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Dr.Lilo Tutsch Supervision und Coaching 2005

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I) Begriffsklärung <strong>und</strong> Geschichte von <strong>Supervision</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Coaching</strong><br />

<strong>Supervision</strong><br />

Der Begriff leitet sich aus den lateinischen Worten „super”<br />

– oben, darüber, zuoberst – <strong>und</strong> „visio” – das Sehen,<br />

der Anblick, die Erscheinung – ab. Er meint also, aus einer<br />

distanzierten, übergeordneten Position auf etwas zu schauen,<br />

um so zu mehr Überblick, Einsicht <strong>und</strong> Mehrsicht <strong>und</strong> in<br />

der Folge zu neuen Handlungs- <strong>und</strong> Verhaltensspielräumen<br />

wie auch Lösungen <strong>und</strong> Visionen zu kommen.<br />

Schauen wir auf die Konsumentenseite, so finden wir den<br />

Begriff <strong>Supervision</strong> nahezu ausschließlich im Non-Profit-<br />

Bereich. Dies liegt in der Geschichte der <strong>Supervision</strong> begründet.<br />

Sie hat sich aus beruflichen Erfordernissen heraus als<br />

Anleitung durch Vorgesetzte <strong>und</strong> erfahrene Kollegen (Mentoren<br />

<strong>und</strong> Tutoren) entwickelt <strong>und</strong> war Praxisanleitung <strong>und</strong><br />

persönliche Hilfestellung hinsichtlich der beruflichen Aufgaben.<br />

Ihre Ursprünge finden wir im Feld der Sozialarbeit <strong>und</strong><br />

in der Laienhilfe; sie sind verb<strong>und</strong>en mit Namen wie Oktavia<br />

Hill, die im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert in Großbritannien freiwillige Mitarbeiter<br />

in der Gemeinde mit dem Ziel supervidierte, sie über<br />

ihr Arbeitsfeld zu informieren, in dessen Prinzipien <strong>und</strong> Methoden<br />

einzuführen wie auch die Mitarbeiter in ihrer Tätigkeit<br />

beratend zu unterstützen <strong>und</strong> ihre Arbeit zu kontrollieren.<br />

Im deutschsprachigen Raum sind die Anfänge von <strong>Supervision</strong><br />

mit dem „Ebersfelder Modell” (1853) verb<strong>und</strong>en, einer<br />

Praxisanleitung <strong>und</strong> Begleitung der Armenhelfer <strong>und</strong> deren<br />

ehrenamtlicher Mitarbeiter. Ähnliches finden wir auch in<br />

den USA, wo die „friendly visitors”, freiwillige Helfer im Sozialbereich,<br />

<strong>und</strong> in weiterer Folge am Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

die professionellen Sozialarbeiter supervidiert wurden.<br />

In der ersten Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts entstanden die ersten<br />

Bücher zum Thema: Virginia Robinson schrieb „<strong>Supervision</strong><br />

in Social Casework” (Robinson 1936), Bertha Reynolds<br />

„Learning and Teaching in the Practice of Social Work”.<br />

(Reynolds 1942)<br />

War <strong>Supervision</strong> in den Anfängen sehr pragmatisch <strong>und</strong><br />

anleitungsbetont, so kamen in weiterer Folge spezifische<br />

Schwerpunkte vor allem aus den psychotherapeutischen<br />

Schulen hinzu, was der pragmatischen Orientierung bisweilen<br />

auch einen dogmatischen Zug verlieh.<br />

Als Pioniere der schulenspezifischen Konzepte von <strong>Supervision</strong><br />

können wir Michael <strong>und</strong> Enid Balint betrachten, welche<br />

die psychoanalytische Theorie <strong>und</strong> Vorgangsweise als<br />

erste für eine nicht therapeutische Klientel <strong>und</strong> ein nicht (dyadisches)<br />

therapeutisches Setting modifiziert haben (vgl. auch<br />

Balint 1968). In weiterer Folge wurden dann durch J. L.<br />

Morenos Psychodrama (vgl. u. a. Hollenstein-Burtscher 2004)<br />

wertvolle Impulse für die <strong>Supervision</strong>spraxis eingebracht,<br />

woraus sich eine Vielfalt von Methoden für die Anwendung<br />

in Gruppen entwickelte, die – manchmal in modifizierter Form<br />

– auch in anderen Schulen ergänzend zum Einsatz kommen.<br />

Zur Zeit ist der systemische Ansatz marktdominierend vor<br />

allem im Bereich der Organisationsentwicklung. Er zeichnet<br />

sich durch eine Fokussierung des Systems gegenüber den<br />

ORIGINALARBEIT<br />

darin handelnden Personen <strong>und</strong> durch eine hohe Lösungsorientiertheit<br />

aus <strong>und</strong> entspricht damit dem Zeitgeist, der<br />

schnelles Handeln, Beweglichkeit <strong>und</strong> Anpassungsfähigkeit<br />

verlangt. Er bietet mit einer Reihe spielerischer <strong>und</strong> anschaulicher<br />

