SteuerConsultant - Haufe.de
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<strong>SteuerConsultant</strong><br />
Die kompakte Information für steuer- und wirtschaftsberaten<strong>de</strong> Berufe<br />
Steuerrecht<br />
Außergewöhnliche Belastungen: Hat <strong>de</strong>r Amtsarzt ausgedient? ~ StB Martin Liepert 21<br />
Der Fall <strong>de</strong>r Sanierungsklausel ~ StB/WP Martin Schommer 23<br />
Beratungspraxis<br />
Erneuerbare Energien ~ RA Dr. Stefan Lammel 12<br />
Beschäftigung von Teilnehmern an dualen Studiengängen ~ Horst Marburger 28<br />
Kanzleimanagement<br />
Factoring – mehr finanzieller Spielraum für die Kanzlei 46<br />
Kooperationen mit Branchenfrem<strong>de</strong>n – ein vielversprechen<strong>de</strong>r Ansatz 50<br />
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Neues zur Praxis <strong>de</strong>r<br />
steuerlichen Selbstanzeige<br />
Reaktionen und Streitfragen >> 15<br />
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<strong>SteuerConsultant</strong> Fachbeirat<br />
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Innovative<br />
Kooperationen<br />
EDITORIAL<br />
Gemeinsam erfolgreich – organisatorisch getrennt. Auf diese Kurzformel lassen<br />
sich die <strong>de</strong>rzeit existieren<strong>de</strong>n Kooperationen von Steuerberatern mit Berufsfrem<strong>de</strong>n<br />
bringen. Hintergrund dürfte wohl das nicht ganz einfache Berufsrecht<br />
sein, das viele Steuerberater davon abhält, festere Kooperationen zu suchen.<br />
Im Bereich loser Zusammenarbeit hingegen gibt es zunehmend mehr Beispiele<br />
für Erfolgsmo<strong>de</strong>lle. Für Steuerberater, die noch auf <strong>de</strong>r Suche nach Partnern sind,<br />
bietet <strong>de</strong>r Deutsche Steuerberaterverband e. V. tatkräftige Unterstützung. So<br />
kann beispielsweise auf <strong>de</strong>r Homepage <strong>de</strong>s DStV e. V. nach potenziellen Kooperationspartnern<br />
für unterschiedliche Bereiche gesucht wer<strong>de</strong>n. Aber auch die<br />
DStV-Mitgliedsverbän<strong>de</strong> bieten auf ihren Internetseiten verschie<strong>de</strong>ne Kooperations-<br />
und Praxenbörsen an, so etwa <strong>de</strong>r Steuerberaterverband Nie<strong>de</strong>rsachsen/Sachsen-Anhalt<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Steuerberaterverband Westfalen-Lippe. Mehr<br />
Informationen und Inspirationen zur Zusammenarbeit fin<strong>de</strong>n Sie ab Seite 50<br />
dieser Ausgabe.<br />
Für <strong>de</strong>n Austausch mit Berufskollegen zu diesen und an<strong>de</strong>ren Themen möchte<br />
ich Sie herzlich in die Xing-Gruppe „Exzellente Steuerkanzleien ...“ einla<strong>de</strong>n.<br />
Hier diskutieren Steuerberater und Mitarbeiter aus Steuerkanzleien, welche<br />
Themen für die Zukunft <strong>de</strong>s Berufsstands erfolgsentschei<strong>de</strong>nd sein wer<strong>de</strong>n.<br />
Sagen Sie uns dort, welche Themen Sie beschäftigen. Ich wür<strong>de</strong> mich freuen,<br />
Sie dort zu treffen.<br />
Eine anregen<strong>de</strong> Lektüre wünscht Ihnen<br />
Ihre<br />
Anke Kolb-Leistner<br />
RAin/FAStR<br />
Um „<strong>SteuerConsultant</strong>“ für die Leser optimal zu gestalten, hat die Redaktion einen prominent besetzten<br />
Fachbeirat ins Leben gerufen, <strong>de</strong>r sie unterstützt:<br />
StB Prof. Dr. Dieter Endres, Vorstand Pricewaterhouse Coopers, Frankfurt am Main; vBP/StB Dr. Harald Grürmann, Präsidiumsmitglied<br />
BStBK, Lüneburg; Prof. Dr. Johanna Hey, Direktorin <strong>de</strong>s Instituts für Steuerrecht <strong>de</strong>r Uni Köln; WP/StB Gunther Hübner, Partner bei Hübner<br />
& Hübner, Wien; Prof. Dr. Monika Jachmann, Richterin am BFH, München; WP/StB Prof. Dr. H.-Michael Korth, Vizepräsi<strong>de</strong>nt DStV,<br />
Hannover; CFP/CEP Dr. Jörg Richter, Geschäftsführer Institut für Qualitätssicherung und Prüfung von Finanzdienstleistungen GmbH,<br />
Hannover; WP/StB/RA Dr. Bernd Rödl, Geschäftsführen<strong>de</strong>r Gesellschafter bei Rödl & Partner, Nürnberg; WP/StB Dr. Ferdinand Rüchardt,<br />
Vorstand Ecovis, München; RA Dr. Rolf Schwedhelm, Partner bei Streck, Mack, Schwedhelm, Köln; RA Dr. Alexan<strong>de</strong>r George Wolf,<br />
Hauptgeschäftsführer StB-Verband Nie<strong>de</strong>rsachsen Sachsen-Anhalt, Hannover.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 3
INHALT<br />
FAKTEN & NACHRICHTEN > 07<br />
Aktuelle Urteile, Verwaltungsanweisungen und neue gesetzliche Regelungen mit Praxishinweisen mit u.a. folgen<strong>de</strong>n Beiträgen:<br />
07 Einkommensteuer:<br />
Heimkosten als außergewöhnliche Belastung (BFH)<br />
08 Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter ist<br />
erfolgsneutral (BFH)<br />
09 Keine Pauschale für Auslandsübernachtung bei<br />
vollständiger Kostenerstattung (BFH)<br />
09 Umsatzsteuer:<br />
Keine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bemessungsgrundlage vor<br />
Rückgewähr vereinnahmter Anzahlung (BFH)<br />
FACHBEITRÄGE > 15<br />
» Schwerpunktthema<br />
15 Neues zur Praxis <strong>de</strong>r Selbstanzeige<br />
Die Neuregelung <strong>de</strong>r steuerlichen Selbstanzeige sieht<br />
unter an<strong>de</strong>rem vor, dass Straffreiheit künftig nur noch<br />
dann eintreten soll, wenn die Besteuerungsgrundlagen<br />
aller infrage kommen<strong>de</strong>n Steuerarten vollständig und<br />
zutreffend nacherklärt wird. Auch ist etwa <strong>de</strong>r Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>s Eintretens <strong>de</strong>s Sperrgrunds erheblich vorverlegt<br />
wor<strong>de</strong>n.<br />
RAin Dr. Alexandra Schmitz, Stuttgart<br />
12 Aktueller Beratungsanlass Wirtschaftsrecht:<br />
Erneuerbare Energien<br />
RA Dr. Stefan Lammel<br />
13 Checkliste Aktuelle Beratungsanlässe:<br />
Abgeltungssteuer<br />
14 Aktueller Beratungsanlass Vermögensgestaltung:<br />
Ethik in <strong>de</strong>r Geldanlage<br />
Dr. Jörg Richter<br />
>> Den Monat im Überblick fin<strong>de</strong>n Sie auf > Seite 6<br />
» Steuerrecht<br />
21 Außergewöhnliche Belastungen: Hat <strong>de</strong>r Amtsarzt<br />
ausgedient?<br />
In zwei aktuellen Urteilen hat <strong>de</strong>r BFH die Voraussetzungen<br />
zum Abzug von Krankheitskosten in <strong>de</strong>n Fällen, in<br />
<strong>de</strong>nen bisher ein vor <strong>de</strong>r Maßnahme einzuholen<strong>de</strong>s Attest<br />
gefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>, gelockert.<br />
StB Martin Liepert, München<br />
23 Der Fall <strong>de</strong>r Sanierungsklausel<br />
Was als gut gemeinte I<strong>de</strong>e zur Überbrückung <strong>de</strong>r Wirtschaftskrise<br />
begann, hat jetzt ein En<strong>de</strong> mit Schrecken<br />
gefun<strong>de</strong>n. Die Auswirkungen sind immens.<br />
StB/WP Martin Schommer, Frankfurt a. M.<br />
26 Auskunftsanspruch über Besteuerung eines<br />
Konkurrenten<br />
Der 15. Senat <strong>de</strong>s FG Münster hat einem Unternehmen,<br />
das in Konkurrenz zu einem gemeinnützigen Verein steht,<br />
zuerkannt, Auskunft beim Finanzamt darüber zu verlangen,<br />
mit welchem Umsatzsteuersatz <strong>de</strong>r Verein seine<br />
Umsätze versteuert.<br />
RA Johannes Höring, Trier<br />
» Sozialrecht<br />
28 Duale Studiengänge<br />
Die Beschäftigung von Stu<strong>de</strong>nten gewinnt immer mehr<br />
an Be<strong>de</strong>utung. Ihre sozialversicherungsrechtliche<br />
Behandlung hat sich geän<strong>de</strong>rt.<br />
Horst Marburger, Geislingen<br />
Alle Beiträge fin<strong>de</strong>n Sie im Artikelarchiv unter www.steuer-consultant.<strong>de</strong>.<br />
Für Beiträge, die mit diesem Logo gekennzeichnet sind, fin<strong>de</strong>n Sie dort zu<strong>de</strong>m elektronische Arbeitshilfen.<br />
4 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
46<br />
56<br />
KANZLEI & PERSÖNLICHES > 30<br />
Wer sein For<strong>de</strong>rungsmanagement<br />
einem Factoring-Dienstleister anvertraut,<br />
kann entspannt sein – sofern<br />
das Zusammenspiel gut klappt.<br />
Vernetzung wird im Geschäftsleben<br />
immer wichtiger – etwa<br />
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» Finanzen<br />
<strong>SteuerConsultant</strong> 03.2011<br />
30 Geschlossene Fonds. Nach <strong>de</strong>m Katastrophenjahr<br />
2010 hoffen die Anbieter geschlossener Fonds nun auf<br />
eine Rückkehr zur Normalität. Für Anleger spielt noch<br />
immer Sicherheit die Hauptrolle.<br />
» Unternehmensberatung<br />
34 Kreditmediation. Neutrale Vermittler können Betrieben<br />
bei Finanzierungsverhandlungen helfen. Der<br />
Staat bietet da sogar kostenlose Unterstützung.<br />
37 Auslandsengagement. Unternehmen, die eine<br />
Nie<strong>de</strong>rlassung im Ausland grün<strong>de</strong>n wollen, sollten<br />
diesen Schritt gründlich vorbereiten.<br />
» Kanzleimanagement<br />
42 Cebit 2011. Bei <strong>de</strong>r IT-Messe Anfang März dreht sich<br />
alles um Cloud Computing. Auch die Kanzlei-Software-Anbieter<br />
setzen vermehrt auf die neue Technik.<br />
46 Steuerberater-Factoring. Kanzleien können mithilfe<br />
von Factoring die Liquidität erhöhen und ihre Effizienz<br />
spürbar steigern. Doch es gibt auch Grün<strong>de</strong>, die<br />
gegen <strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungsverkauf sprechen.<br />
50 Kooperationen. Mit <strong>de</strong>m liberalisierten Berufsrecht<br />
im Rücken fin<strong>de</strong>n Steuerbüros vermehrt neue Formen<br />
<strong>de</strong>r Zusammenarbeit mit Partnern an<strong>de</strong>rer Branchen.<br />
53 Bewerbermanagement. Clevere Steuerberater<br />
nutzen die Suche nach neuen Mitarbeitern, um<br />
gleichzeitig das Image ihrer Kanzlei aufzupolieren.<br />
54 Finanzgerichtstag. Beim 8. Deutschen Finanzgerichtstag<br />
in Köln ging es um europäische Perspektiven<br />
im Steuerrecht.<br />
» Nachrichten<br />
56 Xing-Gruppe für StB. <strong>Haufe</strong>-Lexware ruft die Xing-<br />
Gruppe „Exzellente Steuerkanzleien ...“ ins Dasein –<br />
als Treffpunkt und Forum für die Branche.<br />
57 Übersteuert. Merkwürdiges <strong>de</strong>r Steuerberatung,<br />
aufgegriffen von StB Rainer Fuchs aus Achern.<br />
58 Vorschau und Impressum<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 5
FAKTEN & NACHRICHTEN<br />
Aktuelle Urteile und Verwaltungsanweisungen im Überblick*<br />
Einkommensteuer<br />
07 Heimkosten als außergewöhnliche Belastung, (BFH)<br />
07 Kein <strong>de</strong>utsches Besteuerungsrecht für in die USA<br />
als Ruhegel<strong>de</strong>r gezahlte nachträgliche<br />
Son<strong>de</strong>rvergütungen, (BFH)<br />
08 Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter ist<br />
erfolgsneutral, (BFH)<br />
08 Auswärtstätigkeit bei Beschäftigung in weiträumigem<br />
Waldgebiet, (BFH)<br />
09 Keine Pauschale für Auslandsübernachtung bei<br />
vollständiger Kostenerstattung, (BFH)<br />
Umsatzsteuer<br />
09 Keine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bemessungsgrundlage vor<br />
Rückgewähr vereinnahmter Anzahlung, (BFH)<br />
10 EuGH-Vorlage zum Begriff <strong>de</strong>r „Ansässigkeit“ <strong>de</strong>s<br />
Steuerpflichtigen, (BFH)<br />
Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer<br />
10 Berechnung <strong>de</strong>r Beteiligungsquote von 95 % bei<br />
mittelbarer Beteiligung an grundbesitzen<strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft, (BFH)<br />
Erbschaftsteuer<br />
11 Besteuerung <strong>de</strong>s Letzterwerbs bei mehreren<br />
Erwerben eines Nacherben vom Vorerben, (BFH)<br />
* Die Urteilskommentierungen stammen aus <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
<strong>Haufe</strong> Gruppe erscheinen<strong>de</strong>n Zeitschrift BFH/PR<br />
und wur<strong>de</strong>n durch die Redaktion gekürzt.<br />
6 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
» Einkommensteuer<br />
Heimkosten als außergewöhnliche Belastung<br />
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BFH, 13.10.2010, VI R 38/09 HI2590125<br />
1. Bei einem durch Krankheit veranlassten Aufenthalt in einem Seniorenheim<br />
sind die Kosten für die Unterbringung als außergewöhnliche<br />
Belastungen gem. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar.<br />
2. Der Aufenthalt kann auch dann krankheitsbedingt sein, wenn keine<br />
zusätzlichen Pflegekosten entstan<strong>de</strong>n sind und kein Merkzeichen „H“<br />
o<strong>de</strong>r „Bl“ im Schwerbehin<strong>de</strong>rtenausweis festgestellt ist (gegen BFH,<br />
Urteil v. 18.12.2008, III R 12/07, BFH/NV 2009 S. 1102).<br />
» Sachverhalt<br />
K, 1930 geboren, war seit 1999 in psychiatrischer Behandlung.<br />
Der Facharzt empfahl eine Unterbringung in einem Seniorenheim<br />
(betreutes Wohnen), weil K krankheitsbedingt ihr Leben in ihrem<br />
bisherigen Umfeld nicht mehr selbstständig führen könne. Ihre<br />
Betreuung wur<strong>de</strong> gerichtlich angeordnet. K zog darauf in ein Seniorenheim.<br />
Dieses berechnete K monatlich Mietkosten (1.288 EUR)<br />
und Verpflegung (269 EUR), aber keine Pflegekosten. K machte die<br />
Mietkosten als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt<br />
lehnte das ab, weil K in keine Pflegestufe eingeordnet sei und auch<br />
das Merkzeichen „H“ im Behin<strong>de</strong>rtenausweis fehle. Es berücksichtigte<br />
nur <strong>de</strong>n Haushaltsfreibetrag.<br />
Das FG gab <strong>de</strong>r Klage teilweise statt. Die Kosten seien <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong><br />
nach zu berücksichtigen, weil K ausschließlich wegen ihrer Erkrankung,<br />
nicht wegen ihres Alters ins Heim gezogen sei, jedoch um die<br />
Haushaltsersparnis zu kürzen. Der BFH bestätigte das FG.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim<br />
rechnen zu <strong>de</strong>n üblichen Aufwendungen <strong>de</strong>r Lebensführung. Kosten<br />
für einen durch Krankheit veranlassten Aufenthalt in einem Alterso<strong>de</strong>r<br />
Pflegeheim sind dagegen als Krankheitskosten <strong>de</strong>n außergewöhnlichen<br />
Belastungen zuzurechnen. Da das FG festgestellt hatte,<br />
dass K krankheitsbedingt untergebracht wor<strong>de</strong>n war, lagen mithin<br />
die Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Abzug <strong>de</strong>r Aufwendungen als außergewöhnliche<br />
Belastungen vor.<br />
Eine krankheitsbedingte Unterbringung wird auch dann angenommen,<br />
wenn noch keine ständige Pflegebedürftigkeit gegeben ist.<br />
Der BFH hält ausdrücklich nicht an <strong>de</strong>r Auffassung fest, dass ein<br />
ausschließlich krankheitsbedingter Aufenthalt noch nicht gegeben<br />
sei, wenn keine zusätzlichen Pflegekosten entstan<strong>de</strong>n seien und im<br />
Schwerbehin<strong>de</strong>rtenausweis die Merkzeichen „H“ o<strong>de</strong>r „Bl“ fehlen.<br />
» Praxishinweis<br />
Der BFH stellt neuerdings weniger auf Formalien wie Pflegestufeneinordnung<br />
o<strong>de</strong>r Merkzeichen im Behin<strong>de</strong>rtenausweis, son<strong>de</strong>rn auf<br />
<strong>de</strong>n tatsächlichen medizinischen Befund ab.<br />
Dr. Stefan Schnei<strong>de</strong>r, Richter am BFH, BFH/PR 3/2011,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
Einkommensteuer FAKTEN & NACHRICHTEN<br />
Kein <strong>de</strong>utsches Besteuerungsrecht für in die USA<br />
als Ruhegel<strong>de</strong>r gezahlte nachträgliche<br />
Son<strong>de</strong>rvergütungen<br />
BFH, 08.11.2010, I R 106/09, HI2590121<br />
Die Pension, die <strong>de</strong>r zwischenzeitlich in <strong>de</strong>n USA ansässige ehemalige<br />
Geschäftsführer <strong>de</strong>r Komplementär-GmbH einer inländischen<br />
KG für seine frühere Geschäftsführertätigkeit bezieht, kann nach<br />
Art. 18 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F. unbescha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>s § 15 Abs. 1 S.<br />
1 Nr. 2 S. 1 Hs. 2 EStG nur in <strong>de</strong>n USA besteuert wer<strong>de</strong>n. § 50d<br />
Abs. 10 i. V. m. § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG i. d. F. <strong>de</strong>s JStG 2009 än<strong>de</strong>rt<br />
daran nichts.<br />
» Sachverhalt<br />
Der 1935 geborene K hatte im Streitjahr 2001 seinen Wohnsitz in<br />
<strong>de</strong>n USA. Er war Kommanditist einer <strong>de</strong>utschen GmbH & Co. KG und<br />
von 1967 – 1984 Geschäftsführer <strong>de</strong>r GmbH. Laut Dienstvertrag mit<br />
<strong>de</strong>r GmbH stand K bei Eintritt in <strong>de</strong>n Ruhestand eine lebenslängliche<br />
Pension zu. 1984 legte K sein Amt als Geschäftsführer nie<strong>de</strong>r<br />
und schloss mit <strong>de</strong>r GmbH einen Aufhebungsvertrag, wonach er die<br />
zugesagte Pension ab 1.1.2001 erhalten sollte. Das Finanzamt sah in<br />
<strong>de</strong>r Pension nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15<br />
EStG. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor <strong>de</strong>m FG und <strong>de</strong>m BFH<br />
Erfolg: Das Besteuerungsrecht steht <strong>de</strong>n USA zu; § 50d Abs. 10 EStG<br />
steht <strong>de</strong>m nicht entgegen.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Son<strong>de</strong>rvergütungen sind abkommensrechtlich grundsätzlich nicht<br />
als Unternehmensgewinne aufzufassen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n jeweils spezielleren<br />
Einkunftskategorien und Besteuerungszuteilungen in <strong>de</strong>n<br />
DBA zuzuordnen. Im Fall von Ruhegel<strong>de</strong>rn, die ein ehemaliger Mitunternehmer<br />
von „seiner“ Personengesellschaft als Arbeitnehmer<br />
bezieht, ist das Art. 18 OECD-MA. Dass <strong>de</strong>rartige nachträgliche Einkünfte<br />
nach <strong>de</strong>n §§ 15, 24 EStG wegen <strong>de</strong>r Mitunternehmerstellung<br />
<strong>de</strong>n gewerblichen Son<strong>de</strong>rvergütungen zugerechnet wer<strong>de</strong>n, än<strong>de</strong>rt<br />
daran nichts. Es han<strong>de</strong>lt sich hierbei um eine rein nationale Einstufung,<br />
die das abkommensrechtlich-autonome Verständnis nicht<br />
beeinflussen kann. Da Art. 18 OECD-MA das Besteuerungsrecht für<br />
Ruhegel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Wohnsitzstaat <strong>de</strong>s Empfängers zuteilt, geht <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche<br />
Besteuerungszugriff verloren, wenn <strong>de</strong>r Empfänger im an<strong>de</strong>ren<br />
Vertragsstaat lebt.<br />
» Praxishinweis<br />
Nach § 50d Abs. 10 EStG 2002 n. F. gelten Son<strong>de</strong>rvergütungen nach<br />
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und Nr. 3 Halbsatz 2 EStG,<br />
auf die ein DBA ohne explizite Regelung für Son<strong>de</strong>rvergütungen anzuwen<strong>de</strong>n<br />
ist, für Zwecke <strong>de</strong>r Anwendung von DBA ausschließlich als<br />
Unternehmensgewinne. Diese Regelung ist rückwirkend in allen noch<br />
offenen Fällen anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
§ 50d Abs. 10 EStG nimmt nur § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG, nicht aber<br />
§ 15 Abs. 1 Satz 2 EStG in Bezug. Der Gesetzgeber verzichtet insoweit<br />
auf die abkommensverkehren<strong>de</strong> Um<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Vergütungen<br />
in Unternehmensgewinne. Ob das gewollt o<strong>de</strong>r ungewollt ist, lassen<br />
die Regelungsmaterialien nicht erkennen. Der BFH versteht § 50d<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 7
FAKTEN & NACHRICHTEN Einkommensteuer / Umsatzsteuer<br />
Abs. 10 EStG in<strong>de</strong>s eng, weil er <strong>de</strong>r von ihm als richtig erkannten<br />
Abkommensauslegung wi<strong>de</strong>rspricht und anzunehmen ist, dass <strong>de</strong>r<br />
Gesetzgeber wusste, was er tat, als er sich <strong>de</strong>m „abkommensübersteigend“<br />
wi<strong>de</strong>rsetzte.<br />
Prof. Dr. Dietmar Gosch, Vors. Richter am BFH, aus: BFH/PR 3/2011,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter ist<br />
erfolgsneutral<br />
BFH, 25.08.2010, I R 103/09, HI2541966<br />
Die Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter durch eine AG<br />
(Stock Options) im Rahmen eines Aktienoptionsplans, <strong>de</strong>r mit einer<br />
bedingten Kapitalerhöhung verbun<strong>de</strong>n ist, führt im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Einräumung<br />
<strong>de</strong>r unentgeltlich gewährten Bezugsrechte nicht zu einem<br />
gewinnwirksamen Personalaufwand.<br />
» Sachverhalt<br />
Eine börsennotierte AG beschloss 2001, ihr Grundkapital durch Ausgabe<br />
neuer Inhaberaktien bedingt zu erhöhen. Bezugsrechte wur<strong>de</strong>n<br />
nur Vorstandsmitglie<strong>de</strong>rn und Arbeitnehmern <strong>de</strong>r AG eingeräumt<br />
und zwar unentgeltlich, mit einer Laufzeit von 4 Jahren und einer<br />
Sperrfrist von 2 Jahren. Bei <strong>de</strong>r Optionsausübung war ein Bezugspreis<br />
von 50 % <strong>de</strong>s Aktiendurchschnittskurses zu zahlen. Die AG verteilte<br />
<strong>de</strong>n Gesamtwert <strong>de</strong>r Optionen gleichmäßig auf die Sperrfrist, erfasste<br />
<strong>de</strong>n Betrag als Personalaufwand und zugleich als Kapitalrücklage.<br />
Dem folgten we<strong>de</strong>r Finanzamt, noch FG, noch BFH.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Es liegt keine einlagefähige Zuwendung vor. Der Geschäftsvorfall<br />
ist erfolgsneutral. Die Ausgabe <strong>de</strong>r Optionen be<strong>de</strong>utet allein einen<br />
Vermögensverlust <strong>de</strong>r Altaktionäre, berührt die Vermögens- und<br />
Ertragslage <strong>de</strong>r AG aber nicht.<br />
Das Agio bei <strong>de</strong>r Ausgabe verbriefter Options- und Wan<strong>de</strong>lschuldverschreibungen<br />
ist als Kapitalrücklage auszuweisen. Gleiches<br />
gilt für „an<strong>de</strong>re Zuzahlungen“, die Aktionäre in das Eigenkapital<br />
leisten. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich um freiwillige, zweckbestimmte<br />
Zahlungen ohne Gewährung von Vorzügen durch die AG. Solche<br />
Einlagen von Altaktionäre liegen nicht vor. Der Ausschluss<br />
<strong>de</strong>s Bezugsrechts <strong>de</strong>r Altaktionäre bei einer bedingten Kapitalerhöhung<br />
führt nicht dazu, dass <strong>de</strong>ren Zustimmung zu <strong>de</strong>r für sie<br />
nachteiligen Maßnahme als „Leistung“ an die AG anzusehen ist.<br />
Die Altaktionäre können daher auch kein Bezugsrecht in die AG<br />
einlegen.<br />
Auch als Ausgleich für ihren Vermögensverlust bei <strong>de</strong>r Begebung<br />
von Optionen haben die Altaktionäre keine Leistungsverpflichtung<br />
<strong>de</strong>r die Optionen zeichnen<strong>de</strong>n Mitarbeiter erlangt, die hätte eingelegt<br />
wer<strong>de</strong>n können. Ebenso wenig kann mangels einer Leistungsverpflichtung<br />
o<strong>de</strong>r eines Gehaltsverzichts von einer Einlage <strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
als künftige Aktionäre ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />
Schließlich schei<strong>de</strong>t eine Verbindlichkeitsrückstellung aus. Für die<br />
bis zur Aufstellung <strong>de</strong>s Optionsplans eventuell geleistete Mehrarbeit<br />
bestand keine mit einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung<br />
verbun<strong>de</strong>ne tatsächliche Verbindlichkeit gegenüber <strong>de</strong>n Arbeitnehmern.<br />
Auch kann nicht mit Blick auf die künftige ungewisse<br />
Mehrarbeit ein Erfüllungsrückstand aus <strong>de</strong>m Arbeitsverhältnis<br />
angenommen wer<strong>de</strong>n.<br />
» Praxishinweis<br />
Der Zufluss offener und ver<strong>de</strong>ckter Aufgel<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Ausgabe von<br />
Optionsanleihen kann steuerlich eine Einlage begrün<strong>de</strong>n, selbst<br />
wenn diese von Nichtaktionären zur Erlangung <strong>de</strong>r Anwartschaft<br />
auf die Aktionärsstellung geleistet wer<strong>de</strong>n. Erfor<strong>de</strong>rlich ist stets eine<br />
einlagefähige Zuwendung, entwe<strong>de</strong>r durch die Alt- o<strong>de</strong>r durch die<br />
Neuaktionäre, die einem Agio bei <strong>de</strong>r Ausgabe von Optionsanleihen<br />
vergleichbar ist.<br />
Prof. Dr. Dietmar Gosch, Vors. Richter am BFH, aus: BFH/PR 2/2011,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
Auswärtstätigkeit bei Beschäftigung in<br />
weiträumigem Waldgebiet<br />
BFH, 17.06.2010, VI R 20/09, HI2538549<br />
Ein weiträumiges Arbeitsgebiet ohne je<strong>de</strong> ortsfeste, dauerhafte<br />
betriebliche Einrichtung <strong>de</strong>s Arbeitgebers, wie z. B. ein ausge<strong>de</strong>hntes<br />
Waldgebiet, ist keine regelmäßige Arbeitsstätte.<br />
» Sachverhalt<br />
K war als Arbeiter bei einem Forstamt beschäftigt, das ein in 11 Reviere<br />
aufgeteiltes Waldgebiet mit etwa 400 qkm umfasste. Soweit möglich<br />
wur<strong>de</strong> K wohnungsnah eingesetzt. Die Einsatzplanung erfolgte stets<br />
kurzfristig mit Vorlaufzeiten von 1–2 Tagen. Die Einsatzorte waren<br />
u. a. wegen Witterungsumstän<strong>de</strong>n unvorhersehbar. K bewahrte die<br />
Arbeitsmittel zu Hause auf und fuhr von dort mit seinem Pkw direkt<br />
zu <strong>de</strong>n Einsatzstellen. Er machte Fahrtkosten und Mehraufwand für<br />
Verpflegung wegen Einsatzwechseltätigkeit an 222 Tagen geltend.<br />
Das Finanzamt nahm Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger<br />
Arbeitsstätte an und berücksichtigte keinen Verpflegungsmehraufwand.<br />
Die Klage blieb erfolglos. Der BFH hob die Vorentscheidung<br />
auf. Das FG muss nun prüfen, ob die Einsatzwechseltätigkeit an 222<br />
Tagen gegeben war.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Regelmäßige Arbeitsstätte ist je<strong>de</strong> ortsfeste dauerhafte betriebliche<br />
Einrichtung <strong>de</strong>s Arbeitgebers, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Arbeitnehmer zugeordnet ist<br />
und die er nicht nur gelegentlich, son<strong>de</strong>rn fortdauernd und immer<br />
wie<strong>de</strong>r aufsucht. Wesentlich ist, dass <strong>de</strong>r Arbeitnehmer sich auf die<br />
immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Wegekosten hinwirken kann. Nur für diesen Grundtyp gilt die abzugsbegrenzen<strong>de</strong><br />
Regelung als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme<br />
vom objektiven Nettoprinzip. Kontrastfall dazu ist die Auswärtstätigkeit.<br />
Wer vorübergehend von Wohnung und Tätigkeitsmittelpunkt<br />
entfernt arbeitet o<strong>de</strong>r nicht über einen dauerhaft angelegten ortsgebun<strong>de</strong>nen<br />
Bezugspunkt für seine berufliche Tätigkeit verfügt, hat<br />
keine regelmäßige Arbeitsstätte.<br />
Damit war auch das 400 qkm große Waldgebiet keine regelmäßige<br />
Arbeitsstätte. Denn <strong>de</strong>r irgendwo im Wald gelegene täglich wechseln<strong>de</strong><br />
Tätigkeitsort war nicht ortsfest. Weil <strong>de</strong>r Arbeitgeber im<br />
Wald auch keine betriebliche Einrichtung vorgehalten hatte, konnte<br />
das Waldgebiet auch nicht als großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte<br />
gelten. Eine ortsfeste betriebliche Einrichtung <strong>de</strong>s Arbeitge-<br />
8 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
ers setzt eine Einrichtung voraus, die nach ihrer Infrastruktur mit<br />
<strong>de</strong>r an einem Betriebssitz vergleichbar ist. Nur dann kann ein größeres,<br />
räumlich geschlossenes Gebiet „regelmäßige Arbeitsstätte“<br />
und „Tätigkeitsmittelpunkt“ sein. Diese bei<strong>de</strong>n Begriffe stellt <strong>de</strong>r<br />
BFH zur Vereinfachung und aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Folgerichtigkeit gleich;<br />
daher hatte K grundsätzlich auch Anspruch auf Abzug von Verpflegungsmehraufwand.<br />
Dr. Stefan Schnei<strong>de</strong>r, Richter am BFH, aus: BFH/PR 2/2011,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
Keine Pauschale für Auslandsübernachtung bei<br />
vollständiger Kostenerstattung<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
BFH, 08.07.2010, VI R 24/09, HI2529775<br />
Ein Arbeitnehmer kann bei Übernachtungen im Ausland <strong>de</strong>n Differenzbetrag<br />
zwischen <strong>de</strong>n vom Arbeitgeber vollständig erstatteten<br />
tatsächlichen Kosten und <strong>de</strong>n höheren Übernachtungspauschalen<br />
nach <strong>de</strong>n LStR nicht als Werbungskosten geltend machen.<br />
» Sachverhalt<br />
K beantragte <strong>de</strong>n Abzug von Werbungskosten für dienstliche Auslandsübernachtungen<br />
i. H. d. Pauschbeträge nach <strong>de</strong>n LStR, soweit<br />
diese höher als die tatsächlichen, vom Arbeitgeber steuerfrei erstatteten<br />
Kosten waren. Das Finanzamt setzte die Pauschbeträge nicht als<br />
Werbungskosten an, weil K keine eigenen Kosten entstan<strong>de</strong>n waren.<br />
Klage und Revision blieben erfolglos.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG steht einem über <strong>de</strong>n<br />
tatsächlichen Aufwand hinausgehen<strong>de</strong>n Werbungskostenabzug entgegen.<br />
Werbungskosten sind zwar Aufwendungen zur Erwerbung,<br />
Sicherung und Erhaltung <strong>de</strong>r Einnahmen, zu <strong>de</strong>nen auch Kosten für<br />
Auslandsdienstreisen gehören können; <strong>de</strong>r Werbungskostenabzug<br />
setzt aber eine Belastung mit Aufwendungen voraus. Diese tatsächliche<br />
Kostenbelastung fehlt hier angesichts <strong>de</strong>r Kostenerstattung<br />
durch <strong>de</strong>n Arbeitgeber.<br />
Auch R 40 Abs. 2 Satz 2 LStR kann die von K gewünschte Rechtsfolge<br />
nicht begrün<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn die Regelung for<strong>de</strong>rt ebenfalls tatsächliche<br />
Aufwendungen für Übernachtungen. Und R 40 Abs. 2 Satz 1 LStR<br />
lässt einen Abzug nur insoweit zu, als <strong>de</strong>r Arbeitgeber sie nicht steuerfrei<br />
ersetzt hat. R 40 Abs. 2 Satz 2 LStR gewährt somit keinen<br />
Pauschbetrag, son<strong>de</strong>rn will lediglich <strong>de</strong>n Nachweis <strong>de</strong>r tatsächlichen<br />
Kosten bei Auslandsübernachtungen erleichtern.<br />
Die Auslandspauschalen greifen darüber hinaus nicht, wenn sie zu<br />
einer offensichtlich unzutreffen<strong>de</strong>n Besteuerung führen. Davon ist<br />
auszugehen, wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber einem Arbeitnehmer sämtliche<br />
Übernachtungskosten erstattet.<br />
» Praxishinweis<br />
Das Urteil streift eine dogmatisch interessante Grundfrage: Können in<br />
Steuerrichtlinien enthaltene Pauschbeträge eine Rechtsgrundlage für<br />
einen über <strong>de</strong>n tatsächlichen Aufwand hinausgehen<strong>de</strong>n Werbungskostenabzug,<br />
z. B. unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r Gleichbehandlung, sein? Die<br />
LStR gaben keinen Anlass, darauf näher einzugehen, weil sie selbst<br />
die von K gewünschte Rechtsfolge, d. h. <strong>de</strong>n Abzug <strong>de</strong>r Pauschalen<br />
trotz Erstattung durch <strong>de</strong>n Arbeitgeber, nicht vorsehen. Der Streitfall<br />
könnte <strong>de</strong>n Richtliniengeber allerdings veranlassen, Pauschbeträge<br />
ähnlich wie hier gleichsam „abzusichern“. Er könnte Abzüge unter<br />
<strong>de</strong>n generellen Vorbehalt <strong>de</strong>r „offensichtlich unzutreffen<strong>de</strong>n Besteuerung“<br />
stellen. Der Maßstab für die „zutreffen<strong>de</strong> Besteuerung“ folgt<br />
aus <strong>de</strong>r gesetzlichen Grundaussage.<br />
Dr. Stefan Schnei<strong>de</strong>r, Richter am BFH, aus: BFH/PR 2/2011,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
» Umsatzsteuer<br />
Keine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bemessungsgrundlage vor<br />
Rückgewähr vereinnahmter Anzahlung<br />
BFH, 02.09.2010, V R 34/09, HI2570483<br />
1. Vereinnahmt <strong>de</strong>r Unternehmer eine Anzahlung, ohne die hierfür<br />
geschul<strong>de</strong>te Leistung zu erbringen, kommt es erst mit <strong>de</strong>r Rückgewähr<br />
<strong>de</strong>r Anzahlung zur Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bemessungsgrundlage nach<br />
§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG (Fortführung <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom 18.9.2008,<br />
V R 56/06, BStBl 2009 II S. 250, entgegen BFH-Urteil v. 24.8.1995,<br />
V R 55/94, BStBl II 1995 S. 808).<br />
2. Wird die Leistung nach Vereinnahmung <strong>de</strong>s Entgelts rückgängig<br />
gemacht, entsteht <strong>de</strong>r Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2<br />
Nr. 3 UStG erst mit <strong>de</strong>r Rückgewähr <strong>de</strong>s Entgelts (Fortführung<br />
von BFH-Urteil in BStBl 2009 II S. 250, entgegen BFH-Beschluss<br />
v. 20.8.1999, V B 74/99, BFH/NV 2000 S. 243).<br />
» Sachverhalt<br />
Eine GmbH hatte Anzahlungen für noch nicht erbrachte Leistungen<br />
vereinnahmt. Nach Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens entschied sich<br />
<strong>de</strong>r Insolvenzverwalter für die „Rückabwicklung“ <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />
Verträge. An<strong>de</strong>rs als <strong>de</strong>r Insolvenzverwalter ordnete das Finanzamt<br />
die Rückabwicklung und Berichtigung <strong>de</strong>r Bemessungsgrundlage<br />
<strong>de</strong>m Zeitraum vor Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens zu. Das FG<br />
gab <strong>de</strong>r Klage statt.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Die Revision hatte Erfolg. Auch nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG ist,<br />
soweit das Entgelt bereits vereinnahmt ist, eine Berichtigung erst<br />
dann und nur insoweit zulässig, wie das vereinnahmte Entgelt tatsächlich<br />
zurückbezahlt wird.<br />
» Praxishinweis<br />
Die Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens berührt die Unternehmereigenschaft<br />
<strong>de</strong>s Insolvenzschuldners nicht. Daher bestimmt sich auch<br />
die Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen <strong>de</strong>s Gemeinschuldners<br />
zunächst – ohne Rücksicht auf das Insolvenzrecht – allein nach<br />
<strong>de</strong>m UStG.<br />
Die Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens bedingen jedoch –<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 9
FAKTEN & NACHRICHTEN Umsatzsteuer / Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer / Erbschaftsteuer<br />
abgesehen vom Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>r Aufnahme einer neuen Tätigkeit <strong>de</strong>s<br />
Insolvenzschuldners nach Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens – vor<br />
allem wegen <strong>de</strong>r Zuordnung von Ansprüchen zu <strong>de</strong>n Insolvenz- o<strong>de</strong>r<br />
Massefor<strong>de</strong>rungen eine Zäsur: Die vor Insolvenzeröffnung begrün<strong>de</strong>te<br />
Umsatzsteuer ist als Insolvenzfor<strong>de</strong>rung zur Tabelle anzumel<strong>de</strong>n;<br />
nach Insolvenzeröffnung begrün<strong>de</strong>te Umsatzsteuerfor<strong>de</strong>rungen sind<br />
durch einen an <strong>de</strong>n Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid<br />
geltend zu machen und von diesem vorweg aus <strong>de</strong>r Insolvenzmasse<br />
zu befriedigen. Die Zäsur durch die Insolvenzeröffnung führt letztlich<br />
zu 2 zeitlich zu unterschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n „Unternehmensteilen“.<br />
Eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG<br />
setzt bei bereits erfolgter Entgeltvereinnahmung die Rückzahlung <strong>de</strong>s<br />
Entgelts voraus. Denn bei <strong>de</strong>r Sollbesteuerung bil<strong>de</strong>t die Solleinnahme<br />
zwar zunächst die Bemessungsgrundlage; hat <strong>de</strong>r Unternehmer das<br />
„Soll“-Entgelt bereits vereinnahmt, än<strong>de</strong>rt sich die Bemessungsgrundlage<br />
nicht schon durch (bloße) Vereinbarung einer „Entgeltmin<strong>de</strong>rung“,<br />
son<strong>de</strong>rn nur durch tatsächliche Rückzahlung.<br />
Dr. Suse Martin, Vors. Richterin am BFH, aus: BFH/PR 3/2011,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
EuGH-Vorlage zum Begriff <strong>de</strong>r „Ansässigkeit“<br />
<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />
BFH, 30.06.2010, XI R 5/08, HI2375971<br />
Dem EuGH wird folgen<strong>de</strong> Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist<br />
ein Steuerpflichtiger bereits dann ein „im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger“<br />
i. S. d. Art. 21 Abs. 1 Buchst. b <strong>de</strong>r 6. EG-RL, wenn er<br />
<strong>de</strong>n Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat, o<strong>de</strong>r muss<br />
als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass er seinen privaten<br />
Wohnsitz nicht im Inland hat?<br />
» Sachverhalt<br />
S hatte seinen Unternehmenssitz in Österreich und verfügte über<br />
eine österreichische USt-IdNr. Er überließ Arbeitnehmer an Unternehmen<br />
in Bayern und rechnete seine Leistungen ohne Umsatzsteuer<br />
mit <strong>de</strong>m Hinweis „Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG beim Leistungsempfänger“<br />
ab. Nach Ansicht <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Finanzamts lagen<br />
die Voraussetzungen für eine Verlagerung <strong>de</strong>r Steuerschuld auf <strong>de</strong>n<br />
Leistungsempfänger nicht vor. Da S seinen Wohnsitz in Deutschland<br />
gehabt habe, sei er kein „im Ausland ansässiger Unternehmer“. Das<br />
FG gab <strong>de</strong>r Klage statt.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Der BFH hält es für zweifelhaft, ob die in § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG<br />
getroffene Regelung mit <strong>de</strong>m EU-Recht übereinstimmt und hat <strong>de</strong>shalb<br />
<strong>de</strong>m EuGH die aus <strong>de</strong>m Leitsatz ersichtliche Frage zur Vorabentscheidung<br />
vorgelegt.<br />
» Praxishinweis<br />
Nach § 13b Abs. 1, 2 UStG verlagert sich die Steuerschuld für „Werklieferungen<br />
und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers“<br />
auf <strong>de</strong>n Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer ist.<br />
Gem. § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG ist ein im Ausland ansässiger Unter-<br />
nehmer ein Unternehmer, <strong>de</strong>r im Inland we<strong>de</strong>r einen Wohnsitz, einen<br />
Sitz, eine Geschäftsleitung noch eine Zweignie<strong>de</strong>rlassung hat.<br />
Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 13b UStG beruht auf Art. 21 <strong>de</strong>r 6. EG-RL. Nach<br />
<strong>de</strong>ssen Abs. 1 Buchst. b Alt. 1 schul<strong>de</strong>t die Umsatzsteuer <strong>de</strong>r steuerpflichtige<br />
Empfänger einer bestimmten Dienstleistung, wenn „die<br />
Dienstleistung von einem im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen<br />
erbracht wird.“ Der Begriff <strong>de</strong>s „im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen“<br />
wird in Art. 21 <strong>de</strong>r 6. EG-RL nicht <strong>de</strong>finiert.<br />
Nach Art. 9 Abs. 1 <strong>de</strong>r 6. EG-RL gilt als Ort einer Dienstleistung <strong>de</strong>r<br />
Ort, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Leisten<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit<br />
o<strong>de</strong>r eine feste Nie<strong>de</strong>rlassung hat, von wo aus die Dienstleistung<br />
erbracht wird, o<strong>de</strong>r in Ermangelung eines solchen Sitzes o<strong>de</strong>r einer<br />
festen Nie<strong>de</strong>rlassung sein Wohnort o<strong>de</strong>r üblicher Aufenthaltsort.<br />
Danach ist <strong>de</strong>r Ort <strong>de</strong>s privaten Wohnsitzes unerheblich, wenn ein<br />
Unternehmenssitz vorhan<strong>de</strong>n ist.<br />
Da Art. 21 auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. e <strong>de</strong>r 6. RL-EG Bezug nimmt,<br />
erscheint es zwar nicht zwingend, aber naheliegend, bei <strong>de</strong>r Auslegung<br />
<strong>de</strong>s Begriffs <strong>de</strong>s „im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen“ die<br />
in Art. 9 Abs. 1 <strong>de</strong>r 6. EG-RL getroffene Regelung heranzuziehen.<br />
Danach käme es für <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r „Ansässigkeit“ auf <strong>de</strong>n Wohnsitz<br />
eines Unternehmers nicht an, wenn sich <strong>de</strong>r Unternehmenssitz im<br />
Ausland befin<strong>de</strong>t. Dies hätte <strong>de</strong>n Vorteil, dass <strong>de</strong>r Vertragspartner<br />
eines Unternehmers mit Sitz im Ausland nicht <strong>de</strong>r Frage nachgehen<br />
muss, ob dieser Unternehmer zufälligerweise (auch) einen Wohnsitz<br />
im Inland hat.<br />
Mangels ausdrücklicher Regelung in Art. 21 <strong>de</strong>r 6. EG-RL ist jedoch<br />
nicht zweifelsfrei, wie <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s im „Ausland ansässigen Unternehmers“<br />
eu-rechtlich zu <strong>de</strong>finieren ist, wenn sich <strong>de</strong>r Unternehmenssitz<br />
und <strong>de</strong>r Wohnsitz <strong>de</strong>s Unternehmers in unterschiedlichen<br />
Län<strong>de</strong>rn befin<strong>de</strong>n.<br />
Monika Völlmeke, Vors. Richterin am BFH, aus: BFH/PR 12/2010,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
» Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer<br />
Berechnung <strong>de</strong>r Beteiligungsquote von 95 % bei<br />
mittelbarer Beteiligung an grundbesitzen<strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft<br />
BFH, 25.08.2010, II R 65/08, HI2583268<br />
Der Erwerb einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzen<strong>de</strong>n<br />
Gesellschaft unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (i. d. F. <strong>de</strong>s<br />
StEntlG 1999/2000/2002) <strong>de</strong>r GrESt, wenn die Beteiligungsquote von<br />
95 % auf je<strong>de</strong>r Beteiligungsstufe erreicht wird. Eine Ermittlung <strong>de</strong>r<br />
für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Beteiligungsquote<br />
durch Multiplikation <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n jeweiligen Beteiligungsstufen bestehen<strong>de</strong>n<br />
Beteiligungsquoten kommt nicht in Betracht.<br />
» Sachverhalt<br />
K erwarb von <strong>de</strong>r V-KG 96,92 % <strong>de</strong>r Anteile an <strong>de</strong>r A-GmbH, die<br />
zu diesem Zeitpunkt zu 97,5 % an <strong>de</strong>r grundbesitzen<strong>de</strong>n B-GmbH<br />
beteiligt war. Das Finanzamt sah darin eine Anteilsübertragung nach<br />
§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG und erließ u.a. einen Bescheid über die<br />
Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen<br />
Erfolg. Das FG gab <strong>de</strong>r Klage statt, weil die Quote von 95 % bei <strong>de</strong>r<br />
10 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
gebotenen Multiplikation <strong>de</strong>r Beteiligungsquoten auf <strong>de</strong>n jeweiligen<br />
Beteiligungsstufen mit 94,497 % nicht erreicht wer<strong>de</strong>. Der BFH gab<br />
<strong>de</strong>r Revision statt.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das <strong>de</strong>n<br />
Anspruch auf Übertragung unmittelbar o<strong>de</strong>r mittelbar von min<strong>de</strong>stens<br />
95 % <strong>de</strong>r Anteile an einer Gesellschaft begrün<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer,<br />
wenn zum Vermögen <strong>de</strong>r Gesellschaft ein inländisches<br />
Grundstück gehört, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a <strong>de</strong>r Vorschrift<br />
nicht in Betracht kommt.<br />
Beim Erwerb einer mittelbaren Beteiligung ist das Erreichen <strong>de</strong>r maßgeblichen<br />
Beteiligungsquote von 95 % nicht durch Multiplikation <strong>de</strong>r<br />
auf <strong>de</strong>n jeweiligen Beteiligungsstufen bestehen<strong>de</strong>n Beteiligungsquoten<br />
zu ermitteln:<br />
Bei einer mittelbaren Beteiligung ist es „erfor<strong>de</strong>rlich, aber auch<br />
ausreichend“, wenn die Beteiligungsquote von 95 % auf je<strong>de</strong>r Stufe<br />
erreicht wird. Der Anteilserwerber erwirbt in diesem Fall min<strong>de</strong>stens<br />
95 % <strong>de</strong>r Anteile an einer Gesellschaft, <strong>de</strong>r das Grundstück<br />
<strong>de</strong>r grundbesitzen<strong>de</strong>n Gesellschaft zugerechnet wird und das ihr<br />
damit „gehört“. Dies wie<strong>de</strong>rum folgt daraus, dass ein Grundstück<br />
nicht nur dann i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer<br />
Gesellschaft gehört, wenn es im Eigentum <strong>de</strong>r Gesellschaft steht,<br />
