index.de.html<br />

Unvergessliche<br />

Deutschstunden<br />

Der Bulgare Boshidar Boytschev erinnert sich<br />

Boshidar Boytschev (76),<br />

langjähriger Professor für Elektrotechnik<br />

an der Technischen<br />

Universität Sofia und <strong>DAAD</strong>-<br />

Alumnus, erzählt aus seinen<br />

Jahren als Deutschschüler 1948<br />

bis 1953<br />

Meine Deutschlehrerin Maria<br />

Iwanowa wurde von uns Schülern<br />

„die Deutsche” genannt.<br />

Sie war streng, aber ohne Vorurteile,<br />

und hatte eine Autorität,<br />

der unsere Schülergaunereien<br />

nichts anhaben konnten.<br />

Unvergesslich sind mir aus dem<br />

Unterricht deutsche Sprichwörter<br />

wie: „In der Kürze liegt die Würze“,<br />

„Eile mit Weile!“, „Der Mensch<br />

denkt, Gott lenkt“, „Geduld bringt<br />

Rosen“ oder „Der Gast ist wie ein<br />

Fisch, er bleibt nicht lange frisch“.<br />

Auf diese Weise lernten wir die<br />

Mentalität der Deutschen kennen:<br />

dass sie sehr zurückhaltend,<br />

pragmatisch, sparsam und sauber<br />

sind.<br />

In unserer Deutschklasse gab<br />

es viele fleißige und gute Schüler.<br />

Ich selbst war nicht sehr gehorsam,<br />

denn die ersten Lektionen<br />

fand ich langweilig. Schuld daran<br />

waren unsere Nachbarn in meiner<br />

Heimatstadt Sliven: Herr Stoyno<br />

und seine Ehefrau Ingrid, eine<br />

Österreicherin. Ihr Sohn Toscho<br />

(Theodor) wurde mein Lehrer in<br />

der deutschen Umgangssprache.<br />

Mein Wortschatz schwoll täglich<br />

an, auch mit weniger „feinen“<br />

Wörtern.<br />

Von unseren österreichischen<br />

Nachbarn wusste meine Deutschlehrerin<br />

natürlich nichts – doch<br />

sie bemerkte meine Langeweile.<br />

© privat<br />

Wie oft und streng sie mich auch<br />

prüfte, ich antwortete immer in<br />

fließendem Deutsch. Da machte<br />

sie mich zu ihrem „Mitarbeiter“:<br />

Sie überließ mir die Klassenaufgaben<br />

meiner Mitschüler zur<br />

Prüfung. Dabei war ich besonders<br />

findig: Ich verbesserte manche<br />

Fehler mit blauer statt mit roter<br />

Farbe. Auf diese Weise wollte ich<br />

die Deutschnote meiner Freunde<br />

heraufsetzen und ihnen Mut<br />

machen. Meine Deutschlehrerin<br />

bemerkte diese Frechheit natürlich<br />

sehr bald, und das war<br />

das Ende unserer „kulturellen<br />

Zusammenarbeit“.<br />

Damals lernte ich fast täglich<br />

zehn bis 15 neue deutsche Wörter.<br />

Um Diplomingenieur zu werden,<br />

waren die Fremdsprachen<br />

Deutsch, Englisch und Russisch<br />

später für mich unverzichtbar.<br />

Doch dank meiner Lehrerin, die<br />

von uns allen geliebt wurde, ist<br />

Deutsch bis heute oft auch die<br />

Sprache meiner Träume.<br />

Rätsel-Lösungen<br />

Die LÖSUNG des vorigen Letter-Rätsels lautet:<br />

UNSCHULDIG<br />

Die LÖSUNG ergibt sich aus folgenden Wörtern:<br />

Fundort, Anwalt, Schuss, Spurensicherung, Haftbefehl,<br />

