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Deutsch - Helvetas

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Dossier Bergwelten<br />

Nr. 193 · August 2008<br />

50<br />

jahre<br />

ans<br />

anni


Weitere Themen dieser Nummer Dossier<br />

2<br />

Kreuz & quer<br />

Kofi Annan überreicht <strong>Helvetas</strong> den<br />

Energy Globe Award<br />

201’679 Unterschriften für mehr<br />

Entwicklungshilfe<br />

Afrika zu Gast in Basel<br />

Hinabsteigen in die «Kloake<br />

der Stadt»<br />

Mehr tun – aber das Richtige!<br />

Uno-Jahr der sanitären<br />

Grundversorgung 2008<br />

«Ohne Toiletten leben die Frauen<br />

in Angst»<br />

Beherztes Plädoyer für rettende<br />

Toiletten<br />

Wie der Mensch auf die Toilette kam<br />

Freiwillig für <strong>Helvetas</strong><br />

Ohne Klos nix los!<br />

<strong>Helvetas</strong> für die Schule<br />

Neuland der Solidarität entdecken<br />

Welt- und umwelt-<br />

verträglich handeln<br />

Die Farben der Welt feiern<br />

apropos<br />

Wenn Clowns über die Kolonialgeschichte<br />

stolpern<br />

Vorschau auf das November­Dossier<br />

Veranstaltungen<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

Seite<br />

4/5<br />

6–8<br />

Beilagen<br />

Sonderangebote 2008 (Verkaufsartikel)<br />

Titelbild:<br />

Sherpa im Solo Khumbu Gebiet von<br />

Nepal, wo viele Einheimische in den<br />

Bergen als Lastenträger arbeiten.<br />

9<br />

28<br />

29<br />

30<br />

32<br />

mit<br />

Wettbewerb<br />

Dossier<br />

10<br />

14<br />

16<br />

19<br />

22<br />

24<br />

25<br />

13 | 17 | 20 | 27<br />

Bergwelten<br />

Zwischen Alpstein und Himalaja<br />

Bergbauernleben in der Schweiz und in Nepal haben<br />

viel gemeinsam, doch es gibt auch gewichtige Unterschiede.<br />

Zwei Familien im Porträt.<br />

Von Susanne Strässle<br />

Ein Dorf unter dem Himmel sehnt<br />

sich nach Wasser<br />

Im höchsten Dorf Zentralamerikas wird das Wasser knapp.<br />

Ein <strong>Helvetas</strong> Projekt in Guatemala zeigt Lösungen auf.<br />

Von Kurt Schneider<br />

Brücken zwischen Kontinenten<br />

schlagen<br />

Das Hängebrückenteam von <strong>Helvetas</strong> Nepal steht dem jungen<br />

Brückenteam von <strong>Helvetas</strong> Äthiopien mit Rat und Tat zur Seite.<br />

Von Tesfaye Bizuneh<br />

Vom Berg ins Tal – und zurück<br />

Berge sind nicht unüberwindbar. Das zeigt die Geschichte der<br />

Schweiz und die Erfahrung aus <strong>Helvetas</strong> Projekten.<br />

Von Barbara Strebel<br />

Unterwegs zum Nomadenlager<br />

im Hochgebirge<br />

Der kirgisische Autor erinnert sich an den abenteuerlichen Ritt<br />

auf die Sommerweiden in seiner Kindheit.<br />

Von Tschingis Aitmatow<br />

«Nachhaltiger Tourismus bereichert<br />

die Kultur»<br />

<strong>Helvetas</strong> fördert in Kirgistan den ländlichen Tourismus.<br />

Mit Gewinn für alle Beteiligten.<br />

Von Susanne Strässle<br />

Eine Knolle verändert Bhutan<br />

Die Kartoffel ist für Bhutans Bergbauern ein Weg in die Zukunft.<br />

Von Susanne Strässle<br />

Bergwärts<br />

Säumerwege von gestern und Alpenleben von heute, unterwegs<br />

zur <strong>Helvetas</strong> Hängebrücke und im Kastanienland: Bergwandern<br />

mit Aussichten und Einsichten.


Impressum<br />

Nr. 193/August 2008 Zeitschrift für <strong>Helvetas</strong> Mitglieder, Gönner und Gönnerinnen, 48. Jahrgang<br />

Erscheinungsweise viermal jährlich (Ende Februar, Mai, August, November) in <strong>Deutsch</strong> und<br />

Französisch Herausgeberin <strong>Helvetas</strong>, Weinbergstrasse 22a, Postfach, 8021 Zürich, Tel. 044/368 65 00,<br />

Fax 044/368 65 80, E-Mail info@helvetas.org, Homepage: www.helvetas.ch PC Nr. 80-3130-4<br />

Zürich; <strong>Helvetas</strong>, Secrétariat romand, Rue de la Mercerie 3, Case postale 6435, 1002 Lausanne,<br />

Tel. 021/323 33 73, Fax 021/323 33 74, E-Mail: romandie@helvetas.org, PC 10-1133-7 Lausanne;<br />

<strong>Helvetas</strong>, Segretariato della Svizzera italiana, c/o ACP, Via San Gottardo 67, 6828 Balerna,<br />

Tel./Fax 091/683 17 10, E-Mail: svizzeraitaliana@helvetas.org, PC 65-3875-0 Bellinzona Redaktion<br />

Susanne Strässle (SUS) Bildredaktion/Produktion Andrea Peterhans Französische Ausgabe Catherine<br />

Rollandin, Patrick Schmitt Gestaltung Grafik Werk, Zürich Mitarbeit an dieser Nummer Esther<br />

Amberg (EA), Beatrice Burgherr (BU), Lisa Krebs (LK), Tobias Meier (TM), Ueli Rüegg (UR), Barbara<br />

Strebel (SB); alle übrigen sind im Inhaltsverzeichnis bzw. beim von ihnen verfassten Artikel<br />

namentlich erwähnt Fotos Titelbild: Bruno Morandi/Hoa-Qui/Eyedea/Keystone (Nepal); S. 2:<br />

Vanessa Püntener (Schweiz); S. 3: Steger/dpa/Keystone (Nepal); S. 4: GEG Werbung GmbH (oben,<br />

Belgien), Sandra Künzle (unten, Mosambik); S. 5: Alliance Sud (oben,Schweiz), ETH-Bibliothek<br />

(Mitte, links), Rotpunktverlag. (unten); S. 6/7/8: Meinrad Schade (Mali, Schweiz); S. 9: Gerard<br />

Degeorge/akg-images (oben, Türkei), Dyl Eulenspiegel 1515 (Nachdruck 1982) (unten); S. 10/11/12:<br />

Mrinal Rana (Nepal), Vanessa Püntener (Schweiz); S. 13: Vanessa Püntener (Schweiz); S. 15:<br />

Kurt Schneider (Guatemala); S. 16 Markus Ischer (Aethiopien); S. 17: Beatrice Burgherr (Schweiz);<br />

S. 18: (Aethiopien); S. 19: Museum für Kommunikation, Bern (Schweiz), Emilio Morenatti/AP/Keystone<br />

(Afghanistan); S. 20: Susanne Strässle (Schweiz); S. 21: Peter Schmidt (Nepal); S. 25/26:<br />

Walter Roder (Bhutan); S. 26: Susanne Strässle (Mitte); S. 27: Malcatone Turismo (Schweiz);<br />

S. 28: Henry Georgi/Aurora/Keystone (Kanada); S. 32: Silvia Luckner (oben, Schweiz), Meinrad<br />

Schade (unten, Mali); Alle anderen Fotos: <strong>Helvetas</strong>, Zürich Abonnementspreis Fr. 30.– jährlich, für<br />

Mitglieder im Jahres beitrag inbegriffen Litho und Druck Druckerei Kyburz AG, Dielsdorf Papier<br />

Schwedt Offset Ultra Lux seiden matt<br />

Adress änderungen Bitte teilen Sie uns<br />

Ihre neue Adresse mit: <strong>Helvetas</strong>, Postfach,<br />

8021 Zürich, Tel. 044/368 65 00<br />

«Familie Sherpa hat sicher auch Ziegen, man sieht es<br />

an den Löchern in der Wiese. Wie bei uns!» Als sich<br />

die Familie Neff im appenzellischen Alpstein über<br />

die Bilder der Bauernfamilie in Ostnepal beugt, sind<br />

Anknüpfungspunkte rasch gefunden: «Wenn die<br />

Sherpas ihr Wasser unten am Hang holen müssen,<br />

wäre eine Widder-Pumpe, die mit dem Eigendruck<br />

des Wassers arbeitet, ideal.» – «Finden sie im Winter<br />

denn genügend Gras für die Tiere?» Dass die beiden<br />

Bergbauernfamilien trotz über 7000 km Distanz<br />

im Alltag viel verbindet, zeigt ihr Porträt, das unser<br />

Dossier zum Thema «Bergwelten» eröffnet.<br />

Trotz aller Ähnlichkeiten ist aber manches<br />

entscheidend anders für Bergbewohner in Entwicklungsländern:<br />

Es fehlen Strukturen, soziale<br />

Auffangnetze und Sicherheiten, die den Menschen<br />

ein angstfreies Leben ermöglichen. Anders als bei<br />

den Sennen in der Schweiz sind in Nepal die Tiere<br />

sowie Hab und Gut nicht versichert, Familien vor<br />

den Folgen von Naturereignissen und Klimawandel<br />

kaum geschützt, die Landverhältnisse schlecht<br />

geregelt und staatliche Unterstützung fehlt.<br />

Berggebiete sind in ärmeren Ländern oft besonders<br />

benachteiligt. Deshalb arbeitet <strong>Helvetas</strong><br />

vielerorts in diesen Regionen. Die Schweiz gehört<br />

wie Nepal oder Bhutan zu den Staaten, die zu über<br />

drei Vierteln mit Bergen bedeckt sind. Auch daher<br />

hat die Entwicklungszusammenarbeit mit diesen<br />

Ländern eine lange Tradition: Am Anfang vieler<br />

Projekte stand die Überzeugung, dass die Schweiz<br />

ihr Know-how anderen Bergregionen zur Verfügung<br />

stellen kann.<br />

Beispiele aus der <strong>Helvetas</strong> Arbeit in den Bergen<br />

sind die Förderung des Kartoffelanbaus in Bhutan,<br />

die Unterstützung des Wassermanagements in<br />

Guatemala oder die Tourismusinitiative in Kirgistan.<br />

Neue Wege gehen zwei Partnerländer: Nepal und<br />

Äthiopien unterstützen sich im Hängebrückenbau.<br />

Diese «Partnerschaft» führt Sie in Berggegenden<br />

in aller Welt, möchte aber auch die Lust<br />

auf die Schweizer Alpen wecken. In diesem Sinne<br />

wünsche ich Ihnen spannende Einsichten und<br />

herrliche Aussichten.<br />

Susanne Strässle<br />

Redaktorin «Partnerschaft»<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

Editorial<br />

3


Kreuz Dossier & quer<br />

4<br />

<strong>Helvetas</strong> Wasserprojekte<br />

Kofi Annan überreicht <strong>Helvetas</strong> den<br />

Energy Globe Award<br />

Ende Mai durfte <strong>Helvetas</strong> aus den Händen des ehemaligen<br />

Uno-Generalsekretärs Kofi Annan den Energy Globe Award<br />

entgegen nehmen. Mit dem Umweltpreis wird <strong>Helvetas</strong> für ihr<br />

