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SueUeht« in IIiMÄltlt - The European Library

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Beigabe.<br />

Abriss<br />

der<br />

<strong>SueUeht«</strong> <strong>in</strong> <strong>IIiMÄltlt</strong><br />

Von


Abriss<br />

der<br />

Geschichte der Elektrizität.<br />

Motto :<br />

„Verzeiht ! Es ist e<strong>in</strong> gross Ergetzen,<br />

„Sich <strong>in</strong> den Geist der Zeiten zu versetzen,<br />

„Zu schaun, wie vor uns e<strong>in</strong> weiser Mann gedacht,<br />

„Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht."<br />

Nöthe.<br />

Die Fülle der naturwissenschaftlichen Entdeckungen<br />

und Erf<strong>in</strong>dungen des vorigen und <strong>in</strong>sbesondere des gegenwärtigen<br />

Jahrhunderts hat <strong>in</strong> der Art der Aufnahme merkwürdiger<br />

Thatsachen von Seite des grossen Publikums e<strong>in</strong>e<br />

völlige "Wandlung bewirkt. Während früher neue Ideen,<br />

Entdeckungen und Erf<strong>in</strong>dungen mit Vorliebe als Ausfluss<br />

des Uebernatürlichen, der Zauberei, Hexerei, ja sogar des<br />

Diabolismus aufgefasst und daher häufig genug verfolgt<br />

wurden (Galilei, Harvey u. a.), f<strong>in</strong>det die heutige Generation<br />

Neuerungen fast selbstverständlich, ja es kommt dem<br />

richtigen K<strong>in</strong>d der Neuzeit vielmehr sonderbar vor, wenn<br />

ihm von sach- und fachkundiger Seite bemerkt wird, dass<br />

diese oder jene gestellte Aufgabe z. Z. unlösbar sei. Nicht<br />

selten stellen Leute, die sich nie näher für die Details der<br />

photographischen Kunst <strong>in</strong>teressirt haben, ganz kaltblütig<br />

die Frage auf, warum denn eigentlich der Photograph die<br />

Gegenstände nicht gleich lieber <strong>in</strong> den natürlichen Farben<br />

aufnehme, statt bloss <strong>in</strong> weiss und dunkel. Kaum war<br />

durch die Erf<strong>in</strong>dung des Telephons die Möglichkeit ge-


4<br />

geben, die menschliche Lautsprache auf grosse Entfernungen<br />

fortzuführen, konnte man öfters das <strong>The</strong>ma diskutiren<br />

hören, dass auf ähnliche Weise, wie man sich<br />

jetzt vermittelst des elektrischen Stromes, auf riesige<br />

Entfernungen durch e<strong>in</strong>en Draht gegenseitig mündlich<br />

unterhalten könne, es auch dazu kommen müsse, dass man<br />

sichtbare Bilder auf demselben Wege <strong>in</strong> die Ferne senden<br />

könne resp, dass man vermittels des elektrischen Drahtes sich,<br />

gegenseitig nicht nur hören, sondern auch sehen könne. Unsere<br />

Jugend f<strong>in</strong>det Eisenbahnen und Telegraphen als ganz<br />

selbstverständliche D<strong>in</strong>ge, obzwar kaum e<strong>in</strong> halbes Jahrhundert<br />

verflossen ist, seit dieselben existiren und die damalige<br />

Welt <strong>in</strong> Erstaunen setzten. Das ist die Macht der<br />

Gewohnheit!<br />

Wohl auf ke<strong>in</strong>em Gebiete tritt diese Wandlung so auffallend<br />

hervor, wie auf dem Gebiete der Elektrizität. Es<br />

s<strong>in</strong>d 100 Jahre verflossen seit Prokop Divisch mit richtiger<br />

E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die elektrische Natur des Gewitters auf se<strong>in</strong>em<br />

Wohnhause, dem Pfarrhaus zu Prenditz <strong>in</strong> Mähren, e<strong>in</strong>en<br />

Blitzableiter (den ersten <strong>in</strong> Europa, wenn nicht der Erde)<br />

aufrichtete, der aber von den fanatisirten Bauern heruntergerissen<br />

und zersört wurde, <strong>in</strong> der Me<strong>in</strong>ung, die Verwegenheit,<br />

e<strong>in</strong>e Blitzschutzvorrichtung gegen den Himmel zu<br />

richten, sei die Ursache der zufällig zu jener Zeit aufgetretenen<br />

anhaltenden und ausserordentlichen Trockne; und<br />

jetzt! Welche Manigfaltigkeit, <strong>in</strong> der der gezähmte Blitz,<br />

von kundiger Menschenhand geleitet, unter dem Namen<br />

Elektrizität heute der Menschheit se<strong>in</strong>e Dienste leistet!<br />

Man sprach von dem Zeitalter des Dampfes, als man bemerkte,<br />

welche tiefen E<strong>in</strong>griffe die Anwendung des Dampfes<br />

als Triebkraft <strong>in</strong> den Gang der Kultur machte; es lässt<br />

sich heute noch nicht absehen, doch wenn nicht alle Anzeichen<br />

trügen, stehen wir gegenwärtig zu Anfang e<strong>in</strong>er<br />

Periode, <strong>in</strong> der die Elektrizität dem Dampf den Rang ablaufen<br />

dürfte, und man würde alsdann unsere und die<br />

künftige Zeit als das Zeitalter der Elektrizität bezeichnen<br />

müssen. Abgesehen von der allgeme<strong>in</strong> bekannten Anwen-


5<br />

düng der Elektrizität beim Telegraphiren erwähnen wir<br />

hier kurz die Arbeiten, die man heute der sanften Schwester<br />

des heftigen Blitzes aufbürdet. Die Elektrizität scheidet<br />

aus den Erzen die Re<strong>in</strong>metalle, sie bildet Formen der<br />

Kunst und Natur mit bewunderswerther Genauigkeit <strong>in</strong><br />

Metall nach; mit ihrer Hülfe werden geme<strong>in</strong>ere Metallkörper<br />

mit Schichten edlerer Metalle (Gold, Silber, Nickel)<br />

überzogen. Der elektrische Strom notirt die Erdbeben und<br />

fesselt andere flüchtige Naturersche<strong>in</strong>ungen, sie hilft dem<br />

Arzte bei der Auff<strong>in</strong>dung von Krankheitsursachen und <strong>in</strong><br />

gewissen Fällen bei der Heilung derselben, der Sternforscher<br />

bedient sich ihrer Behendigkeit bei Zeit- und Ortsbestimmungen,<br />

gegen Brandausbrüche und Diebe benutzt<br />

man- sie als treue Wachter<strong>in</strong>, ja sogar <strong>in</strong> der engen Behausung<br />

des Grabes wird sie angestellt, um allfälligen Sche<strong>in</strong>tod<br />

zu verrathen. Ohne ihren sichernden E<strong>in</strong>fluss wäre<br />

e<strong>in</strong> Eisenbahndienst, wie er heute allgeme<strong>in</strong> ist, e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g<br />

der Unmöglichkeit. Die Elektrizität hilft bleichen, kochen<br />

und schmelzen, im Bogenlicht ist sie bestrebt der Sonne<br />

den Bang streitig zu machen, als Glühlicht bürgert sie<br />

sich immer mehr <strong>in</strong> den "Wohnungen der Menschen e<strong>in</strong>,<br />

ja <strong>in</strong> dieser Form beleuchtet sie sogar die Innenräume der<br />

erkrankten Körpertheile und ermöglicht dadurch <strong>in</strong> vielen<br />

Fällen Kuren und Operationen. Sie trägt die Gedanken<br />

und die menschliche Stimme über Länder und durch Meere,<br />

sie treibt Masch<strong>in</strong>en, Schiffe, Eisenbahnen, sie löst hunderterlei<br />

andere Aufgaben und noch steht sie <strong>in</strong> ihren K<strong>in</strong>derschuhen.<br />

Daraus lässt sich e<strong>in</strong> Schluss ziehen, welche<br />

Bedeutung sie dere<strong>in</strong>st im erstarkten Alter haben wird.<br />

Es ist hier nicht unsere Sache, die zukünftige Entwicklung<br />

der Elektrotechnik <strong>in</strong>'s Auge zu fassen, vielmehr wollen<br />

wir uns im Geiste zurückversetzen, um dieses jüngste<br />

K<strong>in</strong>d der Wissenschaft und Technik auf dem "Wege, den<br />

es seit se<strong>in</strong>em ersten Athemzuge bis heute gewandelt, zu<br />

begleiten.


I.<br />

fi<br />

Die erste Form, unter welcher die Elektrizität die Aufmerksamkeit<br />

des Mensehengeistes auf sicli gelenkt haben<br />

muss, ist zweifellos die sogenannte<br />

statische oder Reibungselektrizität.<br />

Diese Kraftform der Natur äusserte sich — das steht<br />

ausser allem Zweifel — schon <strong>in</strong> den vormenschlichen geologischen<br />

Epochen, als Blitz und Donner und zwar wohl<br />

<strong>in</strong> viel heftigerem Grade als später zur Zeit des-Auftretens<br />

des Menschengeschlechts und <strong>in</strong> historischen Zeiten. Auch<br />

die elektrischen Ersche<strong>in</strong>ungen, die die Ausbrüche der Vulkane<br />

begleiten, s<strong>in</strong>d wohl <strong>in</strong> geschichtlicher H<strong>in</strong>sicht auf<br />

dieselbe L<strong>in</strong>ie mit dem Gewitter zu stellen.<br />

Fragen wir, warum trotzdem sich diese merkwürdige<br />

Naturkraft dem Menschen von Anbeg<strong>in</strong>n an so reichlich<br />

geoffenbart hat, die menschlichen Kenntnisse über dieselbe<br />

erst so spät — eigentlich erst mit Beg<strong>in</strong>n des 17. Jahrhunderts<br />

der christl. Zeitrechnung — anhebt, so liegt der<br />

Grund eben <strong>in</strong> der Heftigkeit, Flüchtigkeit und Gefährlichkeit,<br />

unter welcher die Natur diese ihre Tochter vorzustellen<br />

beliebt. Die Kenntnisse konnten daher nothgedrungen<br />

erst da anheben, wo der Mensch es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Macht<br />

bekam, die elektrische Kraft selbst herzustellen, wobei dieselbe<br />

natürlich nicht <strong>in</strong> der gefahrbr<strong>in</strong>genden Menge auftrat<br />

und daher geeignet wurde, e<strong>in</strong> Objekt des Versuches<br />

und Nachdenkens an Stelle des Staunens und Fürchtens<br />

zu se<strong>in</strong>. Es ist ziemlich schwer anzugeben, wer verbürgtermassen<br />

zuerst die Kunst auffand, willkürlich an Körpern<br />

elektrische Ersche<strong>in</strong>ungen hervorzurufen, doch das sche<strong>in</strong>t<br />

ausser Zweifel zu se<strong>in</strong>, dass der Bernste<strong>in</strong> sich sozusagen<br />

dafür aufdrängte.


Pl<strong>in</strong>ius secundus erzählt im 11. Cap. se<strong>in</strong>es 37. Buches<br />

der Hist. nat. : „In Syrien sollen sich die Weiber Sp<strong>in</strong>delwirtel<br />

aus Bernste<strong>in</strong> machen und ihn „Haken" nennen, weil<br />

er Blätter, Spreu und Kleiderlappen anzieht." Die griechischen<br />

Schriftsteller (Plato, Timäus Cap. 37 — Strähn, Erdbeschreibung<br />

Buch 15 C. 1) behaupten, dass Thales von Milet<br />

zuerst die anziehende Kraft des geriebenen Bernste<strong>in</strong>s gefunden<br />

habe. Unzweifelhaft ist, dass Thales (640—548 v.<br />

Ch.) diese Kraft gekannt hat und sie zu erklären suchte.<br />

Er schrieb die Wirkung <strong>in</strong> echtgriechischer Weise e<strong>in</strong>er<br />

Seele, als dem bewegenden Pr<strong>in</strong>zip zu. Wir werden jedoch<br />

nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, dass die Wahrnehmung<br />

der Bernste<strong>in</strong>kraft so alt ist als die Verarbeitung des<br />

Bernste<strong>in</strong>s zu Schmuckgegenständen, die als solche polirt<br />

werden und daher be<strong>in</strong>i Poliren und spätern Abreiben<br />

die erwähnte Anziehung häufig genug zeigen mussten.<br />

Es ist aber bekannt, dass der Bernste<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Handelsartikel<br />

schon der alten Phönizier war, es müssen daher wohl gewöhnliche<br />

Handwerker, die dieses Harz verarbeiteten, schon<br />

lange vor Thales die Anziehungskraft des Bernste<strong>in</strong>s beobachtet<br />

haben. Diese Ansicht stützen wir noch damit,<br />

dass nach Alexander von Humboldt (Kosmos Bd. 1, pag.<br />

194, 1869) sogar die wilden Völkerstämme am Or<strong>in</strong>oco die<br />

Erregung der Elektrizität durch Reiben, als Humboldt sich<br />

dort aufhielt, kannten. („Nicht ohne Ueberraschung bemerkte<br />

ich an den waldigen Ufern des Or<strong>in</strong>oco, bei den<br />

„K<strong>in</strong>derspielen der Wilden, unter Volksstämmen, welche auf<br />

^der untersten Stufe der Rohheit stehen, dass ihnen die Erlegung<br />

der Elektrizität durch Beiben bekannt ist. Knaben<br />

„rieben die trockenen, platten, glänzenden Samen e<strong>in</strong>es<br />

„Schotengewächses so lange, bis sie Fasern von Baumwolle<br />

„und Bambus anzogen.") Auch die Ch<strong>in</strong>esen kannten schon<br />

früh die Anziehung des Bernste<strong>in</strong>s. Nach Klapproth (Lettre<br />

à M. A. v. Humboldt, sur l'<strong>in</strong>vention de la boussole 1834)<br />

f<strong>in</strong>det sich bei dem ch<strong>in</strong>esischen Schriftsteller Kuopho des<br />

4. Jahrhunderts folgende Stelle: „Der Magnet zieht das<br />

Eisen, wie der Bernste<strong>in</strong> die kle<strong>in</strong>en Senfkörner an. u Es sche<strong>in</strong>t<br />

7


8<br />

nicht angezeigt, diese bei so verschiedenen Völkerschaften<br />

aufgefundenen Primitiv-Kenntnissen <strong>in</strong> Zusammenhang<br />

br<strong>in</strong>gen zu wollen, vielmehr deuten die angeführten Zeitund<br />

Ortsverhältnisse darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> allen angeführten<br />

Fällen je spontane Entdeckungen vorlagen.<br />

Fügen wir nun noch bei, dass der berühmte M<strong>in</strong>eraloge<br />

des Alterthums <strong>The</strong>oplirastos von Eresus auf Lesbos (371—286<br />

v. Ch.) e<strong>in</strong>en andern Ste<strong>in</strong> LynJairion genannt (wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

der heutige Hyac<strong>in</strong>th) dem Bernste<strong>in</strong>, als mit derselben<br />

Anziehungskraft begabt, beigesellte und dass Pl<strong>in</strong>ius (H. n.<br />

37. 29) e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>eral, Carbunkulus genannt, anführt, das nicht<br />

nur durch Reiben, sondern auch Erwärmen an der Sonne<br />

die Fähigkeit, kle<strong>in</strong>e Körperchen anzuziehen, erhalte (vielleicht<br />

der heutige Turmal<strong>in</strong>, der zwar erst 1703 von den<br />

Holländern nach Europa gebracht worden se<strong>in</strong> soll) dann<br />

haben wir alles, was die Alten an elektrischen Kenntnissen<br />

besassen; auf derselben Höhe blieb das bezügliche "Wissen<br />

durch's ganze Mittelalter stehen. Erst mit dem Zeitpunkte,<br />

da am Firmamente der Geistescultur die hellen Sterne<br />

Leonardo da V<strong>in</strong>ci, Baco, Gopernikus, Porto, Galilei, Kepler<br />

u. a. leuchteten und der Naturwissenschaft den <strong>in</strong>duktiven<br />

Forschungsweg anbahnten, da war der Moment gekommen<br />

für das Auftreten des Mannes, der als Vater der Elektrizitätslehre<br />

bezeichnet werden muss.<br />

William Gilbert, geb. 1540 zu Colchester, England, zeichnete<br />

sich durch e<strong>in</strong> für se<strong>in</strong>e Zeit ganz ausserordentliches<br />

Wissen aus, das er mit grossem Scharfs<strong>in</strong>n behandelte,<br />

und da er überdies mit mechanischer Geschicklichkeit begabt<br />

war, vere<strong>in</strong>igte er die nothwendigen Eigenschaften<br />

e<strong>in</strong>es Experimentalforschers <strong>in</strong> glücklicher "Weise <strong>in</strong> sich.<br />

Er war Leibarzt und Schützl<strong>in</strong>g der König<strong>in</strong> Elisabeth,<br />

daher auch <strong>in</strong> ökonomischer Beziehung mit den dem<br />

Forscher nöthigen Mitteln ausgestattet. Se<strong>in</strong> ausgezeichneter<br />

Forschergeist veranlasste Galilei, se<strong>in</strong>en Zeitgenossen<br />

Gilbert als „bis zum Neiderregen gross" zu bezeichnen.<br />

(Humboldt, Kosmos I. 427, 1869). Dieser vorzügliche<br />

Gelehrte unternahm es nun zuerst, die allgeme<strong>in</strong>


9<br />

bekannte Spielerei mit dem geriebenen Bernste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

wissenschaftlichen Untersuchung zu unterwerfen. Wir<br />

stellen hier die Ergebnisse der bezüglichen Forschungen<br />

kurz zusammen. Gilbert fand, dass die Anziehung des geriebenen<br />

Bernste<strong>in</strong>s anderer Natur sei als die längst bekannte<br />

Anziehung des Magnetstabes; er schlug <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

1600 erschienenen "Werke „Tractatus de Magnete" zuerst<br />

vor, jene zum Unterschied von der Magnetkraft „elektrische<br />

Kraft" (nach Elektron — Bernste<strong>in</strong>) zu nennen. Er entdeckte<br />

dieselbe Kraft nun auch am geriebenen DiamantJ<br />

hellen Glas, Schwefel, Schellack und den meisten andern<br />

Harzen, und fand auch, dass Holz und die sämmtlichen<br />

Metalle die Kraft nicht offenbaren, dass dagegen alle Körper<br />

von e<strong>in</strong>em elektrisch erregten angezogen werden. In<br />

den bezüglichen Proben liess er die zu untersuchenden<br />

Körper auf e<strong>in</strong>er spitzen Nadel — ähnlich der Magnetnadel —<br />

schweben und brachte den elektrischen Körper <strong>in</strong> deren<br />

Nähe; dies war also das erste Elektrosko]}. Dass die Versuche<br />

<strong>in</strong> feuchter Luft nicht so gut gel<strong>in</strong>gen wie <strong>in</strong> trockener,<br />

war ihm nicht entgangen. Die Erklärung der elektrischen<br />

Anziehung versuchte er zwar, aber mit wenig Glück,<br />

<strong>in</strong>dem er den Grund <strong>in</strong> fe<strong>in</strong>en, mit Feuchtigkeit begabten<br />

Ausflüssen aus den elektrischen Körpern annahm. Dies<br />

mag auch der Grund se<strong>in</strong>, warum man se<strong>in</strong>en Arbeiten <strong>in</strong><br />

England fast ke<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit schenkte. Er starb<br />

1603. Nach unserer Ansicht liegt die grosse Bedeutung Gilberts<br />

nicht <strong>in</strong> dem Werth der von ihm entdeckten Ersche<strong>in</strong>ungen,<br />

sondern <strong>in</strong> der Thatsache, dass er es unternahm, auf e<strong>in</strong>e<br />

seit S Jahrtausenden oder noch länger bekannte räthselhafte<br />

Ersche<strong>in</strong>ung zuerst die <strong>in</strong>duktive Forschungsmethode anzuwenden<br />

wobei durch den obgenannten Erfolg sich ergab, dass<br />

dies der richtige Weg sei, um zu Resultaten zu gelangen. Die<br />

Folge bewies es. Fracastro und Descartes beschäftigten<br />

sich <strong>in</strong>tensiv mit Elektrizität, verliessen aber die von Gilbert<br />

e<strong>in</strong>geschlagene experimentelle Methode — die Resultate<br />

waren gelehrte Hypothesen voll willkürlicher Annahmen<br />

und mit der Natur nicht <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang stehender Folgerun-


10<br />

gen. Anders Otto von Guericke; er trat <strong>in</strong> die Fussstapfen<br />

Gilberts und war der erste, der nach Gilbert Erfolge aufzuweisen<br />

hat: er ist der Erf<strong>in</strong>der der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e.<br />

Guericke wurde 1602 <strong>in</strong> Magdeburg geboren, studirte<br />

erst die Rechte, später wandte er sich dem Studium der<br />

Mathematik und Mechanik zu, war dann e<strong>in</strong>ige Zeit <strong>in</strong><br />

Erfurt als Ingenieur, kam als solcher nach Magdeburg und<br />

wurde dort Bürgermeister. Bekannt ist se<strong>in</strong> berühmter<br />

Fig. 1. Otto von Guericke, Erf<strong>in</strong>der der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e.<br />

Versuch mit den Halbkugeln zum Beweise des Luftdruckes.<br />

Die Erf<strong>in</strong>dung der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e fällt <strong>in</strong> das Jahr 1672,<br />

Er legte 1681 se<strong>in</strong>e Aemter nieder und starb 1686 <strong>in</strong> Hamburg.<br />

(Fig. 1.)<br />

Se<strong>in</strong>e Elektrisirmasch<strong>in</strong>e hatte folgende E<strong>in</strong>richtung:<br />

E<strong>in</strong>e Schwefelkugel, durch Füllen e<strong>in</strong>er holden Glaskugel<br />

mit geschmolzenem Schwefel und nachheriges Zerschlagen


11<br />

der Glaskugel hergestellt, wurde mitten durchbohrt, <strong>in</strong> die<br />

Bohrung wurde e<strong>in</strong>e hölzerne Welle befestigt, das Ganze <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em hölzernen Gestell drehbar gelagert. Vermittels e<strong>in</strong>er<br />

Kurbel wurde die Schwefelkugel <strong>in</strong> Umdrehung versetzt;<br />

als Reibzeug diente die trockene Hand. Fig. 2 stellt diese<br />

primitive Masch<strong>in</strong>e dar.<br />

An diesem Apparate bemerkte Guericke zuerst das Leuchten<br />

im Dunkeln und das Knistern beim Berühren mit e<strong>in</strong>em<br />

F<strong>in</strong>ger, sah, dass leichte Körper von der Kugel erst angezogen,<br />

nach der Berührung aber hastig abgestossen wurden, ja<br />

Fig. 2. Die erste ELektrisirmasch<strong>in</strong>e.<br />

Guericke bemerkte dabei sogar den E<strong>in</strong>fluss auf <strong>in</strong> der Nähe<br />

bef<strong>in</strong>dliche Körper, der seither den Namen Influenz erhalten<br />

hat. Es mag auflallen, dass Guericke nicht e<strong>in</strong>e Glaskugel<br />

für se<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e verwendete, da er sich doch zum Formiren<br />

der Glaskugel e<strong>in</strong>er solchen bediente, und schon<br />

Gilbert Glas <strong>in</strong> die Reihe der elektrischen Körper gestellt<br />

hatte. Wohl nur die grosse technische Schwierigkeit, die<br />

e<strong>in</strong>er soliden Befestigung an die Welle entgegenstund,<br />

kann dies erklären. Wir geben hier kurz den langen Weg,<br />

der endlich zur Verwendung von Glas als Reiber führte.


