Neue Blickwinkel - DAAD-magazin
Neue Blickwinkel - DAAD-magazin
Neue Blickwinkel - DAAD-magazin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Nr. 3 Dezember 2011, 31.Jg.<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Blickwinkel</strong><br />
Deutschland wird älter<br />
Meer – Wetter – Wind<br />
Forschen an der Ostsee<br />
Erfolgsgeschichte<br />
125 Jahre Automobil
2<br />
© Jens Schuenemann<br />
INHALT<br />
Frische Brise:<br />
studieren und forschen in<br />
Flensburg und Kiel<br />
S. 20<br />
Fundierte Ausbildung:<br />
In-Country-Stipendien in Uganda<br />
S. 30<br />
Titel:<br />
Feine Abstimmung:<br />
wertvolle Kooperation von<br />
Industrie und Hochschullabor<br />
S. 22<br />
Kontrastreich: Frankfurt am Main<br />
ist mehr als Banken-Skyline<br />
S.16<br />
Furioses Spiel:<br />
Iveta Apkalna aus Lettland<br />
ist Königin der Orgel<br />
S. 40<br />
© Landeshauptstadt Kiel/Insa Matzen<br />
© Mirco Lomoth<br />
<strong>DAAD</strong> Letter – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
Dialog Seite 4<br />
Kluge Köpfe gegen den Hunger 4<br />
Spektrum Deutschland Seite 6<br />
EinBlick: Glocken – nicht nur zur Weihnachtszeit 6<br />
Nachrichten 8<br />
<strong>DAAD</strong>-Standpunkt Seite 10<br />
Promovieren in Deutschland – zukunftsorientiert und international<br />
Titel Seite 12<br />
50+ Ein Land kommt in die Jahre 12<br />
100+ Aussicht auf ein sehr langes Leben 15<br />
Hochschule Seite 16<br />
<strong>Neue</strong>s vom Campus 16<br />
Bauen mit Weitblick<br />
Hochschulen bauen nachhaltig 18<br />
Ortstermin Seite 20<br />
Kiel und Flensburg: Meer, Wetter, Wind und mehr<br />
Wissenschaft und Wirtschaft Seite 22<br />
Wenn die Chemie stimmt<br />
Ideen aus Universitätslaboren sind wertvoll für die Industrie<br />
Trends Seite 24<br />
Spannende Zukunft<br />
125 Jahre Automobil<br />
Europa Seite 26<br />
ERASMUS wird 25<br />
Gratulation an das europäische Mobilitätsprogramm<br />
Rätsel Seite 28<br />
Sprachecke Seite 29<br />
<strong>DAAD</strong> Report Seite 30<br />
Wirksam vor Ort<br />
In-Country-Stipendien in Uganda 30<br />
Ankommen im deutschen Alltag<br />
30 Jahre <strong>DAAD</strong>-Freundeskreis 32<br />
Mit Wissenschaft zum Wandel<br />
Gemeinsame pakistanisch-deutsche Forschung 33<br />
Stipendiaten forschen 34<br />
In Verbindung bleiben<br />
<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max Huber geht in den Ruhestand 36<br />
Nachrichten 37<br />
Gestern Stipendiat – und heute …<br />
Iveta Apkalna 40<br />
Köpfe 41<br />
Unvergessliche Deutschstunden 42<br />
Impressum 42<br />
Deutsche Chronik Seite 43<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
© plainpicture<br />
In Hannover steht seit Oktober 2011 eine<br />
ungewöhnliche Uhr: die Weltbevölkerungsuhr.<br />
Sie zeigt an, wie viele Menschen auf der<br />
Erde leben. Dieses in Deutschland einzigartige<br />
Messinstrument hat die Stiftung Weltbevölkerung<br />
installiert, um auf das enorme<br />
Wachstum der Menschheit aufmerksam zu<br />
machen. Nach Schätzung der Stiftung gibt es<br />
jedes Jahr 82,947 Millionen Menschen mehr<br />
auf der Erde, das sind 227 252 pro Tag oder<br />
158 pro Minute. Schon heute müssen mehr<br />
als sieben Milliarden Menschen mit Nahrung<br />
versorgt werden. Gibt die Erde genügend für<br />
alle her? Ja – unter einigen Voraussetzungen.<br />
Zum Beispiel müssten die Ergebnisse der Agrarforscher<br />
die Landwirte erreichen und in<br />
die Praxis umgesetzt werden, sagen Manfred<br />
Zeller und Areeya Manasboonphempool vom<br />
Food Security Center der Universität Hohenheim<br />
(Seite 4).<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
Nicht überall auf der Welt sind die Geburtenraten<br />
hoch und wächst die Bevölkerung.<br />
Wissenschaftler sprechen von einer<br />
„demografischen Teilung“: Fast alle Entwicklungsländer<br />
müssen mit immer mehr Einwohnern<br />
zurechtkommen, dagegen schrumpft in<br />
den meisten Industriestaaten die Gesellschaft<br />
und gleichzeitig gibt es dort immer mehr alte<br />
Menschen. Neben Japan und Hongkong werden<br />
in Deutschland die wenigsten Kinder pro<br />
1 000 Einwohner geboren. Wie sich die Deutschen<br />
auf diesen Wandel einstellen, welche<br />
Chancen er für ältere Arbeitnehmer bedeutet<br />
und welche zukunftsfähigen Ansätze es gibt,<br />
für immer mehr alte Menschen zu sorgen, lesen<br />
Sie in der Titelgeschichte ab Seite 11.<br />
Wenn es um Geburten geht, liegt Uganda<br />
im Vergleich zu Deutschland am entgegengesetzten<br />
Ende der Skala. Hier bringt jede<br />
Frau durchschnittlich sieben Kinder zur Welt,<br />
die Bevölkerung wächst nahezu ungebremst.<br />
EDITORIAL 3<br />
Sie zu ernähren ist eine große Herausforderung<br />
und nur mit gut ausgebildeten Fachkräften<br />
zu bewältigen. Dazu kommt: Bildung<br />
beeinflusst die Geburtenrate eines Landes in<br />
hohem Maße, wie das Berlin-Institut für Bevölkerung<br />
und Entwicklung ermittelt hat. „Überall<br />
auf der Welt bekommen gebildete Frauen<br />
weniger Kinder als ungebildete“, heißt es in<br />
einer neuen Studie. Zur besseren Ausbildung<br />
trägt der <strong>DAAD</strong> mit seinen In-Country-Stipendien<br />
für den wissenschaftlichen Nachwuchs<br />
bei. Das bedeutet eine Entwicklung von Uganda<br />
durch Ugander (Seite 30).<br />
Schreiben Sie uns Ihre Anregungen, Themenwünsche<br />
und Kritik. Sie erreichen<br />
uns per E-Mail unter: spross@trio-medien.de<br />
Allen Leserinnen und Lesern wünschen<br />
wir ein friedliches, gesundes und erfolgreiches<br />
Jahr 2012.<br />
Der <strong>DAAD</strong> und die Letter-Redaktion
4 DIALOG<br />
Manfred Zeller ist häufig in der Welt unterwegs.<br />
Ein schmales Studierzimmer an der<br />
Universität Hohenheim reicht dem Professor<br />
für Entwicklungspolitik für den ländlichen<br />
Raum und Leiter des vom <strong>DAAD</strong> geförderten<br />
Food Security Center (FSC), um<br />
auf der Weltkarte drei Schwerpunkte des<br />
Hungerproblems zu markieren: das Horn<br />
von Afrika, das südliche Afrika und die<br />
bevölkerungsreichen Länder Indien und<br />
China. Die 31-jährige Agrarökonomin Areeya<br />
Manasboonphempool fügt mit Nordvietnam<br />
ihren Forschungsschwerpunkt hinzu.<br />
Im Doktorandenprogramm des FSC arbeitet<br />
die <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin daran, einen<br />
Ausgleich der Interessen von Bauern im<br />
Hochland und den Wasserverbrauchern<br />
stromabwärts zu erreichen.<br />
Nach Jahrzehnten der Entwicklungshilfe<br />
und Agrarforschung hungert immer noch<br />
knapp eine Milliarde Menschen. Hat die<br />
Forschung versagt?<br />
Manfred Zeller: Ohne die Agrarforschung<br />
und die Umsetzung der Ergebnisse wäre<br />
das Hungerproblem noch viel größer. Seit<br />
50 Jahren wächst die Weltbevölkerung sehr<br />
stark an. Die Nahrungsmittelproduktion hat<br />
im Wesentlichen mitgehalten. Dennoch: Dass<br />
eine Milliarde Menschen hungert, ist völlig<br />
inakzeptabel.<br />
Kürzlich haben Ernährungsforscher in<br />
der Zeitschrift „Nature“ ein Fünf-Punkte-<br />
Programm zur Nahrungssicherung<br />
vorgeschlagen. Darunter: kein weiterer<br />
Kahlschlag zugunsten landwirtschaftlicher<br />
Flächen, angepasste Pflanzensorten und<br />
bessere Anbaumethoden. Wäre die Welt<br />
damit gerettet?<br />
Zeller: Diese technologischen Ansätze sind<br />
richtig und bekannt. Doch der Hunger hat<br />
noch andere Ursachen, die in institutionellen,<br />
Kluge Köpfe<br />
sozio-ökonomischen und politischen Bereichen<br />
liegen. Für diese notwendigen Verbesserungen<br />
werden ausgebildete Fach- und<br />
Führungskräfte benötigt. Wir brauchen mehr<br />
Experten für Landwirtschaft, Ökologie und<br />
Ernährungssicherung in den Entwicklungsländern<br />
sowie mehr angewandte Forschung<br />
für die dortigen Herausforderungen. Besonders<br />
kommt es auf die Umsetzung der Ideen<br />
und Konzepte im Land an. Das lernen die<br />
Stipendiaten hier am Food Security Center im<br />
<strong>DAAD</strong>-Exceed-Programm.<br />
Areeya Manasboonphempool: Viele hilfreiche<br />
Forschungsergebnisse erreichen die<br />
Anwender nicht – die Bauern, die Entscheidungsträger<br />
in Wirtschaft und Politik. Es<br />
reicht auch nicht aus, sie lediglich über neue<br />
Erkenntnisse zu informieren. Die Menschen<br />
müssen so überzeugt werden, dass sie hinter<br />
den Veränderungen stehen. Es gibt eine riesige<br />
Lücke zwischen dem Wissenschaftler, der<br />
ein kluges Konzept etwa für die Landbewirtschaftung<br />
oder die Bewässerung entwickelt,<br />
und den Entscheidungsträgern vor Ort.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
gegen den Hunger<br />
Wie versorgt man sieben Milliarden Menschen mit Nahrung?<br />
Die Probleme sind erkannt,<br />
Lösungen erarbeitet – hapert es an<br />
Überzeugungsarbeit?<br />
Manasboonphempool: Ja. Als Agrarforscher<br />
müssen wir nicht nur die Landwirte<br />
überzeugen, wir suchen auch nach Anreizen<br />
für die politischen Entscheidungsträger,<br />
damit unsere Ideen Anwendung finden. Im<br />
November 2011 habe ich für mein Promotionsthema<br />
den Norden Vietnams besucht.<br />
Dort bearbeiten Kleinbauern die Ackerkrume.<br />
Ihnen gehört das Land nicht, es wird ihnen<br />
vom Staat nur befristet zur Nutzung überlassen.<br />
Also unternehmen sie nichts gegen die<br />
Bodenerosion, welche durch den Maisanbau<br />
an Hangflächen entsteht. Der Boden degradiert<br />
und verliert sein Vermögen, Wasser<br />
zurückzuhalten. Dadurch steigt flussabwärts<br />
das Risiko für Überschwemmungen und die<br />
mitgeschwemmte Erde verlandet den größten<br />
Stausee in Nordvietnam. In meiner Studie<br />
erhebe ich die wirtschaftlichen und sozialen<br />
Eckdaten und die Interessen der Beteiligten<br />
– Bauern, Beamte, Betreiber des Staudamms.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© steffen honzera<br />
Mein Ziel ist es, alle an einen Tisch zu bekommen,<br />
um einen Interessensausgleich zu<br />
finden. Denkbar ist ein finanzieller Anreiz<br />
für Bauern, um einfachste landwirtschaftliche<br />
Techniken gegen die Erosion einzusetzen.<br />
Jetzt reden Sie wie eine Politikerin.<br />
Manasboonphempool: Es ist eher Politikberatung.<br />
Ich werde Überzeugungsarbeit für<br />
alle Interessengruppen leisten müssen. Das<br />
wird eine schwierige Aufgabe. Im Doktorandenprogramm<br />
in Hohenheim lernen wir auch<br />
die Soft Skills und tauschen uns mit Kollegen<br />
– auch anderer Disziplinen – aus allen Regionen<br />
dieser Welt aus. Das bedeutet auch, sich<br />
selbst verständlich darzustellen und auf die<br />
anderen zuzugehen.<br />
Zeller: Forscher sollten sich viel stärker<br />
untereinander und zugleich mit wirtschaftlichen<br />
und politischen Entscheidungsträgern<br />
vernetzen. Dieser Ansatz steht im Food Security<br />
Center im Mittelpunkt. Wir sind eine<br />
Plattform für Wissensaustausch, Ausbildung<br />
und initiieren eigene Forschung. Auf jedem<br />
DIALOG 5<br />
Kontinent haben wir Partneruniversitäten.<br />
Aktuell arbeiten wir an einem weltumspannenden<br />
wissenschaftlichen Netzwerk zur<br />
Ernährungssicherung.<br />
Manasboonphempool: In diesem multidisziplinären<br />
Umfeld lerne ich als Agrarökonomin<br />
die Sichtweise eines Pflanzenzüchters,<br />
eines Biotechnologen oder die Arbeitsweise<br />
von Sozialwissenschaftlern und anderen Ökonomen<br />
kennen. Das ist einmalig.<br />
Bis zum Jahr 2050 müssen weitere zwei<br />
Milliarden Menschen miternährt werden.<br />
Stehen die großen Hungerkatastrophen<br />
noch bevor?<br />
Zeller: Das ist keine Zwangsläufigkeit. Bis<br />
2050 könnten wir die Lebensmittelproduktion<br />
weltweit deutlich steigern und im Prinzip<br />
alle Menschen ernähren. Vorausgesetzt wir<br />
investieren sehr viel mehr als bisher in die<br />
ländliche Entwicklung und den Agrar- und<br />
Ernährungssektor, insbesondere in die kleinbäuerliche<br />
Landwirtschaft. Denn Hunger ist<br />
vorwiegend eine Folge von Armut und ein<br />
Problem der gerechten Verteilung der Nahrungsmittel.<br />
Der große Teil der Armen und<br />
Hungernden lebt im ländlichen Raum und<br />
ist abhängig von der Landwirtschaft. Genau<br />
dort brauchen wir Experten, die hierzulande<br />
– etwa als Stipendiaten – ausgebildet werden.<br />
Unsere Absolventen bringen diesen Menschen<br />
dann die nötigen Methoden, Institutionen<br />
und Technologien näher.<br />
Wo haben Entwicklungshilfe und<br />
Agrarforschung in den letzten Jahren<br />
Wirkung gezeigt?<br />
Zeller: In Thailand, Costa Rica und Brasilien<br />
half die Forschung einer vielseitigen<br />
und exportorientierten Landwirtschaft auf<br />
die Beine. In Thailand stiegen die Reiserträge<br />
stark an, gleichzeitig produziert das Land<br />
viele andere Grundnahrungsmittel. Costa<br />
Rica hat eine stabile Demokratie und eine<br />
ausgeglichene Wirtschaft mit den Eckpfeilern<br />
Kaffee, Landwirtschaft und Tourismus. Brasilien<br />
hat schon immer viel in Agrarforschung<br />
investiert und erntet jetzt gewissermaßen die<br />
Früchte der Forschung.<br />
Das Gespräch führte Martin Schäfer.
© picture alliance
EinBlick<br />
Ihre Stimmen gehören zum Alltag: Glocken läuten<br />
im ganzen Land Stunde um Stunde von Kirchtürmen<br />
oder Rathäusern und erinnern die Deutschen an die<br />
Zeit: vier Schläge – vier Uhr. Sonntags, in der Weihnacht<br />
und Ostern rufen Glocken Christen zum Gottesdienst.<br />
An ihren Klang knüpfen sich unterschiedliche<br />
Gefühle eines ganzen Volkes: Glocken mobilisierten<br />
zum Krieg und läuteten den Frieden ein. Sie rufen<br />
zur Trauer und begrüßen den Neujahrstag. Ihr Guss<br />
ist noch immer ein feierlicher Akt. Rund 1 000 Jahre<br />
alt sind Deutschlands älteste Glocken. Das Glockengießerhandwerk<br />
hat eine bedeutende Tradition. Auf<br />
fünf Kontinenten hängen Glocken zum Beispiel aus<br />
Thüringen. Auch der „Dicke Pitter“ im Kölner Dom<br />
(hier im Bild) wurde dort gegossen – mit rund 24 000<br />
Kilogramm und über drei Metern Durchmesser gehört<br />
diese Glocke zu den größten der Welt.
8 SPEKTRUM<br />
DEUTSCHLAND<br />
Lange Reise: Die ersten türkischen Gastarbeiter fahren 1961 mit dem Zug von Istanbul<br />
nach München – nach 50 Stunden erreichen sie ihr Ziel<br />
Türkei/Deutschland<br />
50 Jahre türkische Gastarbeiter<br />
Ihre Reise war lang und beschwerlich: Als<br />
die ersten türkischen Gastarbeiter 1961 von<br />
Istanbul nach München reisten, waren sie 50<br />
Stunden mit dem Zug unterwegs. In München<br />
angekommen, wurden sie an Unternehmensstandorte<br />
in ganz Deutschland verteilt. Hintergrund<br />
war das deutsch-türkische Anwerbeabkommen,<br />
das im Oktober 2011 sein 50-jähriges<br />
Jubiläum feierte.<br />
Dieses Abkommen gehört zu einer Reihe<br />
von Verträgen, die die Bundesrepublik in den<br />
1950er und 1960er Jahren mit einigen europäischen<br />
und nordafrikanischen Ländern<br />
abschloss. Die ausländischen Arbeitskräfte<br />
Umfrage der BBC<br />
Deutschland ist beliebt<br />
Deutschland ist das Land mit dem besten<br />
Ruf – und das seit Jahren. Zu diesem Ergebnis<br />
kommt eine jährliche Umfrage von BBC<br />
World Services. 2011 hat der britische Rundfunksender<br />
weltweit über 28 000 Menschen<br />
danach befragt, welche Länder ihrer Ansicht<br />
nach positiven Einfluss auf die internationale<br />
Politik haben. Etwa 61 Prozent der Befragten<br />
bewerten Deutschland positiv, dann erst nennen<br />
sie Großbritannien, Japan, Kanada und<br />
Frankreich. Deutschland taucht seit 2008 im<br />
BBC- Ranking auf. Seitdem rangiert das Land<br />
auf Platz eins.<br />
sollten für einen begrenzten Zeitraum in<br />
Deutschland tätig sein – deshalb nannte man<br />
sie Gastarbeiter. Vor allem die Autoindustrie<br />
und der Bergbau suchten dringend Arbeitskräfte.<br />
Türken bildeten die größte Gruppe der<br />
Gastarbeiter: Zwischen 1961 und 1973 bewarben<br />
sich mehr als zweieinhalb Millionen Türken<br />
um eine deutsche Arbeitserlaubnis; jeder<br />
Vierte erhielt die Genehmigung.<br />
Viele von ihnen blieben in Deutschland: Weil<br />
sie hier bessere Perspektiven hatten, ihre Familien<br />
nachgezogen waren und weil sie sich in<br />
ihrer eigentlichen Heimat bald fremd fühlten.<br />
Dabei kümmerte sich Deutschland zunächst<br />
wenig um eine angemessene Integrationspolitik<br />
– mit gravierenden Folgen. Angesichts<br />
ihrer islamisch geprägten Herkunft fiel es<br />
Deutschland<br />
Großbritannien<br />
Japan<br />
Kanada<br />
61 57 57 55 51 50<br />
© picture alliance/Beynelmilel<br />
vielen türkischen Gastarbeitern schwer, sich<br />
in Deutschland zurechtzufinden. So blieben<br />
sie häufig in ihrem eigenen Milieu und hatten<br />
nur wenig Kontakt zu Deutschen. Die Folgen<br />
einer lange Zeit fehlenden Integrationspolitik<br />
sind bis heute spürbar. Teilweise belasten sie<br />
auch die deutsch-türkischen Beziehungen.<br />
Die Geschichte der türkischen Gastarbeiter<br />
hat aber auch viele positive Seiten: Sie und<br />
ihre Nachkommen sind in allen Bereichen<br />
der Gesellschaft angekommen und haben einen<br />
großen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg<br />
Deutschlands. Auch in der Politik sind sie aktiv.<br />
Prominente Beispiele sind Cem Özdemir<br />
(Büdnis 90/Die Grünen) und die niedersächsische<br />
Integrationsministerin Aygül Özkan<br />
(CDU).<br />
Frankreich<br />
USA<br />
© Quelle: BBC-Studie | Gestaltung: axeptDESIGN<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Jüdisches Museum Berlin<br />
Juden und Muslime im Dialog<br />
Das Jüdische Museum Berlin plant ein islamisch-jüdisches<br />
Forum mit dem Titel „Moslemische<br />
Fragen, jüdische Antworten“. Damit<br />
will sich das Museum zu seinem zehnjährigen<br />
Jubiläum stärker in die in Deutschland aktuelle<br />
Debatte um Integration von Minderheiten<br />
einmischen. „Die Erfahrungen der deutschen<br />
Juden im 19. Jahrhundert angesichts des<br />
Drucks zur Säkularisierung können auch für<br />
den europäischen Islam von Interesse sein“,<br />
sagt Programmdirektorin Cilly Kugelmann.<br />
An dem Vorhaben beteiligen sich auch islamische<br />
Wissenschaftler.<br />
In den vergangenen zehn Jahren brachte das<br />
Museum seinen über sieben Millionen Besuchern<br />
die mehr als 2 000 Jahre währende<br />
Geschichte der deutsch-jüdischen Beziehungen<br />
und die jüdische Kultur nahe. Dabei setzt<br />
die Institution auch auf Interaktion: Neben<br />
der Dauerausstellung gehört das Rafael Roth<br />
Learning Center zu dem Museum. In diesem<br />
Medienzentrum können Besucher selbst Antworten<br />
auf ihre Fragen suchen. Bekannt ist<br />
das Jüdische Museum für seine besondere Architektur.<br />
Der markante Zickzackbau stammt<br />
von dem amerikanischen Star-Architekten Daniel<br />
Libeskind.<br />
www.jmberlin.de<br />
Alumniportal Deutschland<br />
Webinar zu erneuerbaren Energien<br />
Das Seminarthema ist spannend, der Ort aber<br />
meilenweit entfernt? Dann bietet sich ein Webinar<br />
an. Diese neue Kursform via Internet gibt<br />
es jetzt auch im Alumniportal Deutschland<br />
(APD). Die Teilnehmer sehen und hören die<br />
Referenten über einen Audio-Video-Stream.<br />
In einem interaktiven Live-Chat können sie<br />
außerdem Fragen stellen und untereinander<br />
diskutieren. „Ein Webinar funktioniert wie ein<br />
gewöhnliches Seminar – mit dem Unterschied,<br />
dass die Teilnehmer überall sein können, solange<br />
sie einen Computer vor sich haben“, erklärt<br />
Felicitas Quaß vom APD. Seit Ende 2010<br />
gibt es dort Webinare zu Themen wie erneuerbare<br />
Energien, Online-Journalismus, EU- und<br />
Finanzkrise oder auch Public Policy.<br />
Das Angebot ist für alle Deutschland-Alumni<br />
zugänglich. Registrierung im APD und Teilnahme<br />
an den Webinaren sind kostenfrei.<br />
www.alumniportal-deutschland.de/webinare<br />
Franziska Collet<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
Künstler und politischer Kopf:<br />
Boualem Sansal aus Algerien<br />
Friedenspreis<br />
Ehrung für mutigen Kritiker<br />
Für den algerischen Schriftsteller Boualem<br />
Sansal bedeuten die Revolutionen in den<br />
arabischen Ländern eine „kopernikanische<br />
Wende“. „Die Menschen wollen eine echte<br />
universelle Demokratie, ohne Grenzen und<br />
Tabus“, sagt der Autor aus dem Maghreb. Im<br />
Nahen Osten würden wie 1989 in Deutschland<br />
„mit herrlichem Getöse“ sämtliche Mauern<br />
fallen, versicherte Sansal am 16. Oktober in<br />
der Frankfurter Paulskirche. Dort nahm er den<br />
mit 25 000 Euro dotierten Friedenspreis des<br />
Deutschen Buchhandels entgegen.<br />
Ausgezeichnet wurde Sansal ebenso als<br />
Künstler wie als politischer Kopf. Der Literaturwissenschaftler<br />
Peter von Matt nannte den<br />
Erzähler in seiner Laudatio „witzig und weise,<br />
unerbittlich in den Diagnosen“. Der 63-jährige<br />
promovierte Volkswirt, der in der algerischen<br />
Küstenstadt Bourmedès lebt, ist der schärfste<br />
Kritiker der politischen Verhältnisse in Algerien.<br />
Seit 1999 äußert er sich entsprechend in<br />
Romanen und Essays.<br />
Nach der Veröffentlichung seines regimekritischen<br />
Buches „Persönliches und Politisches<br />
Tagebuch, Algerien, 40 Jahre danach“ im Jahr<br />
2003 verlor er sein Amt im Industrieministerium.<br />
Seine Bücher sind in Algerien verboten<br />
und erscheinen in Frankreich. Viele seiner<br />
Werke liegen auch in deutscher Sprache vor.<br />
Sansals Rede und die Ansprachen zur Preisverleihung<br />
sind als Buch erhältlich (Friedenspreis<br />
des Deutschen Buchhandels 2011 – Boualem<br />
Sansal, Frankfurt a.M.: MVB, 14,90 Euro) Llo<br />
© picture alliance/Sven Simon<br />
© picture-alliance/dpa<br />
SPEKTRUM DEUTSCHLAND<br />
Piratenpartei<br />
Wahlerfolg in Berlin<br />
Bei den Wahlen zum Berliner Landesparlament<br />
erzielte die Piratenpartei knapp zehn<br />
Prozent der Stimmen. Die 2006 gegründete<br />