Engagement für sauberes Trinkwasser geehrt.<br />

Sauberes Wasser für 1 Million Menschen<br />

In den ländlichen Gebieten von Mosambik hat<br />

weniger als die Hälfte der Menschen Zugang<br />

zu sauberem Trinkwasser. Besonders gravierend<br />

ist die Lage in der Provinz Cabo Delgado,<br />

die zu den ärmsten Regionen des Landes<br />

zählt. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung<br />

baut und repariert <strong>Helvetas</strong> Dorfbrunnen und<br />

setzt sich für hygienischere Lebensbedingungen<br />

ein. Ziel des Projektes ist es, die Trinkwasserversorgung<br />

und Siedlungshygiene in<br />

der Region Cabo Delgado nachhaltig zu verbessern.<br />

Seit 1979 konnte <strong>Helvetas</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit Behörden und Bevölkerung<br />

2000 neue Trinkwasseranlagen bauen oder<br />

sanieren und damit für über 1 Million Men­<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

schen den Zugang zu sauberem Trinkwasser<br />

sichern. Die Arbeiten werden von lokalen Bauunternehmen<br />

ausgeführt. Damit leistet <strong>Helvetas</strong><br />

einen wichtigen Beitrag an die Entwicklung<br />

des Privatsektors. <strong>Helvetas</strong> bildet lokale<br />

Wasserkomitees aus, welche die Trinkwasseranlagen<br />

betreiben und unterhalten. Die Bevölkerung<br />

wird über die Zusammenhänge<br />

zwischen Wasserqualität, Hygiene und Gesundheit<br />

aufgeklärt.<br />

Wenn Sie das Wasserprojekt in Cabo Delgado<br />

unterstützen möchten, wenden Sie sich an<br />

Frau Christiane Voegeli, Tel. 044 368 65 67<br />

oder E-Mail christiane.voegeli@helvetas.org.<br />

Prämiert wurde das Wasserprojekt von <strong>Helvetas</strong><br />

in Cabo Delgado im Norden Mosambiks (siehe<br />

Kasten). Die internationale Jury unter der Leitung<br />

der indischen Politikerin Maneka Gandhi wählte<br />

das <strong>Helvetas</strong> Projekt aus 853 Projekten aus, die<br />

für den Preis in der Kategorie Wasser eingereicht<br />

worden waren.<br />

«1,1 Milliarden Menschen haben keinen<br />

Zugang zu sauberem Trinkwasser», erklärte Kofi<br />

Annan in seiner Laudatio anlässlich der Preisverleihung<br />

am 26. Mai im Plenarsaal des<br />

Europa parlaments in Brüssel. Mit der nachhaltigen<br />

Wasserversorgung in Mosambik leiste<br />

<strong>Helvetas</strong> einen wichtigen Beitrag zur Erreichung<br />

der Millen niums­Entwicklungsziele, so Annan<br />

weiter.<br />

Für <strong>Helvetas</strong> bedeutet der Preis eine grosse<br />

Anerkennung und eine Bestätigung, dass sie mit<br />

ihrem Entwicklungsansatz auf dem richtigen Weg<br />

ist. «Mit dem Energy Globe Award werden Projekte<br />

mit Vorbildcharakter ausgezeichnet», sagt<br />

Stefan Stolle, Leiter der Abteilung Kommunikation<br />

& Fundraising, der bei der Preisverleihung zugegen<br />

war. «Dass unser Projekt den Zuschlag<br />

erhalten hat, zeigt, dass <strong>Helvetas</strong> international<br />

als Leader in Sachen Trinkwasser und Nachhaltigkeit<br />

wahrgenommen wird.»<br />

Der mit 10’000 Euro dotierte Energy Globe<br />

Award wurde in den fünf Kategorien Erde, Feuer,<br />

Wasser und Luft – den Elementen des Lebens –<br />

sowie Jugend vergeben. Darüber hinaus wurde<br />

Michail Gorbatschow mit dem Energy Globe<br />

Award für sein Lebenswerk und seinen Einsatz<br />

für den nachhaltigen Umgang mit natürlichen<br />

Ressourcen und den Klimaschutz geehrt. (SB)


«0,7% – Gemeinsam gegen Armut»<br />

201’679 Unterschriften<br />

für mehr<br />

Entwicklungshilfe<br />

Zum Auftakt der Sommersession des Parlaments<br />

Ende Mai haben Vertreterinnen und Vertreter von<br />

Hilfswerken und weiteren Organisationen die Petition<br />

«0,7% – Gemeinsam gegen Armut» den<br />

Behörden überreicht. Um die Forderung nach einer<br />

Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7% des<br />

Bruttonationaleinkommens zu unterstreichen und<br />

den Verantwortlichen «Beine zu machen», blies<br />

bei der Übergabe eine Musikkapelle dem Bundesrat<br />

den Marsch. «Die Petition der Hilfswerke<br />

hat eine lebhafte Debatte über die Entwicklungszusammenarbeit<br />

und deren Erhöhung ausgelöst»,<br />

stellte Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance<br />

(Ab-)Wasser-Führungen in Basel<br />

Hinabsteigen in die<br />

«Kloake der Stadt»<br />

Auch bei uns gab es Probleme mit Wasser und<br />

Abwasser – noch ist es nicht lange her! Die<br />

Stadtrundgänge im Rahmen der <strong>Helvetas</strong> Wasserausstellung<br />

in Basel zeigten, dass es zwischen<br />

der einstigen Situation in der Schweiz und der in<br />

Entwicklungsländern zahlreiche Parallelen gibt.<br />

Sud, fest. Nun liege der Ball bei Bundesrat und<br />

Parlament. Die Petition wurde von über 200’000<br />

Menschen unterschrieben. 51’000 Unterschriften<br />

stammen aus der Westschweiz, gut 13’000 aus<br />

der italienischen Schweiz. Auch <strong>Helvetas</strong> hat gemeinsam<br />

mit ihren Freiwilligen über 7000 Unterschriften<br />

für die Petition gesammelt. (Alliance<br />

Sud/SB)<br />

Basels Brunnen dienten früher der Wasserversorgung<br />

der Menschen, wie das heute im Süden der<br />

Fall ist. In den Birsigkanal, einst die «Kloake der<br />

Stadt» (Bild), wurden früher Fäkalien und Abfälle<br />

entsorgt: Cholera und Typhus bedrohten Menschenleben<br />

in Basel. Erst als die Zusammenhänge<br />

zwischen Wasser, Fäkalien und Krankheiten<br />

um 1880 erkannt wurden, verbesserte sich die<br />

Lage. Es wurden Toiletten gebaut, Wasser­ und<br />

Abwasserversorgung geregelt, Hygieneschulungen<br />

eingeführt. Das trug zu Gesundheit und wirtschaftlicher<br />

Prosperität bei. In Entwicklungsländern<br />

leidet heute noch ein Drittel der Menschen<br />

aufgrund des Mangels an Wasser, Toiletten und<br />

Hygiene unter Krankheiten. <strong>Helvetas</strong> nimmt sich<br />

mit Partnerorganisationen der Lösung dieser Probleme<br />

an. Die Rundgänge in Basel versetzten die<br />

Besucher durch Bildmaterial auch in andere Weltgegenden.<br />

Die Birsigführung, die <strong>Helvetas</strong> zusammen<br />

mit der Firma Ideenreich durchführte,<br />

stiess auf so grossen Anklang, dass zusätzliche<br />

Termine organisiert wurden. (BU)<br />

Neues Buch zur Entwicklungshilfe<br />

Mehr tun – aber das<br />

Richtige!<br />

In der Entwicklungszusammenarbeit stossen insbesondere<br />

seit den Terroranschlägen vom 11.<br />

September 2001 zwei Tendenzen aufeinander:<br />

Die einen wollen Entwicklungsgelder als strategisches<br />

Mittel im «Krieg gegen den Terrorismus»<br />

und zur Sicherung von Rohstoffen einsetzen. Die<br />

andern die Hilfe auf die ärmeren Länder konzentrieren<br />

und in soziale Bereiche sowie Umweltverbesserungen<br />

investieren. Der Entwicklungsexperte<br />

Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance<br />

Sud, durchleuchtet in seinem neuen Buch «Der<br />

Bunter Kulturfrühling<br />

Afrika zu Gast in<br />

Basel<br />

Der Frühling hielt dieses Jahr in Basel besonders<br />

farbenfroh Einzug. Als Rahmenprogramm<br />

zur Afrikastudienkonferenz der<br />

Universitäten Basel und Freiburg i. B. fand<br />

im Mai über mehrere Wochen eine Vielzahl<br />

von Kulturevents im Rahmen des<br />

«Afrika Frühling» statt. Die <strong>Helvetas</strong> Regionalgruppe<br />

Basel war mit einer ganzen<br />

Reihe von Veranstaltungen präsent: Ein<br />

Highlight waren die Vorführungen der<br />

äthiopischen Kaffeezeremonie (Bild). Das<br />

Publikumsinteresse an den beiden Ausstellungen<br />

mit Tingatinga­Bildern aus<br />

Tansania war ebenfalls gross. Gut be sucht<br />

war die Lesung von Christof Hamann, der<br />

aus seinem Roman «Usambara» las und<br />

die Zuhörerinnen und Zuhörer auf zwei<br />

fiktive Besteigungen des Kilimandscharo<br />

mitnahm – einmal im ausgehenden<br />

19. Jahrhundert, einmal in der Gegenwart.<br />

Parallel zum «Afrika Frühling» wurde im<br />

Kollegiengebäude der Universität die <strong>Helvetas</strong><br />

Ausstellung «Wasser für alle!» gezeigt.<br />

(LK)<br />

Streit um die Entwicklungshilfe. Mehr tun – aber<br />

das Richtige!» die gegenwärtige Situation. Seine<br />

fundierte und zugleich gut leserliche Analyse<br />

zeigt, was Entwicklungszusammenarbeit erreichen<br />

kann, wo ihre Grenzen liegen – und wieso<br />

es sich lohnt, weiterhin und mit verstärktem Einsatz<br />

auf die Millenniums­Entwicklungsziele der<br />

Uno hinzuarbeiten. Niggli geht dabei auch auf die<br />

Stimmen ein, die die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit<br />

