NEWSLETTER Dezember 2012 - Mffv
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NEWSLETTER Dezember 2012 - Mffv
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ausgabe 6<br />
_Für Film- und Fernsehproduzenten ist Mitteldeutschland<br />
schon längst keine Terra Incognita mehr. Jedes Jahr werden<br />
in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Vielzahl von<br />
Kinofi lmen gedreht und Fernsehsendungen produziert.<br />
Konnte man in den 1990er Jahren die hierzulande entstandene<br />
Jahresproduktion im TV- und Filmbereich fast an einer<br />
Hand abzählen, entstehen heute Medienproduktionen im<br />
zahlenmäßig zwei- bis dreistelligen Bereich vom Lokalfernsehbeitrag<br />
über Fernsehserien und TV-Events bis hin zum<br />
spektakulären Kinofi lm. Ein wichtiger Grundstein für das<br />
Aufblühen der mitteldeutschen Medienproduktionslandschaft<br />
wurde vor nunmehr 15 Jahren mit Gründung der<br />
Mitteldeutschen Medienförderung GmbH gelegt. Die MDM<br />
verschafft dem medienwirtschaftlichen Wachstum in der<br />
Region entscheidende Impulse und gibt der Medienregion<br />
Mitteldeutschland nationale und internationale Reputation.<br />
<strong>2012</strong> war in dieser Hinsicht wiederum überaus erfolgreich:<br />
3 6 1 ° D E R N E W S L E T T E R D E S M I T T E L D E U T S C H E N F I L M - U N D F E R N S E H P R O D U Z E N T E N V E R B A N D E S<br />
Neue Anreize für neue Inhalte 1<br />
Der Traum: 3<br />
Television vom Fernsehkodex<br />
Die Buchhalter brauchen 4<br />
die Kultur mehr<br />
als die Kultur die Buchhalter<br />
»Es sind die Menschen, 7<br />
die das Programm machen«<br />
Interview mit Guntram Schuschke<br />
Neu im MFFV: 9<br />
Alte Celluloid Fabrik<br />
»Eine Menge Luft nach oben« 10<br />
Interview mit Jürgen Kleinig<br />
Impressum 11<br />
dezember <strong>2012</strong><br />
Neue Anreize<br />
für neue Inhalte<br />
_Die Weimarer ostlicht filmproduktion bereicherte mit<br />
ihrer Koproduktion »The Woman Who Brushed Off Her Tears«<br />
die Sektion Panorama der diesjährigen Berlinale, auf der<br />
drei MDM-geförderte und in Mitteldeutschland entstandene<br />
Produktionen insgesamt 3 Silberne Bären erhielten.<br />
SCHMIDTz KATZE FILMKOLLEKTIV aus Halle wurde mit<br />
»In Darkness« für den Oscar nominiert und der Leipziger<br />
Thomas Stuber gewann einen Studenten-Oscar. Im Fernsehen<br />
wurde »Der Turm« aus Dresden zum Großereignis, was auch<br />
das deutsche Fernsehpublikum honorierte und dem TV-<br />
Eventfi lm den Publikumspreis bei der »Bambi«-Verleihung<br />
<strong>2012</strong> zueignete. Im Kino laufen zurzeit erfolgreich so unterschiedliche<br />
Filme aus Mitteldeutschland wie »Sushi in Suhl«<br />
und »Cloud Atlas«. Letztere Produktion führte Weltstars<br />
wie Tom Hanks und Halle Berry ins Elbsandsteingebirge.<br />
All dies sind Indizien dafür, dass die Medienregion Mitteldeutschland<br />
Champions League spielt.<br />
_Dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein in mitteldeutschen<br />
Medienlanden. Der dauerhafte Erfolg braucht eine<br />
breite Basis. Eine solche Basis kann jedoch nur entstehen,<br />
wenn täglich unbeirrbar und solide für ihren Erfolg kämpfende<br />
Unternehmer und Unternehmen, wie sie sich unter<br />
anderem auch im MFFV wiederfi nden, oder junge ambitionierte<br />
Startups in der Branche eine reale Chance und entsprechende<br />
Unterstützung erhalten. Hier sehe ich insbesondere<br />
die öffentlich-rechtlichen Sender in der Verantwortung.<br />
Sicherlich haben auch gestandene Produzenten aus Köln<br />
oder München hervorragende Ideen für einen starken
Neue Anreize<br />
2<br />
für neue Inhalte<br />
Marion Walsmann<br />
Chefin der Thüringer Staatskanzlei<br />
»Tatort« aus unserer Region, dennoch sollten darüber die<br />
Kreativität und das Potenzial vor der Haustür nicht vernachlässigt<br />
und damit möglicherweise ausgetrocknet werden.<br />
_Mir ist es wichtig, dass in Mitteldeutschland mitteldeutsche<br />
Firmen produzieren und damit eine Erfolgsbasis haben<br />
können. Es liegt mir am Herzen, dass junge Leute, die in Sachsen,<br />
Sachsen-Anhalt und Thüringen in überregional hoch<br />
geschätzten Medienstudiengängen ausgebildet werden, hier<br />
auch bleiben, ihre Kreativität ausleben und sich eine Existenz<br />