son<strong>de</strong>rn schon dann, wenn die erwerben<strong>de</strong> Gesellschaft es i. S.<br />
einer grun<strong>de</strong>rwerbsteuerrechtlichen Zuordnung aufgrund eines<br />
unter § 1 GrEStG fallen<strong>de</strong>n Vorgangs erworben hat.<br />
Für Zwecke <strong>de</strong>r Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer geht <strong>de</strong>r Gesetzgeber typisierend<br />
davon aus, dass <strong>de</strong>r Anteilserwerber mit <strong>de</strong>m Erreichen<br />
<strong>de</strong>r Quote von 95 % die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen<br />
– wenn auch über so viele Stufen, wie zumin<strong>de</strong>st 95 %ige Beteiligungen<br />
an Zwischengesellschaften vorhan<strong>de</strong>n sind – bei <strong>de</strong>r<br />
grundbesitzen<strong>de</strong>n Gesellschaft durchzusetzen. Dies führt auch<br />
dazu, dass ein späteres Sinken <strong>de</strong>r Beteiligungsquote <strong>de</strong>n einmal<br />
verwirklichten Tatbestand <strong>de</strong>r Anteilsübertragung nicht mehr in<br />
Frage stellen kann.<br />
Dr. Andreas Herlinghaus, Richter am BFH, aus: BFH/PR 3/2011,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
» Erbschaftsteuer<br />
Besteuerung <strong>de</strong>s Letzterwerbs bei mehreren<br />
Erwerben eines Nacherben vom Vorerben<br />
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BFH, 03.11.2010, II R 65/09, HI2557481<br />
1. Überträgt ein Vorerbe mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft<br />
Vermögen auf <strong>de</strong>n Nacherben, han<strong>de</strong>lt es sich auch dann<br />
um einen gem. § 14 Abs. 1 ErbStG mit einem späteren Erwerb <strong>de</strong>s<br />
Nacherben vom Vorerben zusammenzurechnen<strong>de</strong>n Erwerb vom Vor-<br />
erben, wenn <strong>de</strong>r Nacherbe nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG beantragt,<br />
<strong>de</strong>r Versteuerung <strong>de</strong>r Vermögensübertragung sein Verhältnis zum<br />
Erblasser zugrun<strong>de</strong> zu legen.<br />
2. Bei <strong>de</strong>r Versteuerung <strong>de</strong>s späteren Erwerbs <strong>de</strong>s Nacherben vom<br />
Vorerben ist in diesem Fall § 7 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 3<br />
bis 5 ErbStG entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
» Sachverhalt<br />
Der 1971 verstorbene Großvater G <strong>de</strong>s K setzte seine Töchter, darunter<br />
die Mutter <strong>de</strong>s K, die 1979 verstarb, als Vorerbinnen zu gleichen<br />
Teilen ein.<br />
Als Nacherben bestimmte er die Abkömmlinge <strong>de</strong>r Vorerbinnen, als<br />
Ersatznacherben die übrigen Vorerbinnen und als weitere Nacherben<br />
die Abkömmlinge <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Vorerbinnen. Die Nacherbfolgen sollten<br />
jeweils mit <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>r Vorerben eintreten.<br />
Die kin<strong>de</strong>rlose Vorerbin V verschenkte 2003 ihren Anteil am Nachlass<br />
<strong>de</strong>s G an K. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest und folgte<br />
dabei Ks Antrag, <strong>de</strong>r Besteuerung sein Verhältnis zu G zugrun<strong>de</strong> zu<br />
legen. V verstarb 2004 und wur<strong>de</strong> u.a. von K beerbt.<br />
Das Finanzamt setzte darauf Erbschaftsteuer gegen K fest. Es rechnete<br />
<strong>de</strong>m Erwerb durch Erbanfall <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s von V auf K übertragenen<br />
Anteils am Nachlass <strong>de</strong>s G hinzu.<br />
Die dagegen gerichteten Klage hatte vor <strong>de</strong>m FG und <strong>de</strong>m BFH<br />
Erfolg.<br />
» Entscheidung <strong>de</strong>s BFH<br />
Die Übertragung <strong>de</strong>s Anteils <strong>de</strong>r V am Nachlass <strong>de</strong>s G auf K war<br />
nicht aufgrund <strong>de</strong>s von K gestellten Antrags bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r<br />
Bemessungsgrundlage als Vorerwerb gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG<br />
zu berücksichtigen.<br />
Dies beruht auf folgen<strong>de</strong>n teleologischen Auslegungserwägungen:<br />
§ 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG soll sicherstellen, dass die Freibeträge<br />
innerhalb <strong>de</strong>s 10-Jahreszeitraums nur einmal angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n,<br />
damit sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen<br />
Zuwendung kein Progressionsvorteil ergibt. Die Vorschrift än<strong>de</strong>rt<br />
jedoch nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe jeweils selbstständig<br />
<strong>de</strong>r Steuer unterliegen.<br />
Ein Antrag <strong>de</strong>s Nacherben nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG wirkt<br />
sich nur auf die Steuerberechnung aus. Er führt nicht dazu, dass<br />
es sich bei <strong>de</strong>m Erwerb nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG letztlich um<br />
einen solchen vom ursprünglichen Erblasser han<strong>de</strong>lt.<br />
Die Folgen eines solchen Antrags entsprechen <strong>de</strong>njenigen, die sich<br />
ergeben, wenn „bei Eintritt <strong>de</strong>r Nacherbfolge auch eigenes Vermögen<br />
<strong>de</strong>s Vorerben auf <strong>de</strong>n Nacherben übergeht und <strong>de</strong>r Nacherbe<br />
nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG beantragt, <strong>de</strong>r Versteuerung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r<br />
Nacherbfolge unterliegen<strong>de</strong>n Vermögens abweichend von § 6 Abs. 2<br />
Satz 1 ErbStG nicht sein Verhältnis zum Vorerben, son<strong>de</strong>rn sein<br />
Verhältnis zum ursprünglichen Erblasser zugrun<strong>de</strong> zu legen“. Auch<br />
dann liegt nämlich kein Erwerb vom ursprünglichen Erblasser und<br />
ein weiterer Erwerb vom Vorerben, son<strong>de</strong>rn ein einheitlicher Erwerb<br />
vom Vorerben vor.<br />
Dr. Andreas Herlinghaus, Richter am BFH, aus: BFH/PR 3/2011,<br />
durch die Redaktion gekürzt.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 11
FAKTEN & NACHRICHTEN Wirtschaftsrecht<br />
Aktueller Beratungsanlass Wirtschaftsrecht<br />
» Erneuerbare Energien<br />
Erneuerbare Energien wer<strong>de</strong>n in Deutschland durch das EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) geför<strong>de</strong>rt, das eine feste<br />
Einspeisevergütung für in Solar-, Windkraft- o<strong>de</strong>r Biogasanlagen erzeugten Strom vorsieht. Über die direkte För<strong>de</strong>rung<br />
hinaus gibt es weitere Möglichkeiten, von <strong>de</strong>n Erneuerbaren Energien zu profitieren.<br />
» Betrieb eigener EEG-Anlagen<br />
Von <strong>de</strong>r gesetzlichen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Erneuerbaren Energien durch<br />
die für 20 Jahre festgeschriebene Einspeisevergütung können<br />
viele Unternehmen profitieren. Häufig stehen Dachflächen <strong>de</strong>r<br />
Betriebs- und Geschäftsgebäu<strong>de</strong> für die Installation von Photovoltaik-<br />
Anlagen (PV-Anlagen) zur Verfügung. Die Einspeisevergütung sinkt<br />
allerdings ständig; zuletzt hat die Bun<strong>de</strong>sregierung am 02.02.2011<br />
eine weitere Absenkung für PV-Anlagen zum 01.07. bzw. 01.09.2011<br />
beschlossen.<br />
Vor <strong>de</strong>r Entscheidung für <strong>de</strong>n Betrieb einer EEG-Anlage gibt es eine<br />
Reihe von Punkten zu klären:<br />
Mit <strong>de</strong>m örtlichen Stromnetzbetreiber ist die Einspeisung abzustimmen.<br />
Netzbetreiber sind zum Anschluss <strong>de</strong>r Anlage an das<br />
Stromnetz, zur Abnahme <strong>de</strong>s EEG-Stroms und zur Zahlung <strong>de</strong>r<br />
Einspeisevergütung verpflichtet. Probleme ergeben sich, wenn das<br />
Netz schon stark belastet ist. Gesetzliche Vorgaben (z.B. die Anmeldung<br />
<strong>de</strong>r Anlage bei <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>snetzagentur als Voraussetzung für<br />
die Einspeisevergütung) sind zu beachten. Öffentlich-rechtliche<br />
Vorgaben (z.B. baurechtliche) sind mit <strong>de</strong>r (<strong>de</strong>n) zuständigen<br />
Behör<strong>de</strong>(n) zu klären. Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re für Windkraft- und<br />
Biogasanlagen.<br />
Weiterhin zu klären ist, wer die Anlage betreibt. Häufig soll dies<br />
durch eine geson<strong>de</strong>rte Gesellschaft erfolgen. Grün<strong>de</strong> hierfür gibt<br />
es viele: Nicht alle Gesellschafter wollen die Anlage mittragen;<br />
die Anlage soll nicht <strong>de</strong>m unternehmerischen Risiko <strong>de</strong>r Betriebsgesellschaft<br />
ausgesetzt wer<strong>de</strong>n (ggf. gibt es schon eine Betriebsaufspaltung);<br />
steuerliche Beson<strong>de</strong>rheiten (z.B. zur Vermeidung<br />
gewerblicher Einkünfte, wenn bislang nur Einkünfte aus Vermietung<br />
und Verpachtung erzielt wur<strong>de</strong>n).<br />
Der Anlagenbetreiber muss die benötigten Flächen anmieten, wenn<br />
er nicht Grundstückseigentümer ist. Hierbei sind ggf. schon bestehen<strong>de</strong><br />
(Gebäu<strong>de</strong>)Mietverträge, die notwendige 20-jährige Laufzeit<br />
und Regelungen zum Rückbau etc. zu berücksichtigen. Darüber<br />
hinaus sollte <strong>de</strong>r Anlagenbetreiber die Nutzungsrechte durch Eintragung<br />
einer Dienstbarkeit ins Grundbuch absichern, damit bei<br />
einem Wechsel <strong>de</strong>s Grundstückseigentümers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Insolvenz<br />
keine Probleme auftreten.<br />
Die Finanzierung <strong>de</strong>r Anlage ist zu klären. Hierzu sind aufgrund<br />
<strong>de</strong>r geringen Risiken (auf eine ausreichen<strong>de</strong> Versicherung <strong>de</strong>r<br />
Anlage ist zu achten!) und sicheren Einspeisevergütung Banken<br />
häufig bereit. Bei <strong>de</strong>m häufig erheblichen Finanzierungsvolumen<br />
kann sich die Klärung jedoch hinziehen, was bei <strong>de</strong>m geplanten<br />
Inbetriebnahmetermin und <strong>de</strong>r entsprechend kalkulierten Einspeisevergütung<br />
zu beachten ist. Bei größeren Anlagen wird die<br />
Bank ggf. auch eine Prüfung <strong>de</strong>r wirtschaftlichen und rechtlichen<br />
Grundlagen vornehmen.<br />
Die Lieferung und Installation <strong>de</strong>r Anlage ist zu vereinbaren. Es hat<br />
sich eine Vielzahl von Generalunternehmern etabliert, die Anlagen<br />
betriebsfertig liefert und installiert. In Verträgen mit diesen<br />
Anbietern ist insbeson<strong>de</strong>re auf die Garantie einer bestimmten, zu<br />
installieren<strong>de</strong>n Leistung und eines fixen Fertigstellungstermins<br />
zu achten. Denn auf diesen bei<strong>de</strong>n Parametern (Leistung und die<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt gewährte Einspeisevergütung)<br />
beruht die Wirtschaftlichkeit <strong>de</strong>r Anlage.<br />
Es sollte stets noch geprüft wer<strong>de</strong>n, ob die Einspeisung <strong>de</strong>s Stroms<br />
nach <strong>de</strong>m EEG die beste Variante ist:<br />
Der Strom kann alternativ auch frei verkauft wer<strong>de</strong>n. Dies wird sich<br />
nur bei entsprechend großen Anlagen anbieten o<strong>de</strong>r wenn es sich<br />
zugleich um eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage han<strong>de</strong>lt.<br />
Der Strom kann selbst genutzt wer<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rs als auf von Dritten<br />
bezogenen Strom spart man sich hierdurch die EEG-Umlage von<br />
<strong>de</strong>rzeit 3,5 Cent/kWh und damit einen ganz erheblichen Teil <strong>de</strong>s<br />
Strompreises.<br />
» Beteiligung an EEG-Projekten<br />
Von <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung Erneuerbarer Energien kann man auch durch<br />
Beteiligung an entsprechen<strong>de</strong>n Projekten profitieren. Fonds, die in<br />
Windkraftanlagen, Solarparks o.ä. investieren, sind fester Bestandteil<br />
<strong>de</strong>r Produkte am so genannten grauen Kapitalmarkt (vergleichbar<br />
Immobilien-, Schiffs- und Medienfonds). Interessante Projekte haben<br />
auch Kommunen in <strong>de</strong>n letzten Jahren initiiert. Diese verfügen über<br />
umfangreiche Dachflächen von Schulen, Turnhallen und Verwaltungsgebäu<strong>de</strong>n,<br />
die sich für PV-Anlagen eignen. Aus finanziellen o<strong>de</strong>r<br />
politischen Grün<strong>de</strong>n bieten Gemein<strong>de</strong>n z.T. ihren Einwohnern eine<br />
Beteiligung an Projekten zum Betrieb von PV-Anlagen an. Die Einwohner<br />
finanzieren dann als Mitglie<strong>de</strong>r einer Bürgersolar-Genossenschaft<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren entsprechen<strong>de</strong>n Betreibergesellschaft die Errichtung<br />
<strong>de</strong>r PV-Anlage und partizipieren so von <strong>de</strong>r EEG-För<strong>de</strong>rung.<br />
RA Dr. Stefan Lammel<br />
ist als Rechtsanwalt bei <strong>de</strong>r Sozietät Friedrich<br />
Graf von Westphalen & Partner in Freiburg<br />
tätig.<br />
12 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Aktueller Beratungsanlass:<br />
Sachbezug – Barbezug<br />
» Überblick zu <strong>de</strong>n wichtigsten Prüfungspunkten<br />
Ein atuelles Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfinanhofs eröffnet neue Gestaltungmöglichkeiten für Arbeitgeber bei Sachzuwendungen an<br />
Arbeitnehmer. Insbeson<strong>de</strong>re scha<strong>de</strong>t die Angabe eines Höchstbetrages nicht mehr.<br />
Diese Tabelle steht für Sie auch als Arbeitsvorlage unter www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
zur Verfügung, damit Sie damit individuell in Ihrer Kanzlei arbeiten können.<br />
Folgen<strong>de</strong> Punkte sind zu beachten: Ja Nein<br />
Die Gretchenfrage: Sach- o<strong>de</strong>r Barbezug<br />
Ob ein Entgeltbestandteil als Sach- o<strong>de</strong>r als Barbezug bewertet wird, richtet sich nunmehr<br />
ausschließlich danach, was <strong>de</strong>r Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber auf Grund<br />
<strong>de</strong>s Arbeitsvertrags for<strong>de</strong>rn kann. Ein Sachbezug liegt vor, wenn <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
lediglich die Sache selbst beanspruchen kann.Es ist unerheblich, ob <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
die Sache unmittelbar vom Arbeitgeber bezieht o<strong>de</strong>r von einem Dritten auf Kosten <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers.<br />
Zweckgebun<strong>de</strong>ne Arbeitgeberleistungen: Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
Mit <strong>de</strong>m Urteil vom 27.10.2004 VI R 51/03 (BStBl II 2005 S. 137) hatte <strong>de</strong>r BFH entschie<strong>de</strong>n,<br />
dass die 44 €- Freigrenze für Sachbezüge nicht auf zweckgebun<strong>de</strong>ne Geldleistungen<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers anzuwen<strong>de</strong>n ist. Sie seien immer Barlohn. Diese Haltung<br />
hat <strong>de</strong>r BFH nun mit <strong>de</strong>n Urteilen vom 11.11.2010 VI R 21/09, 27/09 und 41/10 aufgegeben.<br />
Der BFH teilt ausdrücklich nicht die Auffassung <strong>de</strong>r Finanzverwaltung, dass ein<br />
Gutschein, <strong>de</strong>r bei einem Dritten einzulösen ist, dann kein Sachbezug sein soll, wenn<br />
neben <strong>de</strong>r Bezeichnung <strong>de</strong>r abzugeben<strong>de</strong>n Ware o<strong>de</strong>r Dienstleistung auch ein anzurechnen<strong>de</strong>r<br />
Betrag o<strong>de</strong>r Höchstbetrag darauf vermerkt ist (R 31 Abs. 1 Satz 7 LStR 2004 ff.)<br />
Sachbezüge mit schwanken<strong>de</strong>n Preisen:<br />
Arbeitgebern ist dringend anzuraten, bei allen Sachbezügen mit – eventuell sogar stark<br />
– schwanken<strong>de</strong>n Preisen, wie etwa Benzin, sicher zu stellen, dass die 44 €-Grenze unter<br />
keinen Umstän<strong>de</strong>n überschritten wird, da sonst Nachzahlungen fällig wer<strong>de</strong>n.<br />
Umsatzsteuer<br />
Der Arbeitgeber ist nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er Leistungsempfänger<br />
ist, also auch <strong>de</strong>m schuldrechtlichen Vertragsverhältnis mit <strong>de</strong>m Dritten berechtigt<br />
o<strong>de</strong>r verpflichtet ist (Abschn. 15.2 Abs. 16 UStAE). Wird dies bejaht, ist die Weitergabe<br />
an <strong>de</strong>n Arbeitnehmer eine umsatzsteuerpflichtige Ausgangsleistung vor<br />
(§ 3 Abs. 9a UStG).<br />
Arbeitnehmer<br />
Da es nunmehr lohnsteuerlich unerheblich ist, ob <strong>de</strong>r Arbeitgeber die Sachleistung bei<br />
einem Dritten bezieht und sie an <strong>de</strong>n Arbeitnehmer weitergibt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
selbst Vertragspartner <strong>de</strong>s die Leistung erbringen<strong>de</strong>n Dritten ist, dürfte auch die Unterscheidung<br />
bei <strong>de</strong>n Zuflusszeitpunkten obsolet sein. Es besteht auch keine Veranlassung<br />
mehr, bei <strong>de</strong>n als Sachleistung zu beurteilen<strong>de</strong>n Kostenerstattungen durch <strong>de</strong>n Arbeitgeber<br />
einen Abschlag von 4 % (R 8.1 Abs. 2 Satz 9 LStR) vorzunehmen.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Erbrecht FAKTEN & NACHRICHTEN<br />
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3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 13
FAKTEN & NACHRICHTEN Vermögensgestaltung<br />
Aktueller Beratungsanlass Vermögensgestaltung<br />
» Ethik in <strong>de</strong>r Geldanlage<br />
„Hauptsache gute Gewinne“ lautet das Credo vieler Anleger. Doch einer größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Zahl von Investoren reicht<br />
das nicht. Das Geld soll „ethisch sauber“ angelegt wer<strong>de</strong>n. „Mit meinem Geld sollen keine Wäl<strong>de</strong>r zerstört wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn erhalten bleiben“ o<strong>de</strong>r „Mit Waffen will ich nichts zu tun haben“ lauten die Wünsche dieser Kapitalanleger.<br />
Doch in <strong>de</strong>r Praxis zeigt sich, dass dieser Wunsch nicht so leicht umzusetzen ist.<br />
» Fall aus <strong>de</strong>r Praxis<br />
Saskia Prüst ist nie<strong>de</strong>rgelassene Ärztin und leitet in zentraler Stadtlage<br />
eine gut frequentierte Praxis in einem Ärztehaus. Die Medizinerin<br />
war bereits mehrfach als ehrenamtliche Helferin im Ausland und hat<br />
während dieser Hilfseinsätze die Wirkungen von Krieg und Hunger<br />
mit ansehen müssen.<br />
Bislang hat sie ihre Geldanlage mehr o<strong>de</strong>r weniger selbst gemanagt.<br />
Dazu hat sie Tipps von befreun<strong>de</strong>ten Kollegen und die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
Bankberatung genutzt. Ihr Depot hat einen Wert von 600.000 €.<br />
Sie bezeichnet sich selbst als eher konservative Anlegerin, die aber<br />
auch Aktien für sinnvolle Kapitalanlagen hält. Dementsprechend<br />
sieht ihr Depot aus: 70 % sind in offenen Immobilienfonds und<br />
festverzinslichen Wertpapieren angelegt. Der Rest in Aktien-In<strong>de</strong>xfonds<br />
(ETF).<br />
Durch einen Artikel in einer Fachzeitschrift für Ärzte ist sie nach<strong>de</strong>nklich<br />
gewor<strong>de</strong>n. Dort wur<strong>de</strong> berichtet, dass mit ETFs indirekt<br />
auch z. B. in die Produktion von Waffen investiert wird – ohne dass<br />
die Anleger dies bemerken. Auch gäbe es keine Sicherheit, dass die<br />
Gewinne nicht (!) aus Kin<strong>de</strong>rarbeit resultieren. Die einzige Lösung<br />
aus diesem Dilemma: gezielt in Kapitalanlagen investieren, <strong>de</strong>ren<br />
Vermögensverwalter und Manager die Auswahl ihrer Investitionsziele<br />
von ethischen und nachhaltigen Kriterien abhängig machen.<br />
Auf Empfehlung eines Kollegen unterhält sich die Ärztin mit einem<br />
erfahrenen Anlageexperten und Vermögensmanager. Dieser versteht<br />
<strong>de</strong>n Wunsch seiner Kundin gut. Dennoch, so seine Rückmeldung, ist<br />
das Anlageziel <strong>de</strong>r Kundin nicht so einfach umzusetzen.<br />
Das Problem macht er anhand ihres Depots <strong>de</strong>utlich: Bei <strong>de</strong>n Aktien<br />
lässt sich das Ziel, ethisch zu investieren, relativ einfach umsetzen.<br />
Dank guter Researchmöglichkeiten lassen sich Einzelwerte<br />
herausfiltern, bei <strong>de</strong>r Anlagesumme favorisiert er eine Auswahl von<br />
Aktienfonds, die in ihren Bedingungen strenge Auswahlkriterien<br />
haben. Er nennt z. B. <strong>de</strong>n Invesco Umwelt- und Nachhaltigkeitsfonds<br />
(DE0008470477), <strong>de</strong>r Glücksspiel- und Waffenindustrie ausschließt.<br />
Auch <strong>de</strong>r Espa Vinis Stock (AT0000646799) könnte zur Beimischung<br />
hinzugenommen wer<strong>de</strong>n. Aber: Die Fondsbedingungen lassen <strong>de</strong>m<br />
Fondsmanager erheblichen Spielraum, so sind z. B. „handfeste“ Öko-<br />
und Ethikkriterien bei bei<strong>de</strong>n Fonds nicht <strong>de</strong>finiert. Vertrauen ist<br />
also notwendig!<br />
Bei <strong>de</strong>n offenen Immobilienfonds ist das „ethische“ Investieren<br />
nahezu ausgeschlossen. Wenn sie in ökologisch effiziente Objekte<br />
anlegen will, bleiben nur ausgewählte Beteiligungsprodukte. Diese<br />
sind aber teuer, haben lange Laufzeiten und ein schneller Ausstieg<br />
ist nahezu ausgeschlossen. Flexibilität ist Frau Prüst aber wichtig.<br />
Folge: Ist die Ärztin konsequent, müsste sie auf Immobilien im<br />
Depot verzichten.<br />
Auch bei <strong>de</strong>n festverzinslichen Wertpapieren muss differenziert<br />
wer<strong>de</strong>n. Zwar gibt es bereits eine überschaubare Anzahl von Rentenfonds,<br />
die ökologisch und ethisch investieren. Dazu zählen<br />
z. B. <strong>de</strong>r ESPA Vinis Bond (AT0000686084) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kepler Ethik<br />
Rentenfonds (AT0000815006). Allerdings können <strong>de</strong>r drohen<strong>de</strong><br />
Zinsanstieg und eine höhere Inflation für baldige Kursverluste sorgen.<br />
Der Wunsch nach Stabilität im Depot durch Rentenwerte ist<br />
daher nicht erfüllbar.<br />
Ein weiteres Argument: Um sich <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Kapitalmärkte<br />
zu stellen, ist Diversifikation, also die Verteilung auf viele<br />
Vermögensklassen, das Maß aller Dinge. So spielen Rohstoffe, aber<br />
auch sog. „marktneutrale“ (Hedgefonds-ähnliche) Strategien eine<br />
wichtige Rolle. Bei diesen Anlageformen bleibt das Thema „Nachhaltigkeit“<br />
und „Ethik“ in <strong>de</strong>r Regel unbeachtet, auch wenn diese<br />
Anlagen nicht das Ziel haben, durch verwerfliche Praktiken ihr Geld<br />
zu verdienen (z. B. Kin<strong>de</strong>rarbeit zu för<strong>de</strong>rn).<br />
Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Diskussion wird Frau Prüst klar: Nachhaltig und sozial<br />
verantwortlich zu investieren, ist zwar ein Wunsch, aber vollständig<br />
umsetzen wird sie ihn nicht. Sie muss Kompromisse eingehen.<br />
Sie wird 60 % ihrer Anlage gezielt nach Nachhaltigkeitskriterien<br />
strukturieren. Die restlichen 40 % dienen dazu, das Vermögen breit<br />
zu streuen. Dazu zählen weiter ihre Immobilienfonds, inflationsgeschützte<br />
Anleihen, Rohstoffe und die Beimischung von marktneut<br />
ralen Strategien. Ihre Hoffnung ist es, dass es in <strong>de</strong>n nächsten Jahren<br />
einfacher wird, nachhaltig zu investieren. Diese Hoffnung ist<br />
berechtigt, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Markt für nachhaltige Investments entwickelt<br />
sich <strong>de</strong>rzeit dynamisch weiter.<br />
Dr. Jörg Richter, CFP, CEP, CFEP,<br />
leitet die Kanzlei für Vermögensmanagement und<br />
Ruhestandsplanung, ein Geschäftsbereich <strong>de</strong>s<br />
Institut für Qualitätssicherung und Prüfung von<br />
Finanzdienstleistungen GmbH, Hannover (IQF).<br />
Er ist Fachbeirat <strong>de</strong>s <strong>SteuerConsultant</strong> und Partner<br />
<strong>de</strong>s StB-Verbands Nie<strong>de</strong>rsachsen / Sachsen-<br />
Anhalt e. V. Er gilt als führen<strong>de</strong>r Experte in <strong>de</strong>r<br />
Beratung Vermögen<strong>de</strong>r . Tel.: 05 11/36 07 70<br />
14 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
» RAin Dr. Alexandra Schmitz, Stuttgart<br />
» 1. Hintergrund<br />
Im streitgegenständlichen Fall ging es um ein Verfahren vor <strong>de</strong>m<br />
Landgericht München II vom Juni 2009, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Angeklagten<br />
Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen und er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe<br />
von sieben Jahren verurteilt wur<strong>de</strong>. Zu Teilen ging<br />
es dabei auch um die Frage <strong>de</strong>r Wirksamkeit einer Selbstanzeige<br />
gem. § 371 AO. Der 1. Strafsenat, <strong>de</strong>r für die Revision zuständig war,<br />
führte in <strong>de</strong>r hier zu besprechen<strong>de</strong>n Entscheidung seine inzwischen<br />
<strong>de</strong>utlich schärfer gewor<strong>de</strong>ne Rechtsprechung fort, wobei <strong>de</strong>r Senat<br />
selbst freilich nur davon spricht, lang schwelen<strong>de</strong> Zweifelsfragen<br />
nunmehr geklärt zu haben.<br />
Worum ging es in <strong>de</strong>r Senatsentscheidung? Nach <strong>de</strong>n Feststellungen<br />
<strong>de</strong>s Landgerichts München II wur<strong>de</strong> im April 2005 im Rahmen eines<br />
gegen <strong>de</strong>n Angeklagten geführten Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts<br />
<strong>de</strong>r Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag<br />
für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 sowohl in<br />
<strong>de</strong>r Wohnung <strong>de</strong>s Angeklagten als auch bei seinem Steuerberater<br />
Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Dabei ergaben sich Anhaltspunkte<br />
dafür, dass bereits seine Einkommensteuererklärungen <strong>de</strong>r<br />
Jahre 1999 und 2000 falsch gewesen waren und er dadurch Steuern<br />
verkürzt hatte. Der Steuerberater äußerte sich hierbei gegenüber <strong>de</strong>n<br />
Steuerstrafrecht FACHBEITRÄGE<br />
Neues zur Praxis <strong>de</strong>r Selbstanzeige:<br />
Zugleich eine Besprechung <strong>de</strong>s BGH vom 20.5.2010,<br />
1 Str 577/09, unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s aktuellen<br />
Stands <strong>de</strong>r Gesetzgebung<br />
Die Neuregelung <strong>de</strong>r steuerlichen Selbstanzeige sieht unter an<strong>de</strong>rem vor, dass Straffreiheit künftig nur noch<br />
dann eintreten soll, wenn die Besteuerungsgrundlagen aller infrage kommen<strong>de</strong>n Steuerarten vollständig<br />
und zutreffend nacherklärt wer<strong>de</strong>n. Auch ist etwa <strong>de</strong>r Zeitpunkt <strong>de</strong>s Eintretens <strong>de</strong>s Sperrgrunds erheblich<br />
vorverlegt wor<strong>de</strong>n. Bereits wenn die Prüfungsanordnung bekannt gegeben ist, ist eine wirksame<br />
Selbstanzeige nicht mehr möglich.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
RAin Dr. Alexandra Schmitz<br />
ist in eigener Kanzlei in Stuttgart tätig und auf<br />
Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht sowie auf Zollrecht<br />
spezialisiert. Zu<strong>de</strong>m ist sie Dozentin <strong>de</strong>s<br />
Justizministeriums und <strong>de</strong>r Rechtsanwaltskammer<br />
Stuttgart. Sie ist Präsidiumsmitglied <strong>de</strong>r<br />
Rechtsanwaltskammer Stuttgart und Mitglied <strong>de</strong>r<br />
Satzungsversammlung <strong>de</strong>r BRAK.<br />
Ermittlern und sagte, dass auch Steuererklärungen <strong>de</strong>r Vorjahre 1999<br />
und 2000 in Vorbereitung seien. Daraufhin wur<strong>de</strong> das Strafverfahren<br />
auf die in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong>n Vorjahre erweitert und die Erweiterung<br />
<strong>de</strong>m Steuerberater mitgeteilt. Der Steuerberater übergab daraufhin<br />
tabellarische Unterlagen zu <strong>de</strong>n Vorjahren 1999 und 2000 und fertigte<br />
in <strong>de</strong>n nächsten zwei Monaten ordnungsgemäße Steuererklärungen,<br />
die zu einer abgesprochenen Veranlagung <strong>de</strong>r Jahre 1999 bis 2002<br />
führten. Die Steuern wur<strong>de</strong>n bezahlt. Eigentlich ein Fall, in <strong>de</strong>m argumentativ<br />
für eine Wirksamkeit <strong>de</strong>r Selbstanzeige nicht viel zu holen<br />
war. Denn wohl kaum hätte in <strong>de</strong>r Ankündigung <strong>de</strong>s Steuerberaters,<br />
alsbald Steuererklärungen abzugeben, eine inhaltlich vollständige<br />
und damit wirksame Selbstanzeige gesehen wer<strong>de</strong>n können. Auch die<br />
Abgabe von tabellarischen Unterlagen erfolgte wohl nach Eingreifen<br />
<strong>de</strong>s Sperrgrun<strong>de</strong>s § 371 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b AO. Der Senat hätte<br />
es dann auch bei einem einfachen Verwerfungsbeschluss gem. § 349<br />
Abs. 2 StPO belassen können. Statt<strong>de</strong>ssen nahm <strong>de</strong>r Senat auf elf<br />
Seiten in einem obiter dictum zu <strong>de</strong>m Institut <strong>de</strong>r Selbstanzeige<br />
umfassend Stellung, und zwar so grundlegend, dass nicht nur in <strong>de</strong>r<br />
Literatur viel über die Auslegung <strong>de</strong>r Entscheidung und seine Konsequenzen<br />
für die Praxis geschrieben wur<strong>de</strong>. Auch <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
hat inzwischen mit einem Gesetzgebungsvorhaben reagiert.<br />
» 2. Inhalt <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s BGH vom<br />
20.5.2010<br />
Der Senat hatte in seiner Entscheidung zu mehreren wichtigen Punkten<br />
<strong>de</strong>s Instituts <strong>de</strong>r Selbstanzeige Stellung genommen.<br />
2.1. Aufhebung <strong>de</strong>r „Insoweit“-Auslegung<br />
Der BGH betont in seiner Entscheidung, dass die Privilegierung <strong>de</strong>s<br />
Täters durch die Selbstanzeige auf zwei Säulen basiert. Zum einen<br />
soll <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen aus fiskalischen Interessen ein Anreiz<br />
zur Auf<strong>de</strong>ckung verborgener Steuerquellen geschaffen wer<strong>de</strong>n. Zum<br />
an<strong>de</strong>ren soll die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit honoriert wer<strong>de</strong>n.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 15
FACHBEITRÄGE Steuerstrafrecht<br />
Der BGH meint nun weiter, dass heute weitergehen<strong>de</strong> Ermittlungsmöglichkeiten<br />
bestehen (ohne diese konkret zu benennen) und sieht<br />
infolge<strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>n wesentlichen Schwerpunkt <strong>de</strong>r Vorschrift § 371 AO<br />
in <strong>de</strong>r Rückkehr zur Steuerehrlichkeit. Der Täter soll „reinen Tisch“<br />
machen. Daher soll nun eine Teilselbstanzeige nicht mehr zur Straffreiheit<br />
führen, da ihrem Wesen innewohnend gera<strong>de</strong> die vollständige<br />
Rückkehr zur Steuerehrlichkeit fehlt.<br />
Der BGH begrün<strong>de</strong>t dies u. a. mit <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Gesetzes. Denn<br />
hätte <strong>de</strong>r Gesetzgeber auch schon eine Strafbefreiung für nur teilweise<br />
richtige Angaben gewollt, dann hätte er nicht „insoweit“, son<strong>de</strong>rn<br />
„soweit“ formuliert. Mit <strong>de</strong>m Wortlaut „insoweit“ sei nämlich vom<br />
Gesetzgeber gemeint, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nur hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Steuerhinterziehung Straffreiheit erlangt, nicht jedoch für möglicherweise<br />
an<strong>de</strong>re damit im Zusammenhang stehen<strong>de</strong> Straftatbestän<strong>de</strong><br />
(bspw. Betrug gem. § 263 StGB o<strong>de</strong>r Bestechung gem. § 334 StGB). Als<br />
unwirksam hält daher <strong>de</strong>r BGH ausdrücklich solche Selbstanzeigen,<br />
bei <strong>de</strong>nen nur einige Konten angegeben, aber noch weitere Konten<br />
verschwiegen wur<strong>de</strong>n (weil z. B. insoweit noch keine Ent<strong>de</strong>ckung<br />
durch die Finanzbehör<strong>de</strong>n droht). Damit hob <strong>de</strong>r BGH die bisherige<br />
Rechtsprechung (vgl. nur BGH v. 13.10.1998, Az.: 5 StR 392/98, wistra<br />
1999, 27) zu <strong>de</strong>n sog. Teilselbstanzeigen auf.<br />
Offen bleibt, welche Auffassung <strong>de</strong>r BGH zu <strong>de</strong>n sog. undolosen Teilselbstanzeigen<br />
vertritt.<br />
2.2. Konkretisierung <strong>de</strong>s Ausschlussgrun<strong>de</strong>s Erscheinen eines<br />
Amtsträgers anhand <strong>de</strong>s sachlichen Zusammenhangs<br />
Der BGH sah sich weiter veranlasst, in <strong>de</strong>m obiter dictum zu <strong>de</strong>r<br />
Sperrwirkung <strong>de</strong>s § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a 2. Alt. AO Stellung<br />
zu nehmen und diese zu konkretisieren. Gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1<br />
Buchstabe a 2. Alt. AO ist eine Selbstanzeige nicht mehr möglich,<br />
wenn ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat o<strong>de</strong>r Steuerordnungswidrigkeit<br />
erschienen ist. Für <strong>de</strong>n Fall einer steuerstrafrechtlichen<br />
Ermittlung ging ursprünglich die herrschen<strong>de</strong> Meinung<br />
davon aus, dass sich <strong>de</strong>r Umfang <strong>de</strong>r Ermittlungstätigkeit am Durchsuchungsbeschluss<br />
ablesen lasse. Jedoch mit <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
5. Strafsenats aus 2000 (BGH v. 5.4.2000, Az.: 5 StR 226/99, wistra<br />
2000, S. 219ff. mit Anm. Jäger S. 227ff.) schien diese sehr präzise und<br />
damit für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen leicht nachprüfbare Konkretisierung<br />
<strong>de</strong>s Ausschlussgrun<strong>de</strong>s aufgeweicht. Dort <strong>de</strong>utete sich bereits an,<br />
dass <strong>de</strong>r sachliche Zusammenhang auch mit im Durchsuchungsbeschluss<br />
nicht genannten Vorgängen gegeben sein kann. Nunmehr<br />
sieht <strong>de</strong>r BGH ausdrücklich auch die Erstreckung <strong>de</strong>r Sperrwirkung<br />
auf solche Sachverhalte als gegeben, „… die unter Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>s bisherigen Überprüfungsziels einerseits und <strong>de</strong>r steuerlichen<br />
Gegebenheiten <strong>de</strong>s beschuldigten Steuerpflichtigen an<strong>de</strong>rerseits bei<br />
üblichem Gang <strong>de</strong>s Ermittlungsverfahrens zu erwarten ist, dass sie<br />
ohnehin in die Überprüfung einbezogen wür<strong>de</strong>n …“. Nur wenn gänzlich<br />
auszuschließen ist, dass diese Steuerquellen ent<strong>de</strong>ckt wür<strong>de</strong>n,<br />
kann die Initiative <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, dieses Steuerquellen zu<br />
benennen, als Rückkehr zur Steuerehrlichkeit honoriert wer<strong>de</strong>n.<br />
Vorliegend bestand – wie bereits gesagt – keine Veranlassung, zu<br />
<strong>de</strong>m Sperrgrund und <strong>de</strong>m sachlichen Zusammenhang Stellung zu<br />
nehmen. Doch anstatt klare Regeln zu formulieren, bleiben die Ausführungen<br />
ungenau. Es ist schon fraglich, was bei welchem üblichen<br />
Gang <strong>de</strong>r Ermittlungen ent<strong>de</strong>ckt wor<strong>de</strong>n wäre. Und aus wessen Perspektive<br />
soll dies beurteilt wer<strong>de</strong>n? Wer in <strong>de</strong>r Praxis tätig ist, weiß<br />
wie unterschiedlich sich die Sachverhalte darstellen. Besser war es<br />
daher allemal, allein auf die Konkretisierung durch <strong>de</strong>n Durchsuchungsbeschluss<br />
o<strong>de</strong>r die Prüfungsanordnung (§ 371 Abs. 2 Nr. 1<br />
Buchstabe a 1. Alternative AO) abzustellen.<br />
2.3. Ausschlussgrund <strong>de</strong>r Tatent<strong>de</strong>ckung gem. § 371 Abs. 2<br />
Nr. 2 AO<br />
Zu<strong>de</strong>m konkretisiert <strong>de</strong>r BGH <strong>de</strong>n Ausschlussgrund <strong>de</strong>s Ent<strong>de</strong>ckens<br />
<strong>de</strong>r Tat. Der BGH meint entgegen <strong>de</strong>r überwiegend in <strong>de</strong>r Literatur<br />
vertretenen Auffassung, dass für eine Tatent<strong>de</strong>ckung kein Anfangsverdacht<br />
im Sinne <strong>de</strong>r StPO vorliegen muss. D. h., es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich,<br />
dass eine Straftat ermittelt ist; es genügt, dass konkrete<br />
Anhaltspunkte für die Tat als solche bekannt sind. Die Kenntnis von<br />
einer Steuerquelle (z. B. Auslandskonto) genügt dabei für sich allein<br />
aber noch nicht. Es müssen weitere Umstän<strong>de</strong> nach allgemein kriminalistischer<br />
Erfahrung hinzukommen, die auf eine Steuerstraftat<br />
o<strong>de</strong>r Steuerordnungswidrigkeit hinweisen. Dabei muss es also nicht<br />
zwingend zu einem Abgleich mit <strong>de</strong>n Steuererklärungen kommen,<br />
es genügen z. B. auch ergänzen<strong>de</strong> Zeugenaussagen zum Hintergrund<br />
<strong>de</strong>s Inhalts <strong>de</strong>r Steuererklärungen. Für die Daten-CD-Fälle könnte<br />
man zunächst meinen, aufgrund kriminalistischer Erfahrung lässt<br />
sich ableiten, sämtliche darauf verzeichnete Personen seien Steuerhinterzieher.<br />
Dem kann aber nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn es gibt<br />
genügend Auslandskonten, <strong>de</strong>ren daraus erwirtschaftete Erträge <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Steuer unterworfen wer<strong>de</strong>n (dazu auch Meyberg, PStR<br />
2010, 162, 167).<br />
Weiter soll nach Auffassung <strong>de</strong>s Senats nicht notwendig sein, dass<br />
Tatsachen auf ein vorsätzliches Han<strong>de</strong>ln hinweisen. Damit war im<br />
vorliegen<strong>de</strong>n Fall für <strong>de</strong>n Senat die Tat <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>r Vorjahre 1999 und 2000 bereits ent<strong>de</strong>ckt. Ein Abgleich<br />
mit <strong>de</strong>r Steuerakte war nicht erfor<strong>de</strong>rlich, weil bekannt war, dass <strong>de</strong>r<br />
Steuerpflichtige vor <strong>de</strong>m 1. Januar 2003 in Deutschland steuerlich<br />
nicht erfasst war.<br />
Maßgeblich ist neustens also innerhalb <strong>de</strong>s Sperrgrunds § 371 Abs. 2<br />
Nr. 1 Buchstabe a 2. Alternative AO überwiegend die objektive Voraussetzung<br />
<strong>de</strong>r Tatent<strong>de</strong>ckung. An das vom Gesetzestext zusätzlich verlangte<br />
„Kennenmüssens“ <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen sollen keine hohen<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
2.4. Gestufte Selbstanzeige – notwendiger Inhalt<br />
Zuletzt macht <strong>de</strong>r Senat <strong>de</strong>utlich, dass mit einer gestuften Selbstanzeige<br />
die Sperrwirkung nicht umgangen wer<strong>de</strong>n soll. Daher soll –<br />
auch wenn mangels Belegen o<strong>de</strong>r unzureichen<strong>de</strong>r Buchhaltung eine<br />
genau Bezifferung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen nicht möglich ist –<br />
die Selbstanzeige schon auf einer ersten Stufe alle erfor<strong>de</strong>rlichen<br />
Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen enthalten. Notfalls<br />
hat eine Schätzung anhand <strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen Informationen zu<br />
erfolgen. Je<strong>de</strong>nfalls muss schon auf <strong>de</strong>r ersten Stufe das Finanzamt<br />
in die Lage versetzt wer<strong>de</strong>n, ohne langwierige Nachforschungen die<br />
Steuer richtig festzusetzen.<br />
Damit ist endgültig geklärt, dass eine Selbstanzeige in Stufen nicht<br />
mehr <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen für die Straffreiheit genügt.<br />
» 3. Reaktionen und Streitfragen aus <strong>de</strong>r Praxis<br />
Die Entscheidung <strong>de</strong>s BGH stieß und stößt nach wie vor zu Recht auf<br />
Unverständnis in <strong>de</strong>r Praxis. Die Veröffentlichungen dazu sind noch<br />
nicht abgeebbt, die Kritik ist außeror<strong>de</strong>ntlich umfangreich. We<strong>de</strong>r<br />
konnte nachvollzogen wer<strong>de</strong>n, dass sich <strong>de</strong>r BGH veranlasst sah, diese<br />
umfangreiche Auslegung, die zu einer Än<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Praxis führt,<br />
in ein obiter dictum zu fassen. Denn <strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Fall hat<br />
dazu keinen Anlass gegeben. Vielmehr scheint es, dass <strong>de</strong>r 1. Strafsenat<br />
seiner bisherigen Linie <strong>de</strong>r Strafverschärfung treu bleibend die<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen an die Wirksamkeit <strong>de</strong>r Selbstanzeige einschränken<br />
wollte. Man mag davon ausgehen, dass dieser Entscheidung keine<br />
Bindungswirkung zukommt, han<strong>de</strong>lt es sich doch um einen obiter<br />
16 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
dictum (so ausdrücklich Salditt im Rahmen <strong>de</strong>s 12. IWW-Kongresses<br />
zum Steuerstrafrecht im Oktober 2010).<br />
Nicht zuletzt hat aber die Finanzverwaltung bereits reagiert und die<br />
Grundsätze dieser neusten Entscheidung zur Anwendung gebracht.<br />
Die Anfor<strong>de</strong>rung „reinen Tisch machen“ ist also berechtigt in Diskussion.<br />
Denn die Berater sind gehalten, sich mit <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Finanzverwaltung auseinan<strong>de</strong>rzusetzen; sie müssen „BGH-konformen“<br />
Rechtsrat erteilen, wollen sie die künftigen Selbstanzeigen<br />
<strong>de</strong>r Mandanten in ihrer Wirksamkeit nicht gefähr<strong>de</strong>n. Darüber hinaus<br />
droht die haftungsrechtliche Inanspruchnahme, sollten die <strong>de</strong>rzeit<br />
gelten<strong>de</strong>n Grundsätze bei <strong>de</strong>r Beratung nicht beachtet wer<strong>de</strong>n.<br />
Doch nichts ist mit <strong>de</strong>r Entscheidung tatsächlich geklärt wor<strong>de</strong>n. In<br />
<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Praxis aufkommen<strong>de</strong>n Diskussionen geht es nach wie<br />
vor um die Frage, welche Anfor<strong>de</strong>rungen an die heutigen Selbstanzeigen<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n, wie „alte“ Selbstanzeigen behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n,<br />
die noch nicht abgewickelt sind, und ob die neueste Entscheidung<br />
auch zu einem Aufrollen bereits abgeschlossener Fälle führt o<strong>de</strong>r<br />
führen kann.<br />
3.1. Vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit<br />
Die Einengung <strong>de</strong>r Selbstanzeige, wie sie <strong>de</strong>r Senat aus <strong>de</strong>m Wortlaut<br />
„insoweit“ ableiten will, ist nicht nachvollziehbar. Dass <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
damit nur auf Steuerhinterziehungs<strong>de</strong>likte die Selbstanzeige<br />
beschränkt wissen will, versteht sich schon aus <strong>de</strong>r Einordnung <strong>de</strong>r<br />
Norm als auch viel einfacher aus <strong>de</strong>r Überschrift heraus (so auch<br />
Gae<strong>de</strong>, PStR 2010, 282, 284).<br />
Auch die These, <strong>de</strong>r Fiskalzweck trete schon <strong>de</strong>shalb in <strong>de</strong>n Hintergrund,<br />
weil heute bessere Ermittlungsmöglichkeiten bestün<strong>de</strong>n, kann<br />
nicht dazu führen, dass die fiskalischen Interessen völlig außer Acht<br />
gelassen wer<strong>de</strong>n. Zwar ist nicht von <strong>de</strong>r Hand zu weisen, dass die<br />
jüngsten Entwicklungen in Richtung internationaler Zusammenarbeit<br />
zeigen (vgl. dazu Bock/Leuck, IStR 2009, 792ff. und Mutter/Schwarz,<br />
IStR 2009, 807ff.; zur Internationalen Rechtshilfe mit Guernsey, Gibraltar,<br />
Liechtenstein, <strong>de</strong>r Isle of Man und Jersey: Birke, PStR 2010, 199ff;<br />
speziell zum DBA Liechtenstein: Bach, PStR 2010, 198f.). Doch wird es<br />
immer Anlageformen geben, die das Bankgeheimnis und die Rechtshilfevorschriften<br />
zu umgehen versuchen und so nicht ermittelbar bleiben<br />
(kritisch dazu auch Tully/Bruns, ZfZ 2010, 294, 296). Darüber hinaus<br />
hatte <strong>de</strong>r BGH in seinem Beschluss vom 17.3.2009, Az. 1 StR 479/08,<br />
BGHSt 53, 210ff. noch vor knapp mehr als einem Jahr <strong>de</strong>n fiskalischen<br />
Zweck betont (Wessing/Briesken, NJW 2010, 2689, 2692).<br />
Warum in <strong>de</strong>r Praxis schlicht Unsicherheit darüber besteht, was unter<br />
<strong>de</strong>m Begriff „vollständig reinen Tisch machen“ verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
muss, wird klar, wenn man sich vor Augen hält, dass die steuerrechtliche<br />
Verjährung an<strong>de</strong>rs geregelt ist als die strafrechtliche. Daher<br />
ist fraglich, ob also alle noch <strong>de</strong>r steuerlichen Festsetzung unterliegen<strong>de</strong>n<br />
steuerlichen Sachverhalte aufzu<strong>de</strong>cken sind (kritisch dazu<br />