grundsätzlich in Frage<br />

stellen und zeigt auf, dass diese Fundamentalkritik<br />

am eigentlichen Skandal vorbeizielt: der aussenpolitischen<br />

Zweckentfremdung von Hilfsgeldern.<br />

(Alliance Sud/SUS)<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

5


Uno-Jahr der sanitären Grundversorgung 2008<br />

6<br />

«Ohne Toiletten<br />

leben die Frauen in Angst»<br />

Mali braucht Toiletten – für mehr Menschenwürde, für die Gesundheit<br />

und die Zukunft des Landes. Hawa Fofana Traoré, die Präsidentin einer<br />

malischen Frauenkooperative, erzählt, wie besonders die Frauen unter<br />

der schwierigen Situation leiden, und erklärt, wie das Problem angepackt<br />

werden kann.<br />

n Von Claire Fischer<br />

Frau Traoré, heute sind Sie Präsidentin einer<br />

Frauenkooperative für sanitäre Grundversorgung<br />

und Siedlungshygiene. Stimmt<br />

es, dass Sie selber vor zwanzig Jahren die<br />

Strassen von Bamako gefegt haben?<br />

Ja. Damals hatte ich mein Rechtsstudium<br />

beendet und wollte mich im humanitären<br />

Bereich engagieren, das hat aber nicht<br />

sofort geklappt. Da ich bereits eine Familie<br />

hatte, musste ich unbedingt Arbeit finden.<br />

So habe ich mich für die Initiative<br />

von Aminata Dramane Traoré gemeldet.<br />

Worum ging es dabei?<br />

Aminata Traoré, eine charismatische Globalisierungsgegnerin,<br />

ehemalige Uno­Berate­<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

rin und Kulturministerin, hatte die einfache,<br />

aber geniale Idee, das Problem der fehlenden<br />

Siedlungshygiene mit dem der Arbeitslosigkeit<br />

junger Akademikerinnen zu verbinden.<br />

Gut zehn Frauen haben daraufhin<br />

einen ungewöhnlichen<br />

Arbeitsvertrag<br />

unterzeichnet: Sie<br />

begannen in der<br />

Abfallbeseitigung<br />

zu arbeiten! Am<br />

Anfang rief das grosses<br />

Erstaunen, ja<br />

eine gewisse Verachtung hervor, aber rasch<br />

erkannte man, dass diese Idee Sinn machte.<br />

Wie ging es weiter mit Ihrem Engagement?<br />

Mit einigen dieser «Pionierinnen» habe ich<br />

COFESFA gegründet, eine Frauenkooperative<br />

für Bildung, Familiengesundheit und sanitäre<br />

Grundversorgung. Da sich niemand<br />

sonst um die Beseitigung der Haushaltabfälle<br />

kümmerte, waren unsere Anstrengungen<br />

rasch von Erfolg gekrönt und konnten<br />

ausgebaut werden.<br />

Warum ist in Mali etwas scheinbar so Banales<br />

wie der Gang zur Toilette ein Problem?<br />

In den ländlichen Gebieten gibt es oft keine<br />

Toiletten und die Leute müssen sich ein stilles<br />

Örtchen suchen, das sehr weit vom Haus<br />

entfernt ist, um unbeobachtet ihre Notdurft<br />

verrichten zu können. In der hiesigen Sprache<br />

wird der Ausdruck «sich erleichtern<br />

gehen» mit «aus dem Haus», «nach draussen»<br />

und «zum Waldrand gehen» assoziiert.


Was bedeutet es, ohne Toiletten leben zu<br />

müssen?<br />

In der Bambara­Sprache bedeutet «soutra»<br />

gleichzeitig «Toilette» und «Intimsphäre».<br />

Ohne eine Toilette auskommen zu müssen,<br />

heisst, auf die Intimsphäre zu verzichten.<br />

Man hat keine andere Wahl, als sich in der<br />

freien Natur zu erleichtern – bei jedem Wetter,<br />

ob die Sonne herunterbrennt oder ob es<br />

regnet; und immer riskiert man Bisse von<br />

Schlangen und Skorpionen.<br />

Stellt die fehlende Intimsphäre Frauen vor<br />

besondere Probleme?<br />

Auf jeden Fall. Ohne Toiletten zu leben,<br />

bedeutet für die Frauen, dass sie Angst vor<br />

sexuellen Übergriffen haben müssen. Die<br />

Männer haben es ein bisschen leichter, denn<br />

sie besitzen Fahrräder, mit denen sie sich<br />

vom Haus entfernen können, um ein stilles<br />

und etwas besser geschütztes Örtchen zu<br />

finden.<br />

Wie behindert diese schwierige Situation<br />

die Frauen im Alltag?<br />

Sich erleichtern zu müssen, ist für die<br />

Frauen eine tägliche Herausforderung. Sie<br />

riskieren ständig, belästigt oder gar vergewaltigt<br />

zu werden. Und nach der Geburt<br />

müssen Frauen traditionellerweise 40 Tage<br />

lang im Haus bleiben, um ihr neugeborenes<br />

Kind vor bösen Geistern zu schützen. Wenn<br />

es auf dem Grundstück keine Latrine gibt,<br />

müssen die Mütter ihren Drang bis zum Ein­<br />

<strong>Helvetas</strong> Generalversammlung in Neuchâtel<br />

bruch der Dunkelheit zurückhalten, um sich<br />

dann heimlich aus dem Haus zu schleichen.<br />

Wenn man so seine Notdurft verrichten<br />

muss, irgendwo auf die Schnelle und ohne<br />

die Hände waschen zu können, wie kann<br />

man da noch von Würde sprechen?<br />

Beherztes Plädoyer für rettende Toiletten<br />

Können die Frauen auch zur Lösung des Problems<br />

beitragen?<br />

Um weltweit die sanitäre Grundversorgung<br />

zu verbessern, braucht es gemeinsame<br />

Anstrengungen von Männern und Frauen.<br />

Die Frauen kümmern sich in Mali um alles,<br />

was mit Abfallentsorgung und Hygiene zu<br />

tun hat, deshalb müssen sie sensibilisiert<br />

werden. Aber es sind die Männer, die die<br />

Entscheidungen treffen. Es ist wichtig, dass<br />

man ihnen die Bedeutung der Hygiene<br />

näher bringt und sie mit möglichen technischen<br />

Mitteln vertraut macht, selbst wenn<br />

sie nicht lesen können.<br />

Wie sieht die Situation in den Städten aus?<br />

Wo in der Peripherie neue städtische Siedlungen<br />

mit Zuwanderern vom Land entstehen,<br />

ist die Lage äusserst prekär: Es gibt hier<br />

keine Toiletten, aber viele Menschen. In der<br />

Stadt verfügt der Grossteil der Haushalte<br />

über eine Toilette. Es handelt sich aber meist<br />

um einfache Latrinen oder simple Löcher im<br />

Boden, die mit Brettern bedeckt sind. Nur<br />

knapp über 8% der Haushalte haben eine<br />

Toilette mit Wasserspülung. In der Stadt<br />

manifestiert sich das Problem besonders an<br />

öffentlichen Orten, wo sich viele Menschen<br />

aufhalten: Auf dem Marktgelände von<br />

Bamako oder am Busbahnhof etwa war<br />

nichts vorgesehen, um sich angemessen<br />

erleichtern zu können, weder Toiletten noch<br />

Waschbecken. Man musste hinter einem<br />

Marktstand oder einem Bus sein Geschäft<br />

An der <strong>Helvetas</strong> Generalversammlung in Neuchâtel berichteten zwei engagierte<br />