aufbauen können. Ich halte es für unsere Region und das<br />
Selbstwertgefühl ihrer Bewohner für unverzichtbar, dass sich<br />
die Schönheit und der Reichtum unserer drei Länder in<br />
Medien produktionen von hiesigen Produzenten widerspiegeln.<br />
Deshalb suche ich, seit ich für Medien im Freistaat<br />
Thüringen die politische Verantwortung trage, vermehrt das<br />
Gespräch mit Film- und Fernsehproduzenten aus der Region,<br />
aber auch darüber hinaus. Im Ergebnis dieser Unterredungen<br />
im kleinen Kreis oder auch in größerer Runde wie beim<br />
Erfurter Studiotalk habe ich erfahren, dass Produzenten und<br />
Kreative insbesondere Unterstützung bei der Entwicklung<br />
von Ideen, Formaten und Projekten weiterhelfen würde,<br />
aus denen in der Folge erfolgreiche Medienproduktionen<br />
hervorgehen könnten. Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme<br />
habe ich nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten<br />
für die Erfüllung eines solchen Bedarfs gesucht. Mir ist es gelungen,<br />
im Entwurf des Thüringer Doppelhaushalts 2013/14<br />
eine bessere Ausstattung des in der Thüringer Staatskanzlei<br />
vorhandenen Haushaltstitels zur Unterstützung von Filmprojekten<br />
vorzusehen. Noch muss der Entwurf die Zustimmung<br />
der Abgeordneten des Thüringer Landtags finden.<br />
Sollte dies passieren, dann ist es meine Absicht, mit diesen<br />
Mitteln Anreize zu setzen für die Entwicklung neuer Filmideen,<br />
Serienformate und Medienprojekte. Ziel soll sein, dass<br />
in der Folge möglichst viele dieser Vorhaben so überzeugen,<br />
dass sie von hier beheimateten Kreativen oder solchen Produzenten,<br />
die ihr Herz für unsere lebenswerte, kulturvolle und<br />
schöne Region entdecken, umgesetzt werden können und<br />
einen Nachweis für die kreative Kraft und die unternehmerische<br />
Leistungsfähigkeit hiesiger Medienproduzenten<br />
liefern. Vorstellbar sind Kinofilme, Fernsehserien als besonders<br />
nachhaltige Medienproduktionen, aber auch hochwertige<br />
und originäre Kinderfilme, für deren Stärkung sich<br />
Thüringen als Kindermedienstandort besonders verpflichtet<br />
fühlt.<br />
_Diese neuen Thüringer Anreize, davon bin ich überzeugt,<br />
können Produzenten in unserer Region neue Chancen<br />
eröffnen und unserem jungen Medienstandort neue stärkende<br />
Impulse verleihen. Sobald die vorgesehenen Mittel im<br />
Doppelhaushalt 2013/14 abrufbar sind, können Film- und<br />
Medienmacher auf Basis der mit Beginn des Jahres 2013 leicht<br />
modifizierten »Richtlinie für kulturelle Filmförderung und<br />
Medienförderung im audio-visuellen Bereich« ihre Anträge<br />
bei der Thüringer Staatskanzlei einreichen. Ich freue mich<br />
auf viele interessante Ideen, kluge Konzepte und überzeugende<br />
Vorhaben, die die in den letzten Jahren aufstrebende<br />
und jetzt schon erstklassige Medienregion Mitteldeutschland<br />
noch interessanter, lebendiger und unverwechselbarer<br />
machen werden. ó
der traum:<br />
television vom<br />
fernseh-kodex<br />
Erschöpft vom Erfi nden und Warten<br />
bin ich eingenickt auf dem Papierstapel<br />
voller eingereichter Projektideen. Der<br />
Tag war wie so viele meiner Tage:<br />
etliche Themen zum Sender geschickt,<br />
Entscheidungsträgern hinterher telefoniert,<br />
wieder einmal niemanden erreicht.<br />
Kalkulationen nach unten<br />
korrigiert, unrealistische Vertragszusätze<br />
akzeptiert und von einer Ausschreibung<br />
gehört, die unerklärlicherweise<br />
an mir vorbei gegangen ist.<br />
Tiefste Selbstzweifel suchen mich heim.<br />
Bin ich denn so schlecht?! Ein paar<br />
meiner Filme haben doch schon Preise<br />
gewonnen. Aber das sind keine<br />
mitteldeutschen Produktionen. Hier<br />
begnüge ich mich mit den kleinen,<br />
den ganz kleinen Dingen. Alles, was<br />
ich cool fi nde, fi ndet im TV ohnehin<br />
nicht statt. Und wenn doch, fi ndet<br />
es immer ohne mich statt.<br />
Mein Gewissen meldet sich: Es wird<br />
endlich Zeit. Zeit für mehr Anstand im<br />
Fernsehen, für viel mehr Mut, für Fairness,<br />
Respekt und Vertrauen. Wo ist sie,<br />
die Hand aus dem Himmel mit den<br />
wegweisenden Geboten, den göttlichen<br />
Umgangsformen, den niedergeschriebenen<br />
Werten, die das Miteinander zwischen<br />