12<br />

An dem 1643 von Toricelli erfundenen Barometer bemerkte<br />

Picard im Jahr 1675 e<strong>in</strong> Leuchten im luftleeren<br />

<strong>The</strong>il der Röhre, wenn das Quecksilber stark <strong>in</strong>'s Schwanken<br />

gebracht wurde. Diese Ersche<strong>in</strong>ung rief e<strong>in</strong>e ganze<br />

Literatur hervor. Joh. Bemoulli, Da Fay, Cass<strong>in</strong>i, Boijh<br />

u. a. gaben darüber Erklärungen, welche uns heute als<br />

spasshaft vorkommen müssten, wenn wir nicht wussten,<br />

dass die Autoren <strong>in</strong> vollem Ernste, ja sogar zeitweise mit<br />

gegenseitiger Heftigkeit über die Sache schrieben. Als<br />

Beispiel führen wir die Erklärung dieser Ersche<strong>in</strong>ung, die<br />

damals unter dem Namen „merkurialischer Phosphor" bekannt<br />

war, an, welche Dufay gegeben hat: „Beim Auskochen<br />

des Merkurs (d. h. Quecksilber) nimmt dieser Phlogiston<br />

(FeuerstofT) <strong>in</strong> sich auf, der nachher langsam wieder<br />

<strong>in</strong> die Barometerleere entweicht."<br />

E<strong>in</strong> englischer Mechaniker, Hawlcsbee, wie es sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong><br />

sehr klarer Kopf — man muss bedauern von se<strong>in</strong>en Lebensverhältnissen<br />

absolut ke<strong>in</strong>e Angaben als die des Todesjahrs<br />

(1713) zu besitzen — stellte ums Jahr 1700 die Behauptung<br />

auf, die als „merkurialischer Phosphor" bekannte<br />

Ersche<strong>in</strong>ung habe ihren Grund <strong>in</strong> der Reibung zwischen<br />

dem Quecksilber und der Glaswand und sei daher e<strong>in</strong>e<br />

elektrische Ersche<strong>in</strong>ung (Phys-mech. Exper. 1709). Aber<br />

das grosse Ansehen Bernoulli's, der anderer Ansicht war,<br />

liess diese richtige Erklärung nicht aufkommen, sondern<br />

erst nachdem der Irrthum noch e<strong>in</strong> halbes Jahrhundert<br />

gedauert, verschaffte der Berl<strong>in</strong>er Feldmedikus Fr. Ludolff<br />

der Ansicht Hawksbee's allgeme<strong>in</strong>e Geltung 1745. Stellen<br />

wir dieser Thatsache e<strong>in</strong>e ähnliche auf optischem Gebiete<br />

an die Seite. Die grosse Autorität, die sich Newton durch<br />

die Aufstellung se<strong>in</strong>es Gravitationsgesetzes, durch se<strong>in</strong>e<br />

mathematischen und astronomischen Arbeiten, <strong>in</strong> der<br />

wissenschaftlichen Welt erworben, war im Stande, die<br />

theoretische Optik mehr als e<strong>in</strong> Jahrhundert <strong>in</strong> f<strong>in</strong>sterem<br />

Irrthum gebannt zu halten, trotzdem se<strong>in</strong> grosser Zeitgenosse,<br />

Huyghens schon 1690 die Wahrheit gefunden<br />

und <strong>in</strong> trefflicher Weise dargestellt hatte; erst zu -Anfang


13<br />

misères Jahrhunderts vermochte Thomas Yung der herrlichen<br />

Idee Huyghens Geltung zu verschaffen! Diese zwei<br />

Fälle s<strong>in</strong>d geeignet, die Verwerflichkeit des Autoritätsglaubens<br />

auf solchen wissenschaftlichen Gebieten, die der<br />

empirischen Forschung zugänglich s<strong>in</strong>d, zu illustriren.<br />

Von der richtigen Ansicht ausgehend, das Leuchten <strong>in</strong><br />

der Barometerleere sei e<strong>in</strong>e elektrische Ersche<strong>in</strong>ung, stellte<br />

Hawksbee direkte Versuche zur Begründung se<strong>in</strong>er Ansicht<br />

an. Dabei fiel ihm der hohe Grad der elektrischen Erregung<br />

des Glases beim Reiben mit Quecksilber auf. Dies<br />

führte ihn zur Construktion e<strong>in</strong>er Elektrisirmasch<strong>in</strong>e mit<br />

Glaskugel an Stelle der Guericke' sehen Schwefelkugel.<br />

Als Reibzeug diente auch hiebei die Hand; unerklärbar<br />

halten wir den Umstand, warum Hawksbee nicht sofort<br />

versuchte, Quecksilber <strong>in</strong> irgend e<strong>in</strong>er Form als Reibzeug<br />

zur Anwendung zu br<strong>in</strong>gen, wie dies der Engländer John<br />

Canton 50 Jahre, später (1762) mit grösstem Erfolge ausführte.<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Entdeckung machte am 2. Juli 1729 der<br />

Karthäusermönch Steplian Gray, <strong>in</strong>dem er durch Zufall die<br />

Leitungsfähigkeit der Metalle und die isolirende Eigenschaft<br />

der Seide, Haare und des Harzes fand. Er machte 1732<br />

den ersten Isolirschemel und elektrisirte zum erstenmal<br />

e<strong>in</strong>en Menschen. Gray fand auch schon, dass e<strong>in</strong> hohler<br />

und e<strong>in</strong> gleich grosser massiver "Würfel gleich viel Elektrizität<br />

aufzunehmen befähigt ist. Er starb den 14. Febiliar<br />

1735.<br />

Die Entdeckungen Gray's wurden mit Begeisterung<br />

von dem Intendanten des Pariser botanischen Gartens .<br />

Charles Franc, du Fay (1698—1739) aufgenommen und weiter<br />

verfolgt ; ihm ist die Auff<strong>in</strong>dung des Unterschiedes der<br />

Glas- t<strong>in</strong>d Harzelektrizität zu verdanken. Auch das Gesetz, •<br />

wonach gleichnamige Elektrizitäten sich abstossen, ungleichnamige<br />

sieh anziehen, wurde von du Fay aufgefunden.<br />

Die Resultate, welche Gray und du Fay durch ihre<br />

Arbeiten erzielt hatten, erweckten nachhaltiges Interesse<br />

<strong>in</strong> weitem Kreisen, wesshalb nun e<strong>in</strong>e lebhafte Weiterentwicklung<br />

der Elektrizitätslehre zu konstatiren ist. Diess


14<br />

zeigt sich namentlich <strong>in</strong> den Verbesserungen der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e,<br />

die wir hier kurz zusammenstellen.<br />

Der "Wittenberger Professor G. M. Böse, 1710 — 1761<br />

fügte der Glaselektrisirmasch<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>en Conduktor bei, der<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er beiderseits offenen Röhre aus Eisenblech bestand ;<br />

durch e<strong>in</strong>en Bündel Flachsfäden, der vom isolirten Conduktor<br />

herabgehängt und bis <strong>in</strong> die Nähe der geriebenen<br />

Kugel reichte, wurde die Elektrizität aufgefangen und <strong>in</strong><br />

den (Konduktor geleitet; wir haben hier<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vorläufer<br />

des sog. Saugspitzenkammes. Böse entzündete mittelst der<br />

Funken se<strong>in</strong>es (Konduktors im April 1744 We<strong>in</strong>geist, üel,<br />

Pech etc. und zeigte auch, dass die Körper durch Aufnahme<br />

von Elektrizität nicht schwerer werden.<br />

Andreas Gordon (1712—1751), Professor <strong>in</strong> Erfurt, ursprünglich<br />

e<strong>in</strong> schottischer Benedikt<strong>in</strong>ermönch, ersetzte die Glaskugel<br />

durch e<strong>in</strong>en Glascyl<strong>in</strong>der, der aber immerh<strong>in</strong> noch<br />

mit der Hand gerieben wurde. Gordon erfand auch das<br />

bekannte elektrische Glockenspiel; ferner das sog. F<strong>in</strong>grad<br />

und andere Spielereien.<br />

Die Erf<strong>in</strong>dung des Reibzeuges kommt eigenthümlicher<br />

Weise zivei Männern zu, die unabhängig von e<strong>in</strong>ander auf<br />

die gleiche Idee kamen : der um die Elektrizitätslehre hochverdiente<br />

J. H. W<strong>in</strong>kler, Professor der klassischen Sprachen<br />

<strong>in</strong> Leipzig (1703—1770) wollte den Drechslermeister J. G.<br />

Griessiug beauftragen, ihm für se<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> ledernes<br />

Kissen, mit Haaren ausgefüllt, anzufertigen und dasselbe<br />

durch Federn auf den Reiber drückend zu befestigen: da<br />

überraschte ihn Griessiug mit e<strong>in</strong>er bereits fertigen Masch<strong>in</strong>e<br />

mit Reibzeug, jedoch wurde letzteres nicht durch<br />

Federn, sondern durch Schrauben angepresst.<br />

Abbé Nollet <strong>in</strong> Paris baute um diese Zeit ebenfalls e<strong>in</strong>e<br />

Elektrisirmasch<strong>in</strong>e, mit. der er Funken erhielt, die Ide<strong>in</strong>e<br />

Thiere todten konnte, wodurch <strong>in</strong> sehr drastischer Weise<br />

die physiologische Wirkung der Elektrizität nachgewiesen<br />

wurde.<br />

In das Jahr 1746 lallt die Entdeckung der chemischen<br />

Wirkung der Elektrizität; Professor Krüger <strong>in</strong> Halle liess


16<br />

elektrische Funken durch die Kronblätter des sog. Feuermohns<br />

schlagen und bemerkte, dass der rothe Farbstoff dadurch<br />

zerstört wurde. In demselben Jahr führte der Engländer<br />

Benjam<strong>in</strong> Wilson an Stelle der Flachsfäden Böses den<br />

Saugkamm mit Metallspitzen der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e bei und<br />

nannte ihn „Collector".<br />

John Canton verwendete 1751 als Reibzeug e<strong>in</strong> <strong>in</strong> Oel getränktes<br />

Seidenkissen, als er aber im Jahr 1762 bemerkte,<br />

dass Glas beim E<strong>in</strong>tauchen <strong>in</strong> Quecksilber stark elektrisch<br />

wurde, kam er auf den vorzüglichen Gedanken, das Reibkissen<br />

mit Quecksilberlegirung, Z<strong>in</strong>namalgam genannt, zu<br />

überdecken (Priestley, Gesch. der Elekt.); dies gab sehr<br />

gute Resultate, war jedoch nicht ganz frei von Uebelständen.<br />

Erst 1788 gab Kanzleidirektor Kienmayer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Briefe an Ingenhouss (Journal de phys.) e<strong>in</strong>e Quecksilbermischung<br />

an, die heute noch <strong>in</strong> Gebrauch steht.<br />

Die erste Elektrisirmasch<strong>in</strong>e mit Glasscheibe wurde wohl<br />

zweifellos von Sem<strong>in</strong>ardirektor Planta aus Süss (Engad<strong>in</strong>)<br />

1755 gemacht, obzwar auch andere als Erf<strong>in</strong>der der Scheibenmasch<strong>in</strong>e<br />

genannt werden (Ramson, Ingenhouss, Laf'ond<br />

etc.)<br />

Fügen wir noch bei, dass der Wiener Mechaniker Karl.<br />

W<strong>in</strong>ter die Masch<strong>in</strong>e mit dem nach dem Erf<strong>in</strong>der benannten<br />

R<strong>in</strong>g ausstattete, so s<strong>in</strong>d wir am Schlüsse der Entwicklungsgeschichte<br />

der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e angelangt. Als<br />

Beispiel der Leistung e<strong>in</strong>er mit allen Verbesserungen ausgerüsteten<br />

Masch<strong>in</strong>e führen wir an, dass das Polytechnikum<br />

<strong>in</strong> Wien • e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>ter'sche Masch<strong>in</strong>e besitzt, die Funken<br />

von mehr als 1 m Länge gibt. (Hessler, techn. Physik I.<br />

489). Das Aufsehen, das die Wirkung der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e<br />

im Publikum hervorrief, wurde weit übertroffen von demjenigen<br />

der Verstärki<strong>in</strong>gsflasehe, auch Klelst'sche<br />

oder Leydiierflasche genannt. Dieselbe besteht bekanntlich<br />

aus e<strong>in</strong>er isolirenden Substanz <strong>in</strong> Batterieglasform,<br />

<strong>in</strong>nen und aussen mit e<strong>in</strong>em Leiter (Staniol) überzogen.<br />

Leitet man auf die <strong>in</strong>nere Belegung e<strong>in</strong>e Ladung z. B.<br />

positiver Elektrizität, wirkt dieselbe anziehend auf die


16<br />

negative Elektrizität der äussern Belegung, während die<br />

gleichnamige (positive) Elektrizität der äusseren Belegung<br />

abgestossen und durch die umgebenden Leiter <strong>in</strong> die Erde<br />

befördert wird. Die <strong>in</strong>nere, positive Ladung sucht die<br />

äussere, negative, mit sich zu vere<strong>in</strong>igen, was aber der<br />

zwischenliegende Isolator verh<strong>in</strong>dert. In diesem Zustand<br />

der Spannung nennt man die Flasche geladen. Die Ladung<br />

gleicht sich mit e<strong>in</strong>er gewaltigen Lebhaftigkeit aus, wenn<br />

irgend e<strong>in</strong> Leiter zwischen die äussere und <strong>in</strong>nere Belegung<br />

e<strong>in</strong>geschaltet wird; <strong>in</strong>folge dieses Umstandes tritt die Wirkung<br />

der Elektrizität viel auffallender zu Tage, als wenn<br />

dieselbe direkt von der Masch<strong>in</strong>e zur Verwendung kommt.<br />

Wir geben hier e<strong>in</strong>ige Notizen über die Erf<strong>in</strong>dung der<br />

Verstärkungsflasche. Es war am 11. Oktober 1745, als e<strong>in</strong><br />

Dechant zu Camm<strong>in</strong> <strong>in</strong> Pommern Namens v. Kleist, der, angeregt<br />

durch die damals Aufsehen erregende Elektrisirmasch<strong>in</strong>e,<br />

allerhand Versuche mit letzterer anstellte, versuchte,<br />

die eigenthümliche elektrische Kraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>gläschen<br />

zu leiten. Zu diesem Zwecke steckte er e<strong>in</strong>en<br />

eisernen Nagel durch den Kork des Glases und brachte<br />

den hervorragenden <strong>The</strong>il des letztem mit dem geladenen<br />

(Konduktor der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Berührung, das Glas<br />

mit der Hand haltend. Als er nach Wegnahme des Glases<br />

mit der andern Hand den Nagel herausziehen wollte, erhielt<br />

er e<strong>in</strong>en empf<strong>in</strong>dlichen Schlag. Dies Fläschchen v.<br />

Kleist's war (nach Poggendorffs Untersuchung) die erste<br />

Verstärkungsflasche.<br />

Nur wenige Monate später machte Professor van Musschenbroek<br />

<strong>in</strong> Leyden, ohne von Kleist's Entdeckung etwas zu<br />

wissen, den Versuch, Wasser zu elektrisiren und brachte,<br />

um die Kraft längere Zeit im Wasser e<strong>in</strong>gesperrt zu erhalten,<br />

letzteres <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Fläschchen, verpfropfte, und steckte<br />

e<strong>in</strong>en Metalldraht durch den Kork <strong>in</strong>'s Wasser. Das äussere<br />

Drahtende wurde mit e<strong>in</strong>em geladenen Conduktor <strong>in</strong> Berührung<br />

gebracht. E<strong>in</strong> Leydener Bürger Cunaeus hielt das<br />

Fläschchen während der Ladung <strong>in</strong> der Hand; als er nach<br />

vollendeter Ladung den Draht mit der andern Hand her-


17<br />

ausziehen wollte, verspürte er e<strong>in</strong>e starke Erschütterung.<br />

Zu Anfang des Jahres 1746 theilte v. Musschenbroek dem<br />

damals allgeme<strong>in</strong> bekannten Pariser Physiker Réaumur se<strong>in</strong>e<br />

Entdeckung mit und setzte h<strong>in</strong>zu, dass er „nicht um die<br />

Krone Frankreichs noch e<strong>in</strong>en zweiten Schlag aus se<strong>in</strong>er<br />

Flasche aushalten wollte." Réaumur theilte die Thatsache,<br />

dem Abt Nollet mit, der durch se<strong>in</strong>e Forschungen auf elektrischem<br />

Felde allgeme<strong>in</strong> grossen wissenschaftlichen Ruf<br />

besass. Nollet wiederholte den Versuch im Grossen, durch<br />

ihn wurde die Verstärkungsflasche allgeme<strong>in</strong> bekannt; er<br />

gab ihr den Namen „Leydenerflasche", da er zuerst Nachrichten<br />

über den bezüglichen Versuch aus Leyden erhalten<br />

hatte — dieser Name blieb der Flasche bis heute erhalten —<br />

obzwar die Priorität der Entdeckung unzweifelhaft v. Kleist<br />

zugesprochen werden muss. Mit bezüglichen Versuchen<br />

und Verbesserungen der Verstärkungsflasche f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong><br />

der nächstfolgenden Zeit beschäftigt : Gralath, Bürgermeister<br />

<strong>in</strong> Danzig (1708—1767), W<strong>in</strong>kler, Professor <strong>in</strong> Leipzig, Le<br />

Monnier <strong>in</strong> Paris, William Watson, (Konservator des britischen<br />

Museums, Dr. Levis, Benj. Frankl<strong>in</strong> und Mechaniker Smeaton<br />

<strong>in</strong> Austhorpe.<br />

Le Monnier und Watson versuchten die Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

der Fortpflanzung der Elektrizität <strong>in</strong> Drähten, Wasser<br />

und Erdboden zu messen. Beide fanden, dass die Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

zu gross sei, als dass sie nach ihren Methoden bestimmt<br />

werden könne. (Erst 1834 gelang es Wheatston vermittels<br />

e<strong>in</strong>es rotirenden Spiegels, diese Fortpflanzungs-<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeit zu messen.) Dr. Bevis wendete zuerst die<br />

äussere Belegung mit Z<strong>in</strong>nfolie an, auch belegte er e<strong>in</strong>e<br />

Glasscheibe auf beiden Seiten mit Z<strong>in</strong>nfolie, (seither als<br />

Frankl<strong>in</strong>tafel bekannt) und erhielt damit Schläge; dies veranlasste<br />

Whatson, thönerne Qefiisse <strong>in</strong>nen und aussen mit Silberfolie<br />

zu belegen — er stellte also die erste Kleisfsche Flusche<br />

<strong>in</strong> heute gebräuchlichem S<strong>in</strong>ne her. Die Erklärung der Wirkung<br />

hatte bisher noch ke<strong>in</strong> Forscher gegeben, obzwar es<br />

jeder versuchte, dies blieb Benjam<strong>in</strong> Frankl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Philadelphia<br />

und dem Esquire Robert Symmer <strong>in</strong> England vorbehalten.<br />

2


18<br />

Benjam<strong>in</strong> Frankl<strong>in</strong> wurde geboren den 17. Jänner 1706<br />

auf der Govemors<strong>in</strong>sel bei Boston als siebentes K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>es<br />

Seifensieders. Se<strong>in</strong> Vater wollte ihn <strong>The</strong>ologie studiren<br />

lassen, aber es fehlten ihm dazu die Geldmittel. So wurde<br />

er genöthigt, die Seifensiederei zu erlernen, was er jedoch<br />

mit stets wachsendem Widerwillen that. Nach 2 Jahren<br />

übergab ihn der Vater se<strong>in</strong>em ältern Sohne, der e<strong>in</strong>e Buchdruckerei<br />

besass. Hier bekam der Junge Gelegenheit zu<br />

lesen und studiren — bald übte er sich selbst <strong>in</strong> Schriftstellerei,<br />

wurde Redaktor. 1728 errichtete er e<strong>in</strong>e eigene<br />

Druckerei, die zu e<strong>in</strong>em grossartigen Geschäft sich entwickelte.<br />

Gleichzeitig gründete er viel humanitäre Anstalten<br />

und betheiligte sich <strong>in</strong> hervorragender und darum<br />

bald massgebender "Weise am öffentlichen Leben. In diese<br />

Zeit (1740—1753) fallen auch se<strong>in</strong>e elektrischen Versuche<br />

und Studien und die Erf<strong>in</strong>dung des Blitzableiters. Er wurde<br />

1753 Generalpostmeister der englisch-amerikanischen Colonien.<br />

In dieser Stellung fasste er zuerst den Plan, alle<br />

Colonien unter e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Bundesregierung mit selbstständiger<br />

Bundesverfassung zu vere<strong>in</strong>igen. Dies se<strong>in</strong> Bestreben<br />

brachte ihn natürlich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie um das Vertrauen<br />

Englands, dann um se<strong>in</strong>e Postmeisterstelle. Jetzt<br />

arbeitete er mit um so grösserer Energie an der Ausführung<br />

se<strong>in</strong>es Befreiungsplanes der Colonien und brachte wirklich<br />

die Unabhängigkeitserklärung zu Stande am 4. Juli 1776.<br />

Er blieb <strong>in</strong> hervorragender Weise politisch thätig, bis<br />

Krankheit und Alter ihn 1788 zwangen, se<strong>in</strong>e Aemter und<br />

Würden niederzulegen. Zwei Jahre später starb er als<br />

Amerikas grösster Bürger — den 17. April 1790. (Fig. 3.)<br />

In trefflicher Weise hat d'Alembert die zwei grossen Arbeiten<br />

— die politische und die wissenschaftliche — des<br />

hochbegabten Mannes auf dessen Büste verherrlicht mit<br />

dem Hexameter:<br />

Eripnit coelo sühnen, sceptrnmque tyrannis.<br />

(Er entriss dem Himmel den Blitz, das Scepter dem Tyrannen.)