Frauen von ihrem Einsatz für die sanitäre Grundversorgung in Mali.<br />

«Der Zugang zu sauberem Trinkwasser<br />

und Toiletten ist nicht ein Privileg, sondern<br />

ein Grundrecht!» Mit diesem Appell<br />

richtete sich Hawa Fofana Traoré, Präsidentin<br />

der malischen Frauenkooperative<br />

COFESFA, an die Besucherinnen und<br />

Be sucher der Generalversammlung von<br />

<strong>Helvetas</strong> am 21. Juni im Schloss Neuchâtel.<br />

Das beherzte Plädoyer der Aktivistin<br />

aus Mali, deren Organisation von <strong>Helvetas</strong><br />

unterstützt wird (siehe Interview),<br />

enthielt die Kernbotschaft dieser Generalversammlung:<br />

Das Fehlen von Toiletten<br />

verletzt nicht nur die Menschenwürde,<br />

sondern bringt Krankheit, Armut und Tod.<br />

Deshalb hat die Uno 2008 zum Jahr der<br />

sanitären Grundversorgung erklärt und<br />

Hawa Fofana Traoré ist Juristin und<br />

Präsidentin der malischen Frauencooperative<br />

COFESFA, die sich für Bildung,<br />

Familiengesundheit und sanitäre<br />

Grund versorgung einsetzt.<br />

setzt sich <strong>Helvetas</strong> seit Jahrzehnten in diesem<br />

Bereich ein.<br />

Auch Anne­Sophie Gindroz, Programmleiterin<br />

von <strong>Helvetas</strong> Mali, zeigte<br />

in Wort und Bild auf, wo in Mali die Herausforderungen<br />

der Siedlungshygiene liegen<br />

und wie <strong>Helvetas</strong> diese in ihren Projekten<br />

angeht. «Händewaschen ist das<br />

einfachste Mittel, um Durchfallerkrankungen<br />

zu verhindern», erklärte sie. «Aufklärung<br />

und Hygieneschulungen stehen deshalb<br />

im Mittelpunkt unserer Projektarbeit.»<br />

<strong>Helvetas</strong> unterstützt die Bevölkerung<br />

aber auch beim Bau hygienischer<br />

Latrinen und fördert den Zugang zu sauberem<br />

Trinkwasser. Im Anschluss ergab<br />

sich eine angeregte Diskussion zwischen<br />

���<br />

���<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 7


Jahr der sanitären Grundversorgung 2008<br />

���<br />

���<br />

8<br />

verrichten. Hier<br />

haben wir vor<br />

kurzem öffentliche<br />

Latrinen gebaut.<br />

Was hat sich<br />

dadurch verändert?<br />

Diese Toiletten werden ständig gewartet<br />

und können gegen eine bescheidene Gebühr<br />

benutzt werden. Am Eingang und Ausgang<br />

werden die Leute angehalten, sich die<br />

Hände zu waschen. Damit erreichen wir<br />

mehrere Ziele: Die Hygiene und der Gesundheitszustand<br />

der Menschen wird verbessert,<br />

das Wohlbefinden steigt, und es werden<br />

Arbeitsplätze geschaffen.<br />

Bei mangelnder sanitärer Grundversorgung<br />

denkt man zuerst an Durchfallerkrankungen.<br />

Birgt das Fehlen von Toiletten noch<br />

andere Gesundheitsrisiken?<br />

Malaria zum Beispiel! Die Mücken, welche<br />

die Krankheit übertragen, entwickeln sich in<br />

stehenden Gewässern und Pfützen. Normalerweise<br />

giesst man in Mali Schmutzwasser<br />

in ein Loch im Hof,<br />

oder man schüttet<br />

es auf die Strasse.<br />

Beinahe 80% der<br />

malischen Haushalte<br />

benutzen<br />

ungeeignete<br />

Abwassersysteme,<br />

den Besuchern und den Gästen aus Mali,<br />

aufgelockert von den Intermezzi der senegalesischen<br />

Band Kara.<br />

Durch den statutarischen Teil der Generalversammlung<br />

führte <strong>Helvetas</strong> Präsident<br />

Peter H. Arbenz, musikalisch wurde die Sitzung<br />

von Basuru Jobarteh, einem Koraspieler<br />

aus Gambia, umrahmt. Eine Grussadresse<br />

von Isabelle Bächler­Ott, Präsidentin<br />

von Notre Jeûne Federal, einer langjährigen<br />

Partnerorganisation von <strong>Helvetas</strong>, eröffnete<br />

die Tagung. Später richtete der Neuenburger<br />

Zeit für interkulturelle<br />

Begegnungen im<br />

Schlosshof Neuchâtel:<br />

Koraspieler Basuru<br />

Jobarteh aus Gambia<br />

(l.) mit Gästen.<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

nur jeder zehnte Haushalt ist an eine Kanalisation<br />

angeschlossen. So können sich die<br />

Mücken rasant ausbreiten.<br />

Was für Folgen hat das?<br />

Die menschlichen und wirtschaftlichen Folgen<br />

dieser Krankheit sind katastrophal: horrende<br />

Pflegekosten, häufiges Fehlen in der<br />

Schule und bei der Arbeit. Ein Teufelskreis.<br />

Malaria, Typhus und Durchfall dezimieren<br />

die Bevölkerung und machen die Entwicklungsanstrengungen<br />

zunichte.<br />

Was kann gegen diesen Missstand unternommen<br />

werden?<br />

Die Abwässer müssen aufbereitet werden.<br />

Konkret heisst das, es muss verhindert werden,<br />

dass Pfützen entstehen. Wir zeigen den<br />

Bewohnern, wie sie einfache Kanalisationen<br />

und Sickergruben anlegen und diese mit<br />

porösen Steinen auffüllen müssen, die das<br />

Wasser zurückhalten. Und wir demonstrieren<br />

ihnen, wie diese Gruben mit massiven<br />

Deckeln aus Zement und Kies abgedichtet<br />

werden.<br />

Ist es schwierig, mit den Leuten über den<br />

Gang zur Toilette zu reden?<br />

Nein, nicht besonders. Ich glaube sogar, dass<br />

wir ungenierter als in Europa über die persönliche<br />

Notdurft sprechen. Das Problem ist<br />

die Unwissenheit. Viele Menschen glauben<br />

heute noch, dass Malaria sich über das Essen<br />

Regierungsrat Bernard Soguel das Wort an<br />

die Anwesenden. Geschäftsleiter Melchior<br />

Lengsfeld blickte anhand von Projektbeispielen<br />

auf das vergangene Geschäftsjahr<br />

zurück. Zudem wurde die Arbeit von Paola<br />

Ghillani, die aus dem Zentralvorstand von<br />

<strong>Helvetas</strong> zurücktrat, herzlich verdankt.<br />

Über Mittag nutzten viele Besucherinnen<br />

und Besucher im sonnigen Schlosshof bei<br />

einem afrikanischen Mittagessen die Gelegenheit<br />

für persönliche Begegnungen und<br />

Gespräche. (SUS/EA)<br />

verbreitet! Sie kennen den Zusammenhang<br />

zwischen Hygiene und Gesundheit nicht. Es<br />

braucht vor allem Information.<br />

Tut der Staat etwas zur Verbesserung der<br />

Situation?<br />

Mali wendet bloss 0,02% seines Budgets für<br />

die sanitäre Grundversorgung auf. Zwar<br />

existiert eine Landespolitik zum Thema,<br />

aber sie wird ungenügend oder gar nicht<br />

umgesetzt, weil der politische Wille fehlt.<br />

Wegen der laufenden Dezentralisierung<br />

müssten sich nun die Gemeinde­ und Stadtverwaltungen<br />

mit<br />

dem Problem<br />

beschäftigen, aber<br />

ihnen fehlen die<br />

Mittel. Um auf die<br />

Behörden Druck<br />

auszuüben und die<br />

Kräfte zu bündeln,<br />

haben private Organisationen wie COFESFA,<br />

Verbände, Projektbüros und Interessengruppen<br />

mit Hilfe von <strong>Helvetas</strong> eine Koordinationsstelle<br />

geschaffen: Diese stimmt die<br />

Aktivitäten aller Beteiligten aufeinander ab,<br />

sie ist im Gespräch mit der Regierung und<br />

übt den nötigen Druck aus.<br />

Wie lautet Ihre Botschaft an die Schweizer<br />

Bevölkerung?<br />

Viel ist bereits getan worden, aber vieles<br />

bleibt noch zu tun. Ich appelliere an Ihre<br />

Solidarität und hoffe, dass wir die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>Helvetas</strong> weiterentwickeln<br />

können. Ohne Toiletten gibt es keine Entwicklung!<br />

Das geht auch den Norden etwas<br />

an. Oder wie es Thomas Sankara, der ehemalige<br />

Präsident von Burkina Faso, gesagt<br />

hat: «Derjenige, der vor einem Hungernden<br />

eine Mahlzeit zu sich nimmt, ist nicht in<br />

Sicherheit!» Lasst uns eine Kette der Solidarität<br />

zwischen den Menschen des Nordens<br />

und des Südens bilden, um allen ein Leben<br />

in Würde und Gesundheit zu ermöglichen.<br />

Claire Fischer ist Medienverantwortliche<br />

des <strong>Helvetas</strong> Sekretariates der italienischen<br />

Schweiz. n<br />

Aus dem Französischen übersetzt von<br />

Maria Helena Nyberg.


Wie der Mensch<br />

auf die Toilette kam<br />

Nicht die Europäer, sondern die Inder und Assyrer<br />

waren die ersten Sanitärinstallateure. Eine kleine<br />

Geschichte der Erfindung des Klos.<br />

n Von Susanne Strässle<br />

Der Mensch im Norden sitzt heute komfortabel<br />

auf seinem Thron, doch erfunden hat<br />

er die Toilette mitnichten.<br />

Hochkultur mit Klokultur<br />

Die ersten Sanitärinstallateure waren im<br />

Industal im Westen Indiens um 2500 v. Chr.<br />

im Einsatz: Die Menschen der Harappa Zivilisation<br />

hatten bereits Häuser mit Sitzklosetts,<br />

die praktischerweise mit abfliessendem<br />

Badewasser gespült wurden. Die Abflüsse<br />

mündeten in gedeckte Abwasserkanäle. Das<br />

Entsorgungssystem war technisch so durchdacht,<br />

dass es sogar über Einstiegsschächte<br />

für Unterhaltsarbeiten verfügte.<br />

Die Assyrer und Babylonier gelten ebenfalls<br />

als Ahnherren moderner Siedlungshygiene.<br />

In assyrischen Palästen fand man aus<br />

zwei Mäuerchen konstruierte Sitzklos. Fäkalien<br />

gelangten in eine Versickerungsanlage<br />

mit Klärbecken. Die babylonischen Aborte<br />

von 1300 v. Chr. erinnern mit ihren Plattformen<br />

für die Füsse und dem bespülbaren<br />

Bodenloch an Stehklos, wie man sie heute in<br />

Süditalien findet.<br />

Vielleicht liegt es daran, dass die alten<br />

Ägypter viel über Hygiene und Heilkunde<br />

wussten, dass auch sie Abwässer – teils in<br />

Kupferrohren – ableiteten. Die Notdurft<br />

wurde am Nil im Haus verrichtet, und es gab<br />

Aborte aus gegeneinander geneigten Mauern,<br />

die manchmal mit anatomisch geformten<br />

Keramiksitzen bestückt waren: ein Prototyp<br />

der WC­Brille aus dem zweiten Jahrtausend<br />

v. Chr.<br />

Klokulturen: Römische Gemeinschafts toilette<br />

in Ephesus (o.) und derbe Sitten im Mittelalter,<br />

persifliert von Till Eulenspiegel (u.).<br />

Gemeinsam «ein Geschäft<br />

machen»<br />

Im vorchristlichen Jerusalem gab es vor<br />

allem öffentliche Bedürfnisanstalten. Private<br />

waren seltener, denn dagegen durfte<br />

der Nachbar Einspruch erheben. Aber es galt<br />

schon damals als verdienstlich, für arme<br />

Leute Aborte zu stiften. Die fast geruchsfreien,<br />

mit Sickergruben versehen persischen<br />

Toiletten dürften als Vorbild gedient<br />

haben.<br />

Unsere direkten Lehrmeister für sanitäre<br />

Installationen waren die Römer,<br />

obgleich sie die Latrine manchmal in der<br />

Küche platzierten. Dafür schufen sie in Rom<br />

mit der Cloaca Maxima einen Abwasserkanal,<br />

der heute noch in Betrieb ist. In der<br />

Römerzeit gab es öffentliche Bedürfnisanstalten,<br />

wo in Bänke Dutzende von Löcher<br />

eingelassen waren, so dass man gemeinsam<br />

nieder hocken und auch Geschäftliches<br />

besprechen konnte – daher wohl der Ausdruck<br />

«ein Geschäft machen». Ein Wasserdurchlauf<br />

unter der Sitzreihe sorgte für<br />

ständige Spülung.<br />

Recycling war den Römern ebenfalls<br />

bekannt: In manchen öffentlichen Pissoirs<br />

pinkelte man in Amphoren von Gerbern und<br />

Wollwäschern, die den Urin dank seines<br />

Ammoniakgehalts zum Reinigen brauchten.<br />

Dennoch war Rom nicht frei von Schmutz.<br />

Der Dichter Juvenal spottet, wie riskant ein<br />

nächtlicher Spaziergang sei, weil Leute ihre<br />

Nachttöpfe auf die Strasse kippten.<br />

Geld ins Klo werfen<br />

Mit dem Untergang der Hochkulturen ging<br />

auch viel Toilettenkultur verloren. Im europäischen<br />

Mittelalter und der frühen Neuzeit<br />

waren Nachttopf und Erker, aus denen der<br />

Kot in offene Wassergräben fiel, die Regel.<br />

Erst Mitte 19. Jahrhundert, als der Zusammenhang<br />

zwischen Kloake und Krankheit<br />

erkannt wurde, begann man in den Städten<br />

enorme Summen in die Stadtentwässerung<br />

zu investieren.<br />

In der Schweiz beträgt der Wert der<br />

Infra struktur für Abwasserentsorgung und<br />

­aufbereitung heute laut dem Wasserforschungs<br />

institut EAWAG 100 Milliarden<br />

Franken, die laufenden Unterhaltskosten<br />

nicht eingerechnet.<br />

Fast nirgends ist so viel Geld (und Wasser)<br />

vorhanden wie in der Schweiz. Und doch<br />

brauchen alle Menschen Toiletten für ein<br />

Leben in Gesundheit und Würde. In Ländern<br />

des Südens sind einfache, praktische und<br />

effiziente Lösungen gefragt, die ein neues<br />

Kapitel in der Weltgeschichte der Toilette<br />

schreiben könnten.<br />

Susanne Strässle ist Redaktorin<br />

der «Partnerschaft». n<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

9


Dossier<br />

10<br />

Zwischen Alpstein und Himalaja<br />

Zwei Familien auf verschiedenen Kontinenten und doch so nah: Bei Familie<br />

Sherpa in Nepal und Familie Neff in der Schweiz prägen die Natur und<br />

die Tiere den Alltag. Und doch stellt das Bergleben Menschen in ärmeren<br />

Ländern vor existentiellere Herausforderungen.<br />

n Text: Susanne Strässle (Schweiz) und<br />

Reena Chettri (Nepal) Fotos: Vanessa Püntener<br />

(Schweiz) und Mrinal Rana (Nepal)<br />

Am späten Nachmittag versammelt sich ein<br />

halbes Dutzend Bauern im Haus von Radhiki<br />

und Pasang Sherpa. Die Männer gönnen sich<br />

einen Becher Tongba: Immer wieder giesst<br />

die Bauersfrau heisses Wasser über die fermentierte<br />

Hirse, und die Gäste trinken das<br />

selbst gebraute Bier durch einen Bambushalm.<br />

Leben mit Aussicht<br />

Das aus Bambus und Holz gebaute Haus der<br />

Sherpas liegt am äussersten Rand des<br />

150­Seelen­Dorfes Jowbari und verfügt nur<br />

über ein Schlafzimmer und eine Wohnküche.<br />

Hier warten die Bauern allabendlich<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