Produzent und Sender regeln?<br />
Ich will keine fadenscheinigen Absagen<br />
mehr. In Großbritannien bei der BBC<br />
existiert er doch, der »Code Of Practice«.<br />
Er folgt den sieben Prinzipien des öffentlichen<br />
Lebens:<br />
Selbstlosigkeit<br />
Integrität<br />
Objektivität<br />
Rechenschaftspfl icht<br />
Offenheit<br />
Ehrlichkeit<br />
Führung.<br />
Es sind einfache Regeln, die jeder Redakteur<br />
und jeder Direktor, jeder<br />
Produzent und jeder Kameramann,<br />
jeder Autor und jeder Tonmann, überhaupt<br />
jeder Mann und jede Frau<br />
begreift und anwenden MUSS. Und so<br />
gehen die Redaktionen mit den Produzenten<br />
offen um. An Programmplanung<br />
und Entwicklung sind Produzenten<br />
gleichberechtigt beteiligt. Die BBC –<br />
ein Produzentenhimmel!?<br />
3<br />
Plötzlich fällt gleißendes Licht durch<br />
mein Bürofenster, die Flügel werden auf<br />
gestoßen und zwei ziemlich olle Holzplatten<br />
knallen auf meinen Schreibtisch.<br />
Eine Stimme aus dem Off verkündet:<br />
»Nimm diese beiden Tafeln und<br />
verbreite ihre Message! Das mögen die<br />
Zehn Fernsehgebote für die nächsten<br />
2000 Jahre sein. So seiet endlich einander<br />
fair und wohl gesonnen.« Hellwach<br />
starre ich auf die massive Botschaft.<br />
Menschenskind, lieber Gott, geht’s nicht<br />
etwas moderner, wenn du dich schon<br />
einmischst? Schwere Holztafeln und<br />
antiquierte Schrift?! Die Formatierung<br />
lässt zu wünschen übrig. Okay, muss ja<br />
nicht immer gleich alles in Stein gemeißelt<br />
sein. Aber vielleicht, wenn erst die<br />
Patina von der Eiche geblättert ist,<br />
könnte das Wunder geschehen. Ich<br />
ahne, diese Botschaft wird die Moral<br />
des deutschen Fernsehens für die<br />
nächsten 2000 Jahren revolutionieren…
Martin Hagemann<br />
4<br />
die buchhalter<br />
brauchen die kultur<br />
mehr als die kultur<br />
die buchhalter<br />
Warum hat sich in den letzten Jahren die ökonomische und kreative Lage<br />
für die sich als künstlerisch innovativ verstehenden Produktionsfirmen<br />
in Deutschland so dramatisch verschlechtert? Auf diese Frage versuchte<br />
Martin Hagemann (Professor an der HFF Potsdam-Babelsberg, GF der<br />
Zero Fiction Film, Mitglied im Vorstand der AG DOK, im Beirat des DFFF<br />
und der Richtlinienkommission der FFA) in seiner Keynote während der<br />
diesjährigen Leipziger Dokfilm-Woche Antworten zu finden.<br />
Film- und Medienpolitik findet heute maßgeblich in den Gremien der FFA,<br />
zwischen den Rundfunkräten, ein wenig in den Parteien und in letzter Zeit bei<br />
den Verhandlungen zwischen Produzentenverbänden und den öffentlich-<br />
rechtlichen Sendern statt. Der Ton ist kooperativ, Konsens ist hier das oberste<br />
Prinzip. Und so hat die Ermüdung des politischen Diskurses im filmpolitischen<br />
Feld, die Aufgabe jeglicher inhaltlicher Diskussion in den Auseinandersetzungen<br />
mit unseren größten Auftraggebern, den öffentlichen Sendern und<br />
den Förderern, in den letzten 10 Jahren leider den Buchhaltern des deutschen<br />
Films das Feld überlassen.<br />
Der scheinbare Konsens zwischen Filmemachern und Förderern, Verwertern<br />
und Sendern in der Film- und Medienpolitik hat uns Filmemacher, vor allem die<br />
Dokumentarfilmer, zu Kompromissen und damit zu einer Mittelmäßigkeit<br />
erzogen, die unseren Filmen und der Filmkultur geschadet hat. Es ist Zeit, diesen<br />
Konsens aufzukündigen. Denn es ist ein Konsens zwischen Künstlern und Buchhaltern.<br />
Ein Konsens, in dessen Folge es den Künstlern immer schlechter geht…<br />
Unsere Branche lebt zum großen Teil von öffentlichem Geld. Die Förderquote<br />
des deutschen Kinofilms beträgt inzwischen fast 50%. Bei Dokumentarfilmen<br />
und innovativen fiktionalen Filmen liegt sie nahe der nach EU-Richtlinien<br />
erlaubten 80%. Und trotzdem zehren anachronistische Eigenmittelverpflichtungen<br />
die Kapitalbasis kleinerer und mittelgroßer Produktionsfirmen auf.<br />
Während Filmverleihfirmen und DVD-Vertriebe noch aus fast jedem Film ein<br />
positives Ergebnis herausschlagen, bleiben die auf der Strecke, die das gesamte<br />
Herstellungsrisiko und im Erfolgsfall die Herausbringungskosten tragen.<br />
Der deutsche Dokumentarfilm und der Arthouse Kinofilm werden seit zehn<br />