Partei setzt sich für die Stärkung der Bürgerrechte,<br />
mehr Demokratie und mehr Mitbestimmung<br />
ein. Der freie Zugang aller Bürger<br />
zu digitalen Medien ist eines der wichtigen<br />
Anliegen. Der Politikwissenschaftler Dr. Gero<br />
Neugebauer von der Freien Universität Berlin<br />
gibt Antworten zum Wahlergebnis.<br />
Was macht die Piratenpartei so<br />
erfolgreich?<br />
Die Piratenpartei betreibt Politik anders als<br />
die großen Parteien. Sie arbeitet sehr basisdemokratisch:<br />
Häufig liegt zu bestimmten<br />
Punkten keine offizielle Stellungnahme vor,<br />
weil sich die Partei noch nicht auf einen<br />
Standpunkt geeinigt hat. Erst nach einer<br />
ausführlichen internen Diskussion tritt<br />
die Organisation mit ihrer Meinung an die<br />
Öffentlichkeit.<br />
Haben viele Wähler die Piraten aus Protest<br />
gewählt?<br />
Kleine Parteien wie die Piraten haben die<br />
Funktion, auf Versäumnisse der großen Parteien<br />
aufmerksam zu machen. Der Erfolg der<br />
Piraten drückt also sowohl Protest der Wähler<br />
gegen die Arbeit der großen Parteien als auch<br />
einen Bedarf an neuer Politik aus.<br />
Jeder zweite Deutsche glaubt an den<br />
Einzug der Piratenpartei in den nächsten<br />
Bundestag. Wie ist Ihre Prognose für die<br />
Wahl 2013?<br />
Wenn die Partei langfristig Erfolg haben will,<br />
muss sie Inhalte liefern. Sie muss dadurch<br />
ihre Identität klären und damit Attraktivität<br />
erzeugen, um Wähler zu mobilisieren. Auf ihr<br />
derzeitiges Image als Protestpartei können<br />
sich die Piraten nicht verlassen.<br />
FC<br />
9
10 DIALOG<br />
© <strong>DAAD</strong>/Eric A. Lichtenscheidt<br />
<strong>DAAD</strong>-Standpunkt<br />
Dorothea Rüland ist<br />
Generalsekretärin des <strong>DAAD</strong><br />
Als rohstoffarmes Land ist Deutschland besonders<br />
auf wissenschaftliche Innovation<br />
und deren Umsetzung in die Praxis angewiesen.<br />
Doktorandinnen und Doktoranden leisten<br />
hierzu einen zentralen Beitrag, sowohl in der<br />
Promotionsphase, als auch durch ihre spätere<br />
wissenschaftliche Tätigkeit. Die Suche nach<br />
zukünftigen Leistungsträgern ist schon lange<br />
nicht mehr auf das eigene Land beschränkt.<br />
Weltweit konkurrieren Hochschulen um wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs. Der Werbung<br />
um vielversprechende Doktorandinnen und<br />
Doktoranden kommt dabei eine immer wichtigere<br />
Rolle zu. Die angloamerikanischen<br />
Länder sind durch das bekannte System der<br />
„Graduate Schools“ und international renommierte<br />
Universitäten in diesem Feld besonders<br />
erfolgreich.<br />
Das traditionelle deutsche System der Einzelpromotion<br />
liefert in vielen Fällen hervorragende<br />
Ergebnisse. Nachholbedarf besteht<br />
aber in Bezug auf die Transparenz,<br />
Promovieren in Deutschland<br />
– zukunftsorientiert und international<br />
Von Dorothea Rüland<br />
Betreuungsqualität, Berufsqualifizierung und<br />
internationale Sichtbarkeit. Der <strong>DAAD</strong> fördert<br />
daher seit zehn Jahren die Entwicklung und<br />
Umsetzung international ausgerichteter strukturierter<br />
Promotionsprogramme. Wir möchten<br />
so die Wege, die zur Promotion führen, schneller,<br />
sicherer und zielführender gestalten, um<br />
eine Promotion in Deutschland gerade auch<br />
für exzellente ausländische Graduierte noch<br />
attraktiver zu machen.<br />
Im Programm „International promovieren in<br />
Deutschland (IPID)“ fördert der <strong>DAAD</strong> daher<br />
mit 12 Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung<br />
die Internationalisierung von strukturierten<br />
Promotionsprogrammen. Aus 168 Anträgen<br />
wurden 39 Projekte an 29 deutschen Hochschulen<br />
ausgewählt, die für die Laufzeit von<br />
2010 bis 2013 mit bis zu 100 000 Euro im Jahr<br />
unterstützt werden.<br />
Das große Interesse der Hochschulen an der<br />
Einrichtung strukturierter Promotionsangebote<br />
zeigte auch die im Rahmen von IPID veranstaltete<br />
zweitägige Konferenz des <strong>DAAD</strong> im<br />
Oktober in Berlin. Unter dem Motto „International<br />
promovieren in Deutschland – Wege zu<br />
einer zukunftsorientierten Doktorandenausbildung“<br />
nahmen über 180 Hochschulvertreter<br />
aus ganz Deutschland teil.<br />
Strukturierte Promotionsprogramme haben<br />
eine Reihe von Vorteilen: Die Zusammenarbeit<br />
mit mehreren Betreuern und der ständige Austausch<br />
mit anderen jungen Wissenschaftlern,<br />
die in verwandten Themengebieten arbeiten,<br />
sichert die Qualität und den Promotionserfolg.<br />
In strukturierten Programmen wird für die<br />
Promotion üblicherweise ein Zeitraum von<br />
drei bis vier Jahren angestrebt. Dies erhöht<br />
die Planbarkeit des eigenen Karrierewegs.<br />
Auch das ist ein Punkt, der für in-, aber gerade<br />
auch für ausländische Graduierte besonders<br />
wichtig ist. Außerdem eröffnen die Programme<br />
nicht nur klar definierte Perspektiven für<br />
die teilnehmenden Doktoranden, sondern sie<br />
sorgen auch für neue Strukturen. Denn an den<br />
beteiligten Fakultäten und Hochschulen werden<br />
einheitliche Verfahren für die Auswahl,<br />
Zulassung, Betreuung und Prüfung von Doktorandinnen<br />
und Doktoranden eingeführt.<br />
Unterschiedliche Persönlichkeiten und Fachkulturen<br />
erfordern unterschiedliche Herangehensweisen.<br />
Daher wird der <strong>DAAD</strong> auch<br />
zukünftig verschiedene Promotionsmodelle in<br />
Deutschland unterstützen. Um international<br />
wettbewerbsfähig zu bleiben und exzellente<br />
Nachwuchswissenschaftler für eine Promotion<br />
in Deutschland zu gewinnen, werden aber international<br />
ausgerichtete Promotionsprogramme<br />
eine stärkere Rolle als bisher spielen müssen.<br />
Wir als <strong>DAAD</strong> werden das unsrige tun,<br />
um diese Entwicklung aktiv mitzugestalten.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Ein Land kommt in die Jahre<br />
Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft und wird älter<br />
© Joanna Nottebrock 50+<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
TITEL<br />
11
12 TITEL<br />
Auf dem Erdball leben seit kurzem sieben Milliarden Menschen und die Geburtenzahlen<br />
steigen weiter. Deutschland entwickelt sich entgegengesetzt: Immer<br />
weniger Kinder werden geboren. Die Bevölkerung nimmt ab und zugleich steigt<br />
der Anteil an Alten. Der demografische Wandel verändert ganze Landstriche,<br />
Versorgungssysteme, Arbeitswelten und Bildungskonzepte – eine umfassende<br />
Herausforderung und Chance.<br />
Nach Wanzleben fährt der Bus aus Magdeburg<br />
am Wochenende nur alle zwei Stunden.<br />
Er hält am ehemaligen Bahnhof. Der Zugbetrieb<br />
zwischen der Ortschaft und der rund<br />
20 Kilometer entfernten Landeshauptstadt in<br />
Sachsen-Anhalt lohnt sich nicht mehr. Zu wenig<br />
Menschen nutzen die Bahn. Auch der Bus<br />
ist am Wochenende nicht voll besetzt. Wanzleben<br />
hat in den letzten 20 Jahren 15 Prozent<br />
seiner Bewohner verloren. Viele junge Leute<br />
zogen fort und immer weniger Kinder wurden<br />
geboren. Geblieben sind Rentner, deren<br />
Lebenserwartung Jahr um Jahr steigt. Heute<br />
ist die Hälfte der 5 200 Einwohner schon über<br />
50 Jahre alt. Der Trend geht weiter. Die kleine<br />
Gemeinde schrumpft und altert.<br />
„Vor dieser Entwicklung zu erstarren wie<br />
das Kaninchen vor der Schlange, ist sinnlos“,<br />
sagt Ernst Isensee. Der Chef eines Wohnungsunternehmens<br />
ist Mitglied im Rat der übergeordneten<br />
Stadt Wanzleben-Börde. Er will<br />
nicht zusehen, wie junge Menschen aus der<br />
Gegend verschwinden, Wohnungen verwaisen,<br />
Arbeitskräfte fehlen, Läden und Schulen<br />
schließen oder alte Menschen einsam werden.<br />
„Wir betrachten das Schrumpfen als Chance.“<br />
Städtebauliche Veränderungen mit sozialem<br />
Ziel, heißt das Motto in Wanzleben: Gärten anstelle<br />
leerstehender Häuser, im alten Bahnhof<br />
ein soziales Zentrum. Vor allem aber ein aktives<br />
Vereins- und Gemeindeleben und Unternehmer,<br />
Politiker und Bürger, die miteinander<br />
reden, planen und gestalten. Die Stadt Wanzleben<br />
rückte nachbarschaftliche Hilfe, Pflege,<br />
Betreuung und Fürsorge ins Bewusstsein<br />
ihrer Bürger. Im „Bündnis für Familie“ sind<br />
die 40 Vereine, Unternehmen und Banken der<br />
Ortschaft mit ihren ehrenamtlichen Angeboten<br />
vernetzt. Landesregierung, Kommune und<br />
Vereine ziehen an einem Strang. So kann es<br />
gehen.<br />
Vor solchen Aufgaben stehen nicht nur die<br />
Bürger von Wanzleben, sondern ein ganzes<br />
Land. „Wie organisiert eine alternde und<br />
schrumpfende Gesellschaft ihr Zusammenleben<br />
neu?“ Darum gehe es jetzt, sagt Reiner<br />
Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für<br />
Bevölkerung und Entwicklung. Das Institut<br />
Ein Leben lang: mobil bleiben und dazulernen<br />
informiert im „Online-Handbuch Demografie“<br />
über die historische und aktuelle Entwicklung<br />
der Bevölkerung weltweit, in Europa und in<br />
Deutschland.<br />
Im Herbst 2011 legte auch die Bundesregierung<br />
in ihrem Demografie-Bericht aktuelle<br />
Prognosen vor. Danach schrumpft die deutsche<br />
Bevölkerung voraussichtlich von 81,7<br />
Millionen im März 2011 auf 65 Millionen im<br />
Jahr 2060 – das wären rund 17 Millionen Menschen<br />
weniger. Stimmen diese Berechnungen,<br />
ist in 50 Jahren außerdem der Anteil der Alten<br />
sehr viel höher: Jeder Dritte in Deutschland<br />
wäre mindestens 65 Jahre alt, Frauen hätten<br />
eine Lebenserwartung von fast 90 Jahren.<br />
Abnäher im Stadtkleid<br />
Kleine und mittlere Städte schrumpften und<br />
alterten in den letzten Jahren vor allem im Osten<br />
Deutschlands dramatisch. Ein Grund dafür<br />
liegt 20 Jahre zurück. Nach der Wiedervereinigung<br />
der beiden deutschen Staaten verließen<br />
damals viele junge Menschen in einer großen<br />
Welle Ostdeutschland. Sie suchten nach dem<br />
Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft in den<br />
westlichen Bundesländern Arbeit. Leerstehende<br />
Häuser sind seitdem ein Problem. Seit<br />
2002 fördert der Bund im Projekt „Stadtumbau<br />
Ost“ ihren Abriss. 300 000 Wohnungen<br />
sind schon verschwunden. „Wenn das Kleid<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© Joanna Nottebrock
© Fritz Stockmeier<br />
zu groß wird, muss man Abnäher einsetzen,<br />
um attraktiv zu bleiben“, sagt Heike Liebmann<br />
vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung<br />
und Strukturplanung. „Wichtiger als der Abriss<br />
ist aber die Frage nach den zukunftsfähigen<br />
Bereichen.“<br />
Nicht immer lässt sich vorausplanen, welche<br />
Stadtteile das sind. Das kommt ganz auf die<br />
Menschen an, die dort leben. In Leipzig verwandelten<br />
Anwohner entstehende Freiflächen<br />
in Nachbarschaftsgärten und Abenteuerspielplätze.<br />
Junge Menschen schützten Gebäude<br />
aus der Gründerzeit vor dem Verfall. In Absprache<br />
mit den Eigentümern gründeten sie<br />
Vereine und stellten die Räume Künstlern und<br />
Initiativen zur Verfügung. „All denen, die nie<br />
genug Fläche für ihre Ideen haben“, sagt die<br />
Stadt- und Raumplanerin Heike Liebmann.<br />
Mit diesen „Wächterhäusern“ geschah das vor<br />
einigen Jahren noch Undenkbare: „Die Pioniere<br />
haben in Leipzig mittlerweile vom Verfall<br />
bedrohte Quartiere entwickelt und aufgewertet.“<br />
Heute zieht die Stadt viele junge Künstler<br />
an und wächst wieder.<br />
Wertvolles Miteinander<br />
Erwartungsgemäß entleeren sich kleine und<br />
entlegene Orte schneller und überaltern, erklärt<br />
Steffen Kröhnert vom Berlin-Institut. Die<br />
Entwicklung ist kaum aufzuhalten. Trotzdem<br />
bleiben manche Dörfer überraschend stabil<br />
und das liegt offenbar auch hier am Engagement<br />
der Menschen. „Wir haben die Vereinsdichte<br />
erhoben“, sagt der Sozialwissenschaftler.<br />
„Stabile Dörfer haben mehr Vereine als die<br />
stark schrumpfenden. Man kann also sicher<br />
davon ausgehen, dass aktive Bürger zur Attraktivität<br />
eines Ortes beitragen.“<br />
Die stabilen Dörfer kann und sollte man politisch<br />
stärken, meint Steffen Kröhnert, und<br />
schrumpfenden Regionen finanzielle Budgets<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
TITEL<br />
50+: A Country Getting On in Years<br />
Germany’s population is on the decline and getting older<br />
As the world’s population continues to grow, Germany’s population numbers<br />
are decreasing, and the number of its old people is on the rise. According to<br />
the latest projections, Germany is expected to shrink by some 17 million inhabitants<br />
by 2060. By then, every third German will be over the age of 65. This<br />
means major changes for German society. The educational system must be<br />
reoriented as young people become fewer. Health care for Germany’s aging<br />
population calls for new ideas. And as the working world increasingly depends<br />
on older employees, society’s conceptions of age will change. One thing is<br />
clear: where people join forces and tackle this development, even cities and<br />
communities with vacant buildings can remain sustainable places to live.<br />
für die Infrastruktur ohne Zweckbindung zur<br />
Verfügung stellen. „Dann können lokal gewählte<br />
Vertreter entscheiden, wofür sie das<br />
Geld einsetzen“, sagt Kröhnert. Wird die vierspurige<br />
Straße gebaut, weil sie gefördert wird,<br />
oder lieber in einen Schulbus investiert? Mehr<br />
Verantwortung für die eigene Entwicklung<br />
und damit auch mehr Handlungsspielraum<br />
könnte in strukturell schwachen Regionen ein<br />
Weg in die Zukunft sein.<br />
Schwester Agnes<br />
Eine der größten Herausforderungen ist in<br />
ausgedünnten Regionen die medizinische<br />
Versorgung. Denn wenn Hausärzte in den<br />
Ruhestand gehen, fehlen junge Nachfolger.<br />
In Mecklenburg-Vorpommern erprobt das Gesundheitsministerium<br />
seit 2005 zusammen<br />
mit der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald<br />
ein neues Modell: die „Gemeindeschwester<br />
AGnES“. Eine pfiffige Abkürzung für ein<br />
Unternehmen mit umständlichem Namen: die<br />
„Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Healthgestützte,<br />
Systemische Intervention“. Kurz:<br />
Eine ausgebildete Krankenschwester vor Ort<br />
betreut die Patienten, hat einen Computer<br />
dabei und steht über Bild und Ton zur Not<br />
mit dem Arzt in Verbindung. Die Idee macht<br />
Schule. Andere Bundesländer starten ähnliche<br />
Projekte.<br />
Für den selbstbestimmten Alltag auch im<br />
hohen Alter tut sich indes ein neuer Markt<br />
Zukunftsfähig: Alt und Jung wohnen unter einem Dach in München/Riem<br />
© picture-alliance/Sueddeutsche<br />
13
14 TITEL<br />
100-Jährige<br />
90<br />
80<br />
70<br />
1910 2050 (Prognose)<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
500 500<br />
auf. „Ambient Assisted Living“ oder kurz AAL<br />
heißt das Stichwort, unter dem sich die technische<br />
Entwicklung den Bedürfnissen im Alter<br />
zuwendet: Fußböden zum Beispiel, die in der<br />
Hausarztpraxis Signale auslösen, wenn ein<br />
Mensch längere Zeit auf ihnen liegt.<br />
Auf ein besonderes Krankheitsrisiko des<br />
Alterns muss sich nicht nur das Gesundheitssystem<br />
einstellen, sondern die ganze<br />
Gesellschaft: Demenz. 2050 wird von den<br />
90-Jährigen voraussichtlich jeder Dritte geistig<br />
verwirrt sein. „Pflegeheime für alle, die von<br />
Demenz betroffen sind – das wird nicht funktionieren“,<br />
sagt Reiner Klingholz. Im sächsischen<br />
Hoyerswerda kommen schon heute auf<br />
100 000 Einwohner 2 190 Demenzkranke. Die<br />
Versorgung in Pflegeheimen überfordert viele<br />
Kommunen. Noch ist nicht klar, was zu tun ist.<br />
„Wir müssen eine Kultur schaffen, in der das<br />
zivilgesellschaftliche Engagement sehr viel<br />
normaler wird als heute“, sagt der Demograf<br />
Künftig länger im Beruf: Heute ist bei jedem Zweiten<br />
meist schon mit 55 Jahren Schluss<br />
Alterskurve: 1910 gab es 100 000<br />
70-Jährige in Deutschland – 2050<br />
werden es voraussichtlich 800 000<br />
sein<br />
Altersstruktur der deutschen Bevölkerung<br />
in Tausender-Angaben<br />
und appelliert an mehr menschliche Nähe,<br />
um herumirrende Personen in den Alltag zu<br />
integrieren. Polizisten, Bankangestellte oder<br />
Kassierer in Kaufhäusern, die erkennen, wenn<br />
ein Mensch den Überblick verloren hat und<br />
Angehörige anrufen, sind wichtig. „Es geht<br />
nicht um Engagement nur aus Mitleid“, sagt<br />
Klingholz. „Der respektvolle Umgang mit alten<br />
dementen Menschen erfordert zunächst, dass<br />
die Gesellschaft das Alter an sich aufwertet.“<br />
Den Silberschatz heben<br />
Alter und Erfahrung gewinnen für die Arbeitswelt<br />
zentrale Bedeutung. Wo junge Ärzte<br />
fehlen, sorgen sich auch Betriebe um den<br />
Nachwuchs. Viele Unternehmen klagen, dass<br />
sie Ausbildungs- und Arbeitsplätze nicht besetzen<br />
können, weil die Altersgruppe der Erwerbstätigen<br />
ab 20 Jahre so stark abnimmt.<br />
Deutschland hat in Europa die wenigsten Jugendlichen<br />
unter 18 Jahre – nur 16,5 Prozent<br />
der Bevölkerung. In Island sind es dagegen 25<br />
Prozent. Wie sich das deutsche Bildungssystem<br />
auf schrumpfende Schüler- und Studierendenzahlen<br />
einstellt, ist völlig offen. „2014 wird<br />
© picture alliance/ZB<br />
die letzte große Welle von Studierenden an den<br />
Hochschulen landen. Danach sind die Zahlen<br />
rückläufig“, sagt Professorin Victoria Büsch,<br />
Vizepräsidentin der privaten SRH Hochschule<br />
Berlin. Für die Arbeitswelt sei es umso wichtiger,<br />
den Silberschatz zu heben. Gemeint sind<br />
ältere Menschen mit silbergrauem Haar. Die<br />
für Bewerbungen häufig gesuchten Eigenschaften<br />
„fit, flexibel und dynamisch“ scheinen<br />
auf sie nicht zuzutreffen – doch das sind<br />
Klischees. „Stereotype Altersbilder müssen<br />
sich ändern“, so Bürsch.<br />
Falsch sei zum Beispiel die Annahme, dass<br />
die Leistungsfähigkeit im Alter generell abnimmt.<br />
Die Vorstellung basiere auf einer statistischen<br />
Verzerrung, erklärt die Volkswirtin.<br />
„Diese Entwicklung trifft jedoch für 70 Prozent<br />
der Berufstätigen nicht zu.“ Im Gegenteil:<br />
Studien zeigen, dass die Leistungsfähigkeit<br />
sogar vielfältiger wird, je älter die Menschen<br />
sind.<br />
Solche Informationen kommen bei den Personalleitern<br />
vieler Unternehmen gut an. Sie werden<br />
zunehmend aktiv beraten – zum Beispiel<br />
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
im Rahmen des Programms „Perspektive<br />
50plus“. Im Demografie Netzwerk tauschen<br />
sich Unternehmen aus. Es geht um Weiterbildung,<br />
Gesundheit oder Arbeitsplatzgestaltung<br />
für Ältere. Einige schreiten mit guten Ideen<br />
voran: Das Kreditinstitut Ing-DiBa bildet im<br />
Projekt „Azubis 50+“ gezielt Menschen über<br />
50 Jahre aus. Der Autobauer BMW ermöglicht<br />
älteren Arbeitnehmern die Gestaltung ihres<br />
Arbeitsplatzes. Der neue Bundesverband Initiative<br />
50Plus tritt auch an, um die Potenziale<br />
dieser Generation stärker ins Licht zu rücken.<br />
Nur die älteren Bewerber und Arbeitnehmer<br />
selbst können den Wandel auf dem Arbeitsmarkt<br />
noch nicht ganz glauben. „Ihnen fehlt<br />
die Wertschätzung der eigenen Fähigkeiten“,<br />
sagt Victoria Büsch. Doch auch hier wird die<br />
deutsche Gesellschaft wohl mit fortschreitendem<br />
Alter dazulernen.<br />
www.berlin-institut.org/online-handbuchdemografie<br />
Bettina Mittelstraß<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© Jens Koenig/STOCK4B
100+<br />
Aussicht auf ein sehr langes Leben<br />
Interview mit Gabriele Doblhammer-Reiter, Direktorin des<br />
Rostocker Zentrums zur Erforschung des Demografischen Wandels<br />
und des Doktorandenprogramms „Demo-Doc“<br />
Wir werden immer älter. Aber geht das immer<br />
so weiter? Wie gut sind die Berechnungen?<br />
Welche Konsequenzen ergeben sich<br />
aus ihnen? Antworten liefert das Rostocker<br />
Zentrum zur Erforschung des Demografischen<br />
Wandels. Hier wird internationale<br />
Forschung zu Ursachen und Folgen der<br />
Veränderungen gebündelt.<br />
Wie zuverlässig sind<br />
derzeit die Voraussagen zur<br />
Bevölkerungsentwicklung?<br />
Prognosen spiegeln die Annahmen wider,<br />
die man der Berechnung zugrundelegt. Wie<br />
werden sich Lebenserwartung, Fertilität<br />
und Migration in Zukunft entwickeln? Wir<br />
Demografen haben den Anstieg der Lebenserwartung<br />
unterschätzt. Außerdem haben<br />
wir angenommen, dass die durchschnittliche<br />
Kinderzahl in Deutschland höher sein würde,<br />
als sie heute ist. Die Migration kann man fast<br />
nicht voraussagen, da sie politisch gesteuert<br />
wird. Wir liegen oft ziemlich schlecht mit<br />
unseren Prognosen. Aber sie sind besser als<br />
Prognosen über die Entwicklung der Wirtschaft.<br />
Denn in der gegenwärtigen Bevölkerungsstruktur<br />
steckt bereits viel Information<br />
über die Zukunft.<br />
Wie alt können wir noch werden?<br />
Jedes zweite heute in den Industrieländern<br />
Neugeborene wird seinen 100. Geburtstag erreichen.<br />
Es gibt schon jetzt immer mehr 100-<br />
bis 110-Jährige. Das ist ein Phänomen der<br />
vergangenen 30 Jahre. In Frankreich, Japan<br />
oder Spanien ist dieser Trend noch stärker als<br />
in Deutschland.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
Ab wann ist ein Mensch eigentlich „alt“?<br />
Die bisherigen Altersstrukturen verlieren<br />
an Bedeutung: bis hier ist man jung, dann<br />
mittelalt und dann alt. Das kann man aufgrund<br />
der steigenden Lebenserwartung nicht<br />
mehr definieren. Damit lockern sich auch<br />
die Rollen, die wir im Laufe unseres Lebens<br />
einnehmen. Die Menschen leben immer<br />
länger gesund und fit. Demografen sprechen<br />