darauf, bis ihre Kühe von der Weide kommen.<br />

Von dem kleinen, auf fast 3000 m ü. M.<br />

gelegenen Bergdorf im Distrikt Ilam in Ostnepal<br />

geht der Blick weit hinaus auf die<br />

Achttausender des Himalajas.<br />

Der Säntis, zu dem man von der Altenalp<br />

(1595 m) im appenzellischen Alpstein aus<br />

aufblickt, ist im Vergleich dazu winzig. Und<br />

doch liegt die Altenalp hoch über dem Seealpsee<br />

nicht weniger aussichtsreich in blühenden<br />

Wiesen. Hierher kommen Bruno und<br />

Gerlinde Neff jeden Sommer mit ihren Tieren.<br />

Wohnen die Sherpas unter teils rauen<br />

Bedingungen das ganze Jahr in ihrem Berghaus,<br />

so dauert für Neffs der Alpsommer nur<br />

von Mitte Juni bis Anfang September.<br />

Der 50­jährige Bruno und die 47­jährige<br />

Gerlinde schenken in ihrer kleinen Alpwirtschaft<br />

kein Bier aus, dafür frische Milch,<br />

Verwandte Bergwelten:<br />

Pasang und Radhiki<br />

Sherpa (S.10) leben mit<br />

ihrem Vieh am Rande<br />

des kleinen Dorfes<br />

Jowbari in Ostnepal.<br />

Bruno und Gerlinde Neff<br />

(S.11) führen in<br />

Appenzell Innerrhoden<br />

während des Sommers<br />

ein arbeitsreiches<br />

Sennen leben auf der<br />

Altenalp.<br />

Molke und Buttermilch. Hier stärken sich<br />

Wanderer zudem an hausgemachtem<br />

Joghurt und Käse oder dem eingemachten<br />

Fleisch der Alpschweine.<br />

Die 42­jährige Radhiki betont: «Wir verlangen<br />

für das Bier kein Geld, wir wollen<br />

damit nichts verdienen, schliesslich kann<br />

Alkohol Familien zugrunde richten.» Im Alltag<br />

trinkt man hier gesalzenen Buttertee.<br />

Auch die Sherpas leben von der Milchwirtschaft:<br />

Sie produzieren Churpi, einen luftgetrockneten<br />

Käse, geklärte Butter und Milch.<br />

Daneben bauen sie Kartoffeln, Kohl, Rettich<br />

und Karotten für den Verkauf an.


Grossfamilie mit Vierbeinern<br />

Die Neffs haben drei Töchter, die 9, 13 und 18<br />

Jahre alt sind, sowie einen 17­jährigen Sohn.<br />

Sherpas Familienverhältnisse sind ganz ähnlich.<br />

Als Pasang von seiner sechsköpfigen<br />

Familie mit den vier Töchtern im Alter von<br />

10, 17, 19 und 21 Jahren erzählt, wirft Radhiki<br />

in ihrer überschwänglichen Art ein: «Er lügt.<br />

Wir haben noch sieben Familienmitglieder<br />

mehr!» Sie meint die sechs Kühe und den<br />

Bullen im Stall. Daneben besitzt das Paar<br />

noch ein Lastpferd, acht Ziegen und zwei<br />

Hühner.<br />

Die Neffs sind dieses Jahr mit ihren<br />

15 Milchkühen auf der Alp. Dabei sind auch<br />

zehn Schweine, drei Hühner und ein Hund.<br />

Zudem sömmern sie fremdes Jungvieh: Von<br />

45 Rindern sind nur 9 ihre eigenen, und auch<br />

die rund 40 Geissen sind Sommergäste.<br />

Die Beziehung zu den Tieren ist in beiden<br />

Familien nah und herzlich. Das beginnt<br />

schon damit, dass jeweils die ganze Familie<br />

den passenden Namen für ein neugeborenes<br />

Kalb sucht. Brüni und Rosalia heissen die<br />

Kühe auf der Altenalp, Kali (Schwarze) oder<br />

Putali (Schmetterling/Schöne) in Jowbari.<br />

Ein Original ist Lalmu (Rotgesicht), die<br />

immer zu früh von der Weide kommt und<br />

den Kopf durch die Tür in Radhikis Küche<br />

steckt, um liebkost zu werden. «Bei uns<br />

bestimmen die Tiere den Tag», sagt Gerlinde.<br />

Bei den Sherpas ist es nicht anders: «Unser<br />

Tag beginnt und endet mit ihnen.»<br />

Einfaches Leben weit vom<br />

Schuss<br />

Strom gibt es weder in Brunos noch in<br />

Pasangs Haus. Immerhin haben beide ein<br />

kleines Radio. «Für den Wetterbericht», sagt<br />

Bruno. Wichtig ist für die Neffs das Handy.<br />

Früher musste man eine Stunde bergan<br />

steigen, um zu telefonieren. Bruno hat herausgefunden,<br />

dass seine benzinbetriebene<br />

Melkmaschine – er melkt heute nur noch die<br />

Geissen von Hand – ein wenig Extrastrom<br />

produziert, der für den Handy­Akku reicht.<br />

Ansonsten ist hier alles Handarbeit: Gewaschen<br />

wird in Bottichen mit dem Wäschestössel,<br />

gekäst auf dem Holzfeuer.<br />

«Z’Alp fahren» ist für das Paar die schönste<br />

Zeit im Jahr. Aber auch die strengste. Jedes<br />

Jahr müssen 2200 Pfähle für Zäune neu eingeschlagen<br />

werden. Bis alle Tiere oben sind<br />

und alles heil angekommen ist, ist die<br />

Anspannung gross. Wann Alpaufzug ist,<br />

bestimmen die Sterne beziehungsweise der<br />

Appenzellerkalender mit: «Im Fischzeichen<br />

geht man nicht. Da sind die Kühe unruhig<br />

und nervös.» Die Kühe bewältigen den Weg<br />

so gern sie sich oben im Morast suhlen, ist<br />

der Aufstieg eine Qual. Glücklicherweise<br />

haben die Neffs einen Sponsor gefunden,<br />

der den Tieren einen Heliflug finanziert.<br />

Anfang Saison fliegt der Helikopter einmal<br />

mit allen Vorräten zur Altenalp, da sie weder<br />

Zufahrt noch Transportseilbahn hat. Alles<br />

Weitere muss von der Familie oder Bekannten<br />

von der Bergstation der Ebenalpbahn<br />

eine Stunde getragen werden. Und ein<br />

beachtlicher Teil an Käse und Butter auch<br />

wieder zurück.<br />

Obgleich eine Schotterpiste nach<br />

Jowbari führt, ist die Abgelegenheit für die<br />

Sherpas ein Problem. Es gibt nur wenige alte<br />

Jeeps, die als Sammeltaxis fahren. Oft sind<br />

sie für Touristen unterwegs, sodass es selbst<br />

in Notfällen manchmal keinen Transport<br />

gibt. Dann muss man die 15 km zum nächsten<br />

grösseren Dorf zu Fuss gehen. Ist jemand<br />

krank, ist das indische Darjeeling der<br />

nächste Ort mit guter Versorgung. Aber<br />

die Reise kostet viel Geld und einen ganzen<br />

Arbeitstag.<br />

Viel Arbeit im eingespielten<br />

Team<br />

Die Tage auf der Altenalp sind lang, von der<br />

Tagwacht um fünf bis nach Sonnenunter­<br />

zur Alp in rund vier Stunden. Für die Säue, gang. «Irgendeinem Ärbetli gehen wir ���<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