Jahren durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen marginalisiert. Deshalb sind<br />
heute weit mehr Produktionen auf Förderung angewiesen. Das Fernsehen,<br />
der frühere Hauptauftraggeber der inhaltlich unabhängigen Produzenten,<br />
streicht dokumentarische Sendeplätze. Lizenzpreise sind radikal gekürzt<br />
worden. Bezahlte Wiederholungen finden kaum noch statt. Immer mehr konkrete<br />
Produktionskosten werden in die HUs verlagert. ˘
So hat sich die ökonomische wie die künstlerische Situation des deutschen<br />
Kinofilms, aber vor allem des Dokumentarfilms trotz seines hohen Ansehens in<br />
den letzten 10 Jahren stetig verschlechtert. Denn überall haben die Buchhalter<br />
das Sagen: in den Förderinstitutionen, den Gremien und Verbänden der Verwerter<br />
und in den Sendern. Sie reden über Zahlen. Diese Zahlen heißen dann<br />
Quote, Regionaleffekt oder box office. Letztlich bestimmen diese Zahlendiskurse,<br />
die sich bis in die Feuilletons verbreitet haben, über den FILM, der sich<br />
eben nicht mit den Kriterien des Buchhalters und deren Fokus auf die nur<br />
monetären Zusammenhänge beschreiben lässt. Übrigens auch nicht mit den<br />
Instrumenten des Marketing-Managers, dem Bruder des Buchhalters.<br />
Diese Dominanz der Buchhalter ist schädlich in der filmpolitischen Diskussion.<br />
Es ist eine Dominanz im nicht auflösbaren Zusammenhang und Widerspruch<br />
zwischen dem »Wirtschaftsgut« und der »Kultur« Film und Fernsehen.<br />
In den Gremien der FFA, der größten deutschen Filmförderung, ist zwar immer<br />
auch ein »Kreativer«, immer auch ein Mitglied der Produzentenallianz, der<br />
Altproduzenten und der AG DOK vertreten. Doch die Vertreter der Verwertung<br />
(Verleiher-Verbände, Kino-Verbände und TV-Anstalten) haben den Diskurs<br />
schon lange übernommen. So nennen die Verwerter das bei der FFA einzuzahlende<br />
Geld grundsätzlich »ihr« Geld, wogegen es doch nur treuhänderisch vom<br />
Publikum entgegengenommen und an die FFA weitergereicht wird.<br />
Hat man aber einmal durchgesetzt, dass bei der gesetzlich verankerten Filmabgabe<br />
alle vom Geld der Kinos, dem Geld der Verleiher, dem Geld der DVD-<br />
Verkäufer reden, dann ist der Weg nicht mehr weit zur Forderung, man müsse<br />
auch etwas von »seinem« Geld von der Förderung zurückbekommen.<br />
Und kommt dann nach Meinung der Buchhalter nicht genug zurück, wird eben<br />
geklagt und die FFA jahrelang blockiert.<br />
Besonders abstrus wird es, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender in den Gremien<br />
der FFA oder bei den politischen Diskussionen rund um FFG und Länderförderungen<br />
von »ihrem Geld« reden und dann auch in den Vergabekommissionen<br />
oder bei den Terms of Trade-Verhandlungen mit den Produzenten mehr<br />
Entgegenkommen für eigene TV-Projekte bei der Produktionsförderung einfordern.<br />
Bereits vor zwei Jahren hat eine Studie der AG DOK gezeigt, dass einige<br />
öffentlich-rechtliche Sender mehr Geld von den Förderungen wiederbekommen<br />
bzw. mehr Geld in die Projekte der Töchterfirmen dieser Sender fließen, als<br />
die Sender an öffentlichen Mitteln eingezahlt haben.<br />
Die Buchhalter brauchen die Kultur mehr, als die Kultur die Buchhalter braucht.<br />
Es gäbe sonst nach EU-Recht keine Filmförderung mehr. Die Anstalten könnten<br />
ihren Auftrag nicht mehr rechtfertigen. Das sehen sie zähneknirschend ein.<br />
Das passende Zitat in einer FFA-Sitzung wurde von einem Verwerter an die AG<br />
DOK gerichtet: »Haben Sie keine Sorge, wir werden Ihr Bambi ›Dokumentarfilm‹<br />
schon nicht verrecken lassen.«<br />
In jeder politischen Grundsatzdiskussion erklären die Vertreter der Verwerter,<br />
dass jeder Spielfilm, jede Form des TV-Infotainments natürlich auch Kultur sei.<br />
Aber für die Verwendung öffentlicher Mittel müssen wir einen trennschärferen<br />
Begriff von öffentlich zu finanzierender Kultur entwickeln, der auch im Zusammenhang<br />
mit der Diskussion um den Auftrag der öffentlich-rechtlichen<br />
Sender Verwendung finden könnte. ˘
Außerdem brauchen wir Transparenzkriterien für Förderer und Anstalten.<br />
Andernorts in Europa sind sie längst üblich. Das bedeutet: Offenlegung<br />