Fingerabdruck, Alibi, Geständnis, Streit, Zeuge<br />

Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />

Petr Kamenik, Jihlava/Tschechische Republik; Ólafur<br />

Sigurðsson, Mosfellsbæ/Island; Pawel Bak, Pilzno/<br />

Polen; Ágústa Gunnarsdóttir-Massaro, Kópavogur/Island;<br />

Aksana Kaznacheyeva, Gomel/Weißrussland; Axel Vieregg,<br />

Palmerston North/Neuseeland; Martin Quinn, Mornington/<br />

Irland; João Tenorio da Rocha Neto, São Paulo, Brasilien;<br />

Irène Couzigou, Paris/Frankreich; Evgenia Tauber, Bad<br />

Pyrmont/Deutschland<br />

Einen Trostpreis erhalten:<br />

Hannu Lehtinen, Raisio/Finnland; Tefide Avci, Düsseldorf/<br />

Deutschland; Paulius Dailyda, Kassel/Deutschland;<br />

Renuka Ravindran, Bangalore/Indien; Majig Khatanbaatar,<br />

Ulaanbaatar/Mongolei<br />

Wer war’s?<br />

EMMY NOETHER<br />

Einen Preis erhalten:<br />

Firangis Paschajewa Shahmur, Baku/Aserbaidschan;<br />

Santiago Rivadeneira Andrade, Quito/Ecuador; Viktor<br />

Bykanov, Triaspol/Moldawien; Milica Bojovic, Novi Sad/<br />

Serbien; Karen Peiluck, Bobenheim-Roxheim/Deutschland<br />

<strong>DAAD</strong> Letter<br />

Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Herausgeber:<br />

Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., Bonn<br />

Kennedyallee 50, 53175 Bonn, Germany<br />

Tel.: +49-228-882-0, Fax: +49-228-882-444<br />

E-Mail: postmaster@daad.de<br />

Redaktion: Katja Sproß (verantwortlich), Uschi Heidel,<br />

Dr. Isabell Lisberg-Haag, Bettina Mittelstraß<br />

Weitere Autoren: Franziska Collet (FC), Boris Hänßler<br />

(boh), Christine Hardt, Christian Hohlfeld (cho), Dr. Klaus<br />

Hübner (Michel), Christoph Kessler (CK), Dr. Leonie Loreck<br />

(Llo), Maximilian Moll (MM), Bernd Müller (BM), Dietrich von<br />

Richthofen (DvR), Horst Willi Schors (ors), Kristina Vaillant (kv),<br />

Claudia Wallendorf (CW), Julia Walter (JW),<br />

Übersetzungen Abstracts: Tony Crawford, Marta Schuman<br />

Koordination: Sabine Pauly<br />

Redaktionsbeirat: Dr. Klaus Birk, Benedikt Brisch,<br />

Claudius Habbich, Francis Hugenroth (Vorsitz), Pia Klein, Dr.<br />

Christian Hülshörster, Birgit Klüsener, Ruth Krahe,<br />

Alexandra Schäfer, Christiane Schmeken,<br />

Nina Scholtes, Friederike Schomaker, Julia Vitz<br />

Gestaltung/Titel: axeptDESIGN, Berlin<br />

Titelfotos: Fotolia Giuseppe R + Privilege<br />

Herstellung: Bonifatius GmbH Paderborn<br />

Redaktion Bonn:<br />

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Auch nicht ausgezeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall<br />

die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter erscheint dreimal im Jahr.<br />

Einzelpreis 6,– Euro, Jahresabonnement 15,– Euro<br />

inklusive Porto und MwSt.<br />

Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />

Einem Teil dieser Ausgabe liegt ein Faltblatt des<br />

<strong>DAAD</strong>-Freundeskreises bei.