11


Dossier<br />

���<br />

immer nach», sagt Gerlinde. Jeden Tag muss<br />

zweimal gemolken, die Kuh­ und Geissenmilch<br />

verkäst und Butter hergestellt werden.<br />

Bruno und Gerlinde sind jedoch ein eingespieltes<br />

Team. Jeder kennt seine Aufgaben<br />

und dieses Jahr geht ihnen mit Erwin ein<br />

junger Gehilfe zur Hand.<br />

Bei Pasang und Radhiki beginnt der<br />

Morgen um halb sechs mit einer Tasse Tee.<br />

Während der Bauer den Tag auf dem Feld<br />

verbringt, kümmert sich seine Frau um die<br />

Arbeiten rund ums Haus und macht Churpi,<br />

den getrockneten Käse.<br />

Bruno kann sich kein anderes Leben<br />

vorstellen. Er liebt es zu sehen, wie etwas<br />

wächst und die Natur gedeiht. In der Stadt<br />

leben möchte auch Gerlinde nicht: «Zu viel<br />

Rummel, Verkehr und Anonymität.» Natur<br />

und Tiere würden beiden fehlen.<br />

Die Sherpas, deren Alltag von Härte und<br />

Verzicht gezeichnet ist, sind pragmatischer.<br />

Sie sind weder unglücklich noch überragend<br />

glücklich mit ihrem Dasein – es ist das einzige<br />

Leben, das sie kennen. Trotz der Strapazen<br />

wäre die Stadt nichts für sie. «Was kann<br />

Kathmandu uns bieten? Am Radio hören wir<br />

von Unfällen und Problemen», sagt Rhadiki,<br />

die kocht, während die Nachbarn noch immer<br />

in ihrer Küche sitzen. «Und was sollen wir da<br />

denn essen?», wirft Pasang lachend ein.<br />

Käsekulturen:<br />

Radhiki Sherpa stellt<br />

aus Kuhmilch den<br />

Trockenkäse Churpi<br />

her (u. l.), den<br />

die Nepalis gerne<br />

kauen. Bruno Neff<br />

(r.) verarbeitet<br />

täglich die frische<br />

Milch auf dem<br />

Holzfeuer zu Alpkäse<br />

(u. r.).<br />

12 <strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

Von den Kindern getrennt<br />

Für seine Töchter hat der 48­jährige Pasang<br />

jedoch andere Pläne. Er investiert 60 Prozent<br />

seines Jahreseinkommens von rund 1500<br />

Franken in ihre Ausbildung. «Das ist wichtig,<br />

sonst werden sie ja wie wir!» Sie sollen es<br />

einmal besser haben. Dafür nimmt das Paar<br />

in Kauf, auf die Arbeitskraft der Kinder zu<br />

verzichten und fast das ganze Jahr von<br />

ihnen getrennt zu leben. Denn im Dorf gibt<br />

es nur eine Schule bis zur 5. Klasse. Ältere<br />

Kinder müssen täglich drei Stunden zur<br />

Schule laufen. Deshalb wohnen Pasangs<br />

Töchter bei einer Tante in Kathmandu. Nur<br />

ein einziges Mal im Jahr, während der Ferien,<br />

sehen die Mädchen<br />

ihre Eltern.<br />

Auch Bruno<br />

und Gerlinde müssen<br />

sich über den<br />

Sommer von den<br />

Kindern trennen.<br />

Aber Kinder wie<br />

Eltern haben sich<br />

dran gewöhnt;<br />

immer wurden<br />

gute Gastfamilien<br />

gefunden. Am<br />

Wochenende und<br />

während der Ferien<br />

kommen alle gern auf die Alp und sagen, sie<br />

wollen dieses Leben später weiterführen.<br />

Der Sohn macht die landwirtschaftliche<br />

Lehre und möchte den Hof übernehmen.<br />

Das freut die Eltern. «Aber er ist ein junger<br />

Mensch, und wir wollen uns noch nicht darauf<br />

verlassen», sagt die Mutter.<br />

Existentielle Ängste<br />

Dass die Sherpas anders als die Neffs keine<br />

Zukunft in ihrem Berufsstand sehen, hat<br />

gute Gründe. So viel auch ähnlich ist im<br />

Bergalltag der beiden Familien, gibt es doch<br />

entscheidende Unterschiede. «Dass man<br />

existentielle Ängste haben muss, das kön­


nen wir uns gar nicht vorstellen», sagt Gerlinde.<br />

In Jowbari war die politische Lage in<br />

den letzten 12 Jahren unsicher; in der Zeit<br />

der maoistischen Aufstände haben Unbekannte<br />

Ställe niedergebrannt. Seit Ende des<br />

Bürgerkriegs ist es ruhiger, aber es fehlen<br />

Strukturen für Versorgung, Transport und<br />

Warenvertrieb sowie Sicherheiten, die ein<br />

Leben ohne Angst ermöglichen.<br />

Geflügelhaltung etwa ist für Pasang<br />

kein Thema: «Überall hört man von Vogelgrippe.<br />

Bricht sie aus, müssen alle Tiere<br />

getötet werden. Ein solches Risiko können<br />

wir nicht eingehen.» Versichert sind die<br />

Tiere hier nicht. Auf der Altenalp ist das<br />

geregelt: Verunglückt eine Kuh, wird sie von<br />

der Rega geborgen und zumindest ihr Wert<br />

von der Versicherung ersetzt. Unfälle sind<br />

selten, aber sie kommen vor. Im Jahr 2006<br />

stürzten drei Tiere ab und zehn Jahre davor<br />

ebenso viele.<br />

In Nepal sind die Tiere selber die Versicherung<br />

der Familie. Braucht Pasang Geld<br />

für einen Notfall, verkauft er eine der<br />

Ziegen, im schlimmsten Fall ein Kalb. «Ich<br />

wüsste nicht, wie wir ohne unsere Tiere<br />

über leben sollten», sagt er. Die Inflation ist<br />

hoch und die Preise steigen, während das<br />

Geld, das er für die Milch bekommt, weniger<br />

geworden ist.<br />

Tourismus als Chance<br />

Erschwerend im Alltag der Sherpas ist, dass<br />

sie ihr Wasser von einer Quelle unten am<br />

Hang herauftragen müssen. Obwohl die<br />

Neffs zwei Quellen beim Haus haben, erleben<br />

sie ähnliches in heissen, trockenen Sommern:<br />

«2006 mussten wir drei Wochen lang<br />

täglich Wasser auf die äusseren Weiden tragen.»<br />

Für das Ehepaar Sherpa ist das ständige<br />

Realität, die viel Arbeitszeit frisst.<br />

Von der Alpwirtschaft zu leben, ist aber<br />

auch in der Schweiz nicht leicht. «Früher<br />

konnten wir die Alp gut über die Landwirtschaft<br />

und das Sömmern fremder Tiere<br />

finanzieren. Heute bringt uns das nicht<br />

mehr über die Runden», sagt Gerlinde. Ohne<br />

die Wandertouristen ginge es im Alpstein<br />

fast nicht mehr. Sie kehren hier ein, packen<br />

Käse und Alpbutter in den Rucksack oder<br />

übernachten im Heu.<br />

Davon können Pasang und Radhiki nur<br />

träumen: Trotz einer Höhe von 3000 m ü. M.<br />

liegt Jowbari zu tief und abseits der beliebten<br />

Trekking­Routen. Ansonsten könnten sie<br />

ein Gasthaus eröffnen und Proviant verkaufen.<br />

Profitieren können nur die wenigen reicheren<br />

Familien im Dorf, die alte Jeeps teuer<br />

an Touristen vermieten.<br />

Das Gras wird knapp<br />

Wenn der Hagel im Alpstein das junge Gras<br />

zerstört, dann kann das die Alpsaison dras­<br />

tisch verkürzen. Doch die Familie Neff kann<br />

jederzeit ins Tal zurück, während die Sherpas<br />

keine anderen Wiesen haben. Und das<br />

Grasland um Jowbari ist schon arg strapaziert.<br />

Übergrasung ist ein wachsendes<br />

Umweltproblem. Dabei sind die Sherpas<br />

bereits hierher gezogen, weil es im alten<br />

Dorf nicht mehr genug Weideland gab.<br />

Zwar muss auch im Alpstein das Gras<br />

gepflegt werden. Kuhfladen aufsammeln ist<br />

eine wichtige Arbeit, um Gülle zu gewinnen<br />

und damit die Wiese nicht kaputt geht oder<br />

überdüngt wird. In der Schweiz ist Übergrasung<br />

aber keine Gefahr: Jede Alp darf nur<br />

mit einer bestimmten Zahl Kühe «bestossen»<br />

werden. Gerlinde findet das gut: «Das ist ein<br />

nachhaltiges System. Und wir können uns<br />

den Luxus leisten, nicht zu viele Tiere mitzunehmen.»<br />

Dabei helfen auch die Sömmerungsbeiträge<br />

des Bundes mit. In Nepal dagegen gibt<br />

es keine staatliche Unterstützung für Bergbauern.<br />

Sie sind auf sich gestellt. Die Regierung<br />

hilft Pasang immerhin indirekt: Anders<br />

als auf der Altenalp, wo der Landbesitz<br />

grundbuchamtlich geregelt ist, gehört ihm<br />

nur der Flecken, auf dem sein kleines Haus<br />

steht. Dort, wo seine Kühe grasen und er<br />

bergwärts<br />

Sennenleben im Alpstein<br />

Gut zu wissen Wanderzeit: 3,5 h. Steigung: � 900m, � 150m<br />

Anreise Appenzellerbahn von Gossau nach Wasserauen. Rückreise: Seilbahn von der<br />

Ebenalp nach Wasserauen.<br />

Route Wasserauen (868 m ü.M.) – Seealpsee (50 min.) – Altenalp (80 min., 1595 m) –<br />

Äscher/Wildkirchli (55 min.) – Bergstation Ebenalpbahn (25 min., 1640 m)<br />

Von Wasserauen wandert man über ein Strässchen zum Seealpsee. Dem rechten Ufer entlang bis<br />

zum Wegweiser gehen, der den Aufstieg zur Altenalp (Richtung Schäfler) anzeigt. Nach einer Rast auf<br />

der Terrasse der Altenalp, wo man Einblick in den sennischen Alltag hat und die Alpprodukte probieren<br />

kann, Richtung Ebenalp wandern. Nach 45 min. lohnt es sich, nicht direkt aufzusteigen, sondern<br />

den Weg (10 min.) über das Felsenrestaurant<br />

Äscher und das Wildkirchli<br />

zu wählen: Die Kapelle liegt<br />

am Eingang prähistorischer Höhlen<br />

mit einem Ere miten häuschen<br />

in der Felswand. Von dort geht’s<br />

in 25 min. zur Bergstation der<br />

Ebenalp bahn.<br />

Info Die Altenalp ist von Mitte<br />

Juni bis Anfang September bewirtschaftet.<br />

Übernachten im Heu<br />

oder im (einzigen) Doppel zimmer<br />

möglich. Reservation über<br />

Tel. 079 406 36 69. (SUS)<br />

sein Gemüse pflanzt, ist Staatsland:<br />

«Steuern bezahlen müssen wir dafür nicht.<br />

Die Regierung wird uns aber nicht verjagen.<br />

So ist das System hier.» Ein verbrieftes<br />

Recht auf das Land hat er jedoch nicht. Für<br />

ihn ist deshalb ein Glück, dass seine Weiden<br />

abschüssig sind: «Sonst hätten andere<br />

Familien wohl bereits ihre Häuser hier<br />

errichtet.»<br />

Nach Einbruch der Dunkelheit machen<br />

sich die Dörfler von Jowbari, manche leicht<br />

schwankend, auf den Heimweg. Nach einem<br />

einfachen Mahl aus Reis, Gemüse und Fladenbroten<br />

legt sich das Ehepaar Sherpa<br />

schon um acht Uhr müde ins Bett.<br />

Ein schlichtes Abendessen beendet<br />

auch im Alpstein den Arbeitstag, Käse<br />

kommt oft auf den Tisch oder heisse Suppen,<br />

die Gerlinde aus Brennnesseln oder frischem<br />

Heu zubereitet. Bis Bruno jedoch von der<br />

letzten Kontrollrunde zu den Weiden des<br />

Jungviehs zurück ist, kann es 10 Uhr werden.<br />

Manchmal ruft er erst dann den weithin zu<br />

hörenden abendlichen Alpsegen durch den<br />

Trichter hinaus in die stille Bergwelt.<br />

Susanne Strässle ist Redaktorin der<br />

«Partnerschaft». Reena Chettri ist freischaffende<br />

Journalistin im indischen Darjeeling. n<br />

Aussicht auf den Seealpsee auf dem Weg zur Altenalp.<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 13


Dossier<br />

14<br />

Ein Dorf unter dem Himmel sehnt<br />

sich nach Wasser<br />

Ixchiguan ist stolz darauf, mit 3200 Metern über Meer die höchstgelegene<br />

Gemeinde Zentralamerikas zu sein. Doch so nah am Himmel zu wohnen, ist eine<br />