davon, dass sich die Alterung hinausschiebt,<br />
und berechnen deshalb das Alter neu. Wir<br />
gehen nicht mehr vom Zeitpunkt der Geburt<br />
aus, um zu sagen, wie alt ein Mensch ist. Fixpunkt<br />
ist jetzt der Zeitpunkt des Todes: Wie<br />
viele Jahre hat ein Mensch noch zu leben?<br />
Wie weit ist es bis dahin? Dann sieht man:<br />
Heute hat ein 70-Jähriger noch so viele Jahre<br />
zu leben wie ein 60-Jähriger vor 50 Jahren.<br />
Wie verändert sich der Arbeitsrhythmus in<br />
einer alternden Gesellschaft?<br />
Das ist die Frage: Mit 25 die Ausbildung<br />
abschließen und bis 65 arbeiten wie bisher?<br />
Und was soll man in den restlichen 35 Jahren<br />
tun? Nichts? Der bislang übliche hintereinandergestaffelte<br />
Lebensweg wird nicht mehr<br />
funktionieren. Die Übergänge zwischen den<br />
einzelnen Lebensphasen und damit auch zur<br />
Rente müssen fließender werden. Wer will,<br />
sollte bis zum 75. Lebensjahr oder länger<br />
arbeiten können. Deutschland ist diese Herausforderung<br />
in letzter Zeit politisch aktiv angegangen,<br />
hat das Eintrittsalter in die Rente<br />
angehoben und das Auszahlungsniveau der<br />
Renten reduziert. Das muss man tun, wenn<br />
man mit einer alternden Gesellschaft umgehen<br />
will. Da sind wir weiter als viele andere<br />
europäische Länder.<br />
www.rostockerzentrum.de<br />
Das Gespräch führte Bettina Mittelstraß.<br />
© privat<br />
Demo-Doc<br />
TITEL<br />
Multinational PhD Programme<br />
The University of Rostock, in cooperation with<br />
the Max Planck Institute for Demographic<br />
Research Rostock (MPIDF), launched the new<br />
PhD programme “Demo-Doc” in 2011. Demo-<br />
Doc is funded by <strong>DAAD</strong> as part of its “International<br />
promovieren in Deutschland” (IPID<br />
– International doctoral studies in Germany)<br />
programme. PhD candidates from partner universities<br />
in Sweden, Spain and Italy discuss<br />
their research on current demographic developments<br />
with their German colleagues. “Conceptions<br />
of age and the adaptation of social<br />
security systems to demographic shifts are key<br />
areas of interest for cross-cultural exchange,”<br />
says spokeswoman Nadja Milewski.<br />
www.demodoc.uni-rostock.de<br />
15
16<br />
NEUES VOM CAMPUS<br />
Bochum<br />
Deutsch-Türkischer Doppelmaster<br />
Deutsches, Türkisches und Internationales<br />
Wirtschaftsrecht – so heißt der neue gemeinsame<br />
Masterstudiengang der Ruhr-Universität<br />
Bochum und der Kültür Universität Istanbul.<br />
Derzeit sind sechs Studierende für das Programm<br />
eingeschrieben. Der Studiengang<br />
schließt mit einem Doppelmaster ab und richtet<br />
sich an junge Nachwuchsjuristen, die sowohl<br />
die deutsche als auch die türkische Sprache<br />
beherrschen und sich auf die deutsch-türkischen<br />
Beziehungen spezialisieren wollen.<br />
Ziel ist es unter anderem, ein Absolventen-<br />
Netzwerk aufzubauen, das künftig die Beziehungen<br />
der beiden Länder mitgestaltet.<br />
Die Lehrveranstaltungen finden an der<br />
Kültür Universität Istanbul statt und werden<br />
eigens für die Studierenden des Programms<br />
angeboten. Regelmäßige Vorträge von Referenten<br />
aus Wirtschaft, Wissenschaft und<br />
Politik sowie ein dreimonatiges Praktikum<br />
in Deutschland oder der Türkei runden den<br />
Lehrplan ab. Gefördert wird der Studiengang<br />
von der Stiftung Mercator. Diese vergibt Stipendien,<br />
die die Studiengebühren abdecken.<br />
Studienbeginn ist jeweils der 15. September.<br />
Münster<br />
30 Millionen Euro für die Lehre<br />
„Entweder regnet es, oder die Kirchenglocken<br />
läuten.“ Dieses gern zitierte Klischee über die<br />
Stadt Münster wird jetzt erweitert: „Modernste<br />
Lehre in altehrwürdigen Mauern“ – das ist<br />
ab sofort Realität in der Universität. Die Hochschule<br />
erhält rund 30 Millionen Euro zur Verbesserung<br />
der Lehre.<br />
In den nächsten fünf Jahren wird das Geld<br />
in 22 Professorenstellen und in zahlreiche Arbeitsplätze<br />
für wissenschaftliche Mitarbeiter<br />
investiert. Auch soll die Anzahl der Tutorien<br />
Pionier: Johann Christian August Heinroth<br />
war 1811 der erste Professor für<br />
Universitäts psychiatrie weltweit<br />
und Repetitorien erhöht werden. Darüber hinaus<br />
baut die Universität die Beratungsstellen<br />
aus und gründet mit dem „Teach Tank“<br />
ein Zentrum für Hochschullehre. „Dort gibt<br />
es spezielle Weiterbildungskurse für Nachwuchswissenschaftler.<br />
Wer 120 Einheiten<br />
absolviert hat, erhält ein Zertifikat“, erklärt<br />
Professor Regina Jucks, wissenschaftliche Leiterin<br />
des Zentrums.<br />
Das Fördergeld stammt aus dem Qualitätspakt<br />
Lehre, in den die Bundesregierung bis<br />
2020 zwei Milliarden Euro investiert. Die<br />
Universität Münster erhält den größten Anteil<br />
des Budgets. Seit Beginn des Wintersemesters<br />
werden deutschlandweit 111 Hochschulen unterstützt.<br />
Diese mussten zuvor ein Konzept<br />
einreichen, wie sie die Fördergelder verwenden<br />
wollen. Über die nächsten Anträge wird<br />
im Dezember 2011 entschieden, dann gibt es<br />
einen positiven Schub für die Lehre im Sommersemester<br />
2012.<br />
© fotosol/imagebroker/Okapia<br />
© Haack/Wikipedia<br />
Leipzig<br />
200 Jahre Lehrstuhl für Psychiatrie<br />
Der weltweit erste Lehrstuhl für Psychiatrie<br />
feiert seinen 200. Geburtstag: Im Oktober 1811<br />
erhielt Johann Christian August Heinroth den<br />
Ruf auf den Lehrstuhl für Psychische Therapie<br />
an der Universität Leipzig. Damit war der Mediziner<br />
und Philosoph der erste Hochschullehrer<br />
in diesem Fachgebiet.<br />
Die Berufung Heinroths kennzeichnet den<br />
Beginn der Universitätspsychiatrie: Heinroth<br />
erkannte, dass psychiatrische Krankheiten Erkrankungen<br />
wie andere auch sind. Er setzte<br />
sich dafür ein, dass sie in der medizinischen<br />
Lehre, Forschung und der Versorgung der<br />
Patienten berücksichtigt werden. Allerdings<br />
wurde seine Erkenntnis an Orten erst nach<br />
Jahren berücksichtigt. Weitere Lehrstühle für<br />
Psychiatrie entstanden erst 30 Jahre nach<br />
Heinroths Berufung oder noch später.<br />
Berlin<br />
Internet und Gesellschaft<br />
Verändert das Internet die Gesellschaft? Welche<br />
Auswirkungen hat es auf unser Zusammenleben?<br />
Diesen Fragen will ein neu gegründetes<br />
Institut in Berlin nachgehen: Das „Alexander<br />
von Humboldt Institut für Internet und<br />
Gesellschaft“ erforscht die Wechselwirkungen<br />
zwischen Internet und Gesellschaft. Einen<br />
Forschungsschwerpunkt bilden die gesellschaftlichen<br />
Konsequenzen, die die weltweite<br />
Vernetzung von Informationen mit sich bringt.<br />
Finanziert wird das Institut in den nächsten<br />
drei Jahren vom US-Internetkonzern Google<br />
mit insgesamt 4,5 Millionen Euro. Trotz dieser<br />
Unterstützung sei die Einrichtung unabhängig,<br />
betonen Forscher und Unternehmen.<br />
Daher wird auch die Forschungsergebnisse<br />
unabhängig publiziert. Mit anderen Worten:<br />
Kein Forschungsergebnis werde Google vorab<br />
zur Freigabe vorgelegt.<br />
Gründungsgesellschafter des Instituts sind<br />
die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität<br />
der Künste Berlin und das Wissenschaftszentrum<br />
Berlin für Sozialforschung.<br />
Das Hamburger Hans-Bredow-Institut ist integrierter<br />
Kooperationspartner.<br />
Besser lehren – besser lernen:<br />
Uni Münster gründet „Teach Tank“<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Osnabrück<br />
Selbstständige Roboter<br />
Ein Roboter, der selbstständig plant und entscheidet? Ein solcher Automat<br />
soll bald Wirklichkeit werden. In Osnabrück wurde jetzt eine<br />
Außenstelle des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz<br />
eröffnet. Das neue Institut befasst sich unter anderem mit<br />
der Interpretation von Sensordaten. „Roboter sollen in Zukunft ihre<br />
Umgebung wahrnehmen, daraus Schlüsse ziehen und entsprechend<br />
vorgegebenen Regeln ihre Handlungen selbstständig planen“, erklärt<br />
der wissenschaftliche Leiter Professor Joachim Hertzberg. Die Computersysteme<br />
sollen zum Beispiel in Mähdreschern eingesetzt werden,<br />
die das Getreide automatisch abernten und zum Transporter liefern.<br />
Durch die Außenstelle gewinnt die Universität Osnabrück einen<br />
attraktiven Forschungspartner. Regionale Unternehmen hoffen, von<br />
den Technologien des Instituts zu profitieren. Diese sollen vor allem<br />
in der Landmaschinentechnik und in der Elektromobilität eingesetzt<br />
werden.<br />
Tübingen<br />
Studienanfänger in Islamischer Theologie<br />
An der Universität Tübingen haben mit dem laufenden Wintersemester<br />
24 Studierende ihr Studium der Islamischen Theologie aufgenommen.<br />
Der Bachelorstudiengang dauert acht Semester und verbindet<br />
das Theologiestudium mit geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen<br />
Aspekten. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit der<br />
religiösen Glaubenspraxis und deren Vermittlung.<br />
Ergänzend zum Bachelorstudiengang will die Universität bald auch<br />
ein Masterprogramm sowie ein Lehramtsstudium anbieten. Damit<br />
trägt sie dem wachsenden Bedarf an islamischen Religionslehrern<br />
Rechnung: Bis zu 2 000 Lehrer werden in den nächsten Jahren für<br />
rund 700 000 muslimische Schüler benötigt, schätzt das Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung. Der Islam ist die größte nichtchristliche<br />
Glaubensgemeinschaft in Deutschland. Weitere islamische<br />
Zentren befinden sich an den Universitäten Münster, Frankfurt und<br />
Erlangen-Nürnberg.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
Bei jedem Wetter:<br />
Ein Roboter aus<br />
Osnabrück geht<br />
seinen Weg<br />
Excellence in<br />
Management<br />
Education<br />
© DFKI<br />
Study in<br />
Germany.<br />
Experience<br />
the world.<br />
Full-time MBA at WHU<br />
<strong>Neue</strong>s aus dem Netz<br />
HOCHSCHULE 17<br />
+++ Vokabeltrainer: Auf dem Online-Sprachportal<br />
Gengo kann man individuell Vokabeln<br />
und Sprachübungen einpflegen und trainieren.<br />
Teilnehmer eines Sprachkurses können<br />
außerdem Aufgaben austauschen und sich<br />
vernetzen.<br />
www.gengo.de<br />
+++ App aufs Handy: Studierende der Uni<br />
Hohenheim können sich jetzt alle wichtigen<br />
Informationen rund um Veranstaltungen und<br />
Mensaplan auf ihr Smartphone laden. Eine Besonderheit<br />
der App: Der integrierte Hörsaal-<br />
Finder zeigt den Weg durch die Gebäude.<br />
www.uni-hohenheim.de/app.html<br />
+++ LeibnizOpen: Die aktuellen Forschungsergebnisse<br />
von allen 87 Leibniz-Instituten<br />
können auf dem Internetportal LeibnizOpen<br />
nachgelesen werden. Dort sind mehr als 9 000<br />
Texte aus den Gebieten Bildungswesen und<br />
Erziehung, Informatik, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften<br />
zu finden. Der Zugang<br />
ist gratis, eine Registrierung ist nicht nötig.<br />
www.leibnizopen.de Franziska Collet<br />
General Management Program<br />
(12 months plus 3 months Master Thesis)<br />
W Start Date: March<br />
W Teaching language is English<br />
W Concentrations in: Advanced Finance & Accounting,<br />
Marketing & Sales, Leadership & Personal Development,<br />
Operations, Innovation & Entrepreneurship, Strategy & Organization<br />
W International modules in the US, India & China included<br />
W Familiar atmosphere, small class size<br />
Apply now! Intake March 2012<br />
WHU – Otto Beisheim School of Management, Burgplatz 2, 56179 Vallendar<br />
MBA Office: Tel. +49 261 6509-140, mba@whu.edu, www.whu.edu/mba<br />
MBA_triomedien_90,5x118.indd 1 27.04.11 19:55<br />
Anzeige
18<br />
HOCHSCHULE<br />
Bauen mit Weitblick<br />
Hochschulen sind in Deutschland beim Thema „nachhaltiges Bauen“ Vorreiter<br />
Der Gedanke der Nachhaltigkeit bestimmt<br />
heute weltweit die Gestaltung von Lebensraum.<br />
Es geht dabei vor allem um erneuerbare<br />
Energien und ein auf lange Sicht<br />
friedliches und produktives Miteinander<br />
der Menschen. Moderne Hochschularchitektur<br />
in Deutschland macht sich auf diesen<br />
Weg.<br />
Es soll ein Ort der Begegnung werden: Ein<br />
offenes Foyer und großzügige Freitreppen<br />
verbinden die Ebenen. Die Tische der Bibliothek<br />
sind am Fenster angeordnet, die Hörsäle<br />
haben Tageslicht. Egal wo die Studierenden<br />
sitzen, immer haben sie einen Blick ins Grüne.<br />
2012 soll das neue Hörsaal- und Medienzentrum<br />
auf dem Campus Lichtwiese der Technischen<br />
Universität (TU) Darmstadt fertig sein.<br />
Der Architekt Ferdinand Heide, selbst TU-Absolvent,<br />
hat sich viel einfallen lassen, damit<br />
das Leben auf dem Campus angenehm und<br />
inspirierend wird. Der Campus Lichtwiese soll<br />
zum grünen Campus werden und das Medienzentrum<br />
ein Vorbild für nachhaltiges Bauen.<br />
Nachhaltigkeit bedeutet, sich Gedanken darüber<br />
zu machen, welche Auswirkungen heutige<br />
Entscheidungen auf künftige Generationen<br />
haben und verantwortungsvoll mit den vorhandenen<br />
Ressourcen umzugehen. Beim Bauen<br />
heißt das zum Beispiel, Gebäude mit Solaranlagen<br />
auszustatten und Energie zu sparen,<br />
indem man Wände und Fenster gut abdichtet.<br />
Aber dabei dürfe es nicht bleiben, betont Peter<br />
Pfab, der in Bayern für den Hochschulbau<br />
zuständig ist: „Nachhaltiges Bauen heißt auch,<br />
ein Gebäude so zu entwerfen, dass sich die<br />
Menschen darin langfristig wohl fühlen.“<br />
„Gerade in der Wissenschaft ist der Austausch<br />
mit Kollegen der Schlüssel zum Erfolg“, sagt<br />
Peter Pfab. Daher werden an beiden Münchner<br />
Universitäten und am Zentrum für Demenzforschung<br />
in Großhadern zurzeit Laborlandschaften<br />
mit neuen Formen gebaut:<br />
Neben den Speziallaboren bieten große, verbundene<br />
Bereiche optimale Bedingungen zur<br />
Zusammenarbeit der Forscher. Zugleich laden<br />
gemütliche Nischen zum Nachdenken ein. Im<br />
Hochschulbau auf ökologische Aspekte Rücksicht<br />
zu nehmen, ist für Ministerialrat Pfab<br />
eine Selbstverständlichkeit. Das neue Chemie-<br />
Gebäude in Großhadern kann zum Beispiel<br />
auf Grund einer sehr guten Wärmedämmung<br />
auf Heizkörper verzichten und die im Innenraum<br />
entstehende Wärme nutzen. Auf allen<br />
bayerischen Uni-Dächern finden sich zudem<br />
Solarzellen. Dazu sind die Hochschulen verpflichtet.<br />
„Jetzt arbeiten wir daran, den CO2-<br />
Ausstoß drastisch zu reduzieren“, berichtet<br />
Pfab.<br />
Sozial und ökologisch<br />
Ganz ohne CO2-Ausstoß geht es auch schon an<br />
deutschen Hochschulen. „Zero Emission University“<br />
wird der europaweit einzigartige Umwelt-Campus<br />
Birkenfeld der Fachhochschule<br />
Trier in Rheinland-Pfalz genannt. Modernste<br />
Technik sorgt für die emissionsfreie Energie-<br />
und Wärmeversorgung. Der Campus setzt um,<br />
was an der Fachhochschule in Forschung und<br />
Lehre zentral ist: der Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanke.<br />
2 350 Studierende leben auf<br />
dem Umwelt-Campus und auch hier ermöglicht<br />
und fördert die Architektur der Anlage<br />
den regen Austausch über Fachdisziplinen<br />
hinweg.<br />
Bibliothek der Zukunft<br />
Zu einer vorausschauenden Bauweise gehört<br />
auch, die zukünftige Nutzung einzelner Gebäudeteile<br />
zu bedenken. „Nachhaltig bauen<br />
bedeutet, sich darüber Gedanken zu machen,<br />
wie Bibliotheken in fünfzig Jahren aussehen<br />
könnten“, sagt Thorsten Schmidt, Baudirektor<br />
an der TU Darmstadt. „Vielleicht brauchen wir<br />
dann gar keine Bücherregale mehr, sondern<br />
nur noch digitale Lesegeräte.“ Deshalb ist in<br />
der neuen Bibliothek jede Fläche flexibel nutzbar:<br />
als Freihand-Magazin, als Lesesaal, als<br />
Büro oder als Seminarraum. Schon jetzt lobt<br />
die deutsche Hochschulrektorenkonferenz die<br />
TU Darmstadt als umfassendes Beispiel für<br />
„gute Praxis“.<br />
Nachahmer finden sich in Sachsen. Dort will<br />
die Architekturprofessorin Angela Mensingde<br />
Jong die Hochschule für Technik und Wirtschaft<br />
(HTW) Dresden zum „Sustainable Campus“<br />
umbauen. „Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit<br />
leisten, bevor der Mehrwert<br />
von nachhaltigen Konzepten erkannt wird.”<br />
Rat und Know-how holt sich Mensing bei den<br />
Treffen des „International Sustainable Campus<br />
Network“, dem international führende<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
© HCU<br />
Universitäten wie Yale, Harvard, Oxford, Cambridge<br />
und die ETH Zürich angehören.<br />
„Auch die HafenCity University in Hamburg<br />
hat für uns Vorbildfunktion“, sagt Angela<br />
Mensing-de Jong. Auf dem ehemaligen<br />
Hamburger Hafengelände wird gerade gebaut,<br />
wovon viele Hochschulen träumen. Direkt am<br />
Wasser entsteht der spektakuläre Neubau der<br />
HafenCity Universität (HCU), die seit 2006<br />
Vorbild Hamburg: Die HafenCity Universität wird<br />
nachhaltig gebaut und inspiriert andere Hochschulen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© Ferdinand Heide Architekt BDA<br />
Anregende Lernatmosphäre: Der geplante<br />
Hörsaal der TU Darmstadt spart Energie und<br />
schafft Raum für Begegnungen<br />
alle architektonischen und bautechnischen<br />
Studiengänge Hamburgs zusammenfasst. Alle<br />
Fenster dreifach verglast, für Strom und Heizung<br />
werden Photovoltaik, Erd- und Sonnenwärme<br />
genutzt, es gibt eine windangetriebene<br />
Lüftungsanlage, das Licht geht nur an, wenn<br />
es dunkel und wirklich jemand im Raum ist,<br />
und zur Lüftung öffnen sich nachts automatisch<br />
die Fenster.<br />
Zugleich hat das Dresdener Architekturbüro<br />
Code Unique viel dafür getan, auch in Hamburg<br />
den sozialen Aspekt von Nachhaltigkeit<br />
zu berücksichtigen: Das Gebäude gliedert<br />
sich in zwei Teile, die durch eine transparente<br />
mehrgeschossige Halle vertikal und horizontal<br />
eng vernetzt sind. Café und Mensa sowie<br />
studentische Arbeits- und Seminarräume<br />
sind überwiegend in den schönsten Lagen am<br />
Wasser untergebracht. Die Räume lassen sich<br />
an unterschiedliche Bedürfnisse und Personenzahlen<br />
anpassen. Auditorium, Bibliothek,<br />
Galerie und Café stehen allen Bewohnern der<br />
HafenCity jederzeit offen. „Die Studierenden<br />
können ihre Studieninhalte am eigenen Gebäude<br />
erforschen und weiter entwickeln“,<br />
schwärmte Hamburgs Wissenschaftssenatorin<br />
Dr. Herlind Gundelach beim Baustart.<br />
Ökologischer Holzbau: Die Mensa Moltke<br />
in Karlsruhe steht als Modell auch im New<br />
Yorker Museum of Modern Art (MoMA)<br />
© Leon Schmidt/TU Darmstadt<br />
HOCHSCHULE 19<br />
Bei der Neuplanung des Campus Lichtwiese<br />
in Darmstadt denkt man noch einen Schritt in<br />
eine andere Zukunft. Unweit des neuen Hörsaal-<br />
und Medienzentrums entstand auch ein<br />
neues Kinderhaus. Die Universität öffnet sich<br />
für die Familien ihrer Mitarbeiter und Studierenden.<br />
„Beim Kinderhaus konnten wir auf<br />
geballte interne Kompetenz zurückgreifen“,<br />
sagt Thorsten Schmidt. Es wurde in Massiv-<br />
Holzbauweise gebaut – Böden und Wände und<br />
haben allergiesichere Oberflächen, die in Abstimmung<br />
mit den TU-Wissenschaftlern ausgewählt<br />
wurden. Das Holz schafft eine warme<br />
Atmosphäre, in der Kinder sich wohl fühlen<br />
und der wissenschaftliche Nachwuchs auch<br />
den eigenen gut aufgehoben weiß.<br />
Sarah Elsing<br />
Seminarraum unter Strom: Das preisgekrönte<br />
Solarhaus der TU Darmstadt spendet Schatten<br />
und Energie<br />
© Wikipedia
20<br />
ORTSTERMIN<br />
Kiel und Flensburg<br />
Meer, Wetter, Wind und mehr<br />
Die nördlichsten Universitätsstädte Deutschlands liegen direkt an der Ostsee.<br />
Das Meer war und ist hier oben das beherrschende Thema – auch für Forscher.<br />
Die Ostsee beginnt in Kiel und Flensburg<br />
mitten in der Stadt. Schmale Meeresbuchten<br />
reichen bis in die Zentren hinein. In beiden<br />
Städten verbreitet die „Förde“ ein maritimes<br />
Flair. Kiel, die Landeshauptstadt Schleswig-<br />
Holsteins, ist bekannt für die weltweit größte<br />
Segelsportregatta, die Kieler Woche. Der Hafen<br />
der 240 000 Einwohner zählenden Stadt und<br />
die internationale Schifffahrt vermitteln das<br />
Bild einer Metropole. Eher idyllisch wirkt dagegen<br />
Flensburg mit seiner weitläufigen Altstadt.<br />
Doch auch die 88 000-Einwohner-Stadt<br />
ist weltoffen: Sie liegt in Sichtweite der Grenze<br />
zu Dänemark und pflegt einen lebhaften<br />
Austausch mit den Nachbarn. Derzeit stellt die<br />
dänische Minderheit sogar den Bürgermeister.<br />
Land der Horizonte<br />
Etwa 8 000 Studierende leben in Flensburg. Die<br />
Fächerauswahl ist überschaubar; die Universität<br />
hat pädagogische und wirtschaftswissenschaftliche<br />
Schwerpunkte, die Fachhochschule<br />
technische. Im Kieler Studienverzeichnis reicht<br />
das Angebot so weit wie der Blick im „Land der<br />
Horizonte“ – so der Beiname Schleswig-Holsteins.<br />
An der fast 350 Jahre alten Christian-Albrecht-Universität<br />
(CAU), der Fachhochschule<br />
und der Muthesius-Kunsthochschule sind rund<br />
30 000 Studierende immatrikuliert.<br />
Stürmisches Wetter ist im Norden Deutschlands<br />
Alltag. Der Wind treibt nicht nur die<br />
vielen Sportsegler an: Er ist Energielieferant<br />
der Zukunft und daher zentrales Forschungsthema.<br />
Schleswig-Holstein gehört zu den führenden<br />
Windenergie-Regionen der Welt – und<br />
will diese Stellung noch ausbauen: Bis 2020<br />
sollen erneuerbare Energien die gesamte<br />
Stromversorgung decken.<br />
Wertvolles Wetter<br />
„Eine vollständig nachhaltige Energieversorgung<br />
ist in den nächsten Jahrzehnten weltweit<br />
möglich“, sagt Professor Olav Hohmeyer von<br />
der Universität Flensburg. Er ist Mitglied im<br />
Weltklimarat (IPCC). Am Flensburger Lehrstuhl<br />