© picture alliance/Eventpress<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />

Deutsche Chronik<br />

Eine Auswahl von Ereignissen, die in der Bundesrepublik Schlagzeilen machten (1. August bis 30. November 2011)<br />

10. August<br />

Amtswechsel<br />

Der saarländische Landtag wählt<br />

die CDU-Politikerin Annegret<br />

Kramp-Karrenbauer zur neuen<br />

Ministerpräsidentin. Ihr Vorgänger<br />

und Parteikollege Peter Müller<br />

war nach zwölf Amtsjahren zurückgetreten.<br />

22. August<br />

Meister des Humors<br />

Der Humorist Vicco von Bülow<br />

alias Loriot stirbt im Alter von<br />

87 Jahren. Er gilt als einer der erfolgreichsten<br />

deutschen Unterhaltungskünstler<br />

nach 1945. Generationen<br />

amüsierten sich über seine<br />

TV-Sketche und Zeichnungen, die<br />

feinsinnig menschliche Schwächen<br />

aufdeckten.<br />

Meisterhaft: Loriot hielt den<br />

Deutschen den Spiegel vor<br />

2. September<br />

Wurfgewaltig<br />

Als erster Deutscher gewinnt<br />

David Storl bei den 13. Leichtathletik-Weltmeisterschaften<br />

in<br />

Südkorea den Titel im Kugelstoßen.<br />

Weitere Goldmedaillen holen<br />

Speerwerfer Matthias de Zordo<br />

und Diskuswerfer Robert Harting.<br />

Mit insgesamt sieben Medaillen<br />

belegt Deutschland Platz fünf im<br />

Medaillenspiegel.<br />

4. September<br />

Wahl in Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

Bei den Landtagswahlen baut die<br />

SPD ihre Position als stärkste Partei<br />

aus. Gemeinsam mit der CDU<br />

bildet sie erneut eine große Koalition.<br />

Ministerpräsident bleibt<br />

Erwin Sellering (SPD). Neben der<br />

Linken und der rechtsradikalen<br />

NPD sind nun auch Bündnis 90/<br />

Die GRÜNEN im Landtag vertreten,<br />

während die FDP an der Fünf-<br />

Prozent-Hürde scheitert. Nur gut<br />

die Hälfte der Wahlberechtigten<br />

gibt ihre Stimme ab – Negativrekord<br />

für das Bundesland.<br />

100 Jahre Elbtunnel: zum Jubiläum mit der Kutsche durch<br />

das „Historische Wahrzeichen“<br />

7. September<br />

100 Jahre Elbtunnel<br />

Der alte Elbtunnel in Hamburg erhält<br />

anlässlich seines100-jährigen<br />

Jubiläums den Titel „Historisches<br />

Wahrzeichen der Ingenieurkunst“.<br />

Bei seiner Eröffnung 1911<br />

galt das Bauwerk als technische<br />

Sensation. Der Tunnel unter dem<br />

Fluss Elbe war lange Zeit die<br />

einzige Möglichkeit neben den<br />

Hafenfähren, um vom Stadtteil<br />

St. Pauli zu den großen Werften<br />

auf Steinwerder zu gelangen. Bis<br />

zu 20 Millionen Menschen pro<br />

Jahr nutzten ihn.<br />

14. September<br />

König der Wellen<br />

Der 17-jährige Philip Köster sichert<br />

sich bereits vor dem Finale<br />

auf Sylt den Weltmeistertitel im<br />

Windsurfen. Er ist damit der erste<br />

deutsche Titelträger in dieser<br />

Sportart.<br />

Windsurfen: der 17-jährige Philip<br />

Köster ist Weltmeister<br />

© picture alliance/Eibner-Presse<br />

18. September<br />

Piraten entern Berlin<br />

Die Koalition von SPD und Linke<br />

verliert bei den Wahlen zum<br />

Berliner Abgeordnetenhaus ihre<br />

Mehrheit. Die SPD unter dem Regierenden<br />

Bürgermeister Klaus<br />

Wowereit, weiterhin stärkste Partei,<br />

regiert künftig mit der CDU.<br />

Eigentlicher Wahlgewinner: die<br />