bereits die Stellungnahme <strong>de</strong>s Deutschen Anwaltsvereins durch die<br />
Ausschüsse Strafrecht und Steuerrecht im Oktober 2010, S. 8). O<strong>de</strong>r<br />
soll es ausreichen, dass die strafrechtlich relevanten Jahre richtig<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n? Da nun auch noch zwischen einfacher o<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs<br />
schwerer Steuerhinterziehung unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muss, liegt es<br />
jedoch nahe, je<strong>de</strong> Tat für sich zu betrachten (so auch Salditt, PStR<br />
2010, 168ff. und Ransiek/Hinghaus, StV 2010, 711, 712).<br />
Auch hinsichtlich <strong>de</strong>r Steuerart könnte abgegrenzt wer<strong>de</strong>n. So erörtert<br />
zwar <strong>de</strong>r BGH, dass sämtliche Konten anzugeben seien. Was passiert<br />
aber, wenn in <strong>de</strong>n Jahren 2003 bis 2009 neben verschwiegenen Einkünften<br />
aus einem Auslands<strong>de</strong>pot auch noch Einkünfte aus Vermietung<br />
und Verpachtung nicht erklärt wur<strong>de</strong>n? Ist mit vollständiger<br />
Rückkehr zur Steuerehrlichkeit nicht vielmehr gemeint, dass sämt-<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
liche steuerlich relevanten Sachverhalte, und zwar unabhängig von<br />
<strong>de</strong>r Steuerart, anzugeben sind, um in <strong>de</strong>n Genuss einer wirksamen<br />
Selbstanzeige zu kommen? (vgl. Beispiele aus <strong>de</strong>m Beitrag von Sauerland,<br />
in AO-StB 2010, 253ff.).<br />
Richtig, aber das mag in <strong>de</strong>r Praxis nicht wirklich weiterhelfen, ist<br />
je<strong>de</strong>nfalls, dass nur steuerlich Relevantes in die Selbstanzeige aufgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n muss, da es nur darauf ankommt, eine zutreffen<strong>de</strong><br />
Veranlagung herbeizuführen. Die Fragen z. B., von wem eine Zahlung<br />
erfolgt ist o<strong>de</strong>r bei welchem Kreditinstitut das Konto geführt wird, ist<br />
nicht zu beantworten (Wulf, in wistra 2010, 286, 288).<br />
3.2. Vertrauensschutz für Altfälle<br />
Zu Recht hat Webel (PStR 2010, 189, 194) am En<strong>de</strong> seines Beitrags die<br />
Frage aufgeworfen, auf welche Fälle die Prämissen <strong>de</strong>r BGH-Entscheidung<br />
anzuwen<strong>de</strong>n sind. Unstreitig so meint er, sind die Grundsätze<br />
je<strong>de</strong>nfalls nach <strong>de</strong>m 20.5.2010 anwendbar. Aber wann genau danach?<br />
Möglicherweise erst mit <strong>de</strong>r Veröffentlichung <strong>de</strong>r Presseerklärung<br />
am 28.5.2010? Der BGH je<strong>de</strong>nfalls hat es unterlassen, <strong>de</strong>r Praxis<br />
Genaueres an die Hand zu geben, was mit <strong>de</strong>n Fällen geschieht, in<br />
<strong>de</strong>nen vor <strong>de</strong>m 20.5.2010 (auch dolose) Selbstanzeigen abgegeben<br />
wur<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ssen Wirksamkeit aber noch nicht abschließend festgestellt<br />
ist. Da es sich nicht um eine Gesetzesän<strong>de</strong>rung, son<strong>de</strong>rn um<br />
eine Rechtsprechungsän<strong>de</strong>rung han<strong>de</strong>lt, könne in <strong>de</strong>r rückwirken<strong>de</strong>n<br />
Anwendung <strong>de</strong>r Grundsätze kein Verstoß gegen Treu und Glauben<br />
liegen (Webel, a. a. O.).<br />
Doch hier muss gesehen wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige, <strong>de</strong>r sich<br />
selbst anzeigt, auf <strong>de</strong>n verfassungsrechtlich gesicherten Grundsatz,<br />
dass er sich nicht selbst belasten brauche, verzichtet. Die Parameter<br />
seines Verzichts müssen daher klar und bestimmt feststehen. Hält<br />
er die Parameter (wenngleich nach alter Rechtsprechung) ein, so<br />
muss seine Straffreiheit eintreten. Die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
darf daher nicht dazu führen, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige sozusagen<br />
rückwirkend getäuscht wird. Daher ist vielmehr mit Salditt davon<br />
auszugehen, dass Vertrauensschutz für Altfälle bestehen muss (Salditt,<br />
PStR 2010, 168, 174).<br />
3.3. Aufrollen unwirksamer doloser Teilselbstanzeigen<br />
Nur teilweise wirksame Selbstanzeigen, z. B. weil sich Fehler in <strong>de</strong>n<br />
Schätzungen gezeigt haben, sind häufig nach § 153a StPO eingestellt<br />
wor<strong>de</strong>n. Die Einstellung nach § 153a StPO führt zu einem Strafklageverbrauch.<br />
Diese Fälle, auch wenn es sich um dolose Teilselbstanzeigen<br />
gehan<strong>de</strong>lt haben soll, sind strafrechtlich nicht mehr relevant<br />
und dürfen nicht mehr verfolgt wer<strong>de</strong>n.<br />
An<strong>de</strong>res gilt für die Fälle, in <strong>de</strong>nen die Selbstanzeige wirksam war.<br />
Denn die wirksame Selbstanzeige stellt gem. § 371 Abs. 1 AO einen<br />
persönlichen Strafaufhebungsgrund dar. Dann erfolgt eine Einstellung<br />
nach § 170 StPO. Die Einstellung nach § 170 StPO, die eigentlich für<br />
die Berater die erfolgreichste und gewollte Form <strong>de</strong>r Einstellung ist,<br />
führt allerdings nicht zu einem Strafklageverbrauch. Die Fälle können<br />
also erneut strafrechtlich relevant wer<strong>de</strong>n (so auch Roth/Schützeberg,<br />
PStR 2010, 214, 215). Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re für die Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />
z. B. zunächst Liechtensteiner Konten nacherklärt und kurz darauf<br />
die Schweizer Geldanlagen ebenfalls durch Selbstanzeige aufge<strong>de</strong>ckt<br />
wur<strong>de</strong>n. Dann stellt sich die Frage, wie mit <strong>de</strong>r damaligen also ersten<br />
Selbstanzeige, als sog. dolose Teilselbstanzeige zu verfahren ist.<br />
» 4. Gesetzesvorhaben<br />
Inzwischen hat die Politik reagiert. Sie hat erkannt, dass die Rechtsprechung<br />
vorhan<strong>de</strong>ne politische Strömungen aufgenommen hat,<br />
sodass die Zeit für Gesetzgebungsvorhaben günstig schien.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 17
FACHBEITRÄGE Steuerstrafrecht<br />
Die SPD-Bun<strong>de</strong>stagsfraktion hatte am 20.4.2010 (BT-Drucks. 17/1411)<br />
einen Gesetzentwurf zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Abgabenordnung (Abschaffung<br />
<strong>de</strong>r strafbefreien<strong>de</strong>n Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung)<br />
eingebracht. Er sollte zum 1.1.2011 in Kraft treten. Geplant war, die<br />
strafbefreien<strong>de</strong> Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung – es hieß: im<br />
Interesse <strong>de</strong>r Steuergerechtigkeit – abzuschaffen. § 371 AO wäre<br />
also gefallen. In § 378 AO sollten bei <strong>de</strong>r leichtfertigen Steuerhinterziehung<br />
nur redaktionelle Än<strong>de</strong>rungen vorgenommen wer<strong>de</strong>n (dazu<br />
Wegner, PStR 2010, 145ff.).<br />
Demgegenüber wollten Fraktionen <strong>de</strong>r CDU/CSU und FDP mit <strong>de</strong>m<br />
Antrag (BT-Drucks. 17/1755) vom 19.5.2010 die Steuerhinterziehung<br />
nur wirksamer und zielgenauer bekämpfen (ausführlich: Geuenich,<br />
BB 2010, 2148ff.). Die Selbstanzeige sollte beibehalten wer<strong>de</strong>n. Eine<br />
Abschaffung, so hieß es hier, nehme <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n im Ergebnis<br />
Ermittlungsmöglichkeiten und verringere das Steueraufkommen. Es<br />
wur<strong>de</strong> befürchtet, dass Auslandssachverhalte nicht mehr offenbart<br />
und Steuereinnahmen ausbleiben wür<strong>de</strong>n. Als Korrektur war vorgesehen,<br />
dass Teilselbstanzeigen auf bestimmte Län<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r bestimmte<br />
Steuergestaltungen nicht mehr wirksam sein sollten. „Taktieren<br />
darf nicht belohnt wer<strong>de</strong>n“, so lautete <strong>de</strong>r Ansatz. Der Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />
Tatent<strong>de</strong>ckung sollte darüber hinaus vorverlegt wer<strong>de</strong>n. So sei die<br />
Selbstanzeige nicht mehr möglich, wenn eine Prüfungsanordnung<br />
bereits zugestellt wor<strong>de</strong>n sei. Eine „Hinterziehungsstrategie“ sollte<br />
nicht geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n (zum Stand <strong>de</strong>r Reformvorschläge bis September<br />
2010: Gehm, ZRP 2010, 169f.).<br />
Im Sommer 2010 fand dazu die öffentliche Anhörung <strong>de</strong>s Finanzausschusses<br />
statt. Prof. Dr. Joecks, Ernst-Moritz-Arndt-Universität<br />
Greifswald in <strong>de</strong>r Anhörung am 7.7.2010, riet allerdings berechtigt<br />
zur Vorsicht. Die Bun<strong>de</strong>ssteuerberaterkammer meinte, die Abschaffung<br />
<strong>de</strong>r strafbefreien<strong>de</strong>n Selbstanzeige wäre kontraproduktiv, so ihr<br />
Schreiben vom 2.7.2010. Gleichwohl – in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>m<br />
Antrag <strong>de</strong>r Fraktionen CDU/CSU und FDP (BT-Drucks. 17/1755) – soll<br />
sich eine Hinterziehungsstrategie nicht lohnen. Dem Gesetzentwurf<br />
<strong>de</strong>r Fraktion <strong>de</strong>r SPD (BT-Drucks. 17/1411) je<strong>de</strong>nfalls, <strong>de</strong>r die vollständige<br />
Abschaffung <strong>de</strong>r Selbstanzeige proklamierte, wur<strong>de</strong> die Absage<br />
erteilt (dazu auch Schauf/Schwartz, PStR 2010, 195ff.).<br />
Am 8.12.2010 schließlich wur<strong>de</strong> durch das Bun<strong>de</strong>skabinett <strong>de</strong>r Entwurf<br />
eines Gesetzes zur Verbesserung <strong>de</strong>r Bekämpfung von Geldwäsche<br />
und Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz)<br />
beschlossen. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Es<br />
tritt daher am Tag nach <strong>de</strong>r Verkündung in Kraft. Folgen<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong><br />
geregelt: Die Selbstanzeigemöglichkeit bleibt weiter aufrechterhalten!<br />
Die fiskalische Notwendigkeit wird anerkannt. Dennoch folgt<br />
<strong>de</strong>r Gesetzentwurf in weiten Teilen <strong>de</strong>r jüngeren Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s 1. Strafsenats vom 20.5.2010. Straffreiheit soll künftig nur noch<br />
dann eintreten, wenn die Besteuerungsgrundlagen aller infrage kommen<strong>de</strong>n<br />
Steuerarten vollständig und zutreffend nacherklärt wer<strong>de</strong>n.<br />
Dolose Teilselbstanzeigen sind zukünftig ausgeschlossen. Demgegenüber<br />
führen unbewusste Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten<br />
nicht zum Ausschluss <strong>de</strong>r Straffreiheit.<br />
Auch <strong>de</strong>r Zeitpunkt <strong>de</strong>s Eintretens <strong>de</strong>s Sperrgrunds von § 371 Abs. 2<br />
Nr. 1 AO wird erheblich vorverlegt. Bereits wenn die Prüfungsanordnung<br />
bekannt gegeben ist, ist eine wirksame Selbstanzeige nicht<br />
mehr möglich. Dies wird insbeson<strong>de</strong>re durch die Bun<strong>de</strong>ssteuerberaterkammer<br />
kritisiert. Denn sie weist zu Recht darauf hin, dass mit<br />
Ankündigung <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht mehr straffrei<br />
möglicherweise auch nur unverschul<strong>de</strong>t verursachte Fehler korrigieren<br />
kann (Bun<strong>de</strong>ssteuerberaterkammer, Abt. Steuerrecht, Schreiben<br />
vom 24.11.2010 zum Referentenentwurf für ein Schwarzgeldbekämpfungsgesetz,<br />
S. 3).<br />
Der Gesetzentwurf schafft aber auch eine gewisse Klarheit. Steuerpflichtige,<br />
die bereits eine Teilselbstanzeige abgegeben haben, über<br />
<strong>de</strong>ren Wirksamkeit bisher nicht entschie<strong>de</strong>n ist, genießen Vertrauensschutz,<br />
was erfreulicherweise auch durch <strong>de</strong>n Deutschen Richterbund<br />
begrüßt wird (Stellungnahme <strong>de</strong>s Deutschen Richterbun<strong>de</strong>s zum Referentenentwurf<br />
eines Gesetzes zur Verbesserung <strong>de</strong>r Bekämpfung <strong>de</strong>r<br />
Geldwäsche und Steuerhinterziehung – Schwarzgeldbekämpfungsgesetz).<br />
Dieser Gesetzentwurf wird weiter flankiert durch die im Raum<br />
stehen<strong>de</strong>n Maßnahmen wie Kündigung von Doppelbesteuerungsabkommen,<br />
Einführung <strong>de</strong>r Quellensteuer bei nicht kooperativen<br />
Län<strong>de</strong>rn, Mel<strong>de</strong>pflicht für Kapitalbewegungen ins Ausland (so Antrag<br />
<strong>de</strong>r Fraktion DIE LINKE, BT-Drucks. 17/1149 und Antrag <strong>de</strong>r Fraktion<br />
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks. 17/1765; zum Ganzen schon<br />
vormals Schmitz/Brilla, IStR 2004, 73 ff.).<br />
» 5. Bestehen<strong>de</strong> Unsicherheiten<br />
Selbst wenn <strong>de</strong>r Fortgang <strong>de</strong>r Gesetzgebung weiter spannend bleibt,<br />
spricht viel dafür, dass die Regelungen sehr zeitnah in Kraft treten<br />
wer<strong>de</strong>n. Die neuen Regelungen konkretisieren die Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />
die künftige Beraterpraxis, lassen aber auch Zweifelsfragen offen.<br />
5.1. Umfang <strong>de</strong>r Berichtigungserklärung<br />
Von <strong>de</strong>n Beratern muss künftig berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, dass die<br />
Selbstanzeige ALLE strafrechtlich noch nicht verjährten Hinterziehungssachverhalte<br />
umfassen muss. Nur dann tritt Strafbefreiung<br />
ein (kritisch zu <strong>de</strong>m damit verbun<strong>de</strong>nen Risiko <strong>de</strong>r unabsichtlich<br />
fehlerhaften Selbstanzeige: Stellungnahme <strong>de</strong>s Deutschen Steuerberaterverban<strong>de</strong>s<br />
e. V. zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur<br />
verbesserten Bekämpfung <strong>de</strong>r Geldwäsche und Steuerhinterziehung<br />
– Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 24.11.2010 und zu <strong>de</strong>r möglichen<br />
Gefahr <strong>de</strong>r Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen an die Vollständigkeit<br />
über <strong>de</strong>n Ansatz <strong>de</strong>r BGH-Entscheidung hinaus: Stellungnahme<br />
<strong>de</strong>r BRAK Ausschuss Steuerrecht zum Referentenentwurf für ein<br />
Gesetz zur verbesserten Bekämpfung <strong>de</strong>r Geldwäsche und Steuerhinterziehung,<br />
November 2010, S. 9, 10).<br />
Konkret be<strong>de</strong>utet dies für die aktuelle Beratung je<strong>de</strong>nfalls, dass <strong>de</strong>r<br />
Berater seinen Mandanten im Beratungsgespräch möglichst umfassend<br />
zu <strong>de</strong>n steuerrechtlichen Sachverhalten befragen muss. Denn<br />
vielen Mandanten ist oftmals nicht klar, welche Sachverhalte überhaupt<br />
steuerlich relevant sind.<br />
5.2. Kulanzregelung<br />
Entgegen <strong>de</strong>r von Roth/Schützeberg geäußerten Auffassung bleibt<br />
m. E. jedoch die Kulanzregelung bestehen. Denn nach wie vor kann<br />
schnelles Han<strong>de</strong>ln gefragt sein, so z. B. bei Grenzaufgriffsfällen. Kann<br />
<strong>de</strong>r Berater und sein Mandant möglicherweise nur auf wenige Unterlagen<br />
zurückgreifen, müssen die Besteuerungsgrundlagen geschätzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Zwar soll eine Schätzung überhöht erfolgen, damit man sich<br />
„auf <strong>de</strong>r sicheren Seite“ befin<strong>de</strong>t, doch kann es durchaus vorkommen,<br />
dass zu niedrig geschätzt wird. Da in <strong>de</strong>r „Zu–Niedrig-Schätzung“<br />
keine dolose Teilselbstanzeige zu sehen ist, sollten geringfügig prozentuale<br />
Abweichungen toleriert wer<strong>de</strong>n. Daher verbleibt es m. E. bei<br />
<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Finanzämtern akzeptierten Abweichungen von 6,0–6,5 %<br />
bzw. 10 % (so schon Jäger, in Klein, Kommentar zur Abgabenordnung,<br />
10. Aufl. München 2009, § 371 Rn. 20).<br />
5.3. Behandlung (doloser Teil-)Selbstanzeigen nach Inkrafttreten<br />
<strong>de</strong>s o. g. Gesetzentwurfs<br />
Berater, <strong>de</strong>ssen Mandanten damals beschlossen hatten, nur Teile<br />
selbst anzuzeigen, können <strong>de</strong>n Mandanten beruhigen, da klargestellt<br />
18 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
ist, dass Vertrauensschutz greift. Die Wirksamkeit ihrer Selbstanzeigen,<br />
wenn sie im Übrigen <strong>de</strong>n Voraussetzungen genügen, wird<br />
nicht angezweifelt.<br />
Sind die Fälle bereits nach § 170 StPO abgeschlossen, über die damals<br />
dolose Teilselbstanzeige wur<strong>de</strong> also bereits entschie<strong>de</strong>n, kann <strong>de</strong>r<br />
Fall auf sich beruhen. Will <strong>de</strong>r Mandant eine weitere Selbstanzeige<br />
erstatten, muss er sämtliche nunmehr überschießen<strong>de</strong>n steuerstrafrechtlich<br />
relevanten Sachverhalte auf<strong>de</strong>cken, auch wenn sie Bereiche,<br />
d. h. Zeiträume berühren, die damals von <strong>de</strong>r Teilselbstanzeige erfasst<br />
waren. Das damit verbun<strong>de</strong>ne Auf<strong>de</strong>cken <strong>de</strong>r dolosen Teilselbstanzeige<br />
ist für sich genommen unschädlich, <strong>de</strong>nn – und nur dann greift<br />
wirksam ein Vertrauensschutz – in <strong>de</strong>r Teilselbstanzeige darf nicht<br />
automatisch eine weitere Straftat (da unvollständig) gesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Bei <strong>de</strong>r Erstattung künftiger Selbstanzeigen trotz eingeleiteten steuerstrafrechtlichen<br />
Ermittlungsverfahren muss <strong>de</strong>r Berater vor Augen<br />
haben, dass die Orientierung an die Einleitungsverfügung o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n<br />
Durchsuchungsbeschluss allein nicht ausreicht zu entschei<strong>de</strong>n, ob<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r nicht ausdrücklich erwähnten aber damit im Zusammenhang<br />
stehen<strong>de</strong>n Sachverhalten o<strong>de</strong>r Veranlagungszeiträumen<br />
Voraussetzung einer strafbefreien<strong>de</strong>n Selbstanzeige<br />
BGH, Beschluss vom 20.05.2010 - 1 StR 577/09<br />
Leitsatz<br />
1. Eine strafbefreien<strong>de</strong> Selbstanzeige setzt vollständige und richtige<br />
Angaben und damit die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit<br />
voraus; eine „Teilselbstanzeige“ist nicht ausreichend (Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />
Rechtsprechung).<br />
2. Eine Strafbefreiung schei<strong>de</strong>t auch aus, wenn die Steuerhinterziehung<br />
bereits ent<strong>de</strong>ckt ist (umfangreiche Ausführungen zum Vorliegen<br />
einer Tatent<strong>de</strong>ckung).<br />
3. Die Staatsanwaltschaft ist in <strong>de</strong>n Fällen, bei <strong>de</strong>nen eine Evokation<br />
(vgl. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO) nicht fern liegt, frühzeitig in die Ermittlungen<br />
<strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n einzubeziehen, damit sie ihr Recht und<br />
ihre Pflicht zur Prüfung einer Evokation auch in je<strong>de</strong>m Einzelfall und<br />
in je<strong>de</strong>m Stadium <strong>de</strong>s Verfahrens sachgerecht ausüben kann. Diese<br />
Pflicht zur Beteiligung <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft gilt auch und gera<strong>de</strong><br />
dann, wenn zu entschei<strong>de</strong>n ist, ob eine wirksame Selbstanzeige<br />
gegeben ist.<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n: […]<br />
Der Erörterung bedarf lediglich die Frage <strong>de</strong>r Strafbefreiung nach § 371 AO:<br />
[3]<br />
Soweit <strong>de</strong>r Angeklagte im Fall III. 3. <strong>de</strong>r Urteilsgrün<strong>de</strong> wegen Hinterziehung<br />
von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag im Veranlagungszeitraum<br />
2000 verurteilt wur<strong>de</strong>, hat das Landgericht im Ergebnis<br />
zu Recht das Vorliegen einer strafbefreien<strong>de</strong>n Selbstanzeige nach § 371<br />
AO verneint. Ob überhaupt eine <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 371 Abs. 1 AO<br />
entsprechen<strong>de</strong> Selbstanzeige vorliegt, kann offen bleiben. Je<strong>de</strong>nfalls<br />
stehen <strong>de</strong>r Strafbefreiung sowohl <strong>de</strong>r Sperrgrund <strong>de</strong>s § 371 Abs. 2 Nr. 1<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
eine Selbstanzeige noch wirksam ist und Straffreiheit gewährt wird.<br />
Der Referentenentwurf lässt diesen Punkt offen, sodass die Prämissen<br />
<strong>de</strong>r BGH-Entscheidung greifen.<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong>n Beratung ist weiter <strong>de</strong>r Mandant dahingehend<br />
zu sensibilisieren, dass er weit vor <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m<br />
eine steuerliche Prüfung zu erwarten ist, seine Buchhaltung und<br />
steuerlich relevanten Erklärungen überprüft. Mögliche steuerliche<br />
Unklarheiten o<strong>de</strong>r Fehler sind frühzeitig richtig zu stellen, damit<br />
zukünftig <strong>de</strong>r nunmehr verengte Sperrgrund <strong>de</strong>s § 371 Abs. 2 Nr. 1<br />
AO nicht eingreift.<br />
» 6. Fazit<br />
Eine nicht einfache Materie mit vielen Einzelproblemen, die auch bei<br />
Inkrafttreten <strong>de</strong>s Referentenentwurfs nicht vollständig gelöst wer<strong>de</strong>n.<br />
Hier ist für <strong>de</strong>n Mandanten guter und kompetenter Rat gefragt.<br />
Die Berater sollten sich je<strong>de</strong>nfalls schon jetzt eingängig mit <strong>de</strong>m<br />
Gesetzesvorhaben und seinen Folgen befassen, damit zeitnah nach<br />
Inkrafttreten fundiert beraten wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Buchst. a AO als auch <strong>de</strong>rjenige <strong>de</strong>s § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO entgegen.<br />
[4]<br />
1. Nach <strong>de</strong>n Urteilsfeststellungen wur<strong>de</strong>n am 28. April 2005 in <strong>de</strong>m gegen<br />
<strong>de</strong>n Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren wegen <strong>de</strong>s Verdachts<br />
<strong>de</strong>r Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für<br />
die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 in <strong>de</strong>r Wohnung <strong>de</strong>s Angeklagten<br />
und <strong>de</strong>r Kanzlei seines Steuerberaters Durchsuchungsbeschlüsse<br />
vollstreckt. Im Rahmen <strong>de</strong>r Durchsuchungsmaßnahmen ergaben sich<br />
Anhaltspunkte dafür, dass <strong>de</strong>r Angeklagte nicht nur für die Jahre 2001<br />
und 2002, son<strong>de</strong>rn bereits für die Jahre 1999 und 2000 in seinen Einkommensteuererklärungen<br />
steuerpflichtige Einkünfte verschwiegen und<br />
hierdurch Einkommensteuer verkürzt hatte. Der Steuerberater <strong>de</strong>s Angeklagten<br />
äußerte hierbei, dass die Ermittler zwei Wochen zu früh erschienen<br />
seien, da die Steuererklärungen in Vorbereitung seien. Nach<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r die Ermittlungen leiten<strong>de</strong> Beamte <strong>de</strong>r Steuerfahndung <strong>de</strong>m Angeklagten<br />
mündlich eröffnet hatte, dass das Ermittlungsverfahren auf <strong>de</strong>n<br />
Verdacht <strong>de</strong>r Hinterziehung von Einkommensteuer für die Jahre 1999<br />
und 2000 erweitert wor<strong>de</strong>n sei, übergab <strong>de</strong>r Steuerberater <strong>de</strong>n Fahndungsbeamten<br />
zur Vermeidung <strong>de</strong>r Beschlagnahme die vorhan<strong>de</strong>nen<br />
sortierten und aufbereiteten Unterlagen für diese Veranlagungszeiträume.<br />
Die Belege waren in einer Tabelle erfasst, eine Steuererklärung hingegen<br />
noch nicht erstellt. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Steuerberater die Unterlagen<br />
zurückerhalten hatte, fertigte er innerhalb von zwei Monaten die Einkommensteuererklärungen<br />
<strong>de</strong>s Angeklagten für die Jahre 1999 bis 2002.<br />
Die aufgrund einer tatsächlichen Verständigung ergangenen Steuerbeschei<strong>de</strong><br />
wur<strong>de</strong>n bestandskräftig; <strong>de</strong>r Angeklagte beglich die Steuerfor<strong>de</strong>rungen<br />
nach und nach.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 19
FACHBEITRÄGE Steuerstrafrecht<br />
[5]<br />
2. Nach § 371 Abs. 1 AO kommt <strong>de</strong>mjenigen ein persönlicher Strafaufhebungsgrund<br />
zugute, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 370 AO bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong><br />
unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige ergänzt o<strong>de</strong>r<br />
unterlassene Angaben nachholt. Straffreiheit tritt nicht ein, wenn ein<br />
Sperrgrund <strong>de</strong>s § 371 Abs. 2 AO vorliegt.<br />
[6]<br />
a) Diese im Verzicht auf <strong>de</strong>n staatlichen Strafanspruch liegen<strong>de</strong> Privilegierung<br />
<strong>de</strong>s Steuerstraftäters gegenüber an<strong>de</strong>ren Straftätern bedarf<br />
einer doppelten Rechtfertigung: Zum einen sollen verborgene Steuerquellen<br />
erschlossen wer<strong>de</strong>n; zum an<strong>de</strong>ren soll <strong>de</strong>m Steuerhinterzieher<br />
ein Anreiz gegeben wer<strong>de</strong>n, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren.<br />
[7]<br />
Aus fiskalischen Grün<strong>de</strong>n soll für <strong>de</strong>n Steuerhinterzieher ein Anreiz<br />
geschaffen wer<strong>de</strong>n, von sich aus <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n bisher verheimlichte<br />
Steuerquellen durch wahrheitsgemäße Angaben zu erschließen<br />
(st. Rspr.; vgl. BGHSt 35, 36, 37; BGH wistra 2004, 309, 310 m.w.N.).<br />
Allein fiskalische Interessen an <strong>de</strong>r Entrichtung hinterzogener Steuern<br />
können diese Privilegierung aber schwerlich rechtfertigen. Hinzukommen<br />
muss die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit; diese soll honoriert<br />
wer<strong>de</strong>n (BGHSt 3, 373, 375 und 12, 100, 101 zu § 410 RAO; BGH DB 1977,<br />
1347 zu § 395 RAO; BGH wistra 1985, 74 zu § 371 AO; vgl. auch bereits<br />
die Gesetzesmaterialien zu § 410 RAO 1951 BTDrucks. I/2395).<br />
[8]<br />
b) Eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist dann gegeben, wenn <strong>de</strong>r<br />
Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben - mithin „reinen<br />
Tisch“ - macht. Erst dann liegt eine strafbefreien<strong>de</strong> Selbstanzeige i.S.d.<br />
§ 371 Abs. 1 AO vor.<br />
[9]<br />
Das folgt auch aus <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s § 371 Abs. 1 AO. Unrichtige o<strong>de</strong>r<br />
unvollständige Angaben müssen berichtigt o<strong>de</strong>r ergänzt, unterlassene<br />
Angaben müssen nachgeholt wer<strong>de</strong>n. Die Benennung aller <strong>de</strong>nkbaren<br />
Handlungsvarianten zur Korrektur von unrichtigen und unvollständigen<br />
Angaben - aufgezählt mit einem (nicht exklusiven) „o<strong>de</strong>r“ -<br />
macht <strong>de</strong>utlich, dass das Gesetz die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit<br />
will. Nur unter dieser Voraussetzung wird <strong>de</strong>r Täter<br />
straffrei. Das auf die Nennung dieser Voraussetzung folgen<strong>de</strong> Wort<br />
„insoweit“ bezieht sich nicht auf <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r gemachten Angaben,<br />
son<strong>de</strong>rn allein auf <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r Strafbefreiung. Diese tritt also erst<br />
dann ein, wenn die Angaben insgesamt richtig sind. Hätte <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
eine Strafbefreiung auch schon für nur teilweise richtige Angaben<br />
(Teilselbstanzeige) gewollt, dann hätte er das Gesetz an<strong>de</strong>rs formuliert<br />
(„Soweit … berichtigt …“). „Insoweit“ be<strong>de</strong>utet daher namentlich:<br />
Neben <strong>de</strong>r Straffreiheit für - gänzlich verschie<strong>de</strong>ne - Steuer<strong>de</strong>likte<br />
könnte auch ein Täter, <strong>de</strong>r zusätzlich verfälschte Belege gebraucht<br />
o<strong>de</strong>r ein Bestechungs<strong>de</strong>likt begeht (vgl. § 370 Abs. 3 AO sowie BGH<br />
wistra 2004, 309, 312), Straffreiheit (nur) wegen <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung<br />
erlangen.<br />
[10]<br />
c) Im Hinblick darauf, dass <strong>de</strong>r fiskalische Zweck, noch unbekannte<br />
Steuerquellen zu erschließen, angesichts <strong>de</strong>r heute bestehen<strong>de</strong>n<br />
Ermittlungsmöglichkeiten und <strong>de</strong>r verbesserten internationalen<br />
Zusammenarbeit zunehmend an Be<strong>de</strong>utung verloren hat, erlangt <strong>de</strong>r<br />
weitere Zweck, Rückkehr zur Steuerehrlichkeit, zusätzliches<br />
Gewicht.<br />
[11]<br />
Der Senat hält eine Teilselbstanzeige nicht für ausreichend, um die<br />
Strafbefreiung zu erlangen. Denn hier fehlt gera<strong>de</strong> die Rückkehr zur<br />
vollständigen Steuerehrlichkeit (vgl. auch BGH wistra 1993, 66, 68).<br />
Soweit in <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs bislang eine<br />
solche Teilselbstanzeige als wirksam angesehen wor<strong>de</strong>n ist, weil das<br />
Wort „insoweit“ in § 371 Abs. 1 AO eine nur teilweise Nachholung fehlen<strong>de</strong>r<br />
zutreffen<strong>de</strong>r Angaben erlaube (vgl. BGHSt 35, 36; BGH wistra<br />
1988, 356; 1999, 27), hält <strong>de</strong>r Senat daran nicht fest. Einer Anfrage bei<br />
an<strong>de</strong>ren Senaten bedarf es nicht (vgl. Hannich in KK-StPO 6. Aufl.<br />
§ 132 GVG Rdn. 6 m.w.N.).<br />
[12]<br />
Eine danach nicht ausreichen<strong>de</strong> Teilselbstanzeige ist beispielsweise<br />
gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger seine unvollständige Einkommensteuererklärung<br />
dahin „berichtigt“, dass er von bislang gänzlich verschwiegenen<br />
Zinseinkünften nunmehr nur diejenigen eines Kontos<br />
angibt, aber immer noch weitere Konten verschweigt, weil er insoweit<br />
keine Ent<strong>de</strong>ckung durch die Finanzbehör<strong>de</strong>n befürchtet (dolose Selbstanzeige).<br />
Nach Ansicht <strong>de</strong>s Senats läge in einem solchen Fall keine<br />
wirksame Selbstanzeige vor.<br />
[13]<br />
Auch <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkbare Umstand, dass <strong>de</strong>r Täter einer Steuerhinterziehung<br />
nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern<br />
innerhalb angemessener Frist vollständig nachzuzahlen (vgl. § 371<br />
Abs. 3 AO), könnte für sich allein die Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige<br />
nicht rechtfertigen. Die Grün<strong>de</strong>, aus <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />
zur Zahlung nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, sind für § 371 Abs. 3 AO grundsätzlich<br />
be<strong>de</strong>utungslos.<br />
[14]<br />
3. Einer strafbefreien<strong>de</strong>n Selbstanzeige steht hier je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>r Sperrgrund<br />
<strong>de</strong>s § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO entgegen.<br />
[15]<br />
Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 2. Alt. AO tritt Straffreiheit schon dann<br />
nicht ein, wenn vor <strong>de</strong>r Berichtigung, Ergänzung o<strong>de</strong>r Nachholung von<br />
Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.v. § 371 Abs. 1 AO ein<br />
Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat o<strong>de</strong>r einer Steuerordnungswidrigkeit<br />
erschienen ist. Dieser Sperrgrund betrifft nicht<br />
nur solche Taten, die vom Ermittlungswillen („zur Ermittlung“) <strong>de</strong>s<br />
erschienenen Amtsträgers erfasst sind. Er erstreckt sich auch auf<br />
solche Taten, die mit <strong>de</strong>m bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem<br />
Zusammenhang stehen (vgl. BGH wistra 1983, 146; 2000, 219, 225;<br />
2004, 309).<br />
[...]<br />
[28]<br />
f) Die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle stellt für sich allein<br />
noch keine Tatent<strong>de</strong>ckung dar. Welche Umstän<strong>de</strong> hinzukommen müssen,<br />
damit die Tat (wenigstens zum Teil) ent<strong>de</strong>ckt ist, lässt sich nur im<br />
Einzelfall und nicht schematisch beantworten. In <strong>de</strong>r Regel ist eine<br />
Tatent<strong>de</strong>ckung bereits dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>r zur Steuerquelle o<strong>de</strong>r zum Auffin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Steuerquelle<br />
bekannten weiteren Umstän<strong>de</strong> nach allgemeiner kriminalistischer<br />
Erfahrung eine Steuerstraftat o<strong>de</strong>r -ordnungswidrigkeit nahe liegt.<br />
Stets ist die Tat ent<strong>de</strong>ckt, wenn <strong>de</strong>r Abgleich mit <strong>de</strong>n Steuererklärungen<br />
<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ergibt, dass die Steuerquelle nicht o<strong>de</strong>r unvollständig<br />
angegeben wur<strong>de</strong>. Ent<strong>de</strong>ckung ist aber auch schon vor einem<br />
Abgleich <strong>de</strong>nkbar, etwa bei Aussagen von Zeugen, die <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen<br />
nahe stehen und vor diesem Hintergrund zum Inhalt <strong>de</strong>r<br />
Steuererklärungen Angaben machen können, o<strong>de</strong>r bei verschleierten<br />
Steuerquellen, wenn die Art und Weise <strong>de</strong>r Verschleierung nach kriminalistischer<br />
Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige o<strong>de</strong>r<br />
unrichtige Angaben ist.<br />
20 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
» StB Martin Liepert, München<br />
Außergewöhnliche Belastungen:<br />
Hat <strong>de</strong>r Amtsarzt ausgedient?<br />
» 1. Hintergrund<br />
Gemäß § 33 Abs. 1 EStG ermäßigt sich die Einkommensteuer auf<br />
Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig<br />
größere Aufwendungen als <strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong>n Mehrzahl <strong>de</strong>r<br />
Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse<br />
und gleichen Familienstands (außergewöhnliche<br />
Belastungen) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen einem Steuerpflichtigen<br />
Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen,<br />
tatsächlichen o<strong>de</strong>r sittlichen Grün<strong>de</strong>n nicht entziehen kann, und<br />
soweit die Aufwendungen <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n nach notwendig sind und<br />
einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.<br />
» 2. Anfor<strong>de</strong>rungen an die Nachweisbarkeit<br />
Eines <strong>de</strong>r Grundprobleme bei <strong>de</strong>n Aufwendungen im Zusammenhang<br />
mit Krankheitsfällen ist die Nachweisführung bezüglich <strong>de</strong>r Zwangsläufigkeit,<br />
Notwendigkeit und Angemessenheit <strong>de</strong>r Aufwendungen.<br />
So ist eine Trennung von echten Krankheitskosten einerseits (außergewöhnliche<br />
Belastungen) und lediglich gesundheitsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Vorbeuge-<br />
o<strong>de</strong>r Folgekosten an<strong>de</strong>rerseits (nicht abzugsfähige Kosten <strong>de</strong>r<br />
privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG) vorzunehmen. Unter<br />
die echten Krankheitskosten im Sinne <strong>de</strong>r ständigen Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s BFH fallen beispielsweise die erfor<strong>de</strong>rlichen Medikamente o<strong>de</strong>r<br />
Operationen, die zum Zweck <strong>de</strong>r Heilung einer Krankheit verordnet<br />
o<strong>de</strong>r durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Hierunter sind ebenso Aufwendungen zu<br />
verstehen, die mit <strong>de</strong>m Ziel getätigt wer<strong>de</strong>n, eine Krankheit erträglicher<br />
zu gestalten, wie beispielsweise die Kosten eines Rollstuhls<br />
(BFH vom 17.7.1981, VI R 77/78, BStBl II 1981 S. 711). Im Fall einer<br />
medizinischen Indikation wer<strong>de</strong>n die Aufwendungen für die eigentliche<br />
Heilbehandlung – aus Rücksicht vor einem für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />
unzumutbaren Eingriff in seine Privatsphäre – ohne die an sich<br />
gebotene Überprüfung <strong>de</strong>r Zwangsläufigkeit <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r<br />
Höhe nach als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.<br />
So haben sich im Laufe <strong>de</strong>r Jahre unterschiedliche strenge Nachweiserfor<strong>de</strong>rnisse<br />
aus <strong>de</strong>r Rechtsprechung gebil<strong>de</strong>t, um im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Krankheitskosten eine Unterscheidung zwischen steuerlich<br />
absetzbaren außergewöhnlichen Belastungen und <strong>de</strong>n nicht abziehbaren<br />
Kosten <strong>de</strong>r Lebenshaltung vorzunehmen. Je ein<strong>de</strong>utiger die<br />
medizinische Indikation ist, <strong>de</strong>sto niedriger sind die Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
an die Nachweisführung. Hierbei ist eine Einteilung in drei Nachweisgruppen<br />
erfolgt, welche in R 33.4 Abs. 1 EStR 2008 zusammengefasst<br />
sind. Unter die erste Gruppe fallen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel<br />
sowie Sehhilfen. Hier ist eine entsprechen<strong>de</strong> Verordnung durch einen<br />
Steuerrecht FACHBEITRÄGE<br />
In zwei aktuellen Urteilen hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof die Voraussetzungen zum Abzug von Krankheitskosten<br />
in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen bisher ein vor <strong>de</strong>r Maßnahme einzuholen<strong>de</strong>s Attest gefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>, gelockert.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Arzt o<strong>de</strong>r Heilpraktiker erfor<strong>de</strong>rlich. Ein Augenarzt ist lediglich für die<br />
erstmalige Sehhilfe erfor<strong>de</strong>rlich. Diese Nachweise können alternativ<br />
durch entsprechen<strong>de</strong> Abrechnungsnachweise <strong>de</strong>r Krankenkasse o<strong>de</strong>r<br />
Beihilfestelle erbracht wer<strong>de</strong>n, da hier die medizinische Indikation<br />
<strong>de</strong>utlich und für einen medizinischen Laien einfach ersichtlich vorhan<strong>de</strong>n<br />
ist.<br />
Jedoch gelten wesentlich strengere formelle Anfor<strong>de</strong>rungen im<br />
Bereich <strong>de</strong>r Kuren, psychotherapeutischen Behandlungen, <strong>de</strong>m Erfor<strong>de</strong>rnis<br />
<strong>de</strong>r auswärtigen Unterbringung wegen Legasthenie o<strong>de</strong>r einer<br />
an<strong>de</strong>rer Behin<strong>de</strong>rung eines Kin<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r Notwendigkeit <strong>de</strong>r Betreuung<br />
wegen Alters o<strong>de</strong>r Hilflosigkeit, <strong>de</strong>r Anschaffung von Hilfsmitteln,<br />
welche auch als Gebrauchsgegenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s täglichen Lebens anzusehen<br />
sind, und wissenschaftlich nicht anerkannter Behandlungsmetho<strong>de</strong>n.<br />
Hier ist ein entsprechen<strong>de</strong>r Nachweis durch ein amts- o<strong>de</strong>r<br />
vertrauensärztliches Gutachten, bzw. eines Attestes eines an<strong>de</strong>ren<br />
öffentlich rechtlichen Trägers, aus <strong>de</strong>m sich die Krankheit und die<br />
medizinische Indikation <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Aufwendungen zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n<br />
Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt. Weiteres durch die Rechtsprechung<br />
geprägtes Erfor<strong>de</strong>rnis ist, dass dieses Gutachten zeitlich<br />
vor Durchführung <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Maßnahme ausgestellt wor<strong>de</strong>n<br />
sein muss. Ein nachträglicher Nachweis wird in diesem Bereich <strong>de</strong>r<br />
Krankheitskosten von <strong>de</strong>r Rechtsprechung wegen <strong>de</strong>r diffizilen Trennung<br />
zwischen echten Krankheitskosten und Kosten, die <strong>de</strong>r privaten<br />
Lebensführung zuzurechnen sind, nicht anerkannt.<br />
Die letzte <strong>de</strong>r drei durch die Rechtsprechung gebil<strong>de</strong>ten Kategorien<br />
stellen die Besuchsfahrten ins Krankenhaus durch <strong>de</strong>n Ehegatten <strong>de</strong>s<br />
Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r die Eltern eines Kin<strong>de</strong>s dar. In diesen Fällen ist<br />
ein Attest <strong>de</strong>s behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Krankenhausarztes erfor<strong>de</strong>rlich, welches<br />
insbeson<strong>de</strong>re bescheinigt, dass speziell <strong>de</strong>m Besuch ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Beitrag zur Heilung <strong>de</strong>r Krankheit zukommt.<br />
» 3. Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
Die oben stehen<strong>de</strong>n, über Jahrzehnte entwickelten und in <strong>de</strong>r ständigen<br />
Rechtsprechung bestätigten Grundsätze erfuhren erstmals<br />
durch das Urteil <strong>de</strong>s BFH vom 2.9.2010 (VI R 11/09, BFH/NV 2011<br />
S. 125) eine Erweiterung. Im Urteilsfall hatte <strong>de</strong>r BFH zu entschei<strong>de</strong>n,<br />
ob die Kosten einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie<br />
als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig waren. Nach erfolgter<br />
operativer Behandlung einer Krebserkrankung an <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse<br />
unterzog sich die Frau eines Steuerpflichtigen einer<br />
Krebsabwehrtherapie mit einem Präparat, welches in Deutschland<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 21
FACHBEITRÄGE Steuerrecht<br />
nicht als Arzneimittel zugelassen war. Die Behandlung <strong>de</strong>r Patientin<br />
erfolgte durch ihren behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Hausarzt. Diese Alternativtherapie<br />
erfolgte, da die schulmedizinisch angezeigte Behandlung im<br />
Rahmen einer Chemotherapie aufgrund <strong>de</strong>s geschwächten Gesundheitszustands<br />
<strong>de</strong>r Patientin nicht möglich war und um ihr für die<br />
noch verbleiben<strong>de</strong> Lebenszeit eine Verbesserung <strong>de</strong>s Allgemeinzustands<br />
zu ermöglichen. In diesem extrem speziellen Fall, bei <strong>de</strong>m<br />
eine Heilung <strong>de</strong>r schwerwiegen<strong>de</strong>n Krankheit aussichtslos war,<br />
erkannte <strong>de</strong>r BFH erstmals eine notstandsähnliche Zwangslage an<br />
(Geserich in NWB 2011 S. 20). Doch auch mit dieser Entscheidung<br />
öffnete <strong>de</strong>r BFH nicht sämtliche Türen und Tore für je<strong>de</strong> Art von<br />
alternativen Behandlungsmetho<strong>de</strong>n und -möglichkeiten in <strong>de</strong>r letzten<br />
Lebensphase einer Krebserkrankung, son<strong>de</strong>rn stellt weiterhin klar,<br />
dass die Berücksichtigung von sog. Außenseitermetho<strong>de</strong>n steuerlich<br />
nicht abzugsfähig sind, wenn die entsprechen<strong>de</strong>n Maßnahmen von<br />
Personen vorgenommen wer<strong>de</strong>n, welche nicht zur Ausübung <strong>de</strong>r<br />
Heilkun<strong>de</strong> zugelassen sind.<br />
Konnte sich <strong>de</strong>r BFH im oben genannten Urteil mit <strong>de</strong>m beschrittenen<br />
Son<strong>de</strong>rweg über die Begründung einer notstandsähnlichen Zwangslage<br />
noch um eine Entscheidung bei <strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>m formalisierten<br />
Nachweis durch ein amts- o<strong>de</strong>r vertrauensärztliches Gutachten,<br />
welches vor Durchführung <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Maßnahme eingeholt<br />
wer<strong>de</strong>n muss, drücken, sah er sich in einem nur wenige Tage später<br />
ergangenen Urteil reif für die Abkehr von einigen <strong>de</strong>r bisherigen<br />
Rechtsprechungsgrundsätzen beim Nachweis von Krankheitskosten.<br />
Mit Urteil vom 11.11.2010 (VI R 17/09, DStR 2011 S. 115) entschied<br />
sich <strong>de</strong>r 6. Senat für eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung bezüglich<br />
<strong>de</strong>s formalisierten Nachweiserfor<strong>de</strong>rnisses <strong>de</strong>r medizinischen Indikation<br />
durch ein amts- o<strong>de</strong>r vertrauensärztliches Gutachten o<strong>de</strong>r<br />
eines Attests eines an<strong>de</strong>ren öffentlich-rechtlichen Trägers. Nunmehr<br />
kann die medizinische Indikation <strong>de</strong>r Behandlungsmaßnahme auch<br />
durch Feststellungen und Würdigungen <strong>de</strong>s Finanzgerichts nach <strong>de</strong>m<br />
Grundsatz <strong>de</strong>r freien Beweiswürdigung getroffen wer<strong>de</strong>n. Der entschie<strong>de</strong>ne<br />
Fall hatte unter an<strong>de</strong>rem die Frage zum Streitgegenstand,<br />
ob Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s Klägers steuerlich als außergewöhnliche<br />