»_ ,<br />

Fig. 3. Benjam<strong>in</strong> Frankl<strong>in</strong>.<br />

Zum Zwecke der Erklärung der heftigen Wirkungen<br />

der Verstärknngsflasche hatte Frankl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ganz neue<br />

<strong>The</strong>orie der Elektrizität aufgestellt. In derselben wurde<br />

zur Erklärung des elektrischen Gegensatzes die e<strong>in</strong>fache<br />

Annahme gemacht, alle Körper seien im gewöhnlichen<br />

(unelektrischen) Zustande mit verhältnismässig gleichen<br />

Quantitäten Elektrizität geladen und daher im elektrischen<br />

Gleichgewicht. Tritt irgendwo im Raume e<strong>in</strong>e Störung<br />

dieses Gleichgewichtes e<strong>in</strong>, so muss e<strong>in</strong> <strong>The</strong>il der Materie<br />

mit Elektrizität gleichsam überfüllt, während dafür e<strong>in</strong><br />

anderer <strong>The</strong>il unter das Gleichgewicht entleert werden<br />

muss (Ueberfluss — Mangel), e<strong>in</strong> Zustand, der unschwer als<br />

elektrische Spannung erkannt werden kann, und der nothwendig<br />

wieder dem Gleichgewicht zustrebt. Auf dieser


20<br />

Grundlage erklärte Frankl<strong>in</strong> die Wirkung der Kleist'schen<br />

Flasche. Wir bemerken hier noch, dass die früher von<br />

Dufay aufgestellte <strong>The</strong>orie der zwei entgegensetzten Elektrizitäten<br />

längst wieder <strong>in</strong> Vergessenheit gerathen war.<br />

Symmer stellte die <strong>The</strong>orie der positiven und negativen Elektrizität<br />

du Fay's neuerd<strong>in</strong>gs auf und benutzte dieselbe zur<br />

Erklärung der Leydenerflache ungefähr <strong>in</strong> der Art, wie<br />

dies heute noch geschieht. Es lag <strong>in</strong> den Erklärungen<br />

resp, elektrischen <strong>The</strong>orien Frankl<strong>in</strong>s und Symmers der<br />

tiefgehende Gegensatz, dass ersterer nur e<strong>in</strong>e, letzterer aber<br />

zwei Elektrizitäten <strong>in</strong> die Körper verlegten. Jede <strong>The</strong>orie<br />

fand eifrige Anhänger ; es gab darüber oft heftige Gelehrtenstreite.<br />

Im Allgeme<strong>in</strong>en fand Symmers <strong>The</strong>orie mehr<br />

Anhänger, sie wurde sogar die herrschende und erst die<br />

Thatsachen der neuesten Elektrizitätsforschungen weisen<br />

wieder mehr und mehr nach der Frankl<strong>in</strong>ischen (monistischen)<br />

Anschauung. Als e<strong>in</strong> Zeichen des edlen, wahrhaft<br />

grossen Geistes Frankl<strong>in</strong>s notiren wir hier das wohl e<strong>in</strong>zig<br />

dastehende Faktum, dass Frankl<strong>in</strong> mit grösster Bereitwilligkeit<br />

se<strong>in</strong>em Gegner Symmer Apparate und Instrumente<br />

lieh, die letzterem zur Stützung se<strong>in</strong>er <strong>The</strong>orie nothwendig<br />

erschienen! Als eng mit dem Namen Frankl<strong>in</strong>s<br />

verwachsen muss die Erf<strong>in</strong>dung der Schutzvorrichtung<br />

gegen den Blitz, der Blitzableiter bezeichnet werden.<br />

Es ist <strong>in</strong> neuerer Zeit oft behauptet worden, die alten<br />

Ch<strong>in</strong>esen, Inder, Aegypter etc. seien schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen<br />

Grade mit der Elektrizität bekannt gewesen, dass sie es<br />

schon <strong>in</strong> jenen längstverflossenen Zeiten haben unternehmen<br />

können, Schutzvorrichtungen gegen den Blitz zu erstellen.<br />

DUnnicher gibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er 1877 <strong>in</strong> Strassburg erschienenen<br />

„Baugeschichte des Denderatempels" Seite 13 an, dass schon<br />

die alten Aegypter neben ihren Tempeln mit Kupfer beschlagene<br />

und vergoldete Mastbäume aufgerichtet haben „um<br />

zu brechen das aus der Höhe kommende Unwetter".<br />

A. W. Zimmermann hat <strong>in</strong> den 50er Jahren unseres Jahrhunderts<br />

darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass die vielen Metallspitzoi


21<br />

auf dem goldbeschlagenen Dache des Salomonischen Tempels<br />

mit den kupfernen Wasserableitungsröhren, die vom Dache<br />

<strong>in</strong> Cysternen Ir<strong>in</strong>unterführten, wohl von den Erbauern des<br />

Tempels als Blitzableiter angebracht worden seien.<br />

Ktesias, Arzt des Perserkönigs Artaxerxes Memon (5. Jahrhundert<br />

vor Chr.) erzählt, dass die Inder lange Eisenstangen<br />

<strong>in</strong> den Boden stecken, um die Blitzstrahlen und Gewitter<br />

abzuleiten. Die Ch<strong>in</strong>esen sollen zu demselben Zwecke oben<br />

zugespitzte Bambusröhren aufgerichtet haben. Von anderer<br />

Seite werden jedoch den Alten alle auf Elektrizität bezüglichen<br />

Kenntnisse bestritten und aus den unrichtigen und<br />

oft geradezu verkehrten Ansichten der Gelehrten des Alterthums<br />

bewiesen, dass ihre Kenntnisse über Blitz und Gewitter<br />

werthlos waren. Wir reproduziren hier die Ansichten<br />

des Macedoniers Aristoteles und des römischen<br />

Schriftstellers Pl<strong>in</strong>ius.<br />

Aristoteles erklärte Donner und Blitz durch „trockene<br />

Ausdünstung, welche durch die Wolken zusammengepresst<br />

und entzündet werden. Diese Me<strong>in</strong>ung nahm man allgeme<strong>in</strong><br />

an und wir f<strong>in</strong>den si« sogar bei Descartes wieder, wenn<br />

er me<strong>in</strong>t, e<strong>in</strong>e höher gelegene Wolke stürze wie e<strong>in</strong>e Law<strong>in</strong>e<br />

auf e<strong>in</strong>e tieferstehende herab und presse hierdurch die<br />

„trockene Exhalation 11 mächtig zusammen bis zum Entzünden."<br />

Pl<strong>in</strong>ius sec. sagt im 2. Buche pag. '67 se<strong>in</strong>er Bist. nat. <strong>in</strong> Bezug<br />

auf Blitz und das sogen. Elmsfeuer: „Es gibt Sterne auf dem<br />

„Meere und auf dem Lande; ich selbst sah den Speeren<br />

„der Soldaten, die Nachts Wache standen, e<strong>in</strong> Sternenlicht<br />

„anhangen. Auch auf die Segelstangen der Schiffe setzen<br />

„sie sich mit eigenthümlichem Geräusch, wie Vögel hüpfend.<br />

„ Wenn sie e<strong>in</strong>zeln kommen, s<strong>in</strong>d sie verderblich, die Schiffe<br />

„<strong>in</strong> den Grund bohrend und wenn sie auf den Boden gesunken<br />

s<strong>in</strong>d, die Kiele entzündend. Als Doppelsterne s<strong>in</strong>d<br />

„sie heilsam, Boten e<strong>in</strong>er glücklichen Fahrt" etc. etc. Nun<br />

„setzt Pl<strong>in</strong>ius h<strong>in</strong>zu: „Die Ursache aber von allem ist unbekannt,<br />

verborgen <strong>in</strong> der Majestät der Natur." Man muss<br />

allerd<strong>in</strong>gs gestehen, wenn man sieht, welche absonder-


22<br />

liclien Ideen selbst die weisesten Männer jener und noch,<br />

späterer Zeiten über den Gegenstand gehabt haben, dass<br />

man die Blitzableiter ältern Datums <strong>in</strong>'s Reich der Mythe<br />

zu versetzen Anlass genug hätte.<br />

"Wir haben <strong>in</strong> den Annalen der Physik und Chemie Jahrgang<br />

1877 e<strong>in</strong>e von Dr. Munk herrührende Notiz gefunden,<br />

welche lautet : „Talmud Tosefta Sabbath XII. Ende, f<strong>in</strong>det<br />

„sich e<strong>in</strong>e Stelle des Inhalts. „„Wer e<strong>in</strong> Eisen stellt zwi-<br />

„„sehen Geflügel übertritt das Verbot der Nachahmung<br />

„„heidnischer Sitten ; zum Schutze vor Blitz und Donner ist<br />

nridies jedoch zu thun erlaubt."" Es ergiebt sich daraus, dass<br />

„man im 4. bis 5. Jahrhundert n. Chr. den E<strong>in</strong>fluss des<br />

„Blitzes auf Metalle, ja e<strong>in</strong>e ähnliche E<strong>in</strong>richtung wie die<br />

„der Franld<strong>in</strong>'schen Blitzableiter gekannt hat." Der Inhalt<br />

dieser Notiz lässt ke<strong>in</strong>en Zweifel darüber aufkommen, dass<br />

man lange vor Frankl<strong>in</strong> Blitzableiter erstellt hat. Alle<br />

Thatsachen zusammenhaltend sche<strong>in</strong>t uns, dass im Alterthum<br />

wirklich Blitzableiter erstellt worden s<strong>in</strong>d, ohne jedoch<br />

über der Natur des Blitzes, se<strong>in</strong>er Verwandtschaft mit der<br />

Bernste<strong>in</strong>kraft (Elektrizität) und* der Art der "Wirksamkeit<br />

der Blitzableiter e<strong>in</strong>en Begriff zu haben. Es mag den Alten<br />

die Thatsache aufgefallen se<strong>in</strong>, dass der Blitz hauptsächlich<br />

hohe spitzige Gegenstände trifft, was ja genügt haben mag,<br />

um Gegenstände durch extra erstellte höhere zu schützen;<br />

hiezu waren ke<strong>in</strong>e Kenntnisse über die Natur des Blitzes<br />

von Nöthen.<br />

Erst im Jahr 1708 sche<strong>in</strong>t die Idee der elektrischen<br />

Natur des Blitzes aufgedämmert zu se<strong>in</strong>. Die Ehre diesen<br />

Zusammenhang zuerst erkannt zu haben gebührt wohl unstreitig<br />

dem Engländer Dr. Wall. Am Schlüsse e<strong>in</strong>er Abhandlung<br />

<strong>in</strong> Philos-Trans. 1708 über die Funken, welche er<br />

aus e<strong>in</strong>em grossen mit Seide geriebenen Bernste<strong>in</strong>stück zog,<br />

behauptet er die Identität des Blitzes und des elektrischen<br />

Funkens mit folgenden schlichten "Worten: „Dieses Licht<br />

und Knistern sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>igermassen Blitz und Donner vorzustellen."<br />

In e<strong>in</strong>em 1746 <strong>in</strong> Leipzig erschienenen Schriftchen<br />

von Dr. "W<strong>in</strong>kler, betitelt: Die Stärke der elektrischen


23<br />

Kraft, des "Wasser« <strong>in</strong> gläsernen Gelassen (sieh Kleist'sche<br />

Flasche) bespricht W<strong>in</strong>kler e<strong>in</strong>lässlich die Frage ob Blitz<br />

und Donner dasselbe sei wie Funke und Knall e<strong>in</strong>er elektrischen<br />

Entladung und kommt zu dem bestimmten Schlüsse,<br />

die beiden Ersche<strong>in</strong>ungen unterscheiden sich nur dem Grade<br />

nicht dem Wesen nach. Als Quelle der Gewitterelektrizität<br />

bezeichnet W<strong>in</strong>kler a. a. ü. die Verdunstung und damit<br />

verbundene Reibung der Wassertheilchen an festen Körpern.<br />

Im folgenden Jahre, 1747 entdeckte Frankl<strong>in</strong> die sogenannte<br />

„Spitzenwirkung" dar<strong>in</strong> bestehend, dass die Elektrizität<br />

mit auffallender Leichtigkeit aus e<strong>in</strong>em geladenen Körper<br />

ausströmt, wenn sich an demselben Spitzen, scharfe Ecken etc.<br />

bef<strong>in</strong>den, durch welche die Elektrizität leicht <strong>in</strong> die Umgebung<br />

abfliesst. Indem nun Frankl<strong>in</strong> diese „Spitzenwirkung"<br />

mit der von Wall und W<strong>in</strong>kler vermutheten<br />

elektrischen Natur des Blitzes zusammenfasste, kam er auf<br />

die Idee, die Ladungen der Gewitterelektrizität durch die<br />

Wirkung von Spitzen abzuleiten. In e<strong>in</strong>em Briefe an Coll<strong>in</strong>son<br />

vom 29. Juli 1760 schreibt Frankl<strong>in</strong> am Schlüsse:<br />

„Wenn es sich so verhält, könnte nicht unsere Kenntniss<br />

„von der Kraft der Spitzen dem Menschengeschlecht von<br />

„Nutzen se<strong>in</strong>, ihm Häuser, Kirchen Schiffe etc. vor dem<br />

„Blitzschlag zu bewahren, <strong>in</strong>dem es uns dazu führt, auf<br />

„den höchsten <strong>The</strong>ilen dieser Gebäude aufrecht stehende,<br />

„eiserne Stangen zu befestigen, die so scharf wie e<strong>in</strong>e Nadel<br />

„gemacht und, um Rost abzuhalten, vergoldet s<strong>in</strong>d ? Von<br />

„dem Fusse dieser Stangen müsste e<strong>in</strong> Draht an der Aussen-<br />

„seite der Häuser bis <strong>in</strong> den Boden oder das Wasser genleitet<br />

werden. Diese spitzen Stangen würden wahrsche<strong>in</strong>-<br />

„lieh das elektrische Feuer der Wolken ganz geräuschlos<br />

„weit früher ableiten, als dieselbe nahe genug zum E<strong>in</strong>-<br />

„schlagen käme und würde mis dadurch vor plötzlichen<br />

„und schrecklichen Unglücken bewahren. (New experiments<br />

1751 übersetzt von Wilke). Um diese von Frankl<strong>in</strong><br />

im November 1749 gefasste, im Juli 1750 publizirte Idee<br />

praktisch zu begründen und auszuführen hatte er zwei Verfahren<br />

ausgedacht : e<strong>in</strong>erseits die Erzeugung und Ansamm-<br />


24<br />

lung der Elektrizität <strong>in</strong> solchem Grade zu steigern, dass<br />

blitzähnliche Resultate sich ergeben müssen, anderseits vermittels<br />

Stangen und Spitzen die Elektrizität der Wolken<br />

herabzuführen und zu untersuchen. Zu letzterem Zwecke<br />

schlug Frankl<strong>in</strong> vor auf hohen Punkten e<strong>in</strong>e oben zugespitzte<br />

Eisenstange aufzurichten, dieselbe jedoch vom Boden<br />

isolirt zu befestigen ; nach se<strong>in</strong>er Vermuthung müsste dann<br />

<strong>in</strong>folge der Spitzenwirkung das untere Stangenende freie<br />

Elektrizität zeigen. Indem Frankl<strong>in</strong> mit der Ausführung<br />

des ersten Projektes — Verstärkung der künstlich erzeugten<br />

Elektrizität — sich beschäftigte, kamen ihm die zwei Franzosen<br />

Dalibard und Delor mit der Ausführung des zweiten<br />

zuvor, <strong>in</strong>dem dieselben im Frühl<strong>in</strong>g 1752 <strong>in</strong> Marly-la-ville<br />

bei Paris e<strong>in</strong>e 32 Meter hohe Stange aufrichteten und am<br />

10. Mai 1752 beim Aufsteigen e<strong>in</strong>es Gewitters mächtige<br />

Funken aus dem untern Stangenende ziehen konnten. Im<br />

Juni desselben Jahres machte Frankl<strong>in</strong> ohne von den Resultaten<br />

Dalibards und Delors etwas zu wissen dasselbe<br />

Experiment <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er etwas andern Anordnung ; er liess bei<br />

e<strong>in</strong>em Gewitter e<strong>in</strong>en sog. „Drachen" steigen. An das<br />

untere Ende der Schnur, die mit Seidenschl<strong>in</strong>gen gehalten<br />

wurde, hatte er e<strong>in</strong>en Schlüssel befestigt. Als die Schnur<br />

durch den Regen etwas angefeuchtet worden war, konnte<br />

Frankl<strong>in</strong> aus dem Schlüssel Funken ziehen. Es ist sicher<br />

auffallend, dass Frankl<strong>in</strong> nun nicht sofort an die Ausführung<br />

e<strong>in</strong>es Blitzableiters gieng.<br />

Nach bisheriger Annahme wurde das Resultat der Versuche<br />

Dalibards und Frankl<strong>in</strong>s durch den Leipziger Professor<br />

"W<strong>in</strong>kler <strong>in</strong> Deutschland bekannt gemacht, wodurch<br />

e<strong>in</strong> <strong>The</strong>ologe Prokop Divisch (geb. 1696 <strong>in</strong> Senftenberg Böhmen)<br />

veranlasst wurde, e<strong>in</strong>en Blitzableiter auszuführen. Nach<br />

neuesten Untersuchungen verschiedener Östreich. Physiker<br />

(„Blitz u. Blitzschutzvorrichtivngen" von Ritter Urbanitzki)<br />

aber soll Divisch ganz selbständig und ohne von Frankl<strong>in</strong>s<br />

Forschungsergebnissen etwas zu wissen die Spitzenwirkung<br />

entdeckt haben und dadurch auf die Idee des<br />

Blitzableiters gekommen se<strong>in</strong>. Tlmtsache ist, dass Divisch


25<br />

1754 auf se<strong>in</strong>er Wohnung, dem Pfarrhaus zu Prenditz <strong>in</strong><br />

Böhmen e<strong>in</strong>en auf ivissenschaftliclie Erkenntniss basirteu Blitzableiter<br />

praktisch ausführte — den ersten <strong>in</strong> Europa, ja der<br />

ganzen Erde. (Die hypothetischen Blitzableiter der Alten<br />

waren nicht auf Erkenntniss der Gewitternatur gegründet.)<br />

Unglücklicherweise herrschte im Sommer 1759 <strong>in</strong> Böhmen<br />

e<strong>in</strong>e anhaltende Trockne ; die Prenditzer-Bauern kamen<br />

auf den E<strong>in</strong>fall diese werde von des Pfarrers Blitzableiter<br />

verursacht, die bl<strong>in</strong>de Wuth der Bauern führte diese so<br />

weit, dass sie <strong>in</strong> der Nacht des 10. März 1760 den Blitzableiter<br />

Divisch's gewaltsam herunterrissen. Divisch durfte<br />

nicht wagen, e<strong>in</strong>en neuen zu erstellen ; er wandte sich an<br />

se<strong>in</strong>en fürstlichen Gönner Kaiser Franz um die Erlaubnis«,<br />

an verschiedenen Orten ausser Prenditz Blitzableiter aufrichten<br />

zu dürfen, aber vergebens, „da die Wiener Mathematiker<br />

weder die Möglichkeit noch den Nutzen der Masch<strong>in</strong>e"<br />

e<strong>in</strong>sehen konnten. So kam es, dass Divisch und<br />

se<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung vergessen blieb, während Frankl<strong>in</strong>s Versuche<br />

und Vorschläge unterstützt durch den freien amerikanischen<br />

Untersuchungsgeist und nicht beneidet und verfolgt<br />

von e<strong>in</strong>er Zunftgelehrtenkaste allgeme<strong>in</strong> bekannt,<br />

bewundert und nachgeahmt wurde. Frankl<strong>in</strong> führte im<br />

Jahr 1760 (also 6 Jahre nach Divisch) den ersten Blitzableiter<br />

aus und zwar auf dem Hause e<strong>in</strong>es Kaufmann's<br />

West <strong>in</strong> Philadelphia. Im Jahre 1782 waren von den 1300<br />

Häusern Philadelphia's schon 400 mit Blitzableitern versehen.<br />

Von Amerika aus fanden nun die Blitzableiter rasch<br />

überall E<strong>in</strong>gang. Erst <strong>in</strong> neuerer Zeit ist die Wirksamkeit<br />

der Blitzableiter angezweifelt worden, die Ursache liegt<br />

<strong>in</strong>dessen nicht <strong>in</strong> der Idee, sondern mehr <strong>in</strong> der nicht völlig<br />

der Idee entsprechenden Ausführung. '<br />

Es ist hier nicht der Ort näher auf diesen Gegenstand<br />

e<strong>in</strong>zutreten.<br />

Nicht unerwähnt wollen wir hier lassen, dass die Versuche<br />

Dalibard's und Frankl<strong>in</strong>'», die Gewitterelektrizität<br />

herabzuleiten von andern vielfach wiederholt wurden. De<br />

Romas, Richter <strong>in</strong> Nerac, liess am 7. Juni 1753 e<strong>in</strong>en fast