für Energie- und Ressourcenwirtschaft<br />
leitet er Forschungsprojekte zur Umsetzung<br />
solcher Pläne: Wie kann das technologisch<br />
Mögliche ökonomisch realisiert werden?<br />
Gemeinsam mit der Fachhochschule bildet<br />
Hohmeyer sogenannte Change Agents aus:<br />
Wirtschaftsingenieure des internationalen<br />
Studiengangs „Energie- und Umweltmanagement“.<br />
„Sie setzen wichtige Veränderungen<br />
durch, indem sie nachhaltige technische Lösungen<br />
konzipieren, die am Markt umsetzbar<br />
sind“, sagt Hohmeyer. In diesem Bereich<br />
fördert der <strong>DAAD</strong> auch Masterstudierende<br />
Sailing City Kiel: Sportsegler aus der ganzen<br />
Welt treffen sich jedes Jahr auf der Kieler<br />
Woche zum Wettkampf<br />
aus Entwicklungsländern. Die Absolventen<br />
können international Spitzenpositionen in der<br />
nachhaltigen Energiewirtschaft besetzen.<br />
Der Ozean genießt vor allem am Forschungsstandort<br />
Kiel besondere Aufmerksamkeit:<br />
als Ort, an dem das Wetter gemacht wird, als<br />
Fundgrube ungenutzter Ressourcen und besonders<br />
als dem Klimawandel unterworfenes<br />
Ökosystem. „Die Weltmeere erleben derzeit<br />
einen dramatischen Wandel. Sie versauern<br />
durch den Eintrag von CO2 und werden überfischt“,<br />
erklärt Professor Martin Visbeck,<br />
stellvertretender Direktor des Helmholtz-Zentrums<br />
für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR) und<br />
Sprecher des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“<br />
in Kiel. „Wir untersuchen die Risiken<br />
und Chancen dieses Wandels.“ In dem von der<br />
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten<br />
Netzwerk widmen sich Forscher verschiedenster<br />
Disziplinen dem Ozeanwandel:<br />
Ökonomen und Ökologen entwickeln Modelle<br />
zur Vermeidung der Überfischung, während<br />
Ozeanographen Meeresströmungen messen<br />
sowie modellieren und Geologen maritime<br />
Gashydrate aufspüren. Zugleich verbessern<br />
Informatiker die Simulation des CO2-Eintrags<br />
in den Ozean. Designer und Meeresforscher<br />
konzipieren unterdessen eine multimediale<br />
Ausstellung, die den Ozeanwandel an die<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Öffentlichkeit bringen soll. Möglich machen<br />
das die beteiligten Institute: sieben Fakultäten<br />
der CAU, die Muthesius Kunsthochschule, das<br />
außeruniversitäre Leibniz-Institut für Weltwirtschaft<br />
(IfW) sowie das GEOMAR.<br />
Das GEOMAR steht im Zentrum der Kieler<br />
Meeresforschung. Mit Schiffen der deutschen<br />
Forschungsflotte brechen die Wissenschaftler<br />
zu weltweiten Expeditionen auf. Von dieser<br />
maritimen Kompetenz profitieren auch Studierende<br />
der geowissenschaftlichen Fächer.<br />
Hier liegt die Kieler Uni in den Hochschulrankings<br />
ganz vorne. Das Spektrum reicht von<br />
der marinen Paläontologie über angewandte<br />
Geologie und Physik des Erdsystems, die Meeresbiologie<br />
und -chemie bis hin zu den marinen<br />
Geowissenschaften.<br />
Bei aller Liebe zum Meer spart Kiel nicht<br />
an Exzellenz auf anderen Gebieten. Im Forschungsschwerpunkt<br />
„Angewandte Lebens-<br />
Adressen online:<br />
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel –<br />
www.uni-kiel.de | Universität Flensburg<br />
– www.uni-flensburg.de | Fachhochschule<br />
Flensburg – www.fh-flensburg.de |<br />
Fachhochschule Kiel – www.fh-kiel.de –<br />
Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel<br />
(ab 2012) – www.geomar.de | Muthesius<br />
Kunsthochschule – www.muthesiuskunsthochschule.de<br />
| Kompetenzzentrum<br />
CEWind – www.cewind.de | Max- Planck-<br />
Institut für Evolutionsbiologie –<br />
www.evolbio.mpg.de<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© Landeshauptstadt Kiel/Thomas Eisenkrätzer<br />
© GEOMAR<br />
Wind and Sea<br />
wissenschaften“ an der CAU verfolgen Biologen,<br />
Mediziner, Agrar- und Ernährungswissenschaftler<br />
das gemeinsame Ziel, molekulare<br />
Prozesse in Menschen, Tieren und Pflanzen<br />
besser zu verstehen. Die Universität kooperiert<br />
dafür unter anderem mit dem Leibniz-<br />
Zentrum für Medizin und Biowissenschaften<br />
in Borstel und dem Max-Planck-Institut (MPI)<br />
für Evolutionsbiologie in Plön. Gefördert von<br />
der deutschen Exzellenzinitiative, konzentriert<br />
sich ein Teil dieser Forschungen auf<br />
neue Ansätze zur Bekämpfung chronischer<br />
Entzündungen.<br />
Rückenwind für mehr<br />
Die facettenreiche Expertise zieht Wissenschaftler<br />
und Studierende aus aller Welt nach<br />
Norden. Zum Beispiel Guy Martial Kenmoe aus<br />
Kamerun. Der 27-Jährige macht in Kiel den<br />
Bachelor in Elektrotechnik. „Anschließend<br />
ORTSTERMIN<br />
Flensburg and Kiel, both on the Baltic coast, are Germany‘s northernmost university towns. Wind and<br />
sea pervade not only the landscape, but also research. The higher education institutions in Kiel have<br />
bundled research on marine-related topics in the excellence cluster “Oceans of the Future”. The network<br />
also includes the non-university Leibniz Institute of Marine Sciences and the Kiel Institute for the<br />
World Economy. Emphasis on economics and engineering is characteristic of the University of Flensburg<br />
and Flensburg University of Applied Sciences. Flensburg plays an international role in research<br />
on sustainable energy sources, and wind power in particular brings engineers from all over the world<br />
to northern Germany.<br />
möchte ich mich in einem Masterstudium mit<br />
erneuerbaren Energien beschäftigen.“ Vor Augen<br />
hat er etwa den Master in „Wind Engineering“.<br />
Diesen Studiengang hat die Forschungsgenossenschaft<br />
CEWind eingerichtet. In der<br />
Genossenschaft vernetzen sich die Flensburger<br />
und Kieler Hochschulen sowie die Fachhochschule<br />
Westküste und die Nordakademie<br />
Elmshorn. Auch sie wollen damit den Wandel<br />
hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung<br />
vorantreiben. So viel Rückenwind bietet Wissenschaftlern<br />
in den norddeutschen Universitätsstädten<br />
einen sicheren Erfolgskurs.<br />
Christoph Mann<br />
Forschungscamp im offenen Ozean: Wie<br />
reagieren Lebensgemeinschaften im Meer<br />
auf den Anstieg von Kohlenstoffdioxid?<br />
21
22<br />
WISSENSCHAFT & WIRTSCHAFT<br />
Wenn die Chemie stimmt ...<br />
Kreative Ideen aus Universitätslaboren sind wertvoll für die Industrie<br />
Deutsche Chemie-Konzerne zählen zu<br />
den globalen Riesen. Trotz ausgezeichneter<br />
eigener Forschungslabore kooperieren<br />
sie häufig mit Hochschulen – zum<br />
gegenseitigen Vorteil. Ein Schlaglicht auf<br />
Forschungsverbünde im „Internationalen<br />
Jahr der Chemie“ der UNESCO.<br />
Viele Menschen denken bei Katalysator<br />
ans Auto. Ein Katalysator ist jedoch ein<br />
wichtiger Bestandteil von rund 80 Prozent<br />
aller Prozesse in der Chemie. Er wird gerne<br />
als Heiratsvermittler bezeichnet – er vermittelt<br />
zwischen zwei Molekülen, die nicht oder<br />
nur schwer miteinander reagieren. Wissenschaftler<br />
aus Industrie und Forschung suchen<br />
nach Katalysatoren, um chemische Prozesse<br />
zu optimieren oder neue zu finden, etwa um<br />
Abfallprodukte zu recyceln.<br />
Ein Beispiel ist CaRLa: Im Catalysis Research<br />
Laboratory des Chemie-Konzerns BASF und<br />
der Universität Heidelberg betreiben Postdoktoranden<br />
aus aller Welt Grundlagenforschung<br />
auf dem Gebiet der homogenen Katalyse<br />
– sie suchen also nach genau solchen<br />
Zauberformeln. Das Heidelberger Labor wurde<br />
im Mai 2005 gegründet. Mitinitiator war<br />
Peter Hofmann, Lehrstuhlinhaber Organische<br />
Chemie III der Universität. „Für uns ist die Zusammenarbeit<br />
mit der Industrie ein immenser<br />
Vorteil“, sagt er. „Nachwuchswissenschaftler<br />
können die gesamte Infrastruktur der<br />
BASF nutzen – und auch mal für einige<br />
Wochen einen Großversuch in<br />
den dortigen Labors durchführen.“ Das<br />
wird den derzeit 12 Postdocs leicht gemacht:<br />
Michael Limbach, Forscher der<br />
BASF vor Ort, organisiert die direkten<br />
Kontakte zum Unternehmen.<br />
Das Labor bearbeitet technologisch<br />
ungelöste Fragestellungen.<br />
„Grundlagenforschung braucht<br />
Zeit“, sagt Limbach. „Sie ist<br />
gemessen an den Erfolgsaussichten<br />
immer risikoreich und<br />
damit in einem universitären<br />
Umfeld optimal aufgehoben.“<br />
Die Industrie muss<br />
Forschungsprojekte aufgeben,<br />
wenn sie nicht nach einer gewissen Zeit wirtschaftlich<br />
sind – CaRLa hat einen deutlich<br />
längeren Atem. Sollte es zu einem patentierbaren<br />
Ergebnis kommen, gibt es eine klare<br />
Vereinbarung: Die BASF hat neun Wochen<br />
Zeit, das Patent anzumelden, danach sind<br />
die Forschungsergebnisse frei zur Publikation.<br />
So profitieren Unternehmen und Wissenschaft.<br />
Seit 2005 sind bereits 26 Patente<br />
zusammengekommen.<br />
Kooperationen wie diese ermöglichen es<br />
BASF darüber hinaus, Verbindungen zu vielversprechenden<br />
Nachwuchswissenschaftlern<br />
aufzubauen. „CaRLa hat unter Katalyseforschern<br />
einen sehr guten Ruf“, betont Limbach.<br />
„Wir erhalten Bewerbungen von promovierten<br />
Chemikern aus den weltweit führenden Arbeitskreisen<br />
in der homogenen Katalyse.“ Zudem<br />
finanziert die BASF eine Winter School,<br />
zu der die Arbeitskreise ihren jeweils besten<br />
Postdoc schicken können. Kehren die Gäste in<br />
ihre Heimat zurück, berichten sie von ihren<br />
Erfahrungen. So erhält CaRLa ständig mehr<br />
Bewerbungen. Neben der Winter School finanziert<br />
die BASF internationale Gastwissenschaftler,<br />
die mehrere Tage oder Wochen in<br />
Heidelberg arbeiten.<br />
Anspruchsvolle Produkte<br />
Für die deutschen Chemie-Unternehmen<br />
sind Kooperationen mit Hochschulen<br />
sehr wichtig. Dabei sind schon in<br />
den firmeneigenen Forschungslabors<br />
mehr als 40 000 Mitarbeiter tätig –<br />
und damit fast jeder zehnte Chemie-<br />
Beschäftigte. Die Forschungsaufwendungen<br />
lagen 2010 bei rund<br />
9,4 Milliarden Euro. Über fünf<br />
Prozent ihres Umsatzes steckt<br />
die Branche jedes Jahr in die<br />
Erforschung und Entwicklung<br />
neuer Produkte und Produktionsverfahren.<br />
Von den Innovationen<br />
profitieren andere Branchen<br />
wie der Fahrzeug- und Maschinenbau<br />
oder die Elektroindustrie. „Die Zahlen belegen<br />
unsere hohe Forschungsintensität“, sagt Gerd<br />
Romanowski, der für Forschung und Bildung<br />
zuständige Geschäftsführer des Verbandes der<br />
Chemischen Industrie (VCI). „Da die deutsche<br />
Chemie immer stärker auf wissenschaftlich<br />
anspruchsvolle Produkte setzen muss, wachsen<br />
die Anforderungen an die Qualifikation<br />
unserer Arbeitskräfte.“<br />
Über das Förderwerk<br />
„Fonds“ der Chemischen<br />
Industrie unterstützt der<br />
Verein deshalb chemische<br />
Grundlagenforschung<br />
sowie Projekte für den<br />
Chemieunterricht an<br />
Schulen. Mehr als elf<br />
Millionen Euro stellte<br />
der Fonds 2011 zum<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
„Internationalen Jahr der Chemie“ bereit.<br />
Die UNESCO hatte das Jahr unter das Motto<br />
„Leben ist Chemie“ gestellt. Damit sollten die<br />
Beiträge der Chemie zum Klimaschutz, zur<br />
Energie- und Gesundheitsversorgung sowie<br />
zur Ernährung veranschaulicht werden.<br />
Um ihre globale Rolle zu kräftigen, hat die<br />
deutsche Chemie-Industrie auch untereinander<br />
keine Berührungsängste – das zeigt das<br />
erfolgreiche Unternehmen Invite. Das Startup<br />
aus Leverkusen entstand als Joint Venture<br />
zwischen der Bayer Technology<br />
Services und<br />
der TU Dortmund aus<br />
einem von der Europäischen<br />
Union finanzierten<br />
Forschungsprojekt. 25 Partner<br />
aus Forschung und Industrie<br />
arbeiten unter Federführung<br />
von Bayer Technology Services<br />
an nachhaltigeren Herstellungsverfahren<br />
oder kurz: an<br />
der Fabrik der Zukunft. Sie<br />
soll Ressourcen schonen, den<br />
Energieverbrauch senken und<br />
Herstellungskosten minimieren.<br />
Invite erforscht und testet<br />
neue Produktionsverfahren in einem<br />
eigens dafür ausgerichteten Technikum<br />
– eine Mischung aus Labor und Produktionshalle.<br />
Die Forscher bauen Chemiefabriken<br />
nach einem Baukastenprinzip: Einzelne Produktionsschritte<br />
sollen standardisiert werden;<br />
die Apparate dafür werden in einem Container<br />
zusammengefasst. Die verschiedenen<br />
Container wiederum können dann flexibel<br />
kombiniert werden – eine effiziente Art, eine<br />
komplette Produktionskette aufzubauen.<br />
Schneller und besser sein<br />
Warum aber arbeitet ein forschungsstarkes<br />
Unternehmen überhaupt mit einer Hochschule<br />
zusammen? „Wir erhalten sehr viele neue<br />
Anregungen“, sagt Invite-Geschäftsführer<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
www.chemistry2011.org<br />
Thomas Bieringer, der zuvor bei Bayer beschäftigt<br />
war. „<strong>Neue</strong>, bahnbrechende Technologien<br />
können nicht von einer einzelnen<br />
Firma alleine realisiert werden. Wir stellen<br />
mit Invite eine Plattform zur Verfügung, auf<br />
der wir gemeinsam mit unseren Partnern aus<br />
Industrie und Hochschule neue und überlegene<br />
Standards für die Fabrik der Zukunft<br />
entwickeln können.“ Auch Bayer setzt darauf,<br />
Nachwuchstalente kennenzulernen. „Einige<br />
Doktoranden haben sicher gute Chancen, bei<br />
Bayer Karriere zu machen“, so<br />
Bieringer.<br />
Die deutsche Chemie-Industrie<br />
will ein großer Global Player<br />
bleiben – und Vorbild für andere<br />
Branchen sein. Nicht umsonst<br />
sagt Gerd Romanowski vom VCI:<br />
„Wir brauchen die besten Chemiker,<br />
die besten Physiker, die<br />
besten Ingenieure. Denn nur wer<br />
besser und schneller ist, kann im<br />
globalen Wettbewerb bestehen.<br />
Die Chemie wird dank ihrer engen<br />
Beziehungen zu Hochschulen<br />
ihren Beitrag dazu leisten!“<br />
Boris Hänßler<br />
WISSENSCHAFT & WIRTSCHAFT 23<br />
When the chemistry is right …<br />
Partnerships with institutes of higher education are very important for German<br />
chemicals companies. Their own research labs are staffed with over 40,000<br />
employees – this accounts for nearly 10 per cent of all employed chemists.<br />
In 2010, Germany’s chemicals companies spent some EUR 9.4 billion on<br />
research alone. And each year, they invest over five per cent of their revenues<br />
in researching and developing new products and manufacturing processes.<br />
The German chemicals industry not only wants to remain a major global<br />
player within the sector – it also wants to be a role model for other industries<br />
as well. As Gerd Romanowski from the German Chemical Industry Association<br />
puts it, “You have to be better and faster if you want to stay on top in<br />
the global marketplace. The chemicals industry already has a leg up on the<br />
competition thanks to its strong collaborative efforts with the universities.”
24 TRENDS<br />
© Fotolia<br />
Trendforscher gehen davon aus, dass die<br />
Erfolgsgeschichte weitergehen wird, allerdings<br />
anders als bisher. Das Auto verliert<br />
seine Bedeutung als Statussymbol, neue<br />
Formen der Mobilität werden sich entwickeln,<br />
allen voran das Car-Sharing.<br />
Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung.<br />
Ich glaube an das Pferd.“ Diese<br />
berühmte Aussage stammt vom deutschen<br />
Kaiser Wilhelm II. Der Kaiser hat sich geirrt,<br />
wie wir heute wissen. Das Automobil, das<br />
1886 von Carl Benz aus Karlsruhe als „Dreirädriger<br />
Motorwagen“ zum Patent angemeldet<br />
wurde, ist eine gigantische Erfolgsgeschichte.<br />
Insgesamt fahren rund eine Milliarde Automobile<br />
über unseren Planeten, damit besitzt<br />
statistisch gesehen jeder siebte Erdenbürger<br />
ein Auto.<br />
Autoindustrie schafft Arbeitsplätze<br />
In Deutschland ist die Begeisterung für das<br />
Automobil auch im Jahr seines 125-jährigen<br />
Geburtstags groß. Das Auto sei das liebste<br />
Kind der Deutschen, heißt es. Das ist sicherlich<br />
übertrieben, hat aber einen wahren Kern<br />
– wie der Ansturm von über 900 000 Besuchern<br />
auf der Internationalen Automobilmesse<br />
2011 in Frankfurt zeigte. Nach den Krisenjahren<br />
kaufen die Deutschen mehr Autos als<br />
Spannende Zukunft<br />
Das Automobil feiert<br />
seinen 125. Geburtstag<br />
jemals zuvor und die Automobilindustrie steigert<br />
ihre Exporte – im ersten Halbjahr 2011<br />
noch einmal um sechs Prozent. Vor allem in<br />
Schwellenländern wie China und Brasilien<br />
genießen Autos made in Germany höchstes<br />
Ansehen. Damit bleibt die Automobilindustrie<br />
weiterhin der Wirtschaftsmotor Nummer eins.<br />
Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt<br />
direkt oder indirekt am Fahrzeugbau.<br />
Aber wie lange noch? Die deutschen Autobauer<br />
konnten sich immer auf ihre Innovationskraft<br />
verlassen, auch heute setzen Mercedes,<br />
BMW und Co. die technologischen Maßstäbe,<br />
die andere Nationen gerne kopieren. Diese<br />
Vorherrschaft ist in Gefahr. Trendforscher<br />
warnen vor einem tiefgreifenden Wandel der<br />
Branche, den deutsche Unternehmen nicht<br />
verschlafen dürften. So steige der Wunsch<br />
nach kleinen Fahrzeugen, statt nach großen<br />
Limousinen. Ausgerechnet sie sind jedoch das<br />
Aushängeschild der deutschen Hersteller.<br />
Ein zweiter Megatrend ist das Elektroauto.<br />
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen<br />
im Jahr 2020 rund eine Million Elektroautos<br />
über deutsche Straßen rollen. Zum Vergleich:<br />
Zurzeit sind in Deutschland etwa 42 Millionen<br />
Autos zugelassen. Der Anteil an Elektroautos<br />
wäre damit immer noch gering. Dennoch<br />
ist das Ziel sehr ehrgeizig. Zum einen muss<br />
eine Infrastruktur zum Laden der Batterien<br />
125 Jahre …<br />
alt wird 2011 auch die Geschirrspülmaschine.<br />
Die Amerikanerin Josephine Cochran erfand<br />
den praktischen Haushaltshelfer und erhielt<br />
dafür am 28. Dezember 1886 als erste Frau<br />
ein Patent. Niedrige Lohnkosten verhinderten<br />
zunächst eine großflächige Verbreitung. In<br />
Europa hatte Deutschland die Nase vorn. Hier<br />
kam 1929 die erste massentaugliche Spülmaschine<br />
auf den Markt. Der Durchbruch erfolgte<br />
allerdings deutlich später: Erst in den 1960er<br />
und 1970er Jahren entwickelte sich das Gerät<br />
zum Verkaufsschlager.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
aufgebaut werden – eine deutlich anspruchsvollere<br />
Aufgabe als der Bau von herkömmlichen<br />
Tankstellen. Zum anderen müssen die<br />
Käufer das Elektroauto als vollwertiges Fortbewegungsmittel<br />
akzeptieren. Das ist schwierig,<br />
denn es gibt viele Vorurteile.<br />
So haben Elektroautos eine geringe Reichweite,<br />
die allerdings im Alltag fast immer genügt.<br />
Doch wer es gewohnt ist, mit einer Tankfüllung<br />
1 000 Kilometer weit zu fahren, wird<br />
150 Kilometer, die mit einer Batterieladung<br />
möglich sind, erst einmal nicht akzeptieren.<br />
Weil bei den Batterien aber keine großen Fortschritte<br />
in Sicht sind, werden reine Elektroautos<br />
zunächst wohl nicht zum Zuge kommen.<br />
Die nahe Zukunft gehört Hybridautos und<br />
Elektroautos mit kleinem Benzinmotor, der<br />
bei leerer Batterie die Reichweite verlängert.<br />
Der Opel Ampera ist das erste Model aus deutscher<br />
Produktion, das mit dieser Technologie<br />
auf den Markt kommt.<br />
Man kann aus der Not aber auch eine Tugend<br />
machen. Geringe Reichweiten spielen in<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
der Stadt keine Rolle, hier werden ohnehin nur<br />
kurze Entfernungen gefahren. Forscher glauben<br />
deshalb, dass sich die Mobilität verändert:<br />
Für große Strecken sind Bahn und Flugzeug<br />
besser geeignet, in der Stadt reichen kleine<br />
Wagen, die aber durchaus luxuriös ausgestattet<br />
sein können. „Viele Fahrzeughersteller<br />
entwickeln ganz neue Mikrocars für Europa“,<br />
sagt Vishwas Shanka vom Marktforschungsunternehmen<br />
Frost & Sullivan, das kürzlich<br />
eine Studie dazu veröffentlicht hat. Sieben der<br />
zehn weltgrößten Autohersteller planen demnach,<br />
bis 2013 in Europa ein Mikrocar auf den<br />
Markt zu bringen. Diese Autos sind nur zwischen<br />
2,50 und 3,50 Meter lang und werden<br />
überwiegend elektrisch angetrieben.<br />
Die eigentliche Revolution findet jedoch<br />
nicht in den Entwicklungslaboren statt, sondern<br />
in den Köpfen der Kunden. Der Hamburger<br />
Trendforscher Peter Wippermann sieht<br />
einen schleichenden Bedeutungsverlust des<br />
Automobils vor allem bei jüngeren Menschen.<br />
Das Auto als Statussymbol für Freiheit habe<br />
TRENDS<br />
ausgedient. „Junge Menschen definieren ihren<br />
Status und ihre Sehnsucht, Freiheit zu<br />
leben, eher über Kommunikationstools wie<br />
Smartphones oder Tablet-Computer“, so Wippermann.<br />
Tatsächlich zeigt eine Studie des<br />
Center of Automotive Management in Bergisch<br />
Gladbach, dass junge Menschen eher auf das<br />
eigene Auto verzichten würden als aufs Handy.<br />
Fernanwesenheit statt Mobilität, nennt<br />
Wippermann das – Facebook lässt grüßen.<br />
Der Einzug des Internets ins Auto könnte die<br />
Branche gehörig durcheinanderwirbeln und<br />
das Tor öffnen für neue Mitspieler wie Google<br />
oder Apple. Beide Firmen kooperieren bereits<br />
mit deutschen Automobilherstellern bei der<br />
Entwicklung von Internetangeboten im Auto.<br />
In Zukunft werden solche Telematikdienste einen<br />
immer größeren Anteil an der Wertschöpfung<br />
erhalten.<br />
Junge Menschen nutzen Car2Go<br />
Hinzu kommt – ungünstig für Autoverkäufer<br />
– das Prinzip „Nutzen statt Besitzen“, wie Peter<br />
Wippermann es nennt. Wegen der hohen<br />