Belastungen abzugsfähig waren o<strong>de</strong>r nicht. Ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />
Gutachten durch einen Amtsarzt vor Behandlungsbeginn bzw. vor<br />
Beginn <strong>de</strong>r auswärtigen Unterbringung konnte <strong>de</strong>r Kläger nicht vorlegen<br />
o<strong>de</strong>r hat dieses nicht eingeholt. Erst im Rahmen <strong>de</strong>r Klage vor<br />
<strong>de</strong>m Finanzgericht legten die Kläger ein Sachverständigengutachten<br />
vor, welches die medizinische Indikation <strong>de</strong>r Maßnahme belegte. Der<br />
BFH sah in <strong>de</strong>r stark formalisierten Nachweispflicht eine Verletzung<br />
<strong>de</strong>s in § 96 Abs. 1 S. 1 FGO enthaltenen Grundsatzes <strong>de</strong>r freien<br />
Beweiswürdigung. Die Entscheidung, eine vorherige Begutachtung<br />
durchführen zu lassen, obliegt <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen als <strong>de</strong>m Herrn<br />
<strong>de</strong>s finanzgerichtlichen Verfahrens und darf nicht von <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />
Mit dieser Entscheidung kehrte <strong>de</strong>r BFH auch von seiner starren<br />
Haltung ab, die ein entsprechend qualifiziertes Gutachten vor <strong>de</strong>r<br />
Behandlungsmaßnahme für zwingend erfor<strong>de</strong>rlich erachtete (BFH<br />
vom 30.6.1998 (III R 110/93, BFH/NV 1998 S. 1480).<br />
Das o. g. Urteil enthält auch noch einen weiteren interessanten<br />
Hinweis. Denn es hat keinen Einfluss auf die Zwangsläufigkeit von<br />
Krankheitskosten, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige ihm zustehen<strong>de</strong> Möglichkeiten<br />
zu staatlichen Transferleistungen (im Urteilsfall bestand die<br />
Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Einglie<strong>de</strong>rungshilfen durch<br />
das zuständige Jugendamt) nicht beansprucht. Das Argument, dass<br />
keine Zwangsläufigkeit vorliegt, da keine an<strong>de</strong>rweitigen staatlichen<br />
Transferleistungen beansprucht wur<strong>de</strong>n, geht somit ins Leere, da kein<br />
Steuerpflichtiger zur Inanspruchnahme dieser Leistungen gezwungen<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
» 4. Fazit und Ausblick<br />
Die Urteile be<strong>de</strong>uten nicht <strong>de</strong>n Wegfall sämtlicher Nachweispflichten<br />
im Bereich <strong>de</strong>r Krankheitskosten. Vielmehr wur<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r<br />
allgemein tödlich verlaufen<strong>de</strong>n Krankheiten in <strong>de</strong>r letzten Lebensphase<br />
<strong>de</strong>r Ausnahmetatbestand <strong>de</strong>r notstandsähnlichen Zwangslage<br />
geschaffen, die auch die Abziehbarkeit von sog. Außenseitermetho<strong>de</strong>n<br />
in engen Grenzen als außergewöhnliche Belastungen zulässt. Zum<br />
an<strong>de</strong>ren stellt <strong>de</strong>r BFH klar, dass ein formalisierter Nachweis – wie es<br />
beispielsweise die vorherige amtsärztliche Begutachtung darstellt –<br />
nicht mehr erfor<strong>de</strong>rlich ist. Der BFH lässt jedoch in seiner Entscheidung<br />
keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass weiterhin <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />
nachweispflichtig ist und er selbst das Risiko trägt, dass im<br />
Rahmen eines gerichtlich erfor<strong>de</strong>rlichen Sachverständigengutachtens<br />
eine nachträgliche Feststellung <strong>de</strong>r medizinischen Indikation unter<br />
Umstän<strong>de</strong>n nicht o<strong>de</strong>r nicht zweifelsfrei möglich ist und somit eine<br />
steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Berücksichtigung <strong>de</strong>r Krankheitskosten ausschei<strong>de</strong>t.<br />
Daher ist es weiterhin ratsam, ein amtsärztliches Gutachten vor<br />
Behandlungsantritt einzuholen, <strong>de</strong>nn nur dadurch kann ein erhöhtes<br />
Maß an Rechtssicherheit erlangt wer<strong>de</strong>n.<br />
Durch seine Entscheidung vom 11.11.2010 hat <strong>de</strong>r BFH auch für das<br />
Verfahren vor <strong>de</strong>m Finanzgericht eine klare Aussage getroffen. So<br />
hat ein von Klägerseite nachträglich erstelltes Sachverständigengutachten<br />
nur die Wirkung eines Privatgutachtens, ist somit als urkundlich<br />
belegter Parteivortrag zu würdigen und kann daher nicht die<br />
Richtigkeit <strong>de</strong>s klägerischen Vortrags nachweisen. In einem solchen<br />
Fall kann das Finanzgericht im Rahmen seiner Verpflichtung zur<br />
Sachaufklärung gehalten sein, ein entsprechen<strong>de</strong>s Gutachten von<br />
Amts wegen im Klageverfahren anzufor<strong>de</strong>rn, um die medizinische<br />
Indikation beurteilen zu können. Diese Entscheidung <strong>de</strong>s BFH wird<br />
für die Verfahren vor <strong>de</strong>n Finanzgerichten wohl die Häufung von Sachverständigengutachten<br />
nach sich ziehen, beziehungsweise wer<strong>de</strong>n<br />
die Finanzgerichte in künftigen Entscheidungen darüber zu befin<strong>de</strong>n<br />
haben, ob und aus welchen Grün<strong>de</strong>n das vorgelegte Gutachten<br />
<strong>de</strong>r Klägerseite die medizinische Indikation in ausreichen<strong>de</strong>m Maße<br />
begrün<strong>de</strong>t.<br />
Diese neuen Rechtsprechungsgrundsätze zur Erweiterung <strong>de</strong>r Nachweismöglichkeiten<br />
bei Krankheitskosten stellt somit eine begrüßenswerte<br />
Abkehr von einer zu formalistischen Beweisführung dar und<br />
trägt damit <strong>de</strong>r Lebenswirklichkeit Rechnung. Es bleibt zu wünschen,<br />
dass das bisherige formalisierte Nachweisverfahren nicht durch entsprechen<strong>de</strong><br />
Gesetzesän<strong>de</strong>rungen wie<strong>de</strong>r zum Tatbestandsmerkmal<br />
erhoben wird und auch die Finanzverwaltung sich <strong>de</strong>r Auffassung<br />
<strong>de</strong>s BFH anschließen kann.<br />
StB Martin Liepert<br />
ist stellvertreten<strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r zentralen Steuerrechtsabteilung<br />
bei ECOVIS München.<br />
22 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
» StB/WP Martin Schommer, Frankfurt a.M.<br />
Der Fall <strong>de</strong>r Sanierungsklausel:<br />
Auswirkungen und Hintergrün<strong>de</strong><br />
» 1. Die schwierige Historie <strong>de</strong>s Verlustvortrags<br />
Das Instrument <strong>de</strong>s Verlustvortrags ist ein wesentlicher Bestandteil<br />
<strong>de</strong>s Leistungsfähigkeitsprinzips, auf <strong>de</strong>m das <strong>de</strong>utsche Steuerrecht<br />
basiert: Die Steuerlast soll entsprechend <strong>de</strong>r Finanzkraft <strong>de</strong>r Steuerzahler<br />
ausgewogen verteilt sein, also auch gemessen an <strong>de</strong>ren<br />
Gewinnen o<strong>de</strong>r Verlusten. Daher bietet <strong>de</strong>r Verlustvortrag die Option,<br />
Verluste, die in <strong>de</strong>n abgelaufenen Veranlagungszeiträumen angefallen<br />
waren, aber nicht genutzt wer<strong>de</strong>n konnten, auf spätere Wirtschaftsjahre<br />
vorzutragen, um diese dann mit diesen Gewinnen verrechnen<br />
zu können. Den konkreten Rahmen hierzu gibt das Einkommensteuergesetz<br />
§ 10d vor. Problematisch ist diese Möglichkeit allerdings im<br />
Zusammenhang mit Firmenübernahmen beziehungsweise Verkäufen<br />
von Firmenanteilen, da die Erwerber die Verluste <strong>de</strong>s gekauften<br />
Unternehmens auf ihre eigenen Gewinne umlegen und so Steuern<br />
vermei<strong>de</strong>n könnten. Dieser Art von „Mantelkauf“ – benannt nach <strong>de</strong>m<br />
leeren Verlustmantel, in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Käufer seine Gewinne hüllt – wur<strong>de</strong><br />
bereits 1990 in § 8 Abs. 4 <strong>de</strong>s Körperschaftssteuergesetzes ein Riegel<br />
vorgeschoben. Darin legte <strong>de</strong>r Gesetzgeber fest, dass Verlustvorträge<br />
eines Unternehmens untergehen, wenn <strong>de</strong>ssen „wirtschaftliche<br />
I<strong>de</strong>ntität“ verloren geht. Das sei <strong>de</strong>r Fall, sobald die Geschäftsanteile<br />
zu mehr als 50 Prozent übertragen wur<strong>de</strong>n und das Geschäft mit<br />
überwiegend neuem Betriebsvermögen weitergeführt wird.<br />
Allerdings war diese Regelung sehr auslegungsbedürftig und eröffnete<br />
zahlreiche Angriffspunkte für Streitfälle. Nicht abschließend<br />
geklärt war etwa, welcher Umstand für die Betrachtung <strong>de</strong>r Verluste<br />
<strong>de</strong>n zeitlichen Ausschlag geben sollte, die schädliche Anteilsübereignung<br />
o<strong>de</strong>r die schädliche Vermögenszuführung. Des Weiteren<br />
enthielt § 8 Abs. 4 in Satz 3 eine Einschränkung, die sich bereits auf<br />
Sanierungsfälle bezog. Die Übertragung von Vermögen war <strong>de</strong>mgemäß<br />
unschädlich, wenn sie zur Rettung <strong>de</strong>s Unternehmens, das <strong>de</strong>n<br />
zu verrechnen<strong>de</strong>n Verlust verursacht hatte, diente und <strong>de</strong>r Betrieb<br />
über fünf Jahre in gleichem Umfang fortgeführt wur<strong>de</strong>. In diesem<br />
Fall wur<strong>de</strong> auch bei einem Eigentümerwechsel <strong>de</strong>r Verlustvortrag<br />
gewährt.<br />
Steuerrecht FACHBEITRÄGE<br />
Was als gut gemeinte I<strong>de</strong>e zur Überbrückung <strong>de</strong>r Wirtschaftskrise begann, hat jetzt ein En<strong>de</strong> mit Schrecken<br />
gefun<strong>de</strong>n: Die Erweiterung <strong>de</strong>s Abs. 1 in § 8c <strong>de</strong>s KStG gewährte seit 2008 eingeschränkte Möglichkeiten<br />
zum Verlustvortrag trotz <strong>de</strong>s Eigentümerwechsels von Firmenanteilen – allerdings nur unter <strong>de</strong>r Prämisse,<br />
dass das Ziel <strong>de</strong>s Anteilkäufers die Sanierung <strong>de</strong>s Betriebs war. Nun hat die Europäische Kommission am<br />
26.1.2011 erklärt, es handle sich dabei um eine Wettbewerbsverzerrung zulasten gesun<strong>de</strong>r Unternehmen.<br />
Die so genannte Sanierungsklausel laufe <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n Beihilferegeln <strong>de</strong>r EU zuwi<strong>de</strong>r. Für die Nutznießer<br />
dieser Bestimmung be<strong>de</strong>utet die Entscheidung <strong>de</strong>r Kommission voraussichtlich Steuernachfor<strong>de</strong>rungen<br />
auf alle verrechneten Verluste.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Generell sollte § 8 Abs. 4 vorrangig Missbrauch durch Mantelkäufe<br />
verhin<strong>de</strong>rn, wur<strong>de</strong> aber im Rahmen <strong>de</strong>r Unternehmenssteuerreform<br />
2008 durch § 8c ersetzt – laut Gesetzgeber aufgrund seiner Unzulänglichkeiten<br />
in <strong>de</strong>r Auslegung.<br />
» 2. Die Entwicklung von § 8c Abs. 1a KStG<br />
2.1. Der Ursprung: Regelung wi<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Mantelkauf?<br />
Der neue § 8c, <strong>de</strong>r seit <strong>de</strong>m 1.1.2008 gilt, sollte die Handhabung <strong>de</strong>s<br />
Verlustvortrags übersichtlicher und klarer regeln. Statt allerdings die<br />
Grundi<strong>de</strong>e konsequent umzusetzen, bewegte sich die Vorschrift weg<br />
von <strong>de</strong>r reinen Missbrauchsverhin<strong>de</strong>rung und hin zu einer generellen<br />
Beschränkung <strong>de</strong>s Verlustvortrags bei Übertragung von Anteilen. Der<br />
Wortlaut <strong>de</strong>s neuen Paragraphen dreht sich daher nur noch um <strong>de</strong>n<br />
schädlichen Beteiligungserwerb: Wenn innerhalb von fünf Jahren<br />
25 bis 50 Prozent von Kapital, Mitgliedschafts-, Beteiligungs- o<strong>de</strong>r<br />
Stimmrechten einer Körperschaft an einen neuen Eigentümer übertragen<br />
wer<strong>de</strong>n, sind bis dahin nicht ausgeglichene o<strong>de</strong>r abgezogene<br />
negative Einkünfte nur noch entsprechend <strong>de</strong>s nicht vorgenommenen<br />
Anteilswechsels abziehbar. Bei über 50 Prozent Anteilserwerb geht<br />
<strong>de</strong>r Verlustvortrag sogar völlig unter.<br />
Eine Son<strong>de</strong>rlösung zugunsten sanierungsbedürftiger Unternehmen<br />
war bei <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s Paragraphen nicht enthalten. Für die<br />
Investitionsbereitschaft gut situierter Unternehmer in Not lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Betriebe be<strong>de</strong>utete diese Verän<strong>de</strong>rung daher einen herben Einschnitt,<br />
da durch die Investition wirtschaftlich gesehen das Steuerpotenzial<br />
<strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Verlustvorträge verloren ging.<br />
2.2. Die Einschränkung: Klausel zur Sanierung bedrohter<br />
Unternehmen<br />
Als im Herbst 2008 die Finanzkrise ausbrach, wur<strong>de</strong> die Lage für<br />
immer mehr Betriebe in Deutschland zunehmend schwierig. Die Zahl<br />
<strong>de</strong>r Insolvenzen wuchs und drohte noch weiter zu steigen, wenn nicht<br />
neue Anreize für Kapitalgeber und Investoren geschaffen wer<strong>de</strong>n<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 23
FACHBEITRÄGE Steuerrecht<br />
konnten. Die Bun<strong>de</strong>sregierung führte daraufhin im Juli 2009 mit <strong>de</strong>m<br />
§ 8c Abs. 1a KStG eine neue Sanierungsklausel mit Rückwirkung bis<br />
zum 1.1.2008 ein – also für alle Fälle seit Inkrafttreten <strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten<br />
Paragraphen. Inhalt <strong>de</strong>r Erweiterung ist, dass Verlustvorträge bei<br />
Anteilsübernahme erhalten bleiben, wenn diese Anteile zum Zweck<br />
<strong>de</strong>r Sanierung <strong>de</strong>s Unternehmens erworben wur<strong>de</strong>n. Hinzugetretene<br />
Gesellschafter sollten damit für ihre Hilfe belohnt wer<strong>de</strong>n. Konkret<br />
<strong>de</strong>finiert <strong>de</strong>r Gesetzestext „Sanierung“ als Maßnahme, um „Zahlungsunfähigkeit<br />
o<strong>de</strong>r Überschuldung zu verhin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r zu beseitigen<br />
und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.“ Ein<br />
wesentlicher Erfolg <strong>de</strong>r Rettungsmaßnahme wird nicht verlangt. Nicht<br />
als Sanierung zählt dagegen, wenn ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit<br />
bereits eingestellt hat o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Verkauf <strong>de</strong>r Anteile in<br />
einem Zeitraum von fünf Jahren die Branche wechselt.<br />
Um <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Unternehmensstrukturen sicherzustellen,<br />
muss eine von drei Vorgaben erfüllt sein: Entwe<strong>de</strong>r muss<br />
die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer<br />
Arbeitsplatzregelung befolgen, die maßgeben<strong>de</strong>n Löhne <strong>de</strong>r Körperschaft<br />
dürfen in <strong>de</strong>r Summe innerhalb von fünf Jahren 400 Prozent<br />
<strong>de</strong>r Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Körperschaft<br />
muss innerhalb von zwölf Monaten Betriebsvermögen in gesetzlich<br />
vorgeschriebener Min<strong>de</strong>sthöhe überlassen wer<strong>de</strong>n. Letzteres be<strong>de</strong>utet<br />
bei 100 Prozent Anteilserwerb 25 Prozent Zuführung, bei geringeren<br />
Beteiligungen verringert sich entsprechend auch <strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rte<br />
Betrag. Zu<strong>de</strong>m zählt auch <strong>de</strong>r Erlass von Verbindlichkeiten als Zuführung<br />
von Vermögen, soweit diese werthaltig sind.<br />
Da es sich bei <strong>de</strong>r gesamten Sanierungsklausel zunächst um eine<br />
vorübergehen<strong>de</strong> Notfallmaßnahme aufgrund <strong>de</strong>r Wirtschaftskrise<br />
han<strong>de</strong>lte, wur<strong>de</strong> ihre Gültigkeit bis zum 31.12.2009 befristet.<br />
2.3. Die Erweiterung: Konzernklausel, stille Reserven und<br />
Verlängerung <strong>de</strong>r Sanierungsklausel<br />
En<strong>de</strong> 2009 begann sich abzuzeichnen, dass die Folgen <strong>de</strong>r Krise weitreichen<strong>de</strong>r<br />
waren als gedacht. Um die gebeutelte Wirtschaft wie<strong>de</strong>r<br />
anzukurbeln, wur<strong>de</strong> im Rahmen <strong>de</strong>s Wachstumsbeschleunigungsgesetzes<br />
<strong>de</strong>r § 8c KStG nochmals angepasst. Dabei wur<strong>de</strong> zum einen<br />
ein Passus in Abs. 1 integriert, <strong>de</strong>r Anteilsübertragungen in einem<br />
Konzern vom Untergang <strong>de</strong>s Verlustvortrags ab <strong>de</strong>m Wirtschaftsjahr<br />
2010 ausnimmt. Hierin wur<strong>de</strong> festgelegt, dass kein schädlicher Beteiligungserwerb<br />
vorliegt, wenn an übertragen<strong>de</strong>r wie übernehmen<strong>de</strong>r<br />
Partei dieselbe Person zu jeweils 100 Prozent mittelbar o<strong>de</strong>r unmittelbar<br />
beteiligt ist. Somit bleibt <strong>de</strong>r Verlustvortrag etwa bei Umstrukturierungen<br />
innerhalb einer Unternehmensgruppe geschützt.<br />
Zum an<strong>de</strong>ren weichte <strong>de</strong>r Gesetzgeber die Einschränkung auch im<br />
Fall eines schädlichen Beteiligungserwerbs weiter auf: Demnach können<br />
nun alle noch nicht verrechneten negativen Einkünfte, welche<br />
StB/WP Dipl.Bw Martin Schommer<br />
leitet seit 1998 das Wirtschaftsprüfungsunternehmen<br />
Constantin GmbH in Frankfurt am<br />
Main.<br />
die zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Erwerbs vorhan<strong>de</strong>nen steuerpflichtigen stillen<br />
Reserven <strong>de</strong>r Körperschaft im Inland nicht übersteigen, weiterhin<br />
abgezogen wer<strong>de</strong>n. Der nach <strong>de</strong>m ursprünglichen Wortlaut untergehen<strong>de</strong><br />
Verlustvortrag bleibt so zumin<strong>de</strong>st teilweise erhalten.<br />
Beson<strong>de</strong>rs einschnei<strong>de</strong>nd und letztlich fatal war allerdings ein eher<br />
kurzer Passus. Damit wur<strong>de</strong> die festgeschriebene zeitliche Befristung<br />
<strong>de</strong>r Sanierungsklausel in Abs. 1a auf <strong>de</strong>n Zeitraum vom 1.1.2008<br />
bis zum 31.12.2009 aufgehoben. Die Ausnahme von <strong>de</strong>r Einschränkung<br />
<strong>de</strong>s Verlustvortrags bei Beteiligungserwerb erhielt dadurch<br />
unbegrenzte Gültigkeit und rückte in <strong>de</strong>n Blick <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Kommission.<br />
» 3. Vorgehen <strong>de</strong>r Kommission gegen die<br />
Sanierungsklausel<br />
3.1. Die Untersuchung<br />
Bei Einführung <strong>de</strong>r Sanierungsklausel hatte die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
diese nicht durch die Europäische Kommission prüfen lassen. Erst<br />
aus <strong>de</strong>r Presse erfuhr das Gremium von <strong>de</strong>r neuen Regelung. Für<br />
die strengen Wettbewerbshüter war dies sicherlich ein erster Kritikpunkt.<br />
Die unbefristete Verlängerung En<strong>de</strong> 2009 verlangte schließlich<br />
eine Reaktion. In einer Erklärung gab die Kommission daraufhin<br />
am 24.2.2010 bekannt, die Sanierungsklausel näher untersuchen zu<br />
wollen. Hintergrund war die Frage, ob es sich dabei um staatliche<br />
Beihilfe handle. Der Rahmen für <strong>de</strong>rartige Unterstützung wird durch<br />
Art. 107 AEUV sehr eng gesteckt, dadurch soll die Chancengleichheit<br />
<strong>de</strong>r Unternehmen im europäischen Binnenmarkt geschützt wer<strong>de</strong>n:<br />
„Staatliche o<strong>de</strong>r aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher<br />
Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen o<strong>de</strong>r<br />
Produktionszweige <strong>de</strong>n Wettbewerb verfälschen o<strong>de</strong>r zu verfälschen<br />
drohen“, seien mit <strong>de</strong>m Binnenmarkt unvereinbar, „soweit sie <strong>de</strong>n<br />
Han<strong>de</strong>l zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“<br />
Zulässig sind <strong>de</strong>mnach beispielsweise Hilfen nach Naturkatastrophen<br />
o<strong>de</strong>r Mittel für <strong>de</strong>n Aufbau Ost, daneben können je nach Fall<br />
auch Maßnahmen zur Wirtschafts- und Kulturför<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r zur<br />
Entwicklung strukturschwacher Gebiete erlaubt wer<strong>de</strong>n. Über die<br />
Zulässigkeit entschei<strong>de</strong>t die Kommission, bei <strong>de</strong>r nach Art. 108<br />
Abs. 3 AEUV jegliche Beihilfe im Vorfeld angemel<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Auch die Vereinbarkeit von § 8c Abs. 1a KStG mit <strong>de</strong>n EU-Leitlinien<br />
für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Kommission<br />
in Zweifel gezogen. In diesen Leitlinien wird unter an<strong>de</strong>rem<br />
festgeschrieben, dass <strong>de</strong>rartige Hilfen nur in Form von Darlehen<br />
gewährt wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m müssen entsprechen<strong>de</strong> Sanierungspläne<br />
<strong>de</strong>r Kommission vorgelegt wer<strong>de</strong>n.<br />
Da die Verrechnung vergangener Verluste auf künftige Gewinne eine<br />
Steuererleichterung darstellt, <strong>de</strong>r Staat also im Prinzip <strong>de</strong>m Unternehmen<br />
Geld schenkt, kann man die Sanierungsklausel tatsächlich als<br />
eine aus staatlichen Mitteln gewährte Hilfe ansehen. Gleichzeitig sah<br />
die Kommission <strong>de</strong>n Tatbestand <strong>de</strong>r Ungleichbehandlung gegeben.<br />
Kommissions-Vizepräsi<strong>de</strong>nt und Wettbewerbskommissar Joaquín<br />
Almunia erklärte dazu, <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten sei es selbst überlassen,<br />
ob sie die Möglichkeit zum Steuervortrag gewähren, allerdings<br />
nur unter bestimmten Bedingungen: Die Kommission müsse darauf<br />
achten, dass die Vorschriften nicht diskriminierend sind, sofern dies<br />
nicht durch die Natur und Systematik <strong>de</strong>s nationalen Steuersystems<br />
bedingt ist. Die Argumentation <strong>de</strong>r Untersuchungsgruppe zielte <strong>de</strong>mnach<br />
darauf ab, dass durch <strong>de</strong>n erlaubten Verlustvortrag bei Anteilsübertragung<br />
im Fall einer Sanierungsabsicht kränkeln<strong>de</strong> Unternehmen<br />
bevorzugt und gesun<strong>de</strong> benachteiligt wür<strong>de</strong>n.<br />
Kernpunkt ist allerdings die Referenz, an <strong>de</strong>r die Untersuchung festgemacht<br />
wird. Als Bild für die „Natur und Systematik <strong>de</strong>s nationalen<br />
24 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Steuersystems“ wird § 8c Abs. 1 herangezogen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Verlustvortrag<br />
einschränkt. Demgemäß erscheint Abs. 1a als eine Ausnahme. Nicht<br />
beachtet wur<strong>de</strong> dagegen, dass <strong>de</strong>r Verlustvortrag als Werkzeug <strong>de</strong>s<br />
Leistungsfähigkeitsprinzips einen Fixpunkt <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Rechtssystems<br />
darstellt und folglich eher Abs. 1 die Ausnahme und Abs. 1a<br />
die Bestätigung <strong>de</strong>r Regel ist. Daneben kann man zwar von einer<br />
Bevorzugung sanierungsbedürftiger Firmen sprechen, eine <strong>de</strong>rartige<br />
Krise kann aber je<strong>de</strong> Branche treffen, sodass nicht ein bestimmter<br />
Wirtschaftszweig in übermäßiger Weise von <strong>de</strong>r Sanierungsklausel<br />
profitiert. Trotz dieser möglichen Argumente gegen die Vorwürfe <strong>de</strong>r<br />
EU-Kommission entschied sich das Bun<strong>de</strong>sfinanzministerium mit<br />
einem Schreiben vom 30.4.2010 dafür, die Anwendung <strong>de</strong>r Sanierungsklausel<br />
auszusetzen. Entsprechen<strong>de</strong> Verlustvorträge sollten<br />
nicht mehr gewährt wer<strong>de</strong>n, bereits erteilte, eigentlich verbindliche<br />
Auskünfte waren nichtig. Damit wur<strong>de</strong> ein gelten<strong>de</strong>s Gesetz auf Druck<br />
<strong>de</strong>r EU auf unbestimmte Zeit aufgehoben. Für die betroffenen Steuerzahler<br />
barg dieses Vorgehen eine enorme Rechtsunsicherheit.<br />
3.2. Das Urteil <strong>de</strong>r Kommission<br />
Fast ein Jahr nach Untersuchungsbeginn erklärte die Europäische<br />
Kommission in Brüssel am 26.1.2011 die Sanierungsklausel für<br />
unvereinbar mit <strong>de</strong>n EU-Beihilferegeln. Nach Prüfung <strong>de</strong>r Bestimmungen<br />
<strong>de</strong>s vorübergehen<strong>de</strong>n Gemeinschaftsrahmens für staatliche<br />
Beihilfen, <strong>de</strong>r Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und<br />
Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, <strong>de</strong>r Leitlinien<br />
für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrahmens<br />
für Umweltschutzbeihilfen und <strong>de</strong>s Art. 107 AEUV<br />
sei man zu <strong>de</strong>m Schluss gekommen, dass die Klausel keiner dieser<br />
Regelungen entspräche. Die Argumentation folgt im Wesentlichen<br />
<strong>de</strong>n ursprünglichen Vorwürfen. „Die Sanierungsklausel ist gleichbe<strong>de</strong>utend<br />
mit einer finanziellen Unterstützung von Unternehmen<br />
in Schwierigkeiten, da <strong>de</strong>r Staat auf Steuereinnahmen verzichtet“, so<br />
Kommissions-Vizepräsi<strong>de</strong>nt Almunia zur Begründung.<br />
Der Mechanismus <strong>de</strong>s Verlustvortrags wur<strong>de</strong> dabei nicht kritisiert,<br />
wohl aber die diskriminieren<strong>de</strong> Anwendung. Deutschland und an<strong>de</strong>re<br />
Län<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong>n die Verrechnung vergangener Verluste bei Anteils<br />
übertragung gezielt verhin<strong>de</strong>rn, um Mantelkäufe zu unterbin<strong>de</strong>n<br />
– und die Sanierungsklausel weiche von diesem Prinzip ab. Hier<br />
rächt sich die Einschränkung <strong>de</strong>s Leistungsfähigkeitsprinzips durch<br />
§ 8c Abs. 1, die bereits beim Erlass <strong>de</strong>s Paragraphen im Jahr 2008<br />
bemängelt wor<strong>de</strong>n war. Zwar wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />
durch die Konzernklausel diese Einschränkung entschärft,<br />
die Maßnahme erschien <strong>de</strong>n Wettbewerbshütern aber wohl<br />
als nicht relevant. Der daran angelehnte Diskriminierungsvorwurf<br />
wur<strong>de</strong> noch präzisiert: Auch an<strong>de</strong>re Unternehmen hätten in <strong>de</strong>r Krise<br />
unter Verlusten zu lei<strong>de</strong>n, wirtschaftlich schlecht gestellte Firmen<br />
wür<strong>de</strong>n jedoch durch die Sanierungsklausel bevorzugt.<br />
In <strong>de</strong>r Konsequenz wies die Kommission die Bun<strong>de</strong>srepublik an, ihr<br />
innerhalb von zwei Monaten eine Liste <strong>de</strong>r Begünstigten zu übermitteln<br />
und sie über <strong>de</strong>n Gesamtbetrag an Beihilferückfor<strong>de</strong>rungen zu<br />
informieren. Das wür<strong>de</strong> be<strong>de</strong>uten, dass alle Nutznießer <strong>de</strong>r Sanierungsklausel<br />
ab <strong>de</strong>m 1.1.2008 jegliche Steuererleichterungen durch<br />
<strong>de</strong>n Verlustvortrag nachzahlen müssten. Die Regierung hat allerdings<br />
noch die Option, die Entscheidung <strong>de</strong>r Kommission durch <strong>de</strong>n<br />
Gerichtshof <strong>de</strong>r Europäischen Union prüfen zu lassen. Ein ähnlicher<br />
Versuch Frankreichs war jedoch 2003 gescheitert. Derzeit wartet das<br />
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Bun<strong>de</strong>sfinanzministerium noch auf die ausführliche Begründung <strong>de</strong>r<br />
Entscheidung aus Brüssel.<br />
» 4. Mögliche Konsequenzen aus <strong>de</strong>r<br />
Abschaffung <strong>de</strong>r Sanierungsklausel<br />
4.1. Konkrete wirtschaftliche Schä<strong>de</strong>n<br />
Nach Schätzungen kostete die Sanierungsklausel <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staat<br />
jährlich bis zu 900 Millionen Euro Steuern – mit Ausnahme von 2010,<br />
als die Anträge wegen <strong>de</strong>r Aussetzung von § 8c Abs. 1a während<br />
<strong>de</strong>r Untersuchung abnahmen. Für die betroffenen Unternehmen<br />
dürften die zu erwarten<strong>de</strong>n Nachfor<strong>de</strong>rungen teils existenzbedrohend<br />
sein. Zu<strong>de</strong>m ist mit mehr Insolvenzen zu rechnen. Da ohne die<br />
Sanierungsklausel ein erheblicher Investitionsanreiz entfällt, wird es<br />
Not lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Firmen künftig erschwert, Unterstützung zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Schließlich geht durch einen Anteilserwerb selbst <strong>de</strong>r steuerliche Wert<br />
ihrer Verluste verloren. Darüber hinaus nimmt auch <strong>de</strong>r Ruf <strong>de</strong>s Wirtschaftsstandorts<br />
Deutschland bei Investoren Scha<strong>de</strong>n, da nun Zweifel<br />
an <strong>de</strong>r Verlässlichkeit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Steuersystems aufkommen.<br />
4.2. Auswirkungen auf die Steuergesetzgebung in Europa<br />
Die Untersuchung und anschließen<strong>de</strong> Entscheidung <strong>de</strong>r Europäischen<br />
Kommission hat aber auch die Steuersicherheit allgemein ins Wanken<br />
gebracht. Dieser massive Eingriff in ein nationales Steuergesetz<br />
lässt für die Zukunft ein häufigeres und strengeres Eingreifen<br />
erahnen. Abzuwarten bleibt, wie genau die Kommission letztendlich<br />
argumentieren wird. Die vorläufige Begründung klingt recht harsch,<br />
wenn es etwa heißt: „Die Argumentation <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Behör<strong>de</strong>n,<br />
wonach die Sanierungsklausel eine reine technische Bestimmung<br />
im <strong>de</strong>utschen Steuersystem sei und <strong>de</strong>mnach nicht als staatliche<br />
Beihilfe anzusehen wäre, überzeugte die Kommission nicht.“ Wer<br />
Beihilfe brauche, müsse dies bei <strong>de</strong>r Kommission anmel<strong>de</strong>n, die<br />
dann untersucht, ob die Firma überhaupt überlebensfähig ist und<br />
wie sich die Wettbewerbsverzerrung in Grenzen halten lässt. Damit<br />
steht zu befürchten, dass auch an<strong>de</strong>re nationale Eigenheiten, wie die<br />
Billigkeitsregelung zur Schul<strong>de</strong>nkürzung in Sanierungsfällen, in <strong>de</strong>n<br />
Blick <strong>de</strong>r Kommission geraten. Die Unterstützung für Unternehmen<br />
in wirtschaftlichen Notlagen wird <strong>de</strong>mnach künftig noch stärker von<br />
<strong>de</strong>r EU abhängig sein.<br />
» 5. Fazit<br />
Das <strong>de</strong>saströse Scheitern <strong>de</strong>r Sanierungsklausel zeigt vor allem die<br />
Problematik <strong>de</strong>r „spontanen Gesetzgebung“ im <strong>de</strong>utschen Steuerrecht<br />
auf. Anpassungen aufgrund aktueller Bedürfnisse wer<strong>de</strong>n nicht zu<br />
En<strong>de</strong> gedacht, Auswirkungen auf die Gesamtstruktur <strong>de</strong>s Steuersys<br />
tems nicht beachtet. Das zeichnete sich bereits beim alten § 8 Abs. 4<br />
KStG ab, <strong>de</strong>r letztlich zu komplex und unscharf war, um ihn effektiv<br />
anwen<strong>de</strong>n zu können. Und <strong>de</strong>r Fehler wie<strong>de</strong>rholte sich im § 8c<br />
Abs. 1, <strong>de</strong>r durch wie<strong>de</strong>rholte Anpassungen – erst Sanierungs-, dann<br />
Konzernklausel – aufgeweicht und inkonsequent wur<strong>de</strong>. Erst durch<br />
<strong>de</strong>n Bruch in <strong>de</strong>r steuerlichen Logik von Leistungsfähigkeitsprinzip<br />
und Verlustvortrag ergab sich überhaupt ein Angriffspunkt für die<br />
Europäische Kommission. In <strong>de</strong>r Folge kann auch die Konzernklausel<br />
infrage gestellt wer<strong>de</strong>n, die immerhin erst ab 2010 Gültigkeit hat,<br />
aber Teil eines Gesetzes ist, das seit 2008 in Kraft ist. Kritik daran<br />
ist zu erwarten – und damit <strong>de</strong>r nächste Schlag gegen das bereits<br />
schwanken<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche Steuergebäu<strong>de</strong>.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 25
FACHBEITRÄGE Steuerrecht<br />
» RA Johannes Höring, Trier<br />
Auskunftsanspruch über Besteuerung eines<br />
Konkurrenten<br />
Zum Urteil <strong>de</strong>s FG Münster vom 7.12.2010, 15 K 3614/07 U<br />
Der 15. Senat <strong>de</strong>s FG Münster hat einem Unternehmen, das in Konkurrenz zu einem gemeinnützigen<br />
Verein steht, zuerkannt, Auskunft beim Finanzamt darüber zu verlangen, mit welchem Umsatzsteuersatz<br />
<strong>de</strong>r Verein seine Umsätze versteuert (Urteil vom 7.12.2010, Az. 15 K 3614/07 U). Das Steuergeheimnis stehe<br />
einem solchen Anspruch nicht entgegen, sofern – wie im Streitfall – Wettbewerbsnachteile durch eine zu<br />
vermuten<strong>de</strong> unzutreffen<strong>de</strong> Besteuerung (hier ermäßigter Steuersatz) <strong>de</strong>s Konkurrenten drohten und durch<br />
die Auskunft eine nicht aussichtslose Konkurrentenklage vorbereitet wer<strong>de</strong>n könnte.<br />
» 1. Hintergrund<br />
Grundlage für einen geltend gemachten Auskunftsanspruch ist nicht<br />
die AO, weil diese einen diesbezüglichen Anspruch nicht regelt, son<strong>de</strong>rn<br />
das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit <strong>de</strong>m Grundrecht auf<br />
Berufsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BFH, Urteil vom 5.12.2006,<br />
VII R 24/03, BStBl II 2007, 243). Danach hat ein Steuerpflichtiger<br />
einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>r Besteuerung <strong>de</strong>s Konkurrenten, wenn er substanziiert und<br />
glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermuten<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nicht mit hinreichen<strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit<br />
auszuschließen<strong>de</strong> unzutreffen<strong>de</strong> Besteuerung eines Konkurrenten<br />
konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile<br />
zu erlei<strong>de</strong>n und gegen die Steuerbehör<strong>de</strong> mit Aussicht auf Erfolg ein<br />
subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend<br />
machen zu können. Besteht ein Anspruch auf Auskunftserteilung,<br />
muss <strong>de</strong>r Anspruch <strong>de</strong>s Konkurrenten auf Wahrung seines Steuergeheimnisses<br />
zurücktreten.<br />
» 2. Der Streitfall<br />
2.1. Sachverhalt<br />
Im Streitfall vor <strong>de</strong>m FG Münster hatte die Klägerin, die gewerbsmäßig<br />
Blutkonserven, Blutproben und Organe transportiert, Anlass<br />
zu <strong>de</strong>r Annahme, dass <strong>de</strong>r als gemeinnützig anerkannte Verein, <strong>de</strong>r<br />
Vergleichbares tut, seine Transportleistungen lediglich mit <strong>de</strong>m<br />
ermäßigten Umsatzsteuersatz abrechnet und versteuert. Darin sah<br />
die Klägerin eine Wettbewerbsverzerrung. Zur Vorbereitung einer<br />
Konkurrentenklage wegen dieser nach ihrer Ansicht unzutreffen<strong>de</strong>n<br />
Besteuerung <strong>de</strong>s Vereins verlangte die Klägerin vom Finanzamt Auskunft<br />
darüber, wie die Transportumsätze <strong>de</strong>s Vereins in <strong>de</strong>n Streitjahren<br />
2004 und 2005 besteuert wor<strong>de</strong>n waren.<br />
Das Finanzamt lehnte eine Auskunft unter Verweis auf das Steuergeheimnis<br />
ab. Eine Offenbarung <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>s<br />
Konkurrenten <strong>de</strong>r Klägerin sei nur zulässig, wenn es sich um ein<br />
Verfahren in Steuersachen handle. Die von <strong>de</strong>r Klägerin angekündigte<br />
Konkurrentenklage stelle selbst dann nicht ein solches Verfahren dar,<br />
wenn im Rahmen <strong>de</strong>r Konkurrentenklage die umsatzsteuerrechtliche<br />
Behandlung <strong>de</strong>r Umsätze <strong>de</strong>s Konkurrenten durch das FA entscheidungsrelevant<br />
sein sollte.<br />
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.<br />
2.2. Auskunftsanspruch besteht bei voraussichtlich erfolgreicher<br />
Konkurrentenklage<br />
Nach Ansicht <strong>de</strong>r Richter habe ein Steuerpflichtiger einen Auskunftsanspruch<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Besteuerung <strong>de</strong>s Konkurrenten, wenn er<br />
substanziiert und glaubhaft zweierlei darlege:<br />
Zum einen, dass er durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermuten<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nicht mit hinreichen<strong>de</strong>r Sicherheit auszuschließen<strong>de</strong><br />
unzutreffen<strong>de</strong> Besteuerung eines Konkurrenten<br />
konkret belegbare Wettbewerbsnachteile erlei<strong>de</strong>t.<br />
Zum an<strong>de</strong>ren, dass er gegen die Steuerbehör<strong>de</strong> mit Aussicht auf<br />
Erfolg eine Konkurrentenklage erheben kann. Das Steuergeheimnis<br />
stehe diesem Anspruch nicht entgegen.<br />
RA Johannes Höring<br />
ist im Bereich <strong>de</strong>s Internationalen Steuerrechts, <strong>de</strong>s Bank- und Kapitalmarktrechts<br />
sowie <strong>de</strong>s Investment(steuer-)rechts tätig. Als aktives<br />
Mitglied diverser Verbän<strong>de</strong> und Interessensvereinigun gen verfolgt er<br />
intensiv nationale und internationale Än<strong>de</strong>rungen und ist zu<strong>de</strong>m als<br />
(Buch-)Autor aktiv.<br />
26 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
2.3. Klägerin hat möglicherweise Wettbewerbsnachteile durch<br />
günstigere Besteuerung <strong>de</strong>s Konkurrenten erlitten<br />
Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. Es liege nahe, dass<br />
die Transportleistungen <strong>de</strong>s Vereins möglicherweise unzutreffend mit<br />
<strong>de</strong>m ermäßigten Steuersatz besteuert wür<strong>de</strong>n. Es könne je<strong>de</strong>nfalls<br />
nicht ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Verein seine Transportleis<br />
tungen nicht im Rahmen eines begünstigten Zweckbetriebs (§ 65 AO,<br />
§ 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG) erbracht habe, da zwischen <strong>de</strong>m Verein und<br />
<strong>de</strong>r Klägerin eine steuerschädliche Konkurrenzsituation bestan<strong>de</strong>n<br />
habe. Es sei auch nachvollziehbar, dass die Klägerin durch eine Besteuerung<br />
<strong>de</strong>s Vereins mit <strong>de</strong>m ermäßigten Steuersatz Wettbewerbsnachteile<br />
erlei<strong>de</strong>. Nutzer <strong>de</strong>r Transportleistungen seien im Wesentlichen<br />
nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Einrichtungen.<br />
Auskunftsanspruchs eines Steuerpflichtigen gegenüber <strong>de</strong>n Steuerbehör<strong>de</strong>n<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Besteuerung eines Konkurrenten<br />
FG Münster, Urteil vom 7.12.2010, 15 K 3614/07 U (<strong>Haufe</strong>In<strong>de</strong>x 2599999)<br />
Leitsatz (Sonst)<br />
Ein Steuerpflichtiger hat einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch<br />
gegenüber <strong>de</strong>r Steuerbehör<strong>de</strong> hinsichtlich <strong>de</strong>r Besteuerung<br />
eines Konkurrenten, wenn er substanziiert darlegt, durch eine aufgrund<br />
von Tatsachen zu vermuten<strong>de</strong> unzutreffen<strong>de</strong> Besteuerung eines Konkurrenten<br />
konkret feststellbare Wettbewerbsnachteile zu erlei<strong>de</strong>n und<br />
gegen die Steuerbehör<strong>de</strong> mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches<br />
Recht auf Drittschutz geltend machen zu können.<br />
Tatbestand<br />
Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, <strong>de</strong>r Klägerin<br />
(Klin.) als Konkurrentin <strong>de</strong>s beigela<strong>de</strong>nen X Regionalverband C e.V.<br />
(X) Auskunft darüber zu erteilen, mit welchem Steuersatz (Regelsteuersatz<br />
o<strong>de</strong>r ermäßigtem Steuersatz) es die vom X mit <strong>de</strong>m Transport<br />
von Blutkonserven, von Blutproben, von Organen und <strong>de</strong>r Beför<strong>de</strong>rung<br />
von Ärzteteams in 2004 und 2005 erzielten Umsätze umsatzbesteuert<br />
hat. […]<br />
Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n: […]<br />
Die Klage ist zulässig und begrün<strong>de</strong>t.[…]<br />
Grundlage für <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Klin. geltend gemachten Auskunftsanspruch<br />
ist nicht die AO, weil diese einen diesbezüglichen Anspruch nicht regelt,<br />
son<strong>de</strong>rn das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit <strong>de</strong>m Grundrecht<br />
auf Berufsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 12 Abs. 1 GG (BFH, Urteil vom 5.12.2006, VII<br />
R 24/03, a. a. O.). Danach hat ein Steuerpflichtiger einen verfassungsunmittelbaren<br />
Auskunftsanspruch hinsichtlich <strong>de</strong>r Besteuerung <strong>de</strong>s<br />
Konkurrenten, wenn er substanziiert und glaubhaft darlegt, durch eine<br />
aufgrund von Tatsachen zu vermuten<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nicht mit hinreichen<strong>de</strong>r<br />
Wahrscheinlichkeit auszuschließen<strong>de</strong> unzutreffen<strong>de</strong><br />
Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen<br />
belegte Wettbewerbsnachteile zu erlei<strong>de</strong>n und gegen die Steuerbehör<strong>de</strong><br />
mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht<br />
auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können. Dann darf die<br />
Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n, wenn die Konkurrentenklage nicht offensicht-<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
2.4. Verletzte Norm ist drittschützend<br />
In <strong>de</strong>r Regel wür<strong>de</strong>n die Rechte eines Steuerpflichtigen nicht dadurch<br />
verletzt, dass ein an<strong>de</strong>rer Steuerpflichtiger zu niedrig besteuert wird.<br />
Dies gelte jedoch nicht, wenn mit <strong>de</strong>r zu niedrigen Besteuerung gegen<br />
eine Norm verstoßen wür<strong>de</strong>, die Dritte schützen soll. Die im Streitfall<br />
möglicherweise einschlägige Regelung <strong>de</strong>s § 65 Nr. 3 Abgabenordnung<br />
(AO) solle steuerlich nicht begünstigte Betriebe – wie die Klägerin<br />
– davor schützen, dass wegen ihrer Zweckbestimmung grundsätzlich<br />
steuerbegünstigte Mitbewerber auch bezüglich <strong>de</strong>r Umsätze<br />
steuerlich begünstigt wür<strong>de</strong>n, die gera<strong>de</strong> nicht <strong>de</strong>r steuerbegünstigten<br />
Zweckbestimmung dienten.<br />
Das Gericht hat die Revision zum Bun<strong>de</strong>sfinanzhof zugelassen.<br />
lich unzulässig wäre. Die Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung<br />
voraus, dass <strong>de</strong>m die Auskunft begehren<strong>de</strong>n Antragsteller die von<br />
ihm behaupteten Rechte tatsächlich zustehen, die er auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
<strong>de</strong>r ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte. Diese Frage ist erst<br />
im nachfolgen<strong>de</strong>n Verfahren zu klären. § 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2<br />
Nr. 1 a AO verlangt lediglich, dass die Auskunft <strong>de</strong>r Durchführung eines<br />
solchen Verfahrens „dient”, also geeignet ist, in einem solchen nachfolgen<strong>de</strong>n<br />
Verfahren im Rahmen einer rechtlichen Argumentation mit<br />
Aussicht auf Erfolg verwen<strong>de</strong>t zu wer<strong>de</strong>n. Das ist allerdings nicht <strong>de</strong>r<br />
Fall, wenn feststeht, dass die behaupteten Rechte <strong>de</strong>m Antragsteller<br />
unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen können, d. h. wenn<br />
das angestrebte Konkurrentenschutzverfahren von vorneherein keine<br />
Aussicht auf Erfolg verspricht (BFH, Urteil vom 5.6.2006, VII R 24/03,<br />
a. a. O.). Besteht ein Anspruch auf Auskunftserteilung, muss <strong>de</strong>r<br />
Anspruch <strong>de</strong>s Konkurrenten auf Wahrung seines Steuergeheimnisses<br />
zurücktreten. Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, ob einem Auskunftsbegehren<br />
zu entsprechen ist, hat gemäß <strong>de</strong>m Anwendungserlass zur AO<br />
(BMF, Schreiben vom 2.1.2008, BStBl I 2008, 26, geän<strong>de</strong>rt durch BMF,<br />
Schreiben vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 9, § 30 AO Tz. 4.7.) auch die<br />
Finanzverwaltung diese Grundsätze anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
[…] Das <strong>de</strong>m verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehen<strong>de</strong>,<br />
ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung <strong>de</strong>s Konkurrenten beschränkt <strong>de</strong>n<br />
Anspruch auf Auskunft auf die Informationen, die für die Durchführung<br />
<strong>de</strong>s Steuerverfahrens <strong>de</strong>r Konkurrentenklage notwendig sind (Tipke-<br />
Kruse, Kommentar zur FGO, § 40 Rn. 86; BMF, Schreiben vom 22.12.2009,<br />