Herausforderung. Wasser ist im guatemaltekischen Bergland ein rares Gut.<br />

n Von Kurt Schneider<br />

Freitag ist ein besonderer Tag in Ixchiguan.<br />

Dann heizen die Menschen hier den Tamascal<br />

ein. Der Tamascal, in der Mayasprache<br />

auch «Chuj» genannt, ist eine traditionelle<br />

guatemaltekische Dampfsauna: ein kleiner<br />

hausähnlicher Unterschlupf aus Lehmziegeln<br />

oder Zementbausteinen. Abwechslungsweise<br />

setzten sich erst die Buben mit<br />

dem Vater, dann Mutter und Töchter in die<br />

Schwitzhütte. Das reinige den ganzen Körper<br />

und habe eine heilende Wirkung, denn<br />

jede Familie mische nach eigenem Rezept<br />

verschiedene Kräuter und Baumblätter in<br />

den Dampf, erzählen die Dorfbewohner.<br />

Ein stolzes Dorf in den<br />

Bergen<br />

Der Tamascal ist eine wunderbare Einrichtung,<br />

um zu etwas Wärme zu kommen,<br />

denn Ixchiguan ist mit 3200 Metern über<br />

Meer das höchstgelegene Dorf Zentralamerikas,<br />

und es kann hier bitterkalt werden. An<br />

Sommertagen klettert die Temperatur zwar<br />

bis 20 Grad, aber nachts kühlt es auf 5 Grad<br />

ab, im Winter ist Frost nicht selten.<br />

Wie in einer Sauna wird im Tamascal,<br />

um Dampf zu erzeugen, Wasser über feuererhitzte<br />

Steine gegossen, und am Ende wird<br />

der Körper mit einem Eimer kalten Wassers<br />

übergossen. Wasser ist aber nicht nur beim<br />

Tamascal ein unverzichtbares Element. Es<br />

spielt im Alltag der Dorfbewohner, von<br />

denen die meisten von der Landwirtschaft<br />

leben, eine wichtige Rolle. Und es ist ein<br />

drängendes Thema in aller Munde, denn es<br />

ist ein rares Gut in der Berggemeinde, in der<br />

in 47 Dörfern auf 124 km 2 verstreut 24’500<br />

Menschen leben.<br />

Für die lokale Wasserversorgung ist der<br />

Hausberg von Ixchiguan, der rund 3500<br />

Meter hohe Cotzic, von herausragender<br />

Bedeutung. Um ihn ranken sich zahlreiche<br />

Legenden und Geschichten. So gibt es dort<br />

einen Fels, den die Leute den «geteilten<br />

Stein» nennen. Unter ihm soll eine grosse<br />

Stadt liegen, und es heisst, wer dorthin<br />

abtauche, werde mit viel Geld zurückkehren.<br />

Der wahre Reichtum des Cotzic ist aber ein<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

anderer: Aus diesem Berg entspringen die<br />

Wasserquellen, aus denen Ixchiguan sein<br />

Trinkwasser bezieht. Es sind die Quellen der<br />

drei grossen Flüsse Suchiate, Cuilco und<br />

Naranjo.<br />

Heute machen sich die Leute aber Sorgen,<br />

weil das Wasser knapp wird und schon<br />

alle Quellen gefasst sind. Die Gemeinde und<br />

insbesondere der Hauptort sind in den letzten<br />

30 Jahren stetig gewachsen. Das Wasserversorgungssystem<br />

ist veraltert und genügt<br />

den Anforderungen nicht mehr. Mittlerweile<br />

muss das Wasser in der Trockenzeit von<br />

Januar bis Juni gar rationiert werden.<br />

Dem wertvollen Nass Sorge<br />

tragen<br />

Ixchiguan muss eine Lösung für sein<br />

drängendes Wasserproblem finden. Die<br />

Gemeinde, die für die Wasserversorgung<br />

zuständig ist, steht vor schwierigen Aufgaben.<br />

Sie gehört zu den ärmsten in Guatemala.<br />

92% der Bevölkerung sind Maya­Indianer,<br />

98% sind arm und 42% Analphabeten.<br />

Die Kindersterblichkeit ist eine der höchsten<br />

im Land, von tausend Säuglingen überleben<br />

30 das erste Lebensjahr nicht.<br />

Jerónimo Navarro ist mit seinen 42 Jahren<br />

ein noch junger Gemeindepräsident,<br />

und doch engagiert er sich seit vielen Jahren<br />

für die Entwicklung der Kommune. Er ist<br />

überzeugt, dass nachhaltige Entwicklung<br />

lokal stattfinden muss. Das <strong>Helvetas</strong> Wasserprojekt<br />

unterstützt ihn und die lokalen<br />

Behörden dabei, ihre Aufgaben zu bewältigen.<br />

Ziel ist es, den Umgang mit den knappen<br />

Wasserressourcen besser zu organisieren,<br />

damit sie für alle ausreichen.<br />

<strong>Helvetas</strong> propagiert ein integriertes<br />

Wassermanagement, das die Verwaltung<br />

des wertvollen Nass’ neu gestaltet. Die neue<br />

Wasser­ und Hygieneordnung, die mit den<br />

lokalen Behörden ausgearbeitet wurde,<br />

regelt nicht nur die Wasserversorgung und<br />

deren Unterhalt, sondern schliesst auch<br />

die Abwasser­ und Abfallentsorgung, den<br />

Quellschutz und die Pflege des Wassereinzugs<br />

gebietes mit ein.<br />

Auch Hygiene­ und Umwelterziehung<br />

sind wichtige Aufgaben. Denn es soll in der<br />

Gemeinde ein Bewusstsein dafür geschaffen<br />

werden, dass sauberes Wasser keine Selbstverständlichkeit<br />

ist und der Anstrengung<br />

bedarf. Die Einwohner sollen die Verantwortung<br />

für die Wasserversorgung übernehmen.<br />

Sauberes Wasser hat seinen<br />

Preis<br />

Das bedeutet, dass sie auch die Kosten dafür<br />

mittragen. Die Dorfeinwohner bezahlen<br />

neu 1 Quetzal für den Wasserkonsum pro<br />

Monat, das entspricht 20 Rappen. Dieser<br />

Preis, der etwa dem von einem halben Pfund<br />

Mais oder zwei Eiern entspricht, ist für alle<br />

er schwinglich. Mit dem Geld soll die Versorgung<br />

sichergestellt, aber auch das Wasser ­<br />

einzugsgebiet geschützt und die Gesundheit<br />

der Bevölkerung verbessert werden.<br />

Wie der Bürgermeister berichtet, bezahlen<br />

bislang erst 60% der 634 Familien den günstigen<br />

Wassertarif. «Die Leute wollen Wasser,<br />

sind aber noch nicht bereit, dafür zu bezahlen,<br />

mit der Begründung, das Wasser fliesse<br />

unregelmässig.» Genau dies soll sich dank<br />

dem neuen Management ändern. Noch ein<br />

anderes Argument bekommt Don Eulalio oft<br />

zu hören: «Hier herrscht die Meinug, Wasser<br />

sei ein Geschenk Gottes und deshalb gratis.»<br />

Der Bauer und Gemischtwarenhändler<br />

ist ebenfalls aktiv ins Dorfgeschehen involviert.<br />

Er beteiligt sich im Gemeinderat, war<br />

Präsident einer Bauernorganisation und<br />

Anführer einer Bauernbewegung. «Ich habe<br />

viel gesehen und gelernt und möchte mein<br />

Wissen hier im Dorf umsetzen und weitergeben»,<br />

erzählt er. Das <strong>Helvetas</strong> Projekt in Ixchiguan<br />

ist ganz in seinem Sinn: «Die Arbeit<br />

von <strong>Helvetas</strong> hat uns bewusst gemacht, dass<br />

sauberes Wasser einen Wert hat.»<br />

Bei Messungen hat <strong>Helvetas</strong> nämlich<br />

festgestellt, dass mehr als 50% des Wassers<br />

durch defekte Leitungen verloren geht und<br />

weitere Reserven durch unkontrollierten<br />

Verbrauch ungenutzt abfliessen. Hier<br />

besteht viel ungenutztes Sparpotential. Deshalb<br />

werden nun Wasserzähler installiert.<br />

«Dank den Zählern gehen immer mehr Menschen<br />

sorgfältiger mit der wertvollen Ressource<br />

um», weiss Dionisio Sandoval, Präsident<br />

des Dorfsektors Cotzic, zu berichten. Er


sieht, wie das Verständnis für die Zusammenhänge<br />

wächst: «Denn alle sind besorgt,<br />

dass wir schon bald nicht mehr genügend<br />

Wasser haben. Und mit sauberem Wasser<br />

müssen wir auch weniger für Medikamente<br />

ausgeben.»<br />

Menschen aus Mais<br />

<strong>Helvetas</strong> hat in der Gemeinde eine letztlich<br />

überlebenswichtige Diskussion angestossen.<br />

Viele Einwohnerinnen und Einwohner haben<br />

sich nach wiederholten Gesprächen in der<br />

neuen Situation zurechtgefunden. «Es braucht<br />

Zeit. Aber wir können nicht auf Fortschritt<br />

in der Gemeinde verzichten, nur weil sich<br />

ein paar Dorfeinwohner gegen eine bessere<br />

Wasserverwaltung sperren», sagt Yeseña<br />

Cobox, die für die Dorfplanung zuständig ist.<br />

In Ixchiguan ist aber nicht nur das Wasser<br />

knapp, auch die Böden sind hier oben<br />

karg, stark erodiert und geben nicht viel her.<br />

Die Mehrheit der Bevölkerung lebt vom Kartoffelanbau.<br />

Mais muss mit dem Erlös der<br />

Kartoffelernte im Unterland eingekauft werden.<br />

Dennoch ist der Mais das Hauptnahrungsmittel.<br />

«Wir Menschen sind aus Mais»,<br />

erklärt Dionisio Sandoval, der auch die örtliche<br />

Maismühle betreibt, und spricht damit<br />

die Lehre des Popol Vuh, der Bibel der Mayas<br />

an, wonach Gott den Menschen aus Mais<br />

schuf. «Das ist unser Glaube, und ohne dieses<br />

Nahrungsmittel können wir nicht<br />

leben.»<br />

Jedes Jahr am 24 Juni veranstalten die<br />

Menschen von Ixchiguan deshalb ein grosses<br />

Familienfest, eine Art Erntedankfest,<br />

und danken der gesegneten Mutter Erde für<br />

all das, was sie ihnen schenkt und jedes Jahr<br />

von neuem hervorbringt. Sie wissen, dass<br />

auch das Wasser diese hohe Wertschätzung<br />

verdient.<br />

Kurt Schneider ist Programmleiter von <strong>Helvetas</strong><br />

Guatemala. n<br />

Ein knappes Gut sinnvoll nutzen: Wasserhahnen werden in Ixchiguan regelmässig kontrolliert<br />

(o. l.) und Wasserzähler installiert. Die Quellen werden gefasst und Wassertanks gebaut (o. r.),<br />

während im Haus das Abwasser gesammelt und weiterverwendet wird, wie Clemente Ramírez,<br />

die Frau von Bauer und Gemeinderat Don Eulalio zeigt (u.).<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 15


Dossier<br />

16<br />

Brücken zwischen Kontinenten<br />

schlagen<br />

n Von Tesfaye Bizuneh<br />

Sein Vorname bedeutet «der Wissende».<br />

Und obwohl es für Gyanendra Rajbhandari<br />

aus Nepal die erste Reise nach Äthiopien, ja<br />

nach Afrika ist, hat er Know­how im Gepäck,<br />

das hier vielen Menschen zugute kommen<br />

kann.<br />

Gyanendra Rajbhandari ist seit 15 Jahren<br />

im Brückenbauprogramm von <strong>Helvetas</strong><br />

Nepal als Ingenieur tätig. Sein Besuch im<br />

März dieses Jahres, zusammen mit dem<br />

Koordinator des nepalesischen Brückenprogramms<br />

Jan Roukema, steht im Zeichen<br />

neuer Wege der Entwicklungszusammenarbeit:<br />

Süd­Süd­Partnerschaften, in denen<br />

Wissen und Erfahrungen direkt zwischen<br />

Ländern des Südens geteilt und weitergegeben<br />

werden.<br />

Bergländer arbeiten<br />

zusammen<br />

In Nepal hat <strong>Helvetas</strong> – nach über 3000<br />

Hängebrücken und 40 Jahren Tätigkeit in<br />

diesem Bereich – ein enormes Know­how im<br />

Bau von Fussgängerhängebrücken aufbauen<br />

können, von dem das junge Brückenteam<br />

in Äthiopien profitieren kann. Dass<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