Kosten und weil das Auto seine Funktion als<br />
Statussymbol verliert, werden Kunden künftig<br />
weniger Autos kaufen, sie jedoch häufiger<br />
mieten. Einige Autobauer sind deshalb in das<br />
Car-Sharing eingestiegen. Das Angebot fristet<br />
in Deutschland bisher ein Schattendasein. Die<br />
Daimler AG hat in Ulm mit Car2Go einen ersten<br />
erfolgreichen Versuch gestartet, bei dem<br />
Interessenten überall im Stadtgebiet spontan<br />
einen Smart mieten können. Eine App auf<br />
dem Handy zeigt an, wo freie Fahrzeuge stehen,<br />
geöffnet wird das Auto mit einem Siegel<br />
auf dem Führerschein. Kosten: 24 Cent pro<br />
Minute. Seit 2011 fahren auch Elektrosmarts<br />
durch Ulm und beweisen, dass Elektromobilität<br />
alltagstauglich ist. Bernd Müller<br />
25
26 EUROPA<br />
ERASMUS wird 25<br />
Gratulation an das europäische Mobilitätsprogramm<br />
2012 wird gefeiert: ERASMUS – das erfolgreiche<br />
Mobilitätsprogramm der Europäischen<br />
Union wird 25 Jahre alt.<br />
Seit 1987 haben europaweit rund 2,5 Millionen<br />
Studierende dank eines ERASMUS-<br />
Stipendiums ihre Heimathochschule verlassen<br />
und internationale Studienerfahrung<br />
gesammelt. Künftig soll der internationale<br />
Austausch verstärkt werden: Mit dem neuen<br />
Programm „ERASMUS für alle“ will die Europäische<br />
Kommission von 2014 bis 2020 bis zu<br />
fünf Millionen Menschen einen Auslandsaufenthalt<br />
während ihres Bildungswegs ermögli-<br />
© privat<br />
chen. Geplant ist außerdem, dass Studierende<br />
erstmals ein Darlehen für ihr Auslandsstudium<br />
beantragen können.<br />
„Der <strong>DAAD</strong> hat das ERASMUS-Programm<br />
von Beginn an in Deutschland verwaltet. Damit<br />
ist er die älteste und erfahrenste Nationale<br />
Agentur in Europa“, erklärt Siegbert Wuttig,<br />
Leiter der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit<br />
im <strong>DAAD</strong>. ERASMUS<br />
hat die Kooperation der Hochschulen in Europa<br />
selbstverständlich gemacht und gleichzeitig<br />
die Lebenswege vieler Studierender nachhaltig<br />
geprägt. Siegbert Wuttig weist auf die vielen<br />
internationalen Familien hin, die dank ERAS-<br />
MUS gegründet wurden: „Die Kinder dieser<br />
Alumni sind quasi Europäer von Geburt an.“<br />
Anlässlich des Jubiläums richtet der <strong>DAAD</strong><br />
unter anderem acht Regionalkonferenzen aus<br />
und veröffentlicht zwei Publikationen. In einer<br />
davon berichten Alumni, Hochschulmitarbeiter<br />
und Vertreter aus Politik und Wirtschaft<br />
über den Nutzen der ERASMUS-Erfahrung für<br />
ihren beruflichen Werdegang. Zum Jubiläum<br />
gab der <strong>DAAD</strong> bei der Deutschen Post eine besondere<br />
Briefmarke in Auftrag.<br />
Zwei von 400 000 ERASMUS-Alumni<br />
aus Deutschland im Porträt<br />
Jenny Maennl-Schorn<br />
Parlamentarische Assistentin in Brüssel<br />
Mit Anfang 20 reiste Jenny Maennl-Schorn<br />
mutterseelenallein nach Brüssel. Im Gepäck<br />
hatte sie eine Liste mit Wohnmöglichkeiten.<br />
Sie fand eine Unterkunft und sog das multikulturelle<br />
Leben der Stadt auf. Als sie endlich<br />
vor dem Europäischen Parlament und der<br />
Europäischen Kommission stand, wusste sie:<br />
„Hier will ich hin! Es war ein Traum, der sich<br />
festgesetzt hatte. Teil dieser Welt zu werden,<br />
wurde mein Ziel.“<br />
Die junge Frau studierte von 1995 bis<br />
1999 Übersetzung an der Universität Heidelberg.<br />
Währenddessen verbrachte sie als<br />
PORTOCARD INDIVIDUELL VIDU<br />
55<br />
ERASMUS-Stipendiatin ein Semester in Brüssel.<br />
Dort gefiel es ihr so gut, dass der Abschied<br />
schwer fiel: „Der Aufenthalt in Brüssel ließ<br />
sich über das eine Semester hinaus nicht<br />
verlängern. Ich ging zurück nach Heidelberg,<br />
aber mir fehlte etwas. Die Internationalität<br />
dieses Weltdorfes, in dem alle Kulturen und<br />
Sprachen aufeinandertreffen.“<br />
Jenny Maennl-Schorn wechselte an die Universität<br />
Bamberg, wählte im Studiengang<br />
Romanistik Politikwissenschaft hinzu und<br />
unterrichtete ERASMUS-Studierende. Nach<br />
Abschluss des Studiums arbeitete sie in der<br />
Wirtschaft, dann folgte sie ihrem Mann in die<br />
USA und nach Leuven. Dort lernte sie Niederländisch<br />
und wurde Parlamentarische Assistentin<br />
von Dr. Hans-Gert Pöttering, ehemaliger<br />
Präsident des Europäischen Parlaments und<br />
Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung.<br />
„Nun bin ich genau dort, wo ich hin wollte.<br />
Es war wie eine Heimkehr. Heute arbeite ich<br />
in Brüssel und lebe in meinem Beruf Internationalität.<br />
Täglich spreche ich verschiedene<br />
Sprachen und komme mit Menschen aus unterschiedlichsten<br />
Ländern zusammen.“<br />
Carsten Wilms<br />
Ständiger Vertreter der Deutschen Botschaft<br />
in Moldau<br />
„Skandinavien hat mich schon vor dem Studium<br />
fasziniert“, sagt Carsten Wilms. „Als Kind<br />
liebte ich Astrid Lindgrens Geschichten. Seit<br />
dem ERASMUS-Aufenthalt in Göteborg bin ich<br />
Skandinavien treu geblieben.“<br />
Mit Beginn des Jurastudiums an der Universität<br />
Mannheim lernte Carsten Wilms Schwedisch.<br />
Ein ERASMUS-Stipendium brachte ihn<br />
1994 nach Göteborg: „Für mich war es spannend,<br />
das skandinavische Rechtssystem kennenzulernen.<br />
Die Zeit in Schweden hat mir<br />
geholfen, das eigene Rechtssystem, die eigene<br />
Denkweise in einem anderen Licht zu sehen.<br />
Für mich war das eine wertvolle Erfahrung.“<br />
Nach dem Studium in Göteborg wechselte<br />
Carsten Wilms an die Universität Bonn, um<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Jubiläumsmarke: Sonderanfertigung<br />
im Auftrag des <strong>DAAD</strong><br />
neben Jura auch Skandinavistik zu belegen.<br />
Nach dem Abschluss wurde er wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Lehrstuhl für Skandinavistik<br />
und bewarb sich parallel beim Auswärtigen<br />
Amt. „Ich hatte Gefallen daran gefunden,<br />
neue Kulturen, andere Gesellschaften kennenzulernen.<br />
Als ich mich beim Auswärtigen Amt<br />
für die diplomatische Laufbahn interessierte,<br />
waren mein Schwedenaufenthalt und meine<br />
Sprachkenntnisse sicher von Vorteil. Meine<br />
ersten Auslandsaufenthalte führten mich nach<br />
Estland und Finnland. Drei Jahre im Ausland<br />
zu leben, dann wieder drei Jahre in Deutschland,<br />
das ist für mich genau richtig. Ich wandere<br />
nicht aus, lebe aber trotzdem ein international<br />
geprägtes Leben. Aktuell in Chis˛inău in<br />
der Republik Moldau.“<br />
Franziska Collet/Jens Schönlau/<br />
privat<br />
Sku:l communication ©<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
international<br />
Winter/Summer<br />
univerSity<br />
Kassel, Germany<br />
Hessen<br />
International<br />
Summer<br />
Universities<br />
Germany<br />
With the motto SuStainable environment | Cultural Heritage |<br />
Student Potential. We Care, the International Winter University<br />
[IWU] and the International Summer University [ISU] Kassel<br />
feature the strengths of the University of Kassel in environmental<br />
sciences and German language & culture.<br />
© fotolia.de<br />
Centrally located in the picturesque city of Kassel, where the<br />
Brothers Grimm collected the famous “Grimm’s Fairy Tales” and<br />
Arnold Bode initiated the world famous contemporary art<br />
exhibition “ documenta”, Uni Kassel holds some of the most<br />
significant cultural heritage in Germany and is therefore an ideal<br />
place for studying German language and culture.<br />
EUROPA<br />
Being a young and dynamic university founded in 1971, Uni Kassel<br />
also plays a leading role in environmental engineering in Germany<br />
through its active involvement in academic research and knowledge<br />
transfer. Graduates of the environmental science programs of<br />
the University have been movers and shakers of renewable energy<br />
development worldwide.<br />
IWU and ISU Kassel now invite students from around the world to<br />
personally experience the strength and uniqueness of Uni Kassel<br />
showcased in the intensive programs taught in English [optionally<br />
in German]. With an admission of around 60 students per program,<br />
it is the uniqueness of IWU and ISU that the visiting students are<br />
fully integrated into the local community. Students will be engaged<br />
not only in inspiring academic seminars, but also multifarious<br />
cultural and social activities. The joint efforts of the organizing<br />
teams, teaching staff, host families and tandem partners have<br />
constantly won the hearts and minds of the participants by taking<br />
care of the individual needs and potentials of the students.<br />
The <strong>DAAD</strong> quality seal awarded to IWU further speaks for the<br />
quality of the program.<br />
to find out more about iWu and iSu KaSSel, PleaSe folloW uS to:<br />
www.uni-kassel.de/iwu and www.uni-kassel.de/isu<br />
or email us: isu@uni-kassel.de.<br />
Anzeige<br />
27
28 RÄTSEL<br />
RÄTSEL<br />
WER WAR’S?<br />
Professor Grübler fragt<br />
Tiere begleiten sein Leben. Schon als Kleinkind bestaunt er den ausgestopften Papagei in der Wohnung einer Nachbarin.<br />
Gern füttert er Hühner und überlegt, wie man das Geflügel veranlassen könnte, mehr Eier zu legen. Da ist es<br />
naheliegend, dass er nach dem Abitur das Fach Tiermedizin studiert. Das Studium finanziert er unter anderem durch<br />
Artikel in Fachzeitschriften für Geflügelzucht.<br />
1933 erwirbt er den Doktorgrad mit einer Dissertation über die Arterien in Kopf und Hals der Hühner. Drei Jahre später<br />
legt er eine Habilitationsschrift über Qualitätsnormen bei Hühnereiern vor. Die Universität Berlin weist die Arbeit<br />
jedoch als „wissenschaftlich unzureichend“ ab. Erst 1960 erfüllt sich sein Traum von der Professur.<br />
Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits ein berühmter und bekannter Zoo-Direktor. Wie wohl keinem anderen Deutschen<br />
gelingt es ihm, Interesse für die Schönheiten Afrikas und seiner Tierbestände zu wecken. Sein Dokumentarfilm über<br />
den Tierreichtum Ostafrikas bekommt sogar einen „Oscar“. Er betont: „Die Erhaltung der letzten Zebraherden ist für<br />
die Menschheit genauso wichtig wie die Erhaltung der Akropolis oder des Petersdoms in Rom.“<br />
In diesem Rätsel geht es darum, unvollständige Hauptwörter sinnvoll zu ergänzen.<br />
Zu erraten sind jeweils der dritte und vierte Buchstabe eines Wortes. Die<br />
gefundenen Buchstaben-Paare ergeben – hintereinander gelesen – das Lösungswort.<br />
Es stammt aus der Welt des Sports und ist eine olympische Disziplin.<br />
1. EI LLE<br />
2. MA UNG<br />
3. NO R<br />
4. MA EFALLE<br />
5. BI ENKORB<br />
6. KA IUM<br />
7. ZW SCHGE<br />
8. QU STRASSE<br />
9. SA T<br />
10. KA MANN<br />
Lösungswort -<br />
Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne und fünf Trostpreise vergeben. Bei<br />
diesem Rätsel nehmen an der Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen und Lesern teil, deren<br />
Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige Adresse<br />
des Absenders angeben!<br />
DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />
Schreiben Sie das Lösungswort an t<br />
1. Duden – Die deutsche Rechtschreibung. Dudenverlag<br />
2. Die Lieblingsgedichte der Deutschen. Hrsg. von Lutz Hagestedt. Piper Verlag<br />
Dazu: Die Lieblingsgedichte der Deutschen. 100 Gedichte. 2 CD’s. Patmos Verlag<br />
3. Was wir heute wissen müssen. Von der Informationsflut zum Bildungsgut. Hrsg. von Joachim<br />
Mohr u.a. Deutsche Verlags-Anstalt München/Spiegel-Verlag Hamburg 2011<br />
4. Johann Sebastian Bach: Strange Beauty. Simone Dinnerstein (Klavier),<br />
Kammerorchester Staatsoper Berlin (1 CD)<br />
Bitte geben Sie mit der Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />
Unermüdlich kämpft er gegen Walfang, Elfenbeinhandel,<br />
Robbenschlachten, Legebatterien,<br />
das Tragen von Pelzmänteln, den<br />
Verzehr von Schildkrötensuppe. Geradezu<br />
legendär sind seine Auftritte im Fernsehen.<br />
Riesenwirbel löst seine zweite Ehe aus:<br />
Mit 69 Jahren heiratet er die Witwe seines<br />
Sohnes. Danach beantragt er die Adoption<br />
seiner beiden Enkelkinder und macht sie zu<br />
seinen Stiefsöhnen.<br />
Im Alter von knapp 78 Jahren stirbt er an<br />
Herzversagen: Der Tod ereilt ihn während<br />
eines Besuchs im Zirkus, gerade als die<br />
Tiger-Dressur zu Ende ist. Der Tier- und Afrikafreund<br />
hinterlässt ein Vermögen von rund<br />
27 Millionen Mark. Sein Urnengrab befindet<br />
sich in einem Wildpark in Tansania. Auf der<br />
Grabplatte steht in englischer Sprache, es<br />
sei besser, eine Kerze anzuzünden, als über<br />
die Dunkelheit zu jammern.<br />
Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />
Unter den richtigen Lösungen werden<br />
fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />
ist ausgeschlossen. Bitte wählen sie unter<br />
den links unten genannten Preisen.<br />
Senden Sie die Lösung an t<br />
!<br />
Redaktion <strong>DAAD</strong> Letter<br />
Trio MedienService GbR<br />
Chausseestraße 103<br />
10115 Berlin, Germany<br />
Fax: +49 30/85 07 54 52<br />
E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />
Einsendeschluss ist der<br />
10. März 2012<br />
Die Lösung und die Gewinner<br />
der vorigen Letter-Rätsel<br />
finden Sie auf Seite 42<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
SPRACHWERKSTATT<br />
Zwischen Traum und Wirklichkeit<br />
© picture-alliance/dpa<br />
Träume, Vorstellungen und Möglichkeiten<br />
werden im Deutschen mit dem Konjunktiv<br />
ausgedrückt. Bezogen auf Vergangenes wird<br />
er mit „hätte“ oder „wäre“ gebildet (hätte gelacht;<br />
wäre geblieben), in Bezug auf Gegenwärtiges<br />
und Zukünftiges mit „würde“ plus<br />
Infinitiv (würde bleiben) oder der einfachen<br />
Form (bliebe). Bitte wandeln Sie im Folgenden<br />
jeweils den Infinitiv in den Konjunktiv um.<br />
(Haben) ____ er eine weniger blühende<br />
Phantasie _____, (werden) _____ aus Karl<br />
May (1842–1912) vielleicht nie einer der<br />
meistgelesenen Autoren deutscher Trivialliteratur<br />
_____. Er (schreiben) _____ womöglich<br />
nicht über 70 Jugenderzählungen und<br />
Romane _____, seine Werke (erscheinen<br />
und verkauft werden) _____ nicht in vierzig<br />
Sprachen _____ und weltweit rund 200<br />
Millionen Mal _____ _____. Sein „Schatz im<br />
Silbersee“ (1889) und der vierteilige Roman<br />
um den Apachen-Häuptling Winnetou (1893;<br />
1910) (sein) _____ heute nicht berühmt.<br />
Karl May-Held: Schauspieler Pierre Brice als Als Carl Friedrich May wurde er in eine arme<br />
Häuptling Winnetou<br />
sächsische Weberfamilie hineingeboren.<br />
Seine Kindheit (sein können) _____ kaum<br />
entbehrungsreicher und die Erziehung kaum<br />
strenger _____ _____. Nach der Ausbildung zum Volksschullehrer (sein) _____ seine<br />
Berufschancen nicht schlecht _____, (verurteilt und entlassen werden) _____ May nicht<br />
1861 wegen Diebstahls zu einer Haftstrafe _____ und aus dem Schuldienst _____ _____.<br />
In den folgenden Jahren war er wegen Betrugs und Hochstapelei mehrmals inhaftiert.<br />
Fast (vorbei sein) _____ es mit der Aussicht auf eine gesicherte bürgerliche Existenz<br />
_____ _____ – (bekehren) _____ er sich nicht Anfang der 1870er Jahre im Gefängnis<br />
_____.<br />
Nach der Entlassung wurde Karl May Zeitungsredakteur, veröffentlichte erste eigene<br />
Erzählungen und heiratete 1880. Wer aber (denken) _____ _____, dass er mit seinen<br />
Reiseromanen einen solchen Erfolg (haben) _____ _____, dass er sich schließlich als<br />
Schriftsteller (selbständig machen können)_____ _____ _____ _____? Er schrieb so,<br />
als (bereisen) _____ er den „Wilden Westen“ Amerikas und den Vorderen Orient selbst<br />
_____ und (sprechen) _____etliche Sprachen. Dass May dabei zum Helden seiner eigenen<br />
Romane (werden) _____ _____, war anfangs sicher nicht gewollt. Mit der Zeit aber<br />
schien es, als (verwischen) _____ sich die Grenze zwischen Fiktion und Realität immer<br />
mehr. So ließ er sich 1896 verkleidet als Winnetous Freund Old Shatterhand fotografieren,<br />
als (sein) _____ er identisch mit dem Ich-Erzähler seines Buches.<br />
Auf seiner ersten langen Orientreise 1899/1900 erlitt Karl May zwei Nervenzusammenbrüche.<br />
Es war, als wenn die Realität seine Phantasiewelt (zerstören) _____ _____. Vor<br />
100 Jahren, am 30. März 1912, starb Karl May in Radebeul bei Dresden an Herzversagen.<br />
Christine Hardt<br />
LÖSUNG: hätte gehabt; wäre geworden; hätte geschrieben; wären erschienen, verkauft worden; wären; hätte<br />
sein können; wären gewesen; wäre verurteilt, entlassen worden; wäre vorbei gewesen; hätte bekehrt; hätte<br />
gedacht; haben würde; würde selbständig machen können; hätte bereist; spräche; werden würde; verwischte;<br />
wäre; zerstört hätte.<br />
AUFGESPIESST<br />
Kein Tag ohne Rettungsschirm<br />
SPRACHECKE<br />
Wolkenlose Hitze? In Deutschland? Sehr selten!<br />
Sonnenschirme braucht man hier kaum, Regenschirme<br />
schon eher. Auch im Winter. Zum Fallschirmspringen<br />
ist es jetzt zu kalt, Schirmpilze<br />
findet man auch nicht mehr – aber muss man<br />
deshalb ständig vor dem häuslichen Bildschirm<br />
sitzen? Nein! Obwohl im Fernsehen permanent<br />
von einem neuen, offenbar riesigen, sündteuren,<br />
auf jeden Fall hochmodischen Schirm die Rede<br />
ist: dem Rettungsschirm.<br />
Was ist das eigentlich genau? Auf alle Fälle<br />
nichts Konkretes, sondern ein Modewort aus<br />
dem Bereich der politischen Metaphorik. Jedenfalls<br />
dann, wenn Staatspleiten abgewendet und<br />
Banken vor dem Zusammenbruch bewahrt werden<br />
müssen. Den Euro retten, das geht, wie inzwischen<br />
alle wissen, nur mit Schirm. Wie bitte?<br />
Ob die Wirtschaftswissenschaftler der Welt da<br />
wohl wirklich durchblicken? Oder die Politiker,<br />
die pausenlos darüber reden? Der Normalbürger<br />
jedenfalls tut sich schwer damit. Tatsache ist:<br />
kein Tag ohne Rettungsschirm.<br />
Ein Schirm, sofern er nicht unbenutzt im Schirmständer<br />
steht, hält Sonne oder Regen ab und<br />
schützt überhaupt vor mancherlei Unbill. Ein<br />
Schirm beschirmt. Und wer kann schon dauerhaft<br />
ohne Schirm den Widrigkeiten des Lebens<br />
trotzen? «Maria breit den Mantel aus / Mach<br />
Schirm und Schild für uns daraus / Lass uns<br />
darunter sicher stehn / Bis alle Stürm vorüber<br />
gehn», so heißt es seit Mitte des 17. Jahrhunderts<br />
in einem schönen Kirchenlied. Das versteht jeder.<br />
Aber was bedeutet es ganz konkret, wenn<br />
ein hochabstrakter Rettungsschirm der Europäischen<br />
Union über Griechenland aufgespannt<br />
wird? Tja.<br />
Während man sich von Tag zu Tag verzweifelter<br />
um konkrete Information bemüht, beschränkt<br />
sich die Verwendung des ominösen Begriffs<br />
schon lange nicht mehr auf die Politik. «Ein Rettungsschirm<br />
für den Schreiadler» lautete kürzlich<br />
die Überschrift einer Pressemitteilung der<br />
«Deutschen Wildtier Stiftung» – was einen Journalisten<br />
der Berliner «tageszeitung» zu der Frage<br />
veranlasste: «Ja, sind denn Vögel jetzt auch<br />
schon Griechen?» Es schwant einem jedenfalls<br />
nicht viel Gutes, wenn man vom Rettungsschirm<br />
hört. Also, mal rein sprachlich betrachtet: Lieber<br />
beim Konkreten bleiben! Zumal es draußen<br />
schon wieder regnet.<br />
29
30<br />
<strong>DAAD</strong> Report<br />
Wirksam vor Ort<br />
In-Country-Stipendien sind in Uganda ein Schlüssel für Entwicklung<br />
Gut ausgebildeter wissenschaftlicher<br />
Nachwuchs spielt in Entwicklungs- und<br />
Schwellenländern eine Schlüsselrolle bei<br />
der Weiterentwicklung. Doch wie können<br />
diese Länder ihre jungen Forscher halten,<br />
wenn bessere Bedingungen auf anderen<br />
Kontinenten locken? Mit In-Country-Stipendien<br />
hat der <strong>DAAD</strong> eine Antwort gefunden:<br />
Dieses Programm fördert junge<br />
Hochschullehrerinnen und -lehrer in ihrem<br />
Land oder in der Region.<br />
Um die Probleme in Afrika zu lösen, sollten<br />
die Wissenschaftler hier forschen, in einem<br />
chaotischen System und nicht in geordneten<br />
Systemen im Ausland“, betont Silver Mugisha.<br />
Der Bauingenieur hat seine Doktorarbeit<br />
bewusst in seiner Heimat Uganda geschrieben,<br />
für ihn ist das In-Country-Stipendium des<br />
<strong>DAAD</strong> einer der Schlüssel für die Entwicklung<br />
Ugandas: „Wir brauchen dringend junge Leute,<br />
die ihr Land lieben und es wirtschaftlich<br />
voranbringen wollen. Das <strong>DAAD</strong>-Stipendium<br />
hat mir damals sehr geholfen, heute motiviere<br />
ich junge Mitarbeiter, den gleichen Weg<br />
zu gehen.“ Silver Mugisha ist mittlerweile<br />
verantwortlich für die Unternehmensentwicklung<br />
bei der Nationalen Gesellschaft für<br />
Wasserversorgung und Abwasser und arbeitet<br />
damit in einem Schlüsselsektor: der gerechten<br />
Wasserversorgung.<br />
Der 43-Jährige ist einer von 500 gelisteten<br />
Stipendiaten, die der <strong>DAAD</strong> vor Ort im ostafrikanischen<br />
Uganda förderte. Seit Ende der<br />
1960er Jahre läuft das In-Country-Programm<br />
in diesem Land sehr erfolgreich. Solche Erfolgsmeldungen<br />
über Uganda gehen unter,<br />
weil das Land vor allem mit der Schreckensherrschaft<br />
von Idi Amin in Verbindung gebracht<br />
wird. Das Ende des Diktators war keineswegs<br />
das Ende des Terrors: Es folgte eine<br />
zweite Amtszeit von Milton Obote, der Menschen<br />
einkerkerte und folterte. Bis 2006 wütete<br />
ein Guerillakrieg im Norden des Landes.<br />
Aus dieser Region stammt Beatrice Odongkara.<br />
Als Kind musste sie sich im nordugandischen<br />
Gulu vor den Soldaten der Lord‘s Resistance<br />
Army im Busch verstecken und erlebte,<br />
wie Freunde und Verwandte entführt und<br />
ermordet wurden. Diese Erfahrungen prägten<br />
ihr Leben und brachten sie auf den Weg einer<br />
