WTO und fairer Handel - Schriftenreihe Global Affairs - Nr. 1 - Wir°My
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Unter <strong>fairer</strong> <strong>Handel</strong> ist aber nicht nur der <strong>Handel</strong> im Sinn von Transfair zu verstehen, sondern eine Form des<br />
Warenaustausches, der allen beteiligten Akteuren zugute kommt. In dieser Frage werfen NGOs wie FIAN der<br />
B<strong>und</strong>esregierung vor, mit zwei Zungen zu sprechen. Auf der einen Seite gebe es das BMZ, das die Notwendigkeit<br />
eines gerechten <strong>Handel</strong>s anerkenne, auf der anderen Seite das Ministerium für Verbraucher, Ernährung <strong>und</strong><br />
Landwirtschaft, dass die Interessen insbesondere der deutschen Fleisch- <strong>und</strong> Milchindustrie auf Kosten der armen<br />
Produzenten in den Entwicklungsländern im Auge habe.<br />
Fairer <strong>Handel</strong> aus Der Sicht der EU<br />
Die EU wiederum hat in der Vergangenheit immer wieder explizit betont, dass sie unter fairem <strong>Handel</strong> vor allem<br />
den freien <strong>Handel</strong> versteht. Der <strong>Handel</strong> könne das Wirtschafts-wachstum <strong>und</strong> die Einkommen positiv beeinflussen<br />
<strong>und</strong> somit armutsmindernd wirken, wenn die Entwicklungs-länder darin unterstützt würden, seine Vorteile zu<br />
nutzen. Das fast schon inflationär benutzte Zauberwort der EU-Hilfe heißt `handelsbezogene Hilfe´. Zwischen<br />
2001 <strong>und</strong> 2004 hat die Europäische Kommission nach eigenen Angaben die Anstrengungen der Entwicklungsländer,<br />
die Vorteile des <strong>Handel</strong>s zu nutzen, mit 2,8 Milliarden Euro unterstützt.<br />
Die EU absorbiert ein Fünftel der aus Entwicklungsländern stammenden Ausfuhren - 40 Prozent der Einfuhren in<br />
die EU kommen aus dem Süden. Als weltweit größter Abnehmer von Agrarexporten aus Entwicklungsländern<br />
importiert die EU mehr Agrarerzeugnisse als die USA, Kanada <strong>und</strong> Japan zusammen.Als wichtigster<br />
<strong>Handel</strong>spartner der Entwicklungsländer, mit dem Dreifachen des Präferenzhandelsvolumens der USA im Jahr<br />
2002, wendet die EU eine Reihe von präferenziellen <strong>Handel</strong>sregelungen an, um Ausfuhren der<br />
Entwicklungsländer in die EU zu fördern.<br />
- Allgemeines Präferenzsystem (APS): Im Rahmen dieses Systems gewährt die EU derzeit 178 Entwicklungsländern<br />
einseitige Zollvergünstigungen. Im Jahr 2002 war die eine Hälfte der APS-Einfuhren zollfrei, auf die<br />
andere Hälfte wurden reduzierte Zollsätze angewendet. 2002 beliefen sie die APS-Einfuhren der EU auf 53,2<br />
Milliarden Euro.<br />
- Alles außer `Waffen'-Initiative (AAW): Diese einseitige präferenzielle <strong>Handel</strong>sregelung ermöglicht den 48 ärmsten<br />
Ländern der Welt - von de-nen 34 im subsaharischen Afrika liegen - zoll- <strong>und</strong> kontingentfreie Ausfuhren in<br />
die EU. 2002 beliefen sich die AAW-Einfuhren der EU auf 2,2 Milliarden Euro.<br />
- Abkommen von Cotonou mit den Staaten Afrikas, des Karibischen <strong>und</strong> Pazifischen Raums (AKP): Aufgr<strong>und</strong> der<br />
tief verwurzelten historischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Bindungen zwischen Europa <strong>und</strong> den AKP-Ländern gewährt<br />
die EU diesen Ländern eine Präferenzbehandlung für Einfuhren. 2002 wurden Waren im Wert von insgesamt 39<br />
Milliarden Euro zollfrei <strong>und</strong> 1,9 Mrd. zu reduzierten Zöllen in die EU eingeführt.<br />
Was gut klingt ist, muss jedoch mit Vorsicht genossen werden, denn wir dürfen nicht vergessen, dass sowohl die<br />
EU als auch eine Vielzahl von Einzelstaaten eigene handfeste Wirtschaftsinteressen verfolgen. Dies manifestiert<br />
sich nicht nur in dem zähen Ringen um die Abschaffung der Agrarexportsubventionen oder in den Forderungen<br />
von Industriestaaten nach Zöllen zum Schutz vor Billigprodukten aus China, sondern auch in dem zunehmenden<br />
Abschluss separater Freihandelsabkommen neben NAFTA.<br />
Inzwischen gibt es r<strong>und</strong> 150 solcher Einzelverträge. Sie machen es den führenden Industrienationen <strong>und</strong><br />
Wirtschaftsblöcken möglich, ihre eigenen Interessen besser durchzusetzen. Gerade bei den Verhandlungen der<br />
USA mit ausgewählten lateinamerikanischen Vertragspartnern hat sich gezeigt, dass letztere Bedingungen<br />
akzeptieren müssen, die selbst im Rahmen des <strong>WTO</strong>-System abgelehnt worden wären. Nach den Attentaten vom<br />
11. September 2001 hatte sich zunächst die Einsicht durchgesetzt, dass der Kampf gegen den Terror auf jeden<br />
Fall den Kampf gegen die Armut beinhalten müsse. Das war der Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedsländer der <strong>WTO</strong><br />
ihre Bereitschaft signalisierten, die Spielregeln zu ändern. Doch wirklich geändert hat sich seit der fünften <strong>WTO</strong>-<br />
Ministerkonferenz in Cancún in Mexiko 2003 wenig.<br />
Stattdessen setzen die großen <strong>Handel</strong>sländer vor allem auf die regionale Karte. Damit droht der multilaterale<br />
<strong>Handel</strong> unterminiert zu werden, der - <strong>und</strong> da sind sich sogar die Nichtregierungsorganisationen einig - deutlich<br />
demokratischer ist.<br />
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