26<br />

2 m 2 grossen Drachen steigen <strong>in</strong> dessen Schnur er, von<br />

e<strong>in</strong>em guten E<strong>in</strong>fall geleitet, e<strong>in</strong>en Metalldraht e<strong>in</strong>geflochten<br />

hatte, er erhielt daraus als der Drache circa 180 m gestiegen<br />

war mit e<strong>in</strong>em donnerähnlichen Knall drei Explosionen ;<br />

ja am 26. August 1756 erhielt er daraus 3 m lange und 3 cm<br />

dicke Funken. Wie gefährlich derartige Experimente s<strong>in</strong>d,<br />

musste Professor Richmann <strong>in</strong> Petersburg erfahren. Er<br />

hatte 1753 e<strong>in</strong>e Eisenstange isolirt auf se<strong>in</strong> Haus befestigen<br />

lassen; das untere Ende der Stange befand sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Studirzimmer. Als Richmann <strong>in</strong> Begleit se<strong>in</strong>es Freundes<br />

SokolofF am 6. August 1753, als e<strong>in</strong> Gewitter am Himmel<br />

stand, <strong>in</strong> das Zimmer trat, fuhr e<strong>in</strong> grosser Feuerball aus<br />

der Stange nach se<strong>in</strong>em Kopfe. Richmann war augenblicklich<br />

todt; se<strong>in</strong> Begleiter stürzte gleichfalls zusammen, erholte<br />

sich jedoch bald wieder.<br />

Versuche und Studien für Erklärung der Kleist'schen<br />

Flasche veranlasste nicht nur den Frankl<strong>in</strong>-Symmerschen<br />

Streit (Monismus gegen Dualismus) der so grossen Nutzen<br />

für die "Weiterentwicklung der Elektrizität bed<strong>in</strong>gte, sondern<br />

sie führten im Jahre 1775 zur Erf<strong>in</strong>dung des Elektrophors<br />

und des Condensators durch Alessandro<br />

Vol ta. Diese Erf<strong>in</strong>dungen Voltas wurden der Ausgangspunkt<br />

e<strong>in</strong>er Reihe anderer, als deren Schlussglied die Holzsehe<br />

Influenzmasch<strong>in</strong>e (1865) zu bezeichnen ist.<br />

Lichtenberg entdeckte 1777 die nach ihm benannten Staubfiguren,<br />

welche den erwähnten Streit für e<strong>in</strong>mal und zwar<br />

zu Gunsten Symmers entschieden.<br />

Erwähnen wir noch die Konstruktion des Holundermarkelektrometers<br />

durch John Canton (1718—1772), des Strohhalmelektrometers<br />

und se<strong>in</strong>er Comb<strong>in</strong>ation mit dem Conclensator<br />

durch Volta 1787 — und endlich der Arbeiten Coulomb's, <strong>in</strong><br />

welchen zum ersten Mal elektrische Wirkungen e<strong>in</strong>e mathematische<br />

Berechnung erfahren (Torsionswage, Proportionalität<br />

der elektrischen Anziehung resp. Abstossung und<br />

der Quadrate der Entfernungen) und endlich die Entdeckung<br />

der animalischen Elektrizität durch Dr. John Walsh<br />

1772 an e<strong>in</strong>em Zitterrochen — dann haben wir die wich-


27<br />

tigern Entwicklungs-Momente der Lehre von der statischen<br />

Elektrizität berührt.<br />

Es trat nun gegen Ende des vorigen Jahrhunderts e<strong>in</strong>e<br />

lang andauernde Stockung auf dem Gebiete der Elektrizitätsforschung<br />

e<strong>in</strong>; es schien, als ob die Kenntnisse der<br />

elektrischen Ersche<strong>in</strong>ungen zum Abschlüsse gekommen<br />

wären. Es wurde zwar viel studirt und experimentirt, aber<br />

nichts deutete auf neue Entdeckungen h<strong>in</strong>, ja es wollte<br />

sich nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Richtung zu erkennen geben, welche<br />

weitere Forschungen etwa verfolgen könnten.<br />

Da fiel plötzlich, wie e<strong>in</strong> Blitz vom hellen Himmel, e<strong>in</strong>e<br />

zufällige Beobachtung des italienischen Physiologen Galvani •<br />

auf das Forschungsfeld nieder, welche berufen war, der<br />

Elektrizitätsforschung neue Bahnen mit ungeahnten Erfolgen<br />

zu erschliessen.


28<br />

II.<br />

Die galvanische Elektrizität.<br />

Die zufällige Beobachtung Gralvani's, welche für die<br />

Weiterentwicklung der Elektrizitätslehre den ersten Anstoss<br />

gab, wird verschieden dargestellt, man ist auch über die<br />

Zeit der Beobachtung nicht ganz im Klaren. Wir benutzen<br />

» im Folgenden die wahrsche<strong>in</strong>lichste Darstellung, wie sie<br />

Whewell <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geschichte der <strong>in</strong>duktiven Wissenschaften<br />

gibt, stellen derselben aber e<strong>in</strong>ige Notizen über das Leben<br />

Galvanis voraus.<br />

Fig. 4. Luigi Aloisio Galvani.


29<br />

Luigi Aloisio Galvani (Fig. 4) wurde am 9. Sept. 1737 <strong>in</strong> Bologna<br />

geboren. Obwohl er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Jugend e<strong>in</strong>en starken<br />

Hang zur <strong>The</strong>ologie hatte und entschlossen war, <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Kloster zu gehen, wendete er sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Studienjahren<br />

plötzlich de<strong>in</strong> Studium der Mediz<strong>in</strong> zu. Er wurde 1762<br />

Professor der Physiologie <strong>in</strong> Bologna. Die grosse Revolution<br />

brachte se<strong>in</strong>em Heimatlande 1797 e<strong>in</strong>e republikanische<br />

Staatsverfassung. Galvani weigerte sich, der republikanischen<br />

Regierung den Beamteneid zu leisten, daher wurde<br />

ihm die Professur entzogen, später wurde ihm diese wieder<br />

angetragen, aber se<strong>in</strong> Gesundheitszustand liess ihn dieselbe<br />

nicht mehr annehmen. Galvani starb am 4. Dec. 1798 <strong>in</strong><br />

Armut und Noth. Man nimmt als Zeitpunkt jener wichtigen<br />

Entdeckung, die Galvani's Unsterblichkeit sicherte,<br />

das Ende des Jahres 1789 an. Whewell stellt den Hergang<br />

wie folgt dar: „Galvani's kranker Frau wurde zur Wiederherstellung<br />

ihrer Gesundheit Froschsuppe verordnet, die<br />

„Galvani selbst ihr zu bereiten pflegte. Zufällig lagen<br />

„e<strong>in</strong>ige bereits abgehäutete Froschsenkel auf e<strong>in</strong>em Tische<br />

„neben e<strong>in</strong>er Elektrisirmasch<strong>in</strong>e. E<strong>in</strong> Gehilfe berührte<br />

„ebenso zufällig mit der Messerspitze e<strong>in</strong>en dieser Schenkel,<br />

„der sogleich <strong>in</strong> lebhafte Zuckung gerieth. Die dabei gegen-<br />

„wärtige kranke Frau glaubte bemerkt zu haben, dass diese<br />

„Zuckungen <strong>in</strong> demselben Augenblicke statthatten, als e<strong>in</strong><br />

„Funke aus der elektrischen Masch<strong>in</strong>e sprang. Sie berichtete<br />

es ihrem Manne, der sogleich den Versuch wieder-<br />

„holte und weiter verfolgte. Er fand diese Zuckungen immer<br />

„wiederkehren, so oft man der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e Funken<br />

„entzog und zu gleicher Zeit den Frosch mit e<strong>in</strong>em Elek-<br />

„trizitätsleiter, z. B. mit e<strong>in</strong>em Metalldraht berührte."<br />

Mit weiterem Verfolgen der Ersche<strong>in</strong>ung beschäftigt,<br />

h<strong>in</strong>g Galvani e<strong>in</strong>mal zufällig e<strong>in</strong>en frisch enthäuteten<br />

Froschschenkel mittelst e<strong>in</strong>es Kupferhakens an e<strong>in</strong>em eisernen<br />

Geländer se<strong>in</strong>er Terrasse auf. Sobald nun e<strong>in</strong> Sclienkel<br />

bei irgend e<strong>in</strong>er von aussen veranlassten Bewegung mit dem<br />

untern Ende das Eisen berührte, zuckte er lebhaß zusammen.<br />

Diese Zuckungen verdienen e<strong>in</strong> weit höheres Interesse, als


30<br />

die frühern <strong>in</strong> der Nähe der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e aufgetrenen,<br />

welche bloss die Folge der E<strong>in</strong>wirkung der längst<br />

bekannten Reibungselektrizität (Influenzersche<strong>in</strong>ung und<br />

sog. Rückschlag) waren. In diesen Zuckungen aber demonstrirte<br />

sich zum ersten Mal jene andersgeartete elektrische<br />

Kraft, die seither unter dem Namen „Gralvanismus" e<strong>in</strong>e so<br />

grosse praktische Bedeutung erlangte. Es sei uns gestattet,<br />

hier e<strong>in</strong>ige Bemerkungen über den „Zufall", der bei der<br />

Galvanischen Entdeckung e<strong>in</strong>e so hervorragende Holle<br />

spielte, e<strong>in</strong>zuflechten.<br />

Die Geschichte ist sehr freigebig mit der Zufälligkeit.<br />

E<strong>in</strong> Zufall liess Galilei 1602 die Schw<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er Kirchenlampe<br />

beobachten, welche Beobachtung Galilei zu<br />

den Pendelgesetzen führte. E<strong>in</strong> „zufällig" von e<strong>in</strong>em<br />

Baume fallender Apfel soll Newton 1666 zur Entdeckung<br />

der Gravitation geleitet, ebenso soll e<strong>in</strong> Zufall Örsted<br />

1820 die Wirkung des elektrischen Stromes auf die<br />

Magnetnadel gezeigt haben etc. etc. Unwillkürlich drängt<br />

sich hier vorerst die Frage auf, warum solche Zufälle vorzüglich<br />

Geistern vom Schlage Galilei's und Newton's begegnen?<br />

"Wie viele Leute haben vor Galilei Lampen<br />

schw<strong>in</strong>gen, vor Newton Aepfel fallen gesehen! Zu was<br />

haben jene Zufälle geführt?<br />

Man kann nicht <strong>in</strong> Abrede stellen, dass <strong>in</strong> der oben citirten<br />

Darstellung der Entdeckung Galvani's: Krankheit der<br />

Frau, Frösche, arbeitende Elektrisirmasch<strong>in</strong>e, Berührung<br />

mit dem Messer etc. wirklich e<strong>in</strong>e ganze Anzahl Thatsachen<br />

sich „zufällig" zusammenfanden. Aber diese haben durchaus<br />

nichts neues vorgeführt, da die Froschschenkel dabei<br />

bloss Elektrometer waren, welche die Wirkungen der Elektrisirmasch<strong>in</strong>e<br />

anzeigten; die Wirkung der statischen Elektrizität<br />

auf die lebenden Nerven und Muskeln war längst<br />

bekannt; Kratzenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> Halle, der erste, der elektrische Heilversuche<br />

an e<strong>in</strong>em gelähmten F<strong>in</strong>ger anstellte (1744), sah hiebei,<br />

dass die Elektrizität „muskelzusammenziehend" wirke,<br />

Nollet, Cavallo und van Marnum hatten vor Galvani den E<strong>in</strong>fluss<br />

der Elektrizität auf Puls, Hautausdünstung und Wachs-


31<br />

thum studirt. Erst mit jenem wichtigen Momente, da<br />

Galvani Zuckungen der Froschschenkel ohne Elektrisirmasch<strong>in</strong>e<br />

und ohne athmosphärische Elektrizität, bloss<br />

durch Berührung von Eisen, das mit dem Kupfer <strong>in</strong> Berührung<br />

war, zu Stande brachte, hat Galvani die grosse<br />

Entdeckung der dynamischen Elektrizität gemacht; dies geschah<br />

aber, wie ausdrücklich bemerkt wird, erst „im weitem<br />

Verfolgen" der ersten Wahrnehmung, d. h. die Entdeckung<br />

war eigentlich die Folge se<strong>in</strong>es absichtlichen Forschern.<br />

Die galvanische Entdeckung fiel <strong>in</strong> die Zeit, da man<br />

eifrig nach der „Lebenskraft" forschte. Galvani nahm nun<br />

an, die Zuckungen der Froschschenkel seien Aeusserungen<br />

der noch zurückgebliebenen Lebenskraft, die bei der Berührung<br />

von Metallen oder andern Elektrizitätsleitern nach<br />

Art elektrischer Entladungen ausgeglichen werde; war<br />

doch damit e<strong>in</strong> Schlüssel gegeben, das Räthsel der Lebenskraft<br />

zu lösen; begreiflich daher, dass Galvani dieser Idee<br />

mit ganzer H<strong>in</strong>gebung lebte. Die Identität der Lebenskraft<br />

und der Elektrizität nachgewiesen zu haben, wäre<br />

gewiss e<strong>in</strong>e That, des grössten Ruhmes werth, gewesen,<br />

obzwar damit <strong>in</strong> der Erklärung des Lebens nichts erreicht<br />

gewesen wäre, als dass man für den unbekannten Begriff<br />

statt des räthselhaften Namens „Lebenskraft" e<strong>in</strong>en andern,<br />

ebenso räthselhaften „Elektrizität" hätte setzen können.<br />

Immerh<strong>in</strong> wären zwei schwierige Aufgaben auf e<strong>in</strong>e rednzirt<br />

gewesen und zwar auf e<strong>in</strong>e, die zu lösen mehr "Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

hat als die Frage der sog. Lebenskraft.<br />

Die Beharrlichkeit, mit der Galvani an der Erklärungsweise<br />

se<strong>in</strong>er Entdeckung festhielt und die von vielen Gelehrten<br />

so Ald<strong>in</strong>i, Humboldt u. a. unter dem Namen „animalische<br />

Elektrizität" angenommen und verteidigt wurde,<br />

h<strong>in</strong>derte ihn nicht bloss am Fortschreiten auf dem ruhmreich<br />

betretenen Pfad, ne<strong>in</strong> — sie war für ihn die Quelle<br />

namenlosen Seelenschmerzes und e<strong>in</strong>es verbitterten Lebensabends.<br />

Nach Bekanntwerden der Entdeckung Galvani's wurde<br />

der Versuch von vielen wiederholt und varirt. Es traten


m<br />

Gegner se<strong>in</strong>er Ansicht über die Ursache der Ersche<strong>in</strong>ung<br />

auf, worunter hauptsächlich Volta, der auf elektrischem Felde<br />

schon durch Erf<strong>in</strong>dung des Elektrophors. Kondensators<br />

u. a. <strong>in</strong>. e<strong>in</strong>en grossen Ruf erworben hatte, hervorragte.<br />

Fig. 5. Alessandro Volta.<br />

Alessandro Volta (Fig. 5) wurde den 18. Febr. "1745 zu Como<br />

geboren. • Er widmete sich von Jugend auf naturwissenschaftlichen<br />

Studien und se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit wurde<br />

schon früh von den elektrischen Ersche<strong>in</strong>ungen gefesselt.<br />

1774 wurde er Professor der Physik und Rektor des Gymnasiums<br />

se<strong>in</strong>er Vaterstadt. Er erhielt 1799 e<strong>in</strong>en Ruf an<br />

die Universität Padua, dem er folgte. In dieser Stellung<br />

und über e<strong>in</strong> wohlausgerüstetes physikalisches Cab<strong>in</strong>et verfügend<br />

erhielt er Kunde von Gralvani's Entdeckung und


33<br />

schloss sich anfänglich der Auffassung des Entdeckers an;<br />

bei "Wiederholimg der Versuche mit mannigfachen Abänderungen<br />

kam er jedoch zu e<strong>in</strong>er pr<strong>in</strong>zipiell ganz andern<br />

Deutung derselben. Er fand die Ursache der Elektrizitätserregung<br />

nicht <strong>in</strong> den Froschschenkeln, sondern <strong>in</strong> der Berührung<br />

von zwei verschiedenen Metallen, wobei die Froschschenkel,<br />

resp, die Sensibilität der Nerven als Elektroskop<br />

wirkten. Zwischen den Anhängern beider Anschauungen<br />

entbrannte jetzt e<strong>in</strong> lebhafter Streit, der <strong>in</strong> der Folge e<strong>in</strong>e<br />

Fülle neuer Thatsachen zu Tage förderte. Als endlich<br />

Volta die Entdeckung machte, dass zwei Platten verschiedener<br />

Metalle nach e<strong>in</strong>er gegenseitigen Berührung entgegengesetzte<br />

elektrische Ladungen enthielten, die vermittels<br />

se<strong>in</strong>es (Kondensators sichtbar gemacht werden konnten, war<br />

der Streit zu Gunsten Volta's entschieden, da jeder E<strong>in</strong>fluss<br />

e<strong>in</strong>es thierischen Organismus ausgeschlossen werden konnte.<br />

Volta eilte nun von Entdeckung zu Entdeckung und<br />

krönte se<strong>in</strong>e Arbeit schliesslich mit der Erf<strong>in</strong>dung der nach<br />

ihm benannten „ Voltaischen Säule", die durch Aufe<strong>in</strong>anderschichten<br />

von Z<strong>in</strong>k- und Kupferplatten mit zwischengelegten<br />

angesäuerten Tuchlappen erstellt wurde und e<strong>in</strong>en starken<br />

elektrischen Strom lieferte.<br />

Diese Erf<strong>in</strong>dung fällt auf's Ende des Jahres 1799; mit<br />

derselben übergab Volta dem anbrechenden 19. Jahrhundert<br />

e<strong>in</strong>e neue Elektrizitätsquelle, deren Bedeutung sich am<br />

besten zeigt, wenn man die weitere Entwicklung jenes<br />

<strong>The</strong>iles der Elektrizitätslehre verfolgt, welche man heute<br />

unter dem Namen „Galvanismus" zusammenfasst. Volta<br />

theilte 1800 die Erf<strong>in</strong>dung se<strong>in</strong>er Säule der Royal Institution<br />

<strong>in</strong> London mit, Napoleon Bonaparte berief Volta<br />

1801 nach Paris, wo letzterer se<strong>in</strong>e Experimente der Akademie<br />

der "Wissenschaften vorführte. Hier wurde er mit<br />

Ehren und Auszeichnungen überhäuft. Im Jahr 1804 legte<br />

Volta se<strong>in</strong>e Lehrstelle nieder, nahm aber 1815 die Direction<br />

der philosophischen Fakultät der Universität Padua an.<br />

Se<strong>in</strong>e letzten Lebensjahre brachte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Vaterstadt<br />

Como zu und starb dort am 6. Mäjrz 1826, 81 Jahre alt.<br />

3


34<br />

Gulvani, betrübt über die Misserfolge se<strong>in</strong>er Bestrebungen,<br />

verlor den Lebensmut, verarmte geistig und körperlich<br />

und starb <strong>in</strong> tiefem Elend 1798.<br />

Volta hatte se<strong>in</strong>er Säule noch e<strong>in</strong>e andere Form gegeben.<br />

Statt die Platten aufzuschichten und ihnen als Zwischenlagen<br />

angesäuerte Lappen zu geben, welche Anordnung<br />

ke<strong>in</strong>e lange Wirksamkeit zeigen konnte und umständlich<br />

zu behandeln war, befestigte er viereckige Netallplatten <strong>in</strong><br />

vertikaler Richtung und geeignet verbunden an e<strong>in</strong>em<br />

wagrechten Holzstab und liess je e<strong>in</strong> Plattenpaar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Becher oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tasse, die angesäuertes Wasser enthielt,<br />

e<strong>in</strong>tauchen. Diese Säule war wirksamer und leichter zu<br />

behandeln und fand <strong>in</strong> dieser Form rasche Verbreitung.<br />

Man wandte sich nun allgeme<strong>in</strong> der Erforschung der Ursache<br />

der Elektrizitätsentwicklung <strong>in</strong> der Volta'schen Säule<br />

zu. Da die Säule schon durch die Art ihrer Zusammensetzung<br />

als elektrochemischer Apparat aufgefasst werden<br />

musste, lag es nahe, die Beziehungen der Elektrizität<br />

zum Chemismus zu studiren. Schon 1792 wollte Fabroni die<br />

von Galvani gemachte Entdeckung durch chemische Wirkung<br />

erklären. Auch der Engländer Ash und Alexe nder von<br />

Humboldt kamen 1795 durch bezügliche Arbeiten zu der Vermutung,<br />

dass chemische Veränderungen und galvanische<br />

Ströme <strong>in</strong> <strong>in</strong>nigem Zusammenhange stehen müssen.<br />