engagierten und erfolgreichen Wissenschaftlerin.<br />
„Ich wollte immer in Gulu arbeiten. Das<br />
ist kein einfacher Ort, aber dort sind meine<br />
Wurzeln und ich hatte mein Ziel vor Augen“,<br />
schildert sie ihre Berufung.<br />
Als an der Universität Gulu die medizinische<br />
Fakultät öffnete und händeringend junge<br />
Mediziner gesucht wurden, ergriff Beatrice<br />
Odongkara ihre Chance: Sie bewarb sich für<br />
ein <strong>DAAD</strong>-Stipendium. „Ich begriff, welche<br />
wichtige Rolle qualifizierter wissenschaftlicher<br />
Nachwuchs für mein Land spielt. Mit dem<br />
Stipendium bekam ich die Chance, meinen<br />
Beitrag zu leisten“, erinnert sie sich. Nach drei<br />
Jahren hatte sie den Master of Medicine, Pediatrics<br />
and Child Health in der Tasche. Heute<br />
arbeitet sie als Kinderärztin am Hospital der<br />
Universität Gulu, wo sie ihr nächstes Thema<br />
entdeckte: „Immer mehr Kinder erkranken<br />
an Diabetes, aber in Uganda mangelt es an<br />
Spezialisten. Auch für andere endokrinologische<br />
Erkrankungen fehlen uns die Experten.<br />
Deshalb werde ich eine Kinderklinik gründen<br />
und die Forschung auf diesem Feld in Gang<br />
setzen.“ Bis 2012 arbeitet die Medizinerin mit<br />
einem Stipendium der European Society for<br />
Paediatric Endocrinology (ESPE) am Gertrude<br />
Children’s Hospital der Universität Nairobi<br />
im benachbarten Kenia. Sie hofft, dort das<br />
notwendige Know-how und erste Kontakte zu<br />
Forscherkollegen zu gewinnen.<br />
Expertise und Engagement<br />
Ein Studium im Ausland kam für Beatrice<br />
Odongkara nicht in Frage. Zum einen fehlte<br />
ihr das Geld, zum anderen hatte sie nicht<br />
nur ihre eigenen Kinder zu versorgen: „Mein<br />
Mann und ich kümmern uns mit unserer Organisation<br />
um Kriegs- und Aidswaisen. Diese<br />
Arbeit duldet keine Unterbrechung. Außerdem<br />
ist es gerade während der Master- oder<br />
PhD-Phase wichtig, die Kontakte im eigenen<br />
Land zu halten“, unterstreicht sie. Diese Verbindung<br />
von Expertise und bewusstem Engagement<br />
für das eigene Land leben viele der<br />
ehemaligen Stipendiaten. So auch Geoffrey<br />
Bakunda. Der Dekan der School of Marketing<br />
and Hospitality Management an der Makerere<br />
Universität in Kampala hatte einen gut bezahlten<br />
Posten in einem Unternehmen vor Augen.<br />
Doch nach dem Master wurde ihm klar, dass<br />
er seine Kompetenzen für sein Land einsetzen<br />
wollte. „Das In-Country-Stipendium für meinen<br />
PhD-Abschluss hatte mehrere Vorteile.<br />
Ich konnte vor Ort forschen und Verbindungen<br />
in die Politik aufbauen.“ Der Ökonom ist<br />
Experte für den Agrarsektor, dem wichtigsten<br />
Wirtschaftszweig Ugandas und vieler Entwicklungsländer.<br />
Für seine Dissertation ergründete<br />
er die Marktchancen kleiner Unternehmer,<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Auf dem Campus beginnt die Zukunft:<br />
Studierende an der Universität Gulu in<br />
Norduganda<br />
Von den In-Country-Stipendien überzeugt<br />
(von links): Christine Dranzoa<br />
(Professorin und Universitätsgründerin),<br />
Beatrice Odongkara (Kinderärztin),<br />
Geoffrey Bakunda (Ökonom an der<br />
Makerere Universität), Silver Mugisha<br />
(Bauingenieur)<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
In-Country<br />
Scholarships<br />
<strong>DAAD</strong>’s in-country or sur-place scholarships<br />
fund training for future university instructors<br />
in developing and threshold countries. The<br />
scholarships are awarded for enrolment in<br />
Master’s or PhD degree programmes at a<br />
university in the candidate’s home country,<br />
or in another country in the region:<br />
Africa: Ethiopia, Kenya, Namibia, South<br />
Africa, Sudan, Tanzania, Uganda, Zimbabwe<br />
Brazil<br />
Southeast Asia: Cambodia, East<br />
Timor, Indonesia, Laos, Myanmar,<br />
Philippines, Thailand, Vietnam<br />
Contacts for further information:<br />
Sub-Saharan Africa: parmentier@daad.de<br />
Brazil: firzlaff@daad.de<br />
Southeast Asia: gabler@daad.de<br />
vor allem der ugandischen Kleinbauern. „Als<br />
die Regierung 1990 den Markt öffnete, waren<br />
die Bauern völlig unvorbereitet. Noch heute<br />
haben viele von ihnen keinen Überblick über<br />
adäquate Preise und Vermarktung ihrer Produkte“,<br />
schildert er die Situation.<br />
Der geringe Kenntnisstand hat Konsequenzen<br />
für Lehre und Forschung: Seine Studierenden<br />
sollen die Bedingungen des globalen Wettbewerbs<br />
kennenlernen und Wege aufzeigen,<br />
die Uganda auf den Weltmarkt führen können.<br />
Für ihn ist es daher selbstverständlich, dass<br />
seit fünf Jahren Chinesisch auf dem Lehrplan<br />
steht. Und Geoffrey Bakunda belässt es nicht<br />
bei akademischer Theorie: Er sitzt als Berater<br />
der Regierung in Gremien verschiedener<br />
alle Bilder: © Mirco Lomoth<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Ministerien und setzt sich dafür ein, dass wirtschaftswissenschaftliche<br />
Erkenntnisse den<br />
Weg ins praktische Handeln finden.<br />
Kompetenz im Land halten<br />
Wissenschaftliche Ausbildung ist die eine Seite<br />
der Stipendien, nachhaltiger Strukturaufbau<br />
die andere. Das bestätigt auch Christine<br />
Dranzoa, die fünf Jahre lang die ugandischen<br />
Stipendiaten mit auswählte. „Diese jungen<br />
Hochschullehrer sind unser Kapital, deshalb<br />
legen wir strenge Kriterien bei der Vergabe<br />
der Stipendien an.“ Die 47-jährige Biologin<br />
war stellvertretende Leiterin der Graduate<br />
School an der Makerere Universität und weiß<br />
am besten, wie wichtig gutes Personal für die<br />
ugandischen Hochschulen ist. Sie baut im<br />
Auftrag der Regierung die sechste staatliche<br />
Universität in der nordwestlichen Provinz<br />
Arua auf, im strategisch wichtigen Dreiländereck<br />
Uganda, Demokratische Republik Kongo<br />
und Sudan. „In der letzten Sitzung wurde ein<br />
Software-Ingenieur für ein In-Country-Stipendium<br />
des <strong>DAAD</strong> ausgewählt. Er wird uns nach<br />
seinem Masterabschluss beim Aufbau der<br />
IT-Abteilung an der neuen Muni-Universität<br />
unterstützen.“ Diese Universität wird in zwei<br />
Jahren mit 250 Studierenden den Lehrbetrieb<br />
aufnehmen, um die ländliche, von Armut geprägte<br />
Region strukturell aufzubauen und<br />
eine Entwicklung Ugandas durch Ugander zu<br />
ermöglichen. Isabell Lisberg-Haag<br />
31
32 <strong>DAAD</strong><br />
Ankommen im deutschen Alltag<br />
30 Jahre <strong>DAAD</strong>-Freundeskreis<br />
In mehr als 40 Universitätsstädten sind sie<br />
aktiv. Die Mitglieder des <strong>DAAD</strong>-Freundeskreises<br />
helfen ausländischen Stipendiaten<br />
beim Einleben in Deutschland. Jetzt feierte<br />
der deutsche Alumni-Verein sein 30.<br />
Jubiläum.<br />
Es war ein Freitag, als Syed Atif Mehdi aus<br />
Pakistan in Deutschland ankam. An der<br />
Universität Kaiserslautern wollte er Informatik<br />
studieren. Um sich von der Reise auszuruhen,<br />
blieb er am Samstag im Studentenheim.<br />
Am Sonntag trieb ihn der Hunger hinaus, doch<br />
alle Läden waren geschlossen. „In Pakistan<br />
kann man jeden Tag einkaufen“, erklärt Mehdi.<br />
„Damals begriff ich schlagartig, dass ich in<br />
ein mir ganz fremdes Land gekommen war.“<br />
Mehdis Freude war deshalb groß, als ihn<br />
eine E-Mail von Birgit Bittmann erreichte. Die<br />
Ingenieurwissenschaftlerin lud ihn zu einem<br />
Treffen mit anderen ausländischen Studierenden<br />
ein. Als Mitglied im <strong>DAAD</strong>-Freundeskreis<br />
organisierte sie in Kaiserslautern regelmäßige<br />
Treffen für ausländische <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten,<br />
um sie mit der hiesigen Kultur vertraut zu machen.<br />
In mehr als 40 Universitätsstädten von<br />
Hamburg bis München tun ehemalige Stipendiaten<br />
in den sogenannten Regionalgruppen<br />
des Freundeskreises das Gleiche: Mit geselligen<br />
Abenden, Wanderungen oder Museumsbesuchen<br />
helfen sie den Neuankömmlingen,<br />
die ersten Hürden im deutschen Alltag leichter<br />
zu nehmen.<br />
Als vor 30 Jahren in Bonn der <strong>DAAD</strong>-Freundeskreis<br />
e.V. als Zusammenschluss deutscher<br />
ehemaliger Stipendiaten gegründet wurde,<br />
war diese „aktive Gastgeberrolle“ ein wichtiger<br />
Impuls. Inzwischen ist der Verein, mit<br />
© Freundeskreis<br />
Pause im Landgasthof: Regionalgruppe München erkundet Oberbayern<br />
einer kleinen Geschäftsstelle in Bonn, von damals<br />
28 Gründungsmitgliedern auf gut 1 300<br />
zahlende Mitglieder angewachsen.<br />
Dem <strong>DAAD</strong> etwas zurückgeben<br />
Was motiviert die „freiwilligen Helfer“? Das<br />
Berliner Freundeskreis-Mitglied Sabine Englich:<br />
„Ich erinnere mich gern an die amerikanische<br />
Gastfreundschaft während meiner<br />
eigenen Stipendiatenzeit in Minneapolis.“ In<br />
Berlin, wo derzeit circa 700 <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />
studieren und forschen, ist der Stammtisch<br />
am ersten Montag im Monat seit mehr als 20<br />
Jahren zur Institution geworden, erzählt die<br />
Wissenschaftlerin.<br />
Dankbarkeit für die Studienzeit in Spanien<br />
ist für <strong>DAAD</strong>-Alumna Birgit Bittmann ein<br />
wichtiges Motiv: „Ich möchte dem <strong>DAAD</strong> etwas<br />
zurückgeben.“ Bittmann, die zurzeit wieder in<br />
Feierstunde in Berlin: der akutelle Vorsitzende<br />
des Freundeskreises Christian Bode (rechts)<br />
und seine Vorgänger Hans-Georg Schultz-Gerstein<br />
(links) und Hermann Flessner (Mitte)<br />
Spanien forscht, weiß den Freundeskreis daheim<br />
derweil in guten Händen: Syed Atif Mehdi<br />
aus Pakistan findet sich inzwischen „so weit<br />
integriert“, dass er – neben seiner Promotion<br />
– die Treffen selbst organisiert.<br />
Und damit ist er kein Einzelfall: In Saarbrücken<br />
lädt – nach dem Wegzug deutscher<br />
Freundeskreismitglieder – der bulgarische<br />
Doktorand Valentin Popov zu Bowling und Billard,<br />
Kino und Theater ein. Und in Halle/Saale<br />
gab im Jahr 2009 der iranische Musikpädagoge<br />
und <strong>DAAD</strong>-Stipendiat Pooyan Azadeh selbst<br />
den Startschuss für den ersten Freundeskreis.<br />
Bei der Jubiläumsfeier im September in<br />
Berlin gab es viel Erfahrungsaustausch über<br />
diese Art der „Willkommenskultur“. Der neu<br />
gewählte Vorsitzende des Freundeskreises,<br />
der frühere <strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian<br />
Bode, erhielt von <strong>DAAD</strong>-Generalsekretärin Dorothea<br />
Rüland die Zusage für mehr finanzielle<br />
und personelle Unterstützung. Leonie Loreck<br />
© Reiner Zensen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Mit Wissenschaft zum Wandel<br />
Gemeinsame pakistanisch-deutsche Forschung<br />
Jedes Jahr schickt Pakistan seine besten<br />
Hochschulabsolventen zur Promotion<br />
nach Deutschland. Wenn sie zurückkehren,<br />
forschen sie mit ihren deutschen Kollegen<br />
weiter an wichtigen Projekten. Ein<br />
neues <strong>DAAD</strong>-Programm fördert die grenzüberschreitenden<br />
Kooperationen.<br />
Es war eine ungewöhnliche Anfrage, die<br />
Professor Thomas Bier von der Technischen<br />
Universität Bergakademie Freiberg<br />
vor acht Jahren erreichte. Ein Ingenieur aus<br />
Pakistan, Syed Ali Rizwan, wollte an seinem<br />
Lehrstuhl für Baustofftechnik promovieren.<br />
Soweit noch nichts Besonderes. Nur: Syed<br />
Ali Rizwan war in seinem Heimatland selbst<br />
bereits Professor. Doch der Pakistani kam –<br />
erst zur Promotion, später noch einmal als<br />
<strong>DAAD</strong>-geförderter Postdoc. Auf einer Reise<br />
nach Pakistan stellte Thomas Bier fest, dass<br />
das Interesse an seinem Forschungsschwerpunkt<br />
Beton dort groß ist – und eine Chance<br />
für die Umwelt. „Pakistan könnte beim Bau<br />
künftig stärker natürliche lokale Rohmaterialien<br />
wie Reisschalenasche nutzen“, erläutert<br />
Torsten Westphal, der am Freiberger Lehrstuhl<br />
für Baustofftechnik arbeitet.<br />
Gemeinsam wollen Syed Ali Rizwan, heute<br />
Professor an der National University of Technology<br />
in Islamabad, und Thomas Bier in den<br />
nächsten Jahren ein Beton-Forschungslabor<br />
in Islamabad einrichten, Trainings und Workshops<br />
anbieten und den Austausch von Studierenden<br />
ankurbeln. Gefördert werden die<br />
Projektpartner vom neuen Programm „Pakistanisch-deutsche<br />
Forschungskooperation“,<br />
das der <strong>DAAD</strong> aus Mitteln des Auswärtigen<br />
Amtes finanziert. Pakistanische Forscher, die<br />
– meist nach der Promotion – aus Deutschland<br />
in ihre Heimat zurückkehren, erhalten über<br />
Kluge Köpfe in Berlin: pakistanische<br />
Regierungsstipendiaten vor der Kuppel<br />
des Reichstags<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© Ulf Dieter/<strong>DAAD</strong><br />
drei Jahre finanzielle Unterstützung für eine<br />
Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen.<br />
Promotion legt den Grundstein<br />
Finanziert werden Equipment, Forschungsreisen<br />
und Tagungen. „Viele Gebiete, auf denen<br />
in Deutschland geforscht wird, sind für die<br />
Entwicklung Pakistans hochrelevant“, sagt<br />
Lars Gerold, der im <strong>DAAD</strong> für die Region zuständig<br />
ist. So werden zum Beispiel am Lehrstuhl<br />
des Informatikprofessors Karsten Berns<br />
an der TU Kaiserslautern Roboter entwickelt,<br />
die Landminen aufspüren. Bisher haben zwei<br />
pakistanische Doktoranden an diesem Projekt<br />
mitgearbeitet. Einer von ihnen, Syed Atif Mehdi,<br />
stellte den Kontakt zum pakistanischen<br />
Informatikprofessor Abubakr Muhammad<br />
her. Er leitet das Roboterlabor an der Lahore<br />
University of Management Sciences, wo bereits<br />
einfache Roboter entwickelt werden, die<br />
ebenfalls gegen Landminen eingesetzt werden.<br />
„Wir kooperieren, damit die Kollegen in<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Pakistan etwas von unseren Technologien für<br />
ihre Bedürfnisse nutzen können“, sagt Karsten<br />
Berns. Der Haken: Die Roboter der TU Kaiserslautern<br />
sind wesentlich präziser – aber auch<br />
sehr viel teurer. „Unser gemeinsames Ziel ist<br />
eine kostengünstigere Variante des Roboters,<br />
die ähnlich gut einsetzbar ist wie der Prototyp<br />
aus Kaiserslautern.“<br />
Die Nachfrage nach der Unterstützung<br />
für die pakistanisch-deutsche Forschungskooperation<br />
war 2011 bereits groß. Schließlich<br />
haben allein 2011 rund 50 Pakistani in<br />
Deutschland ihre Promotion abgeschlossen.<br />
„Als künftige Hochschuldozenten sind sie die<br />
wissenschaftliche Zukunft ihres Landes“, sagt<br />
Lars Gerold und fügt hinzu: „Viele Doktoranden<br />
bauen hier gute Kontakte auf. Aus diesen<br />
Verbindungen sollen langfristige Kooperationen<br />
entstehen.“<br />
Infos:<br />
<strong>DAAD</strong>-Informationszentrum Islamabad:<br />
http://ic.daad.de/islamabad/en<br />
Julia Walter<br />
33<br />
© Ulf Dieter/<strong>DAAD</strong>
34 <strong>DAAD</strong><br />
Stipendiaten forschen<br />
Literaturwissenschaft<br />
Flucht vor der Zensur<br />
„Der Nebel, der in der Morgenröte wegzieht<br />
und nichts als Tau auf den Feldern zurücklässt,<br />
wird emporsteigen und sich in einer Wolke<br />
sammeln und dann im Regen niederfallen.<br />
Und nicht viel anders als der Nebel bin ich<br />
gewesen.“ Mit Zeilen wie diesen schrieb der<br />
arabische Dichter Khalil Gibran (1883–1931)<br />
Literaturgeschichte. Sein Werk „Der Prophet“<br />
– im US-amerikanischen Exil verfasst – findet<br />
man bis heute weltweit in den Buchläden.<br />
Doch über die Lebensumstände der arabischen<br />
Schriftsteller, die wie Gibran zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts ihre Heimat verließen,<br />
wissen wir längst nicht alles.<br />
„Meine Forschung klärt einige Missverständnisse<br />
auf“, sagt die Germanistin Dr.<br />
Najat Issa Hasan, die im Sommer 2011 mit<br />
einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium an der Humboldt-<br />
Universität zu Berlin arbeitete. Dort suchte die<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität<br />
Bagdad nach den Motiven, die Gibrans Autorengeneration<br />
nach Nord- und Südamerika<br />
trieben. Bisher glaubte man, dass die schlechte<br />
wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat<br />
entscheidend war. Najat Hasan kam zu einem<br />
anderen Ergebnis. „Die Zensur während der<br />
osmanischen Besatzung im heutigen Libanon<br />
hat eine wichtige Rolle gespielt“, sagt die Irakerin.<br />
„In Berlin habe ich herausgefunden,<br />
dass deutsche Autoren wie Bertolt Brecht ihr<br />
Land aus ganz ähnlichen Gründen verließen.“<br />
Da sie sich zur Ausreise gezwungen fühlten,<br />
waren Dichter wie Micha’il Na’ima und Elia<br />
Abu Madi im Ausland unglücklich. Ihre Gedichte<br />
erzählen von der Sehnsucht nach ihrer<br />
Heimat und der Liebe zu ihrer Familie. Immer<br />
jedoch sind die Texte von der Hoffnung auf<br />
bessere Zeiten erfüllt – eine Hoffnung, an<br />
die sich auch viele Schriftsteller im Irak der<br />
Gegenwart klammern. Auf ihre schwierige<br />
Situation will Najat Issa Hasan mit ihrer Forschungsarbeit<br />
hinweisen.<br />
Ihre Bücher musste die 35-Jährige nach<br />
Deutschland mitbringen, da sie in den Berliner<br />
Bibliotheken nicht zu finden waren. „Viele<br />
Deutsche lesen moderne arabische Exilautoren<br />
wie Rafik Schami“, sagt Najat Issa Hasan.<br />
„Ich finde, sie sollten auch die Urväter der arabischen<br />
Exilliteratur kennen.“<br />
Landschaftsökologie<br />
Die Geheimnisse des Medizinmanns<br />
Wie gut zwei Äthiopier sich verstehen, merkt<br />
man beim Essen. Wenn sie sich vertrauen,<br />
teilen sie sich einen Teller und füttern sich<br />
gegenseitig mit den Händen. Die deutsche<br />
Studentin Fanny Mundt erinnert sich noch<br />
genau, wie gerührt sie war, als sie während<br />
ihres ersten Aufenthalts in Äthiopien von einem<br />
Einheimischen gefüttert wurde. Damals,<br />
im Frühjahr 2011, forschte die angehende<br />
Landschaftsökologin als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin<br />
im Südwesten des Landes – mitten im Urwald.<br />
Ein halbes Jahr lang hatte sie Zeit, um Heilpflanzen<br />
zu finden, die in den Tiefen der äthiopischen<br />
Wälder wachsen. Dafür sprach sie mit<br />
rund fünfzig Medizinmännern, die ihr Wissen<br />
über die Heilkraft der Pflanzen von Generation<br />
zu Generation weitergeben. „Doch viele<br />
der traditionellen Heiler hüten ihre Rezepte<br />
Gesundheit aus Wäldern: Ein äthiopischer<br />
Medizinmann begutachtet Heilpflanzen<br />
wie einen Schatz“, erklärt Fanny Mundt. „Ich<br />
musste also immer damit rechnen, dass noch<br />
eine geheime Zutat fehlt.“ Dennoch gelang es<br />
der 23-Jährigen, während ihres Praktikums<br />
beim Naturschutzbund (NABU) ein Herbarium<br />
mit 60 Pflanzen anzulegen, die in der äthiopischen<br />
Volksmedizin verwendet werden.<br />
Die Veröffentlichung traditionellen Wissens<br />
könnte den Menschen in der armen Region<br />
helfen. Denn der Kafa-Bergnebelwald ist ein<br />
offizielles Biosphärenreservat, unter dessen<br />
Siegel die Äthiopier ihre Pflanzen gut vermarkten<br />
könnten. „Zwar darf man aus dem<br />
Kerngebiet eines Biosphärenreservats keine<br />
Pflanzen entnehmen, aus den Randzonen<br />
aber schon“, erklärt die Studentin der Universität<br />
Greifswald.<br />
Im Herbst 2011 schickte Michael Succow,<br />
Träger des alternativen Nobelpreises, seine<br />
engagierte Studentin erneut in das ostafrikanische<br />
Land; diesmal an den nordäthiopischen<br />
Lake Tana, wo ein weiteres Biosphärenreservat<br />
eingerichtet werden soll. Für Fanny Mundt<br />
war das ein großer Glücksfall: Die Diplomandin<br />
hat sich so in die Herzlichkeit der Menschen<br />
verliebt, dass sie nach ihrem Abschluss<br />
in Äthiopien leben und forschen möchte.<br />
Julia Walter<br />
Bauingenieurwesen<br />
Mut zum Brückenbauen<br />
Gustavo Cosenza ist fasziniert von Brücken:<br />
„Ich fand es schon als Kind beeindruckend,<br />
dass Menschen so große Bauwerke erschaffen,<br />
und ich wollte dasselbe tun“, sagt er. Deshalb<br />
arbeitete er bereits während des Bauingenieur-Studiums<br />
an der Universität Rafael Landívar<br />
in Guatemala als Bauleiter. Praktische<br />
Erfahrungen sammelte er reichlich, aber der<br />
spannendste Bereich blieb ihm verschlossen:<br />
die Konzeption und der Entwurf.<br />
„Diese Firmengeheimnisse wollte<br />
damals niemand mit mir teilen“, erinnert<br />
sich Gustavo Cosenza.<br />
An der Bauhaus-Universität Weimar<br />
fand er der 30-Jährige genau<br />
das, was ihn interessierte. Er beschäftigt<br />
sich mit Einflüssen von<br />
Naturgewalten auf Bauwerke. Dabei<br />
kann der angehende Bauingenieur<br />
seine Leidenschaft für Brücken ausleben:<br />
Gustavo Cosenza untersucht<br />
in seiner Masterarbeit, wie bestehende<br />
Spannbetonbrücken für höhere<br />
Belastungen ausgebaut werden können.<br />
Dazu wird ein steifer Rahmen<br />
um die Brücke errichtet und über<br />
Spannglieder mit ihr verbunden.<br />
© Fanny Mundt<br />
„Die Verstärkung wird dadurch sehr<br />
effektiv, und die Brücke hält auch<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
größere Belastungen aus.“ In einer Simulation<br />
am Computer ließ Gustavo Cosenza virtuellen<br />
Verkehr über die Brücke fahren. „Die<br />
Belastung ändert sich im fließenden Verkehr<br />
ständig“, sagt Cosenza, „das ist die besondere<br />
Herausforderung.“ Die Modellrechnung zeigte:<br />
Mit der Verstärkung hielt die Brücke in der<br />
Simulation viel größeren Lasten stand.<br />
Gustavo Cosenza ging noch einen Schritt weiter.<br />
Er verwendete den Eurocode, den neuen<br />
EU-Normenkatalog für die Konstruktion von<br />
Gebäuden, um die Belastbarkeit seiner Brücke<br />
einzuschätzen. Diese neuen Vorschriften sind<br />
für Guatemala sehr interessant. „Durch die<br />