der Auftragsvergabe mit öffentlichen Geldern, der Vergabe an Tochterunternehmen,<br />
der Rückzahlungsquoten bei den Förderern, der internen Kriterien<br />
jener Gremien, die über unsere Projekte entscheiden.<br />
Wir müssen grundsätzlich über Sinn und Zweck des deutschen Filmförderwesens<br />
diskutieren. Auch auf die Gefahr hin, dass die ein oder andere Förderung<br />
wegfällt. Das Solidarmodell FFA unter gesetzlicher Legitimation des FFG hat<br />
abgewirtschaftet. Es ist zu einer zinsfreien und risikolosen Hauptfinanzierung<br />
des mittelmäßigen und mittelgroßen deutschen Kinofilms verkommen –<br />
ein Selbstbedienungsladen der Verwerter.<br />
Die überregionale Filmförderung ist zwar per Gesetz zur Steigerung der Qualität<br />
und der wirtschaftlichen Basis des deutschen Films verpflichtet. Doch sie hat<br />
in 50 Jahren keinerlei Anstalten unternommen, ernsthafte Kriterien für die<br />
Bemessung der Qualität des deutschen Films zu entwickeln. Länderförderer sind<br />
sowieso meist eher dem wirtschaftlichen Effekt in ihrer Region als dem Film<br />
als wichtigem Kulturgut verbunden.<br />
Wir brauchen eine Trennung der Bereiche wirtschaftlicher Film – künstlerischer<br />
Film. Kommerziell geplante und kulturell innovativ entwickelte Filme sollten<br />
in den Förderungen wieder unterschiedlichen Kriterien zugeordnet werden. Das<br />
jetzige Fördersystem bedient sich des Dokumentarfilms und des innovativen<br />
fiktionalen Films ausschließlich als Alibi, z.B. bei der Notifizierung in Brüssel.<br />
Der Produzent, die Produzentin dieser Filme verkümmert dabei.<br />
Doch wir müssen auch uns selbst fragen: Sind wir Produzentinnen und Produzenten<br />
bereit, uns verstärkt einer Diskussion um kulturelle Erfolgskriterien<br />
zu stellen? Förderung kann nicht Daueralimentierung bedeuten. Was sind<br />
erfolgreiche, gesellschaftlich wichtige, kulturell innovative, künstlerisch<br />
aufregende Filme? Wie wird ihr Erfolg gemessen?<br />
Damit sind wir beim Kern: bei den Werten, bei unserer Vorstellung, was einen<br />
wichtigen, aufklärerischen, filmisch innovativen Dokumentar- oder Spielfilm<br />
ausmacht und bei dem berechtigten Anspruch, mit dieser Art der Arbeit das<br />
Überleben einer Firma, eines Produzenten, einer Produzentin zu sichern.<br />
Es ist lange verpönt gewesen, diesen umfassenden Anspruch gemeinsam zu<br />
artikulieren. Kinos, Verleihfirmen, Vertriebe, Produktionsfirmen und Fernsehmacher,<br />
die mehr sein wollen als Buchhalter, müssen sich dieser Frage nach den<br />
Inhalten, nach dem Anspruch an uns selber heute stellen, wenn sie film- und<br />
medienpolitisch für ihre Arbeit, ihre Filme, ihre Formate, einstehen wollen,<br />
wenn sie deren Existenz politisch sichern wollen.<br />
Unsere ersten Partner in der Filmpolitik sind daher die Politiker, die Vertreter<br />
der Öffentlichkeit. Und eben nicht mehr die Verwerter auf der einen Seite, die<br />
mit ihrer Selbstbedienungsmentalität und ihren Gerichtsprozessen die FFA<br />
unterhöhlt und letztlich zerstört haben. Oder die Quotenzähler bei den Sendern.<br />
Wir können diese Krise nur überwinden, wenn wir wieder politisch im umfassenderen<br />
Sinn – nicht nur im Lobby-Sinn – eine Diskussion und eine Öffentlichkeit<br />
suchen, die außer den ökonomischen Notwendigkeiten auch den künstlerischen<br />
und moralischen Visionen unserer Filme gerecht wird.<br />
Diese Visionen sind das Wichtigste. ó
Mit welchem Ziel<br />
haben Sie fairTV gegründet?<br />
Wie bewerten Sie die Einkommenssituation<br />
selbständiger TV-Schaffender<br />
im Vergleich zur Situation<br />
vor zehn Jahren?<br />
Aber ist es nicht vollkommen richtig,<br />
dass die Einkommen in TV-Berufen<br />
sinken? Wenn man die Menge der<br />
Filme auf Youtube betrachtet,<br />
dann kann man schon denken:<br />
Das kann heute jeder…<br />
7<br />
es sind die menschen,<br />
die das programm<br />
machen<br />
Interview mit Guntram Schuschke, Vorsitzender von fairTV e.V.<br />
Schauen Sie sich um! Finden Sie die Entwicklung der letzten Jahre im TV-Bereich<br />
in Mitteldeutschland in Ordnung? Wir nicht! Wir sehen einen Kostendruck,<br />
den wir in dieser Form nicht nachvollziehen können. Dadurch sinkt die Qualität<br />
der Produktionen, das ist ein Marktgesetz. Unser großes Ziel ist also, gemäß<br />