• Der erste aber, welcher mit voller Klarheit die chemische<br />

Wirkung des galvanischen Stromes nachwies,<br />

war Antony Carlisle, <strong>in</strong>dem er <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit<br />

Nicholson im Mai des Jahres 1800 vermittels e<strong>in</strong>er Voltaschen<br />

Säule Wasser <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Bestandtheile ("Sauerstoff und<br />

Wasserstoff) zerlegte.<br />

Unter den vielen Forschern, welche die chemische Wirkung<br />

der Elektrizität weiter untersuchten, zeichneten sich<br />

William Cruikshank, der <strong>in</strong> demselben Jahre aus den Kupfer-,<br />

Silber- und Bleisalzlösungen die bez. Metalle galvanisirt<br />

ausscheidete, und Humphry Navy, Professor an der Royal Inst.,<br />

geb. 17. December 1778, gest. 30. Mai 1829. Davy wiederholte<br />

zunächst die Versuche Carlisle's und Cruikshank's.


w:-'<br />

35<br />

dehnte dann dieselben avich ans die sog. Alkalien (Atzkali<br />

und Ätznatron) und alkalischen Erden (Kalk, Baryt etc.)<br />

aus. Es gelang ihm im November 1807, aus dem Aetzkali<br />

e<strong>in</strong> Metall abzuscheiden, dem er den Namen Kalium gab;<br />

<strong>in</strong> ähnlicher Weise gelang es ihm 1808, die Metalle Natrium,<br />

Calicium, Strontium, Barium und Magnesium und 1818<br />

auf dieselbe "Weise das Lithium darzustellen, während er<br />

vergebens aus der Thonerde e<strong>in</strong> Metall abzuscheiden sich<br />

bemühte. Letzteres gelang erst 1852 Bunsen, welcher dem<br />

Metall den Namen Alum<strong>in</strong>ium, gab. Faraday stellte 1834<br />

e<strong>in</strong>e exakte und logisch begründete Nomenclatur der Elektrolyse<br />

und das wichtige elektrolytische Gesetz auf.<br />

Die Thatsache, dass der galvanische Strom aus den<br />

Lösungen der Metallsalze die Metalle ausscheidet, benutzte<br />

schon 1805 der Italiener Brugnatelli, um silberne Münzen zu<br />

vergolden; 1840 gelang es de la Rive <strong>in</strong> Genf, Kupfer und<br />

Mess<strong>in</strong>g galvanisch zu vergolden. Die Resultate liessen<br />

aber zu wünschen übrig. Besser gelang die galvanische<br />

Vergoldung dem Franzosen Ruolz, durch den die Methode,<br />

gewöhnliche Metalle mit edlen Metallen auf galvanischem<br />

Wege zu überziehen 1841 derart verbessert wurde, dass<br />

sie von dort an von der Industrie aufgenommen und verwertet<br />

wurde (Christone <strong>in</strong> Paris, Mason <strong>in</strong> London).<br />

Im Jahr 1837 erfanden gleichzeitig und unabhängig von<br />

e<strong>in</strong>ander Jakobi <strong>in</strong> Petersburg und Spencer <strong>in</strong> Liverpool die<br />

Galvanoplastik d. h. die Kunst, auf galvanischem Wege<br />

plastische Nachbildungen von Körpern zu erstellen. In<br />

neuester Zeit benutzt man die galvanischen Ströme zur<br />

Re<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>nung von Metallen aus ihren Erzen, zum Bleichen,<br />

zur Re<strong>in</strong>igung des Alcohols, <strong>in</strong> der Färberei und bei<br />

vielen andern chemischen Vorgängen.<br />

Die Untersuchungen über die Beziehungen der chemischen<br />

Vorgänge und der galvanischen Elektrizität hatten<br />

aber auch e<strong>in</strong>e Reihe von Verbesserungen der Volta'schen -<br />

Säule zur Folge. Man fand bald, dass das Nachlassen der<br />

Stromentwicklung, nachdem e<strong>in</strong>e Volta'sche Säule e<strong>in</strong>ige<br />

Zeit gearbeitet hat, se<strong>in</strong>en Grund <strong>in</strong> der Ansammlung des


36<br />

(von Z<strong>in</strong>k nnd Wasser entwickelten) Wasserstaues auf der<br />

positiven Elektrode (Kupfer) se<strong>in</strong>en Grund habe.<br />

Um diesen Uebelstand zu beseitigen, wurden verschiedene<br />

Wege versucht.<br />

Vorerst suchte man Volta'sche Säulen zu konstruiren,<br />

ohne Wasser oder wasserhaltige Flüssigkeiten dazu zu verwenden.<br />

In der That gelang dies sche<strong>in</strong>bar 1803 G. B. Behrens<br />

<strong>in</strong> Pommern, <strong>in</strong>dem er e<strong>in</strong>e sogenannte trockene Säule aus<br />

Z<strong>in</strong>k, Kupfer und Papierscheiben aufbaute. Diese Säule<br />

gab e<strong>in</strong>en sehr anhaltenden Strom, aber nur von ger<strong>in</strong>ger<br />

Stromstärke. Die Erf<strong>in</strong>dung der trockenen Säule wird<br />

daher irrtümlich Zamboni zugeschrieben und nach ihm<br />

benannt. Zamboni verbesserte 1812 die Behrens'sche Säule,<br />

<strong>in</strong>dem er Silberpapier und Braunste<strong>in</strong>pulver dazu verwendete.<br />

Die heutige Zusammensetzung erhielt die trockene<br />

Säule durch Mediz<strong>in</strong>alrath Dr. Jäger <strong>in</strong> Stuttgart 1815,<br />

welcher zu deren Aufbau zuerst unächtes Gold- und Silberpapier<br />

verwendete. Die ger<strong>in</strong>ge Stromstärke aller trockenen<br />

Säulen war e<strong>in</strong> Uebelstand, der bewirkte, dass man das<br />

Problem auf andere Weise zu lösen suchte.<br />

E<strong>in</strong>e bedeutende Verbesserung der Volta'schen Säule<br />

(mit Flüssigkeit) brachte 1830 der Engländer Sturgeon zu<br />

Stande, <strong>in</strong>dem er die Entdeckung machte, dass amalgamirtes<br />

Z<strong>in</strong>k viel weniger Wasserstoff entwickelte als gewöhnliches<br />

Z<strong>in</strong>k.*) Indessen wurde diese Thatsache erst 1837 durch<br />

Warren de la Rue allgeme<strong>in</strong> bekannt gemacht. Immerh<strong>in</strong><br />

wurde durch Amalgamation des Z<strong>in</strong>ks die Polarisation nur<br />

verm<strong>in</strong>dert, nicht aufgehoben.<br />

E<strong>in</strong>e gänzliche Beseitigung der Polarisation gelang zuerst<br />

dem Pariser Physiker A. C. Becquerel (geb. 8. März 1788,<br />

gest. 15. Jan. 1878), der daher als Erf<strong>in</strong>der des constanten<br />

Elementes bezeichnet werden muss. Becquerel brachte <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e weite Glasröhre, deren unteres Ende durch e<strong>in</strong>e poröse<br />

*) Wiedemann. Elekt. I. 735, 1882.


37<br />

Thonplatte verschlossen war, e<strong>in</strong>e Lösung von salpetersaurem<br />

Kupfer, <strong>in</strong> welche e<strong>in</strong>e Kupferplatte e<strong>in</strong>gesenkt war<br />

und stellte diese Zelle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Lösung von schwefelsaurem<br />

Z<strong>in</strong>k, <strong>in</strong> welche e<strong>in</strong> Z<strong>in</strong>kstreifen e<strong>in</strong>gehängt wurde.<br />

Aus dieser Urform des Elementes mit constanter "Wirkung<br />

entwickelte sich e<strong>in</strong>e Reihe constanter Elemente, die<br />

heute noch <strong>in</strong> Gebrauch stehen. 1836 setzte Daniel das<br />

nach ihm benannte Element zusammen aus amalgamirtem<br />

Z<strong>in</strong>k <strong>in</strong> verdünnter Schwefelsäure e<strong>in</strong>erseits, Kupfer <strong>in</strong> concentrirter<br />

Kupfervitriollösung anderseits. E<strong>in</strong>e der beiden<br />

Elektroden mit Flüssigkeit befand sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ochsengurgel,<br />

die also die Stelle der heutigen Thonzelle vertrat.<br />

Letztere wurde 1831* von Gassiot zuerst <strong>in</strong> den Aufbau des<br />

Daniel'schen Elementes e<strong>in</strong>geführt.<br />

Der Engländer Grove, Physikprofessor <strong>in</strong> London (geb.<br />

1811) erhöhte die Leistung des Daniel'schen Elementes bedeutend,<br />

<strong>in</strong>dem er an Stelle von Kupfer und Vitriollösung<br />

Plat<strong>in</strong> <strong>in</strong> concentrirter Salpetersäure anwendete. Die Erf<strong>in</strong>dung<br />

dieses sogenannten Grove - Elementes fällt <strong>in</strong>'s<br />

Jahr 1840.<br />

Das Plat<strong>in</strong> des Grove'schen Elementes wurde Ende 1840<br />

von Cooper durch Kohle oder Graphit ersetzt. Als sehr geeignete<br />

Kohle fand Schönbe<strong>in</strong> <strong>in</strong> Basel die Retortenkohle<br />

der Gasfabriken. Bunsen erfand 1841 e<strong>in</strong>e Methode, die<br />

Kohlenplatten künstlich herzustellen und verwendete dieselbe<br />

im Cooper'schen Element, das seither den Namen<br />

Fig. 6. Bunsen-Elemeiit.


38<br />

„Bunsen-Element- (Fig. 6) trägt. Von den neuern constanten<br />

Elementen, deren Zahl 50 übersteigt, führen wir noch<br />

das von Bunsen 1841 erfundene Z<strong>in</strong>k-Chrornsäure-Kohlenelement<br />

an, dem Grenet die elegante und praktische Flaschen-<br />

Fig. 7. Flaschen-Element.<br />

form (Fig. 7) mit aufziehbarem Z<strong>in</strong>k gegeben hat, ferner<br />

das von Leclangé <strong>in</strong> Paris im Jahr 1867 erfundene i Z<strong>in</strong>k-<br />

Salmiak-Braunste<strong>in</strong>-Kohle) sog. Brauiiste<strong>in</strong>element Fig. 8)<br />

Fig. 8. Leclangé-Element.<br />

das gegenwärtig die grösste Verbreitung gefunden hat, und<br />

endlich das Lalande-~Element, e<strong>in</strong>e Z<strong>in</strong>k-Kali-Kupferoxid-<br />

Eisecomb<strong>in</strong>ation. Das sog. Secundäreleiitünt (auch Accumnlator<br />

genannt) wurde 1860 von Gaston Planté <strong>in</strong> Paris erfunden.<br />

Es besteht aus zwei isolirten Bleiplatten, die <strong>in</strong><br />

verdünnte Schwefelsäure e<strong>in</strong>getaucht s<strong>in</strong>d ; sie entwickeln<br />

ke<strong>in</strong>en Strom. Leitet man jedoch e<strong>in</strong>en Strom durch dieses<br />

Element, wird <strong>in</strong>folge der Elektrolyse des "Wassers e<strong>in</strong>e<br />

Bleiplatte oxidirt. In diesem Zustande kann das Element<br />

— gleichsam geladen — aufbewahrt werden. Verb<strong>in</strong>det<br />

man die zwei Bleiplatten durch e<strong>in</strong>en Draht, wird letzterer<br />

von e<strong>in</strong>em sehr starken Strom durchflössen. Die Secundä; - -


39<br />

Elemente dürften <strong>in</strong> der zukünftigen Entwicklung der<br />

Elektrotechnik e<strong>in</strong>e grosse Bedeutung erlangen.<br />

Wenn auch die E<strong>in</strong>wirkung des galvanischen Stromes<br />

auf chemische Verb<strong>in</strong>dungen, die sog. chemische Wirkung<br />

des Galvanismus e<strong>in</strong>e grosse praktische Bedeutung erlangt<br />

hat, wird dieselbe doch bedeutend übertroffen durch diejenige<br />

der magnetischen Wirkungen, die als Elektromagnetismus<br />

zusammengefasst werden.<br />

Die Entdeckung des Elektromagnetismus wird gewöhnlich<br />

Johann Christian Oersted, Prof. <strong>in</strong> Kopenhagen zugeschrieben.<br />

Üersted soll am 21. Juli 1820 bei Untersuchungen<br />

über die Verwandschaft der elektrischen Wirkungen und<br />

denen des Magnetstabes zuerst die Entdeckung gemacht<br />

haben, dass der galvanische Strom e<strong>in</strong>e Magnetnadel aus<br />

ihrer Süd-Nordrichtung abzulenken vermöge, <strong>in</strong>dem ganz<br />

zufallig e<strong>in</strong> Leitungsdraht, durch den der Strom e<strong>in</strong>er<br />

Voltasäule noss, <strong>in</strong> die Nähe e<strong>in</strong>er aufgehängten Magnetnadel<br />

zu liegen kam. Thatsache ist, dass erst von diesem<br />

Zeitpunkte an die Aufmerksamkeit der Physiker auf diesen<br />

Gegenstand gelenkt worden ist. Da die Entdeckung der<br />

Ablenkung der Magnetnadel für die Entwicklung der Elektrotechnik<br />

von allergrösster Bedeutung geworden ist, rechtfertigt<br />

die Wichtigkeit des Gegenstandes bei der Geschichte<br />

dieser Entdeckung etwas länger zu verweilen.<br />

Schon im August 1802 (also 18 Jahre vor Gersteds Publikation)<br />

beschrieb der Italiener Giovani Dom<strong>in</strong>ico Romagnesi <strong>in</strong><br />

Insbruck <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Artikel der „Trentner Zeitung"- e<strong>in</strong>en<br />

Versuch bei dem die Magnetnadel durch den galvanischen<br />

Strom aus ihrer Richtung abgelenkt wurde. In zwei im<br />

Jahr 1804 <strong>in</strong> Paris erschienenen Werken „Manuel du Galv.<br />

par Izarn" und „Essai théorique exper. par Ald<strong>in</strong>i" wurde<br />

die Entdeckung Romagnesis ebenfalls erwähnte. Da aber<br />

ke<strong>in</strong>e Anwendung von dieser Ablenkung der Nadel gemacht<br />

werden konnte, sche<strong>in</strong>t die Sache wieder <strong>in</strong> Vergessenheit<br />

gerathen zu se<strong>in</strong> ; denn als 1820 Gersted dieselbe Entdekkung<br />

publizirte, bekam A rago auf e<strong>in</strong>er Durchreise <strong>in</strong> Genf<br />

durch A- Pictet Nachricht davon und De la Rive expere-


40<br />

mentirte die Sache Arago vor. Arago machte am 4. September<br />

der Académie <strong>in</strong> Paris davon Mittheilung und am<br />

11. September wurde <strong>in</strong> der Sitzung der Académie das<br />

Experiment gemacht. Es ist schon wiederholt, setzt das<br />

Oentralblatt für Elektrotechnik, dem wir diese Mittheilung<br />

entheben, darauf h<strong>in</strong>gewiesen worden (so <strong>in</strong> „Notiza di<br />

G. D. Romagnesie von Cesare Canlu, Milano 1835) dass<br />

diese wichtige Entdeckung Romagnesis nicht Oersted zuzuschreiben<br />

sei. Staatsrath Hamel sagt darüber: „Es würde<br />

„e<strong>in</strong> Gegenstand mehr zum Ruhme für Oersted gewesen<br />

„se<strong>in</strong>, wenn er bei se<strong>in</strong>en 1820 erfolgten Veröffentlichungen<br />

„se<strong>in</strong>er eigenen Beobachtungen mit e<strong>in</strong>em Wörtchen Ro-<br />

„magnesis als Pionir auf dem Felde, auf welchem er selber<br />

„mit Lorbeeren bedeckt wurde, erwähnt hätte." Hamel<br />

setzt also voraus, dass Oersted die Entdeckung Romagnesis<br />

gekannt habe wahrsche<strong>in</strong>lich weil Oersted 1803 <strong>in</strong> Paris<br />

war, also zu derselben Zeit, da Romagnesis Entdeckung<br />

<strong>in</strong> Paris bekannt wurde (1802—1804).<br />

Dass der Gegenstand damals <strong>in</strong> Paris gar ke<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit<br />

erregte, ja völlig unbeachtet blieb und daher<br />

auch von Oersted bei se<strong>in</strong>em Pariseraufenthalt nicht beachtet<br />

worden se<strong>in</strong> mag, folgt ja schon aus dem Umstände,<br />

dass die Pariser Académie die Berichte Arago's über die<br />

Oersted'sche Publikation als etwas völlig Neues aufnahm.<br />

Nach unserer Ansicht hat Romagnesi die Entdeckung zuerst<br />

gemacht und ist also der wirkliche Entdecker. Aber se<strong>in</strong>e<br />

Entdeckung wurde nicht beachtet, nicht angewendet,<br />

wieder vergessen. Oersted kam 18 Jahre später, ohne etwas<br />

von Romagnesi zu wissen, neuerd<strong>in</strong>gs zu derselben Entdeckung,<br />

se<strong>in</strong>e Publikation hatte e<strong>in</strong>e sofortige Anwendung<br />

zur Folge, denn <strong>in</strong> demselben Jahre construirte Professor<br />

Schweigger <strong>in</strong> Halle se<strong>in</strong>en Multijüikator, bei dem die Ablenkung<br />

e<strong>in</strong>er Magnetnadel zum Anzeigen und Messen der<br />

galvanischen Ströme verwendet wird. Erst jetzt sah man<br />

die Bedeutung, der an sich unbedeutend sche<strong>in</strong>enden<br />

Nadelablenkung e<strong>in</strong>, die daher nicht mehr, wie früher,<br />

vergessen wurde. "Wir stellen im Folgenden gedrängt die


41<br />

weitere Entwicklung der Messapparate, die auf Nadelablenkung<br />

beruhen zusammen. Im folgenden Jahre 1821<br />

verband Ampère, Professor der Math, <strong>in</strong> Paris (geb. 1775<br />

gest. 1836) zwei Magnetnadeln mit entgegengesetzt gerichteten<br />

Polen zu e<strong>in</strong>em System, das er „astatische Magnetnadel"<br />

nannte. Nobili (1784—1835) vere<strong>in</strong>igte nun die Idee des<br />

Schweigger'schen Multiplikators mit derjenigen der astatischen<br />

Nadel 1825, wodurch e<strong>in</strong> sehr empf<strong>in</strong>dliches Mess<strong>in</strong>strument<br />

geschaffen wurde. Der Nutzen, der für die<br />

Fortschritte auf diesem Gebiese aus dem Besitze e<strong>in</strong>es guten<br />

Mess<strong>in</strong>strumentes hervorg<strong>in</strong>g, kann wohl nicht deutlicher<br />

illustrirt werden, als wenn wir das erste bedeutende Resultat,<br />

das sich aus Strommessungen vermittels des Multiplikators<br />

ergab anführen : Das Ohm'sche Gesetz. G. S. Ohm<br />

— geb. 1787 war erst Oberlehrer am Gymnasium zu Köln,<br />

später Universitätsprofessor <strong>in</strong> München, wo er 1854 starb<br />

— fand im Jahr 1827 die e<strong>in</strong>fache Beziehung, <strong>in</strong> der elektromotorische<br />

Kraft, Widerstand und Strom<strong>in</strong>tensität zu<br />

e<strong>in</strong>ander stehen, wonach die Strom<strong>in</strong>tensität der elektromotorischen<br />

Kraft direct, dem Widerstand umgekehrt proportional<br />

ist (J= ^y). Dieses Gesetz enthält die Grundlage<br />

der theoretischen Elektrizitätslehre der Neuzeit, ja se<strong>in</strong>e<br />

Giltigkeit erstreckt sich sogar auf alle andern Gebieten der<br />

Physik. Das Ohm'sche Gesetz hatte zunächst zur Folge,<br />

dass man die Beziehungen ' der Strom<strong>in</strong>tensität zum Ablenkungsw<strong>in</strong>kel<br />

der Nadel aufzuf<strong>in</strong>den bemüht war.<br />

Becquerel sche<strong>in</strong>t sich zuerst mit dieser Aufgabe befasst<br />

zu haben. Er construirte das Differenzialgalvanometer, das<br />

mit Hülfe e<strong>in</strong>er auf empirischem Wege hergestellten Tabelle<br />

e<strong>in</strong>igermassen die Aufgabe lösen konnte. Jedoch erst<br />

im Jahr 1837, als C. 8. M. Pouillet (1791—1868) die Tangentenbonssole<br />

erfand, war e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches und praktisches Mittel<br />

geschaffen, aus dem Ablenkungsw<strong>in</strong>kel die Strom<strong>in</strong>tensität<br />

zu bestimmen, <strong>in</strong>dem sich (<strong>in</strong>nert ziemlieh weiten Grenzen)<br />

die von den Strömen bewirkten Ablenkungen der Nadel<br />

dieses Instrumentes verhalten wie die trigonometrischen


42<br />

Tangenten der Ablenkungsw<strong>in</strong>kel. Von demselben Erf<strong>in</strong>der<br />

rührt auch die sQg. S<strong>in</strong>nsboussole her. Als im Jahr 1837<br />

Wilhelm Weber (Fig. 9) <strong>in</strong> Leipzig die von Poggendorf schon 1826<br />

gemachte Erf<strong>in</strong>dung der Spkgelablesung auf die Tangentenboussole<br />

anwendete, war <strong>in</strong> Bezug auf Bestimmung der<br />

Stromstärke aus der Nadelablenkung das denkbar Günstigste<br />

erreicht, <strong>in</strong>dem nun die Stromstärke sich direct proportional<br />

den abgelesenen Skalatheilen darstellt. Sehr praktische<br />

Ausführungen hat dieses Mess<strong>in</strong>strument seither von<br />

Siemens namentlich aber von Wiedemann 1853 erfahren, da<br />

letzteres für jede Stromstärke von der schwächsten bis zur<br />

stärksten gleich brauchbar ist. Deprez <strong>in</strong> Paris und die<br />

englischen Professoren Ayrton und Perry haben 1880 und<br />

1881 Galvanometer hergestellt zum Messen von starken<br />

Strömen und grossen Spannungen, wobei Proportionalität<br />

zwischen Stromstärke resp. Spannung und Nadelablenkung<br />

herrschen sollte ; dies ist jedoch <strong>in</strong> sehr unvollkommenem<br />

Masse der Fall. Als Masse<strong>in</strong>lieiten für absolute Messungen<br />

der elektrischen Grössen waren schon seit 1840 von Wilhelm<br />

Weber und seit 1861 von der Britisch Association bestimmte<br />

Grössen e<strong>in</strong>geführt worden, doch gelang es erst dem<br />

<strong>in</strong>ternationalen Elektrikercongress 1881 und 1883 <strong>in</strong><br />

