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Johannes Rau in Gemarke - Interview und Sonntagsrede

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nun die f<strong>in</strong>nische bessere Gesellschaft zum Konzert e<strong>in</strong>geladen. Die kamen natürlich auch alle, aber wir<br />

konnten doch an so e<strong>in</strong>em Abend ke<strong>in</strong> Konzert machen. Ich habe dann kurz gesprochen <strong>und</strong> der Chor,<br />

den wir e<strong>in</strong>geladen hatten, hat e<strong>in</strong>ige angemessene Lieder gesungen. Dann habe ich den schwedischen<br />

König angerufen <strong>und</strong> dann die dänische König<strong>in</strong>, denn wir wollten abschließend nach Kopenhagen <strong>und</strong> ich<br />

habe um Verständnis gebeten, dass ich nicht käme. Wir haben erst gezögert, ob das richtig wäre, jetzt<br />

abzubrechen, denn so e<strong>in</strong> Besuch wird ja jahrelang vorbereitet <strong>und</strong> viele viele E<strong>in</strong>ladungen waren<br />

verschickt. Und wenn das alles dann wenige St<strong>und</strong>en vorher abgesagt wird, dann fragt man sich:<br />

Arbeiten wir damit nicht den Terroristen <strong>in</strong> die Hände? Aber ich habe dann gesagt: Stellen sie sich bloß<br />

e<strong>in</strong>mal vor, angesichts dieser Fernsehbilder stehen wir dann mit dem Sektglas <strong>in</strong> der Hand, das geht<br />

doch nicht. Wir haben also beide Besuche verschoben. Den <strong>in</strong> Dänemark haben wir schon nachgeholt,<br />

den <strong>in</strong> Schweden machen wir nun im kommenden Frühjahr. Und es war richtig, abzubrechen. Und dann<br />

war ja wenige Tage später <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> erst der ökumenische Gottesdienst <strong>und</strong> dann die K<strong>und</strong>gebung, zu der<br />

über 200.000 Menschen kamen; sowas vergisst man nicht!<br />

Werner Jacken: Ich habe diese K<strong>und</strong>gebung auch nicht vergessen, weil der treffendste Satz<br />

aller Reden über den 11.September stammt aus ihrer Rede auf dieser K<strong>und</strong>gebung: E<strong>in</strong><br />

Mensch der <strong>in</strong> Würde lebt, wird nicht zum Selbstmordattentäter. Hat sich Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach<br />

etwas verändert um die Würde des Menschen nach diesem 11. September oder hat sich nur,<br />

nur <strong>in</strong> Anführungszeichen wohlgemerkt, die Sky-L<strong>in</strong>e von New York verändert?<br />

<strong>Johannes</strong> <strong>Rau</strong>: Ich hoffe, dass sich mehr verändert hat, aber es gibt nicht genug E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> der Welt.<br />

Nicht genug E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> den Sachverhalt, dass e<strong>in</strong>e Welt <strong>in</strong> der gehungert wird, <strong>in</strong> der es Armut gibt, <strong>in</strong><br />

der Millionen Menschen sterben an Hunger, daß solch e<strong>in</strong>e Welt nicht <strong>in</strong> Ordnung ist <strong>und</strong> das Politik<br />

auch immer der Versuch ist, die Welt <strong>in</strong> Ordnung zu br<strong>in</strong>gen. Und da muss noch viel mehr geschehen.<br />

Jetzt muss man nur aufpassen, dass man das nicht falsch <strong>in</strong>terpretiert: Die, die da <strong>in</strong> den Tower geflogen<br />

s<strong>in</strong>d waren weder arm noch hilflos, sondern das waren Verbrecher. Nur, dass sie Resonanz f<strong>in</strong>den <strong>in</strong><br />

bestimmten Teilen der Welt, das hat was damit zu tun, dass wir Teile dieser Welt offenbar verkommen<br />

lassen. Und wer das mal gesehen hat, zum Beispiel <strong>in</strong> Afrika, <strong>in</strong> Südafrika oder <strong>in</strong> Mali, das zu den<br />

ärmsten Ländern <strong>in</strong> der Welt gehört, da denkt man, wir haben hier Blicke zu sehr auf uns selber gerichtet<br />

<strong>und</strong> zu wenig auf die Welt, die uns umgibt.<br />

Werner Jacken: Ich komme noch e<strong>in</strong>mal zurück auf uns <strong>und</strong> auf Ihr Amt. Über Ihren Vater<br />

haben Sie e<strong>in</strong>mal geschrieben: Er liebte Kabarettvorstellungen. Das war ja als Blaukreuz-<br />

Prediger eher unkonventionell ...<br />

<strong>Johannes</strong> <strong>Rau</strong>: ... deshalb g<strong>in</strong>g er auch lieber <strong>in</strong> Düsseldorf <strong>in</strong>s Theater ...<br />

Werner Jacken: Ist <strong>in</strong> Ihrem Amt jenseits der Konvention noch Spontanietät möglich? Können<br />

Sie beispielsweise sagen: Christ<strong>in</strong>a, heute gehn wir mal e<strong>in</strong> lecker Eis essen! Ist das möglich?<br />

<strong>Johannes</strong> <strong>Rau</strong>: Das ist zunächst mal e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles Problem! Aber, ernsthaft gesprochen, e<strong>in</strong>e solche<br />

Situation ist schwer denkbar, <strong>und</strong> <strong>in</strong> diesem Amt ist man term<strong>in</strong>lich so e<strong>in</strong>gespannt, dass es Freiräume<br />

zwar gibt, aber dann will man eben auch nichts tun. Ich habe jetzt versprochen, dass das alles anders<br />

wird, denn man wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise verplant, die ist schon lebensunfre<strong>und</strong>lich. Aber wo sie von me<strong>in</strong>em<br />

Vater <strong>und</strong> dem Kabarett sprachen: In diesem Sommer wurde Dieter Hildebrandt 75 Jahre alt, <strong>und</strong> der<br />

Mann ist ja nun e<strong>in</strong>e Institution. Der B<strong>und</strong>espräsident hat e<strong>in</strong> Privileg vor allen anderen: er kann ab <strong>und</strong><br />

zu Leute zum Abendessen e<strong>in</strong>laden, beispielsweise bei wichtigen Geburtstagen. Und das habe ich schon<br />

gemacht mit vielen, zum Beispiel Genscher <strong>und</strong> Egon Bahr. Und da habe ich Dieter Hildebrandt<br />

angerufen <strong>und</strong> zum Abendessen e<strong>in</strong>geladen, <strong>und</strong> das f<strong>in</strong>det statt e<strong>in</strong>en Tag nach der B<strong>und</strong>estagswahl,<br />

also morgen <strong>in</strong> acht Tagen. Und da hat er mir e<strong>in</strong>e Liste geschickt von Leuten, die er alle e<strong>in</strong>laden wollte<br />

<strong>und</strong> die habe ich alle e<strong>in</strong>geladen, aber das waren noch nicht die richtigen. Denn es fehlte Hüsch, es fehlte<br />

Richl<strong>in</strong>g <strong>und</strong> dann habe ich alle Kabarettisten dazugeladen die ich noch kenne, die kommen jetzt auch<br />

dah<strong>in</strong> <strong>und</strong> dann b<strong>in</strong> ich mal gespannt, wie das wird.

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