unserer Satzung, der Qualitätserhalt im Fernsehen. Das geht aber nicht ohne<br />
angemessene Vergütung für die selbständigen Kreativen, die mit ihrer Flexibilität<br />
das Rückgrat der mitteldeutschen Produktionslandschaft darstellen.<br />
Sie hatten bisher einfach niemanden, der ihre Interessen aktiv vertritt.<br />
Das sind in Zukunft wir.<br />
Aktuell alarmierend, in der Tendenz katastrophal. Allein durch Infl ationsverluste<br />
kommen wir hier in Mitteldeutschland statistisch auf 15% realen Einkommensverlust!<br />
Und das hat nicht vor 10 Jahren angefangen, sondern vor 20,<br />
da sind das schon 41%! Hinzu kommen oft längere Arbeitszeiten für das gleiche<br />
Geld, gestrichene Zuschläge für Mehrarbeit, Sonntage, Feiertage, Sonderleistungen.<br />
Von dem fehlenden Zuschlag für die gestiegenen Anforderungen an die<br />
Kompetenz ganz zu schweigen. Ein Schnittmeister zum Beispiel ist heute<br />
nicht mehr nur Schnittmeister, sondern auch Grafi ker, Typograf, FX-Experte,<br />
Kolorist, Sound-Designer, Musik-Berater, Musik-Archivar, Tontechniker und<br />
manchmal sogar Dramaturg. Wir nehmen diese Herausforderungen gern an,<br />
aber das Gefühl, nicht angemessen bezahlt zu werden, wird davon nicht besser.<br />
Diese Argumentation hören wir leider ziemlich oft, und ich halte sie auch gesellschaftlich<br />
für gefährlich. Kreative Medienberufe im TV waren historisch –<br />
wenn man diesen Begriff für die kurze Zeit des Bestehens von Radio und Fernsehen<br />
benutzen darf – in ihrer Einkommensstruktur auf die Mitte der Gesellschaft<br />
gerichtet. Das hat auch politisch relevante Gründe, da es hier große Verantwortung<br />
gibt. Nicht umsonst nennt man die Medien »die vierte Gewalt im Staate«.<br />
Und die größtmögliche Objektivität wird eben nur aus der Mitte der Gesellschaft<br />
heraus erreicht. Für die Medienschaffenden ist diese Position aktuell<br />
massiv gefährdet. Ausserdem wird ja derzeit angesichts des Zeitungssterbens ˘
Selbständige Kameraleute, Cutter,<br />
Assistenten und Autoren ver -<br />
handeln ihre Honorare normalerweise<br />
selbst. Welche Rolle soll<br />
fairTV dabei spielen?<br />
fairTV-Siegel?<br />
Wie wollen Sie Sender und Produzenten<br />
davon überzeugen,<br />
dass die Honorare angepasst<br />
werden müssen? Die Kassen – so hört<br />
man jedenfalls – sind überall leer.<br />
Haben Sie Wünsche<br />
für das neue Jahr?<br />
viel über zunehmende Käufl ichkeit von Meinung diskutiert. Auch in diesem<br />
Zusammenhang ist fi nanzielle Unabhängigkeit Voraussetzung für objektiven<br />
Journalismus. Und schließlich handelt es sich hier um hochqualifi ziertes<br />
Fach personal, das Qualität verspricht! Nur weil inzwischen jeder mit einem<br />
Handy die technischen Voraussetzungen besitzt, verfügt er weder über die Ausbildung<br />
noch die Erfahrung für das Herstellen professioneller Fernsehproduktionen,<br />
von den nötigen Begabungen für diese künstlerischen Berufe ganz zu<br />
schweigen! Das ist überhaupt das große Missverständnis – vor allem beim MDR,<br />
wie es scheint: mehr auf die Technik als auf die Fähigkeiten der Kreativen zu<br />
vertrauen. Technik wird immer bedeutungsloser. Es sind die Menschen, die das<br />
Programm machen. Und hier kommt der Wahlspruch von fairTV ins Spiel:<br />
If you pay peanuts, you get monkeys!<br />
Sagen wir mal so: Fähigkeiten in kreativen Medienberufen und Verhandlungsgeschick<br />
gehen nicht automatisch Hand in Hand. Da setzen wir an. Wir helfen<br />
den Selbständigen, ihre Forderungen durchzusetzen – durch unsere Musterbriefe,<br />
durch Argumentationshilfe, durch Leitlinien und Empfehlungen für ihre<br />
Preisgestaltung oder für Sonderregelungen wie Staffelvereinbarungen.<br />
Wir recherchieren durch unsere Mitglieder und andere Freiwillige die Arbeits-<br />
und Vergütungsbedingungen ansässiger Produktionsfi rmen, stellen Vergleiche<br />
an und sorgen für Transparenz. Und wenn es sein muss, dann legen wir auch<br />
den Finger direkt in eine Wunde, sprechen mit Produzenten und den Sendern.<br />
Langfristig wird aus diesen Recherchen dann das fairTV-Siegel.<br />
Wir planen so eine Art Güte- und Fairness-Siegel für Fernsehproduktionen.<br />
Vielleicht schaffen wir es so, einen Wettlauf nicht nur um den Preis, sondern<br />