Paris solche e<strong>in</strong>heitliche Masse<strong>in</strong>lieiten aufzustellen, die<br />

seither allgeme<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>gang gefunden haben. Ohne auf<br />

die genaue Grösse der E<strong>in</strong>heiten Rücksicht zu nehmen<br />

stellen wir bloss die Namen dieser E<strong>in</strong>heiten hier zusammen.<br />

Die Masse<strong>in</strong>heiten zum Messen der elektromotorischen<br />

Kraß resp. Spannung heisst Volt*), die der Strom<strong>in</strong>tensiüit<br />

Ampère**), das Ohm***) ist die Widerstandse<strong>in</strong>lieit, mit dem<br />

Coulomb wird die Quantität und mit dem Farad die Capacität<br />

gemessen.<br />

Die Wirkung des galvanischen Stromes auf die Lage<br />

*) Etwas kle<strong>in</strong>er als die elektrom. Kraft e<strong>in</strong>es Danil-Element.<br />

*•) Scheidet per Stunde genau 3,96 gr. Silber ab.<br />

** s ) Gleich dem Widerstand e<strong>in</strong>er Quecksilbersäule von l mm 2<br />

Querschnitt, und 105—10ß cm Länge,


43<br />

der Magnetnadel veranlasste Ampère zu e<strong>in</strong>er Untersuchung<br />

über die Wirkung e<strong>in</strong>es stromdurehflossenen Leiters auf<br />

e<strong>in</strong>en ebensolchen zweiten, dies führte ihn schon im September<br />

18'20 zu der Entdeckung der merkwürdigen Thatsache,<br />

dass parallel gerichtete Ströme e<strong>in</strong>ander anziehen,<br />

entgegengesetzt gerichtete e<strong>in</strong>ander abstossen, woraus er die<br />

bekannte <strong>The</strong>orie über die Natur des Magnetismus ableitete<br />

(Solenoid).<br />

E<strong>in</strong>e zweite für die Praxis noch wichtigere elektromagnetische<br />

Ersche<strong>in</strong>ung br<strong>in</strong>gt die E<strong>in</strong>wirkung des galvanischen<br />

Stromes auf unmagnetisches Eisen hervor, dasselbe<br />

wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Magnet verwandelt; der Magnetismus bleibt<br />

dauernd <strong>in</strong> Stahl, <strong>in</strong> weichem Eisen nur so lange, als der<br />

Strom um dasselbe Hiesst, nachher verschw<strong>in</strong>det die magnetische<br />

Kraft bis auf e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Rückstand (Remanentmagnetismus).<br />

Auf dieser magnetisirenden Wirkung des<br />

Stromes beruhen so viele nützliche und merkwürdige Ert<strong>in</strong>dungen<br />

(Drucktelegraph, elektrische Uhren, Läutwerke,<br />

Controllapparate u. a. m.), dass sie wohl wert ersche<strong>in</strong>t,<br />

der Entdeckung derselben noch e<strong>in</strong>ige Worte zu widmen.<br />

Es ist schwierig anzugeben, wer zuerst e<strong>in</strong>en Elektromagnet<br />

im heutigen S<strong>in</strong>ne angefertigt hat. Soviel ist sicher, dass<br />

im Jahr 1825 der Engländer Sturgeon*! und im folgenden<br />

Jahr Brewster**) Elektromagnete herstellten. Indessen war<br />

viel früher die magnetisirende Wirkung des Stromes schon<br />

bekannt. Schon 1750 gelang es Frankl<strong>in</strong>, Eisen durch die<br />

Wirkung des elektrischen Funkens (statische Elektrizität)<br />

zu magnetisiren. Durch den Genueser Chemiker Mojon<br />

wurden im Jahr 1804 Nähnadeln vermittels des Stromes<br />

e<strong>in</strong>er Voltasäule magnetisch gemacht.***) In der Sitzung<br />

der Akademie <strong>in</strong> Paris vom '25. Sept. 1820 zeigte Arago als<br />

e<strong>in</strong>e neue Entdeckung an, dass er die Magnetisirung von<br />

Eisen und Stahl durch den galvanischen Strom beobachtet<br />

habe. Es sche<strong>in</strong>t also, dass die von Frankl<strong>in</strong> und Mojon<br />

gemachten Entdeckungen entweder als bedeutungslos nicht<br />

*) Erf<strong>in</strong>dungen und Entdeckungen von Dr. Poppe pag. 19.<br />

**) Gesch. der Elekt. von Dr. Albrecht pag. 191.<br />

***) Centralblatt f. E. 1886.


44<br />

beachtet oder wieder <strong>in</strong> Vergessenheit gerathen waren.<br />

Erst nach Arago's Mittheilung wurde die Sache <strong>in</strong> weitern<br />

Kreisen bekannt. Ampère wand zur Verstärkung der Wirkung<br />

e<strong>in</strong>en isolirten Draht mehrmals um e<strong>in</strong>e Nähnadel:<br />

als er den Strom durch den Draht leitete, wurde sie stark<br />

magnetisch. Dies geschah 1822; ob er aber e<strong>in</strong>en eigentlichen<br />

Elektromagnet mit Eisen anfertigte, lässt sich nicht<br />

mit Sicherheit feststellen. Es sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>dess nicht der Fall<br />

zu se<strong>in</strong>, sonst würde nicht die drei Jahre später von Sturgeon<br />

gemachten Elektromagnete so viel Aufmerksamkeit<br />

erregt haben. Weitere und gründlichere Nachforschungen<br />

vorbehalten, bezeichnen wir also vorläufig Sturgeon als Erf<strong>in</strong>der<br />

des Elektromagnetes, wonach diese iverthvolle Erf<strong>in</strong>dung<br />

<strong>in</strong> das Jahr 1825 zu verlegen ist.<br />

Die bedeutendste von allen Anwendungen des Elektromagnetes<br />

ist unstreitig der elektromagnetische Telegraph.<br />

Die ungeheure Fortpflanzungsgeschw<strong>in</strong>digkeit,<br />

die schon wie oben pag. 16 bemerkt, im vorigen Jahrhundert<br />

bekannt wurde, erweckte schon früh den Gedanken<br />

die elektrische Kraft zu telegraphischen Zwecken zu benutzen.<br />

Die erste bezügliche Idee wurde schon im Jahr<br />

1753 von e<strong>in</strong>em Schottländer (vermuthlich Charles Marshall)<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mit C. M. unterzeichneten Briefe an Scot's Magaz<strong>in</strong>e<br />

ausgesprochen. Der <strong>in</strong> jenem Briefe gemachte Vorschlag<br />

bestand dar<strong>in</strong>, man solle e<strong>in</strong>e Anzahl isolirte Drähte,<br />

die den Buchstaben entsprechen, von e<strong>in</strong>er Station zur<br />

andern führen. Jndem man auf e<strong>in</strong>er Station je e<strong>in</strong>en<br />

der Drähte mit e<strong>in</strong>em (Konduktor <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>ge,<br />

werde er auf der andern Station kle<strong>in</strong>e Papierstückle<strong>in</strong><br />

anziehen, woraus der telegraphirte Buchstabe entnommen<br />

werden könne. Es blieb aber bei der Idee. Der erste Versuch<br />

e<strong>in</strong>er elektrischen Télégraphie wurde 1774 von Lesage <strong>in</strong><br />

Genf ausgeführt. Es mag daher se<strong>in</strong> Telegraphenmodell mit<br />

e<strong>in</strong>igen Worten berührt werden. Lesage leitete 24 Drähte<br />

(isolirt) von e<strong>in</strong>er Station zur andern; jeder Draht war an<br />

se<strong>in</strong>en beiden Enden mit demselben Buchstaben bezeichnet.<br />

Auf der empfangenden Station waren an jedes Drahtende


45<br />

zwei Holundermarkkügelchen vermittels ganz fe<strong>in</strong>er Metallfaden<br />

aufgehängt, <strong>in</strong>dess ans der gebenden Station c-<strong>in</strong>e<br />

gewöhnliche Elektrisirmasch<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Bewegung gesetzt wurde.<br />

Um nun e<strong>in</strong>en bestimmten Buchstaben zu übermitteln,<br />

wurde der mit demselben bezeichnete Draht an den Conduktor<br />

geführt, <strong>in</strong> welchem Moment auf der empfangenden<br />

Station das betreffende Markkügelchenpaar durch gegenseitige<br />

Abstossung den telegraphirten Buchstaben bemerklich<br />

machte. Die grosse Zahl der Drähte, die Influenz,<br />

die Schwierigkeit <strong>in</strong> der Isolirung besonders bei feuchtem<br />

Wetter u. a. m. liess ke<strong>in</strong>e praktische Verwertung dieses<br />

Telegraphen zu. Im Jahr 1798 spannte der spanische Physiker<br />

Bétankourt von Madrid nach Aranjuez e<strong>in</strong>en Draht und<br />

gab durch denselben Zeichen vermittels Entladung Kleistseher<br />

Flaschen, wobei die Zeitdauer zwischen zwei Entladungen<br />

die Bedeutung der Zeichen zu bestimmen hatte.<br />

Bald nach Entdeckung des galvanischen Stromes wurde<br />

derselbe von verschiedenen Seiten zum Telegraphiren vorgeschlagen.<br />

Der erste Versuch aber wurde 1807 von Sömmer<strong>in</strong>g,<br />

königlichem Leibarzt <strong>in</strong> München, ausgeführt*)<br />

und damit auf 3 Kilometer Entfernung telegraphirt. Bei<br />

diesem Versuche wurde die wasserzersetzende Wirkung des<br />

galvanischen Stromes benutzt, der durch je e<strong>in</strong>en der 27<br />

Drähte geleitet wurde. Natürlich machten so viel Leitungen<br />

kostenhalber e<strong>in</strong>e Ausführung im Grossen unmöglich.<br />

*) Gesummt. Naturw. I. pag. 805.<br />

*) Das Modell dieses Sömmer<strong>in</strong>g'schen Telegraphen ist noch vorhanden<br />

und wird <strong>in</strong> München aufbewahrt. Verfasser dieser Zeilen<br />

hatte Gelegenheit, den merkwürdigen Apparat zu sehen. Er enthält<br />

27 Drähte, die e<strong>in</strong>erseits mit e<strong>in</strong>er Klaviatur verbunden s<strong>in</strong>d,<br />

anderseits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gefäss mit angesäuertem Wasser enden. Indem<br />

auf e<strong>in</strong>e Taste der Klaviatur gedrückt wird, wird der Strom e<strong>in</strong>er<br />

Voltasäule <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en bestimmten Draht geleitet, so dass am andern<br />

Ende durch Wasserzersetzung Bläschen erzeugt werden, welche<br />

verrathen, auf welche Taste der Geber drückt. Sehr s<strong>in</strong>nreich ist<br />

der Weckapparat e<strong>in</strong>gerichtet, doch können wir hier nicht näher<br />

darauf e<strong>in</strong>treten.


46<br />

Dasselbe gilt von dem Telegraphen, der 1820 von Ampere<br />

angegeben wurde, der vermittels '26 Drähten 25 dem Alphabet<br />

entsprechende Magnetnadeln nach Auswahl abzu 1<br />

lenken hatte gemäss der Romagnesisch-Örstedschen Entdeckung.<br />

Das nächste Decennium brachte ke<strong>in</strong>en Fortschritt<br />

<strong>in</strong> der Télégraphie. Erst im Jahr 1332 fand der<br />

russische Staatsrath Baron Schill<strong>in</strong>g von Canstadt das Mittel<br />

auf, mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Leitung (H<strong>in</strong>- und Rückleitung)<br />

und e<strong>in</strong>er Nadel alle Buchstaben telegraphiren zu können,<br />

<strong>in</strong>dem er vorschlug, für jeden Buchstaben e<strong>in</strong>e Comb<strong>in</strong>ation<br />

von Ablenkungen nach rechts oder nach l<strong>in</strong>ks oder abwechselnd<br />

nach beiden Seiten zu vere<strong>in</strong>baren.<br />

Dieser Idee gemäss wurde endlich 1833 von den beiden<br />

berühmten Gelehrten Gauss und Weber <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>sjen (Fig.9i der<br />

erste brauchbare Telegraph zwischen dem Gött<strong>in</strong>ger physikalischen<br />

Kab<strong>in</strong>et und der dortigen Sternwarte (circa 3 Kilometer)<br />

praktisch ausgefüllt t, ohne, wie versichert wird, den<br />

Schill<strong>in</strong>g'schen Vorschlag gekannt zu haben. Nach demselben<br />

Pr<strong>in</strong>zipe bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> England heute noch Telegraphen<br />

im Betriebe; auch die heutige Kabeltelegraphie<br />

bedient sich im Pr<strong>in</strong>zipe derselben Zeichengebung. Professor<br />

Ste<strong>in</strong>heil <strong>in</strong> München verwendete 1838 zuerst die Erde<br />

als Rückleiter.<br />

Es liegt auf der Hand, dass alle bisher angeführten<br />

Telegraphensysteme beim Abnehmen der Depesche die<br />

grösste Aufmerksamkeit erforderten, da die Zeichen alle<br />

vergänglich geliefert wurden. Zwar hatte Ste<strong>in</strong> h eil den<br />

Gauss-Weber'schen Apparat dah<strong>in</strong> abgeändert, dass er bleibende<br />

Zeichen (Schrift) geben konnte, aber die E<strong>in</strong>richtung<br />

arbeitete nicht mit der wünschenswerthen Präcision. Diese<br />

führte erst die Morse'sche Erf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Télégraphie e<strong>in</strong><br />

und brachte dadurch die Télégraphie auf e<strong>in</strong>e Höhe der<br />

Vollkommenheit, dass sie nun mit Recht als e<strong>in</strong>e der bedeutendsten<br />

Errungenschaften aller Zeiten allgeme<strong>in</strong>e Bewunderung<br />

auf sich gezogen hat.


47<br />

Figur i).<br />

Carl Friedrich Gauss. Wilhelm Eduard Weber.


48<br />

S. F. B. Morse (Fig. 10) war geboren zu Charlestown, Massachusetts,<br />

als Sohn e<strong>in</strong>es Predigers den 17. April 1791. 1811<br />

kam er nach England, um sich als Maler auszubilden, wo er<br />

bald durch hervorragende Leistungen Anerkennung und<br />

Auszeichnung erlangte. Von 1815 bis 1829 lebte Morse als<br />

Maler <strong>in</strong> Newyork. Um die Malerakademien zu stucliren,<br />

wurde er 1829 nach Europa gesandt. In Paris machte er<br />

Bekanntschaft mit Daguerre, dem nachmaligen Erf<strong>in</strong>der<br />

der Photographie. Dieser machte Morse mit den neuen<br />

Entdeckungen im Gebiete des Elektromagnetismus bekannt,<br />

die ihn mächtig anregten. Schon auf der Rückreise (Oktober<br />

1832) entwarf er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Skizzenbuch e<strong>in</strong>en Druclctelegraphen<br />

und gleich nach se<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong> Newyork<br />

begann er an der Ausführung se<strong>in</strong>er Idee. 1835 konnte er<br />

se<strong>in</strong>en ersten Telegraphen, der zwar noch ziemlich complicirt<br />

war, se<strong>in</strong>en Freunden vorzeigen. E<strong>in</strong> Elektromagnet<br />

brachte e<strong>in</strong> Pendel aus se<strong>in</strong>er Ruhelage, das untere Pendelende<br />

machte auf e<strong>in</strong>em seitlich durch e<strong>in</strong> Räderwerk vorwärts<br />

bewegten Papierstreifen für jeden Buchstaben e<strong>in</strong>e<br />

bestimmte Anzahl Zeichen, die vermittels e<strong>in</strong>er Tabelle<br />

aus der Zahlensprache <strong>in</strong> die Buchstabensprache übersetzt<br />

werden mussten. Diese E<strong>in</strong>richtung war unpraktisch,<br />

<strong>in</strong>dess hat sie ihre grosse Bedeutung dar<strong>in</strong>, dass<br />

hier zum ersten mal der Elektromagnet statt des permanenten<br />

Magnetes (der Nadel) zum Telegraphiren angewendet wurde.<br />

Der Morse'sche Apparat mit der heute noch gebräuchlichen<br />

E<strong>in</strong>richtung — Elektromagnet mit Anker, Hebel mit<br />

Schreibstift, Papierstreifen mit Uhrwerk und Punkt-Strichschrift<br />

— datirt erst von Ende 1839 und wurde den 20.<br />

Juni 1840 patentirt. 1843 entschloss sich die Regierung,<br />

30,000 Dollars zum Bau e<strong>in</strong>er Versuchsl<strong>in</strong>ie von Wash<strong>in</strong>gton<br />

nach Baltimore zu bewilligen. Den 27. Mai 1844 wurde<br />

auf dieser L<strong>in</strong>ie die erste Depesche durch den Morse'schen<br />

Drucktelegraphen befördert. Noch manche "Widerwärtigkeit<br />

hatte Morse zu bekämpfen; ärgerliche Patentprozesse brachten<br />

- ihn <strong>in</strong> die traurigste Lage. Er starb <strong>in</strong> der Nähe von<br />

Newyork den 2. April 1872. E<strong>in</strong> prachtvolles Standbild


49<br />

im Centralpark <strong>in</strong> Newyork ehrt se<strong>in</strong> Andenken, noch mehr<br />

aber suln über den ganzen Erdlireis verbreitetes Werk.<br />

Das sogen. Mêlais, e<strong>in</strong> Apparat, der <strong>in</strong> der Télégraphie<br />

viele Dienste geleistet hat, wurde 1839 von Wheatstone erfunden,<br />

welcher auch ungefähr zu derselben Zeit als Weckapparat<br />

zum Aufrufen des Telegraphisten zur Empfangnahme<br />

der Depesche die sogen, elektrische Glocke erfunden<br />

hat. Diese fand später als Eisenbahnsignalwerk und <strong>in</strong> der<br />

Haustelegraphie (Glockenzüge) e<strong>in</strong>e sehr ausgedehnte Anwendung.<br />

Fig. 10. S. B. F. Morse.<br />

Von den neueren Fortschritten <strong>in</strong> der Télégraphie erwähnen<br />

wir noch der E<strong>in</strong>führung des Farbschreibers durch<br />

John und Digney 1860, des Multiplexapparates, der die gleichzeitige<br />

Beförderung mehrerer Depeschen auf demselben


50<br />

Draht gestattet und u. a. 1871 von e<strong>in</strong>em Aargauer Bernhard<br />

Meyer <strong>in</strong> Paris <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vielversprechenden Comb<strong>in</strong>ation<br />

ausgeführt worden ist.<br />

Das Bestreben, die telegraphischen Berichte gleich durch<br />

den Apparat <strong>in</strong> Typen drucken zu lassen, beschäftigte e<strong>in</strong>e<br />

ganze Reihe der bedeutendsten Techniker, so vorab 1837<br />

Vail, e<strong>in</strong> Compagnon Morse's, 1841 "Wheatstone, 1847 Morse,<br />

1850 Siemens; aber erst 1855 gelang es D. A. Hughes (sprich<br />

Juhs) aus Kentucki, geb. 1831 <strong>in</strong> London, e<strong>in</strong>en Typendrucktelegraphen<br />

zu konstruiren, der Aussicht hat, dem Morseschen<br />

Apparat mit Erfofg Concurrenz machen zu können.<br />

Betreffend Cabeltelegrap]ien führen wir als ersten an die<br />

unterseeische telegraphische Verb<strong>in</strong>dung von Calais nach<br />

Dover 1850 und diejenige von Irland nach Amerika, die<br />

erst 1866 nach 5 vergeblichen Versuchen gelang. Am 4.<br />

August 1866 wurde dieser transatlantische Telegraph dem<br />

öffentlichen Verkehr übergeben.<br />

Als Spezialtelegraph, die Zeit von e<strong>in</strong>er Normaluhr nach<br />

e<strong>in</strong>em oder mehreren andern entfernten Orten zu. übermitteln,<br />

mag hier e<strong>in</strong>e Notiz über die Erf<strong>in</strong>dung der elektrischen<br />

Uhren beigefügt werden; diese Erf<strong>in</strong>dung fällt <strong>in</strong>'s<br />

Jahr 1839 und rührt von Ste<strong>in</strong>heil her.<br />

E<strong>in</strong>e fernere Anwendung des Elektromagnetes f<strong>in</strong>den<br />

wir bei den Elektromotoren, welche dazu dienen, den<br />

galvanischen Strom als Triebkraft verwendbar zu machen.<br />

Der erste Elektromotor wurde 1830 von Salvatore dal Negro<br />

<strong>in</strong> Padua construira Praktische Anwendung fand <strong>in</strong>dess<br />

erst 8 Jahre später 1838 e<strong>in</strong> von Jakobi construirter Motor,<br />

mit dem e<strong>in</strong> Boot auf der Newa getrieben wurde. Erst <strong>in</strong><br />

neuerer Zeit fängt man an, ernstlich daran zu denken, den<br />

elektrischen Strom für Masch<strong>in</strong>enbetrieb nutzbar zu machen,<br />

veranlasst durch die mächtigen elektrischen Ströme, die<br />

von Dynamomasch<strong>in</strong>en nach dem Pr<strong>in</strong>zip der Induktionswirkung<br />

abgeleitet werden können.<br />

Ehe wir uns den Induktionswirkungen zuwenden, wollen<br />

wir noch die Entdeckung der ther<strong>in</strong>oelektriscken


51<br />

Ströme erwähnen, die durch Erwärmung der Verb<strong>in</strong>dungsstelle<br />

zweier heterogener Metalle erzeugt werden und<br />

mit den galvanischen Strömen im Wesen übere<strong>in</strong>stimmen.<br />

Sie wurden im Jahre 1821 von Seebeck <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> entdeckt.<br />

Nobili erfand 1834 die <strong>The</strong>rmosäule und 1865 verbesserte<br />

Markus <strong>in</strong> "Wien dieselbe derart, dass sie für manchen Zweck<br />

statt der galvanischen Elemente verwendet werden kann.<br />

Verwandt mit der <strong>The</strong>rmoelektrizität ist die <strong>in</strong> neuester<br />

Zeit entdeckte PhotoelektriKität, die dadurch erregt<br />

wird, dass Lichtstrahlen auf e<strong>in</strong>e sog. Selenzelle fallen. Diese<br />

Elektrizitätsquelle dürfte vielleicht zu e<strong>in</strong>er grossen Bedeutung<br />

heranwachsen. Die Photoelektrizität wurde 1876<br />

von Prof. Adams <strong>in</strong> England entdeckt.