a. a. O., § 30 AO Tz. 4.7.). Für <strong>de</strong>n Streitfall folgt daraus, dass die Klin.<br />
zur Durchsetzung ihrer Rechte im Rahmen einer eventuell nachfolgen<strong>de</strong>n<br />
Konkurrentenklage (nur) wissen muss, ob das FA die von X in<br />
2004 und 2005 erzielten streitigen Umsätze mit <strong>de</strong>m Regelsteuersatz<br />
o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m ermäßigten Steuersatz umsatzbesteuert hat, um gegen<br />
die nach ihrer Meinung unzutreffen<strong>de</strong> Besteuerung <strong>de</strong>s X vorgehen zu<br />
können.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 27
FACHBEITRÄGE Sozialrecht<br />
» Horst Marburger, Geislingen<br />
Beschäftigung von Teilnehmern an dualen<br />
Studiengängen<br />
Die Beschäftigung von Stu<strong>de</strong>nten bzw. Praktikanten gewinnt in <strong>de</strong>r Praxis immer mehr an Be<strong>de</strong>utung. Dies<br />
schon <strong>de</strong>shalb, weil die Studienordnungen immer häufiger Praktikas in Betrieben vorsehen. Beson<strong>de</strong>rs<br />
sind hier die sog. dualen Studiengänge zu erwähnen. Das Bun<strong>de</strong>ssozialgericht (BSG) hat in diesem Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>m Urteil vom 01.12.2009 (Az.: B 12 R 4/08 R) eine sehr wichtige Entscheidung getroffen.<br />
Diese Entscheidung führte bei <strong>de</strong>n Spitzenverbän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Sozialversicherungsträger zu einem Um<strong>de</strong>nken.<br />
Sie haben sich <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s BSG angeschlossen und sind damit von ihrer früher vertretenen<br />
Auffassung vollständig abgewichen.<br />
» 1. Was ist ein duales Studium?<br />
Das duale Studium verbin<strong>de</strong>t die betriebliche Aus- und Weiterbildung<br />
o<strong>de</strong>r bisherige Berufstätigkeit mit einem theoretischen Hochschulstudium.<br />
An<strong>de</strong>rs als herkömmliche Studiengänge beinhalten duale Studiengänge<br />
neben <strong>de</strong>n theoretischen Lernphasen regelmäßig einen hohen<br />
Anteil an Lernphasen in betrieblicher Praxis. Die Größe <strong>de</strong>s Anteils<br />
an Lernphasen in betrieblicher Praxis variiert abhängig von Studiengang<br />
und Hochschule.<br />
Betriebliche Praxis und Studium sind sowohl organisatorisch als auch<br />
auf die Lernprozesse bezogen miteinan<strong>de</strong>r verzahnt. Dabei kann die<br />
Verbindung von betrieblicher Praxis und Studium auch in einer neben<br />
<strong>de</strong>m Studium fortbestehen<strong>de</strong>n Beschäftigung gegeben sein.<br />
Zwischen <strong>de</strong>m Studieren<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Kooperationsbetrieb besteht<br />
eine vertragliche Bindung. Dies geschieht häufig in Form eines<br />
Ausbildungs-,<br />
Praktikanten- o<strong>de</strong>r<br />
Arbeitsvertrages.<br />
Die Spitzenverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sozialversicherungsträger haben darauf<br />
hingewiesen, dass sich Teilnehmer an dualen Studiengängen ihrem<br />
Erscheinungsbild nach nicht klar und ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>m Typus eines<br />
Beschäftigten o<strong>de</strong>r eines Stu<strong>de</strong>nten zuordnen. Entschei<strong>de</strong>nd ist hier,<br />
ob ein prägen<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r enger innerer Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>m<br />
Studium und <strong>de</strong>r Tätigkeit beim Arbeitgeber/Kooperationsbetrieb<br />
besteht und ob die praktische Ausbildung im wesentlichen betrieblich<br />
o<strong>de</strong>r nichtbetrieblich gelenkt und geregelt wird.<br />
Han<strong>de</strong>lt es sich um eine betriebliche Tätigkeit, muss <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
eine Anmeldung als Arbeitnehmer bei <strong>de</strong>r Einzugsstelle für <strong>de</strong>n<br />
Gesamtsozialversicherungsbeitrag vornehmen. Ist <strong>de</strong>r Betroffene<br />
seinem Erscheinungsbild nach einem Stu<strong>de</strong>nten zuzurechnen, entfällt<br />
eine solche Anmeldung. In je<strong>de</strong>m Falle muss <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
maßgeben<strong>de</strong> Unterlagen (wie eine Kopie <strong>de</strong>s Kooperationsvertrages,<br />
gegebenenfalls <strong>de</strong>r Studienordnung und <strong>de</strong>r Immatrikulationsbescheinigung)<br />
zu <strong>de</strong>n Entgeltunterlagen nehmen. Die Spitzenverbän<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Sozialversicherungsträger haben über die Auswirkungen <strong>de</strong>r<br />
höchstrichterlichen Entscheidung auf die versicherungsrechtliche<br />
Beurteilung von Teilnehmern an dualen Studiengängen beraten. Die<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>r Beratungen haben sie in einer gemeinsamen Verlautbarung<br />
zusammengefasst, die vom 5.7.2010 datiert. Das Rundschreiben<br />
ist beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>shalb von großem Interesse, weil es nach <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nen Typen von dualen Studiengängen differenziert:<br />
ausbildungsintegrierte duale Studiengänge<br />
berufsintegrierte und berufsbegleiten<strong>de</strong> duale Studiengänge<br />
praxisintegrierte duale Studiengänge<br />
praxisintegrierte duale Studiengänge in <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Verwaltung.<br />
Zu erwähnen ist aber auch die Praktika im Rahmen <strong>de</strong>r klassischen<br />
Hochschulausbildung.<br />
» 2. Ausbildungsintegrierte duale Studiengänge<br />
Diese Studiengänge sind auf die „berufliche Erstausbildung“ gerichtet.<br />
Sie verbin<strong>de</strong>n das Studium mit einer betrieblichen Ausbildung<br />
in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Dabei wer<strong>de</strong>n die Studienphasen<br />
und die Berufsausbildung sowohl zeitlich als auch inhaltlich<br />
miteinan<strong>de</strong>r verzahnt.<br />
In <strong>de</strong>r Regel wird also neben <strong>de</strong>m Studienabschluss mit <strong>de</strong>m Abschluss<br />
eines Ausbildungsberufs noch ein zweiter anerkannter Abschluss<br />
erworben. Die be<strong>de</strong>utet: Bei einem ausbildungsintegrierten dualen<br />
Studiengang ist regelmäßig auch ein abgeschlossener Ausbildungsvertrag<br />
mit einem Betrieb Voraussetzungen.<br />
Derartige Studiengänge wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel an Fachhochschulen<br />
und Berufsschulen in privater Trägerschaft angeboten. Nach Auffassung<br />
<strong>de</strong>r Spitzenverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sozialversicherungsträger sind Teilnehmer<br />
an ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen als zur<br />
Berufsausbildung Beschäftigte anzusehen. Dem steht auch nicht<br />
entgegen, dass die Berufsausbildung integrierter Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
Studiums ist.<br />
28 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
En<strong>de</strong>t die Berufsausbildung zeitlich vor <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Studiums ist<br />
davon auszugehen, dass das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis<br />
fortbesteht. Das gilt aber nur, wenn und solange auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
vertraglicher Abre<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>m Studienteilnehmer und <strong>de</strong>m<br />
Betrieb ein Entgelt (weiter) gezahlt wird.<br />
Besteht kein Anspruch auf Entgelt, schei<strong>de</strong>t Versicherungspflicht als<br />
Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r aus. Hier kann Versicherungspflicht in <strong>de</strong>r Krankenund<br />
Pflegeversicherung <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten bestehen. Für <strong>de</strong>n Arbeitgeber<br />
ist das aber nicht von Be<strong>de</strong>utung.<br />
» 3. Berufsintegrierte und berufsbegleiten<strong>de</strong><br />
duale Studiengänge<br />
Hier führt ein Arbeitnehmer eine beruflich weiterführen<strong>de</strong> (berufsintegrierte<br />
bzw. berufsbegleiten<strong>de</strong>), mit <strong>de</strong>r Beschäftigung in einem<br />
prägen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r engen inneren Zusammenhang stehen<strong>de</strong> Ausbildung<br />
o<strong>de</strong>r ein solches Studium durch. Hier besteht ein versicherungspflichtiges<br />
entgeltliches Beschäftigungsverhältnis fort.<br />
Dabei ist ein prägen<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r enger innerer Zusammenhang zwischen<br />
<strong>de</strong>r bisherigen Beschäftigung und <strong>de</strong>r Ausbildung bzw. <strong>de</strong>m<br />
Studium gegeben, wenn<br />
das Arbeitsverhältnis vom Umfang her <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen <strong>de</strong>r<br />
Ausbildung bzw. <strong>de</strong>s Studiums angepasst wird und <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
während <strong>de</strong>r Ausbildungs- bzw. Studienzeiten vom<br />
Arbeitgeber von <strong>de</strong>r Arbeitsleistung freigestellt ist,<br />
die Beschäftigung im erlernten Beruf (nicht berufsfremd) während<br />
<strong>de</strong>r vorlesungsfreien Zeit grundsätzlich als Vollzeitbeschäftigung<br />
ausgeübt wird und<br />
während <strong>de</strong>r Ausbildung bzw. <strong>de</strong>s Studiums weiterhin Arbeitsentgelt,<br />
ggf. gekürzt o<strong>de</strong>r in Form einer Ausbildungs o<strong>de</strong>r Studienför<strong>de</strong>rung,<br />
(fort-) gezahlt wird. Dabei wird die Arbeitsentgelteigenschaft<br />
durch eine Zahlungsklausel nicht berührt. Durch eine<br />
solche Klausel wird eine Erstattung <strong>de</strong>r Ausbildungs- o<strong>de</strong>r Studienför<strong>de</strong>rung<br />
bei Ausschei<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Arbeitsverhältnis innerhalb<br />
bestimmter zeitlicher Grenzen nach <strong>de</strong>m Studiumen<strong>de</strong><br />
vorgesehen<br />
» 4. Praxisintegrierte duale Studiengänge<br />
Diese Studiengänge weisen einen Anteil berufspraktischer Phasen<br />
aus. Im Unterschied zu klassischen Studiengängen (mit Praxisbezug)<br />
wird das Studium in diesen Studiengängen mit einer Tätigkeit<br />
in Betrieben stark verbun<strong>de</strong>n. Das geschieht in <strong>de</strong>r Weise, dass die<br />
Praxis inhaltlich und zeitlich mit <strong>de</strong>r theoretischen Ausbildung verknüpft<br />
ist.<br />
Diese Personen sind we<strong>de</strong>r als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte noch<br />
als zur Berufsausbildung Beschäftigte anzusehen. Das gilt auch nicht<br />
in <strong>de</strong>n berufspraktischen Phasen.<br />
Die während <strong>de</strong>r Praktikumszeiten im Kooperationsbetrieb ausgeübten<br />
Tätigkeiten vollziehen sich nicht im Rahmen betrieblicher<br />
Berufausbildung. Sie stellen auch keine Berufsausbildung dar. Daran<br />
än<strong>de</strong>rt auch <strong>de</strong>r Umstand nichts, dass zwei eigenständige Verträge<br />
(z.B. Studienvertrag und Praktikantenvertrag) vorliegen. Unerheblich<br />
ist auch, ob <strong>de</strong>r Einstieg ins Studium entwe<strong>de</strong>r direkt über die<br />
Hochschule bzw. Berufsaka<strong>de</strong>mie o<strong>de</strong>r durch Bewerbung bei einem<br />
Unternehmen erfolgt.<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich hier um <strong>de</strong>n Fall, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m oben erwähnten Urteil <strong>de</strong>s<br />
BSG vom 1.12.2009 zugrun<strong>de</strong> lag.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
» 5. Praxisintegrierte duale Studiengänge in <strong>de</strong>r<br />
öffentlichen Verwaltung<br />
Solche Studiengänge an <strong>de</strong>n Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung<br />
dienen <strong>de</strong>r Ausbildung <strong>de</strong>r Anwärter für die Laufbahn <strong>de</strong>s<br />
gehobenen Dienstes in <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung. Die Ausbildung<br />
fin<strong>de</strong>t zum einen in fachtheoretischer Form an <strong>de</strong>n Fachhochschulen<br />
für öffentliche Verwaltung statt. Zum an<strong>de</strong>ren wird sie in fachpraktischen<br />
Abschnitten bei <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Behör<strong>de</strong>n, Körperschaften,<br />
Stiftungen o<strong>de</strong>r Anstalten <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts durchgeführt.<br />
Der Zugang zur Ausbildung und damit auch zum Studium erfolgt über<br />
<strong>de</strong>n Dienstherrn/Arbeitgeber, das heißt, die Einstellungsbehör<strong>de</strong>.<br />
Die betroffenen Personen stehen in einem Beschäftigungsverhältnis<br />
im Rahmen betrieblicher Berufsbildung. Hier sind also die üblichen<br />
Meldungen für die Einzugsstellen zu fertigen.<br />
» 6. Praktikum im Rahmen <strong>de</strong>r klassischen<br />
Hochschulausbildung<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich dabei um Praktika an einer Universität o<strong>de</strong>r Fachhochschule.<br />
Ein solches Praktika dient <strong>de</strong>m Erwerb beruflicher Kenntnisse,<br />
Fertigkeiten o<strong>de</strong>r Erfahrungen zur Vorbereitung, Unterstützung<br />
o<strong>de</strong>r Vervollständigung <strong>de</strong>r Ausbildung für <strong>de</strong>n künftigen Beruf. Bei<br />
vorgeschriebener Praktika ist die Verpflichtung, diese im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r Gesamtausbildung zu absolvieren, in einer Ausbildungs-, Studien-<br />
o<strong>de</strong>r Prüfungsordnung geregelt.<br />
In aller Regel han<strong>de</strong>lt es sich hier um eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen<br />
Sinne, die <strong>de</strong>r Versicherungspflicht unterliegt.<br />
Hier ist § 7 Abs. 2 Sozialgesetzbuch- Viertes Buch SGB V zu beachten.<br />
Danach gilt als Beschäftigung auch <strong>de</strong>r Erwerb<br />
beruflicher Kenntnisse,<br />
Fertigkeiten o<strong>de</strong>r<br />
Erfahrungen<br />
im Rahmen betrieblicher Berufbildung. Dadurch wer<strong>de</strong>n auch Rechtsverhältnisse<br />
außerhalb eines Berufsausbildungsverhältnisses erfasst<br />
(wie typischerweise die <strong>de</strong>r Praktikanten). Eine Beschäftigung im<br />
Rahmen betrieblicher Berufsbildung liegt auch dann vor, wenn ein<br />
Praktikum während und im Zusammenhang mit einem Studium<br />
durchgeführt wird.<br />
Ist allerdings die praktische Ausbildung aufgrund lan<strong>de</strong>s- o<strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>srechtlicher<br />
Vorschriften, wie bei <strong>de</strong>n oben behan<strong>de</strong>lten praxisintegrierten<br />
Studiengängen in die Hochschul- o<strong>de</strong>r Fachhochschulbildung<br />
eingeglie<strong>de</strong>rt, liegt kein Beschäftigungsverhältnis vor. Sie sind als<br />
Teil <strong>de</strong>s Studiums anzusehen. Dies be<strong>de</strong>utet, dass das Praktikum in<br />
diesen Fällen im wesentlichen nicht betrieblich, son<strong>de</strong>rn durch die<br />
Hochschule o<strong>de</strong>r Fachhochschule geregelt und gelenkt wird.<br />
Horst Marburger<br />
Oberverwaltungsrat a.D., war bis zu seiner<br />
Pensionierung Leiter <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsersatzabteilung<br />
<strong>de</strong>r AOK Ba<strong>de</strong>n-Württemberg. Er ist Verfasser<br />
von Fachaufsätzen und Fachbüchern.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 29
KANZLEI & PERSÖNLICHES Finanzen<br />
Geschlossene Fonds<br />
Sicherheit bleibt<br />
hoch im Kurs<br />
Die Anbieter von geschlossenen Fonds haben ein Horrorjahr hinter sich. Schiffe wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Krise fast versenkt, die<br />
Absatzzahlen lagen weit unter <strong>de</strong>n Erwartungen und die Regulierung <strong>de</strong>r freien Vertriebe ist immer noch ungeklärt. 2011 soll<br />
alles besser wer<strong>de</strong>n – ein Überblick über die Lage und die Trends bei Beteiligungsmo<strong>de</strong>llen.<br />
Wohin geht die Reise?<br />
Schiffsfonds gelten weiter als<br />
Sorgenkind <strong>de</strong>r Branche.<br />
Auf <strong>de</strong>m Branchentreffen <strong>de</strong>r Anbieter von<br />
Beteiligungsmo<strong>de</strong>llen, Mitte Februar in<br />
Frankfurt, war die Zuversicht groß, dass<br />
2011 nicht wie<strong>de</strong>r zu einem Horrorjahr wird.<br />
Eric Romba, Geschäftsführer <strong>de</strong>s Verbands<br />
Geschlossene Fonds (VGF), ist sich sicher,<br />
dass die Talsohle nun erreicht ist.<br />
Die Zahlen sprechen dafür. Im Jahr 2010<br />
sammelten die Emissionshäuser mit 5,8<br />
Milliar<strong>de</strong>n Euro immerhin 13 Prozent mehr<br />
Eigenkapital von Anlegern ein als im Krisenjahr<br />
2009. Einen Teil davon, 316,7 Millionen<br />
Euro, mussten die Anleger allerdings mehr<br />
o<strong>de</strong>r weniger freiwillig als Eigenkapitalerhöhung<br />
o<strong>de</strong>r in Form von Gesellschafterdarlehen<br />
leisten, um von <strong>de</strong>r Pleite bedrohte Fonds<br />
zu retten. Ohne dieses Geld lag das Neugeschäft<br />
<strong>de</strong>r Branche mit knapp 5,5 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro nur leicht über <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Jahres 2009.<br />
Allerdings verzeichnet <strong>de</strong>r VGF nur die Zah-<br />
len seiner Mitglie<strong>de</strong>r und Unternehmen, die<br />
in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren min<strong>de</strong>stens fünf<br />
Millionen Euro Eigenkapital eingesammelt<br />
haben. Diese dürften aber über 90 Prozent<br />
<strong>de</strong>s Gesamtmarkts ausmachen.<br />
Immobilienfonds im Inland<br />
Getrieben wur<strong>de</strong> das Geschäft durch die<br />
Flucht <strong>de</strong>r Anleger in stabile Sachwerte.<br />
Deutschlandfonds mit bekannten Mietern<br />
und lang laufen<strong>de</strong>n Mietverträgen waren<br />
2010 die Favoriten. Sie konnten mit 1,6 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro ganze 46 Prozent mehr Eigenkapital<br />
einsammeln als 2009.<br />
Die meisten Fondshäuser gehen davon aus,<br />
dass die Sehnsucht nach Sicherheit bei <strong>de</strong>n<br />
Anlegern auch in diesem Jahr größer sein<br />
wird, als <strong>de</strong>r Wunsch nach mehr Rendite. Die<br />
Zahl <strong>de</strong>r Deutschlandfonds wird daher weiter<br />
zulegen. Gleichzeitig wächst die Skepsis, ob<br />
sich die von <strong>de</strong>n Anlegern verlangte Sicherheit<br />
aufrechterhalten lässt. Spitzenimmobilien<br />
in <strong>de</strong>n besten Lagen sind kaum noch zu<br />
Preisen zu bekommen, die für einen geschlossenen<br />
Fonds attraktiv sind. Daher müssen<br />
die Emissionshäuser verstärkt in Nebenlagen<br />
o<strong>de</strong>r Städte <strong>de</strong>r zweiten Reihe ausweichen.<br />
Auch Son<strong>de</strong>rkündigungsrechte <strong>de</strong>r Mieter<br />
und an<strong>de</strong>re Risikofaktoren fin<strong>de</strong>n sich immer<br />
häufiger in <strong>de</strong>n Prospekten.<br />
Um <strong>de</strong>n Wettbewerb um die besten Immobilien<br />
zu umgehen, engagieren sich einige<br />
Fondshäuser verstärkt in <strong>de</strong>r Entwicklung.<br />
Darunter ist die Deutsche Fonds Holding<br />
DFH, die mit <strong>de</strong>r Vodafone-Zentrale in Düsseldorf<br />
<strong>de</strong>rzeit einen rund 350 Millionen Euro<br />
schweren Fonds auflegt. Und auch Wölbern<br />
Invest kündigte kürzlich an, vermehrt Immobilien<br />
im Entwicklungsstadium anzukaufen.<br />
Das soll die teure Zwischenfinanzierung<br />
ersparen und bessere Renditen ermöglichen,<br />
bringt Anlegern aber auch mehr Risiko.<br />
Immobilienfonds im Ausland<br />
Um <strong>de</strong>r Angebotsknappheit auszuweichen<br />
und <strong>de</strong>m Renditewunsch <strong>de</strong>r Anleger nachzukommen,<br />
wagen immer mehr Initiatoren<br />
<strong>de</strong>n Blick über die Grenzen. Die Immobilienkrise<br />
in <strong>de</strong>n USA und Teilen Europas und<br />
die Auswirkungen <strong>de</strong>r Finanzkrise in London<br />
ließen die Platzierungszahlen von Fonds, die<br />
in Auslandsimmobilien investieren, um 47<br />
Prozent einbrechen. Nur rund 723 Millionen<br />
Euro konnten die Fondshäuser zuletzt einsammeln.<br />
Das dürfte sich dieses Jahr än<strong>de</strong>rn.<br />
In vielen Märkten kehrt das Vertrauen <strong>de</strong>r<br />
Anleger zurück. „Die Bereitschaft <strong>de</strong>r Anleger,<br />
wie<strong>de</strong>r ins Ausland zu gehen, ist da“,<br />
glaubt Peter Kallmeyer, Geschäftsführer <strong>de</strong>s<br />
Emissionshauses Buss Capital.<br />
Allen voran lassen sich Holland-Fonds schon<br />
wie<strong>de</strong>r gut platzieren. Der Münchener Initiator<br />
Real IS startete innerhalb kurzer Zeit<br />
30 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
zwei Holland-Fonds, die in Büros in Amsterdam<br />
und in Den Haag investieren. Langfristiger<br />
Mieter ist je eine staatliche Behör<strong>de</strong>.<br />
Neben traditionellen Holland-Initiatoren<br />
wie Wölbern Invest o<strong>de</strong>r Nordcapital sind<br />
auch vermehrt Neulinge wie das Schiffs-<br />
und Container-Emissionshaus Buss Capital<br />
dort aktiv. Attraktiv für Anleger sind in <strong>de</strong>n<br />
Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n nicht nur <strong>de</strong>r stabile Immobilienmarkt,<br />
son<strong>de</strong>rn auch die Steuervorteile.<br />
Unterm Strich bleibt bei Holland-Fonds meist<br />
etwas mehr übrig als bei <strong>de</strong>utschen Fonds mit<br />
gleicher Anfangsausschüttung.<br />
Laut einer aktuellen Umfrage <strong>de</strong>s Analysehauses<br />
Scope haben die Initiatoren neben<br />
Holland auch Großbritannien, Österreich,<br />
Frankreich und sogar die USA wie<strong>de</strong>r auf<br />
<strong>de</strong>r Einkaufsliste. Eine Produktschwemme ist<br />
allerdings nicht zu erwarten. In <strong>de</strong>n meisten<br />
Län<strong>de</strong>rn haben die Preise für gute Immobilien<br />
schon wie<strong>de</strong>r Höhen erreicht, die attraktive<br />
Ausschüttungen schwierig machen.<br />
Dennoch könnte sich <strong>de</strong>r Einstieg in einige<br />
Auslandsfonds wie<strong>de</strong>r lohnen. „Die globalen<br />
Immobilienmärkte haben 2009 ihren Tiefpunkt<br />
erreicht und wir haben 2010 die erste<br />
Erholung gesehen“, gibt sich Michael Rotchford<br />
von <strong>de</strong>r Immobilienfirma Cushman &<br />
Wakefield Securities in New York überzeugt.<br />
Uneinigkeit herrscht beim Thema USA. „Aus<br />
Immobiliensicht ist jetzt genau <strong>de</strong>r richtige<br />
Zeitpunkt, um in dort zu investierten“, sagt<br />
Oliver Georg, Geschäftsführer von Behringer<br />
Harvard Europe. Das Problem wird sein, das<br />
auch <strong>de</strong>n Anlegern zu vermitteln.<br />
Überraschend viele Initiatoren sind in Australien<br />
unterwegs, um Gebäu<strong>de</strong> anzukaufen.<br />
Interessant für Anleger ist in dabei neben <strong>de</strong>n<br />
guten Wirtschaftsdaten und <strong>de</strong>n steuerlichen<br />
Rahmenbedingungen, dass sich die Immobilienpreise<br />
in Australien noch auf einem vergleichsweise<br />
günstigen Niveau bewegen.<br />
Erneuerbare-Energien-Fonds<br />
Fonds, die das Trendthema erneuerbare Energien<br />
zu <strong>de</strong>n Anlegern brachten, waren 2010<br />
ebenfalls Renner. Die gesicherte Einspeisevergütung<br />
für Solarfonds lockte. Das führte<br />
dazu, dass diese Anlageklasse mittlerweile<br />
an zweiter Stelle <strong>de</strong>r Hitliste geschlossener<br />
Fonds steht. Ob das so bleibt, ist fraglich.<br />
Angesichts <strong>de</strong>r angekündigten Kürzungen<br />
wer<strong>de</strong> es in Deutschland sehr schwer, dass<br />
sich noch etwas rechne, meint Peter Hei<strong>de</strong>cker<br />
von <strong>de</strong>r Chorus GmbH in Neubiberg bei<br />
München. Auch in Italien läuft <strong>de</strong>r Countdown<br />
für die letzten Fonds. Denn auch dort<br />
wird die För<strong>de</strong>rung gekürzt. Die „Sonnenfinsternis“<br />
beim bisherigen Erfolgsmo<strong>de</strong>ll Solarfonds<br />
dürfte in<strong>de</strong>s nur vorübergehend sein.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Regulierung: Freie Vertriebe müssen sich<br />
auf verschärfte Anfor<strong>de</strong>rungen einstellen<br />
Für Steuerberater, die ihre Mandanten nicht nur in steuerlichen<br />
Dingen rund um geschlossene Fonds beraten, son<strong>de</strong>rn selbst auch<br />
Beteiligungen vermitteln, könnten sich in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Wochen<br />
einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rungen ergeben.<br />
Mit Spannung erwartet die Branche<br />
die Entscheidungen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung,<br />
wie eine zukünftige Regulierung<br />
<strong>de</strong>r Initiatoren von geschlossenen<br />
Fonds und <strong>de</strong>r Vertriebe aussehen<br />
wird. Nach Informationen <strong>de</strong>s Verbands<br />
Geschlossene Fonds wird es für<br />
die Vertriebe wohl eine Art Gewerbeaufsicht<br />
geben. Dazu sollen die Berater<br />
einen Nachweis erbringen müssen,<br />
dass sie für <strong>de</strong>n Verkauf geschlossener<br />
Fonds befähigt sind. Zu<strong>de</strong>m müssen<br />
sie eine Haftpflichtversicherung gegen<br />
Vermögensschä<strong>de</strong>n vorweisen und<br />
sich registrieren lassen.<br />
Dem Verbraucherschutzministerium<br />
geht das offensichtlich nicht weit<br />
genug. Die Ministerin for<strong>de</strong>rt eine<br />
noch strengere Aufsicht nach <strong>de</strong>m<br />
Kreditwesengesetz (KWG). Damit<br />
müssten die Vertriebe eine Zulassung<br />
als Finanzdienstleistungsinstitut<br />
beantragen. Das wäre in <strong>de</strong>r<br />
Praxis das En<strong>de</strong> für die meisten freien<br />
Vermittler.<br />
Unstrittig scheint, dass die freien Vermittler<br />
in Zukunft die Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>s Wertpapierhan<strong>de</strong>lsgesetzes<br />
erfüllen müssen. Sie müssen dann<br />
unter an<strong>de</strong>rem nachweisen, dass<br />
sie die Beteiligungen nur erfahrenen<br />
Anlegern anbieten, die Beratungsgespräche<br />
protokollieren und Provisionen<br />
offenlegen.<br />
Die beliebtesten Assetklassen bei<br />
geschlossenen Fonds 2010*<br />
Inländische Immobilien sind mit Abstand die beliebteste Anlagenklasse.<br />
Auf <strong>de</strong>m zweiten Rang liegen mittlerweile die Energiefonds.<br />
Schiffsbeteiligungen<br />
Immobilienfonds<br />
Ausland<br />
Energiefonds<br />
13%<br />
15%<br />
* ohne EK-Erhöhungen und an<strong>de</strong>re Nachschüsse<br />
Quelle: Verband Geschlossene Fonds<br />
13% 11%<br />
30%<br />
Flugzeugfonds<br />
7%<br />
6%<br />
5%<br />
Private-Equity-Fonds<br />
Spezialitätenfonds<br />
Sonstige<br />
Immobilienfonds<br />
Inland<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 31
KANZLEI & PERSÖNLICHES Finanzen<br />
Gewinner und Verlierer im Vergleich zum Vorjahr<br />
(gesamtes Eigenkapital)<br />
Immobilienfonds Inland<br />
Schiffsbeteiligungen<br />
Energiefonds<br />
Immobilienfonds Ausland<br />
Flugzeugfonds<br />
Private-Equity-Fonds<br />
Lebensversicherungsfonds<br />
Portfoliofonds<br />
Leasingfonds<br />
Spezialitätenfonds<br />
An<strong>de</strong>re<br />
Quelle: Verband Geschlossene Fonds<br />
„Wir wer<strong>de</strong>n über kurz o<strong>de</strong>r lang Projekte<br />
sehen, die sich auch ohne Einspeisevergütung<br />
rechnen“, ist Hei<strong>de</strong>cker optimistisch.<br />
Bei sinken<strong>de</strong>n Preisen für Solarmodule und<br />
weiter steigen<strong>de</strong>n Stromkosten könnte das in<br />
ein bis zwei Jahren <strong>de</strong>r Fall sein.<br />
In <strong>de</strong>r Zwischenzeit suchen die Initiatoren<br />
nach Alternativen – nicht in Osteuropa, wie<br />
lange spekuliert wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n USA.<br />
Bis 2020 müssen die örtlichen Versorger per<br />
Gesetz 20 Prozent <strong>de</strong>s US-Stroms aus Öko-<br />
Quellen gewinnen. Emissionshäuser wie<br />
Voigt & Collegen, Chorus und LHI sind dabei,<br />
entsprechen<strong>de</strong> Fonds vorzubereiten.<br />
Rechtsanwalt Dr. Markus Bechtel von <strong>de</strong>r<br />
Hamburger Kanzlei Watson, Farley & Williams<br />
LLP, die viele Emissionshäuser berät,<br />
sieht neue Chancen auch bei Windfonds.<br />
Diese hätten heute ganz an<strong>de</strong>re Voraussetzungen<br />
als die ersten Versuche vor einigen<br />
Jahren. Initiatoren wie Lloyd Fonds und Ökorenta<br />
sind an <strong>de</strong>m Thema dran.<br />
Schiffs- und Flugzeugfonds<br />
Das große Sorgenkind <strong>de</strong>r Branche bleiben<br />
die Schiffe. Nach <strong>de</strong>n offiziellen Zahlen <strong>de</strong>s<br />
VGF konnten Schiffsbeteiligungen zwar<br />
gegenüber <strong>de</strong>m Vorjahr um 34 Prozent<br />
zulegen. Allerdings musste ein guter Teil<br />
Angaben in Prozent<br />
- 100 - 50 50 100<br />
46<br />
34<br />
52<br />
-47<br />
42<br />
73<br />
-100<br />
32<br />
86<br />
-17<br />
44<br />
<strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, um Schiffsfonds<br />
vor <strong>de</strong>r Pleite zu retten. Ohne diese<br />
Eigenkapitalerhöhungen lag das platzierte<br />
Eigenkapital um 32 Millionen Euro unter <strong>de</strong>m<br />
Ergebnis von 2009. Ob die Nachschüsse die<br />
Fonds tatsächlich auf Dauer gerettet haben<br />
o<strong>de</strong>r ob Anleger schlechtem Geld auch noch<br />
gutes hinterhergeworfen haben, wer<strong>de</strong>n die<br />
kommen<strong>de</strong>n Monate zeigen.<br />
Zumin<strong>de</strong>st auf Initiatorenseite herrscht Aufbruchsstimmung.<br />
Der Containermarkt soll<br />
2011 wie<strong>de</strong>r um rund zehn Prozent wachsen,<br />
<strong>de</strong>r Markt für Massengüter um sechs Prozent.<br />
Doch mit <strong>de</strong>r aufkeimen<strong>de</strong>n Hoffnung, <strong>de</strong>n<br />
gesunkenen Baupreisen und <strong>de</strong>n niedrigen<br />
Zinsen haben die Ree<strong>de</strong>r gleich wie<strong>de</strong>r neue<br />
Schiffe bestellt. Sollte die Weltwirtschaft nicht<br />
schnell in allen Bereichen wie<strong>de</strong>r anziehen,<br />
wer<strong>de</strong>n die Überkapazitäten auf <strong>de</strong>n Schifffahrtsmärkten<br />
noch verstärkt.<br />
Bei <strong>de</strong>n Charterraten, die für die Einnahmen<br />
<strong>de</strong>r Fonds wichtig sind, erwarten die<br />
Experten in diesem Jahr in allen Bereichen<br />
starke Schwankungen. Das wird kaum dazu<br />
beitragen, dass die Anleger das Vertrauen in<br />
die einst so geliebten Schiffsfonds wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n.<br />
Zumin<strong>de</strong>st diejenigen, die noch Problemschiffe<br />
in ihrem Portfolio haben, dürften<br />
sich mit einem erneuten Engagement zurück-<br />
halten. Scope rechnet bei <strong>de</strong>n Platzierungen<br />
in diesem Jahr eher mit einem ähnlichen<br />
Ergebnis wie in <strong>de</strong>n Vorjahren.<br />
Auch das Erfolgsmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Flugzeugfonds<br />
bekommt erste Imagekratzer. Die I<strong>de</strong>e,<br />
Flugzeuge zu kaufen und langfristig an<br />
Fluggesellschaften zu vermieten, kam im<br />
vergangenen Jahr <strong>de</strong>m Sicherheitsgedanken<br />
<strong>de</strong>r Anleger entgegen. Im vergangenen Oktober<br />
brachte allerdings die Pleite <strong>de</strong>r Fluggesellschaft<br />
Hamburg International Anleger<br />
<strong>de</strong>r Emissionshäuser Lloyd Fonds, Wölbern<br />
Invest, Wealthcap und HGA Capital gehörig<br />
ins Schwitzen. Anleger stellen sich seit<strong>de</strong>m<br />
die Frage, wie sicher ihre Flugzeugfonds tatsächlich<br />
sind.<br />
Andreas Ahlmann, Geschäftsführer <strong>de</strong>r Hannover<br />
Leasing, rechnet <strong>de</strong>nnoch fest damit,<br />
dass Flugzeuge bei <strong>de</strong>n Anlegern auch 2011<br />
eine große Rolle spielen wer<strong>de</strong>n. Bestes Argument<br />
ist <strong>de</strong>r Luftfahrtmarkt, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n<br />
herben Einbrüchen schnell wie<strong>de</strong>r an alte<br />
Zeiten angeknüpft hat.<br />
Neue Trends bei Beteiligungen<br />
Trends zu neuen Asssetklassen sind in diesem<br />
Jahr kaum zu erwarten. Allenfalls erwarten<br />
Experten mehr Fonds, die eine kurze<br />
Laufzeit von fünf Jahren anbieten. Eine wachsen<strong>de</strong><br />
Zahl von Anlegern wür<strong>de</strong> sich auch<br />
bei Sachwerten mehr Flexibilität wü nschen,<br />
beobachtet man beim Hamburger Emissionshaus<br />
Wölbern Invest. Überhaupt scheinen<br />
die Kun<strong>de</strong>n kritischer gewor<strong>de</strong>n zu sein. So<br />
stellt die Vermögensberatung „dima24.<strong>de</strong>“<br />
einen <strong>de</strong>utlich größeren Gesprächsbedarf vor<br />
je<strong>de</strong>r Investitionsentscheidung fest. Anleger<br />
wür<strong>de</strong>n sich heute <strong>de</strong>tailliert mit <strong>de</strong>n Fondskonzepten<br />
beschäftigen, die Leistungsbilanz<br />
genauer prüfen und mehr Fragen zu <strong>de</strong>n Vor-<br />
und Nachteilen <strong>de</strong>r Angebote stellen. Initiatoren<br />
und Vermittler wer<strong>de</strong>n sich darauf<br />
einstellen müssen.<br />
Alexan<strong>de</strong>r<br />
Heintze<br />
Der Diplom-Ökonom<br />
arbeitet als Autor für<br />
Wirtschaftsmagazine<br />
wie Euro am Sonntag,<br />
Capital und Fonds &<br />
Co. Er schreibt hauptsächlich<br />
über Immobilienthemen,<br />
geschlossene Fonds und Reits.<br />
E-Mail: presse@heintze-net.<strong>de</strong><br />
32 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
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KANZLEI & PERSÖNLICHES Unternehmensberatung<br />
Kreditmediation<br />
Hilfreiche Brückenbauer<br />
Auch im Aufschwung prüfen die Banken noch je<strong>de</strong>n Kreditantrag äußerst kritisch. Wer nicht zum Zuge kommt, kann einen<br />
Kreditmediator einschalten – vielfach mit Erfolg. Steuerberater sollten diese Unterstützungsmöglichkeit auf je<strong>de</strong>n Fall kennen.<br />
Monat für Monat wird es besser. Nur noch<br />
25,4 Prozent <strong>de</strong>r Unternehmen beklagen<br />
<strong>de</strong>rzeit eine restriktive Darlehensvergabe <strong>de</strong>r<br />
Banken. Nach <strong>de</strong>n Umfrageergebnissen <strong>de</strong>s<br />
Ifo-Instituts in München sinkt die Kredithür<strong>de</strong><br />
für die Unternehmen stetig. „Die <strong>de</strong>utsche<br />
Wirtschaft profitiert von vergleichsweise<br />
günstigen Finanzierungsbedingungen“, lautet<br />
das Ergebnis <strong>de</strong>s Forschungsinstituts.<br />
Ähnlich äußert sich Bun<strong>de</strong>swirtschaftsminister<br />
Rainer Brü<strong>de</strong>rle: „Unsere Wirtschaft<br />
fährt wie<strong>de</strong>r mit voller Kraft voraus. Deshalb<br />
müssen wir jetzt in die geordneten Bahnen<br />
<strong>de</strong>r sozialen Marktwirtschaft zurückkehren.“<br />
Eine Folge dieser Erkenntnis war das<br />
Aus für <strong>de</strong>n Wirtschaftsfonds Deutschland<br />
zum Jahresen<strong>de</strong> 2010. Für Firmen, die durch<br />
die Krise in Finanzierungsschwierigkeiten<br />
geraten waren, stand ein Kreditvolumen von<br />
115 Milliar<strong>de</strong>n Euro abrufbereit. Gebraucht<br />
wur<strong>de</strong>n aber nur 14 Milliar<strong>de</strong>n Euro.<br />
Die positive Stimmung scheint jedoch nur<br />
ein Teil <strong>de</strong>r Wahrheit zu sein. Denn trotz<br />
Aufschwung verzeichnen die Kreditmediatoren<br />
in Deutschland <strong>de</strong>utlich mehr Anträge<br />
als erwartet. Diese Finanzierungsexperten<br />
vermitteln zwischen <strong>de</strong>r Bank und <strong>de</strong>m<br />
Kreditmediatoren setzen sich<br />
dafür ein, dass bei Finanzierungen<br />
bei<strong>de</strong> Seiten zueinan<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n.<br />
34 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Unternehmer, falls es zu Problemen beim<br />
Kreditantrag kommt.<br />
Seit April vergangenen Jahres ist Hans-Joachim<br />
Metternich als „Kreditmediator Deutschland“<br />
im Auftrag <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung tätig.<br />
Allein in <strong>de</strong>n ersten neun Monaten seiner<br />
Tätigkeit haben sich rund 900 Unternehmen<br />
an ihn und sein elfköpfiges Team gewandt,<br />
weil sie Probleme beim Aufnehmen eines Darlehens<br />
hatten. „Fürs laufen<strong>de</strong> Jahr rechnen<br />
wir mit mehr als 1.500 <strong>de</strong>rartigen Anfragen“,<br />
sagt Metternich (siehe Interview). Kleine und<br />
mittlere Unternehmen sowie Selbstständige<br />
mit einem Finanzierungsbedarf von mehr als<br />
15.000 Euro können sich an ihn wen<strong>de</strong>n.<br />
Auch Michael Schmid, Kreditmediator <strong>de</strong>r<br />
Commerzbank, spricht von einer überraschend<br />
großen Nachfrage: „Innerhalb von<br />
acht Monaten sind 250 Anträge mit einem<br />
Gesamtvolumen von 1,5 Milliar<strong>de</strong>n Euro bei<br />
uns gelan<strong>de</strong>t.“ Wobei die Anfragen teils auch<br />
aus <strong>de</strong>m eigenen Haus und nicht direkt von<br />
<strong>de</strong>n Unternehmern kamen. „Wir sehen unsere<br />
Tätigkeit als ein Instrument <strong>de</strong>r Qualitätssicherung.<br />
Wenn es <strong>de</strong>n Firmenkun<strong>de</strong>nbetreuern<br />
hilft, die Situation <strong>de</strong>r Antragsteller<br />
mit Branchen- und Zukunftsanalyse besser<br />
zu beurteilen, können sie sich an uns wen<strong>de</strong>n.“<br />
In <strong>de</strong>r Regel handle es sich dabei um<br />
Fälle, „außerhalb <strong>de</strong>r Norm“, sagt Schmid: Die<br />
kun<strong>de</strong>nindividuelle Branchensituation lässt<br />
eine an<strong>de</strong>re Entwicklung vermuten als die<br />
Geschäftszahlen verheißen.<br />
Banken und Unternehmer sprechen<br />
gelegentlich aneinan<strong>de</strong>r vorbei<br />
Wen<strong>de</strong>n sich Unternehmer an einen Kreditmediator,<br />
geht es in vielen Fällen um fehlen<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r nicht ausreichen<strong>de</strong> Sicherheiten. So war<br />
es auch bei Marie Klein, Geschäftsführerin<br />
<strong>de</strong>s Übersetzungsbüros English Express in<br />
Berlin mit acht Mitarbeitern. Auch sie schaltete<br />
Metternich ein, nach<strong>de</strong>m ihre Hausbank<br />
die Finanzierung neuer Büroräume nicht mittragen<br />
wollte. Die Bank zweifelte die Umsatzentwicklung<br />
und die Sicherheiten an. „Als<br />
wir <strong>de</strong>n Kreditantrag nochmals überarbeitet<br />
hatten und von <strong>de</strong>r Bürgschaftsbank Berlin-<br />
Bran<strong>de</strong>nburg geför<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n, floss auch<br />
das Geld <strong>de</strong>r Bank“, berichtet Klein.<br />
Metternich erkennt ein größeres Sicherheitsbedürfnis<br />
<strong>de</strong>r Geldinstitute, hält das aber<br />
angesichts <strong>de</strong>r Erfahrungen in <strong>de</strong>n zurückliegen<strong>de</strong>n<br />
Jahren für angemessen. Auch Rainer<br />
Langen, Leiter <strong>de</strong>s Deutschen Instituts<br />
für Kreditmediation in Kronberg, sieht einen<br />
Trend dahin, dass Banken infolge <strong>de</strong>r Krise<br />
risikobewusster wer<strong>de</strong>n. Kredite müssten<br />
mitunter zu erhöhten Zinssätzen eingekauft<br />
wer<strong>de</strong>n. Den Kern <strong>de</strong>s Problems erkennt er<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Interview<br />
„Erst grübeln, dann dübeln“<br />
Hans-Joachim Metternich, <strong>de</strong>r Kreditmediator <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s, über Finanzierungsprobleme<br />
<strong>de</strong>r mittelständischen Unternehmer und von Selbstständigen.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Herr Metternich, Sie wur<strong>de</strong>n<br />
von Bun<strong>de</strong>swirtschaftsminister Rainer<br />
Brü<strong>de</strong>rle prophylaktisch für <strong>de</strong>n Fall einer Kreditklemme<br />
eingesetzt. Sehen Sie das Problem<br />
auch noch im Aufschwung?<br />
Hans-Joachim Metternich: Wir haben keine<br />
flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Kreditklemme, und wir hatten<br />
sie auch zu keiner Zeit in <strong>de</strong>r Krise. Aber es gab<br />
partielle Engpässe in einzelnen Branchen. Doch<br />
das hat sich in <strong>de</strong>n vergangenen zwölf Monaten<br />
<strong>de</strong>utlich entspannt. Angesichts <strong>de</strong>s hervorragen<strong>de</strong>n<br />
Wirtschaftswachstums erscheint dies<br />
auch logisch.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Sind Sie also überflüssig<br />
gewor<strong>de</strong>n?<br />
Hans-Joachim Metternich: Die Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
hat von Anfang an gesagt, wir machen<br />
neben <strong>de</strong>n För<strong>de</strong>rprogrammen wie zum Beispiel<br />
<strong>de</strong>m Deutschlandfonds eine befristete Aktion<br />
für Unternehmen, die Probleme bei <strong>de</strong>r Kreditgewährung<br />
haben. Mein Vertrag ist bis En<strong>de</strong><br />
2011 befristet. Ein Spannungsfeld zwischen<br />
<strong>de</strong>n Unternehmen und <strong>de</strong>n Banken besteht<br />
jedoch nicht in <strong>de</strong>r Vergabepraxis <strong>de</strong>r Geldinstitute,<br />
son<strong>de</strong>rn vielmehr in <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
zwischen <strong>de</strong>r Bank und <strong>de</strong>m Unternehmer:<br />
„Bei<strong>de</strong> Seiten stehen unter enormem<br />
Zeitdruck. Keiner erklärt <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren ausreichend<br />
seine Position. Firmenchefs und Banken<br />
sprechen eine an<strong>de</strong>re Sprache.“ Deshalb<br />
glaubt Langen auch nicht, dass <strong>de</strong>r Bedarf an<br />
Mediatoren mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>rzeitigen Aufschwung<br />
geringer wird. „In langjährigen Ehen kommt<br />
allerdings immer. Deshalb wäre es gut, wenn<br />
diese Aufgabenstellung weiter hochgehalten<br />
wür<strong>de</strong>.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Welche Firmen kontaktieren<br />
Sie beson<strong>de</strong>rs häufig?<br />
Hans-Joachim Metternich: Es sind kleine<br />
und mittlere Unternehmen, die vielfach mit<br />
ihren Finanzierungsproblemen zu uns kommen,<br />
bevor die Bank über ihren Kreditantrag<br />
entschei<strong>de</strong>t. Das ist auch besser, als wenn<br />
schon ein abgelehnter Antrag vorliegt.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Mit welchen Problemen?<br />
Hans-Joachim Metternich: Viele Firmenchefs<br />
wissen nicht, dass sie bei fehlen<strong>de</strong>n<br />
Sicherheiten auf die Unterstützung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>r-<br />
und Bürgschaftsbanken zurückgreifen<br />
können. O<strong>de</strong>r die Firmen haben zu wenig<br />
Eigenkapital. Auch dann verweisen wir auf<br />
För<strong>de</strong>rprogramme. Zuweilen ist auch schlechte<br />
Rentabilität das Problem. Dann prüfen wir, ob<br />
eine bessere Finanzierungsstruktur mit zinsgünstigeren<br />
Darlehen realisierbar wäre.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Weisen die Banken auf<br />
diese För<strong>de</strong>rmöglichkeiten nicht von sich aus<br />
hin? Schließlich gilt das Hausbankenprinzip?<br />
Hans-Joachim Metternich: Das stimmt. Aber<br />
die Banken beziehen die För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />
vielfach lei<strong>de</strong>r nicht in die Finanzierung mit ein.<br />
Deshalb gebe ich Unternehmern und Freiberuflern<br />
<strong>de</strong>n Rat, sich im Internet auf <strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r<br />
För<strong>de</strong>rbanken vor <strong>de</strong>m Kreditantrag umfassend<br />
zu informieren und <strong>de</strong>n Firmenkun<strong>de</strong>nbetreuer<br />
gezielt darauf anzusprechen. Es gibt im Handwerk<br />
dafür einen passen<strong>de</strong>n Spruch: Erst grübeln,<br />
dann dübeln.<br />
es immer zu Spannungen“, so Langen. Im<br />
vergangenen Jahr hat er <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sverband<br />
<strong>de</strong>r Kreditmediatoren (www.<br />
bdkm.<strong>de</strong>) gegrün<strong>de</strong>t. Die Mitglie<strong>de</strong>r kennen<br />
das Metier <strong>de</strong>r Banken. Langen selbst war<br />
Jahrzehnte bei einer Bank beschäftigt. Zu<strong>de</strong>m<br />
waren alle Mitglie<strong>de</strong>r bereits als Mediatoren<br />
tätig. Wer ein Verbandsmitglied engagiert,<br />
muss allerdings tief in die Tasche greifen.<br />
Verlangt wer<strong>de</strong>n Tagessätze von 1.200 Euro.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 35
KANZLEI & PERSÖNLICHES Unternehmensberatung<br />
Ein Fall aus <strong>de</strong>r Praxis<br />
