Cristian Vogel narodniki Malente - Partysan

5 kolumne
GeGenbesuch –
diesMal wird zurückGereisT
An jedem Wochenende überfallen tausende
Anfangs-Zwanziger aus ganz Deutschland und
Europa unsere schöne Stadt und sie haben
nur ein Ziel: Feiern! Kein Wunder… bevor ein
Londoner bei den dortigen Preisen 200 Euro in
einer Nacht los wird, kann er die Hälfte der Kohle
in einen Billigflug nach Berlin samt Hostel-Bett
investieren und den Rest im hiesigen Nachtleben
verjubeln. Für derlei Gäste aus Florenz, Sevilla,
Glasgow und Stockholm hat sich inzwischen der
Begriff „easy-jet-Raver“ eingebürgert.
Und wie reagieren wir? Viele Berliner gehen
nicht mehr vor 6 Uhr morgens aus. Mangels
Kontakten zu Wachmacherverkäufern sind unsere
europäischen Freunde zu dieser Uhrzeit voll mit
Vodka wie die Haubitzen und schwanken heim
in ihr 19,99-Euro-Bettchen in Friedrichshain. Mit
dem späten Erscheinen im Club erspart man es
sich deshalb, permanent gefragt zu werden, wo’s
Drogen gibt oder erzählt zu bekommen, „how
exciting“ Berlin is. Wissen wir ja schon.
Einige Freunde von mir gehen mit der
Besucherschar aus aller Herren Länder ganz
anders und sehr persönlich um. Der eine hat
die Preise in seinem Club erhöht (er nannte es
„angepasst“) und genießt inzwischen zwei Dinge,
die er früher für unvereinbar gehalten hatte: In
Berlin leben und viel Kohle machen. Ein anderer
hat sich darauf spezialisiert, so ausgestattet in
die Clubs zu gehen, dass er die oben erwähnte
permanente Frage stets mit „Ja“ beantworten
kann – vorausgesetzt, die Frage wird von
einer attraktiven jungen Frau gestellt. Stolz
hat er neulich berichtet, die folgende chemisch
induzierte Anhänglichkeit einer Isländerin bis
zum letzten ausgenutzt zu haben. Das sei mal
was anderes gewesen, sonst wären ihm fast
immer nur Spanierinnen oder Engländerinnen
auf den Leim gegangen – eine Isländerin,
das wäre schon fast so gewesen, als hätte er
Björk persönlich gepoppt. Ich schlug ihm vor,
seine erotischen Eroberungen doch mal mit
Steckfähnchen auf einer Weltkarte zu notieren,
was er sich ernstlich überlegen wollte.
Ein anderer machte so aus der Not eine Tugend:
Da er sich ein Partywochenende in Barcelona
oder London nicht leisten kann (bis auf den
Billig-Flug), knüpft er in Berlin fleißig Kontakte,
gibt den netten Night-Guide und erarbeitet
sich damit Einladungen der betreuten Gäste an
viele hübsche Plätze dieses Kontinents. Zürich,
London und Mailand hat er auf diese Weise
schon gesehen und ganz nebenbei sein Englisch
ordentlich aufgepäppelt. Das beweist: Nicht nur
Raven bildet – auch beraved werden.
pozor!
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