52<br />

IV.<br />

Die Inductionselektrizität.<br />

Die Entdeckung der Induction wird gewöhnlich ungetheilt<br />

dem Engländer Michael Faraday, Professor der Royal<br />

Inst., zugeschrieben. Faraday wurde geboren am 22. Sept.<br />

1791 zit New<strong>in</strong>gton Butts bei London. (Fig. 11.) Se<strong>in</strong><br />

Fig. 11. Michael Faraday.<br />

Vater, e<strong>in</strong> Hufschmied, gab ihn e<strong>in</strong>em Buchb<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die<br />

Lehre, wo Faraday bis zu se<strong>in</strong>em 22. Jahre blieb. Er las<br />

mit grossem Eifer alle Bücher, die ihm zufällig <strong>in</strong> die Hand<br />

kamen, namentlich erregten physikalische und chemische


53<br />

"Werke se<strong>in</strong> Interesse. Später hörte er öffentliche Vorträge,<br />

welche Davy hielt, an und schrieb sie nachher nieder.<br />

Als er 1813 Davy zum Zwecke des Niederschreibens über<br />

e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen Punkt um nähere Auskunft bat, erregten<br />

die schriftlichen Arbeiten des Luchb<strong>in</strong>derlehrl<strong>in</strong>gs derart<br />

die Aufmerksamkeit Davy's, dass er ihn als Gehilfen <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong> Laboratorium nahm, wo er sich derart entfaltete, dass<br />

er bald Davy's Secretär, dann 1827 Professor an der Royal<br />

Institution wurde. Er starb am 25. Aug. 1867. Die Keckheit,<br />

mit der er an Davy gelangt war und ihm se<strong>in</strong>e Arbeiten<br />

vorwies, begründet Faraday selbst mit folgenden<br />

"Worten: „Me<strong>in</strong> "Wunsch war, den Handelsgeschäften zu<br />

„entfliehen, die ich für verdorben und selbstisch hielt, und<br />

„me<strong>in</strong> Verlangen, <strong>in</strong> den Dienst der "Wissenschaft zu treten,<br />

„die nach me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung ihre Verehrer liebenswürdig und,<br />

„edelmüthig macht, bewog mich zu dem kühnen Schritte,<br />

„ohne weiters an Davy zu gelangen."<br />

Und dieser kühne Schritt führte der Welt e<strong>in</strong>en der<br />

grössten Naturforscher aller Zeiten zu. Die durch ihn gemachte<br />

Entdeckung der Induction, ist der Ausgangspunkt der<br />

Entwicklung der modernen Elektrotechnik geworden, worunter<br />

wir speziell die Téléphonie und die Dynamoelektrizität<br />

nennen, welch' letztere den mächtigen Aufschwung des<br />

elektrischen Lichtes begründete und auch der Krafttransmission<br />

— dem Schmerzensk<strong>in</strong>d der modernen Elektrotechnik<br />

— das aber vielleicht e<strong>in</strong>st zu e<strong>in</strong>em Riesen heranwachsen<br />

wird, der im Stande se<strong>in</strong> wird, die heutige Industrie,<br />

ja den Gang des ganzen Menschengeschlechts <strong>in</strong><br />

ganz neue Bahnen zu lenken, das Dase<strong>in</strong> gab.<br />

Die Entdeckung der Induction war ke<strong>in</strong>e zufällige.<br />

Nachdem bekannt geworden war, dass der galvanische<br />

Strom <strong>in</strong> eigenthümlicher "Weise auf die Magnetnadel wirkt<br />

und dass er dem weichen Eisen vorübergehend, dem Stahl<br />

bleibend magnetische Kraft ertheilen kann, lag es ja sehr<br />

nahe zu untersuchen, welche Wirkung e<strong>in</strong> Magnet auf<br />

e<strong>in</strong>en stromlosen Leiter auszuüben vormöge. Zwar hatte<br />

schon 1822 Ampère e<strong>in</strong>e Wirkung e<strong>in</strong>es Magnetes auf e<strong>in</strong>en


<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es kreisförmig geführten galvanischen Stromes<br />

aufgehängten Kupferr<strong>in</strong>g wahrgenommen, <strong>in</strong>dem der R<strong>in</strong>g<br />

bald e<strong>in</strong>e Anziehung, bald e<strong>in</strong>e Abstossung zeigte, je nachdem<br />

Ampère den Magnet näherte oder entfernte. Dies war<br />

e<strong>in</strong>e ganz ausgesprochene Inductionswirkung, aber Ampère<br />

legte ke<strong>in</strong> Gewicht auf diese Entdeckung, sie wurde bald<br />

vergessen, so dass Faraday, der sich 1825 diesbezüglichen<br />

Aufgaben zuwendete, e<strong>in</strong> völlig neues, orig<strong>in</strong>elles Gebiet<br />

betrat. Im Jahr 1831 fand endlieh Faraday nach vielen<br />

fruchtlosen Versuchen, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Draht, der neben<br />

e<strong>in</strong>em zweiten isolirt e<strong>in</strong>herläuft, jedesmal e<strong>in</strong> kurzer Strom<br />

erregt wird, wenn im zweiten Draht e<strong>in</strong> Strom zu ßiessen<br />

beg<strong>in</strong>nt oder aufhört, zu- oder abnimmt, oder wenn die zwei<br />

Leiter gegen e<strong>in</strong>ander oder von e<strong>in</strong>ander bewegt werden.<br />

• Faraday bezeichnete diese Ströme als Secundärströme oder<br />

Inductionsströme. Unmittelbar an diese Versuche anschliessend<br />

erregte Faraday Inductionsströme, wenn er statt der<br />

zweiten Stromleitung e<strong>in</strong>en weichen Eisenstab, um den der<br />

erste Leiter gewunden wurde, durch e<strong>in</strong>en galvanischen<br />

Strom <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Magnet verwandelte, ebenso, wenn er dem<br />

aufgewundenen Draht e<strong>in</strong>en gewöhnlichen Magnet näherte<br />

oder ihn entfernte (Ampère).<br />

Diese Entdeckungen Faraday's erregten allgeme<strong>in</strong> grosses<br />

Aufsehen, und es begann unmittelbar e<strong>in</strong>e Periode der<br />

Anwendung derselben. Wir erwähnen zuerst die Construction<br />

des unter den Namen Induktionsapparat, Funken<strong>in</strong>ductor,<br />

Erschütterungsapparat allgeme<strong>in</strong> bekannten Apparates<br />

(Fig. 12) dessen Inductionsströme sich durch grosse<br />

Spannung auszeichnen, die<br />

daher durch ihre optischen<br />

und physiologischen Wirkungen<br />

ausgezeichnet s<strong>in</strong>d (Geisseier<br />

- Röhren, mediz<strong>in</strong>ische<br />

Fig. 12. Inductions-Apparat, Apparate).<br />

Der erste Inductionsapparat wurde 1835 von Pohl hergestellt,<br />

die Primär-Stromunterbrechungen wurden dabei<br />

durch e<strong>in</strong>en Comutator bewirkt; für denselben Zweck con-<br />

54


55<br />

struirte Massan 1836 e<strong>in</strong> Zahnrad mit Contaktfeder, beide<br />

E<strong>in</strong>richtungen erforderten besondere Bedienung. Im Jahr<br />

183ÎJ erfand Wagner <strong>in</strong> Frankfurt den nach ihm benannten<br />

Hammer, e<strong>in</strong>en selbstthätigen Apparat, der den galvanischen<br />

Strom <strong>in</strong> rascher Aufe<strong>in</strong>anderfolge schliesst und öffnet.<br />

Derselbe fand auch bei den Sonnerien (Hausglocken) Anwendung.<br />

Weitere Verbesserungen rühren von du Bois-<br />

Reymond <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> 1841 (Schlittenapparat), Ruhmkorff <strong>in</strong> Paris<br />

(Condensatorj her. E<strong>in</strong> Inductionsapparat von ausserordentlicher<br />

Grösse ist der von Spottistvoode, die Länge<br />

des <strong>in</strong>ducirten Drahtes ist 450 Kilometer, die Funken erreichen<br />

e<strong>in</strong>e Länge von 1'20 cm.<br />

E<strong>in</strong>e bedeutend grössere Bedeutung erlangten - die Inductionsströme<br />

als Mittel zur Uebertragung der Töne und<br />

gesprochenen Worte, d. h. <strong>in</strong> der Téléphonie. Ausnahmslos<br />

wird <strong>in</strong> den deutschen Werken und Lehrbüchern<br />

Philipp Reis <strong>in</strong> Friedrichsdorf bei Frankfurt als Erf<strong>in</strong>der des<br />

Telephons bezeichnet, und die Erf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>'s Jahr 1861<br />

verlegt, <strong>in</strong>dess die Franzosen die Ehre ihrem Landsmanne<br />

Page 1837 zugedacht wissen wollen. Thatsache ist, dass<br />

Page schon im Jahre 1837 die Wahrnehmung machte, dass<br />

e<strong>in</strong> Elektromagnet e<strong>in</strong>en Ton von sich gibt, wenn der erregende<br />

Strom <strong>in</strong> rascher Aufe<strong>in</strong>anderfolge unterbrochen<br />

und geschlossen wird, ebenso dass Reis diese Entdeckung<br />

Page's benutzte und dabei zum Unterbrechen des Stromes<br />

die Schallvibrationen verwendete, aber ebensosehr ist die<br />

Thatsache zu betonen, dass diese Mittel (Stromunterbrechung<br />

durch den Schall, Tönen der Elektromagnete ohne<br />

und mit Anker) nie ermöglicht hätten, die menschliche<br />

Stimme <strong>in</strong> verständlicher Weise zu übertragen. Wir stehen<br />

daher nicht an, mit aller Entschiedenheit die Erf<strong>in</strong>dung<br />

des Telephons <strong>in</strong>'s Jahr 1877 zu verlegen, und zwar auf den<br />

Zeitpunkt, da der amerikanische Taubstummenlehrer Graham<br />

Bell den genialen Gedanken hatte, an Stelle e<strong>in</strong>es Elektromagnetes<br />

als Empfänger e<strong>in</strong>en permanenten Magnetstab zu<br />

•verwenden, über den die Drahtspuhle gesteckt und vor dem<br />

<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Entfernung e<strong>in</strong> Eisenmembran befestigt wurde,


56<br />

nachdem Bell schon 1875 erkannt hatte, dass <strong>in</strong>termittirte<br />

Ströme nie die Stimme zu übertragen im Stande se<strong>in</strong> werden.<br />

Erst die von Bell angewendeten undulirten Ströme<br />

(Stromschwankungen) <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit permanent magnetischem<br />

Empfänger, <strong>in</strong> dessen magnetischem Felde e<strong>in</strong><br />

Membran <strong>in</strong> stets starkgespanntem Zustande, sich bef<strong>in</strong>det,<br />

konnten die ungeheuer grosse Zahl der fe<strong>in</strong>sten Lageänderungen,<br />

die e<strong>in</strong> gesprochenes Wort bed<strong>in</strong>gt, mit genügender<br />

Genauigkeit übertragen und reproduziren. Die Reproduktion<br />

war sehr deutlich aber nicht laut, immerh<strong>in</strong> fand nun<br />

das Bell'sche Telephon mit ganz gleichem Sprech- und<br />

Hörapparat überall Beachtung und Bewunderung. Als aber<br />

das von Hughes 1877 erfundene Mikrophon zum Erzeugen<br />

des undulirten Inductionsstromes durch E<strong>in</strong>wirkung der<br />

menschlichen Stimme als Sprechapparat <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />

dem Bell'schen Hörapparat <strong>in</strong> die Téléphonie e<strong>in</strong>geführt<br />

wurde, 1878, erreichte die letztere denjenigen Grad der<br />

Vollkommenheit, der ihr rasche Verbreitung über die ganze<br />

Erde verschaffte.<br />

Während die Wirkungen der Inductions- und Telephonapparate<br />

auf der galvanischen Induction beruhen, führte<br />

die magnetische und dynamische Induction zur Construktion<br />

der magnetelektrischen und dynamoelektrischen Masch<strong>in</strong>en.<br />

Der Raum gestattet uns nicht, die Entwicklungsgeschichte<br />

dieser höchst <strong>in</strong>teressanten" Masch<strong>in</strong>en mit der wünschenswerthen<br />

E<strong>in</strong>lässlichkeit darzustellen ; wir müssen uns vielmehr<br />

auf die Mittheilung e<strong>in</strong>iger Hauptdata beschränken.<br />

Vorerst können wir nicht unterlassen die Eigenthümlichkeit<br />

hervorzuheben, dass auch hier wieder der erste,<br />

der die grosse Idee, die von Faraday entdeckte Magnetund<br />

Dynamo-Induction zur Stromerzeugung zu verwenden<br />

von e<strong>in</strong>em Anonymus (ähnlich wie bei der Erf<strong>in</strong>dung des<br />

Telegraphen) ausgesprochen worden ist: Im Jahr 1832,<br />

also e<strong>in</strong> Jahr nach Entdeckung der Induktion durch Faradey<br />

erhielt dieser Entdecker e<strong>in</strong>en mit P. M. unterzeichneten<br />

Brief, der den Vorschlag enthielt, spiralförmig<br />

auf Eisenstäbe gewundene Drähte d. h. Drahtspuhlen kreis-


57<br />

formig aufzustellen und darüber e<strong>in</strong>e Anzahl Magnete im<br />

Kreise rotiren zu lassen um so <strong>in</strong> den Drähten elektrische<br />

Ströme zu <strong>in</strong>duciren, also e<strong>in</strong>e Stromquelle ohne galvanische<br />

Elemente zu schaffen. Die Idee des Anonymus wurde zwar<br />

nicht ausgeführt ; aber unabhängig von diesem Vorschlage<br />

kam <strong>in</strong> demselben Jahre dal Negro auj die gleiche Idee und<br />

er führte dieselbe auch sofort aus. Gränz dasselbe that e<strong>in</strong>ige<br />

Wochen später Pixii <strong>in</strong> Paris ohne von dal Negro etwas zu<br />

wissen. Diese und e<strong>in</strong>e Reihe ähnlicher Masch<strong>in</strong>en gaben<br />

Wecliselströme, d. h. der positive Strom hatte <strong>in</strong> der Leitung<br />

rasch wechselnd bald e<strong>in</strong>e normale, bald e<strong>in</strong>e entgegengesetzte<br />

Richtung. Um die Wecliselströme <strong>in</strong> sog.<br />

Gleichströme zu verwandeln brachte 1833 Saxton zuerst<br />

e<strong>in</strong>en Commutator zur Anwendung. E<strong>in</strong>e Reihe weiterer<br />

Verbesserungen von Ritchie, Clarke, S<strong>in</strong>steden, Stöhrer und<br />

Dove u. a. übergehen wir und bemerken, dass die Masch<strong>in</strong>en<br />

dieser (Konstrukteurs <strong>in</strong> den heutigen Schulsammlungen<br />

häufig und zwar unter dem Namen „Magnetelektrisirmasch<strong>in</strong>e"<br />

getroffen werden. Solche Masch<strong>in</strong>en wurden<br />

zuerst von van Maideren im Grossen gebaut deren Ströme für<br />

elektrische Beleuchtung Verwendung fanden. Derartige<br />

grosse Masch<strong>in</strong>en, von der Pariser Alliance-Gesellschaft gebaut,<br />

stehen heute noch im Gebrauch bei e<strong>in</strong>igen Leuchtthurm<br />

beleuchlungen. E<strong>in</strong>en wesentliehen Fortschritt machte<br />

Werner Siemens <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (geb. 1816) mit se<strong>in</strong>em 1857 erfundenen<br />

Inductor, e<strong>in</strong>er eigenthümlichen kurzen sehr breiten Spuhle<br />

mit Eisenkern, deren äussere Form cyl<strong>in</strong>drisch ist und e<strong>in</strong>e<br />

sehr bedeutende Annäherung der <strong>in</strong>ducirenden Magnete<br />

und <strong>in</strong>ducirten Drähte gestattet. Der Siemens'sche Cyl<strong>in</strong>der<strong>in</strong>duktor<br />

giebt Wechselströme. Im Jahre 1860 machte<br />

Antonio Pac<strong>in</strong>otti <strong>in</strong> Florenz e<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e, bei der die Anordnung<br />

und Verb<strong>in</strong>dung der e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong>ducirten Spuhle<br />

e<strong>in</strong>e derartige war, dass dieselben e<strong>in</strong>en gleichgerichteten<br />

und zusammenhängenden Strom abgeben konnten. Die Pac<strong>in</strong>otti'sche<br />

Masch<strong>in</strong>e war aber nicht als Generator, sondern<br />

als Motor gebaut worden und bekam als solcher ke<strong>in</strong>e<br />

grössere Bedeutung. Wilde <strong>in</strong> Manchester comb<strong>in</strong>irte im


58<br />

Jahre 1866 e<strong>in</strong>e magnetelektrische Masch<strong>in</strong>e (mit Siemens<br />

Induktor) mit e<strong>in</strong>er zweiten grösseren aber ähnlichen Masch<strong>in</strong>e,<br />

deren Magnete aber durch e<strong>in</strong>en grossen Elektromagnet<br />

ersetzt war. Letzterer wurde durch den Strom, den<br />

die kle<strong>in</strong>ere Magnetmasch<strong>in</strong>e erzeugte, stärker magnetisch<br />

als irgend e<strong>in</strong> Stahlmagnet und <strong>in</strong>ducirte <strong>in</strong> dem grossen<br />

Induktor e<strong>in</strong>en mächtigen Strom, gegen welchen alle bisher<br />

mit den riesigsten Batterien erzeugten nur Spielerei waren.<br />

Fig. 13. Werner Siemens.<br />

Diese Wilde'sche Masch<strong>in</strong>e wurde vielfach angewendet<br />

sie wurde aber bald durch bedeutend verbesserte verdrängt.<br />

Dies war e<strong>in</strong>e Folge des durch Werner Siemens (Fig. 12) 1867<br />

entdeckten dynamoelektrischen Pr<strong>in</strong>zips, wonach der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em


59<br />

Inductor erzeugte Strom zunächst verwendet wird für Verstärkung<br />

der <strong>in</strong>ducirenden Elektromagnete. Es wird hierdurch<br />

e<strong>in</strong> gewaltiges Anwachsen der Stromerzeugung bed<strong>in</strong>gt,<br />

<strong>in</strong>dem der anfänglich ganz ger<strong>in</strong>ge (rémanente) Magnetismus<br />

des Eisens im Elektromagnet e<strong>in</strong>en zwar schwachen<br />

Strom <strong>in</strong>ducirt, der aber zunächst den Elektromagnet verstärkt,<br />

<strong>in</strong>folge des stärkern Magnetismus wird der <strong>in</strong>ducirte<br />

Strom stärker, was neuerd<strong>in</strong>gs. e<strong>in</strong>e Verstärkung des<br />

Elektromagnets zur Folge hat u. s. w.. Es mag hier noch<br />

erwähnt werden, dass schon 13 Jahre früher 1854 e<strong>in</strong> dänischer<br />

Physiker Soren Hjorth e<strong>in</strong>e magnetische Masch<strong>in</strong>e<br />

sich patentiren, liess, die theilweise schon das dynamoelektrische<br />

Pr<strong>in</strong>zip enthielt (La lumière elektr. TVII). Als<br />

endlich im Jahr 1871 Z. Th. Gramme die Idee der Paciuottï'sehen<br />

Armatur, die er übrigens selbständig neuerd<strong>in</strong>gs<br />

erfand, mit dem "dynamischen Pr<strong>in</strong>zip vere<strong>in</strong>igte brachte er<br />

1872 e<strong>in</strong>e Dynamomasch<strong>in</strong>e zu Stande, die e<strong>in</strong>en gleichgerichteten<br />