Methoden einen optimistischen <strong>und</strong> auch beeindruckenden<br />

Zugang zu den Fragestellungen <strong>und</strong> produziert mit Leichtigkeit<br />

neue Sichtweisen <strong>und</strong> Lösungen, lässt aber Konflikthaftes,<br />

Vergangenheitsorientiertes eher „liegen”, geht also<br />

nicht den – langsameren – Weg über die explizite Verarbeitung.<br />

Dort wirkt er „eher nebenbei”.<br />

Als Vorläufer der systemischen Betrachtungsweise finden<br />

wir die gruppendynamisch orientierten Richtungen, deren<br />

Augenmerk auf die typischen Prozesse <strong>und</strong> Interaktionen<br />

innerhalb des Systems Gruppe gerichtet ist. In dieser<br />

Form hat die gruppendynamisch orientierte <strong>Supervision</strong> ihre<br />

Hochblüte überschritten. Sie wurde in den siebziger Jahren<br />

in verschiedensten Variationen vor allem seminaristisch als<br />

Instrument der Organisationsentwicklung angewendet. Wird<br />

der Fokus auf die Gruppendynamik <strong>und</strong> deren Erleben <strong>und</strong><br />

Verstehen gerichtet, so besteht aus meiner Sicht die Gefahr<br />

des Verlustes der Aufgabenorientierung. Zudem lässt sich das<br />

meist außerordentlich dynamische, persönlich nahe gehende<br />

<strong>und</strong> in Frage stellende Geschehen in der begrenzten Zeit nicht<br />

zureichend aufarbeiten <strong>und</strong> abr<strong>und</strong>en. Darüber hinaus kann<br />

die Auseinandersetzung mit den Beziehungen zueinander für<br />

eine Arbeitsbeziehung durchaus auch für die weitere Zusammenarbeit<br />

destruktive Folgen haben. Gruppendynamisch orientiertes<br />

Vorgehen in der <strong>Supervision</strong> kann man damit als<br />

„heißes Eisen” bezeichnen, ihr Einsatz braucht eine genau<br />

Zielklärung <strong>und</strong> Grenzziehung im Vorgehen.<br />

Eine weitere Strömung umfaßt die humanistischen Richtungen.<br />

Hier können wir im Besonderen die gestalttheoretische<br />

Vorgangsweise finden, die auf Gr<strong>und</strong> ihrer Methodenvielfalt<br />

im supervisorischen Vorgehen eine reichhaltig stimulierende<br />

<strong>und</strong> damit kreative Prozesse <strong>und</strong> Wahrnehmung erweiternde<br />

Potenz zeigt. Aber auch die aus der klienten- <strong>und</strong> personzentrierten<br />

Theorie entwickelte <strong>Supervision</strong> ist hier zu erwähnen.<br />

Sie findet m. E. durch ihre empathisch der Selbstaktualisierung<br />

Raum gebende Art weniger Anwendung im<br />

wirtschaftlichen Bereich, wohl aber im Kontext der sozialen<br />

Organisationen, deren <strong>Supervision</strong>sanliegen einen deutlichen<br />

Fokus in der persönlichen Weiterentwicklung zu beruflichen<br />

Zwecken findet.<br />

Seit einigen Jahren ist auch das Neurolinguistische Programmieren<br />

(NLP) eine trendige, vor allem Nutzen-orientierte<br />

– <strong>und</strong> somit aus der Sicht der Existenzanalyse vorwiegend<br />

apersonale – Strömung am Markt geworden. Hier wird<br />

eine Kombination aus bewährten Methoden verschiedenster<br />

therapeutischer Richtungen zusammen gefasst. Dieser Richtung<br />

wird m. E. nicht ganz zu Unrecht die Gefahr der Manipulation<br />

zugesprochen, ihr oberster Wert ist die Machbarkeit.<br />

Sie findet daher vermutlich auch besonderen Zuspruch im<br />

politischen Feld wie auch ganz allgemein bei vorwiegend strategisch<br />

orientierten Menschen bzw. Organisationen. Fairer-<br />

EXISTENZANALYSE 22/1/<strong>2005</strong> 5

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