Rettung in letzter Minute<br />
Handwerksunternehmer Dietmar Tschunt stand schon kurz vor <strong>de</strong>r<br />
Insolvenz, bevor er sich an <strong>de</strong>n Kreditmediator wandte.<br />
Bei Dietmar Tschunt, <strong>de</strong>m Inhaber <strong>de</strong>r<br />
Firma Innwerk eK im hessischen Gelnhausen,<br />
ging es um 75.000 Euro – und<br />
um die Existenz. Das Geld brauchte<br />
<strong>de</strong>r Unternehmer für ein neues La<strong>de</strong>ngeschäft.<br />
Mit größeren, mo<strong>de</strong>rneren<br />
und besser gelegenen Räumlichkeiten<br />
wollte sich <strong>de</strong>r Handwerker und Spezialist<br />
für natürliche Raumgestaltung<br />
am Markt präsentieren. Der Kredit<br />
für die Investition schien bereits in<br />
trockenen Tüchern zu sein. „Wir hatten<br />
eine schriftliche Zusage erhalten.<br />
Unser Firmenkun<strong>de</strong>nbetreuer bestätigte<br />
mehrfach, dass wir bald auch <strong>de</strong>n<br />
Vertrag erhalten sollten“, erinnert sich<br />
Tschunt.<br />
Die Sache zog sich dann aber doch<br />
über fast ein halbes Jahr hin. Schließlich<br />
kam anstelle <strong>de</strong>s erhofften Kreditvertrags<br />
die Absage. Der Sachbearbeiter<br />
bei <strong>de</strong>r Bank hatte gewechselt.<br />
Der Neue auf <strong>de</strong>m Posten senkte <strong>de</strong>n<br />
Daumen und verweigerte <strong>de</strong>n Kredit.<br />
Tschunt habe zu wenige Sicherheiten<br />
zu bieten, monierte die Bank nun.<br />
Außer<strong>de</strong>m lasse die Geschäftsentwicklung<br />
eine Kreditvergabe nicht<br />
zu. Die Wochen nach <strong>de</strong>r Absage seien<br />
eine schmerzvolle Zeit gewesen, erinnert<br />
sich <strong>de</strong>r Firmenchef. Das Unternehmen<br />
habe kurz vor <strong>de</strong>r Insolvenz<br />
gestan<strong>de</strong>n. Im Vertrauen auf die<br />
anfängliche Zusage <strong>de</strong>r Bank hatte<br />
Tschunt das neue Geschäft nämlich<br />
bereits eröffnet.<br />
Mit seinem Problem wandte sich <strong>de</strong>r<br />
Handwerker schließlich an Kreditmediator<br />
Hans-Joachim Metternich<br />
in Frankfurt. Der Tipp dazu kam von<br />
<strong>de</strong>r Hessischen Wirtschaftsbank.<br />
Von da an lief es für Tschunt wie<br />
geschmiert: Metternich schaltete sich<br />
in die Gespräche mit <strong>de</strong>r Bank ein. Als<br />
Sicherheit akzeptierte das Geldinstitut<br />
nach <strong>de</strong>m Eingreifen <strong>de</strong>s Mediators<br />
eine Grundschuld. Nach zwei Wochen<br />
war das Geld auf <strong>de</strong>m Konto.<br />
Die Mediatoren sehen sich aber nicht auf<br />
<strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r Firmen, son<strong>de</strong>rn als neutral.<br />
„Mitunter müssen Unternehmer während <strong>de</strong>r<br />
Gespräche erkennen, dass sie zurückstecken<br />
müssen. Die Lösung liegt nicht immer in <strong>de</strong>r<br />
Mitte“, sagt Langen. Zuerst analysiere er<br />
die Ist-Situation und kläre vorab die Frage,<br />
warum die Kreditbewilligung so schwierig<br />
erscheint. Danach entwickle er Lösungsvorschläge<br />
zum Wohle bei<strong>de</strong>r Seiten. Vielfach<br />
mit Erfolg: Je<strong>de</strong> zweite Kreditmediation en<strong>de</strong><br />
für die Unternehmer positiv.<br />
Kritiker halten Mediatoren<br />
für überflüssig<br />
Der Kreditmediator <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
arbeitet ebenso wie seine von <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württemberg und Thüringen beauftragten<br />
Kollegen kostenlos für die Wirtschaft.<br />
Metternich und seinem Team steht für ihre<br />
Tätigkeit ein Budget von insgesamt fünf Millionen<br />
Euro zur Verfügung.<br />
Für Kritiker ist das zu viel: Andreas Richter,<br />
Hauptgeschäftsführer <strong>de</strong>r IHK in Stuttgart,<br />
hält <strong>de</strong>n Kreditmediator Deutschland nach <strong>de</strong>r<br />
eindrucksvollen Wen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Konjunktur nun<br />
für überflüssig: „Unternehmern steht schon<br />
eine Vielzahl interessanter Instrumente bei<br />
schwierigen Finanzierungen zur Verfügung,<br />
auf die sie zurückgreifen können.“ Richter<br />
nennt zum Beispiel die run<strong>de</strong>n Tische <strong>de</strong>r<br />
Staatsbank KfW. Deren Ziel ist es, sanierungsbedürftigen<br />
Unternehmen wie<strong>de</strong>r auf<br />
die Beine zu helfen. Fortschrittliche Betriebe<br />
profitierten von <strong>de</strong>n neuen Innovationsgutscheinen<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r. Und da<br />
seien auch noch die För<strong>de</strong>rbanken mit Bürgschaften<br />
und zinsgünstigen Darlehen. „Wer<br />
als Unternehmer eine gute Verbindung zur<br />
Hausbank pflegt und betriebswirtschaftlich<br />
gut aufgestellt ist, hat kein Problem“, meint<br />
Richter.<br />
Eva-Maria<br />
Neuthinger<br />
ist Diplom-Kauffrau<br />
und arbeitet als freie<br />
Wirtschaftsjournalistin<br />
für Magazine und<br />
Zeitungen. Sie hat sich<br />
auf die Themenfel<strong>de</strong>r<br />
Unternehmensführung und Steuern<br />
spezialisiert.<br />
E-Mail: eva.neuthinger@t-online.<strong>de</strong><br />
36 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Auslandsengagement<br />
Gut vorbereiten<br />
„Je<strong>de</strong>s mittelständische Unternehmen sollte<br />
sich überlegen, ob es ohne eine aktive Internationalisierungsstrategie<br />
langfristig überhaupt<br />
überleben kann.“ Prof. Dr. Rüdiger<br />
Kabst fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>utliche Worte. Der Internationalisierungsexperte<br />
und Professor für<br />
Betriebswirtschaftslehre an <strong>de</strong>r Justus-<br />
Liebig-Universität in Gießen argumentiert:<br />
„Der <strong>de</strong>utsche Markt ist weitgehend gesättigt<br />
– Wachstum lässt sich vor allem über ausländische<br />
Märkte realisieren.“<br />
Auf ausländische Konkurrenz<br />
hierzulan<strong>de</strong> reagieren<br />
Wachstum ist aber nur ein Aspekt: „Zu<strong>de</strong>m<br />
sind immer mehr ausländische Wettbewerber<br />
auch hierzulan<strong>de</strong> aktiv und machen <strong>de</strong>n hie-<br />
Unternehmensberatung KANZLEI & PERSÖNLICHES<br />
Unternehmen, die eine Nie<strong>de</strong>rlassung im Ausland grün<strong>de</strong>n wollen, sollten sich darüber im Klaren sein, dass<br />
sie dieser Schritt zum einen erfolgreicher macht, zum an<strong>de</strong>ren aber auch überfor<strong>de</strong>rn kann. Gute Vorbereitung<br />
kann vor Schwierigkeiten schützen.<br />
Unternehmen, die sich<br />
international engagieren,<br />
gelten als erfolgreicher.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
sigen Firmen auf ihrem angestammten Heimatmarkt<br />
Konkurrenz. Wer eine aktive Auslandsstrategie<br />
fährt, darüber internationale<br />
Wettbewerbsfähigkeit erlangt, besteht <strong>de</strong>n<br />
Konkurrenzkampf besser, sichert und stärkt<br />
auch das Geschäft zu Hause“, so <strong>de</strong>r Gießener<br />
Professor. Kabst weiter: „Internationalisierung<br />
ist ein Muss, ein Pflichtprogramm“ –<br />
zu<strong>de</strong>m grundsätzlich ein Erfolgsrezept: „In<br />
<strong>de</strong>r Tat sind Unternehmen, die international<br />
aktiv sind, erfolgreicher. Die Internationalisierung<br />
ist neben <strong>de</strong>r Innovationsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>r Erfolgsfaktor schlechthin.“<br />
Kabst’ Argumentation scheint auf offene<br />
Ohren zu stoßen: „Tatsächlich verstehen auch<br />
die kleineren und mittleren Unternehmen<br />
Internationalisierung mehr und mehr als<br />
strategische Aufgabe. Entstand das internationale<br />
Engagement früher oft eher zufällig<br />
durch einen Messekontakt o<strong>de</strong>r eine Kun<strong>de</strong>nempfehlung,<br />
überlegen sich heute auch die<br />
Chefs kleinerer Firmen aktiv und eigeninitiativ,<br />
welche Märkte sie bearbeiten könnten“,<br />
beobachtet Julia Arnold, Referatsleiterin im<br />
Bereich International <strong>de</strong>s Deutschen Industrie-<br />
und Han<strong>de</strong>lskammertags in Berlin.<br />
Zwölf Prozent aller<br />
hiesigen Firmen exportieren<br />
Zunächst zur Bestandsaufnahme. Insgesamt<br />
exportieren rund 350.000 <strong>de</strong>utsche Unternehmen.<br />
Das sind zwölf Prozent aller hiesigen<br />
Firmen. Differenziert nach Größenklassen,<br />
stellt sich heraus: Von <strong>de</strong>n Großunternehmen<br />
sind 81 Prozent, von <strong>de</strong>n kleinen und<br />
mittleren jedoch nur elf Prozent im Exportgeschäft.<br />
Insgesamt macht die Exportquote<br />
bei <strong>de</strong>n kleineren Unternehmen acht, bei <strong>de</strong>n<br />
mittleren 16, <strong>de</strong>n großen 21 Prozent aus.<br />
Die Zahlen entstammen einer Studie <strong>de</strong>s Instituts<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft Köln Consult<br />
GmbH aus <strong>de</strong>m Jahr 2008. „Dabei bearbeiten<br />
kleinere Unternehmen bis zu sieben Märkte,<br />
mittlere bis zu 13, größere min<strong>de</strong>stens<br />
20“, ergänzt Julia Arnold. „Im Vor<strong>de</strong>rgrund<br />
steht die Erschließung neuer Absatzmärkte.<br />
Kostenersparnis, zum Beispiel durch günstigere<br />
Produktionsbedingungen o<strong>de</strong>r Einkauf,<br />
kommt erst an zweiter Stelle.“ Unterm Strich<br />
schlagen sich die <strong>de</strong>utschen Unternehmen<br />
im Ausland sehr erfolgreich. „Vor allem auch<br />
<strong>de</strong>r Mittelstand ist durch seine sprichwörtliche<br />
Flexibilität ein geschickter Akteur auf<br />
<strong>de</strong>m Weltmarkt“, komplettiert Arnold die<br />
Bestandsaufnahme.<br />
Europa-Expertin Elfi Schreiber und Chefredakteur<br />
Ernst Leiste von <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>seigenen<br />
Außenwirtschaftsagentur Germany Tra<strong>de</strong> &<br />
Invest in Bonn stimmen dieser Bilanz zu.<br />
Unter quantitativen Gesichtspunkten fin<strong>de</strong>n<br />
sie allerdings, dass sich das Auslandsengagement<br />
gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r kleineren und<br />
mittleren Unternehmen durchaus noch ausbauen<br />
ließe.<br />
Engagement nach <strong>de</strong>r<br />
Krise als guter Zeitpunkt<br />
Dieses anzugehen – dafür sei jetzt erstmals<br />
nach <strong>de</strong>r Krise wie<strong>de</strong>r ein guter Zeitpunkt.<br />
„Der Welthan<strong>de</strong>l zieht an. Im Jahr 2011 soll<br />
er schon um insgesamt acht Prozent wachsen.“<br />
Die Experten meinen: „Ein Auslandsengagement<br />
baut man peu à peu auf. Wer die<br />
Vorbereitung heute beginnt und dann startet,<br />
hat die besten Chancen von <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Weltwirtschaft zu profitieren.“<br />
Die Möglichkeit, das Auslandsgeschäft<br />
Dr. Gabriele<br />
Lüke<br />
ist freie Wirtschaftsjournalistin<br />
aus München<br />
und beschäftigt<br />
sich vor allem mit mittelstandsrelevanten<br />
Themen. Sie schreibt<br />
unter an<strong>de</strong>rem regelmäßig<br />
für „ProFirma“, einem Schwestermagazin<br />
<strong>de</strong>s „<strong>SteuerConsultant</strong>s“, aus <strong>de</strong>r<br />
<strong>Haufe</strong> Gruppe.<br />
E-Mail: g.lueke@imprime.<strong>de</strong><br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 37
KANZLEI & PERSÖNLICHES Unternehmensberatung<br />
Checkliste<br />
Gute Vorbereitung ist wichtig<br />
Das Auslandsgeschäft lebt von einer guten Vorbereitung. Ljuba Haunschild vom Institut für<br />
Mittelstandsforschung in Bonn hat dafür eine hilfreiche Checkliste zusammengestellt.<br />
1. Bestimmen Sie Ihre Ziele.<br />
Wollen Sie einen neuen Absatzmarkt<br />
erschließen?<br />
Wollen Sie produzieren?<br />
Wollen Sie kostengünstiger<br />
einkaufen?<br />
Möchte ein Kun<strong>de</strong>, dass Sie ihm<br />
ins Ausland folgen?<br />
Amortisiert sich Ihr innovatives<br />
Produkt nur, wenn Sie gleich <strong>de</strong>n<br />
Weltmarkt bedienen?<br />
2. Kanzlei-, Team- und Einzelziele<br />
überlegen.<br />
Wollen Sie allein o<strong>de</strong>r im Netzwerk<br />
ins Ausland gehen?<br />
Welche Form <strong>de</strong>s Auslandsengagements<br />
könnte passen:<br />
Han<strong>de</strong>lsvertreter, Nie<strong>de</strong>rlassung,<br />
Produktionsstätte, Joint Venture?<br />
Wenn Sie vor Ort sein wollen:<br />
Was bietet sich als Standort<br />
(Hauptstadt, Son<strong>de</strong>rwirtschaftszone<br />
etc.) an?<br />
3. Prüfen Sie Ihre Marktchancen.<br />
Wer sind vor Ort Ihre internationalen<br />
und inländischen<br />
Wettbewerber?<br />
Welchen Marktanteil haben diese<br />
bereits?<br />
Ist Ihr Produkt per se<br />
marktgängig o<strong>de</strong>r müssen Sie es<br />
modifizieren?<br />
kleiner und mittelgroßer Unternehmen<br />
auszubauen und jetzt als strategische<br />
Aufgabe zu <strong>de</strong>finieren, liegt weniger an<br />
ihrer mangeln<strong>de</strong>n Einsicht, son<strong>de</strong>rn an<br />
<strong>de</strong>n unübersehbaren Risiken: „Grundsätzlich<br />
kann auch das kleinste Unternehmen<br />
erfolgreich Auslandsgeschäfte machen. Doch<br />
sollte die Internationalisierung gera<strong>de</strong> bei<br />
kleineren Firmen sehr gut und ganz individuell<br />
überlegt sein“, unterstreicht Bertram<br />
Brossardt, Hauptgeschäftsführer <strong>de</strong>r Vereinigung<br />
<strong>de</strong>r Bayerischen Wirtschaft e.V. (VBW)<br />
in München.<br />
4. Eruieren Sie die spezifischen Prinzipien<br />
<strong>de</strong>r Marktbearbeitung.<br />
Welche Vertriebsstrukturen gibt es<br />
in <strong>de</strong>m Land?<br />
Wie funktionieren Werbung und<br />
Marketing?<br />
Haben Sie AGB, Broschüren und<br />
alles Weitere in <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>ssprache<br />
o<strong>de</strong>r in Englisch vorbereitet?<br />
Welche Partner brauchen Sie zur<br />
Marktbearbeitung?<br />
5. Machen Sie sich mit <strong>de</strong>n formalen<br />
Rahmenbedingungen vertraut.<br />
Welche behördlichen Genehmigungen<br />
benötigen Sie?<br />
Wie funktionieren<br />
Behör<strong>de</strong>nkontakte?<br />
Kennen Sie alle relevanten<br />
steuerlichen und rechtlichen<br />
Regelungen?<br />
Brauchen Sie von <strong>de</strong>utscher Seite<br />
spezielle Ausfuhrgenehmigungen?<br />
6. Halten Sie sich finanziell<br />
<strong>de</strong>n Rücken frei.<br />
Haben Sie ein ausreichen<strong>de</strong>s<br />
finanzielles Polster?<br />
Haben Sie einen Business-Plan<br />
aufgestellt?<br />
Wie kann Ihre Bank das Auslandsengagement<br />
unterstützen?<br />
Lassen sich För<strong>de</strong>rmittel in<br />
Anspruch nehmen?<br />
Für die VBW ist die Begleitung <strong>de</strong>s Mittelstands<br />
bei <strong>de</strong>r Internationalisierung schon<br />
lange ein wichtiges Thema. „Es gilt, sich sehr<br />
gründlich zu informieren, genau abzuwägen<br />
und vorsichtig zu planen“, rät Brossardt.<br />
Schlechte Vorbereitung,<br />
hoher finanzieller Aufwand<br />
„Denn wenn Unternehmen scheitern, scheitern<br />
sie vor allem, weil sie schlecht vorbereitet<br />
waren, weil sie <strong>de</strong>n finanziellen Aufwand<br />
unterschätzt und ihre Kapazitäten überschätzt<br />
haben.“<br />
7. Bauen Sie die nötigen personellen<br />
Kapazitäten auf.<br />
Haben Sie vor Ort bereits<br />
vertrauensvolle, kompetente<br />
Partner/Mitarbeiter?<br />
Wer könnte Ihnen solche Partner<br />
empfehlen? (Denken Sie an<br />
Kun<strong>de</strong>n, die AHK etc.)<br />
Haben Sie zu Hause eine<br />
kompetente, juristisch,<br />
steuerlich und interkulturell gut<br />
geschulte Mannschaft?<br />
Haben Sie Zugriff auf die nötige<br />
Sprachkompetenz?<br />
8. Planen Sie die finanzielle Seite <strong>de</strong>s<br />
operativen Geschäfts.<br />
Haben Sie die richtigen Preise<br />
berechnet?<br />
Können Sie Vorkasse<br />
realisieren?<br />
Haben Sie die Bonität Ihres<br />
ausländischen Geschäftspartners<br />
geprüft?<br />
9. Beobachten Sie die Entwicklung<br />
Ihres Auslandsengagements sehr<br />
genau.<br />
Bringt es Wachstum, Rendite?<br />
Bis wann sollte es dieses<br />
bringen, damit es sich für Sie<br />
rechnet?<br />
Haben Sie eine Exit-Strategie<br />
für <strong>de</strong>n Worst Case überlegt?<br />
Für Ljuba Haunschild, Expertin am Institut<br />
für Mittelstandsforschung in Bonn, ist <strong>de</strong>r<br />
erste Punkt <strong>de</strong>r Internationalisierungsvorbereitung<br />
<strong>de</strong>shalb auch stets <strong>de</strong>r Blick nach<br />
innen: „Das Auslandsgeschäft darf nie <strong>de</strong>r<br />
Kompensation von Schwächen auf <strong>de</strong>m Heimatmarkt<br />
dienen. Im Ausland agiert nur <strong>de</strong>r<br />
erfolgreich, <strong>de</strong>r auch zu Hause genug Substanz<br />
hat und stark und stabil organisiert ist.“<br />
Ist diese Voraussetzung gegeben, kann die<br />
praktische Vorbereitung starten.<br />
Brossardt rät: „Beginnen Sie mit einer gründlichen<br />
Vorrecherche. Nutzen Sie neben <strong>de</strong>n<br />
38 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Informationen aus <strong>de</strong>m Internet <strong>de</strong>n Erfahrungsaustausch,<br />
<strong>de</strong>n die Veranstaltungen von<br />
Kammern, Verbän<strong>de</strong>n, Außenwirtschaftsvereinen,<br />
Branchen-Netzwerken und Beratern<br />
bieten. Zu<strong>de</strong>m lohnen sich Delegationsreisen<br />
und Messebeteiligungen. So verschafft man<br />
sich einen ersten persönlichen Eindruck<br />
von <strong>de</strong>m Land.“ Ist schließlich ein konkreter<br />
Markt anvisiert, empfiehlt Brossardt, folgen<strong>de</strong><br />
vier Frageblöcke abzuarbeiten:<br />
1. Hat mein konkretes Produkt in <strong>de</strong>m ausgewählten<br />
Markt wirklich gute Absatzchancen<br />
und welche Bedingungen – etwa<br />
spezifische Vertriebsstrukturen, Kun<strong>de</strong>nanfor<strong>de</strong>rungen<br />
– muss ich bei <strong>de</strong>r Marktbearbeitung<br />
berücksichtigen?<br />
2. Welche rechtlichen, steuerlichen, behördlichen<br />
Regelungen bestimmen das Geschäft<br />
mit?<br />
3. Wie finanziere ich das Auslandsgeschäft,<br />
habe ich genug Kapital im Rücken?<br />
4. Fin<strong>de</strong> ich das nötige kompetente und interkulturell<br />
versierte Personal, das <strong>de</strong>n neuen<br />
Markt beherrscht – sowohl hier als auch<br />
vor Ort?<br />
Brossardt rekapituliert: „Kann ich diese Fragen<br />
umfassend positiv beantworten, gilt es<br />
einen Business- und Zeitplan aufzustellen,<br />
mit spitzer Fe<strong>de</strong>r zu rechnen und dabei stets<br />
<strong>de</strong>utlich mehr Zeit und Aufwand als für ein<br />
Inlandsgeschäft einzuplanen. So begibt <strong>de</strong>r<br />
Unternehmer sich auf die sichere Seite.“<br />
Noch drei weiterführen<strong>de</strong> Ratschläge zum<br />
Schluss.<br />
1. Der erste Rat stammt von DIHK-Referentin<br />
Julia Arnold: „Man muss nicht gleich eine<br />
Nie<strong>de</strong>rlassung grün<strong>de</strong>n. Märkte lassen<br />
sich praxisnah antesten. Viele Unternehmen<br />
nutzen dafür die kostengünstigen<br />
Dienstleistungen ‚Geschäftspräsenz‘ o<strong>de</strong>r<br />
‚Vermittlung von Vertriebspartnern‘ durch<br />
die weltweit 80 <strong>de</strong>utschen Auslandshan<strong>de</strong>lskammern.“<br />
2. Den zweiten Rat hält Rüdiger Kabst bereit:<br />
„Eine Markterschließung kann auch im Verbund<br />
mit an<strong>de</strong>ren Unternehmen gestemmt<br />
wer<strong>de</strong>n. Dort helfen die erfahrenen <strong>de</strong>n<br />
weniger erfahrenen Firmen, man kommt<br />
schneller voran, außer<strong>de</strong>m lassen sich im<br />
Netzwerk größere Aufträge o<strong>de</strong>r schwierigere<br />
Märkte bearbeiten.“<br />
3. Ljuba Haunschild gibt <strong>de</strong>n dritten Rat:<br />
„Man sollte die Entwicklung seines Auslandsengagements<br />
zu<strong>de</strong>m gut beobachten:<br />
Es lohnt sich dann, wenn es <strong>de</strong>n Bestand<br />
sichert und zum Wachstum beiträgt. Dieses<br />
sollte sich nach einer überschaubaren<br />
Zeit eingestellt haben.“ Und so dürfte<br />
die Internationalisierung auch zum Erfolg<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Interview<br />
Europa und die Welt<br />
Es gibt viele spannen<strong>de</strong> Märkte. Elfi Schreiber (unten links), Europa-Expertin,<br />
und Ernst Leiste (unten rechts), Chefredakteur bei Germany Tra<strong>de</strong> &<br />
Invest in Bonn, erklären, welche Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeit einen Blick lohnen.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Die weltweite Wirtschaftskrise<br />
scheint fast vorbei zu sein, <strong>de</strong>r<br />
Welthan<strong>de</strong>l wächst wie<strong>de</strong>r. Hat, wer jetzt<br />
über Internationalisierung nach<strong>de</strong>nkt,<br />
bereits wie<strong>de</strong>r die Qual <strong>de</strong>r Wahl?<br />
Ernst Leiste: Tatsächlich profitieren nicht alle<br />
Län<strong>de</strong>r gleichermaßen vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Krise.<br />
Man sollte also schon genau hinschauen, wo<br />
man hingeht.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Bleiben wir zunächst in<br />
Europa.<br />
Elfi Schreiber: Europa ist immer eine gute<br />
Option. Zwei Drittel <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Außenhan<strong>de</strong>lsvolumens<br />
wird in Europa generiert.<br />
Gera<strong>de</strong> Einsteiger sollten sich zunächst auf<br />
die näheren und vertrauteren europäischen<br />
Märkte konzentrieren.<br />
Zu<strong>de</strong>m wächst die europäische Wirtschaft<br />
wie<strong>de</strong>r, wenn auch nicht so stark wie die<br />
Schwellenlän<strong>de</strong>r.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Irland, Griechenland,<br />
Portugal sind mit problematischen Schlagzeilen<br />
in <strong>de</strong>r Presse. Ost- und Mitteleuropa<br />
mel<strong>de</strong>n auch nicht durchweg Erfolgsgeschichten.<br />
Welche europäischen Märkte<br />
lohnen sich konkret?<br />
Elfi Schreiber: In Osteuropa sind Tschechien,<br />
Polen o<strong>de</strong>r die Slowakei <strong>de</strong>rzeit einen Blick<br />
wert, im alten Europa vor allem Schwe<strong>de</strong>n,<br />
Finnland, Frankreich o<strong>de</strong>r Großbritannien.<br />
Hinzu kommt, dass ein Markt immer aus <strong>de</strong>m<br />
Blickwinkel <strong>de</strong>r eigenen Branche betrachtet<br />
wer<strong>de</strong>n sollte. So ist Skandinavien für die<br />
Bauwirtschaft, Italien für die Umweltwirtschaft<br />
eine Option.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Was empfehlen Sie<br />
außerhalb von Europa?<br />
Ernst Leiste: Die BRIC-Staaten, also Brasilien,<br />
Russland, Indien und China, sind nach<br />
wie vor wachstumsstarke Märkte. Aber<br />
auch die Türkei und Nordafrika kann man<br />
getrost in die engere Wahl nehmen. Die<br />
bei<strong>de</strong>n Letzteren sind etwa für erneuerbare<br />
Energien ein interessantes Feld. Wer wenig<br />
Erfahrung hat, kann mit diesen entfernten<br />
und komplizierten Märkten allerdings auch<br />
überfor<strong>de</strong>rt sein.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Aus Russland wur<strong>de</strong><br />
zuletzt ein stagnieren<strong>de</strong>s Wachstum<br />
gemel<strong>de</strong>t …<br />
Elfi Schreiber: Inzwischen wächst die<br />
Wirtschaft Russlands um beachtliche vier<br />
Prozent. Gewaltige Mo<strong>de</strong>rnisierungsvorhaben<br />
in <strong>de</strong>n Bereichen Infrastruktur, Rohstoffe,<br />
Energiewirtschaft, Wasserwirtschaft/<br />
Abfallentsorgung, Gesundheitswesen und<br />
im Bereich <strong>de</strong>r Informations- und Kommunikationstechnik<br />
bieten große Chancen für<br />
<strong>de</strong>utsche Unternehmen.<br />
Wichtig ist: Die Wahl eines Markts muss<br />
immer aus Sicht <strong>de</strong>s jeweiligen Unternehmens<br />
erfolgen.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 39
KANZLEI & PERSÖNLICHES Unternehmensberatung<br />
Nutzen Sie das Internet<br />
Das A und O <strong>de</strong>s Auslandserfolgs ist die Vorbereitung. Informationen<br />
gibt es en masse. Sichten Sie zum Einstieg diese Websites:<br />
www.afrikaverein.<strong>de</strong> Der Afrikaverein ist <strong>de</strong>r Außenwirtschaftsverband<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Unternehmen und<br />
Institutionen mit wirtschaftlichen Interessen<br />
in <strong>de</strong>n Staaten <strong>de</strong>s afrikanischen<br />
Kontinents.<br />
www.ahk.<strong>de</strong> Hier fin<strong>de</strong>n Sie die Standorte aller Außenhan<strong>de</strong>lskammern<br />
mit direktem Link auf<br />
<strong>de</strong>ren Seite.<br />
www.bdi.eu Aktuelle Informationen zur Außenwirtschaft,<br />
aber auch zu allen wichtigen<br />
Regionen, sind unter dieser Adresse zu<br />
fin<strong>de</strong>n. Hier gibt es auch die Links zu <strong>de</strong>n<br />
einzelnen regionalen Initiativen <strong>de</strong>s BDI,<br />
etwa zum Ost-Ausschuss <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Wirtschaft, zum Asien-Pazifik-Ausschuss<br />
o<strong>de</strong>r zur Lateinamerika-Initiative <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Wirtschaft.<br />
www.dihk.<strong>de</strong> Der DIHK versorgt Sie hier laufend mit<br />
Außenwirtschaftsinformationen, Messeinformationen,<br />
Positionen. Tipp: Immer auch<br />
die Außenwirtschaftsinformationen und<br />
Veranstaltungen <strong>de</strong>r örtlichen Industrieund<br />
Han<strong>de</strong>lskammern sichten!<br />
www.enterprise-europe-<br />
network.ec.europa.eu<br />
Das Enterprise Europe Network ist eine<br />
Einrichtung <strong>de</strong>r Europäischen Kommission<br />
mit Kontaktpunkten in vielen <strong>de</strong>utschen<br />
Städten. Das Netzwerk hilft kleinen<br />
Unternehmen „das Beste aus <strong>de</strong>m<br />
europäischen Marktplatz zu machen“.<br />
www.gtai.<strong>de</strong> Germany Tra<strong>de</strong> & Invest gibt einen Überblick<br />
über alle Märkte weltweit, veröffentlicht<br />
regelmäßig Konjunkturberichte,<br />
analysiert die Ziellän<strong>de</strong>r immer auch branchenbezogen<br />
(es gibt eine „Brancheninternational“-Übersicht,<br />
die regelmäßig<br />
aktualisiert wird), hilft mit vielen Detailinformationen.<br />
Die Außenwirtschaftsagentur<br />
hat Korrespon<strong>de</strong>nten an allen einschlägigen<br />
Standorten.<br />
www.lateinamerikaverein.<strong>de</strong> Der Lateinamerikaverein e.V. ist das Unternehmensnetzwerk<br />
und die Informationsplattform<br />
für die <strong>de</strong>utsche Wirtschaft mit<br />
Interessen an und in Lateinamerika.<br />
www.oav.<strong>de</strong> Dahinter verbirgt sich die German Asia-<br />
Pacific Business Association, das Netzwerk<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Asienwirtschaft.<br />
Quelle: Dr. Gabriele Lüke<br />
» Bank rechtzeitig<br />
einbin<strong>de</strong>n<br />
Die Commerzbank ist in 60<br />
Län<strong>de</strong>rn vertreten. Bernd Laber,<br />
Bereichsvorstand Mittelstandsbank<br />
International, gibt einen<br />
Einblick in die Finanzierung<br />
von Auslandsgeschäften.<br />
Wer für ein Auslandsgeschäft die Unterstützung<br />
seiner Bank in Anspruch nehmen möchte, sollte<br />
die Bank möglichst früh einbin<strong>de</strong>n. Denn sowohl<br />
die <strong>de</strong>r Finanzierung vorausgehen<strong>de</strong> Bonitätsprüfung<br />
als auch die Besicherung brauchen Zeit.<br />
Welche Sicherheitsanfor<strong>de</strong>rungen ein Unternehmen<br />
schließlich erfüllen muss, hängt vom<br />
Land und seinem Risikoprofil, von <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s<br />
Geschäfts und <strong>de</strong>r Finanzierung, <strong>de</strong>r Laufzeit,<br />
<strong>de</strong>m Verwendungszweck sowie <strong>de</strong>r Bonität ab.<br />
Da Auslandsaktivitäten oft mit Exportgeschäften<br />
beginnen, seien die in diesem Zusammenhang<br />
gängigen Finanzierungen genauer in <strong>de</strong>n<br />
Blick genommen:<br />
1. Lieferantenkredit: Dieser finanziert die<br />
For<strong>de</strong>rung, die <strong>de</strong>r Exporteur <strong>de</strong>m Importeur<br />
stellt. Die Bank zahlt <strong>de</strong>n Kredit an <strong>de</strong>n<br />
Exporteur aus. Gesichert wird <strong>de</strong>r Kredit über<br />
die Ansprüche aus <strong>de</strong>r Lieferung. Ein Lieferantenkredit<br />
unterstützt <strong>de</strong>n Exporteur häufig<br />
in <strong>de</strong>r Produktionsphase.<br />
2. Bestellerkredit: Hier gewährt eine inländische<br />
Bank einem ausländischen Importeur<br />
einen Kredit. Ausgezahlt wird <strong>de</strong>r Kredit<br />
jedoch an <strong>de</strong>n Exporteur. Der Bestellerkredit<br />
hilft <strong>de</strong>m Exporteur in <strong>de</strong>r Regel bei Geschäften<br />
mit mehrjährigem Zahlungsziel.<br />
3. Regresslose Forfaitierung: In diesem Fall<br />
kauft die Bank die For<strong>de</strong>rung, die ein Exporteur<br />
nach vertragsgemäßer Lieferung gegenüber<br />
<strong>de</strong>m Importeur hat, von <strong>de</strong>m Exporteur<br />
an. Bei Zahlungsausfall greift die Bank jedoch<br />
nicht auf <strong>de</strong>n Exporteur zurück. Deshalb<br />
braucht die regresslose Forfaitierung in <strong>de</strong>r<br />
Regel stets die Sicherheit (Dokumentenakkreditiv,<br />
Bankgarantie o<strong>de</strong>r Ähnliches) einer<br />
erstklassigen Auslandsbank. Eine Forfaitierung<br />
ist für einen Exporteur dann sinnvoll,<br />
wenn das Zielland hohe politische Risiken<br />
aufweist, die zu For<strong>de</strong>rungsausfall führen<br />
können.<br />
Quelle: Dr. Gabriele Lüke<br />
40 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Mittelständler im Ausland aktiv und erfolgreich<br />
Vier aktuelle Beispiele, die zeigen, dass sich das Engagement mittelständischer Firmen auf ausländischen<br />
Märkten auch über Jahre hinaus rechnet.<br />
In Deutschland …<br />
… bringt es Heinz Artmann<br />
gera<strong>de</strong> einmal auf einen Umsatzanteil<br />
von zwei Prozent. „Meine<br />
Märkte liegen einfach im Ausland.“<br />
Der geschäftsführen<strong>de</strong><br />
Gesellschafter <strong>de</strong>r SID-Consult<br />
GmbH in Berlin erzählt, wie es<br />
dazu kam: „Ich leitete viele Jahre<br />
<strong>de</strong>n internationalen Vertrieb<br />
eines großen Druckmaschinenherstellers.<br />
Mein Schwerpunkt war <strong>de</strong>r Hochsicherheitsdruck.“<br />
Dann zerbrach in <strong>de</strong>n 90er-Jahre die Sowjetunion, neue Nationalstaaten<br />
entstan<strong>de</strong>n, sie alle brauchten sichere Personalausweise,<br />
Reisepässe o<strong>de</strong>r Zolldokumente. Artmann ging in die Selbstständigkeit<br />
und begann Staatsdruckereien zu beraten, sie mit neuen<br />
Hochsicherheitsdruckanlagen auszustatten, die dazugehörigen<br />
Prozesse zu installieren und zu begleiten. „Mittlerweile arbeiten<br />
meine sieben Mitarbeiter und ich aber nicht nur in <strong>de</strong>r Ex-Sowjetunion.<br />
Auch Asien und Lateinamerika sind gute Kun<strong>de</strong>n.“ Artmann<br />
nennt diese drei Erfolgskriterien:<br />
1. Kontaktpflege.<br />
2. Empfehlungsprinzip.<br />
3. Interkulturelles Wissen.<br />
Stark im Netzwerk<br />
Aus dieser Überzeugung heraus<br />
grün<strong>de</strong>te sich im Jahr 2002 die<br />
Global Partners Bayern e.V. in<br />
München. Heute vereint das<br />
Netzwerk rund 40 Unternehmen.<br />
Gemeinsam erschließen sie Märkte<br />
in aller Welt. Beispiel: „Wir<br />
bereiten ein Pilotprojekt zum<br />
Thema Gebäu<strong>de</strong>effizienz in Russland<br />
vor, unterstützen <strong>de</strong>n Markteintritt<br />
von Bildungsunternehmen in Südafrika, entwickeln Wege,<br />
um im Auftragsgeschäft für Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften,<br />
zum Beispiel in Brasilien, aber auch an an<strong>de</strong>ren<br />
Austragungsorten, erfolgreich sein zu können“, so Andrea<br />
Mewaldt, stellvertreten<strong>de</strong> Vereinsvorsitzen<strong>de</strong>. Sie nennt folgen<strong>de</strong><br />
Erfolgsfaktoren:<br />
1. Rücken<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Politik.<br />
2. Interdisziplinäre Projektarbeit: „Steht ein Projekt im Raum,<br />
bringen Mitglie<strong>de</strong>r ihre Kompetenzen, Erfahrungen und Kapazitäten<br />
zusammen. So erreichen wir wirtschaftlichen Erfolg.“<br />
3. Ganzheitliches Denken: „Wir verbin<strong>de</strong>n unsere Projekte in <strong>de</strong>n<br />
Schwellenlän<strong>de</strong>rn stets mit Nachhaltigkeit – das ist unser<br />
i<strong>de</strong>alistischer Anspruch.“<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Trotz schwieriger Anfänge …<br />
… bleibt die Sfirion AG in München<br />
auf Auslandskurs. Das Unternehmen<br />
mit 20 Mitarbeitern ist Anbieter<br />
für Projektmanagement in <strong>de</strong>n<br />
Bereichen Neu- und Ausbau. „Die<br />
Internationalisierung gehört seit<br />
unserer Gründung 2001 zu unseren<br />
strategischen Zielen“, erzählt Vorstand<br />
Albert Ripberger. „Das<br />
heißt aber nicht, dass sie einfach<br />
wäre. Wir haben unser Lehrgeld bereits bezahlt.“ Erstmals in <strong>de</strong>n<br />
USA. „Da haben wir <strong>de</strong>n Auftraggeber im Vorfeld nicht genug<br />
geprüft. Und warten noch heute auf unser Honorar …“ Das folgen<strong>de</strong><br />
Auslandsprojekt in Rumänien bereitete Sfirion akribisch<br />
vor. Seine drei Haupti<strong>de</strong>en:<br />
1. Grundsätzliche Vorbereitung: „Wir haben ein mehrsprachiges,<br />
multikulturelles Team aufgebaut.“<br />
2. Markteinstieg: „Wir prüfen sehr genau unsere Marktchancen.<br />
Dann grün<strong>de</strong>n wir mit einem Partner ein Joint Venture: Als Dienstleister<br />
müssen wir vor Ort Präsenz und Kun<strong>de</strong>nnähe zeigen.“<br />
3. Partnerwahl: „Zu Partnern vor Ort machen wir Menschen, die<br />
wir kennen und die die Märkte kennen. Sie haben gute Kontakte<br />
und beherrschen die Lan<strong>de</strong>ssprache.“<br />
Jahrzehntelange Auslandserfahrung …<br />
… prägt die Gustav Klein GmbH &<br />
Co. KG im bayerischen Schongau.<br />
Das High-Tech-Unternehmen mit<br />
200 Mitarbeitern produziert Anlagen,<br />
die eine unterbrechungsfreie<br />
Stromversorgung garantieren.<br />
„Unser Unternehmen wur<strong>de</strong><br />
direkt nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg<br />
gegrün<strong>de</strong>t, das Auslandsgeschäft<br />
entwickelte sich relativ<br />
schnell. Zunächst exportierten wir nach Österreich, wo wir bald<br />
auch ein Tochterunternehmen grün<strong>de</strong>ten“, so <strong>de</strong>r geschäftsführen<strong>de</strong><br />
Gesellschafter Günther Stensitzki. Heute befin<strong>de</strong>n sich<br />
Anlagen in 84 Län<strong>de</strong>rn. So sichert die Firma ihren Erfolg:<br />
1. Risikostreuung durch direkten und indirekten Export.<br />
2. Netzwerkarbeit: „Wir betreiben Cluster-, Netzwerk- und Verbandsarbeit.<br />
So sprechen sich auch unsere Qualität und Kompetenz<br />
herum.“<br />
3. Kompetentes Team: „Zum einen haben wir in unseren wichtigsten<br />
Märkten Partner aufgebaut, zum an<strong>de</strong>ren haben wir ein<br />
bestens ausgebil<strong>de</strong>tes Team, das sich um die komplizierten,<br />
aufwendigen und sich oft verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Zollformalitäten o<strong>de</strong>r<br />
Produktbeschreibungsanfor<strong>de</strong>rungen kümmert.“<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 41
KANZLEI & PERSÖNLICHES Kanzleimanagement<br />
Cebit 2011<br />
Die Wolke<br />
än<strong>de</strong>rt alles<br />
Wer in diesem Jahr über die Computermesse Cebit in Hannover geht, wird<br />
einem Thema mit Sicherheit nicht entkommen: Cloud Computing. Auch<br />
für Steuerberater eröffnen sich dadurch neue, interessante Möglichkeiten.<br />
Cloud Computing, also IT-Dienstleistungen<br />
übers Internet, das ist das große Thema <strong>de</strong>r<br />
diesjährigen Cebit. Über die Be<strong>de</strong>utung dieser<br />
Technik sind sich alle einig. So beginnt<br />
etwa ein Analystenkommentar <strong>de</strong>s Marktforschungsunternehmens<br />
Experton Group<br />
vom Februar, verfasst von Steve Janata und<br />
» Kanzlei-Software-<br />
Anbieter auf <strong>de</strong>r<br />
CeBIT<br />
Addison<br />
Halle 5, Stand F16<br />
www.addison.<strong>de</strong><br />
Datev<br />
Halle 2, Stand A40<br />
www.datev.org<br />
<strong>Haufe</strong>-Lexware<br />
Halle 5, Stand F 26<br />
www.haufe.<strong>de</strong><br />
HMD-Software<br />
Halle 5, Stand F38<br />
www.hmdweb.net<br />
Simba Computer Systeme<br />
Halle 5, Stand B 38<br />
www.simba.<strong>de</strong><br />
Dr. Carlo Velten, mit <strong>de</strong>n markigen Worten:<br />
„Cloud Computing gehört die Zukunft.“ Und<br />
auch die vom Bun<strong>de</strong>swirtschaftsministerium<br />
in Auftrag gegebene Studie „Das wirtschaftliche<br />
Potenzial <strong>de</strong>s Internet <strong>de</strong>r Dinge“<br />
erkennt in Cloud Computing „<strong>de</strong>utlich mehr<br />
als einen reinen Marketing-Hype <strong>de</strong>r Anbieter“.<br />
Mittel- bis langfristig wer<strong>de</strong> sich das<br />
Cloud-Konzept durchsetzen und einen tiefgreifen<strong>de</strong>n<br />
Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s IT-Markts bewirken.<br />
Vor allem kleine Unternehmen sind bereits<br />
auf <strong>de</strong>n anfahren<strong>de</strong>n Cloud-Computing-Zug<br />
aufgesprungen, berichtet das US-amerikanische<br />
Unternehmen Spiceworks. Weltweit<br />
nutzten Mitte 2010 bereits 38 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern<br />
Cloud-Services o<strong>de</strong>r planten <strong>de</strong>ren<br />
Einführung innerhalb <strong>de</strong>r nächsten sechs<br />
Monate. Damit hängen sie größere Firmen<br />
klar ab, bei <strong>de</strong>nen erst 17 Prozent (20 bis 99<br />
Mitarbeiter) o<strong>de</strong>r 22 Prozent (über 100 Mitarbeiter)<br />
IT-Dienste übers Internet beziehen.<br />
Cloud-Lösungen machen<br />
Steuerkanzleien flexibler<br />
Auch bei <strong>de</strong>r Datev ist man <strong>de</strong>r Meinung, dass<br />
die Cloud (Wolke) mehr als ein Mo<strong>de</strong>wort ist<br />
und Cloud-Services Steuerkanzleien neue<br />
Chancen eröffnen. Weil eine Cloud-Lösung<br />
mit steigen<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen wachsen und<br />
auch ebenso schnell wie<strong>de</strong>r geschrumpft wer<strong>de</strong>n<br />
kann, gewinne <strong>de</strong>r Kanzleiinhaber ein<br />
Höchstmaß an Flexibilität. „Thematisch dreht<br />
sich unser Messeauftritt ganz um die Prozesse<br />
in <strong>de</strong>r Kanzlei beziehungsweise um die<br />
arbeitsteilige Prozessorganisation mit ihren<br />
Mandanten“, berichtet Datev-Sprecher Benedikt<br />
Le<strong>de</strong>r. „Schwerpunktthemen sind unsere<br />
Cloud-Dienste, <strong>de</strong>ren Anbindung an Vor-Ort-<br />
Lösungen sowie die Umstellung auf unsere<br />
prozessorientierte Software-Generation.“ Mit<br />
<strong>de</strong>r passen<strong>de</strong>n Kombination von Leistungen<br />
vor Ort und in <strong>de</strong>r geschützten Cloud helfe<br />
die Datev, Kanzleiprozesse und die Zusammenarbeit<br />
mit Mandanten zu verbessern.<br />
Konkret zeigt die Datev neue Funktionen in<br />
„Bankkonto online“. Die Funktion „Kontoauszüge<br />
kontrollieren“ etwa ermögliche einen<br />
aktuellen Überblick über Zahlungsvorgänge<br />
und helfe beim Abgleich von Rechnungen<br />
und Kontoinformationen. Der Unternehmer<br />
digitalisiert dafür zunächst seine Belege.<br />
Die Kontoauszüge wer<strong>de</strong>n per RZ-Bankinfo<br />
im Datev-Rechenzentrum bereitgestellt und<br />
dann <strong>de</strong>n Kontoauszugpositionen automatisch<br />
per OCR-Rechnungserkennung die<br />
digitalisierten Belege zugeordnet. Der Unternehmer<br />
kann die Rechnungen prüfen und mit<br />
Notizen versehen. „Die Arbeit mit <strong>de</strong>m Pen<strong>de</strong>lordner<br />
wird durch eine komfortable und<br />
flexible Lösung ersetzt“, erklärt Le<strong>de</strong>r.<br />
Außer<strong>de</strong>m stellt die Datev auf <strong>de</strong>r Cebit eine<br />
Software-Lösung für die kaufmännischen Aufgaben<br />
in kleinen und mittleren Unternehmen<br />
vor, die das Zusammenspiel zwischen Steuerberatern<br />
und <strong>de</strong>ren Mandanten erleichtern<br />
soll. Die Komplettlösung „Datev Mittelstand<br />
pro“ integriert laut Benedikt Le<strong>de</strong>r Auftragswesen,<br />
digitale Dokumentenablage, Finanzbuchhaltung<br />
sowie Zahlungsverkehr und<br />
vereinfache die damit verbun<strong>de</strong>nen Abläufe.<br />
Datev-Cloud-Services lassen sich anbin<strong>de</strong>n.<br />
42 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Passend zum Cebit-Topthema Cloud Computing<br />
stellt <strong>Haufe</strong>, wo auch <strong>de</strong>r <strong>SteuerConsultant</strong><br />
erscheint, auf <strong>de</strong>r Cebit eine Online-Wissensplattform<br />
für Kanzleien vor. Die „<strong>Haufe</strong><br />
Kanzlei Suite“ vernetzt interne Dokumente<br />
<strong>de</strong>r Kanzlei mit <strong>de</strong>m Know-how von <strong>Haufe</strong><br />
sowie Inhalten von Dritten. Das Beson<strong>de</strong>re<br />
<strong>de</strong>r Lösung: Alle Mitarbeiter haben über eine<br />
einheitliche Oberfläche Zugriff auf alle Informationsquellen<br />
<strong>de</strong>r Kanzlei – egal, ob sie auf<br />
Servern <strong>de</strong>r Kanzlei abgelegt sind, im <strong>Haufe</strong>-<br />
Rechenzentrum o<strong>de</strong>r bei Drittanbietern.<br />
Semantische Suche hilft<br />
beim Wissensmanagement<br />
Dank einer semantischen Verknüpfung<br />
bekommen die Mitarbeiter zusätzliche, zur<br />
jeweils geöffneten Datei passen<strong>de</strong>, themenverwandte<br />
Dokumente, Artikel o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
Quellen übersichtlich präsentiert. „<strong>Haufe</strong><br />
Kanzlei Suite“ ermöglicht die individuelle<br />
Anpassung <strong>de</strong>r Wissensbasis und stellt damit<br />
sicher, dass je<strong>de</strong>r Mitarbeiter nur die Quellen<br />
durchsuchen muss, die für seine Arbeit<br />
relevant sind. Damit verspricht <strong>de</strong>r Anbieter<br />
<strong>de</strong>n Kanzleien ein schnelleres Auffin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
relevanten Infos.<br />
Ein umfassen<strong>de</strong>s Rollen- und Rechtesystem<br />
regelt, welcher Mitarbeiter welche Dokumente<br />
und Quellen sehen, nutzen und verän<strong>de</strong>rn<br />
darf – ein für die Sicherheit <strong>de</strong>r Daten<br />
unverzichtbares Instrument.<br />
Addison stellt in Halle 5 <strong>de</strong>r Cebit ein neues<br />
Online-Portal für Steuerberater vor. Es dient<br />
als gemeinsame Kommunikationsplattform<br />
für Kanzleimitarbeiter und Mandanten und<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
bin<strong>de</strong>t verschie<strong>de</strong>ne Anwendungen ein, unter<br />
an<strong>de</strong>rem das Online-Kassenbuch, die Übermittlung<br />
von digitalen Belegen und <strong>de</strong>ren<br />
Archivierung, Online-Auswertungen für <strong>de</strong>n<br />
Mandanten sowie <strong>de</strong>n Online-Zahlungsverkehr.<br />
Addison will mit diesen Cloud-Diensten<br />
die Arbeitsabläufe <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n optimieren.<br />
Außer<strong>de</strong>m zeigt <strong>de</strong>r Ludwigsburger Software-<br />
Anbieter auf seinem Stand ein neues Dokumentenmanagementsystem<br />
(DMS), das eine<br />
revisionssichere elektronische Archivierung<br />
ermöglicht und völlig unabhängig von <strong>de</strong>r<br />
Quelle ist – egal, ob E-Mail, Beleg o<strong>de</strong>r Office-<br />
Dokument. Das neue Addison-System basiert<br />
vollständig auf einer Lösung <strong>de</strong>r Docuware<br />
AG, die nahtlos in die Addison-Oberfläche<br />
integriert wur<strong>de</strong>. Das soll einen durchgängigen<br />
Arbeitsablauf ohne Wechsel in eine<br />
an<strong>de</strong>re Software-Umgebung garantieren.<br />
Das zentrale Dokumentenarchiv steht allen<br />
Berechtigten weltweit zur Verfügung.<br />
Kurz und bündig: Cloud Computing<br />
Die Wolke (Cloud) steht als Sinnbild dafür, dass Datenspeicher und<br />
Software nicht mehr „handgreiflich“ vor Ort bereitgehalten wer<strong>de</strong>n.<br />
Hinter <strong>de</strong>m Begriff Cloud Computing<br />
verbirgt sich eine Vielzahl von IT-<br />
Dienstleistungen und -Angeboten.<br />
Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie<br />
nicht in <strong>de</strong>n eigenen Räumen <strong>de</strong>r<br />
Kanzlei erbracht wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
dass Dritte sie bereitstellen. Als<br />
Transportmedium für <strong>de</strong>n Datenaustausch<br />
dient meist das Internet. Der<br />
Vorteil von Cloud-Diensten: Sie können<br />