Strom von wunderbarer Stärke producirte.<br />

Gramme war früher Modelschre<strong>in</strong>er bei der „Alliance comp.",<br />

daher schon mit der Praxis des elektrischen Lichtes vertraut,<br />

und so gelang es ihm leicht, se<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong><br />

zur Geltung zu br<strong>in</strong>gen. Auch der Siemens-Inductor<br />

erhielt 1872 durch den Ingenieur V; Hefher Alteneck der<br />

Firma Siemens und Halske, Berl<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Umgestaltung, die<br />

ermöglichte, gleichgerichtete Ströme ohne Comutator aus<br />

den Masch<strong>in</strong>en zu erhalten, immerh<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d aber die Ströme<br />

<strong>in</strong> den Drähten dieses abgeänderten Inductors, Trommel<strong>in</strong>duetor<br />

genannt, Wechselströme, die aber durch die eigenthümliche<br />

Ableitungsart gleichgerichtet werden. Die Trommelmasch<strong>in</strong>e,<br />

die ausser vom Haus Siemens fast nur noch<br />

von Edison gebaut wird, vermag weder <strong>in</strong> Leistungen noch<br />

Haltbarkeit die Masch<strong>in</strong>en zu erreichen, welche mit der<br />

Gramme'schen R<strong>in</strong>garmatur arbeiten. Mit derartigen Masch<strong>in</strong>en,<br />

Dynamomasch<strong>in</strong>en genannt, werden die mächtigen<br />

elektrischen Ströme erzeugt, die <strong>in</strong> Licht umgewandelt,<br />

durch die Gewalt der Wirkung allgeme<strong>in</strong>es Staunen erregen.<br />

Wie würde selbst jener anonyme Briefschreiber des Jahres


60<br />

1832 staunen, wenn er wiederkommen und .sehen könnte,<br />

zu welchen Resultaten die Techniker se<strong>in</strong>en vor e<strong>in</strong>em<br />

halben Jahrhundert schüchtern ausgesprochenen Gedanken<br />

geführt haben ! Fig 14 stellt e<strong>in</strong>e mit allen neuesten Verbesserungen<br />

versehene Dynamomasch<strong>in</strong>e für elektrisches Licht<br />

dar, wie sie <strong>in</strong> der Fabrik der Zürcher Telephongesellschaft<br />

gebaut wird. — Die Bedeutung der Dynamomasch<strong>in</strong>en<br />

wird aber erst dann auf ihre Höhe kommen, wenn es<br />

gel<strong>in</strong>gt, dieselben auf vortheilhafte Weise zur Uebertragung<br />

der Kraft zu verwenden.<br />

Fig. 14. Dynamo-elektrische Lichtmasch<strong>in</strong>e.<br />

Wenden wir uns nun schliesslich zur Geschichte der<br />

elektrischen Lampen. Man unterscheidet deren zwei<br />

Arten : die Bogenlampe und die Glühlampe. Bei der<br />

Bogenlampe entsteht das Licht dadurch, dass e<strong>in</strong> starker<br />

elektrischer Strom gezwungen wird e<strong>in</strong>e Lücke des Leiters<br />

zu überspr<strong>in</strong>gen. Sowohl die Enden des Leiters, welche<br />

die Lücke zu bilden haben, als auch die <strong>in</strong> der Lücke sich<br />

bef<strong>in</strong>dliche Luft mit abgerissenen fe<strong>in</strong>en <strong>The</strong>ilchen des<br />

Leiters, erhitzen sich unter dem E<strong>in</strong>fluss des überspr<strong>in</strong>genden<br />

starken Stromes derart, dass sie e<strong>in</strong> sonnenähnliches Licht


61<br />

ausstrahlen, das bei den gewöhnlich angewendeten Bogenlichtern<br />

e<strong>in</strong>er Lichtkraft von circa 1000 Kerzen gleichkommt,<br />

wobei ungefähr e<strong>in</strong>e Pferdekraft zum Unterhalt<br />

nöthig ist. Damit die Leiterenden nicht schmelzen, werden<br />

sie aus Kohlenstäben gebildet, die aber per Stunde ungefähr<br />

5 cm abbrennen ; e<strong>in</strong> Mechanismus der Lampe muss<br />

unter dem E<strong>in</strong>fluss des Stromes nach Massgabe der abgebrannten<br />

Kohle dieselbe nachschieben.<br />

Schon im Jahr 1808 erzeugte Davy vermittels e<strong>in</strong>es Stromes<br />

aus 2000 Elementen e<strong>in</strong> elektrisches Bogenlicht von<br />

ungewöhnlicher Stärke. Die angewandten Holzkohlenstäbe<br />

wurden von Hand nachgeschoben; sie brannten aber sehr<br />

schnell ab, Davy schloss sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Grlasgefäss e<strong>in</strong>, was das<br />

Abbrennen e<strong>in</strong> wenig verzögerte. Schon aus diesem Grunde,<br />

dann des theuren Batteriestromes halber war damals an<br />

e<strong>in</strong>e praktische Verwendung dieses Lichtes nicht zu denken.<br />

Erst im Jahr 1844 machte Foucault <strong>in</strong> Paris e<strong>in</strong>en<br />

Fortschritt, <strong>in</strong>dem er statt Holzkohlenstäbe Stäbe aus Netortenkohle<br />

verwendete, die ihrer Dichte wegen sehr langsam<br />

abbrannten. Das Nachschieben wurde von Hand ausgeführt.<br />

Mit e<strong>in</strong>em. solchen Handregulator wurde 1844<br />

zum ersten mal e<strong>in</strong>e öffentliche Beleuchtungsprobe ausgeführt<br />

und zwar auf der Place de la Concorde <strong>in</strong> Paris. Der erste,<br />

der das Nachschieben der Kohlenstäbe automatisch zu<br />

Stande brachte, wenn auch <strong>in</strong> sehr unvollkommener Weise,<br />

war W. E. Statte im Jahr 1846. Seither wurde e<strong>in</strong>e Menge<br />

verschiedener oft sehr scharfs<strong>in</strong>niger Mechanismen ersonnen<br />

und ausgeführt, ohne <strong>in</strong>dess das zu erreichen was gesucht<br />

wurde — e<strong>in</strong> möglichst ruhiges, dem Abbrennen genau<br />

entsprechendes Nachschieben der Kohlen. Die Schwierigkeit<br />

wuchs neuerd<strong>in</strong>gs, als die Erf<strong>in</strong>dung der Dynamomasch<strong>in</strong>e<br />

elektrische Ströme zur Verfügung stellte, die e<strong>in</strong>e<br />

ganze Anzahl Lampen gleichzeitig zu speisen im Stande<br />

waren, wenn die Begulirung der Lampen so hätte ausgeführt<br />

werden können, dass jede Lampe unabhängig von<br />

der andern ihre Funktion vollzogen hätte. Die Lösung<br />

dieser schweren Aufgabe liess lange auf sich warten. Im


62<br />

Jahr 1876 gelang es endlich dem russischen Ingenieur<br />

Jablochkoff <strong>in</strong> Paris das Problem der „<strong>The</strong>ilung des elektrischen<br />

Lichtes" für "Wechselströme zu lösen, <strong>in</strong>dem er<br />

die beiden Kohlenstäbe, die bei Anwendung von Wechselströmen<br />

gleichstark abbrennen,<br />

parallel nebene<strong>in</strong>der mit Gryps<br />

verband, so dass der Abstand der<br />

brennenden Kohlenenden immer<br />

der gleiche blieb. Abgesehen von<br />

dem Uebel, Wechselstrom zu verwenden,<br />

hatte das Jablokoff'sche<br />

System e<strong>in</strong>e Menge anderer<br />

Uebelstände, wovon wir nur den<br />

e<strong>in</strong>en hervorheben, dass die sog.<br />

„Kerzen" wenn sie etwa <strong>in</strong>folge<br />

e<strong>in</strong>er zufälligenStr omabnahme auslöschten,<br />

nicht mehr von selbst angehen<br />

konnten. Der Hauptfortschritt<br />

<strong>in</strong> Bezug auf <strong>The</strong>ilung des<br />

Bogenlichtes wurde durch v. Hef ner-<br />

Alteneck 1879 mit Erf<strong>in</strong>dung der<br />

Differentiallampe angebahnt, nachdem<br />

schon vorher Lacassagne und<br />

Tschikoleff ähnliche Erf<strong>in</strong>dungen<br />

gemacht hatten aber sie nicht zur<br />

Geltung zu br<strong>in</strong>gen vermochten.<br />

Die Difterentiallampe von Hefner<br />

lässt e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<strong>The</strong>il des<br />

Stromes ununterbrochen durch alle<br />

h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>geschalteten<br />

Lampen gehen <strong>in</strong>dess der andere<br />

grössere <strong>The</strong>il durch die Kohlenstäbe<br />

niesst. Beide Ströme wirken<br />

derart auf e<strong>in</strong> Räderwerk e<strong>in</strong>, dass<br />

Fig. 15.<br />

Elektrische Bogenlampe.<br />

dasselbe die Kohlen unabhängig von den andern Lampen stets<br />

den richtigen Kohlennachschub besorgt. Von den vielen Lampensystemen,<br />

die unter Anwendung desselben Pr<strong>in</strong>zips seit-


63<br />

her construirt worden s<strong>in</strong>d, führen wir <strong>in</strong> Fig. 15 e<strong>in</strong>e Diflerentiallampe<br />

ohne Räderwerk vor, bei welcher der Kohlenschub<br />

<strong>in</strong> eigenthümlicher Weise dadurch bewirkt wird,<br />

dass der Differentialstrom e<strong>in</strong>e Schraube dreht, wodurch<br />

beide Kohlen im richtigen Verhältnis« und unabhängig<br />

von allen andern Lampen ausgeführt wird. Diese Lampe<br />

wird von der Zürcher Telephongesellschaft ausgeführt und<br />

hat <strong>in</strong> der Schweiz und im Ausland vielfach Verwendung<br />

Fig. 16 Elektrische Schiffslampe.<br />

gefunden. Dieselbe ist auch, <strong>in</strong>folge ihrer Fähigkeit, gegen<br />

Erschütterungen unempf<strong>in</strong>dlich zu se<strong>in</strong>, fit der <strong>in</strong> Fig. 16<br />

abgebildeten Form als Schiffslampe ausgeführt worden<br />

(Fig. 16).<br />

Die Erf<strong>in</strong>dung der Glühlampe wird vielfach aber<br />

irrthümlich dem Amerikaner Edison zugeschrieben, dem<br />

allerd<strong>in</strong>gs das Verdienst gebührt, der Glühlampe durch


64<br />

praktische Ausführung und Anwendung im Grossen zuerst<br />

E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Praxis verschafft zu haben. Die Glühlampe<br />

besteht im allgeme<strong>in</strong>en aus e<strong>in</strong>em dünnen schweroder<br />

unschmelzbaren Leiter von grossem Leitungswiderstand<br />

(Kohlenfaden), um denselben vor Verbrennung zu<br />

schützen, wird er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Glaskugel e<strong>in</strong>geschlossen, aus<br />

welcher die Luft ausgepumpt wird. Der durch diesen<br />

Leiter fliessende verhältnissmässig schwache Strom br<strong>in</strong>gt<br />

denselben zur Weissgluht.<br />

Die Idee dieser Lampe wurde zuerst 1838 von Jobart <strong>in</strong><br />

Brüssel ausgesprochen. 6 Jahre später 1844 führte Jobarts<br />

Schüler de Changy die erste Glühlampe vermittels e<strong>in</strong>es Netortenkohlenstäbchens<br />

aus. Schon im Jahr 1845 löste K<strong>in</strong>g<br />

e<strong>in</strong> Patent auf e<strong>in</strong>e Glühlampe, die bereits alle wesentlichen<br />

Bestandtheile der heutigen aufweisst. In der Patentbeschreibung<br />

heisst es u. A. : „Die Erf<strong>in</strong>dung beruht auf<br />

„der Anwendung metallischer Leiter oder Kohlenstäbchen,<br />

„die durch den elektrischen Strom zum Weissglühen gebracht<br />

werden. Wenn man Kohle anwendet, ist es zweck-<br />

„massig, selbe wegen ihrer Verwandtschaft zum Sauerstoff<br />

„von der Luft und Feuchtigkeit abzuschliessen." Auffallender<br />

Weise vergiengen noch mehr als 30 Jahre bis die Glühlampe,<br />

die während dieser Zeit von Greener, Statte, Könn,<br />

namentlich aber von Swan und Edison verbessert worden,<br />

die allgeme<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit auf sich zu lenken vermochte.<br />

Auch diese Lampe bekam erst durch die Erf<strong>in</strong>dung<br />

der Dynamomasch<strong>in</strong>e ihre praktische Bedeutung. An<br />

der <strong>in</strong>ternationalen elektrischen Ausstellung <strong>in</strong> Paris 1881<br />

überraschte Edison die Ausstellungsbesucher und die Welt<br />

mit e<strong>in</strong>em wohldurchdachten und <strong>in</strong> allen <strong>The</strong>ilen ausgebildeten<br />

Beleuchtungssystem unter Verwendung der Glühlampen.<br />

Eig. 17. 'Die Glühlichtbeleuchtung hat seit dieser<br />

Zeit, namentlich aber seit der Erf<strong>in</strong>dung der Compound<br />

Dynamomasch<strong>in</strong>e, 1882, deren eigenthümliche Wicklungsart<br />

der Elektromagnete ermöglicht, dass die Masch<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e vom<br />

äusseren Widerstand unabhängige stets gleiche elektromotorische<br />

Kraft bei gleicher Tournezahl giebt, grosse


65<br />

Verbreitung gefunden. Wir fügen zum<br />

Schlüsse e<strong>in</strong>en Abriss der Lebens^<br />

geschiente des orig<strong>in</strong>ellen amerikanischen<br />

Elektrikers Edison bei. Thomas<br />

Alva 'Edison (Fig. 18) wurde den 10.<br />

Februar 1847 zu Milan, Ohio, geboren.<br />

Se<strong>in</strong> Vater, holländischer Abstammung<br />

war der Reihe nach Schneider, Gärtner<br />

Kornhändler u. a. m., aber er blieb arm<br />

und konnte für Bildung se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>der<br />

ke<strong>in</strong>e Capitalien verwenden. So war<br />

unser junge Edison gezwungen, se<strong>in</strong>e<br />

Elementar- und Hochschulbildung ohne<br />

Capitalaufwand zu erwerben. Erstere<br />

vermittelte se<strong>in</strong>e Mutter, die ihm die<br />

Kunst des Lesens, Schreibens und Rechnen<br />

beibrachte. Die Lesekunst erregte<br />

Fig. 17. Edison'sche<br />

<strong>in</strong> ihm e<strong>in</strong>e wahre Wuth zu lesen, Glüh-Lampe.<br />

und er las ohne Wahl Bücher, Zeitungen, und was ihm <strong>in</strong><br />

die Hände geriet. Mit dem 12. Altersjahr zwangen ihn die<br />

Nahrungssorgen der Eltern zum G-eldverdienen. Edison<br />

wurde „Tra<strong>in</strong> boy" auf der Eisenbahnl<strong>in</strong>ie Canada-Michigan,<br />

<strong>in</strong> welcher Eigenschaft er mit den Zügen zu fahren<br />

und -Zeitungen, Cigarren und Esswaaren an die Reisenden<br />

zu verkaufen hatte. Als richtiger „Unternehmer" übertrug<br />

jedoch Edison diese Dienerarbeiten bald gedungenen Knaben,<br />

<strong>in</strong>dess er die Oberleitung besorgte und im Gepäckwagen<br />

Bücher las. Die Leetüre der chemischen Analyse<br />

von Fresenius veranlasste ihn im Gepäckwagen, e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />

chemisches Laboratorium zu errichten und von 'da an experimentirte<br />

er mit Tollkühnheit „darauf los". Als er e<strong>in</strong>mal<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Druckerei abgenutzte Typen sah, erwachte <strong>in</strong><br />

ihm der Wünsch, sie zu besitzen. Er kaufte sie um biTIagèh<br />

Preis — wenige Tage nachher gab er -auf dem Zug eiste<br />

Zeitung „'Grand Trunk Herald" heraus, deren Redäklt*,<br />

Drucker und Verkäufer er <strong>in</strong> eigener Person wär. EJä'e<br />

5


66<br />

Explosion im chemischen Laboratorium veranlasste den<br />

Zugführer, Edisons „Technikum" zum Fenster h<strong>in</strong>aus zu<br />

werfen. E<strong>in</strong> zweites journalistisches Unternehmen endete<br />

ähnlich. Das Blatt hiess „Paul Pry" ; jeder Mitarbeiter<br />

war willkommen, der ke<strong>in</strong> Honorar beanspruchte. Die<br />

masslosen Angriffe auf Personen und Institutionen be-<br />

.;:. • . Fig. 18. Thomas Alva Edison.<br />

wirkten, dass das Publikum e<strong>in</strong>es Tages über die Druckerei<br />

herfiel und dieselbe sammt dem Besitzer <strong>in</strong>'s Wasser warf.<br />

Edison konnte sich durch Schwimmen retten, die Druckerei<br />

und der „Paul Pry" war für immer verloren.<br />

Edisons Lernbegierde wuchs mit den Jahren. In den


67<br />

folgenden Jahren se<strong>in</strong>es Eisenbahndienstes brachte er e<strong>in</strong>en<br />

mehrstündigen Aufenthalt des Zuges <strong>in</strong> Detroit jeweilen<br />

<strong>in</strong> der Bibliothek dieser Stadt zn, da er den Entschluss<br />

gefasst hatte, alle Bücher der Reihe nach zn lesen, was er<br />

wohl gethan haben würde, wenn ihm der Bibliothekar<br />

nicht Anleitung gegeben hätte e<strong>in</strong>e Bibliothek zu benutzen.<br />

Ans e<strong>in</strong>er andern Station mit längerem Aufenthalt benutzte<br />

er die freie Zeit zum Experimentiren und Anfertigen von<br />

Apparaten.<br />

In se<strong>in</strong>em 17. Altersjahr rettete _ er mit völliger Breisgebung<br />

des eigenen Lebens e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d des Stationsvorstehers<br />

zu Port Clement <strong>in</strong> dem Momente, da e<strong>in</strong>e Lokomotive<br />

über dasselbe h<strong>in</strong>wegzugehen drohte. Zum Danke dafür<br />

versprach der Vorsteher, ihm irgend e<strong>in</strong>en Liebl<strong>in</strong>gswunsch<br />

zu erfüllen, wenn dies nicht über se<strong>in</strong>e Kräfte gehe. Und<br />

was wünschte unser junge Edison ?<br />

Der Vorstand möge ihn die Télégraphie lehren ! Es geschah.<br />

Edison wurde Telegraphist, <strong>in</strong> welcher Eigenschaft<br />

er <strong>in</strong> kürzester Zeit alle Collegen übertraf — er war <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong> Element gerathen. Er machte im Telegraphenwesen<br />

bald Erf<strong>in</strong>dungen über Erf<strong>in</strong>dungen ; zur Bestätigung dessen<br />

führen wir an, dass Edison 1881 36 Patente auf Verbesserung<br />

des Morseapparates besass. Die Ausbeutung se<strong>in</strong>er<br />

Erf<strong>in</strong>dungen verschaffte ihm reiche Mittel — er verliess<br />

den Telegraphen dienst und richtete sich <strong>in</strong> Menlo Park bei<br />

Newyork e<strong>in</strong> grosses Laboratorium e<strong>in</strong>, aus welchem zahlreiche<br />

zum <strong>The</strong>il hoch<strong>in</strong>teressante Erf<strong>in</strong>dungen, wie z. B.<br />

der Phonograph, und e<strong>in</strong>e grosse Anzahl Verbesserungen<br />

auf dem Felde der elektr. Beleuchtung hervorgiengen ; se<strong>in</strong><br />

Ruf als Erf<strong>in</strong>der nahm dies- und jenseits des Oceans Dimensionen<br />

an, dass e<strong>in</strong>e Zeitlang nicht nur die G-asactionäre<br />

ihren Blick sorgenvoll nach Menlo Park richteten, sondern<br />

dass Tageslitteratur und Publikum sich gewöhnten, alle<br />

neueren Erf<strong>in</strong>dungen auf dem Felde der Elektrotechnik<br />

ohne Wahl Edison zuzuschreiben, selbst solche, mit denen<br />

er sich gar nie befasst hat.<br />

Von den elektrotechnischen Fortschritten der neuesten


68<br />

Zeit führen wir zum Schlüsse das Telpher-System des englischen<br />

Professors Flemm<strong>in</strong>g Jenk<strong>in</strong>, das den Transport von<br />

Gegenständen vermittels elektrischer Leitungen gestattet<br />

(e<strong>in</strong>e spezielle Art elektrischer Eisenbahnen) und die Télégraphie<br />

und Téléphonie zwischen e<strong>in</strong>em fahrenden Eisenbahnzuge<br />

und e<strong>in</strong>er Eisenbahnstation vermittels Induktionsströmen,<br />

die von e<strong>in</strong>er Primärleitung auf dem Tracé <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Secundärleitung<br />

an e<strong>in</strong>em Eisenbahnwagen und umgekehrt<br />

erzeugt werden können. An der Lösung des letzgenannten<br />

Problems haben sich viele Elektrotechniker beteiligt,<br />

ohne dass sie übrigens bis jetzt zu e<strong>in</strong>em befriedigenden<br />

Abschlüsse gebracht worden wäre.<br />

Wir s<strong>in</strong>d am Schlüsse. Das Durchgehen der Eroberungen<br />

des Menschengeistes, der "Weg auf dem die Forschung<br />

dazu gelangt ist, den ungefügigen Blitz <strong>in</strong> den<br />

Kreis der Erkenntniss e<strong>in</strong>zubeziehen und ihn zum gefügigen<br />

Werkzeug der Menschenhand zu machen, sche<strong>in</strong>t<br />

uns wie ke<strong>in</strong> anderes Gebiet geeignet, dem denkenden<br />

Beobachter e<strong>in</strong>e wahre Hochachtung vor dem unermüdlich<br />

fortstrebenden Geiste, der die Naturforschnng beseelt, aufzudrängen.

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