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Neue Blickwinkel - DAAD-magazin

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34 <strong>DAAD</strong><br />

Stipendiaten forschen<br />

Literaturwissenschaft<br />

Flucht vor der Zensur<br />

„Der Nebel, der in der Morgenröte wegzieht<br />

und nichts als Tau auf den Feldern zurücklässt,<br />

wird emporsteigen und sich in einer Wolke<br />

sammeln und dann im Regen niederfallen.<br />

Und nicht viel anders als der Nebel bin ich<br />

gewesen.“ Mit Zeilen wie diesen schrieb der<br />

arabische Dichter Khalil Gibran (1883–1931)<br />

Literaturgeschichte. Sein Werk „Der Prophet“<br />

– im US-amerikanischen Exil verfasst – findet<br />

man bis heute weltweit in den Buchläden.<br />

Doch über die Lebensumstände der arabischen<br />

Schriftsteller, die wie Gibran zu Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts ihre Heimat verließen,<br />

wissen wir längst nicht alles.<br />

„Meine Forschung klärt einige Missverständnisse<br />

auf“, sagt die Germanistin Dr.<br />

Najat Issa Hasan, die im Sommer 2011 mit<br />

einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium an der Humboldt-<br />

Universität zu Berlin arbeitete. Dort suchte die<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität<br />

Bagdad nach den Motiven, die Gibrans Autorengeneration<br />

nach Nord- und Südamerika<br />

trieben. Bisher glaubte man, dass die schlechte<br />

wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat<br />

entscheidend war. Najat Hasan kam zu einem<br />

anderen Ergebnis. „Die Zensur während der<br />

osmanischen Besatzung im heutigen Libanon<br />

hat eine wichtige Rolle gespielt“, sagt die Irakerin.<br />

„In Berlin habe ich herausgefunden,<br />

dass deutsche Autoren wie Bertolt Brecht ihr<br />

Land aus ganz ähnlichen Gründen verließen.“<br />

Da sie sich zur Ausreise gezwungen fühlten,<br />

waren Dichter wie Micha’il Na’ima und Elia<br />

Abu Madi im Ausland unglücklich. Ihre Gedichte<br />

erzählen von der Sehnsucht nach ihrer<br />

Heimat und der Liebe zu ihrer Familie. Immer<br />

jedoch sind die Texte von der Hoffnung auf<br />

bessere Zeiten erfüllt – eine Hoffnung, an<br />

die sich auch viele Schriftsteller im Irak der<br />

Gegenwart klammern. Auf ihre schwierige<br />

Situation will Najat Issa Hasan mit ihrer Forschungsarbeit<br />

hinweisen.<br />

Ihre Bücher musste die 35-Jährige nach<br />

Deutschland mitbringen, da sie in den Berliner<br />

Bibliotheken nicht zu finden waren. „Viele<br />

Deutsche lesen moderne arabische Exilautoren<br />

wie Rafik Schami“, sagt Najat Issa Hasan.<br />

„Ich finde, sie sollten auch die Urväter der arabischen<br />

Exilliteratur kennen.“<br />

Landschaftsökologie<br />

Die Geheimnisse des Medizinmanns<br />

Wie gut zwei Äthiopier sich verstehen, merkt<br />

man beim Essen. Wenn sie sich vertrauen,<br />

teilen sie sich einen Teller und füttern sich<br />

gegenseitig mit den Händen. Die deutsche<br />

Studentin Fanny Mundt erinnert sich noch<br />

genau, wie gerührt sie war, als sie während<br />

ihres ersten Aufenthalts in Äthiopien von einem<br />

Einheimischen gefüttert wurde. Damals,<br />

im Frühjahr 2011, forschte die angehende<br />

Landschaftsökologin als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin<br />

im Südwesten des Landes – mitten im Urwald.<br />

Ein halbes Jahr lang hatte sie Zeit, um Heilpflanzen<br />

zu finden, die in den Tiefen der äthiopischen<br />

Wälder wachsen. Dafür sprach sie mit<br />

rund fünfzig Medizinmännern, die ihr Wissen<br />

über die Heilkraft der Pflanzen von Generation<br />

zu Generation weitergeben. „Doch viele<br />

der traditionellen Heiler hüten ihre Rezepte<br />

Gesundheit aus Wäldern: Ein äthiopischer<br />

Medizinmann begutachtet Heilpflanzen<br />

wie einen Schatz“, erklärt Fanny Mundt. „Ich<br />

musste also immer damit rechnen, dass noch<br />

eine geheime Zutat fehlt.“ Dennoch gelang es<br />

der 23-Jährigen, während ihres Praktikums<br />

beim Naturschutzbund (NABU) ein Herbarium<br />

mit 60 Pflanzen anzulegen, die in der äthiopischen<br />

Volksmedizin verwendet werden.<br />

Die Veröffentlichung traditionellen Wissens<br />

könnte den Menschen in der armen Region<br />

helfen. Denn der Kafa-Bergnebelwald ist ein<br />

offizielles Biosphärenreservat, unter dessen<br />

Siegel die Äthiopier ihre Pflanzen gut vermarkten<br />

könnten. „Zwar darf man aus dem<br />

Kerngebiet eines Biosphärenreservats keine<br />

Pflanzen entnehmen, aus den Randzonen<br />

aber schon“, erklärt die Studentin der Universität<br />

Greifswald.<br />

Im Herbst 2011 schickte Michael Succow,<br />

Träger des alternativen Nobelpreises, seine<br />

engagierte Studentin erneut in das ostafrikanische<br />

Land; diesmal an den nordäthiopischen<br />

Lake Tana, wo ein weiteres Biosphärenreservat<br />

eingerichtet werden soll. Für Fanny Mundt<br />

war das ein großer Glücksfall: Die Diplomandin<br />

hat sich so in die Herzlichkeit der Menschen<br />

verliebt, dass sie nach ihrem Abschluss<br />

in Äthiopien leben und forschen möchte.<br />

Julia Walter<br />

Bauingenieurwesen<br />

Mut zum Brückenbauen<br />

Gustavo Cosenza ist fasziniert von Brücken:<br />

„Ich fand es schon als Kind beeindruckend,<br />

dass Menschen so große Bauwerke erschaffen,<br />

und ich wollte dasselbe tun“, sagt er. Deshalb<br />

arbeitete er bereits während des Bauingenieur-Studiums<br />

an der Universität Rafael Landívar<br />

in Guatemala als Bauleiter. Praktische<br />

Erfahrungen sammelte er reichlich, aber der<br />

spannendste Bereich blieb ihm verschlossen:<br />

die Konzeption und der Entwurf.<br />

„Diese Firmengeheimnisse wollte<br />

damals niemand mit mir teilen“, erinnert<br />

sich Gustavo Cosenza.<br />

An der Bauhaus-Universität Weimar<br />

fand er der 30-Jährige genau<br />

das, was ihn interessierte. Er beschäftigt<br />

sich mit Einflüssen von<br />

Naturgewalten auf Bauwerke. Dabei<br />

kann der angehende Bauingenieur<br />

seine Leidenschaft für Brücken ausleben:<br />

Gustavo Cosenza untersucht<br />

in seiner Masterarbeit, wie bestehende<br />

Spannbetonbrücken für höhere<br />

Belastungen ausgebaut werden können.<br />

Dazu wird ein steifer Rahmen<br />

um die Brücke errichtet und über<br />

Spannglieder mit ihr verbunden.<br />

© Fanny Mundt<br />

„Die Verstärkung wird dadurch sehr<br />

effektiv, und die Brücke hält auch<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/11

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