auch um Fairness und Qualität anzustoßen. Aber wie bei allen anderen Sachen<br />
sind wir noch am Anfang, haben wenig Erfahrung und große Pläne.<br />
Also fragen Sie mich das besser nochmal in ein, zwei Jahren…<br />
Jammern gehört zum Geschäft. Und Ursachen für leere Kassen sind in unserer<br />
Region ganz sicher nicht zu hohe Vergütungen für die kreative Arbeit. Tatsache<br />
ist, dass Technik tendenziell preiswerter wird, dass seit Jahren an der Qualität<br />
des Programms gespart wurde, dass Löhne und Honorare real sinken und dass<br />
zugleich die Rundfunkgebühren ähnlich der Infl ation steigen. Wir wollen uns<br />
das gern erklären lassen. Aber überzeugen? Es wäre tragisch, wenn wir Sender<br />
mit Kultur- und Bildungsauftrag oder ihre Auftragnehmer wirklich davon überzeugen<br />
müssten, dass nur durch Qualitätsfernsehen eine Rechtfertigung für<br />
Rundfunkgebühren vorhanden ist. Vermutlich wissen das alle Beteiligten auch<br />
recht gut. Ich zitiere hier gern Frau Prof. Dr. Karola Wille vom MDR: »Der Gebührenzahler<br />
hat ein Recht auf Qualitätsprodukte«. Und Qualität kostet nun<br />
einmal Geld. Mit einem ausschließlich auf Preisdumping ausgerichteten Vergabesystem<br />
ist das allerdings nicht zu machen. Uns gefällt daher z.B. das Modell<br />
der öffentlichen Ausschreibungspraxis, wie es in der Schweiz üblich ist:<br />
dort wird von Vornherein der teuerste, aber auch der billigste Anbieter ausgeschlossen.<br />
So rückt der Preis als einziges Argument in den Hintergrund.<br />
Zu viele, um sie hier zu äußern. Was fairTV betrifft, so wünsche ich mir vor<br />
allem viel mehr Selbstbewusstsein bei den Medienschaffenden. Die Menschen<br />
hier verfügen über eine beachtliche Eigenmotivation. Sie leisten auch unterbezahlt<br />
noch Unglaubliches! Nach Jahren der Indoktrination mit Parolen wie<br />
»Jeder ist ersetzbar!« sind sie sich dessen leider nur noch selten bewusst... ó
Alte Celluloid Fabrik GbR<br />
Jürgen Kleinig & Tina Leeb<br />
Holbeinstr. 10<br />
04229 Leipzig<br />
Tel. 0341 519 41 64<br />
office@alte-celluloid-fabrik.de<br />
www.alte-celluloid-fabrik.de<br />
Neu im MFFV:<br />
Alte Celluloid Fabrik<br />
man muss<br />
wahnsinnig<br />
hartnäckig sein<br />
9<br />
Die Quereinsteiger Tina Leeb und<br />
Jürgen Kleinig betreiben in Leipzig eine<br />
ambitionierte Dokfilm-Schmiede –<br />
die Alte Celluloid Fabrik. Im Fokus<br />
haben sie große Menschheitsthemen.<br />
Bei »10 000 000 000« ist nicht nur die<br />
Zahl im Titel groß. Der Rest auch.<br />
Budget: ca. 700.000 Euro. Drehs in<br />
15 Ländern rund um den Globus, darunter<br />
Indien, Korea, England, El Salvador.<br />
Und nicht zuletzt das Thema ist riesig:<br />
Wie sollen die zukünftig 10 Milliarden<br />
Bewohner der Erde eigentlich ernährt<br />
werden, wenn schon jetzt so viele<br />
Menschen hungern?<br />
Jürgen Kleinig und Tina Leeb als Geschäftsführer<br />
der Alten Celluloid Fabrik<br />
Leipzig haben das Projekt mit der Unterstützung<br />
der MDM entwickelt. Ab<br />
Sommer soll es umgesetzt werden, fürs<br />
Kino und Fernsehen. »Wir spüren, wie<br />
unsicher die Leute beim Thema Ernährung<br />
sind«, sagt Kleinig, »deshalb ist<br />
das ein gutes Thema für uns.« Der Film<br />
ist inzwischen das wichtigste Großprojekt<br />
der Firma.<br />
Filme, die Haltung zeigen, Fragen stellen<br />
und die Menschen bewegen, wollen<br />
die Alte Celluloid Fabrik-Macher produzieren.<br />
Für »10 000 000 000« haben<br />
sie Valentin Thurn als Regisseur gewonnen.<br />
Mit »Taste the Waste« hat er vergangenes<br />
Jahr den erfolgreichsten deutschen<br />
Kino-Dokfilm gedreht. Und auch<br />
sein neues Werk soll die Massen erreichen.<br />
»Das wird kein Arthouse Film.<br />
Einen sicheren Platz bei der DOK Leipzig<br />
haben wir damit sicherlich nicht«, sagt<br />
Produzent Kleinig und er klingt ein<br />
wenig betrübt darüber. Immerhin hat<br />
das 8. Internationale Co-Production<br />
Meeting der DOK Leipzig geholfen, die<br />
Finanzierung voranzutreiben: Beim<br />
Markt der DOK war »10 000 000 000«<br />
eines der gefragtesten Projekte bei<br />
Sendern und Verleihern.<br />
2008 hat Jürgen Kleinig in der Leipziger<br />
Holbeinstraße angefangen, in einer<br />
ehemaligen Celluloidfabrik, die dem<br />
Unternehmen auch den Namen lieh.<br />
Inzwischen sind Dokumentationen wie<br />