Piratenpartei, die mit unerwarteten<br />

8,9 Prozent erstmals den<br />

Einzug in ein Landesparlament<br />

schafft. (siehe Interview Seite xx).<br />

Auch Bündnis 90/Die GRÜNEN<br />

legen kräftig zu. Die FDP verpasst<br />

deutlich den Wiedereinzug ins<br />

Abgeordnetenhaus.<br />

9. Oktober<br />

Auf Rekordjagd<br />

Durch einen dritten Platz beim<br />

Grand Prix von Suzuka in Japan<br />

verteidigt Sebastian Vettel vorzeitig<br />

seinen Weltmeistertitel in der<br />

Formel 1. Damit ist der 24-Jährige<br />

der jüngste Doppel-Weltmeister in<br />

der Königsklasse des Motorsports.<br />

10. Oktober<br />

Deutscher Buchpreis an<br />

Eugen Ruge<br />

© picture alliance/dpa<br />

Der Börsenverein des deutschen<br />

Buchhandels zeichnet Eugen Ruge<br />

mit dem Deutschen Buchpreis aus.<br />

Der Schriftsteller aus Deutschland<br />

erhält die mit 25 000 Euro dotierte<br />

Auszeichnunge für seinen Roman<br />

„In Zeiten abnehmenden Lichts“,<br />

der die Geschichte einer Familie<br />

in der DDR erzählt.<br />

12. Oktober<br />

Rätsel um Pesterreger gelöst<br />

Wissenschaftler aus Tübingen<br />

und Kanada entschlüsseln das<br />

Erbgut des Pesterregers. Ein Bak-<br />

terium mit Namen Yersinia pestis<br />

steht nun zweifelsfrei als Erreger<br />

fest. Die Forscher hatten dazu Erbgutreste<br />

aus Knochen eines Londoner<br />

Pestfriedhofes aus dem 13.<br />

Jahrhundert analysiert.<br />

25. Oktober<br />

Grünes Kraftwerk<br />

In Prenzlau bei Berlin geht das<br />

erste Hybridkraftwerk Deutschlands<br />

in Betrieb. Es wandelt<br />

überschüssigen Strom aus einer<br />

Windkraftanlage in Wasserstoff<br />

um. Der Vorteil: Anders als Strom<br />

kann Wasserstoff gespeichert werden.<br />

Im Bedarfsfall wird der Wasserstoff<br />

mit Biogas verbrannt und<br />

neuer Strom erzeugt.<br />

Stimme der Versöhnung<br />

Der israelisch-argentinische Dirigent<br />

und Pianist Daniel Barenboim<br />

erhält in Berlin den erstmals<br />

vergebenen Internationalen Willy-<br />

Brandt-Preis. Mit der Auszeichnung<br />

werden seine Bemühungen<br />

um Versöhnung unter den Völkern<br />

und Religionen im Nahen<br />

Osten gewürdigt.<br />

8. November<br />

Gaspipeline durch Ostsee<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

und der russische Präsident<br />

Dmitri Medwedew eröffnen in<br />

Lubmin bei Greifswald die neue<br />

Ostseepipeline. Durch die Röhren<br />

am Meeresboden fließen ab 2012<br />

jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter<br />

Erdgas von Russland direkt<br />

nach Deutschland und Westeuropa.<br />

22. November<br />

Bundestag einig gegen<br />

Neonazis<br />

In einer gemeinsamen Erklärung<br />

verurteilen alle Parteien im<br />

Deutschen Bundestag die Mordserie<br />

einer Neonazi-Gruppe und<br />

trauern um die Opfer. Die Täter<br />

ermordeten zwischen den Jahren<br />

2000 und 2007 in verschiedenen<br />

Städten Deutschlands mindestens<br />

zehn Migranten und eine Polizistin.<br />

Den Zusammenhang und den<br />

rechtsextremistischen Hintergrund<br />

dieser Taten entdeckten Polizei<br />

und Ermittlungsbehörde erst,<br />

nachdem Anfang November zwei<br />

Mitglieder der rechten Terrorzelle<br />

tot in einem Wohnmobil in Eisenach<br />

gefunden wurden.<br />

43


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