bedarfsabhängig und flexibel in<br />
Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n, und die<br />
Abrechnung erfolgt nutzungsbasiert.<br />
Nutzt eine Kanzlei sogenannte<br />
Public-Cloud-Services, bezieht sie<br />
die Leistungen von einem externen<br />
Dienstleister. Er stellt in <strong>de</strong>r Regel<br />
eine physikalische Infrastruktur bereit<br />
(Server), die verschie<strong>de</strong>ne Kun<strong>de</strong>n<br />
gleichzeitig nutzen. Obwohl die Daten<br />
und Anwendungen <strong>de</strong>r unterschiedlichen<br />
Anwen<strong>de</strong>r physikalisch auf <strong>de</strong>m<br />
gemeinsam genutzten Server liegen,<br />
ist sichergestellt, dass kein Kun<strong>de</strong> die<br />
Daten <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren einsehen kann.<br />
Im neu gestalteten Präsentationsbereich<br />
<strong>de</strong>s Stands von HMD können Besucher alle<br />
Lösungen <strong>de</strong>s Software-Herstellers im Echtbetrieb<br />
testen. An zwei Arbeitsplätzen – einer<br />
für <strong>de</strong>n Sachbearbeiter o<strong>de</strong>r Chef in <strong>de</strong>r Kanzlei,<br />
einer für <strong>de</strong>n Mandanten in seinem Büro<br />
– lassen sich Belege scannen und übertragen,<br />
Einwahlen testen o<strong>de</strong>r die Kommunikationslösungen<br />
live ausprobieren.<br />
Beson<strong>de</strong>rs hervor hebt HMD-Geschäftsführer<br />
Martin Moser die neue Einkommensteuer-<br />
Software „ESTpro“ aus seinem Haus. „Unsere<br />
neue Anwendung ist mehr als nur ein Werkzeug<br />
zur Verarbeitung von Steuerdaten“, sagt<br />
Moser. Dank vieler Zusatzfunktionen könne<br />
die Software auch gleich als Hilfsmittel zur<br />
Beratung genutzt wer<strong>de</strong>n. So erinnert beispielsweise<br />
eine eingebaute Terminfunktion<br />
<strong>de</strong>n Steuerberater an bevorstehen<strong>de</strong> wichtige<br />
Steuertermine. „ESTpro“ sen<strong>de</strong>t zu<strong>de</strong>m auf<br />
Wunsch vorgefertigte Briefe an Mandanten<br />
Beim Private-Cloud-Computing hingegen<br />
steht die Infrastruktur einem<br />
Unternehmen exklusiv zur Verfügung.<br />
Eine solche Lösung kann beispielsweise<br />
verschie<strong>de</strong>ne Unternehmensbereiche<br />
o<strong>de</strong>r -nie<strong>de</strong>rlassungen zentral<br />
an die IT-Infrastruktur anbin<strong>de</strong>n.<br />
Für Steuerkanzleien sind vor allem<br />
zwei Ausprägungen von Cloud-Diensten<br />
interessant:<br />
Bereitstellung von Infrastrukturdiensten<br />
(Infrastructure as a Service):<br />
Kanzleien können Rechenleistung,<br />
Speicherkapazitäten<br />
o<strong>de</strong>r beispielsweise eine virtuelle<br />
Telefonanlage mieten und vom<br />
Dienstleister warten lassen.<br />
Anwendungen aus <strong>de</strong>r Cloud (Software<br />
as a Service): Wer Programme<br />
aus <strong>de</strong>r Cloud nutzt, muss die Software<br />
nicht auf eigenen Servern und<br />
Clients installieren und braucht<br />
sich nicht um die Wartung <strong>de</strong>r Server<br />
zu kümmern und ist auch vom<br />
Einspielen von Updates befreit.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 43
KANZLEI & PERSÖNLICHES Kanzleimanagement<br />
Die Cebit 2011 auf einen Blick<br />
Je<strong>de</strong>s Frühjahr wird Hannover zum Mittelpunkt <strong>de</strong>s IT-Universums.<br />
Zuletzt kamen 334.000 Besucher aus 83 Län<strong>de</strong>rn zur Cebit.<br />
Fünf Tage lang präsentiert sich die ganze<br />
Welt <strong>de</strong>r Informationstechnologie auf<br />
<strong>de</strong>r Computermesse Cebit in Hannover<br />
in an<strong>de</strong>rthalb Dutzend Hallen. Der<br />
Ausstellungsbereich <strong>de</strong>r Messe ist in<br />
vier Kernbereiche geglie<strong>de</strong>rt. „Cebit<br />
pro“ bietet in <strong>de</strong>n Hallen 2-11 und 11-17<br />
einen Überblick über Lösungen für Entschei<strong>de</strong>r<br />
aus Industrie und Handwerk,<br />
Han<strong>de</strong>l, Dienstleistungsunternehmen<br />
sowie Einkäufer und Selbstständige.<br />
Bei „Cebit lab“ in <strong>de</strong>n Hallen 8 und 9<br />
präsentieren Hochschulen, industrielle<br />
Forschungseinrichtungen sowie Jungunternehmen<br />
ihre Projekte. „Cebit gov“,<br />
ebenfalls in <strong>de</strong>n Hallen 8 und 9, wen<strong>de</strong>t<br />
sich mit <strong>de</strong>n Bereichen Public Sector<br />
Parc und Tele-Health an die öffent-<br />
und lässt sich nahtlos ins Dokumentenarchiv<br />
integrieren. Damit haben die Kanzleimitarbeiter<br />
alle notwendigen Dokumente, auch<br />
die aus <strong>de</strong>n Vorjahren, stets im Blick. „Eine<br />
neuartige Verarbeitung <strong>de</strong>r Daten über Dialogmasken<br />
erleichtert <strong>de</strong>m Steuerberater das<br />
Ausfüllen <strong>de</strong>r Formulare“, berichtet Moser.<br />
Obwohl Simba je<strong>de</strong>s Jahr eine eigene große<br />
Kun<strong>de</strong>nveranstaltung durchführt, ist das<br />
Unternehmen auch dieses Jahr wie<strong>de</strong>r auf<br />
<strong>de</strong>r Cebit vertreten. Die große Enthüllung<br />
einer neuen Software-Generation wer<strong>de</strong>n<br />
die Steuerberater bei Simba allerdings nicht<br />
sehen. „Das wür<strong>de</strong> unserer Strategie wi<strong>de</strong>rsprechen“,<br />
sagt Rainer Börke, Vertriebsleiter<br />
beim Software-Haus Simba.<br />
Mehr Sicherheit und eine App<br />
für Windows Phone 7<br />
Man erneuere die eigenen Anwendungen<br />
permanent und stelle die neuen o<strong>de</strong>r überarbeiteten<br />
Module <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n regelmäßig<br />
kostenfrei zur Verfügung, ohne dass eine<br />
Datenmigration notwendig wer<strong>de</strong>. Simba<br />
ist nach Angaben von Börke <strong>de</strong>rzeit dabei,<br />
seine Steuer-Software Schritt für Schritt auf<br />
mo<strong>de</strong>rnste Web-Technologien und intuitive<br />
liche Verwaltung. „Cebit life“ in Halle<br />
19 schließlich verschafft Konsumenten<br />
einen Überblick über Neuheiten <strong>de</strong>r<br />
Informations- und Telekommunikationstechnik<br />
für <strong>de</strong>n Alltag. Zusätzlich<br />
zum Ausstellungsbereich erwartet<br />
die Messebesucher ein umfangreiches<br />
Vortragsprogramm. Das diesjährige<br />
Messe-Partnerland ist die Türkei.<br />
Termin: 1. bis 5. März 2011<br />
Öffnungszeiten: täglich 9 bis 18 Uhr<br />
Ort: Messegelän<strong>de</strong> Hannover<br />
Eintrittspreise:<br />
Tagesticket (Vorverkauf): 34 Euro<br />
Tagesticket (Tageskasse): 39 Euro<br />
Dauerticket (Vorverkauf): 77 Euro<br />
Dauerticket (Tageskasse): 87 Euro<br />
Nutzeroberflächen umzustellen. Den aktuellen<br />
Stand präsentiert <strong>de</strong>r Anbieter auf seinem<br />
Cebit-Stand in Halle 5.<br />
Erstmals wird auf <strong>de</strong>r Cebit eine web-basierte<br />
Variante <strong>de</strong>s Simba-Kassenbuchs zu sehen<br />
sein, das einen zusätzlichen Server nutzt, um<br />
<strong>de</strong>n Datenaustausch zwischen Mandant und<br />
Kanzlei zu vereinfachen und noch sicherer<br />
zu gestalten, als es eine Einwahl per VPN-<br />
Verbindung und <strong>de</strong>r benutzergesteuerte<br />
Zugriff auf die Daten auf <strong>de</strong>m Kanzleiserver<br />
leisten kann. Der Datenaustausch fin<strong>de</strong>t bei<br />
<strong>de</strong>r Simba-Lösung komplett auf <strong>de</strong>m zusätzlichen<br />
Server statt. Der Mandant hinterlegt<br />
seine Daten auf <strong>de</strong>m Server, die Kanzlei ruft<br />
sie ihrerseits dort ab, verarbeitet sie anschließend<br />
bei sich und stellt die Ergebnisse <strong>de</strong>n<br />
Mandanten wie<strong>de</strong>rum auf <strong>de</strong>m Austausch-<br />
Server bereit. „Diese Lösung ist leichter zu<br />
administrieren und die Kanzlei muss nicht<br />
mehr so hohe Bandbreiten vorhalten, falls<br />
viele Mandanten gleichzeitig auf ihre Daten<br />
zugreifen wollen“, erläutert Börke.<br />
Überdies zeigt Simba seinen Besuchern eine<br />
App für Smartphones, die mit <strong>de</strong>m Betriebssystem<br />
Windows Phone 7 arbeiten. Mit ihr hat<br />
<strong>de</strong>r Berater auch unterwegs Zugriff auf <strong>de</strong>n<br />
Mandantenmonitor. „Wir wer<strong>de</strong>n diese App<br />
baldmöglichst auch für an<strong>de</strong>re Plattformen<br />
wie das iPhone und das iPad anbieten“, verspricht<br />
Börke.<br />
Ein Abstecher zu an<strong>de</strong>ren<br />
Messebereichen lohnt sich<br />
Obwohl die für Steuerberater wichtigen Firmen<br />
in <strong>de</strong>n Hallen 2 und 5 konzentriert sind,<br />
lohnt sich auch ein Blick in an<strong>de</strong>re Bereiche<br />
<strong>de</strong>r Messe. So bietet die Cebit eine gute Gelegenheit,<br />
sich auf <strong>de</strong>n neuesten Stand in Sachen<br />
Sicherheits-Software zu bringen – ein Thema,<br />
das so brisant ist wie eh und je. „Die PC von<br />
41 Prozent <strong>de</strong>r Freiberufler und Inhabern von<br />
Kleinunternehmen wur<strong>de</strong>n vergangenes Jahr<br />
mit Malware infiziert“, berichtet etwa Axel<br />
Diekmann, Managing Director bei Kaspersky<br />
Lab Central Europe. „Allein diese Zahl zeigt,<br />
wie wichtig es ist, ein Bewusstsein für die<br />
Gefahren zu schaffen. Denn dabei geht es<br />
nicht nur um bloßen Datenverlust, son<strong>de</strong>rn<br />
im Extremfall ums Überleben <strong>de</strong>r Firma.“ Die<br />
meisten Anbieter von Sicherheits-Software<br />
tummeln sich in Halle 11 – darunter Avira,<br />
F-Secure, Kaspersky und Mc Afee. Symantec<br />
ist in Halle 15 vertreten.<br />
Wer sich für Desktop-, Notebook- und Tablet-<br />
PC interessiert, sollte Schuhe wählen, mit<br />
<strong>de</strong>nen er längere Wegstrecken zurücklegen<br />
kann: Asus ist in Halle 17, Acer in Halle 19<br />
und Dell sowie Fujitsu in Halle 2. Dort fin<strong>de</strong>t<br />
sich auch <strong>de</strong>r Stand von Microsoft.<br />
Nach so viel Lauftraining dürfte auch <strong>de</strong>r<br />
„Cebit-Run“ am Abend <strong>de</strong>s 3. März kein<br />
Problem mehr darstellen. Zum dritten Mal<br />
können sich Besucher und Aussteller auf<br />
<strong>de</strong>m Messegelän<strong>de</strong> läuferisch austoben. Vergangenes<br />
Jahr hatten fast 1.500 Teilnehmer<br />
nach einem anstrengen<strong>de</strong>n Messetag noch<br />
genügend Energie für <strong>de</strong>n 3,5-Kilometer- Parcours<br />
durch die Messehallen übrig.<br />
Stefan Gneiting<br />
ist freier Journalist<br />
und schreibt in erster<br />
Linie über IT und<br />
Mobilfunk. Als er 1994<br />
seinen ersten Artikel<br />
über Mobiltelefone<br />
geschrieben hat,<br />
konnte noch niemand<br />
ahnen, wie stark sie das Arbeitsleben und<br />
<strong>de</strong>n Alltag verän<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>n.<br />
E-Mail: stefan@stefan-gneiting.<strong>de</strong><br />
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3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 45
KANZLEI & PERSÖNLICHES Kanzleimanagement<br />
Steuerberater-Factoring<br />
Entlastung lockt, doch<br />
oft überwiegt Skepsis<br />
Seit Frühjahr 2008 dürfen Steuerberater For<strong>de</strong>rungen an eine Factoring-Gesellschaft verkaufen. Doch so richtig begeistern<br />
können viele sich noch nicht für diese neue Dienstleistung. Nicht wenige Kanzleiinhaber befürchten nämlich, sie könnten<br />
es sich auf diese Weise mit ihren Mandanten verscherzen. In <strong>de</strong>r Praxis gibt es unterschiedliche Erfahrungen damit.<br />
Es kann entspannend wirken,<br />
seine Rechnungen mittels<br />
Factoring sofort zu Geld zu machen.<br />
46 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Steuerberater kümmern sich gelegentlich<br />
auch um die Optimierung <strong>de</strong>s For<strong>de</strong>rungsmanagements<br />
ihrer Mandanten. Dann heißt<br />
die Lösung gerne auch mal Factoring – also<br />
For<strong>de</strong>rungsverkauf an spezielle Finanzdienstleister.<br />
„Factoring verschafft Unternehmen<br />
mehr finanziellen Freiraum“, sagt Klaus-Dieter<br />
Sauter, <strong>de</strong>r Firmen hilft, <strong>de</strong>n passen<strong>de</strong>n<br />
For<strong>de</strong>rungskäufer zu fin<strong>de</strong>n (www.factoringbroker.<strong>de</strong>).<br />
Via Factoring lassen sich nicht nur<br />
Außenstän<strong>de</strong> schneller in Bares verwan<strong>de</strong>ln,<br />
son<strong>de</strong>rn Unternehmen können auch wichtige<br />
Kennzahlen wie die Eigenkapitalrentabilität<br />
verbessern. Doch geht es um die eigene Kanzlei,<br />
sind Steuerberater bisher keine großen<br />
Factoring-Freun<strong>de</strong>.<br />
Ein Grund dafür ist sicher, dass ihnen Factoring<br />
noch gar nicht so lange erlaubt ist. „Der<br />
Gesetzgeber hatte <strong>de</strong>n Standpunkt vertreten,<br />
dass Steuerberater zu ihren Mandanten in<br />
einem beson<strong>de</strong>ren Vertrauensverhältnis stehen“,<br />
erklärt die Kanzleiberaterin und StBin<br />
Cordula Schnei<strong>de</strong>r. Mandantenrechnungen<br />
per Verkauf an eine Factoring-Gesellschaft<br />
zu Barem zu machen, war daher gesetzlich<br />
verboten. Erst die Neufassung <strong>de</strong>s § 64 Abs. 2<br />
StBerG än<strong>de</strong>rte das Anfang 2008.<br />
Doch die Sache kam nicht in Schwung. Das<br />
lag vielleicht auch daran, dass die Zahl <strong>de</strong>r<br />
Factoring-Gesellschaften, die Rechnungen von<br />
Steuerberatern ankaufen, sehr überschaubar<br />
geblieben ist. Die meisten Factoring-Anbieter<br />
machen um Steuerberater als Kun<strong>de</strong>n lieber<br />
einen Bogen. „Die For<strong>de</strong>rungsvolumina sind<br />
oft unzureichend, und die Kanzleien, die<br />
Factoring wollen, sind zu häufig Problemfälle<br />
mit hohem Bestand an alten Außenstän<strong>de</strong>n“,<br />
fasst Gert Rees, Mitgrün<strong>de</strong>r und<br />
geschäftsführen<strong>de</strong>r Gesellschafter von G.R.<br />
Factoring zusammen, warum sein Haus vom<br />
Steuerberater-Factoring die Finger lässt.<br />
Die Anbieterseite<br />
ist überschaubar<br />
Bislang werben drei Factoring-Anbieter offensiv<br />
mit Angeboten für Steuerkanzleien: VR<br />
Factorem, Opta Data sowie die genossenschaftliche<br />
Verrechnungsstelle für Steuerberater<br />
Degev – zunächst mit <strong>de</strong>m Kooperationspartner<br />
Close Finance und seit Jahresbeginn<br />
mit <strong>de</strong>r von Degev-Mitglie<strong>de</strong>rn gegrün<strong>de</strong>ten<br />
DTE-W-Steuerberatungsgesellschaft.<br />
Ein weniger auffälliger Akteur ist die unter<br />
an<strong>de</strong>rem im Inkassogeschäft aktive Creditreform,<br />
<strong>de</strong>ren regional organisierte Tochter<br />
Crefo Factoring ebenfalls For<strong>de</strong>rungen von<br />
Steuerberatern ankauft.<br />
Zahlen dazu, wie viele Steuerberater bereits<br />
vom For<strong>de</strong>rungsverkauf Gebrauch machen,<br />
geben die Factoring-Gesellschaften nicht<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
preis. Allerdings räumen sie ein, dass die<br />
Nachfrage verhalten sei. „Anfangs hatten<br />
manche Branchenkenner gedacht, Steuerberater-Factoring<br />
könnte schon bald eine<br />
Erfolgsgeschichte wer<strong>de</strong>n wie bei Ärzten“,<br />
sagt Schnei<strong>de</strong>r. In vielen Arztpraxen sei<br />
es längst ganz normal, dass Patientenrechnungen<br />
umgehend verkauft wer<strong>de</strong>n. „Steuerberater<br />
tun sich schwerer, weil ihr Verhältnis<br />
zu vielen Mandanten zumeist noch<br />
persönlicher, noch intensiver ist“, gibt sie zu<br />
be<strong>de</strong>nken.<br />
Zu <strong>de</strong>nen, die sich schneller eine höhere<br />
Akzeptanz <strong>de</strong>s Steuerberater-Factorings<br />
erhofft hatten, zählt die Datev. Die Kooperation<br />
mit VR Factorem laufe gut. Dennoch habe<br />
man entschie<strong>de</strong>n, das mit VR Factorem konzipierte<br />
Produkt Datev Factoring jetzt nicht<br />
mehr zu vertreiben, heißt es dort. Seminare<br />
zum Thema Factoring hat die Datev mangels<br />
Nachfrage ebenfalls gestrichen. Dafür sind<br />
von Verbandsseite optimistischere Töne zu<br />
hören: „Wir halten das Thema für interessant<br />
und stehen mit Anbietern im Kontakt,<br />
die auch ihre Angebote bei passen<strong>de</strong>r Gelegenheit,<br />
beispielsweise auf <strong>de</strong>m Deutschen<br />
Steuerberatertag, präsentieren können“, teilt<br />
<strong>de</strong>r Deutsche Steuerberaterverband mit.<br />
Mandanten müssen <strong>de</strong>n<br />
Rechnungsverkauf genehmigen<br />
Im Gegensatz zu vielen an<strong>de</strong>ren Branchen<br />
müssen Steuerberater wie Ärzte und Rechtsanwälte<br />
von ihren Mandanten die Einwilligung<br />
zum Rechnungsverkauf einholen,<br />
entwe<strong>de</strong>r ausdrücklich o<strong>de</strong>r per AGB (§ 64<br />
Abs. 2 S. 2 StBerG). „Die Offenlegung <strong>de</strong>r<br />
For<strong>de</strong>rungsabtretung ist unserer Erfahrung<br />
nach <strong>de</strong>r Hauptgrund, warum Steuerberater<br />
zögern, Factoring als Finanzierungsinstrument<br />
einzusetzen“, sagt RA Hubertus Bruch<br />
von Opta Data, „obwohl ich keinen Fall kenne,<br />
bei <strong>de</strong>m ein Mandant wegen eines For<strong>de</strong>rungsverkaufs<br />
an uns die Zusammenarbeit<br />
mit einer Kanzlei aufgekündigt hätte.“<br />
Opta Data hatte überlegt, eine Steuerberatungsgesellschaft<br />
als Factoring-Vertragspartner<br />
zu grün<strong>de</strong>n, um die Offenlegung <strong>de</strong>r<br />
For<strong>de</strong>rungsabtretung gegenüber Mandanten<br />
zu umgehen. Doch wegen berufsrechtlicher<br />
Be<strong>de</strong>nken nach einer Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.2.2011,<br />
Aktenz. 2 K 2185/09) in einem ähnlichen Fall,<br />
legte Opta Data dieses Vorhaben wie<strong>de</strong>r auf<br />
Eis. Jetzt dürfte Bruch wohl gespannt sein, ob<br />
ein entsprechen<strong>de</strong>r Versuch <strong>de</strong>r Konkurrenz<br />
erfolgreicher sein wird. Seit Jahresbeginn bietet<br />
die DTE-W-Steuerberatungsgesellschaft<br />
Steuerberater-Factoring an. „Das ist <strong>de</strong>r<br />
Konkurrenz ein Dorn im Auge“, sagt Jochen<br />
Interview<br />
„Steuerberater halten<br />
ziemlich lange still“<br />
Cordula Schnei<strong>de</strong>r, Kanzleiberaterin,<br />
über For<strong>de</strong>rungsmanagement.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Frau Schnei<strong>de</strong>r, woran<br />
liegt es, dass Steuerberatern die eigenen<br />
Debitoren mitunter so große Probleme<br />
bereiten?<br />
Cordula Schnei<strong>de</strong>r: Steuerberater halten<br />
ziemlich lange still, wenn es Mandanten<br />
schlecht geht – länger als Banken und Lieferanten.<br />
Denn im Gegensatz zu Rechtsanwälten<br />
sind ihre Mandantenbeziehungen langfristig<br />
ausgerichtet. Da ist die Hemmschwelle<br />
hoch, sie mit so etwas wie einer Mahnung zu<br />
belästigen.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Deshalb wäre es doch<br />
sinnvoll, das For<strong>de</strong>rungsmanagement und<br />
das Mahnwesen jeman<strong>de</strong>m anzuvertrauen,<br />
<strong>de</strong>r weniger Skrupel hat.<br />
Cordula Schnei<strong>de</strong>r: Prinzipiell schon. Aber<br />
Steuerberater wür<strong>de</strong>n gerne selektieren,<br />
welche For<strong>de</strong>rungen sie behalten und welche<br />
sie verkaufen. Beim Factoring besteht so<br />
ein Wahlrecht – wenn überhaupt – allenfalls<br />
eingeschränkt. Außer<strong>de</strong>m ist es teuer.<br />
<strong>SteuerConsultant</strong>: Was sollte <strong>de</strong>r Steuerberater<br />
also tun?<br />
Cordula Schnei<strong>de</strong>r: Ein gutes For<strong>de</strong>rungsmanagement<br />
können Steuerberater selbst auf<br />
die Beine stellen, in<strong>de</strong>m sie bei ausbleiben<strong>de</strong>r<br />
Zahlung konsequent, spätestens nach vier<br />
Wochen, mahnen. For<strong>de</strong>rungsmanagement<br />
beginnt bei <strong>de</strong>r Auftragsannahme. Mandanten<br />
sollten schon da die Honorarkosten offen kommunizieren.<br />
Bei Dauermandanten sind monatliche<br />
Abschlagszahlungen – auch für Bilanzen<br />
– sinnvoll, weil das zu einer gleichmäßigeren<br />
Kostenbelastung beim Mandanten führt.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 47
KANZLEI & PERSÖNLICHES Kanzleimanagement<br />
Ein Erfahrungsbericht<br />
Aller Anfang ist schwer<br />
Eine Steuerberatungsgesellschaft aus <strong>de</strong>m Münsterland, die lieber<br />
anonym bleiben will, hat sich vor zweieinhalb Jahren für die Nutzung<br />
von Steuerberater-Factoring bei <strong>de</strong>r VR Factorem entschie<strong>de</strong>n.<br />
Partnerwahl: Als wir uns vor fast drei<br />
Jahren fürs Steuerberater-Factoring<br />
entschie<strong>de</strong>n, war klar, dass das Projekt<br />
mit <strong>de</strong>r EDV-Anbindung stehen<br />
und fallen wür<strong>de</strong>, vor allem mit <strong>de</strong>r<br />
spiegelbildlichen Abbildung unserer<br />
Prozesse beim Finanzdienstleister.<br />
Das war beim Datev Factoring über<br />
die VR Factorem gegeben, weshalb wir<br />
uns für diesen Partner entschie<strong>de</strong>n.<br />
Anlaufphase: Anfangs war die Zusammenarbeit<br />
nicht einfach. Für die VR<br />
Factorem waren die Beson<strong>de</strong>rheiten<br />
unserer Branche neu – beispielsweise<br />
das Abrechnen nach <strong>de</strong>r Steuerberatergebührenordnung.<br />
Aber mit etwas<br />
Geduld hat sich das schnell eingespielt.<br />
Bis die Prozesse letztlich stan<strong>de</strong>n,<br />
das hat ungefähr sechs Wochen<br />
gedauert.<br />
Stepp von <strong>de</strong>r Degev. Um das neue Angebot<br />
in Misskredit zu bringen, wer<strong>de</strong> behauptet,<br />
die Steuerberatungsgesellschaft diene nur als<br />
Hülle, um die stille Abtretung von Steuerberaterfor<strong>de</strong>rungen<br />
formaljuristisch zu ermöglichen.<br />
Aber selbst die Steuerberaterkammer<br />
Rheinland-Pfalz habe erklärt, das Mo<strong>de</strong>ll<br />
könne nicht untersagt wer<strong>de</strong>n.<br />
Stille For<strong>de</strong>rungsabtretung<br />
als möglicher sanfter Einstieg<br />
Der Vorteil <strong>de</strong>r Konstruktion: Kanzleien<br />
können ihre For<strong>de</strong>rungen an die DTE-W still<br />
abtreten – ohne <strong>de</strong>n Mandanten zu informieren<br />
und die Zustimmung einzuholen. „Das ist<br />
erlaubt, da eine Steuerberatungsgesellschaft<br />
die Rechnung erwirbt“, erklärt Stepp. Dies<br />
könne die Hemmschwelle zum Einstieg ins<br />
Factoring herabsetzen, meint dazu Kanzleiberaterin<br />
Schnei<strong>de</strong>r. Dennoch fin<strong>de</strong>t sie Offenheit<br />
besser – wegen <strong>de</strong>s Vertrauensverhältnisses.<br />
Dem will Stepp nicht wi<strong>de</strong>rsprechen.<br />
Es gehe aber um mehr Flexibilität. Der Steuerberater<br />
solle selbst wählen können, welche<br />
Form <strong>de</strong>r Abtretung ihm mehr behagt.<br />
Fazit: Wir dachten eigentlich, dass<br />
unser Mahnwesen ganz gut funktioniert.<br />
Doch nach zweieinhalb Jahren<br />
müssen wir zugeben, dass es tatsächlich<br />
noch Optimierungsreserven gab.<br />
Wir konnten <strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungsbestand<br />
um 50 Prozent senken, die Liquiditätssituation<br />
unserer Kanzlei ist hervorragend.<br />
Auch die Mitarbeiter, die früher<br />
mit <strong>de</strong>m Mahnwesen betraut waren,<br />
wur<strong>de</strong>n entlastet. Da sogar Berufsträger<br />
mit eingebun<strong>de</strong>n waren, können<br />
diese ihre teure Arbeitskraft jetzt<br />
<strong>de</strong>utlich produktiver einsetzen, in<strong>de</strong>m<br />
sie gute Konzepte für Mandanten<br />
austüfteln, statt sich mit nervigen<br />
administrativen Aufgaben herumschlagen<br />
zu müssen. Und wir können<br />
Mandanten jetzt problemlos 45 Tage<br />
Rechnungslaufzeit einräumen.<br />
Auch beim Datenschutz, so Bruch, mache<br />
Factoring keine Probleme: „Factoring-<br />
Gesellschaften gehören seit En<strong>de</strong> 2008<br />
zu <strong>de</strong>n Finanzdienstleistern, für die unter<br />
an<strong>de</strong>rem die strengen Auflagen <strong>de</strong>s Kreditwesen-<br />
und <strong>de</strong>s Geldwäschegesetzes gelten.“<br />
Stepp ergänzt: „Die DTE-W ist als Steuerberatungsgesellschaft<br />
zu<strong>de</strong>m berufsrechtlich zur<br />
Verschwiegenheit verpflichtet, als Finanzdienstleister<br />
muss sie darüber hinaus einen<br />
Datenschutzbeauftragten einsetzen.“<br />
Aus Kanzleisicht gibt es da kritischere Töne.<br />
„Fragen zum Datenschutz im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>m Factoring sind ein heißes Eisen, die<br />
wir im persönlichen Dialog mit <strong>de</strong>m Mandanten<br />
zu klären versuchen“, so ein Steuerberater<br />
aus <strong>de</strong>m Münsterland, <strong>de</strong>r nicht<br />
namentlich genannt wer<strong>de</strong>n will und seine<br />
Rechnungen an VR Factorem verkauft.<br />
Problematisch ist für eine ganze Reihe von<br />
Steuerberatern <strong>de</strong>r hohe Anteil alter Außenstän<strong>de</strong>,<br />
weil nicht konsequent gemahnt wird.<br />
„Es gibt Kanzleien mit einer durchschnittlichen<br />
Rechnungslaufzeit von mehr als 100<br />
Tagen“, sagt Kanzleiberaterin Schnei<strong>de</strong>r. Die<br />
müssten unbedingt etwas tun, um ihr Insolvenzrisiko<br />
zu reduzieren, aber um solche<br />
Sanierungsfälle reißt sich kein For<strong>de</strong>rungsfinanzierer.<br />
Sei die Bonität in Ordnung, finanziere man<br />
auch mehr als 100 Tage alte For<strong>de</strong>rungen,<br />
heißt es dazu bei Opta Data. Allerdings<br />
müsse, wenn die Rechnungslaufzeit 30 Tage<br />
überschreite, das For<strong>de</strong>rungsmanagement<br />
gestrafft, also schneller und konsequenter<br />
gemahnt wer<strong>de</strong>n. Bei Steuerberatern, die ihr<br />
Debitorenmanagement nicht im Griff haben,<br />
pochen die Factoring-Gesellschaften daher<br />
auf Full-Service-Factoring. Das heißt: Der<br />
Factoring-Dienstleister übernimmt auch das<br />
Mahnwesen. Sonst kann es mitunter aufseiten<br />
<strong>de</strong>r Kanzlei bleiben (Inhouse-Factoring).<br />
Deutliche Unterschie<strong>de</strong> bei<br />
<strong>de</strong>n Factoring-Konditionen<br />
Zu <strong>de</strong>n wichtigen Aspekten bei <strong>de</strong>r Auswahl<br />
eines Factoring-Anbieters zählt <strong>de</strong>r jährliche<br />
Min<strong>de</strong>stumsatz, <strong>de</strong>n eine Kanzlei mitbringen<br />
muss, damit die Factoring-Gesellschaft ihre<br />
For<strong>de</strong>rungen kauft. VR Factorem legt mit<br />
250.000 Euro die Latte relativ hoch, bei Crefo<br />
ist sie mit 200.000 Euro etwas niedriger. Bei<br />
Opta Data reichen 60.000 Euro Honorarumsatz<br />
pro Jahr.<br />
Unterschie<strong>de</strong> gibt es auch bei <strong>de</strong>r Abtretungsquote.<br />
Die DTE-W verlangt, dass min<strong>de</strong>stens<br />
50 Prozent <strong>de</strong>s Rechnungsumsatzes abgetreten<br />
wer<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>r Crefo sind es normalerweise<br />
100 Prozent. Allerdings gibt es, wie <strong>de</strong>r<br />
Praxis-Check offenbart, auch flexibler gestaltete<br />
Mo<strong>de</strong>lle: So hat die bereits erwähnte<br />
Münsterlän<strong>de</strong>r Steuerberatungsgestellschaft<br />
mit ihrem Finanzdienstleister VR Factorem<br />
eine Min<strong>de</strong>stsumme für das jährlich abzutreten<strong>de</strong><br />
For<strong>de</strong>rungskontingent festgelegt. „Wird<br />
das nicht erreicht, wer<strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>stgebühren<br />
Norbert<br />
Jumpertz<br />
ist gelernter Bank-<br />
sowie Diplom-Kaufmann<br />
und hat mehrere<br />
Jahre als Analyst und<br />
Redakteur für Wirtschafts-<br />
und Finanzmagazine<br />
gearbeitet.<br />
Derzeit ist er als Autor im Bereich Geldanlage<br />
(Aktien, Immobilien, Investment fonds)<br />
für zahlreiche Fachmagazine tätig.<br />
E-Mail: jumnor@web.<strong>de</strong><br />
48 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
fällig, sodass ein großer Anreiz besteht, das<br />
vereinbarte Limit nicht zu unterschreiten“,<br />
heißt es aus <strong>de</strong>r Kanzlei. So könne man in<br />
einem beschei<strong>de</strong>nen Rahmen entschei<strong>de</strong>n,<br />
ob man die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re For<strong>de</strong>rung doch<br />
selbst zu Geld macht, statt sie bei VR Factorem<br />
einzureichen.<br />
Die Bonitätsprüfung nach zuvor festgelegten<br />
Kriterien nehmen die Münsterlän<strong>de</strong>r bis zu<br />
einer bestimmten Betragsgrenze, die mit<br />
VR Factorem für je<strong>de</strong>n Debitor abgestimmt<br />
ist, selbst vor. Darüber erfolgt die Einzelprüfung<br />
durch VR Factorem. Zweimal pro Woche<br />
können Rechnungen via Internet eingereicht<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Gutschrift <strong>de</strong>r Vorauszahlung,<br />
maximal 90 Prozent <strong>de</strong>s Rechnungsbetrags,<br />
erfolgt spätestens nach 48 Stun<strong>de</strong>n.<br />
Der Restbetrag geht spätestens nach 120<br />
Interessante Factoring-Dienstleister für Steuerberater<br />
Name <strong>de</strong>s Finanzdienstleisters Crefo Factoring Degev in Kooperation mit<br />
DTE-W-Steuerberatungsgesellschaft<br />
Internet-Adresse www.crefofactoring.<strong>de</strong><br />
Opta Data<br />
Factoring GmbH<br />
www.<strong>de</strong>gev.com www.optadatafactoring.<strong>de</strong><br />
VR Factorem GmbH<br />
www.vr-factorem.<strong>de</strong><br />
Telefonnummer 0 18 05 / 54 74 94 0 53 22 / 9 49 58 00 02 01 / 3 26 80 0 61 96 / 80 20<br />
Branchen (<strong>de</strong>ren Rechnungen<br />
angekauft wer<strong>de</strong>n)<br />
keine beson<strong>de</strong>ren<br />
Einschränkungen<br />
grundsätzlich keine<br />
Einschränkungen<br />
grundsätzlich<br />
alle<br />
grundsätzlich alle (Leistung<br />
muss vollständig<br />
erbracht sein; keine Einbehalte<br />
wegen Gewährleistungsansprüche)<br />
Min<strong>de</strong>stumsatz <strong>de</strong>s<br />
Factoring-Kun<strong>de</strong>n pro Jahr<br />
200.000 Euro keine 60.000 Euro 250.000 Euro<br />
Debitorenmanagement Full-Service Full-Service und Inhouse Full-Service und<br />
Inhouse<br />
Full-Service und Inhouse<br />
Echtes/unechtes Factoring ja/nein ja/nein ja/ja ja/nein<br />
Auszahlungsquote 80 bis 90 % 100 % 100 % bis zu 90 %<br />
Factoring-Gebühr<br />
(vom Rechnungsbetrag)<br />
Zinsen für die Liquiditätsbereitstellung<br />
p.a.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Kosten für die Bonitätsprüfung i.d.R. fallen Kosten<br />
an<br />
All-in-Fee (Höhe) möglich<br />
(keine Angaben zu<br />
Konditionen)<br />
Quelle: Norbert Jumpertz<br />
Tagen an die Kanzlei. Zahlt <strong>de</strong>r Mandant<br />
nicht bis dahin, müssen die Factoring-<br />
Gesellschaft o<strong>de</strong>r ein Kreditversicherer<br />
dafür gera<strong>de</strong>stehen (echtes Factoring). Das<br />
Delkre<strong>de</strong>rerisiko kann auch beim Steuerberater<br />
belassen wer<strong>de</strong>n (unechtes Factoring).<br />
„Das kann aus Kanzleisicht besser<br />
sein, falls die Ausfallgefahr gering ist und<br />
nur die Zwischenfinanzierung optimiert<br />
wird“, urteilt RA Bruch.<br />
Deutliche Unterschie<strong>de</strong> bei<br />
<strong>de</strong>n Factoring-Konditionen<br />
Zusätzlich zur Factoring-Gebühr, die die<br />
Kosten <strong>de</strong>r Kreditversicherung enthält, fallen<br />
Zinsen für die Bereitstellung <strong>de</strong>r Liquidität<br />
an. Je nach Anbieter beträgt <strong>de</strong>r Jahreszinssatz<br />
bis zu neun Prozent. Schließlich wird<br />
keine Angaben 0,50 - 3,50 % ab 1,00 % Höhe i.d.R. abhängig<br />
vor allem von Factoring-<br />
Umsatz und Aufwand<br />
keine Angaben ca. 7,00 % ab 0,27 % keine Angaben<br />
wahlweise inklusiv o<strong>de</strong>r<br />
separat abgerechnet – dann<br />
2 Euro bei Privatpersonen,<br />
10 Euro bei gewerblichen<br />
Mandanten<br />
möglich (keine Angaben zu<br />
Konditionen)<br />
noch eine Aufwandsentschädigung für die<br />
Bonitätsprüfung fällig. Neben <strong>de</strong>r Einzelabrechnung<br />
gibt es Pauschalmo<strong>de</strong>lle (All-in-<br />
Fees), bei <strong>de</strong>nen einfach ein bestimmter Prozentsatz<br />
vom Rechnungsumsatz als Gebühr<br />
zu entrichten ist.<br />
Die praktischen Erfahrungen mit Factoring<br />
fallen unterschiedlich aus. Es gibt Erfolgsgeschichten<br />
(siehe Kasten „Ein Erfahrungsbericht“,<br />
Seite 48), aber auch Enttäuschungen.<br />
Eine westfälische Kanzlei etwa verweist auf<br />
ihre Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r Abwicklung<br />
und die Probleme, die sie während <strong>de</strong>r Wirtschaftskrise<br />
damit hatte, For<strong>de</strong>rungen zu<br />
verkaufen: „Als wir dieses Finanzierungsinstrument<br />
am dringendsten gebraucht hätten,<br />
wur<strong>de</strong>n die Limits für Rechnungsankäufe<br />
rigoros gekürzt.“<br />
ab 5 Euro bei keine Angaben<br />
Privatpersonen;<br />
ab 20 Euro bei<br />
gewerblichen<br />
Debitoren<br />
ab 3 % nicht möglich<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 49
KANZLEI & PERSÖNLICHES Kanzleimanagement Gemeinsam lässt sich mehr bewegen:<br />
Dieses Prinzip beherzigen zahlreiche Steuerberater<br />
und suchen die Zusammenarbeit.<br />
Kooperationen<br />
Wenn eins ins<br />
an<strong>de</strong>re greift<br />
Das Berufsrecht <strong>de</strong>r Steuerberater ist kräftig liberalisiert wor<strong>de</strong>n, wie die seit Anfang <strong>de</strong>s Jahres gelten<strong>de</strong> novellierte<br />
Berufsordnung erneut ver<strong>de</strong>utlicht. Kooperationen auch mit Partnern an<strong>de</strong>rer Branchen sind zulässig – und manche<br />
Kanzleien nutzen innovative Formen <strong>de</strong>r Zusammenarbeit erfolgreich zu ihrem Vorteil.<br />
„Üblicherweise kommen die Mandanten<br />
zunächst einmal über uns, die Steuerberatung,<br />
hierher und eher selten über unsere<br />
Kooperationspartner“, sagt StB Elmar Ziegenhagen,<br />
Geschäftsführer <strong>de</strong>r Ziegenhagen<br />
Steuerberatungsgesellschaft mbH. Es war für<br />
ihn allerdings die Erfüllung eines Lebenstraums,<br />
ein „Haus <strong>de</strong>r Beratung“ zu grün<strong>de</strong>n,<br />
wo Vertreter verschie<strong>de</strong>ner Beratungsberufe<br />
ihre Dienste unter einem Dach anbieten. „Vor<br />
vielen Jahren habe ich so etwas Ähnliches<br />
schon einmal in Düsseldorf gesehen. Das hat<br />
mich zu dieser I<strong>de</strong>e angeregt“, erzählt <strong>de</strong>r<br />
Diplom-Kaufmann.<br />
Im Jahr 2002 verwirklichte <strong>de</strong>r Kanzleiinhaber<br />
dann seine Vision, allerdings rund 630<br />
Kilometer weiter östlich, im Schloss Die<strong>de</strong>rsdorf<br />
in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> Vierlin<strong>de</strong>n bei Seelow<br />
im bran<strong>de</strong>nburgischen Landkreis Märkisch-<br />
O<strong>de</strong>rland, östlich von Berlin. Zuerst zog seine<br />
Steuerberatungsgesellschaft zusammen mit<br />
einem befreun<strong>de</strong>ten Rechtsanwalt in das<br />
gutshausartige, 1748 erbaute Schlossgebäu-<br />
<strong>de</strong>. Später kamen eine Werbeagentur und<br />
eine Druckerei sowie ein Versicherungsmakler<br />
dazu, weil Mandanten danach verlangten.<br />
Alle profitierten vom Mandantenstamm, <strong>de</strong>n<br />
die Steuerkanzlei in <strong>de</strong>r dünn besie<strong>de</strong>lten<br />
Region rasch aufbauen konnte. Doch auch die<br />
Kanzlei zieht ihren Vorteil aus <strong>de</strong>r geballten<br />
Beratungskompetenz im umfassend sanierten<br />
Schloss Die<strong>de</strong>rsdorf. „Die Mandanten können<br />
hier gleich drei, vier Termine rund um ihre<br />
Finanzen und ihren Betrieb abmachen“, sagt<br />
StB Ziegenhagen. Das sei eben praktisch —<br />
und es bin<strong>de</strong> die Mandanten.<br />
Unter einem Dach, doch<br />
rechtlich auf eigenen Füßen<br />
„Aus meiner Erfahrung ist so eine Kooperation<br />
unter einem Dach schon allein <strong>de</strong>swegen<br />
einträglich, weil Mandanten sofort über das<br />
Türschild auch die an<strong>de</strong>ren Partner sehen“,<br />
meint Kanzleiberaterin Angela Hamatschek<br />
zum „Haus <strong>de</strong>r Beratung“. Die räumliche<br />
Nähe erhöhe die Empfehlungsbereitschaft,<br />
erklärt die Branchenkennerin aus <strong>de</strong>m<br />
fränkischen Kleinkahl. Auch lasse sie die<br />
einzelnen Partner aus Sicht <strong>de</strong>s Mandanten<br />
kompetenter wirken. Und, so bestätigt Angela<br />
Hamatschek, die Mandanten wür<strong>de</strong>n dadurch<br />
fester ans Haus gebun<strong>de</strong>n.<br />
Anbieter, die sich wie beim Schloss Die<strong>de</strong>rsdorf<br />
einfach unter einem Dach zusammenfin<strong>de</strong>n,<br />
bleiben rechtlich selbstständige<br />
Unternehmen – mit getrennter Honorierung,<br />
getrennter Haftung und Mandantenschutz.<br />
Je<strong>de</strong>r für sich ist <strong>de</strong>r Verschwiegenheit verpflichtet,<br />
was <strong>de</strong>taillierte Informationen über<br />
Klienten betrifft. Beim Schloss Die<strong>de</strong>rsdorf<br />
wer<strong>de</strong>n nur <strong>de</strong>r Empfangsraum, <strong>de</strong>r gemeinsame<br />
Internet-Auftritt geteilt – und eben die<br />
Adresse.<br />
„In unserer Kanzlei gibt es keine verpflichten<strong>de</strong><br />
Vollbetreuung“, sagt StB Ziegenhagen.<br />
Doch komme es vor, dass ein Versicherungskun<strong>de</strong><br />
auch ein steuerliches Anliegen habe,<br />
das am besten gemeinsam besprochen wer<strong>de</strong>n<br />
sollte. „In so einem Fall lassen wir uns<br />
50 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
vom Mandanten eine schriftliche Einwilligung<br />
geben, dass wir uns gegenseitig Hinweise<br />
geben dürfen“, erzählt <strong>de</strong>r Kanzleiinhaber.<br />
Wenn einer seiner Mandanten aus <strong>de</strong>n Heilberufen<br />
beispielsweise ein neues Ultraschallgerät<br />
anschaffen wolle, könne so schnell geprüft<br />
wer<strong>de</strong>n, wie hoch die Versicherungsprämie<br />
ausfalle. „Unternehmerische Beratung aus<br />
einem Haus kommt <strong>de</strong>r Bequemlichkeit und<br />
<strong>de</strong>r heutigen Zeitknappheit entgegen“, sagt<br />
Angela Hamatschek. Man könne in einem<br />
Aufwasch alles erledigen und spare Wege,<br />
so die Kanzleiberaterin. Und so sieht sie gut<br />
gepflegte Kooperationen, auch mit Branchenfrem<strong>de</strong>n,<br />
durchaus als Zukunftschance.<br />
Kooperationspartner sollten<br />
Qualitätsstandards vereinbaren<br />
„Damit es gut funktioniert, sollten gemeinschaftliche<br />
Qualitätsstandards vereinbart<br />
wer<strong>de</strong>n“, empfiehlt die Branchenkennerin<br />
allerdings dringend. Schließlich müsse ein<br />
Berufsträger darauf bedacht sein, dass seine<br />
Mandanten auch von <strong>de</strong>n Partnern schnell<br />
und kompetent betreut wer<strong>de</strong>n. Auch über<br />
die Umgangsformen gegenüber Mandanten<br />
müsse Übereinstimmung erzielt wer<strong>de</strong>n, so<br />
Hamatschek.<br />
Sie rät: Steuerberater sollten zu Beginn <strong>de</strong>r<br />
Zusammenarbeit nach Referenzen fragen<br />
und zunächst einen Testfall gemeinsam abwickeln.<br />
Dabei zeige sich, wie die Kommunikation<br />
funktioniere und welche Ergebnisse in<br />
<strong>de</strong>r Realität zu erzielen seien. Der nächste<br />
Schritt müsse dann sein: Die Zusammenarbeit<br />
bewusst zu festigen und zu pflegen. „Die<br />
Kooperationspartner sollten sich min<strong>de</strong>stens<br />
einmal im Jahr treffen, alle gemeinsamen<br />
Projekte Revue passieren lassen, zukünftige<br />
Projekte besprechen und eventuell auch über<br />
gemeinsame Marketingaktivitäten nach<strong>de</strong>nken“,<br />
empfiehlt die Kanzleiberaterin.<br />
Pragmatisch ist die Herangehensweise einer<br />
Kanzlei im Südwesten. „Was alles in <strong>de</strong>r eigenen<br />
Kanzlei angeboten wer<strong>de</strong>n kann und was<br />
über Kooperationen abge<strong>de</strong>ckt wird, hängt<br />
von <strong>de</strong>r Kanzleigröße ab“, erklärt StB Steffen<br />
Hort, Gesellschafter bei Maisenbacher,<br />
Hort & Partner in Karlruhe. Die Steuerberatungsgesellschaft<br />
beschäftigt 75 Mitarbeiter<br />
an insgesamt drei Standorten. „Unser Credo<br />
lautet, dass wir so weit wie möglich alles<br />
selbst anbieten“, sagt Hort. Nichts<strong>de</strong>stotrotz<br />
wür<strong>de</strong>n zusätzlich intensive Kooperationen<br />
gepflegt, etwa mit einem Wirtschaftsprüfer,<br />
einer Unternehmensberatung sowie verschie<strong>de</strong>nen<br />
Software-Häusern. Auch eine Immobilienverwaltung<br />
sei unter <strong>de</strong>n Partnern.<br />
Räumlich befän<strong>de</strong>n sich diese Dienstleister<br />
alle zusammen unter einem Dach in Karls-<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Unterstützung bei <strong>de</strong>r Partnersuche<br />
Der DStV bietet kooperationswilligen Kanzleien Beratung und Hilfe<br />
bei <strong>de</strong>r Vermittlung an – auch über die Branchengrenzen hinaus.<br />
Der Deutsche Steuerberaterverband<br />
(DStV) hat es sich zum Ziel gesetzt,<br />
Kanzleien bei <strong>de</strong>r Suche nach möglichen<br />
Kooperationspartnern tatkräftig<br />
zu unterstützen. So kann beispielsweise<br />
auf <strong>de</strong>r Homepage <strong>de</strong>s DStV unter<br />
www.dstv.<strong>de</strong>/suchservice/kooperation<br />
nach potenziellen Kooperationspartnern<br />
für unterschiedliche Bereiche<br />
gesucht wer<strong>de</strong>n. Aber auch die DStV-<br />
Mitgliedsverbän<strong>de</strong> bieten auf ihren<br />
Internet-Präsenzen verschie<strong>de</strong>ne<br />
Kooperations- und Praxenbörsen an,<br />
so etwa <strong>de</strong>r Steuerberaterverband<br />
Nie<strong>de</strong>rsachsen Sachen-Anhalt unter<br />
www.steuerberater-verband.<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />
Rubrik Leistungen/Kooperationsbörse<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Steuerberaterverband Westfalen-Lippe<br />
unter <strong>de</strong>r Adresse www.<br />
diekooperationsboerse.<strong>de</strong>.<br />
Mit <strong>de</strong>m 8. Steuerberatungsän<strong>de</strong>rungsgesetz<br />
wur<strong>de</strong>n im Jahr 2008 die<br />
ruhe, wirtschaftlich und organisatorisch<br />
hingegen bleibe alles getrennt. „Solche<br />
Kooperationen sind notwendig, auch wenn<br />
wir zukünftig lieber intern Spezialisten<br />
benennen und fortbil<strong>de</strong>n lassen, etwa zum<br />
Experten für internationales Steuerrecht“, so<br />
<strong>de</strong>r Kanzleimitinhaber. Denn je mehr Kooperationen,<br />
<strong>de</strong>sto mehr mehr klassische Probleme,<br />
so seine Erfahrung. „Kooperationen<br />
scheitern, weil je<strong>de</strong>r nur in die eigene Tasche<br />
arbeitet, Dinge liegen bleiben o<strong>de</strong>r nicht klar<br />
ist, wer zu welchem Preis abrechnet“, erläutert<br />
Hort.<br />
Schwierig sei es insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Vermögens-<br />
und Versicherungsberatung. Da wer<strong>de</strong><br />
man von kooperationswilligen Dienstleistern<br />
mit Angeboten gera<strong>de</strong>zu überschüttet, aber<br />
kenne sich gar nicht. Deshalb biete seine<br />
Kanzlei in diesem Bereich nur Bestandsaufnahmen<br />
an – o<strong>de</strong>r arbeite eben nur mit langjährigen,<br />
vertrauten Partnern zusammen. Bei<br />
<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>nen Immobilienverwaltung bleibe<br />
die Steuerberatungsgesellschaft wegen<br />
Regeln zu Kooperationen ins Steuerberatungsgesetz<br />
aufgenommen (§ 56<br />
Abs. 5 StBerG). Außer Kooperationen<br />
mit <strong>de</strong>n klassischen, soziierungsfähigen<br />
Berufen kann heutzutage beispielsweise<br />
auch mit Ärzten, Psychologen, Ingenieuren,<br />
Architekten und Journalisten<br />
zusammengearbeitet wer<strong>de</strong>n. Noch<br />
weitergehen<strong>de</strong> Liberalisierungen sind<br />
laut DStV <strong>de</strong>rzeit nicht zu erwarten.<br />
Die berufsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />
für Steuerberater haben sich<br />
zwar gera<strong>de</strong> aktuell durch das Inkrafttreten<br />
<strong>de</strong>r novellierten Berufsordnung<br />
am 1. Januar 2011 geän<strong>de</strong>rt. Ziel <strong>de</strong>r<br />
Gesetzesnovelle sei jedoch lediglich<br />
eine inhaltliche Straffung gewesen,<br />
betont <strong>de</strong>r Verband. Än<strong>de</strong>rungen bei<br />
<strong>de</strong>n berufsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />
im Hinblick auf Kooperationsmöglichkeiten<br />
seien dabei nicht<br />
erfolgt.<br />
<strong>de</strong>s gewerblichen Aspekts zurückhaltend.<br />
„Mit <strong>de</strong>r Kammer und <strong>de</strong>r Finanzdirektion<br />
ist alles geklärt. Wir verwalten nur die<br />