schweren Tropenstürme stürzen viele Brücken<br />
regelmäßig ein“, sagt der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat. In<br />
seiner Heimat werden amerikanische Normen<br />
zugrundegelegt, die für die Wetter- und Umweltbedingungen<br />
seiner Meinung nach nicht<br />
sehr geeignet sind. Andererseits kostet die<br />
<strong>Neue</strong>ntwicklung zu viel Zeit und Geld. Der Eurocode<br />
erscheint ihm ideal für seine Heimat:<br />
Der Normenkatalog enthält für jedes Land einen<br />
individuellen Anhang und kann relativ<br />
leicht an andere geografische Gegebenheiten<br />
angepasst werden. Gustavo Cosenza möchte<br />
daher eine Zusammenarbeit zwischen Guatemala<br />
und der Europäischen Union anregen.<br />
Neurowissenschaften<br />
Das Gehirn verstehen<br />
„Eine Wissenschaftskultur entwickelt sich<br />
hier erst“, sagt Malte Rasch über China, wo<br />
der Neurowissenschaftler als Postdoc arbeitet.<br />
Durch das Programm „Sprache und Praxis in<br />
der VR China“ des <strong>DAAD</strong> lernte er die fremde<br />
Kultur vor Ort kennen. „In diesem Programm<br />
habe ich so gut Chinesisch gelernt, dass ich<br />
mich inzwischen recht gut verständigen<br />
kann“, sagt der 34-Jährige. Er erforscht an<br />
der Bejing Normal University, wie die Gehirne<br />
von Makaken funktionieren. Den <strong>DAAD</strong>-<br />
Stipendiaten und seine chinesischen Kollegen<br />
interessiert die Frage, wie diese Affen optische<br />
Reize aufnehmen und verarbeiten. So wollen<br />
sie herausfinden, wie das visuelle System des<br />
Menschen arbeitet. „Wir vermuten, dass bei<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© photocase<br />
Makake und Mensch ganz ähnliche Prozesse<br />
ablaufen“, erklärt Malte Rasch. Im Experiment<br />
sammeln die Chinesen dazu Daten: Sie zeigen<br />
den Tieren einfache Bilder und messen die<br />
Aktivität in den verschiedenen Bereichen des<br />
Gehirns.<br />
Malte Rasch hat mathematische Modelle<br />
entwickelt, die diese Aktivität prognostizieren.<br />
„Die Abläufe, die wir mit dem Modell errechnet<br />
haben, konnten wir genau so bei den<br />
Affen messen“, stellt der Neurowissenschaftler<br />
fest. Dieses Resultat war für die Forscher<br />
überraschend: „Wir hatten vermutet, dass<br />
noch weitere Hirnareale an der Verarbeitung<br />
der Information beteiligt sind.“ Mit den Ergebnissen<br />
aus dem Experiment will Malte Rasch<br />
Makake und Mensch: Beide verarbeiten<br />
optische Reize auf ähnliche Weise<br />
Belastungsprobe: Wie können bestehende<br />
Brücken verstärkt werden?<br />
<strong>DAAD</strong><br />
sein Modell weiter verfeinern. Die Daten der<br />
Forscher ermöglichen bisher zwar nur einen<br />
groben Einblick, für die Grundlagenforschung<br />
ist das aber bereits ein großer Gewinn. „Wenn<br />
wir die Reaktion des Gehirns mathematisch<br />
vorhersagen können, heißt das zwar noch<br />
nicht unbedingt, dass wir sie verstanden haben.<br />
Aber wir können die Phänomene genau<br />
beschreiben“, sagt Malte Rasch.<br />
An eine direkte medizinische Anwendung<br />
denkt der Neurowissenschaftler bisher nicht.<br />
„Das ist nicht das Ziel unserer Forschung“,<br />
stellt er klar. Aber die mathematischen Modelle,<br />
die Rasch entwickelt hat, helfen vielleicht<br />
bald dabei, Krankheiten zu diagnostizieren<br />
und zu behandeln. Maximilian Moll<br />
© André Ueberbach/Wikipedia<br />
35
36<br />
<strong>DAAD</strong><br />
In Verbindung bleiben<br />
<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max G. Huber geht in den Ruhestand<br />
ber ein Leben ohne den<br />
<strong>DAAD</strong> habe ich noch gar<br />
nicht nachgedacht. Dafür war<br />
bisher keine Zeit“, sagt Professor<br />
Max G. Huber. Seit 16 Jahren ist<br />
der gebürtige Freiburger <strong>DAAD</strong>-<br />
Vizepräsident. Zum 1. Januar<br />
2012 geht er in den Ruhestand.<br />
Max G. Huber in seinem Bonner <strong>DAAD</strong>-Büro<br />
© <strong>DAAD</strong>/Eric Lichtenscheidt Ü<br />
Bundespräsident Christian Wulff (vorne rechts) und <strong>DAAD</strong>-<br />
Vizepräsident Max G. Huber (links) eröffnen das große <strong>DAAD</strong>-<br />
Alumnitreffen in Costa Rica im Mai 2011<br />
Der Hochschullandschaft bleibt<br />
der 74-Jährige weiterhin treu:<br />
Gerade erst wurde Max G. Huber<br />
für weitere zwei Jahre zum Vorsitzenden<br />
des Bonner Universitätsclubs<br />
gewählt. „Und die<br />
Arbeit des <strong>DAAD</strong> werde ich auch<br />
künftig mit großem Interesse<br />
verfolgen, allerdings mit einer<br />
gewissen Portion Gelassenheit“,<br />
so der Professor für Theoretische<br />
Physik, der seit dem Rücktritt von<br />
Sabine Kunst, die im Februar 2011<br />
zur brandenburgischen Wissenschaftsministerin<br />
berufen wurde,<br />
die Amtsgeschäfte des <strong>DAAD</strong> führt.<br />
Auslandsbeziehungen<br />
systematisch gepflegt<br />
„Die Hochschullandschaft und damit<br />
auch die Arbeit des <strong>DAAD</strong> haben<br />
sich in den 16 Jahren meiner<br />
Amtszeit dramatisch verändert“,<br />
resümiert Huber. Die Internationalisierung<br />
gehöre für ihn zu den<br />
Meilensteinen der Veränderung.<br />
Der <strong>DAAD</strong> habe damals die Zeichen<br />
der Zeit erkannt und die Auslandsbeziehungen<br />
systematisch<br />
erweitert: Dazu zählen Formate<br />
wie Forschungs- und Bildungsmessen<br />
oder Seminare im Ausland<br />
und die enge Zusammenarbeit mit<br />
der Wirtschaft und Wissenschaft.<br />
„Der <strong>DAAD</strong> hat eine einmalige<br />
Infrastruktur im Ausland geschaffen.<br />
Wir haben die Außenstellen<br />
ausgebaut und die Informationszentren<br />
gegründet, um in über<br />
50 Ländern weltweit die Präsenz<br />
der deutschen Hochschulen zu<br />
verstärken und nachhaltig zu<br />
fördern“, betont Huber. Entscheidend<br />
dazu beigetragen habe die<br />
Entwicklung einer Marketingstrategie<br />
des <strong>DAAD</strong> für die Hochschulen<br />
– für den <strong>DAAD</strong>-Vizepräsidenten<br />
ein weiterer Meilenstein: „Das<br />
fing damals mit einem Konzept<br />
an und ist heute Routine“, erklärt<br />
er. Die Niederlassung deutscher<br />
Universitäten im Ausland habe<br />
schließlich dazu beigetragen, die<br />
Exzellenz deutscher Wissenschaft<br />
sichtbarer zu machen.<br />
Der Wettbewerb um kluge Köpfe<br />
wird sich weiter verstärken, da ist<br />
sich Huber sicher. Der Fachkräftemangel<br />
in Deutschland beschäftigt<br />
den <strong>DAAD</strong> bereits und wird<br />
ihn in den kommenden Jahren vor<br />
neue Aufgaben stellen: „Gefragt<br />
sind überzeugende Strategien, um<br />
gut ausgebildete Fachkräfte nach<br />
Deutschland zu holen.“ Gleichzeitig<br />
müsse aber alles dafür getan<br />
werden, um eigene exzellente<br />
Wissenschaftler in Deutschland<br />
zu halten: „Wir müssen also im<br />
globalen Wettbewerb um kluge<br />
Köpfe so attraktiv wie möglich<br />
bleiben“, sagt Huber.<br />
Wertvolle Alumni-Familie<br />
Besonders am Herzen liegt dem<br />
Vizepräsidenten die Intensivierung<br />
der Kontaktpflege zu den<br />
rund zwei Millionen ausländischen<br />
Deutschland-Alumni. „Das<br />
sind Menschen zwischen 25 und<br />
70, die in Deutschland studiert<br />
oder wissenschaftlich gearbeitet<br />
haben und in der Regel gute Erinnerungen<br />
an diese Zeit haben“,<br />
sagt Huber. Das sei ein riesiges<br />
Potenzial, das gestärkt werden<br />
könne. Der Ausbau dieser Verbindungen<br />
bringe die Grundhaltung<br />
der Bundesrepublik zum Ausdruck,<br />
wie wichtig gute Beziehungen<br />
zu den Nachbarn im „globalen<br />
Dorf“ seien. Katja Lüers<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© <strong>DAAD</strong>
Nachrichten<br />
Wissenschaft und Sprache<br />
Deutsch schafft Wissen<br />
Immer weniger wissenschaftliche<br />
Texte erscheinen auf Deutsch. In<br />
den Naturwissenschaften ist es<br />
nur noch ein Prozent. Um diese<br />
Entwicklung ins Bewusstsein zu<br />
rufen, hatte der <strong>DAAD</strong> gemeinsam<br />
mit dem Institut für Deutsche<br />
Sprache und dem Goethe-Institut<br />
zur Konferenz „Deutsch in den<br />
Wissenschaften“ nach Essen<br />
eingeladen.<br />
Zwei Fragen bewegten die etwa<br />
200 Konferenzteilnehmer: Welche<br />
Bedeutung hat Sprache in der Wissenschaft?<br />
Welche Rolle spielt die<br />
deutsche Sprache in der internationalen<br />
Forschung? Das Resultat der<br />
Tagung: Nicht nur die deutschsprachigen<br />
Länder leiden unter dem<br />
Bedeutungsverlust ihrer Sprache<br />
in der Wissenschaft. Ähnliche<br />
Entwicklungen lassen sich zum<br />
Beispiel auch in Polen beobachten.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
In Essen plädierte die Mehrheit<br />
für eine Mehrsprachigkeit in<br />
der Wissenschaft. „Damit wird<br />
höchste sprachliche Genauigkeit<br />
erreicht“, sagte Professor Ludwig<br />
M. Eichinger, Direktor des<br />
Instituts für Deutsche Sprache in<br />
Mannheim.<br />
Während der Konferenz wurden<br />
auch die Sieger des Kreativ-Wettbewerbs<br />
„Deutsch schafft Wissen“<br />
ausgezeichnet. Gewonnen haben<br />
Jennifer Bohn und Johannes Hein,<br />
beide Absolventen der Bauhaus-<br />
Universität Weimar. Ihre Plakatserie<br />
arbeitet mit den vermeintlichen<br />
Babyfotos großer deutscher<br />
Erfinder Erfinder und legt ihnen<br />
erste Worte in den Mund. So könnte<br />
der Entdecker der Röntgenstrahlen,<br />
der Physiker Wilhelm<br />
Conrad Röntgen, als erstes Wort<br />
„Guck!“ gesagt haben. FC<br />
Siegerplakat im Wettbewerb „Deutsch schafft Wissen“: Die<br />
Jury erhielt fast 2 000 Einsendungen aus über 50 Ländern.<br />
© Hamish John Appleby<br />
Kleine Universität ganz groß: Bauhaus-Universität Weimar ist<br />
„Internationale Hochschule 2011“<br />
Internationale Hochschule<br />
Die Welt in Weimar<br />
„Internationalität ist in Weimar<br />
eine Herzensangelegenheit“, begründete<br />
<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident<br />
Max G. Huber die Entscheidung<br />
der Jury. Die Bauhaus-Universität<br />
Weimar darf sich seit November<br />
mit dem Titel „Internationale<br />
Hochschule 2011“ schmücken.<br />
Der Stifterverband für die deutsche<br />
Wissenschaft und der <strong>DAAD</strong><br />
haben die Hochschule für vorbildliche<br />
Lehre mit internationalem<br />
Bezug ausgezeichnet. Etwa 15 Prozent<br />
der rund 4 000 Studierenden<br />
und fast jeder zehnte Dozent an<br />
der Bauhaus-Universität kommen<br />
aus der ganzen Welt. Ebenfalls ein<br />
Plus: Mehr als die Hälfte der Studierenden<br />
verbringt einen Teil des<br />
Studiums im Ausland.<br />
Die auf Architektur, Gestaltung,<br />
Medien und Bauingenieurwesen<br />
konzentrierte Hochschule<br />
richtet bereits jeden zweiten<br />
Studiengang international aus.<br />
„Das Ziel sind 100 Prozent. Wer<br />
in Weimar studiert, ist international“,<br />
erklärt Muriel Helbig,<br />
Dezernentin für Internationale<br />
Beziehungen an der Bauhaus-<br />
Universität. Der mit 50 000 Euro<br />
dotierte Preis für die beste internationale<br />
Hochschule wurde<br />
zum zweiten Mal vergeben. bcm<br />
<strong>DAAD</strong> 37<br />
Deutsche Auslandsschulen<br />
Die Besten nach Deutschland<br />
Seit zehn Jahren fördert der <strong>DAAD</strong><br />
die besten Absolventen von Deutschen<br />
Auslands- und Sprachdiplomschulen.<br />
Sie erhalten ein<br />
Stipendium für ein gesamtes Studium<br />
in Deutschland. „In Deutschland<br />
lernt man kreativ und selbstständig“,<br />
erklärt Yin Shen. Die<br />
Chinesin ist <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin in<br />
München. Die gute Lehre war für<br />
sie Motivation, an der staatlichen<br />
Sprachdiplomschule Shanghai<br />
drei Jahre lang Deutsch zu lernen<br />
und ein deutsches Sprachdiplom<br />
zu erwerben. Die Chinesin macht<br />
gerade ihren Master in Volkswirtschaft,<br />
ihr Bachelorstudium hat<br />
sie in Heidelberg abgeschlossen.<br />
Sie war Gast beim Jubiläumstreffen<br />
der Stipendiaten und Alumni<br />
in Berlin. Dort wurde deutlich,<br />
welch große Bedeutung das Studium<br />
in Deutschland hat: „Die<br />
Absolventen bringen fachliches<br />
wie interkulturelles Know-how<br />
mit nach Hause, sie fungieren oft<br />
als die ersten Ansprechpartner,<br />
wenn es um Kooperationen geht,<br />
und sind gerade in angespannten<br />
Zeiten Brückenbauer und<br />
Fürsprecher für unser Land“, so<br />
Gisela Schneider vom <strong>DAAD</strong>. Zur<br />
Zeit fördert der <strong>DAAD</strong> 535 Absolventen<br />
Deutscher Auslands- und<br />
Sprachdiplomschulen. MM
38<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Regenbogen am Horizont: Ein Symbol der Hoffnung auf dem Alumni-Treffen in Ramallah<br />
Alumnitreffen in Ramallah<br />
Einen Anfang machen<br />
„Es muss etwas passieren. Man<br />
kann nicht nur auf bessere Zeiten<br />
warten.“ So umschreibt <strong>DAAD</strong>-<br />
Referatsleiterin Renate Dieterich<br />
die Aufbruchstimmung auf dem<br />
ersten großen Alumni-Treffen<br />
in Ramallah. 150 Ehemalige diskutierten<br />
das Thema „Nachhaltige<br />
Entwicklung“. Im Blick: Der<br />
langfristige Erhalt von alter Bausubstanz,<br />
der Umgang mit der<br />
Umwelt oder das Ressourcenmanagement.<br />
Auch wenn in den palästinensischenAutonomiegebieten<br />
politische Hürden, etwa im Bereich<br />
nachhaltiger Landwirtschaft<br />
oder Wassermanagement, hoch<br />
sind, der erste Schritt ist immer,<br />
gemeinsam umzudenken.<br />
Vor allem die jüngeren Alumni<br />
sind voller Tatendrang. Ein praktischer<br />
Anfang könnte mit der<br />
Erziehung der Kinder gemacht<br />
werden. Gemeinsamkeit über Probleme<br />
hinweg demonstrierte auch<br />
der Eröffnungsabend: Eine Videoschaltung<br />
verband die Alumni-<br />
Gruppe im Gazastreifen mit der<br />
Veranstaltung in Ramallah. bcm<br />
<strong>Neue</strong> Stipendiaten<br />
Willkommen<br />
904 Stipendiaten aus 104 Ländern<br />
begrüßte der <strong>DAAD</strong> feierlich<br />
in der Hauptstadt. Sie alle werden<br />
künftig an Universitäten und<br />
Hochschulen in Berlin und Umgebung<br />
studieren. Das große Treffen<br />
an der Freien Universität Berlin<br />
ermöglichte ihnen einen ersten<br />
gemeinsamen Austausch. Freudige<br />
Erwartungen und große Pläne<br />
kennzeichneten die Gespräche.<br />
Die 22-jährige Maya Shenfeld aus<br />
Jerusalem etwa zeigte sich von ihrer<br />
neuen Heimat auf Zeit begeistert.<br />
Sie studiert Konzertgitarre an<br />
der Universität der Künste: „Berlin<br />
ist ein Traum für eine Musikerin.“<br />
Ihre persönlichen Ziele sind nicht<br />
nur auf Karriere getrimmt. „Ich<br />
möchte, dass meine Musik einmal<br />
Menschen verbindet.“ Ihr Vorbild:<br />
Die Arbeit des West-Eastern<br />
Divan Orchestra unter der Leitung<br />
Begeistert von der neuen Heimat auf Zeit:<br />
<strong>DAAD</strong> begrüßt Stipendiaten in Berlin<br />
von Dirigent Daniel Barenboim,<br />
den sie nun auch an der Berliner<br />
Staatsoper erleben kann.<br />
In diesem Sinne begrüßte auch<br />
Gesine Schwan, Präsidentin der<br />
Humboldt-Viadrina School of<br />
Governance in Berlin, die neuen<br />
Stipendiaten. Sie appellierte in ihrer<br />
Festrede an Gemeinschaftssinn<br />
und Verantwortung und legte den<br />
jungen Menschen aus aller Welt<br />
ans Herz, im Studium nicht immer<br />
nur an Wettbewerb und Konkurrenz<br />
zu denken. „Es kommt darauf<br />
an, neugierig zu sein und andere<br />
als Partner zu betrachten. Partnerschaft<br />
ist das entscheidende Strukturprinzip,<br />
das unserer heutigen<br />
Welt gerecht wird.“ bcm<br />
© <strong>DAAD</strong>/Sebastian Schobbert<br />
© <strong>DAAD</strong><br />
Deutschland/Ägypten<br />
Hochschule mitgestalten<br />
Wie können Studierende ihre<br />
Hochschule selbst mitgestalten?<br />
Diese Frage stand im Mittelpunkt<br />
der vom <strong>DAAD</strong> geförderten<br />
Sommerschule „Studentische<br />
Mitwirkung an Hochschulen“.<br />
Das Projekt führte Studierende<br />
aus Deutschland und Ägypten<br />
zusammen. Dabei lernten die<br />
ägyptischen Teilnehmer die Arbeit<br />
des Allgemeinen Studierendenausschusses<br />
(AStA) an der<br />
Pädagogischen Hochschule (PH)<br />
Ludwigsburg kennen. Begeistert<br />
nahmen die Ägypter die Anregungen<br />
auf. Gleichzeitig appellierten<br />
sie an ihre deutschen Kommilitonen,<br />
sich nicht mit dem Erreichten<br />
zufriedenzugeben.<br />
Neben der Sommerschule fördert<br />
der <strong>DAAD</strong> den deutsch-arabischen<br />
Masterstudiengang „International<br />
Education Management“.<br />
Dieses Studium ist ein Kooperationsprojekt<br />
der PH Ludwigsburg<br />
und der Helwan-Universität Kairo.<br />
„Unser Ziel ist es, deutsche und<br />
arabische Reformmanager im Bildungsbereich<br />
auszubilden, die in<br />
der Entwicklungszusammenarbeit<br />
ihre Zukunft sehen“, erläutert<br />
Koordinator Robert Schrembs von<br />
der PH Ludwigsburg. FC<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Frida-Kahlo-Stipendiatin Corinna von der Groeben verbringt<br />
2012 ein halbes Jahr in Mexiko: Die Fotografin plant eine Fotoserie<br />
über das Alltagsleben in den Vorstädten der Hauptstadt<br />
Künstlerinnen<br />
Deutsch-mexikanischer<br />
Austausch<br />
„Mexikanische Vögel“ heißt das<br />
Theaterstück von Stephanie Hecht.<br />
Darin geht es um die Konfrontation<br />
der Maya mit den spanischen<br />
Eroberern im 15. Jahrhundert.<br />
Die Autorin gehört zu den ersten<br />
Künstlerinnen des deutsch-mexikanischen<br />
Stipendienprogramms<br />
„Frida Kahlo“, die ihre Arbeit in<br />
Mexiko und Deutschland aufgenommen<br />
haben.<br />
Mit dem Frida-Kahlo-Programm<br />
fördern der <strong>DAAD</strong> und das mexikanische<br />
Außenministerium<br />
in den kommenden Jahren fünf<br />
deutsche und fünf mexikanische<br />
Nachwuchskünstlerinnen aus<br />
den Sparten Bildende Kunst und<br />
Film. Sie können in Deutschland<br />
beziehungsweise in Mexiko ein<br />
künstlerisches Vorhaben realisieren<br />
oder sich fortbilden. Benannt<br />
ist das Stipendium nach der mexikanischen<br />
Künstlerin Frida Kahlo<br />
(1907–1954), Tochter einer Mexikanerin<br />
und eines deutschen Emigranten.<br />
kv<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© <strong>DAAD</strong><br />
Brasilien<br />
In Deutschland studieren<br />
und forschen<br />
Die Zahl ist beachtlich: 10 000 Stipendien<br />
stellt die brasilianische<br />
Regierung Studierenden, Doktoranden<br />
und Wissenschaftlern für<br />
einen Studien- oder Forschungsaufenthalt<br />
in Deutschland bereit.<br />
„Dieses Angebot ist Teil eines Pakets,<br />
mit dem sich Brasilien stärker<br />
in den internationalen Wissenschaftsaustausch<br />
einbringen<br />
will“, erklärt Michael Eschweiler,<br />
der im <strong>DAAD</strong> das Referat Brasilien,<br />
Chile, Paraguay, Uruguay<br />
leitet. Daher investiert die Regierung<br />
in den wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs und verfünffacht das<br />
gesamte Angebot bis 2014 auf insgesamt<br />
75 000 Stipendien. Private<br />
Unternehmen sollen zusätzlich<br />
25 000 Stipendien vergeben.<br />
Der <strong>DAAD</strong> unterstützt seine<br />
brasilianische Partneragentur<br />
CAPES, sowie den nationalen Forschungsrat<br />
CNPq bei der Vergabe<br />
der Stipendien. Dazu entsteht ein<br />
Internetportal, in dem brasilianische<br />
und deutsche Hochschulen<br />
ihre Studien- und Forschungsangebote<br />
veröffentlichen. Der <strong>DAAD</strong><br />
ist außerdem an der Auswahl der<br />
Stipendiaten beteiligt. FC<br />
10 Jahre DIES<br />
Training für<br />
Hochschulmanager<br />
DIES steht für Dialogue on Innovative<br />
Higher Education Strategies.<br />
Das Programm – gemeinsam vom<br />
<strong>DAAD</strong> und der Hochschulrektorenkonferenz<br />
(HRK) entwickelt<br />
und verantwortet – bildet seit<br />
zehn Jahren Hochschulmanager<br />
aus Entwicklungsländern fort. Neben<br />
Programmen für Dekane und<br />
Führungskräfte in der Verwaltung<br />
gibt es Trainings für Nachwuchswissenschaftler,<br />
die ihre Forschungsanträge<br />
optimieren wollen.<br />
Dazu kommen DIES-Projekte<br />
zur Qualitätssicherung von Studienangeboten,<br />
denn verlässliche,<br />
regional abgestimmte Standards<br />
erleichtern den Studierendenaustausch<br />
und erhöhen die internationale<br />
Wettbewerbsfähigkeit.<br />
© <strong>DAAD</strong><br />
<strong>DAAD</strong> 39<br />
Seit mehreren Jahren haben<br />
sich DIES-Alumni in Lateinamerika,<br />
Ostafrika und Indonesien zu<br />
Netzwerken zusammengeschlossen.<br />
Viele engagieren sich nach<br />
ihrer Ausbildung selbst aktiv als<br />
Trainer für Hochschulmanagement,<br />
wie Dr. Abraham Simatupang<br />
aus Indonesien. Gemeinsam<br />
mit Alumni-Kollegen initiierte er<br />
unter anderem einen Masterstudiengang<br />
zum Hochschulmanagement,<br />
der künftig an vier Universitäten<br />
angeboten wird.<br />
Auf der DIES-Jubiläumskonferenz<br />
mit rund 150 Teilnehmern<br />
in Bonn betonte <strong>DAAD</strong>-Generalsekretärin<br />
Dorothea Rüland:<br />
„Hochschulen stehen weltweit vor<br />
großen Aufgaben: Sie müssen den<br />
Ansturm von Studierenden bewältigen,<br />
ihrer stärkeren Autonomie<br />
gerecht werden und sich im Wettbewerb<br />
behaupten. Dafür werden<br />
viele gute Hochschulmanager<br />
benötigt. Ihnen bietet DIES eine<br />
hervorragende Qualifikation.“ KS<br />
Architekten moderner Hochschulstrukturen in Entwicklungsländern:<br />
Teilnehmer von DIES
40 <strong>DAAD</strong><br />
Tanz. Bewegung. Musik. Dieser Dreiklang<br />
begleitet Iveta Apkalna seit ihrer Kindheit.<br />
Tänzerin will sie werden. Oder Pianistin. „Als<br />
Tänzerin würde ich nur wenige Jahre auf der<br />
Bühne stehen können, als Pianistin hätte ich<br />
jedoch – mit etwas Glück – die Möglichkeit,<br />
noch mit 80 Jahren Konzerte zu geben“, erzählt<br />
Apkalna. Mal abgesehen davon, dass<br />
es in Re – zekne, der Kleinstadt, in der Apkalna<br />