»Der Agent« oder »Präparat 38« entstanden,<br />
für Arte und den MDR, aber auch<br />
Kurzspielfilme wie »Atropos«, ein experimenteller<br />
One-Shot-Streifen über den<br />
Tod, der vor einigen Wochen ebenfalls<br />
im MDR lief. Gesellschaft, Natur und<br />
Umwelt sind thematische Schwerpunkte.<br />
Kein Wunder: Firmengründer Kleinig<br />
hat vor seinem Einstieg in die Filmbranche<br />
Biologie studiert. Sein Vergleich<br />
für die Firmenstrategie stammt ebenfalls<br />
von dort: »Manche Tiere legen ein<br />
Ei und kümmern sich wie verrückt, bis<br />
das Küken schlüpft. Der Hering dagegen<br />
legt tausende Eier, von denen aber nur<br />
wenige überleben. Wir liegen ungefähr<br />
in der Mitte.<br />
»Man muss wahnsinnig hartnäckig<br />
sein als Produzent und für seine Projekte<br />
leben. Man kann eigentlich nur Stoffe<br />
machen, für die man brennt.« Bei einem<br />
so spannenden Thema wie der Ernährung<br />
der gesamten Weltbevölkerung ist<br />
das vielleicht gar nicht so schwierig. ó
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Herr Kleinig, Sie und Ihre<br />
Co-Geschäftsführerin kommen<br />
beide aus Baden-Württemberg.<br />
Warum haben Sie Ihr<br />
Unternehmen ausgerechnet in der<br />
Medienprovinz Leipzig aufgemacht?<br />
Nämlich?<br />
Die Zusammenarbeit mit dem MDR.<br />
Wie zufrieden sind Sie damit?<br />
Der Sender versucht, sein durch<br />
Korruptionsskandale angekratztes<br />
Image durch Angebotsverfahren<br />
aufzupolieren.<br />
Löst das bei Ihnen Begeisterung aus?<br />
Müssen wir uns Sorgen machen<br />
um Ihre Gemütslage?<br />
Wird man als Produzent<br />
irgendwann automatisch depressiv?<br />
eine menge<br />
luft nach oben<br />
Jürgen Kleinig ist Geschäftsführer der Alte Celluloid Fabrik GbR in Leipzig.<br />
Die vermeintliche Medienprovinz hat viele Vorteile für uns. Es herrscht eine<br />
persönliche Atmosphäre, der Draht zu Förderung und Redaktion ist kurz.<br />
Das Verhältnis zu Kollegen und anderen Firmen ist kollegial. Man kennt sich.<br />
Hier herrscht nicht so ein Hauen und Stechen wie in Berlin. Aber es gibt<br />
natürlich auch Nachteile.<br />
Gerade als junge Firma bekommen wir hier nicht so viele exzellente Stoffe<br />
angeboten. Das heißt, wir müssen uns selbst stärker darum kümmern.<br />
Wir entwickeln fast alle Ideen selbst und haben bis zum ersten Pitch beim<br />
Sender meist noch keinen Regisseur am Start. Den suchen wir uns dann,<br />
wenn es ernst wird.<br />
Da gibt es eine Menge Luft nach oben. Im Moment geht es uns gut, weil wir<br />
in einem Programmbereich durch gute Arbeiten Fuß fassen konnten.<br />
Bei anderen Programmbereichen bekommt man teilweise noch nicht einmal<br />
einen Termin, wenn man ein Projekt vorstellen möchte. Unser aktuelles<br />
Großprojekt »10 000 0000 000« hatten wir an die Chefredaktion geschickt.<br />
Viele Wochen später rief eine Redakteurin, die keine 90-Minüter betreut,<br />
bei uns an und sagte: »Ich weiß nicht, warum das bei mir gelandet ist,<br />
aber für mich ist das natürlich nichts.« Da frage ich mich, wie dort mit Ideen<br />
umgegangen wird.<br />
Kein bisschen. Ich kenne keinen Kollegen hier in Leipzig, der bis jetzt vom MDR<br />
irgendwelche Unterlagen zugeschickt bekommen hat. Wir auch nicht.<br />
Was nützt ein solches Verfahren, wenn wieder nur der bekannte Kreis beteiligt<br />
wird? Ausschreibungen an sich sind im Bereich Film ohnehin zweifelhaft und<br />
führen sicher nicht zu einem Mehr an Qualität. Ich fürchte, die großen Ziele, die<br />
von der Führungsriege nach außen kommu niziert werden, stoßen<br />
intern auf massiven Widerstand. Das Haus steht nicht geschlossen hinter diesen<br />
Zielen.<br />
Ach nein, auf keinen Fall. Als Produzent muss man ein bisschen schmerzfrei<br />
sein. Wir haben viele Eisen im Feuer, für die wir brennen. Manche landen dann<br />
wieder in der Schublade. Schade, aber nicht zu ändern. Die anderen realisieren<br />
wir und das ist immer wieder eine aufregende und faszinierende Arbeit.
impressum<br />
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361° – Der Newsletter des MFFV<br />
Ausgabe 6, 18. <strong>Dezember</strong> <strong>2012</strong><br />
Herausgegeben vom Mitteldeutschen Film-<br />
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