Immobilien unserer Mandanten im Rahmen<br />
einer Vermögensverwaltung“, so StB Hort.<br />
Um fachlich sicherzugehen, arbeitet die<br />
Kanzlei dabei mit einem selbstständigen<br />
Architekten zusammen, <strong>de</strong>r auch für seine<br />
Einschätzungen haftet.<br />
Zusammenarbeit auch auf <strong>de</strong>m<br />
Feld <strong>de</strong>r Datenverarbeitung<br />
„Was die Finanzbuchhaltungs-Software für<br />
kleine Mandanten betrifft, haben wir als<br />
Kanzlei zusammen mit <strong>de</strong>r D4 Software AG<br />
Produkte für die Kun<strong>de</strong>n entwickelt“, berichtet<br />
StB Hort. Hervorgegangen sei diese Kooperation<br />
aus seinem persönlichen Hobby<br />
– „meinem Kindchen“, so Hort. 1994 grün<strong>de</strong>te<br />
er zusammen mit zwei Partnern die D4<br />
Software AG, wo er heute noch Aufsichtsratsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />
ist. Später kam das Systemhaus<br />
Point PPS hinzu, das auf die Integration von<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 51
KANZLEI & PERSÖNLICHES Kanzleimanagement<br />
Zusammenschlüsse sind gefragt<br />
Die Bun<strong>de</strong>ssteuerberaterkammer (BStBK) beobachtet schon seit<br />
Längerem einen Trend zu Kooperationen, auch mit an<strong>de</strong>ren Berufen.<br />
Hintergrund <strong>de</strong>r Entwicklung hin zu<br />
mehr Kooperationen sei, so die BStBK,<br />
dass Mandanten verstärkt eine Beratung<br />
aus einer Hand erwarten wür<strong>de</strong>n<br />
und gera<strong>de</strong> kleinere Kanzleien ein spezielles<br />
Fachwissen nicht für alle Spezialfragen<br />
vorhalten könnten. Dass<br />
es in näherer Zukunft hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Zulässigkeit beruflicher Zusammenschlüsse<br />
und Kooperationen weitere<br />
Liberalisierungen geben könnte, sei<br />
alledings eher unwahrscheinlich. So<br />
habe sich <strong>de</strong>r 68. Deutsche Juristentag<br />
im Jahr 2010 mit klarer Mehrheit<br />
dafür ausgesprochen, <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r<br />
Personen, die mit Steuerberatern,<br />
Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern<br />
eine Sozietät o<strong>de</strong>r Partnerschaft<br />
Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen<br />
spezialisiert ist. Und für die <strong>Haufe</strong><br />
Gruppe in Freiburg – dort erscheint auch <strong>de</strong>r<br />
<strong>SteuerConsultant</strong> – sei man maßgeblicher<br />
Partner bei <strong>de</strong>ren neuer Kanzlei-Suite-<br />
Plattform für internes und externes Wissensmanagement,<br />
erzählt <strong>de</strong>r Kanzleichef.<br />
Fürs Software-Haus Addison/Wolters Kluwer<br />
agiere die Kanzlei als Pilotanwen<strong>de</strong>r. Bei<strong>de</strong>s<br />
seien ganz herausragen<strong>de</strong> Kooperationen,<br />
die letztendlich auch wie<strong>de</strong>r einen Mehrwert<br />
für die Kanzlei und die Mandanten bringen<br />
wür<strong>de</strong>n, so Hort.<br />
StB Benjamin Feindt aus Flensburg-Han<strong>de</strong>witt<br />
sieht ebenfalls zukunftsträchtige Chancen in<br />
<strong>de</strong>r Zusammenarbeit im IT-Bereich. Im vergangenen<br />
Dezember hat <strong>de</strong>r Wirtschaftsinformatiker<br />
für die Steuerberatungsgesellschaft<br />
DanRevision das Beratungspaket DanMed für<br />
selbstständige Ärzte geschnürt. Dabei kann<br />
die Praxis-Software über Schnittstellen direkt<br />
an die Steuerberater-Software angebun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Kommunikation von Arzt- und<br />
Steuerberater-Software wie<strong>de</strong>rum ermögliche<br />
<strong>de</strong>m Arzt einen schnelleren Überblick<br />
bil<strong>de</strong>n können, nicht zu erweitern.<br />
Bei <strong>de</strong>n Zusammenschlüssen zur<br />
gemeinschaftlichen Berufsausübung<br />
gehe <strong>de</strong>r Trend, so die Kammer,<br />
zunehmend zur Steuerberatungsgesellschaft.<br />
Wie die jährlichen Erhebungen<br />
zeigten, nehme die Zahl <strong>de</strong>r<br />
Steuerberatungsgesellschaften seit<br />
Jahren kontinuierlich zu, im Jahr 2009<br />
etwa um 3,8 Prozent. Knapp die Hälfte<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeit bestehen<strong>de</strong>n Steuerberatungsgesellschaften<br />
sei innerhalb <strong>de</strong>r<br />
vergangenen zehn Jahren gegrün<strong>de</strong>t<br />
wor<strong>de</strong>n. Dagegen sei die Zahl <strong>de</strong>r<br />
Sozietäten, insbeson<strong>de</strong>re wegen <strong>de</strong>r<br />
verschärften Haftungsrechtsprechung<br />
und <strong>de</strong>r persönlichen Haftung <strong>de</strong>r<br />
Sozietäten, rückläufig.<br />
über die Wirtschaftlichkeit seiner Praxis. Drei<br />
Software-Häuser seien sofort an einer verbesserten<br />
Anbindung an die Steuerberater-<br />
Software interessiert gewesen, erklärt StB<br />
Feindt, und bei einem Arzt wer<strong>de</strong> das Paket<br />
bereits angewen<strong>de</strong>t. „Bei <strong>de</strong>r Kammer haben<br />
wir <strong>de</strong>swegen nicht nachgefragt, weil wir<br />
keine Kollision mit <strong>de</strong>m Berufsrecht sehen“,<br />
meint StB Feindt. Ihm ist jedoch klar, dass er<br />
mit einem solchen Projekt zu <strong>de</strong>n Vorreitern<br />
seines Berufsstands gehört.<br />
Seit Jahren bewährt: Der kurze<br />
Draht zum Lohnsteuerhilfeverein<br />
Als etabliert hingegen gelten Kooperationen<br />
mit Lohnsteuerhilfevereinen. StB Harald<br />
Lang, seit 2006 geschäftsführen<strong>de</strong> Gesellschafter<br />
<strong>de</strong>r Rechtsanwalts-, Fachanwalts-<br />
und Steuerberaterkanzlei Metz, Lang &<br />
Kollegen in <strong>de</strong>r rheinland-pfälzischen Kreisstadt<br />
Diez zwischen Limburg und Koblenz,<br />
arbeitet schon seit 28 Jahren mit Wolfgang<br />
Martin, <strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>r Beratungsstelle <strong>de</strong>r<br />
Vereinigten Lohnsteuerhilfe e.V. im Einrich<br />
zusammen. „Ich war vor meiner Zulassung<br />
als Steuerberater selbst in Hahnstätten Leiter<br />
einer Beratungsstelle <strong>de</strong>r Vereinigten Lohnsteuerhilfe“,<br />
erzählt StB Harald Lang. Der<br />
Betriebswirt nutzte damals, als Werbung für<br />
Steuerberater noch tabu war, diese Möglichkeit,<br />
um neue Mandanten zu gewinnen.<br />
Heute sieht er jedoch keine Vorteile mehr<br />
darin, gemeinsam über eine Hinweistafel<br />
zu werben. Dennoch arbeitet StB Lang mit<br />
<strong>de</strong>m Beratungsstellenleiter gerne Hand in<br />
Hand. Denn nicht je<strong>de</strong>r Fall könne durch<br />
einen Lohnsteuerhilfeverein abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n.<br />
Beispielsweise bei Scheidungen und<br />
im Erbfall sei das Steuer-Know-how von<br />
Spezialisten gefragt. An<strong>de</strong>rerseits sei mancher<br />
Mandant, was die Kosten betreffe, beim<br />
Lohnsteuerhilfeverein besser aufgehoben.<br />
Denn <strong>de</strong>r Steuerberater orientiere sich bei<br />
<strong>de</strong>r Honorierung an <strong>de</strong>r Gebührenordnung<br />
und nicht am Gehalt seiner Mandanten, wie<br />
es bei Lohnsteuerhilfevereinen üblich sei.<br />
„Geteilte Fälle hatten wir bisher noch nicht<br />
bei unserer Zusammenarbeit“, berichtet StB<br />
Lang. Komplexere Haftungsfragen hätten<br />
somit bislang keine Rolle gespielt. Be<strong>de</strong>utsam<br />
sei die Haftungsproblematik allenfalls<br />
bei <strong>de</strong>r internen Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n<br />
Rechtsanwälten <strong>de</strong>r Sozietät, wobei da auf<br />
eine enge Abstimmung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />
Fachdisziplinen beson<strong>de</strong>rer Wert gelegt<br />
wer<strong>de</strong>, so Harald Lang.<br />
Als langjähriges Mitglied <strong>de</strong>s Aufsichtsrats<br />
<strong>de</strong>r Volksbank Rhein-Lahn, Geschäftsführer<br />
und Schatzmeister <strong>de</strong>s Kreisverbands <strong>de</strong>r<br />
Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung<br />
Kreisverband Limburg-Weilburg und kommunalpolitisches<br />
Gremiumsmitglied weiß<br />
<strong>de</strong>r Diplom-Kaufmann gut funktionieren<strong>de</strong><br />
Netzwerke zu schätzen. So lässt Lang Löhne<br />
bewusst lieber extern von einem kooperieren<strong>de</strong>n<br />
Buchhaltungsdienst abwickeln.<br />
„Selbst buchen<strong>de</strong> Mandanten haben dabei<br />
unmittelbaren Online-Zugriff auf ihre Daten,<br />
die dann vom Steuerberater je<strong>de</strong>rzeit überprüft<br />
wer<strong>de</strong>n können – für bei<strong>de</strong> Seiten sehr<br />
interessant“, so <strong>de</strong>r Kanzleichef.<br />
Petra Uhe<br />
ist freie Journalistin,<br />
Redakteurin und<br />
Inhaberin eines<br />
Medienbüros.<br />
E-Mail:<br />
info@petra-uhe.com,<br />
www.petra-uhe.com<br />
52 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Wer <strong>de</strong>n Begriff Marketing hört, verbin<strong>de</strong>t<br />
damit zumeist nicht die Auswahl von Stellenbewerbern.<br />
Dabei sind gera<strong>de</strong> die Mitarbeiter<br />
das Aushängeschild einer Kanzlei. Wer die<br />
richtigen Leute einstellt, erhält ein stimmiges,<br />
starkes Team. Die Mandanten spüren das harmonische<br />
Klima in <strong>de</strong>r Kanzlei und empfehlen<br />
sie weiter. Und wer als Steuerberater gute<br />
Leute sucht, hat es – an<strong>de</strong>rs herum – leichter,<br />
wenn er sich in <strong>de</strong>r Region bereits ein gutes<br />
Image aufgebaut hat. Kanzleien positionieren<br />
sich nicht nur gegenüber Mandanten, son<strong>de</strong>rn<br />
auch gegenüber Bewerbern.<br />
Stelleninserate tragen erheblich<br />
zum Image von Kanzleien bei<br />
Je<strong>de</strong> Stellenausschreibung ist in gewisser<br />
Weise auch eine Marketingmaßnahme. Daher<br />
gilt: Überlegen Sie sich je<strong>de</strong> Formulierung<br />
zweimal und sparen Sie nicht an <strong>de</strong>r falschen<br />
Stelle. Agenturen unterstützen Sie bei <strong>de</strong>r<br />
Formulierung und Gestaltung von Inseraten.<br />
Es ist empfehlenswert, Ihr Logo zu platzieren<br />
und Ihr Corporate Design zu beachten. Man<br />
ahnt gar nicht, wie viele Menschen die Jobseiten<br />
<strong>de</strong>r Zeitungen durchblättern o<strong>de</strong>r einschlägige<br />
Internet-Portale besuchen. Sicher<br />
sind auch Mandanten darunter.<br />
Oft herrschen in <strong>de</strong>n Köpfen <strong>de</strong>r Betrachter<br />
ganz bestimmte Denkmuster vor. Eines lautet:<br />
Jemand, <strong>de</strong>r Mitarbeiter sucht, hat viel<br />
Arbeit. Und wer als Steuerberater viel Arbeit<br />
hat, hat wohl auch einen großen Mandan-<br />
tenkreis. Klingt nach einer guten Kanzlei,<br />
o<strong>de</strong>r nicht? Darum: Wenn Sie Ihre Kanzlei<br />
vergrößern o<strong>de</strong>r wegen zu hoher Auslastung<br />
neue Mitarbeiter suchen, dann sollten<br />
sie ruhig klotzen statt kleckern. Nutzen Sie<br />
Ihre Stellenausschreibungen zugleich als<br />
Werbemöglichkeit.<br />
Aufpassen heißt es hingegen, wenn Sie einen<br />
allzu regen Mitarbeiterwechsel haben. Das<br />
könnte wie<strong>de</strong>rum negativ ausgelegt wer<strong>de</strong>n.<br />
In einem solchen Fall ist es meist ratsamer,<br />
<strong>de</strong>zente Inserate ohne Logo zu schalten.<br />
Mittlerweile ist das Internet zum wichtigsten<br />
Medium bei <strong>de</strong>r Bewerbersuche gewor<strong>de</strong>n.<br />
Printanzeigen wer<strong>de</strong>n ten<strong>de</strong>nziell eher zur<br />
Ran<strong>de</strong>rscheinung – und tauchen nur noch<br />
ergänzend zu <strong>de</strong>n Jobanzeigen auf <strong>de</strong>r eigenen<br />
Webseite, bei Online-Karriereplattformen<br />
o<strong>de</strong>r in sozialen Netzwerken auf.<br />
So hat zum Beispiel die Rewe-Gruppe eine<br />
eigene Karriereseite auf Facebook eingerichtet.<br />
In Deutschland hatte Facebook En<strong>de</strong><br />
2010 mehr als 13,6 Millionen Nutzer – Ten<strong>de</strong>nz<br />
steigend. Drei Viertel davon sind 18 bis<br />
44 Jahre alt. Hier tummeln sich also viele<br />
potenzielle Bewerber. Wer in sozialen Netzwerken<br />
und speziell auf Business-Kontaktplattformen<br />
wie Xing o<strong>de</strong>r LinkedIn ein<br />
Stelleninserat platziert, erreicht damit nicht<br />
nur aktuelle Jobsucher, son<strong>de</strong>rn auch die nur<br />
latent Wechselwilligen.<br />
Online-Kontakte von Mitarbeitern<br />
könnten künftige Mitarbeiter sein<br />
Gera<strong>de</strong> für kleine und mittlere Unternehmen<br />
mit eher geringem Bekanntheitsgrad besteht<br />
die Chance, unter <strong>de</strong>n Online-Kontakten<br />
<strong>de</strong>r eigenen Mitarbeiter in sozialen Netzen<br />
Bewerber zu fin<strong>de</strong>n. Sogenannte High Potentials,<br />
also Nachwuchskräfte mit exzellenter<br />
Ausbildung, Praxiserfahrung und hoher<br />
sozialer Kompetenz, sind auf klassischem<br />
Weg in <strong>de</strong>r jeweiligen Region oft schwer zu<br />
erreichen. Die Wahrscheinlichkeit, jeman<strong>de</strong>n<br />
zu fin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r gut ins Team und zum Kanzleiumfeld<br />
passt, ist höher, wenn man die eigenen<br />
Kanzleimitarbeiter mit in die Suche einbezieht.<br />
Das funktioniert aber natürlich nur,<br />
wenn das Team aus freien Stücken und aktiv<br />
Serie Marketing KANZLEI & PERSÖNLICHES<br />
Bewerbermanagement<br />
Es darf geklotzt wer<strong>de</strong>n<br />
Wer neue Mitarbeiter sucht, kommuniziert dabei automatisch auch mit <strong>de</strong>r Öffentlichkeit – eine Chance für Kanzleien. Zu<strong>de</strong>m<br />
stärkt eine gelungene Personalauswahl die Marktposition erheblich. Immer wichtiger wird bei Stellenbesetzungen das Internet.<br />
Johann Aglas<br />
ist Geschäftsführer<br />
<strong>de</strong>r Atikon Marketing<br />
& Werbung GmbH im<br />
oberösterreichischen<br />
Leonding. Atikon hat<br />
sich auf das Marketing<br />
und die Homepage-<br />
Gestaltung für Steuerberater<br />
spezialisiert.<br />
E-Mail: johann.aglas@atikon.com<br />
www.atikon.com<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
» Serienplaner<br />
Teil 51 –<br />
<strong>SteuerConsultant</strong> 02/2011<br />
Mandantenbefragungen<br />
Teil 52 –<br />
<strong>SteuerConsultant</strong> 03/2011<br />
Bewerbermanagement<br />
Teil 53 –<br />
<strong>SteuerConsultant</strong> 04/2011<br />
Homepage-Vermarktung<br />
Abonnenten-Service<br />
Abonnenten können im Internet<br />
unter www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
das Themenarchiv nutzen und<br />
unter an<strong>de</strong>rem alle Teile <strong>de</strong>r Serie<br />
„Marketing“ kostenlos nachlesen.<br />
in <strong>de</strong>n privaten Profilen auf das Stellenangebot<br />
hinweist. Hier schließt sich <strong>de</strong>r Kreis: Wer<br />
generell auf ein gutes Kommunikationsklima<br />
in <strong>de</strong>r Kanzlei achtet, kann viel eher auf die<br />
Unterstützung <strong>de</strong>r Mitarbeiter zählen.<br />
Generell zählt im Internet: Lassen Sie sich<br />
als Arbeitgeber fin<strong>de</strong>n! Wer auf <strong>de</strong>r eigenen<br />
Homepage ein Online-Formular für Bewerber<br />
integriert, wird darüber immer wie<strong>de</strong>r<br />
unaufgefor<strong>de</strong>rt Bewerbungen von Jobsuchern<br />
erhalten. Der Begriff Blindbewerbung wird<br />
<strong>de</strong>m Wert dieser Kontakte nicht gerecht,<br />
<strong>de</strong>nn gera<strong>de</strong> auf diesem Weg kommen oft die<br />
besten Anfragen, stecken dahinter doch viel<br />
Interesse, hohe Motivation sowie kommunikative<br />
und technische Kompetenz.<br />
Wer häufiger solche Homepage-Bewerbungen<br />
bekommt und sie gut verwaltet, spart Zeit<br />
und Geld. Denn wenn einmal eine Stelle frei<br />
wird, hat man gleich Unterlagen von Interessenten<br />
parat und spart sich teure Inserate. Je<br />
spezifischer die Angaben und das Formular<br />
auf <strong>de</strong>r Homepage sind, <strong>de</strong>sto hochwertiger<br />
<strong>de</strong>r Fundus an Vorratsbewerbungen.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 53
KANZLEI & PERSÖNLICHES Kanzleimanagement<br />
8. Deutscher Finanzgerichtstag in Köln<br />
Im Blickpunkt: Europa und<br />
das Steuerrecht<br />
Die Zeiten, in <strong>de</strong>nen die Steuergesetzgebung rein national betrachtet wer<strong>de</strong>n konnte,<br />
sind lange vorbei. Heute gilt: Steuerrecht „goes global“. Auch mittlere und selbst<br />
kleine Kanzleien haben für ihre Mandanten immer öfter internationale Fragen zu<br />
lösen. Der Deutsche Finanzgerichtstag hat die Thematik aufgegriffen.<br />
Jürgen Brandt, <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Finanzgerichtstags, war bei seiner Begrüßung<br />
sichtlich erfreut über das große Interesse an<br />
europäischen Rechts- und Steuerthemen. Gut<br />
350 Kongressbesucher aus Finanzgerichtsbarkeit,<br />
Wissenschaft, Verwaltung und Beratung<br />
hatten sich im Kölner Maternushaus<br />
eingefun<strong>de</strong>n. Das erste Grußwort sprach <strong>de</strong>r<br />
nordrhein-westfälische Justizminister Thomas<br />
Kutschaty. Er bescheinigte <strong>de</strong>m Finanzgerichtstag,<br />
er habe sich zu einer gewichtigen<br />
Institution entwickelt, <strong>de</strong>ren Stimme „draußen“<br />
gehört wer<strong>de</strong>. Kutschaty bekannte sich<br />
zum Wettbewerb auch in Steuersachen – <strong>de</strong>nn<br />
so kämen gute Entwicklungen in Gang.<br />
Der Minister warnte aber zugleich vor Dumping.<br />
Beim Steuerwettbewerb laufe etwas<br />
schief, wenn dabei „Wirtschaftsblasen“ entstün<strong>de</strong>n<br />
und das übrige Europa dann einzelne<br />
Staaten „retten“ müsse. Kutschatys For<strong>de</strong>rung:<br />
Keinen Rettungsschirm für Staaten,<br />
bei <strong>de</strong>nen die Steuergesetze nicht das Papier<br />
wert sind, worauf sie geschrieben sind.<br />
Die Gesetzgebung müsse klaren Prinzipien<br />
folgen – und nicht <strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> dringen<strong>de</strong>n<br />
fiskalischen Erfor<strong>de</strong>rnissen. Diese „Kurzatmigkeit“<br />
<strong>de</strong>r Gesetze sei für Berater, aber<br />
auch für die Steuerverwaltung problematisch.<br />
Finanzrichter hätten hier, so Kutschaty, eine<br />
wichtige Rolle. Diese Rolle könnten sie aber<br />
nur dann richtig ausfüllen, wenn sie entsprechend<br />
qualifiziert wür<strong>de</strong>n. Keine Frage also,<br />
» Nächster Termin<br />
Der 9. Finanzgerichtstag fin<strong>de</strong>t am<br />
23. Januar 2012 in Köln statt.<br />
dass Kutschaty nicht zu <strong>de</strong>n Befürwortern <strong>de</strong>r<br />
Zusammenlegung von Sozial- und Finanzgerichten<br />
gehört – was ihm prompt Szenenapplaus<br />
einbrachte.<br />
Das zweite Grußwort sprach schon fast traditionell,<br />
wohl aber zum letzten Mal in offizieller<br />
Richterfunktion, Wolfgang Spindler,<br />
schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfinanzhofs.<br />
Er dankte <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sjustizminister coram<br />
publico für seine klaren Aussagen zur Rolle<br />
und zur Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Finanzrichterschaft.<br />
Dass das europäische Recht auch die nationale<br />
Steuergesetzgebung beeinflussen wür<strong>de</strong>,<br />
so Spindler, sei von Anfang an je<strong>de</strong>rmann<br />
klar gewesen – o<strong>de</strong>r hätte zumin<strong>de</strong>st je<strong>de</strong>rmann<br />
klar sein müssen. Mittlerweile <strong>de</strong>hne<br />
<strong>de</strong>r EuGH das Gemeinschaftsrecht auch auf<br />
nicht harmonisierte Rechtsgebiete aus. Die<br />
Finanzrichter wür<strong>de</strong>n so zu direkten Anwen<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts. Den <strong>de</strong>utschen<br />
Finanzrichtern bescheinigte Spindler<br />
große „Vorlagefreudigkeit“: 250 Verfahren<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sfinanzhofs wur<strong>de</strong>n zur Vorabentscheidung<br />
an <strong>de</strong>n EuGH gegeben.<br />
Steuerrecht im Spannungsfeld<br />
von Integration und Souveränität<br />
Die Reihe <strong>de</strong>r Fachvorträge eröffnete Ferdinand<br />
Kirchhof, Vizepräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts.<br />
Sein Thema: „Steuerrecht<br />
zwischen europäischer Integration und<br />
nationaler Souveränität.“ Bei <strong>de</strong>r Steuergesetzgebung<br />
im europäischen Kontext stecke<br />
<strong>de</strong>r Teufel im Detail, so Kirchhof. Nach wie vor<br />
seien hier die Mitgliedsstaaten souverän. Die<br />
allgemeinen Harmonisierungsrichtlinien in<br />
Artikel 114 AEUV schlössen nämlich direkte<br />
Steuern ausdrücklich aus. Dies könne zwar<br />
geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, so Kirchhof, doch alle entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Vorstöße seien bisher am Wi<strong>de</strong>rstand<br />
einzelner Mitgliedsstaaten gescheitert.<br />
Nun versuche die EU, die Harmonisierung auf<br />
54 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
„Seitenwegen“ zu erreichen, die laut Kirchhof<br />
be<strong>de</strong>nklich seien. Beispielhaft nannte er die<br />
einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage<br />
auf IFRS-Basis – da mangele es an<br />
<strong>de</strong>mokratischer Legitimation.<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Unweit vom<br />
Kölner Dom Wikipedia<br />
wur<strong>de</strong> im Januar<br />
getagt. Foto:<br />
Ekkehart Reimer, Professor an <strong>de</strong>r Universität<br />
Hei<strong>de</strong>lberg, bezeichnete bei seinem Vortrag<br />
(„Unterschie<strong>de</strong> und Gemeinsamkeiten in<br />
<strong>de</strong>r Steuerrechtskultur <strong>de</strong>r EU-Staaten“) <strong>de</strong>n<br />
Rechtsschutz als „Krone <strong>de</strong>r Rechtsprechung“<br />
und kam so auch auf die Vorlagefreudigkeit<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Finanzrichter zu sprechen –<br />
die seiner Meinung nach so vorlagefreudig<br />
eigentlich gar nicht seien. In Relation zur Einwohnerzahl<br />
etwa führe Luxemburg bei <strong>de</strong>n<br />
Vorlagen. Deutschland liege „abgeschlagen“<br />
im hinteren Mittelfeld.<br />
Die zurückliegen<strong>de</strong> Finanzkrise thematisierte<br />
<strong>de</strong>r Freiburger Professor und <strong>de</strong>signierte<br />
„Wirtschaftsweise“ Lars Feld. Die Krise habe<br />
geringe Auswirkungen auf die Steuerordnung<br />
gehabt, aber bei <strong>de</strong>r Wirtschaftsordnung, und<br />
dabei gera<strong>de</strong> im Bezug auf die öffentlichen<br />
Finanzen, sehr viel in Bewegung gebracht.<br />
Feld plädierte nachdrücklich für eine Insolvenzordnung<br />
für Staaten.<br />
BFH „größter Arbeitgeber“ <strong>de</strong>s<br />
Europäischen Gerichtshofs<br />
Der Richter am EuGH, Thomas von Danwitz,<br />
bezeichnete bei seinem Vortrag („Grundfreiheiten<br />
und direkte Steuern“) <strong>de</strong>n BFH als<br />
„größten Arbeitgeber“ <strong>de</strong>s EuGH. Im Jahre<br />
2010 seien 27 Verfahren aus Deutschland<br />
an <strong>de</strong>n EuGH gekommen, davon allein zwölf<br />
vom BFH. Die Zahl allein könne aber in die<br />
Irre führen. Denn tatsächlich wür<strong>de</strong>n, so von<br />
Danwitz, die fachliche Qualität und Kooperationsbereitschaft<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Finanzgerichte<br />
beim EuGH sehr geschätzt. Von Danwitz<br />
ver<strong>de</strong>utlichte nochmals, was an<strong>de</strong>re schon<br />
gesagt hatten: Kein Staat ist verpflichtet,<br />
sein Steuerrecht auf das eines an<strong>de</strong>ren EU-<br />
Mitglieds abzustimmen.<br />
Nach von Danwitz‘ Ansicht stellt eine Doppelbelastung<br />
wegen unterschiedlicher Steuersysteme,<br />
etwa im Erbschaftsteuerrecht,<br />
keine Diskriminierung dar. Diese Meinung<br />
teilt BFH-Präsi<strong>de</strong>nt Wolfgang Spindler in<strong>de</strong>s<br />
nicht, wie er auf Nachfrage erklärte. Für<br />
ihn sei die Doppelbesteuerung wegen <strong>de</strong>s<br />
Verstoßes gegen die Nie<strong>de</strong>rlassungsfreiheit<br />
diskriminierend. Spindler sieht darum<br />
Handlungsbedarf. Er wisse aber auch, dass<br />
<strong>de</strong>r EuGH nicht an <strong>de</strong>n alten Doppelbesteuerungsabkommen<br />
rühren wolle.<br />
Wie wird die <strong>de</strong>utsche Gesetzgebung beeinflusst<br />
durch die EuGH-Rechtsprechung und<br />
welche Gestaltungsspielräume verbleiben<br />
<strong>de</strong>m nationalen Gesetzgeber überhaupt noch?<br />
Unter diese Leitfrage ließen sich die Vorträge<br />
<strong>de</strong>s Münsteraner Professors Joachim Englisch<br />
(„Europäische Perspektiven <strong>de</strong>s Unternehmenssteuerrechts“),<br />
<strong>de</strong>s Bonner Professors<br />
Rainer Hüttemann („Nationale Spielräume<br />
und europarechtliche Grenzen im Gemeinnützigkeitsrecht<br />
<strong>de</strong>r EU-Staaten“) sowie <strong>de</strong>r<br />
BFH-Richterin Frie<strong>de</strong>rike Grube („Gemeinschaftsrecht<br />
und soziale Gerechtigkeit im<br />
Ertragsteuerrecht“) subsumieren.<br />
Den Abschluss <strong>de</strong>s Finanzgerichtstags bil<strong>de</strong>te<br />
eine Podiumsdiskussion unter <strong>de</strong>m Titel<br />
„Europäische Perspektiven <strong>de</strong>r Steuerrechtsanwendung<br />
und -entwicklung“ – mo<strong>de</strong>riert<br />
von Claus Lambrecht, <strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s<br />
FG Berlin-Bran<strong>de</strong>nburg. Mit dabei waren RiB-<br />
VerfG Michael Gerhardt und VRiBHF Dietmar<br />
Gosch, Ministerialdirigent Gert Müller-<br />
Gatermann vom Bun<strong>de</strong>sfinanziministerium,<br />
<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Steuerberaterverban<strong>de</strong>s<br />
Nie<strong>de</strong>rsachsen Sachsen-Anhalt und DStV-<br />
Vizepräsi<strong>de</strong>nt Hans-Michael Korth sowie<br />
Professor Günther Roth von <strong>de</strong>r Universität<br />
Innsbruck.<br />
Die Diskutanten rückten einen Vorschlag <strong>de</strong>r<br />
„Stoiber-Kommission“ für Bürokratieabbau<br />
in <strong>de</strong>n Mittelpunkt: Millionen Kleinfirmen in<br />
Europa sollen ungeachtet ihrer Rechtsform<br />
von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>taillierten EU-Bilanzpflichten ausgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n. Als klein wür<strong>de</strong>n dabei<br />
Unternehmen gelten, die im Schnitt nicht<br />
mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen,<br />
einen Jahresumsatz von höchstens einer<br />
Million Euro aufweisen sowie eine Bilanzsumme<br />
von maximal 500.000 Euro. Diese<br />
Betriebe sollen von <strong>de</strong>r han<strong>de</strong>lsrechtlichen<br />
Bilanzierungspflicht und damit auch von <strong>de</strong>r<br />
Publikationspflicht befreit wer<strong>de</strong>n. Allein die<br />
<strong>de</strong>utsche Wirtschaft wür<strong>de</strong> so jährlich um 1,2<br />
Milliar<strong>de</strong>n Euro entlastet, hieß es.<br />
Hans-Michael Korth hob hervor, wie komplex<br />
die Lage hierbei sei. Zwar signalisiere die EU-<br />
Kommission durchaus Verständnis für <strong>de</strong>n<br />
Wi<strong>de</strong>rstand gegen Offenlegungen, wie er von<br />
Deutschland artikuliert und von <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n<br />
unterstützt wird. Aber Italien, Belgien<br />
und Frankreich etwa seien völlig dagegen,<br />
dass die Offenlegungspflichten angetastet<br />
wer<strong>de</strong>n. Großbritannien sehe ebenfalls keine<br />
dringen<strong>de</strong> Notwendigkeit dafür. Selbst unter<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Steuerberatern existiere keine<br />
einhellige Meinung dazu, ob kleine Kapitalgesellschaften<br />
künftig von <strong>de</strong>r Bilanzierungspflicht<br />
befreit wer<strong>de</strong>n sollten.<br />
Prof. Dr. Claudia Ossola-Haring<br />
ist Rektorin <strong>de</strong>r Fachhochschule im<br />
ba<strong>de</strong>n-württembergischen Calw und feste<br />
freie Mitarbeiterin <strong>de</strong>s <strong>SteuerConsultant</strong>.<br />
E-Mail: claudia.ossola-haring@haufe.<strong>de</strong><br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 55
KANZLEI & PERSÖNLICHES Nachrichten<br />
Verband bringt eigene<br />
iPhone-App für Stb heraus<br />
Smartphone-Software bietet Zugang zu<br />
Fachinformationen und Seminartipps.<br />
Der Steuerberaterverband Nie<strong>de</strong>rsachsen<br />
Sachsen-Anhalt hat eine eigene iPhone-App<br />
für seine Mitglie<strong>de</strong>r herausgebracht – die<br />
aber für je<strong>de</strong>n Steuerberater interessant sein<br />
könnte. Programmiert hat sie eine verbandseigene<br />
IT-Firma. Mit <strong>de</strong>r Software lassen<br />
sich auf <strong>de</strong>m Apple-iPhone, aber auch auf<br />
<strong>de</strong>m iPod touch und <strong>de</strong>m iPad, aktuelle Fachinformationen<br />
abrufen und Seminarangebote<br />
einsehen. Auch eine Online-Anmeldung ist<br />
darüber möglich. Die App steht seit En<strong>de</strong><br />
Januar kostenlos auf <strong>de</strong>m Apple-Appstore<br />
zum Download bereit. Die Nutzung ist ebenfalls<br />
kostenfrei. Bisher haben laut Verband<br />
etwa 400 Nutzer die App heruntergela<strong>de</strong>n.<br />
Personalien<br />
Luther baut Tax Services aus<br />
<strong>Haufe</strong> verbin<strong>de</strong>t „Exzellente<br />
Steuerkanzleien …“ bei Xing<br />
Soziale Netzwerke wer<strong>de</strong>n im Geschäftsleben täglich wichtiger. Die Freiburger <strong>Haufe</strong><br />
Gruppe, wo auch <strong>de</strong>r <strong>SteuerConsultant</strong> erscheint, hat auf Xing, <strong>de</strong>m Platzhirsch unter<br />
<strong>de</strong>n Business-Netzwerken, die Gruppe „Exzellente Steuerkanzleien …“ ins Leben gerufen.<br />
Xing und vergleichbare Online-Plattformen<br />
tragen schon heute vielfach zur erfolgreichen<br />
Kanzleiarbeit bei – bei <strong>de</strong>r Pflege von Kun<strong>de</strong>n-<br />
und Mandantenbeziehungen, <strong>de</strong>m Austausch<br />
über innovative I<strong>de</strong>en und Projekte<br />
o<strong>de</strong>r beim klassischen Netzwerken. Die neue<br />
<strong>Haufe</strong>-Xing-Gruppe „Exzellente Steuerkanzleien<br />
…“ bietet für Steuerberater eine zentrale<br />
Anlaufstelle, wo sie mit interessierten Fachleuten<br />
über berufliche Themen diskutieren<br />
können. Die Plattform soll frische Impulse<br />
RölfsPartner fusioniert<br />
mit Richter & Partner<br />
Großkanzlei will zu<strong>de</strong>m zum zweiten Quartal<br />
30 Sanierungsexperten übernehmen.<br />
Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften<br />
RölfsPartner und Richter &<br />
Partner haben sich zusammengeschlossen.<br />
Die Rechtsberatungsaktivitäten von Rölfs-<br />
Partner wer<strong>de</strong>n in einer eigens gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Rechtsanwaltsgesellschaft gebün<strong>de</strong>lt. Ferner<br />
wechseln zum Beginn <strong>de</strong>s zweiten Quartals<br />
2011 insgesamt 30 zusätzliche Restrukturierungs-<br />
und Sanierungsexperten zu <strong>de</strong>r<br />
Großkanzlei. Es han<strong>de</strong>lt sich um ein Team<br />
von Insolvenzrechtsexperten einer namentlich<br />
nicht genannten Kanzlei sowie um das<br />
komplette Restrukturierungsteam von Goetz-<br />
Partners in München. RölfsPartner zählt 750<br />
Mitarbeiter an elf Standorten.<br />
für die Praxis bieten – für die Zukunft von<br />
Steuerkanzleien und für <strong>de</strong>n Erfolg <strong>de</strong>s<br />
ganzen Berufsstands. Mo<strong>de</strong>riert wird die<br />
neue Gruppe unter an<strong>de</strong>rem von Frau Professor<br />
Dr. Claudia Ossola-Haring, StB Dr. Rolf<br />
Eicke und RAin /FAStR Anke Kolb-Leistner,<br />
die Chefredakteurin <strong>de</strong>s <strong>SteuerConsultant</strong>.<br />
Termine<br />
Steuerrecht<br />
23. März in Neumünster<br />
Jahresabschluss 2010<br />
• Teilnahmegebühr: 178,50 Euro<br />
• Veranstalter: Steuerberaterverband<br />
Schleswig-Holstein e.V.<br />
• Telefon: 04 31 / 9 97 97-0<br />
18. bis 21. Mai in Berlin<br />
ReWeCo/Kongress 2011<br />
• Teilnahmegebühr: 499 Euro<br />
(plus 15 Euro für Kamingespräch)<br />
• Veranstalter: Bun<strong>de</strong>sverband <strong>de</strong>r<br />
Bilanzbuchhalter und Controller e.V.<br />
• Telefon: 02 28 / 9 63 93 - 0<br />
Mit Christoph Kromer (49) und Jochen Würges (34) hat die Luther-<br />
Rechtsanwaltsgesellschaft zwei renommierte Steuerexperten von<br />
KPMG für sich gewonnen und baut damit die Tax Services weiter aus.<br />
Bei<strong>de</strong> Steuerexperten sind nun Partner von Luther am Standort Eschborn/Frankfurt<br />
am Main. Sie sollen Mandanten insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n<br />
verstärkt nachgefragten Bereichen Tax Accounting, Tax Risk Management<br />
und Tax Technology beraten. Hierzu zählt auch die Gestaltung<br />
und Dokumentation grenzüberschreiten<strong>de</strong>r Geschäftsbeziehungen. Christoph Kromer Jochen Würges<br />
Machen Sie sich selbst ein Bild von <strong>de</strong>r<br />
neuen Gruppe unter www.xing.com/<br />
net/exzellentesteuerkanzleien<br />
56 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Übersteuert<br />
Eine Sanierung ist bekanntlich eine Maßnahme, die darauf<br />
gerichtet ist, ein Unternehmen vor <strong>de</strong>m finanziellen Zusammenbruch<br />
zu bewahren und wie<strong>de</strong>r ertragsfähig zu machen.<br />
Solche Sanierungen kommen häufig auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens<br />
vor. Ein eventuell dabei entstehen<strong>de</strong>r Sanierungsgewinn<br />
ist die Erhöhung <strong>de</strong>s Betriebsvermögens, die dadurch<br />
entsteht, dass Schul<strong>de</strong>n zum Zweck <strong>de</strong>r Sanierung ganz o<strong>de</strong>r teilweise<br />
erlassen wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Gewinn- und Verlustrechnung o<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>r Einnahmen-Überschuss-Rechnung entstehen regelmäßig<br />
gewinnerhöhen<strong>de</strong> und damit Steuern auslösen<strong>de</strong> außeror<strong>de</strong>ntliche<br />
Erträge. Unter gewissen Voraussetzungen waren früher<br />
die „Sanierungsgewinne“ nach § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei, diese<br />
Vorschrift wur<strong>de</strong> 1997 ersatzlos gestrichen.<br />
Im Insolvenzverfahren können bekanntlich natürliche Personen<br />
als Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung (§§ 286 ff<br />
InsO) stellen. Im sogenannten Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
erhalten auch Personen, die eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt<br />
haben, die Möglichkeit <strong>de</strong>r Restschuldbefreiung. Die<br />
Restschuldbefreiung führt oft zu steuerpflichtigen Gewinnen,<br />
zum Beispiel wirken Lieferantenverbindlichkeiten, die teilweise<br />
o<strong>de</strong>r ganz erlassen wer<strong>de</strong>n über die zwangsweise notwendige<br />
Buchung in <strong>de</strong>r Gewinnerhöhung als „außeror<strong>de</strong>ntlicher Ertrag“<br />
gewinnerhöhend.<br />
Durch die Sanierung und die Restschuldbefreiung wer<strong>de</strong>n also<br />
Gewinne ausgelöst, die grundsätzlich zu versteuern sind. Nachvollziehbar<br />
wür<strong>de</strong> die Steuerschuld sofort wie<strong>de</strong>r eine erneute<br />
Insolvenz auslösen können.<br />
Immerhin hat(te) <strong>de</strong>r Fiskus ein Verständnis für die Problematik<br />
und hat anstelle <strong>de</strong>r gesetzlichen Regelung <strong>de</strong>s § 3 Nr. 66<br />
EStG Erlasse ins Leben gerufen. Hinsichtlich <strong>de</strong>r Sanierungsgewinne<br />
besteht danach ausdrücklich die Möglichkeit, daraus<br />
resultieren<strong>de</strong> Steuern zu erlassen o<strong>de</strong>r zu stun<strong>de</strong>n (Erlass vom<br />
27.03.2003, AZ: IV A 6 -2140 – 8/03 ). Ein weiterer Erlass sieht<br />
Merkwürdigkeiten <strong>de</strong>r Steuerberatung KANZLEI & PERSÖNLICHES<br />
StB Rainer Fuchs, Achern<br />
Insolvenzordnung versus Steuerrecht<br />
www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
dies auch für die Ertragssteuern, die aufgrund von Gewinnen aus<br />
einem Planinsolvenzverfahren, aus <strong>de</strong>r erteilten Restschuldbefreiung<br />
o<strong>de</strong>r einer Verbraucherinsolvenz entstehen vor. Letzterer<br />
Erlass datiert vom 22.12.2009 (AZ: IV C 6 2140/07/10001-01)<br />
und regelt, dass diese Gewinne so wie die Sanierungsgewinne<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, das heißt <strong>de</strong>ren Versteuerung kann aus<br />
sachlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n gestun<strong>de</strong>t beziehungsweise sogar<br />
erlassen wer<strong>de</strong>n.<br />
Fachkundige wissen, dass Stundung und Erlass in <strong>de</strong>r sogenannte<br />
Abgabenordnung (§§ 163, 222 und 227) geregelt sind. Demnach<br />
gelten für die vorstehend wohl problematischen Fälle die gleichen<br />
sehr schwierigen Hür<strong>de</strong>n zu überspringen, um in <strong>de</strong>ren<br />
(notwendigen!) Genuss zu kommen.Boshafterweise könnte man<br />
sagen, dass man bei <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Erlass dieser<br />
Steuern als „Gegner“ das zuständige Finanzamt hat, will sagen<br />
<strong>de</strong>r Auslegung ( „Ermessens“entscheidung !) durch <strong>de</strong>n zuständigen<br />
Sachbearbeiters ausgeliefert ist und nicht einer – wie früher<br />
– gesetzlichen Vorschrift Folge zu leisten hat.<br />
Erschwerend kommt noch dazu, dass in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n BMF-Erlassen<br />
nur die sachlichen Billigkeits-Grün<strong>de</strong> geregelt sind, nicht<br />
die persönlichen. Die persönlichen Voraussetzungen für einen<br />
Billigkeitserlass sind schwer, um nicht zu sagen fast gar nicht<br />
nachzuweisen.<br />
Bei einer ablehnen<strong>de</strong>n Entscheidung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bleibt<br />
dann nur noch <strong>de</strong>r Rechtsweg offen bis hin zum Europäischen<br />
Gerichtshof.Es wäre mehr als nur wünschenswert, dass sich <strong>de</strong>r<br />
Gesetzgeber alsbald mit <strong>de</strong>r zweifelsohne schwierigen Materie<br />
befasst und klare Regelungen trifft.<br />
Die in <strong>de</strong>n einschlägigen Fundstellen aufgeführten Begründungen<br />
für die Abschaffung <strong>de</strong>s § 3 Nr. 66 EStG erscheinen nicht nur<br />
mir sehr fa<strong>de</strong>nscheinig, zumal auch die europäische Rechtsmeinung<br />
die Abschaffung gar nicht for<strong>de</strong>rte. Bei <strong>de</strong>n „Bankensanierungen“<br />
<strong>de</strong>nkt man viel großzügiger.<br />
3 _ 11 <strong>SteuerConsultant</strong> 57
IMPRESSUM VORSCHAU<br />
ISSN 1866-8690, 4. Jahrgang<br />
Zitiervorschlag: StC 2011, H 1, S. 34.<br />
Verlag:<br />
<strong>Haufe</strong>-Lexware GmbH & Co. KG<br />
Ein Unternehmen <strong>de</strong>r <strong>Haufe</strong> Gruppe<br />
Munzinger Straße 9<br />
D-79111 Freiburg<br />
Verlagsleitung: Reiner Straub<br />
Tel.: 07 61/898-0<br />
www.haufe.<strong>de</strong>, www.steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Redaktion:<br />
RAin/FAStR Anke Kolb-Leistner<br />
(Chefredakteurin), Tel.: -3213, Fax: -99-3213<br />
E-Mail: anke.kolb-leistner@haufe.<strong>de</strong><br />
Rüdiger Frisch (Chef vom Dienst),<br />
Tel.: -3214, Fax: -99-3214<br />
E-Mail: ruediger.frisch@haufe-lexware.com<br />
Holger Schindler<br />
Tel.: -3214, Fax: -99-3214<br />
E-Mail:Holger.Schindler@haufe-lexware.com<br />
Freie Mitarbeiter:<br />
Prof. Dr. Claudia Ossola-Haring<br />
E-Mail: claudia.ossola-haring@haufe.<strong>de</strong><br />
Manfred Ries (Chefreporter)<br />
E-Mail: manfred.ries@haufe.<strong>de</strong><br />
Redaktionsassistenz:<br />
Sabine Schmie<strong>de</strong>r, Tel.: 07 61/898-3032,<br />
Fax: -99-3032, Brigitte Pelka, Tel.: 07 61/898-<br />
3921, Fax: -99-3921,<br />
E-Mail: redaktion@steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Autoren dieser Ausgabe:<br />
Johann Aglas, Stefan Gneiting, Alexan<strong>de</strong>r<br />
Heintze, Norbert Jumpertz, RA Dr. Stefan<br />
Lammel, StB Dr. Bernd Liepert, Dr. Gabriele<br />
Lüke, Horst Marburger, Eva Neuthinger,<br />
Dr. Jörg Richter, Dr. Martin Schommer,<br />
RAin Dr. Alexandra Schmitz, Petra Uhe<br />
Herstellung:<br />
Grafik/Layout:<br />
Lilly Pritulov<br />
Druck:<br />
Echter Druck, Würzburg<br />
Mitglied <strong>de</strong>r Informationsgemeinschaft<br />
zur Feststellung <strong>de</strong>r Verbreitung<br />
von Werbeträgern e.V. (IVW)<br />
Verbreitete Auflage : 21.555 (4. Quartal 2010)<br />
Anzeigen-Verkauf:<br />
Bernd Junker (Anzeigenleitung),<br />
Tel.: 09 31/27 91 556<br />
Oliver Cekys, Tel.: 09 31/27 91 731<br />
Thomas Horejsi, Tel.: 09 31/27 91 451<br />
Yvonne Göbel (Anzeigendisposition),<br />
Tel.: 09 31/27 91 470, Fax: -477<br />
E-Mail: anzeigen@steuer-consultant.<strong>de</strong><br />
Erscheinungsweise:<br />
12 x im Jahr<br />
Abo-Service:<br />
<strong>Haufe</strong> Service Center GmbH<br />
Postfach, 79091 Freiburg<br />
Tel.: 0180/55 55 703*, Fax: -713*,<br />
E-Mail: zeitschriften@haufe.<strong>de</strong><br />
(*0,14 €/Min. aus <strong>de</strong>m dt. Festnetz, max.<br />
0,42 €/Min. mobil. Ein Service von dtms.)<br />
Bezugspreis:<br />
Inland: 182 Euro<br />
(MwSt. und Versand inklusive)<br />
Für Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Steuerberaterverbands<br />
Nie<strong>de</strong>rsachsen Sachsen-Anhalt e.V. ist <strong>de</strong>r<br />
Bezug mit <strong>de</strong>r Zahlung ihres Mitgliedsbeitrags<br />
abgegolten.Bezieher <strong>de</strong>r Steuerrechtsdatenbank<br />
„<strong>Haufe</strong> Steuer Office Professional<br />
Kanzlei Edition“ erhalten <strong>SteuerConsultant</strong><br />
im Rahmen ihres Abonnements.<br />
In <strong>de</strong>n mit Namen versehenen Beiträgen wird<br />
die Meinung <strong>de</strong>r Autoren wie<strong>de</strong>rgegeben.<br />
Nachdruck und Speicherung in elektro nischen<br />
Medien nur mit aus drück licher Genehmigung<br />
<strong>de</strong>s Verlags und unter voller Quellenangabe.<br />
Für eingesandte Manuskripte und Bildmaterialien,<br />
die nicht ausdrücklich angefor<strong>de</strong>rt<br />
wur<strong>de</strong>n, übernimmt <strong>de</strong>r Verlag keine Haftung.<br />
April 2011<br />
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Topthema<br />
Investitionsabzugsbetrag:<br />
Brennpunkte und aktuelle Rechtsprechung<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>s Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 hat <strong>de</strong>r<br />
Investitionsabzugsbetrag die frühere Ansparabschreibung abgelöst.<br />
Dazu sind inzwischen zahlreiche Entscheidungen <strong>de</strong>r Finanzgerichte<br />
ergangen. Diese sollten in <strong>de</strong>r steuerlichen Beratungspraxis berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Themen<br />
> Die Ausgabe 04/2011 erscheint am 01.04.2011<br />
Gesellschafter-Geschäftsführer:<br />
Der Verzicht auf eine Darlehensfor<strong>de</strong>rung gegen die GmbH kann zu<br />
Werbungskosten für <strong>de</strong>n Geschäftsführer führen.<br />
Entlassungsentschädigungen:<br />
In seiner neueren Rechtsprechung hat <strong>de</strong>r BFH die Voraussetzungen<br />
für die ermäßigte Besteuerung gelockert. Die Finanzverwaltung<br />
schließt sich dieser neuen Sichtweise an.<br />
Arbeitszeiterfassung:<br />
Strikte Kontrolle o<strong>de</strong>r vollstes Vertrauen in die Ehrlichkeit <strong>de</strong>r eigenen<br />
Mitarbeiter? Je<strong>de</strong> Steuerkanzlei muss ihren eigenen Weg beim<br />
Arbeitszeitmanagement fin<strong>de</strong>n. Die unterschiedlichen Metho<strong>de</strong>n<br />
bringen jeweils spezifische Vor- und Nachteile mit sich.<br />
Firmenwagen:<br />
Mit welchem Wagen <strong>de</strong>r Steuerberater bei einem Außentermin<br />
vorfährt, wird seitens <strong>de</strong>r Mandanten nicht selten mit größter<br />
Aufmerksamkeit registriert. Die Auswahl <strong>de</strong>r passen<strong>de</strong>n Firmenfahrzeuge<br />
sollte darum wohlüberlegt erfolgen.<br />
58 <strong>SteuerConsultant</strong> 3 _ 11 www.steuer-consultant.<strong>de</strong>
Unzufrie<strong>de</strong>n mit<br />
Ihrer Kanzleisoftware?<br />
Alternativen fin<strong>de</strong>n Sie unter: www.forum-kanzleisoftware.<strong>de</strong><br />
Mitglie<strong>de</strong>r<br />
sind unter an<strong>de</strong>rem:<br />
» Agenda Informationssysteme GmbH<br />
» eurodata GmbH & Co. KG<br />
» <strong>Haufe</strong> Mediengruppe<br />
» hmd-software AG<br />
» Simba Computer Systeme GmbH<br />
» Stollfuß Medien GmbH & Co. KG
<strong>Haufe</strong> Steuer Office Gold: Werthaltig,<br />
Beständig, Gewinnbringend. Versprochen.<br />
www.haufe.<strong>de</strong>/steuer-offi ce-gold