1976 geboren wurde und aufwuchs, keine<br />
Ballettschule gab. Dafür aber Musikschulen.<br />
Erst als Teenagerin kam sie mit der Orgel<br />
in Berührung: Zu Sowjetzeiten war Kirchenmusik<br />
in Lettland verboten. „Als ich mit 14,<br />
15 Jahren mein erstes Orgelkonzert hörte“,<br />
erinnert sich Apkalna lächelnd, „war das ein<br />
Glücksmoment.“ Wenig später bekam die Musikschule<br />
in Rézekne eine Orgel. „Ich war die<br />
Erste, die dort dieses Instrument studierte.“ Im<br />
Vergleich zu anderen Stars der Klassik-Szene<br />
Gestern Stipendiatin – und heute...<br />
Iveta Apkalna<br />
Lettische Organistin<br />
© Jens Schuenemann<br />
ist das ungewöhnlich spät. Und ebenfalls<br />
ungewöhnlich ist es, heute als Organistin berühmt<br />
zu werden.<br />
Es lag vermutlich auch am Cover: Sitzend,<br />
barfüßig, mit seitlich geneigtem Kopf voll<br />
blonder Locken, gekleidet in ein schimmerndes<br />
weißes Kleid mit Spaghetti-Trägern statt in<br />
das obligatorische Schwarz der Kirchenmusiker,<br />
so präsentierte sich Apkalna 2004 auf ihrer<br />
dritten CD „Himmel und Hölle“. Das Cover<br />
brachte ihr Aufmerksamkeit jenseits der Orgel-Szene<br />
und Einladungen in deutsche Talk-<br />
Shows. Einige Puristen sahen das kritisch: zu<br />
viel Glamour. Die Deutsche Phono-Akademie<br />
jedoch verlieh Apkalna 2005 für diese CD als<br />
erster Organistin überhaupt den Echo Klassik<br />
in der Rubrik „Instrumentalist des Jahres“.<br />
Sowohl ihr Klavier- als auch ihr Orgelexamen<br />
schloss Apkalna an der Musikakademie Riga<br />
mit Auszeichnung ab. Die endgültige Hinwendung<br />
zur Orgel war „eine Entscheidung des<br />
Herzens“, erklärt die Musikerin. „Die Orgel<br />
spricht Seele und Körper an. Am Klavier vermisste<br />
ich schnell die Fußarbeit und die ganze<br />
Körperbewegung. Wenn ich Orgel spiele, fühle<br />
ich mich wie ein Fisch im Wasser.“<br />
Zum Erfolg trugen auch ihre Lehrer bei, darunter<br />
Professor Ludger Lohmann. In seiner<br />
Solistenklasse an der Staatlichen Hochschule<br />
für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart<br />
studierte Apkalna als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin von<br />
2000 bis 2003. Danach fühlte sie sich bestärkt,<br />
als freischaffende Künstlerin zu arbeiten.<br />
Heute wohnt Apkalna in Berlin und Riga.<br />
2011 ist ihre sechste CD „L‘Amour et La Mort“<br />
erschienen. Sie gibt Orgelkonzerte in Kirchen<br />
und Konzertsälen auf der ganzen Welt. „Keine<br />
Orgel gleicht der anderen“, erklärt sie. „Jedes<br />
Instrument hat eine andere Disposition und<br />
verlangt eine andere Herangehensweise. Deshalb<br />
müssen wir Organisten auch immer mindestens<br />
einen Tag vor dem Konzert anreisen,<br />
weil wir uns mit dem Instrument vertraut machen<br />
müssen.“ Diese akribische Vorbereitung<br />
ist ihr wichtig.<br />
Zugleich steht sie wie alle berufstätigen Mütter<br />
vor der Herausforderung, Familie und Karriere<br />
zu vereinbaren und ihre Termine so zu<br />
legen, dass sie mit denen ihres Mannes, eines<br />
Tonmeisters, zusammenpassen. Im Idealfall<br />
verreist die ganze Familie. So wie im Herbst<br />
2011, als Apkalna beim Bonner Beethovenfest<br />
auftrat und ihr Mann zu Aufnahmen in die<br />
Kölner Philharmonie musste. „Das genießen<br />
wir sehr“, sagt Apkalna. Und solange die Kinder<br />
nicht in die Schule gingen, sei das problemlos<br />
möglich. Claudia Wallendorf<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11
Köpfe<br />
China übt auf Professor Bernd Wünnemann<br />
seit Jahrzehnten eine starke Faszination<br />
aus. Der <strong>DAAD</strong>-Dozent an der Universität<br />
Nanjing und Professor für Physische<br />
Geographie an der Freien Universität Berlin ist<br />
seit den 1990er Jahren immer wieder zu mehrwöchigen<br />
Forschungsexkursionen nach China<br />
aufgebrochen. Dort hat er sich insbesondere<br />
mit den Trockenräumen im Nordwesten des<br />
Landes beschäftigt. „Sehr rasch sind meine<br />
wissenschaftlichen Partner zu Freunden geworden.<br />
Diese Freundschaften und die positive<br />
Resonanz aller Forscherkollegen auf meine<br />
Arbeit haben mich gereizt, für längere Zeit in<br />
China zu bleiben. Ich wollte erfahren, wie die<br />
chinesischen Wissenschaftler leben, arbeiten,<br />
miteinander umgehen und welche geistigen<br />
und sozialen Bindungen sie unterhalten“, erklärt<br />
Bernd Wünnemann.<br />
Seit 2008 arbeitet der 60-Jährige als <strong>DAAD</strong>-<br />
Dozent und leitet das 2009 gegründete<br />
Deutsch-Chinesische Zentrum für Erdsystemforschung<br />
an der Universität Nanjing, das<br />
von der Freien Universität Berlin mitgetragen<br />
wird. Für seine herausragende Forschung<br />
zur Klima- und Umweltgeschichte Chinas,<br />
seine Leistungen in der akademischen Lehre<br />
und für die Förderung internationaler Netzwerkbildung<br />
zwischen deutschen und chinesischen<br />
Hochschulen, erhielt er kürzlich den<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
© privat<br />
Freundschaftspreis der Volksrepublik China.<br />
Der Preis ist die höchste Auszeichnung für<br />
Ausländer in China. „Ich fühle mich für die<br />
vielen Jahre aktiver Forschung und Lehre in<br />
China bestätigt. Natürlich wertet dieser ideelle<br />
Preis auch meine Präsenz in China auf – ein<br />
Vorteil für die vielen Aktivitäten, die ich noch<br />
mit den chinesischen Partnern vorhabe“, sagt<br />
Bernd Wünnemann. lü<br />
Mit dem Internationalen Jahr der Wälder<br />
2011 geht für Dr. Eduardo Rojas-Briales<br />
ein sehr arbeitsintensives Jahr zu Ende: „Wir<br />
haben viel erreicht“, resümiert der stellvertretende<br />
Generaldirektor und Leiter der<br />
Forstabteilung der UNO-Organisation für<br />
Landwirtschaft und Ernährung (FAO) in<br />
Rom. Die FAO habe die zwölf Monate intensiv<br />
genutzt, um den Menschen ein fundiertes<br />
Wissen über den Wald zu vermitteln, so der<br />
Spanier. „Bei unserer Arbeit geht es aber nicht<br />
nur darum, Wälder großflächig zu schützen“,<br />
erklärt Rojas-Briales, „sondern auch um deren<br />
weltweite Nutzung“. Ein Ansatz, der vor allem<br />
für die Entwicklungsländer entscheidend<br />
sei. Dort müsse die nachhaltige Waldnutzung<br />
dazu beitragen, dass sich der Lebensstandard<br />
der Bewohner verbessert. Nur dann kann die<br />
örtliche Bevölkerung den Sinn der Walderhaltung<br />
verstehen und mittragen.<br />
Bevor Rojas-Briales in 2010 seinen aktuellen<br />
Posten antrat, war er Vize-Dekan der Fakultät<br />
für Agrar- und Forstwissenschaften der Polytechnischen<br />
Universität Valencia. Zu Deutschland<br />
hat Rojas-Briales eine enge Beziehung –<br />
nicht nur wegen der Wälder: Insgesamt zehn<br />
Jahre hat er in der Bundesrepublik gelebt und<br />
<strong>DAAD</strong><br />
gearbeitet. Während seines Studiums der<br />
Forstwissenschaften an der Universität Freiburg<br />
war er von 1983 bis 1985 <strong>DAAD</strong>-Stipendiat.<br />
lü<br />
Ein Teil ihrer Familie kommt aus Polen<br />
und Deutschland, darum war der Italienerin<br />
Anna Aluffi Pentini die deutsche Sprache<br />
von Anfang an nicht fremd und sie blieb<br />
ihr treu. Im Oktober erhielt die Professorin<br />
für Erziehungswissenschaften den Ladislao<br />
Mittner-Preis für ihre besonderen Verdienste<br />
im Dialog zwischen Deutschland und Italien.<br />
Das Deutsch-Italienische Hochschulzentrum<br />
(DIH), dessen deutsche Geschäftsstelle im<br />
© <strong>DAAD</strong> Rom<br />
© FAO/Giulio Napolitano<br />
41
42<br />
<strong>DAAD</strong><br />
<strong>DAAD</strong> in Bonn ist, würdigt mit<br />
dem Preis italienische Wissenschaftler.<br />
Namensgeber ist der<br />
italienische Germanist Ladislao<br />
Mittner (1902–1975).<br />
Die Preisträgerin ist Professorin<br />
an der Universität Roma Tre. Nach<br />
Dolmetscherstudium für Deutsch<br />
und Französisch und Pädagogikstudium<br />
in Rom und Mainz promovierte<br />
sie 1995 zum Themengebiet<br />
interkulturelle Bildung.<br />
Einer ihrer Forschungsschwerpunkte<br />
ist interkulturelle Pädagogik,<br />
wobei ihr die Verschränkung<br />
von Theorie und Praxis am<br />
Herzen liegt. So widmet sich ein<br />
Forschungsprojekt einer Kinderkrippe<br />
für Familien mit Migrationshintergrund,<br />
ein anderes hilft<br />
alleinerziehenden Müttern aus<br />
Einwandererfamilien. Anna Aluffi<br />
Pentini sieht darin eine „befriedigende<br />
Arbeit und die Möglichkeit,<br />
die Praxis hinter der Theorie der<br />
interkulturellen Pädagogik kennenzulernen“.<br />
ors<br />
VIP-Galerie<br />
Alumni im Netz<br />
Was ist aus ehemaligen Stipendiaten<br />
geworden? Was verbindet<br />
sie viele Jahre nach ihrem Studium<br />
mit Deutschland? Wie hat der<br />
Studienaufenthalt in einem anderen<br />
Land ihren Lebenslauf beeinflusst?<br />
In kurzen Porträts geben<br />
viele <strong>DAAD</strong>-Alumni aus der ganzen<br />
Welt Antworten auf diese Fragen.<br />
Lesen Sie mehr in der <strong>DAAD</strong><br />
VIP-Galerie im Internet.<br />
www.daad.de/alumni/netzwerke/<br />
vip-galerie/index.de.html<br />
Unvergessliche<br />
Deutschstunden<br />
Der Bulgare Boshidar Boytschev erinnert sich<br />
Boshidar Boytschev (76),<br />
langjähriger Professor für Elektrotechnik<br />
an der Technischen<br />
Universität Sofia und <strong>DAAD</strong>-<br />
Alumnus, erzählt aus seinen<br />
Jahren als Deutschschüler 1948<br />
bis 1953<br />
Meine Deutschlehrerin Maria<br />
Iwanowa wurde von uns Schülern<br />
„die Deutsche” genannt.<br />
Sie war streng, aber ohne Vorurteile,<br />
und hatte eine Autorität,<br />
der unsere Schülergaunereien<br />
nichts anhaben konnten.<br />
Unvergesslich sind mir aus dem<br />
Unterricht deutsche Sprichwörter<br />
wie: „In der Kürze liegt die Würze“,<br />
„Eile mit Weile!“, „Der Mensch<br />
denkt, Gott lenkt“, „Geduld bringt<br />
Rosen“ oder „Der Gast ist wie ein<br />
Fisch, er bleibt nicht lange frisch“.<br />
Auf diese Weise lernten wir die<br />
Mentalität der Deutschen kennen:<br />
dass sie sehr zurückhaltend,<br />
pragmatisch, sparsam und sauber<br />
sind.<br />
In unserer Deutschklasse gab<br />
es viele fleißige und gute Schüler.<br />
Ich selbst war nicht sehr gehorsam,<br />
denn die ersten Lektionen<br />
fand ich langweilig. Schuld daran<br />
waren unsere Nachbarn in meiner<br />
Heimatstadt Sliven: Herr Stoyno<br />
und seine Ehefrau Ingrid, eine<br />
Österreicherin. Ihr Sohn Toscho<br />
(Theodor) wurde mein Lehrer in<br />
der deutschen Umgangssprache.<br />
Mein Wortschatz schwoll täglich<br />
an, auch mit weniger „feinen“<br />
Wörtern.<br />
Von unseren österreichischen<br />
Nachbarn wusste meine Deutschlehrerin<br />
natürlich nichts – doch<br />
sie bemerkte meine Langeweile.<br />
© privat<br />
Wie oft und streng sie mich auch<br />
prüfte, ich antwortete immer in<br />
fließendem Deutsch. Da machte<br />
sie mich zu ihrem „Mitarbeiter“:<br />
Sie überließ mir die Klassenaufgaben<br />
meiner Mitschüler zur<br />
Prüfung. Dabei war ich besonders<br />
findig: Ich verbesserte manche<br />
Fehler mit blauer statt mit roter<br />
Farbe. Auf diese Weise wollte ich<br />
die Deutschnote meiner Freunde<br />
heraufsetzen und ihnen Mut<br />
machen. Meine Deutschlehrerin<br />
bemerkte diese Frechheit natürlich<br />
sehr bald, und das war<br />
das Ende unserer „kulturellen<br />
Zusammenarbeit“.<br />
Damals lernte ich fast täglich<br />
zehn bis 15 neue deutsche Wörter.<br />
Um Diplomingenieur zu werden,<br />
waren die Fremdsprachen<br />
Deutsch, Englisch und Russisch<br />
später für mich unverzichtbar.<br />
Doch dank meiner Lehrerin, die<br />
von uns allen geliebt wurde, ist<br />
Deutsch bis heute oft auch die<br />
Sprache meiner Träume.<br />
Rätsel-Lösungen<br />
Die LÖSUNG des vorigen Letter-Rätsels lautet:<br />
UNSCHULDIG<br />
Die LÖSUNG ergibt sich aus folgenden Wörtern:<br />
Fundort, Anwalt, Schuss, Spurensicherung, Haftbefehl,<br />
Fingerabdruck, Alibi, Geständnis, Streit, Zeuge<br />
Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />
Petr Kamenik, Jihlava/Tschechische Republik; Ólafur<br />
Sigurðsson, Mosfellsbæ/Island; Pawel Bak, Pilzno/<br />
Polen; Ágústa Gunnarsdóttir-Massaro, Kópavogur/Island;<br />
Aksana Kaznacheyeva, Gomel/Weißrussland; Axel Vieregg,<br />
Palmerston North/Neuseeland; Martin Quinn, Mornington/<br />
Irland; João Tenorio da Rocha Neto, São Paulo, Brasilien;<br />
Irène Couzigou, Paris/Frankreich; Evgenia Tauber, Bad<br />
Pyrmont/Deutschland<br />
Einen Trostpreis erhalten:<br />
Hannu Lehtinen, Raisio/Finnland; Tefide Avci, Düsseldorf/<br />
Deutschland; Paulius Dailyda, Kassel/Deutschland;<br />
Renuka Ravindran, Bangalore/Indien; Majig Khatanbaatar,<br />
Ulaanbaatar/Mongolei<br />
Wer war’s?<br />
EMMY NOETHER<br />
Einen Preis erhalten:<br />
Firangis Paschajewa Shahmur, Baku/Aserbaidschan;<br />
Santiago Rivadeneira Andrade, Quito/Ecuador; Viktor<br />
Bykanov, Triaspol/Moldawien; Milica Bojovic, Novi Sad/<br />
Serbien; Karen Peiluck, Bobenheim-Roxheim/Deutschland<br />
<strong>DAAD</strong> Letter<br />
Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
Herausgeber:<br />
Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., Bonn<br />
Kennedyallee 50, 53175 Bonn, Germany<br />
Tel.: +49-228-882-0, Fax: +49-228-882-444<br />
E-Mail: postmaster@daad.de<br />
Redaktion: Katja Sproß (verantwortlich), Uschi Heidel,<br />
Dr. Isabell Lisberg-Haag, Bettina Mittelstraß<br />
Weitere Autoren: Franziska Collet (FC), Boris Hänßler<br />
(boh), Christine Hardt, Christian Hohlfeld (cho), Dr. Klaus<br />
Hübner (Michel), Christoph Kessler (CK), Dr. Leonie Loreck<br />
(Llo), Maximilian Moll (MM), Bernd Müller (BM), Dietrich von<br />
Richthofen (DvR), Horst Willi Schors (ors), Kristina Vaillant (kv),<br />
Claudia Wallendorf (CW), Julia Walter (JW),<br />
Übersetzungen Abstracts: Tony Crawford, Marta Schuman<br />
Koordination: Sabine Pauly<br />
Redaktionsbeirat: Dr. Klaus Birk, Benedikt Brisch,<br />
Claudius Habbich, Francis Hugenroth (Vorsitz), Pia Klein, Dr.<br />
Christian Hülshörster, Birgit Klüsener, Ruth Krahe,<br />
Alexandra Schäfer, Christiane Schmeken,<br />
Nina Scholtes, Friederike Schomaker, Julia Vitz<br />
Gestaltung/Titel: axeptDESIGN, Berlin<br />
Titelfotos: Fotolia Giuseppe R + Privilege<br />
Herstellung: Bonifatius GmbH Paderborn<br />
Redaktion Bonn:<br />
Trio Service GmbH – www.trio-medien.de<br />
Kaiserstr. 139-141<br />
53113 Bonn, Germany<br />
Tel.: +49-228-1801662, Fax: +49-228-1801663<br />
E-Mail: spross@trio-medien.de<br />
Redaktion Berlin:<br />
Chausseestr.103<br />
10115 Berlin, Germany<br />
Tel.: +49-30-48810129, Fax: +49-30-85075452<br />
E-Mail: mittelstrass@trio-medien.de<br />
Auch nicht ausgezeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall<br />
die Meinung des Herausgebers wieder.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter erscheint dreimal im Jahr.<br />
Einzelpreis 6,– Euro, Jahresabonnement 15,– Euro<br />
inklusive Porto und MwSt.<br />
Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />
Einem Teil dieser Ausgabe liegt ein Faltblatt des<br />
<strong>DAAD</strong>-Freundeskreises bei.
© picture alliance/Eventpress<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 3/11<br />
Deutsche Chronik<br />
Eine Auswahl von Ereignissen, die in der Bundesrepublik Schlagzeilen machten (1. August bis 30. November 2011)<br />
10. August<br />
Amtswechsel<br />
Der saarländische Landtag wählt<br />
die CDU-Politikerin Annegret<br />
Kramp-Karrenbauer zur neuen<br />
Ministerpräsidentin. Ihr Vorgänger<br />
und Parteikollege Peter Müller<br />
war nach zwölf Amtsjahren zurückgetreten.<br />
22. August<br />
Meister des Humors<br />
Der Humorist Vicco von Bülow<br />
alias Loriot stirbt im Alter von<br />
87 Jahren. Er gilt als einer der erfolgreichsten<br />
deutschen Unterhaltungskünstler<br />
nach 1945. Generationen<br />
amüsierten sich über seine<br />
TV-Sketche und Zeichnungen, die<br />
feinsinnig menschliche Schwächen<br />
aufdeckten.<br />
Meisterhaft: Loriot hielt den<br />
Deutschen den Spiegel vor<br />
2. September<br />
Wurfgewaltig<br />
Als erster Deutscher gewinnt<br />
David Storl bei den 13. Leichtathletik-Weltmeisterschaften<br />
in<br />
Südkorea den Titel im Kugelstoßen.<br />
Weitere Goldmedaillen holen<br />
Speerwerfer Matthias de Zordo<br />
und Diskuswerfer Robert Harting.<br />
Mit insgesamt sieben Medaillen<br />
belegt Deutschland Platz fünf im<br />
Medaillenspiegel.<br />
4. September<br />
Wahl in Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Bei den Landtagswahlen baut die<br />
SPD ihre Position als stärkste Partei<br />
aus. Gemeinsam mit der CDU<br />
bildet sie erneut eine große Koalition.<br />
Ministerpräsident bleibt<br />
Erwin Sellering (SPD). Neben der<br />
Linken und der rechtsradikalen<br />
NPD sind nun auch Bündnis 90/<br />
Die GRÜNEN im Landtag vertreten,<br />
während die FDP an der Fünf-<br />
Prozent-Hürde scheitert. Nur gut<br />
die Hälfte der Wahlberechtigten<br />
gibt ihre Stimme ab – Negativrekord<br />
für das Bundesland.<br />
100 Jahre Elbtunnel: zum Jubiläum mit der Kutsche durch<br />
das „Historische Wahrzeichen“<br />
7. September<br />
100 Jahre Elbtunnel<br />
Der alte Elbtunnel in Hamburg erhält<br />
anlässlich seines100-jährigen<br />
Jubiläums den Titel „Historisches<br />
Wahrzeichen der Ingenieurkunst“.<br />
Bei seiner Eröffnung 1911<br />
galt das Bauwerk als technische<br />
Sensation. Der Tunnel unter dem<br />
Fluss Elbe war lange Zeit die<br />
einzige Möglichkeit neben den<br />
Hafenfähren, um vom Stadtteil<br />
St. Pauli zu den großen Werften<br />
auf Steinwerder zu gelangen. Bis<br />
zu 20 Millionen Menschen pro<br />
Jahr nutzten ihn.<br />
14. September<br />
König der Wellen<br />
Der 17-jährige Philip Köster sichert<br />
sich bereits vor dem Finale<br />
auf Sylt den Weltmeistertitel im<br />
Windsurfen. Er ist damit der erste<br />
deutsche Titelträger in dieser<br />
Sportart.<br />
Windsurfen: der 17-jährige Philip<br />
Köster ist Weltmeister<br />
© picture alliance/Eibner-Presse<br />
18. September<br />
Piraten entern Berlin<br />
Die Koalition von SPD und Linke<br />
verliert bei den Wahlen zum<br />
Berliner Abgeordnetenhaus ihre<br />
Mehrheit. Die SPD unter dem Regierenden<br />
Bürgermeister Klaus<br />
Wowereit, weiterhin stärkste Partei,<br />
regiert künftig mit der CDU.<br />
Eigentlicher Wahlgewinner: die<br />
Piratenpartei, die mit unerwarteten<br />
8,9 Prozent erstmals den<br />
Einzug in ein Landesparlament<br />
schafft. (siehe Interview Seite xx).<br />
Auch Bündnis 90/Die GRÜNEN<br />
legen kräftig zu. Die FDP verpasst<br />
deutlich den Wiedereinzug ins<br />
Abgeordnetenhaus.<br />
9. Oktober<br />
Auf Rekordjagd<br />
Durch einen dritten Platz beim<br />
Grand Prix von Suzuka in Japan<br />
verteidigt Sebastian Vettel vorzeitig<br />
seinen Weltmeistertitel in der<br />
Formel 1. Damit ist der 24-Jährige<br />
der jüngste Doppel-Weltmeister in<br />
der Königsklasse des Motorsports.<br />
10. Oktober<br />
Deutscher Buchpreis an<br />
Eugen Ruge<br />
© picture alliance/dpa<br />
Der Börsenverein des deutschen<br />
Buchhandels zeichnet Eugen Ruge<br />
mit dem Deutschen Buchpreis aus.<br />
Der Schriftsteller aus Deutschland<br />
erhält die mit 25 000 Euro dotierte<br />
Auszeichnunge für seinen Roman<br />
„In Zeiten abnehmenden Lichts“,<br />
der die Geschichte einer Familie<br />
in der DDR erzählt.<br />
12. Oktober<br />
Rätsel um Pesterreger gelöst<br />
Wissenschaftler aus Tübingen<br />
und Kanada entschlüsseln das<br />
Erbgut des Pesterregers. Ein Bak-<br />
terium mit Namen Yersinia pestis<br />
steht nun zweifelsfrei als Erreger<br />
fest. Die Forscher hatten dazu Erbgutreste<br />
aus Knochen eines Londoner<br />
Pestfriedhofes aus dem 13.<br />
Jahrhundert analysiert.<br />
25. Oktober<br />
Grünes Kraftwerk<br />
In Prenzlau bei Berlin geht das<br />
erste Hybridkraftwerk Deutschlands<br />
in Betrieb. Es wandelt<br />
überschüssigen Strom aus einer<br />
Windkraftanlage in Wasserstoff<br />
um. Der Vorteil: Anders als Strom<br />
kann Wasserstoff gespeichert werden.<br />
Im Bedarfsfall wird der Wasserstoff<br />
mit Biogas verbrannt und<br />
neuer Strom erzeugt.<br />
Stimme der Versöhnung<br />
Der israelisch-argentinische Dirigent<br />
und Pianist Daniel Barenboim<br />
erhält in Berlin den erstmals<br />
vergebenen Internationalen Willy-<br />
Brandt-Preis. Mit der Auszeichnung<br />
werden seine Bemühungen<br />
um Versöhnung unter den Völkern<br />
und Religionen im Nahen<br />
Osten gewürdigt.<br />
8. November<br />
Gaspipeline durch Ostsee<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
und der russische Präsident<br />
Dmitri Medwedew eröffnen in<br />
Lubmin bei Greifswald die neue<br />
Ostseepipeline. Durch die Röhren<br />
am Meeresboden fließen ab 2012<br />
jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter<br />
Erdgas von Russland direkt<br />
nach Deutschland und Westeuropa.<br />
22. November<br />
Bundestag einig gegen<br />
Neonazis<br />
In einer gemeinsamen Erklärung<br />
verurteilen alle Parteien im<br />
Deutschen Bundestag die Mordserie<br />
einer Neonazi-Gruppe und<br />
trauern um die Opfer. Die Täter<br />
ermordeten zwischen den Jahren<br />
2000 und 2007 in verschiedenen<br />
Städten Deutschlands mindestens<br />
zehn Migranten und eine Polizistin.<br />
Den Zusammenhang und den<br />
rechtsextremistischen Hintergrund<br />
dieser Taten entdeckten Polizei<br />
und Ermittlungsbehörde erst,<br />
nachdem Anfang November zwei<br />
Mitglieder der rechten Terrorzelle<br />
tot in einem Wohnmobil in Eisenach<br />
gefunden wurden.<br />
43
DEUTSCH@<br />
GOETHE.DE<br />
Deutsch lernen mit innovativen Methoden,<br />
flexibel nach Ihren Wünschen, effektiv an Ihren<br />
persönlichen Zielen orientiert, an 13 attraktiven<br />
Standorten in Deutschland.<br />
Für Ihr Studium, Ihren beruflichen Alltag, Ihre Zukunft.<br />
Informationen und Beratung:<br />
deutsch@goethe.de<br />
www.goethe.de/de<br />
Sprache. Kultur. Deutschland.