Das Team von <strong>Helvetas</strong> Nepal unterstützt <strong>Helvetas</strong><br />

Äthiopien beim Aufbau eines eigenen Hängebrückenprogramms.<br />

Eine innovative Süd-Süd-<br />

Partnerschaft mit Potential: Zwei Bergländer<br />

arbeiten zusammen, um Tausende abgeschnittener<br />

Dörfer aus der Isolation zu befreien.<br />

gerade diese beiden Länder für einen Süd­<br />

Süd­Austausch gewählt wurden, liegt an der<br />

Ähnlichkeit ihrer Topografie.<br />

Denn auch wenn mancher beim Stichwort<br />

Afrika eher an weite Steppen denkt,<br />

Äthiopien ist ein Bergland, ein ziemlich<br />

imposantes sogar: Das Hochland von Äthiopien<br />

mit einer durchschnittlichen Höhe von<br />

2000 Metern nimmt die Hälfte der Landesfläche<br />

ein. Die höchsten Gipfel im Norden<br />

des Landes ragen über 4000 Meter hoch in<br />

den Himmel. Zwischen den Tafelbergen<br />

Brückenschlag zwischen Partnerländern: Gyanendra Rajbhandari (l.) und Jan Roukema<br />

(2. v. l.) vom <strong>Helvetas</strong> Brückenteam aus Nepal im Austausch mit Mitarbeitern von <strong>Helvetas</strong><br />

Äthiopien. Neue Fussgängerhängebrücken (S. 18) sollen die gefährlichen Stege aus blossen<br />

Baumstämmen (u.) ersetzen.


haben Flüsse im Lauf der Jahrtausende tiefe<br />

Einschnitte in den Untergrund gefressen.<br />

Es verwundert nicht, dass diese Landschaft<br />

den Besucher aus Nepal fasziniert:<br />

«Ins Auge gestochen ist mir die wüstenähnliche<br />

Kargheit der Berge. Ganz anders als in<br />

Nepal. Beeindruckt haben mich besonders<br />

das Rift Valley und natürlich der Blaue Nil»,<br />

erzählt Gyanendra Rajbhandari. Letzterer<br />

fliesst durch eine Schlucht, die den Vergleich<br />

mit dem berühmten Grand Canyon in den<br />

USA nicht zu scheuen braucht.<br />

Last und Lob des Berglebens<br />

Als Ingenieur sieht er in diesen Naturschönheiten<br />

stets auch Hindernisse, die es zu<br />

bewältigen gilt, um den Bewohnern das<br />

Leben zu erleichtern. Denn die äthiopische<br />

Bergwelt stellt Bauernfamilien vor enorme<br />

Herausforderungen. Der Ackerbau an den<br />

steilen Hängen ist mühsam, das Wasser<br />

muss häufig von weit unten im Tal heraufgeschleppt<br />

werden, lange Fussmärsche<br />

gehören zum Alltag.<br />

Gebremariam Girmay, ein 38­jähriger<br />

Bauer und Viehzüchter aus dem Dorf Haliboyehe,<br />

erzählt: «Wöchentlich gehe ich auf<br />

den Markt nach Wukro, das sind fünf Stunden<br />

hin und fünf zurück. In die Provinz Afar<br />

läuft man sogar sieben Stunden.» Das Bergleben<br />

hat aber auch Vorteile, wie der 42­jährige<br />

Bauer Tekle Mahari betont: «Die Luft ist<br />

kühl und sauber – und es gibt keine Krankheiten<br />

wie Malaria!» Das gesündere Klima<br />

erklärt zu einem guten Teil, warum das<br />

Hochland trotz der schwierigen Lebensbedingungen<br />

viel dichter besiedelt ist, als die<br />

niedrigeren Regionen. Bis über 3000 Meter<br />

findet man Gehöfte und Äcker.<br />

Sicheren Fusses über die<br />

Fluten<br />

Zu den Herausforderungen des Berglebens<br />

gehören auch die vielen Bäche und Flüsse,<br />

die in der Regenzeit zu gefährlichen Wildwassern<br />

werden. Die lokalen Lösungen für<br />

dieses Problem sind höchst behelfsmässig.<br />

Oft werden einfach mehrere Baumstämme<br />

aneinander gelegt. Das Holz ist nass und rutschig.<br />

Auch Kinder und Lastenträger haben<br />

keine andere Wahl als diesen riskanten<br />

Balanceakt. Immer wieder ertränken Menschen<br />

in den Fluten, erzählen die Bauern.<br />

Deshalb ist nun das nepalesisch­äthiopische<br />

Expertenteam vor Ort, um ideale<br />

Standorte für künftige Fussgängerhängebrücken<br />

zu finden. Eine gute Brücke würde<br />

hier 60’000 Menschen eine verlässliche Verbindung<br />

zur Aussenwelt garantieren. «Sie<br />

würde uns den Handel, die Arbeit und Kontakte<br />

sehr erleichtern, denn in der Regenzeit<br />

verlieren wir oft Tage wegen der Überschwemmungen»,<br />

erzählt Bauer Tekle.<br />

«Brücken bannen Gefahren und verhindern<br />

Umwege», erklärt auch Koordinator<br />

Roukema. «Fussgängerbrücken sind ein<br />

kostengünstiges Mittel, um Tausende von<br />

Dörfern aus der Isolation zu befreien.»<br />

Das bedeutet Zugang zu Märkten, Gesundheitsversorgung,<br />

Schulen und zu Verdienstmöglichkeiten<br />

(siehe Artikel S. 19).<br />

Bauern als Brückenbauer<br />

Der Holländer weiss, wovon er spricht. Er hat<br />

in Nepal unzählige Male miterleben können,<br />

was eine sichere Fussgängerbrücke bewirken<br />

kann. Dies motivierte ihn und sein<br />

Team, über Nepal hinaus zu blicken. «Wir<br />

mit unserer grossen Erfahrung haben uns<br />

schon lange gefragt, ob nicht Länder mit<br />

ähnlichen topographischen Herausforderungen<br />

von unserem Wissen profitieren<br />

könnten.» Mit dem neuen Kooperationsprojekt<br />

wird dies nun in die Tat umgesetzt.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen den <strong>Helvetas</strong><br />

Partnerländern hat entscheidende<br />

Vorteile. Sie verspricht raschere Resultate,<br />

als wenn ein Projekt von Grund auf im Norden<br />

neu konzipiert wird. «Und es ist vergleichsweise<br />

kostengünstig», ergänzt Rou­<br />

bergwärts<br />

kema. «Es braucht keine Experimente mehr.<br />

Das Risiko eines Scheiterns ist minimal.»<br />

Der Wissenstransfer beruht, wie schon<br />

in Nepal, auf einem «Learning by doing»­<br />

Prinzip: Beim Bau von Modellbrücken lernen<br />

Dorfbewohner am praktischen Beispiel, wie<br />

sie selber kleinere, sichere Brücken bauen<br />

können. Ziel ist, dass die Äthiopier eigenständig<br />

noch viele weitere Brücken werden<br />

errichten können.<br />

Berg ist nicht gleich Berg,<br />

Land nicht gleich Land<br />

Allerdings sind Gebirge nicht überall gleich.<br />

«Unsere Berge sind steiler und höher», hat<br />

Ingenieur Gyanendra Rajbhandari festgestellt.<br />

«Die Topographie und Hydrologie der<br />

Flüsse ist anders. In Äthiopien braucht es<br />

mehr Hängebrücken mit Pfeilern, die ein<br />

breiteres Flussbett queren. Das ist technisch<br />

anspruchsvoller als Hängebrücken, die von<br />

Abhang zu Abhang führen.»<br />

Am liebsten möchte die Regierung aus<br />

Gründen der Gleichberechtigung möglichst<br />

bald in allen Landesteilen Brücken haben.<br />

Aber das braucht Zeit, wie Jan Roukema<br />

erklärt: «Erst müssen Wissen und Technolo­<br />

Zur <strong>Helvetas</strong> Bhutanbrücke im Wallis<br />

Gut zu wissen Wanderzeit: 2,5 h. Geringe Steigung<br />

Anreise An­ und Rückreise: Leuk SBB<br />

Route Leuk SBB – Pletschen – Bhutanbrücke – Leuk SBB<br />

Wer selber einmal eine <strong>Helvetas</strong> Hängebrücke überqueren will, kann dies im Walliser Naturschutzgebiet<br />

Pfynwald tun. Man folgt ab Bahnhof Leuk den Wegweisern Richtung Zentrum Susten. Die Dorfstrasse<br />

Richtung Westen (Sion), vorbei an der Post, immer geradeaus gehen. Nach 100 Metern mündet<br />

die Einbahnstrasse in die Kantonsstrasse ein. Auf der rechten Seite biegt die Strasse nach Leukerbad<br />

ab, dieser 350 Meter folgen. Vor der Carrosserie Illgraben links abbiegen. Vorbei am Galgenwald<br />

zum Sportplatz. Linker Hand befindet sich der Illgraben. Auf dem Waldweg Richtung Pletschen<br />

gehen. Nach 1,5 km führt an der<br />

Abzweigung am Brunnen ein<br />

Wegweiser zur 133,71 m langen<br />

Bhutanhängebrücke von <strong>Helvetas</strong>.<br />

Weiter durch den Pfynwald<br />

Richtung «Abschlacht». Dann dem<br />

Wegweiser nach Leuk folgen.<br />

Info Der Ausflug lässt sich mit<br />

einer Wanderung entlang traditioneller<br />

Walliser Bewässerungskanäle,<br />

den Suonen oder Bissen,<br />

in der Nähe von Leuk verbinden:<br />

www.wandersite.ch/Bissenwanderung.html<br />

(SUS)<br />

Auf der Bhutan-Hängebrücke über den Illgraben<br />

���<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 17


Dossier<br />

���<br />

18<br />

gien an alle Partner vermittelt werden. Eine<br />

Riesenaufgabe! Wir rechnen damit, dass<br />

sich 40 Jahre Erfahrung in rund 3,5 Jahren<br />

durch Schulung und Trainings weitergeben<br />

lassen.»<br />

Grössere Brücken werden mit Hilfe des<br />

Privatsektors realisiert. Dort das nötige<br />

Know­how aufzubauen, wird noch drei bis<br />

vier Jahre länger dauern. «Die Zahl qualifizierter<br />

Ingenieure und Facharbeiter ist markant<br />

tiefer als in Nepal», erklärt der Brückenspezialist.<br />

«Der Privatsektor und der Dienstleistungsbereich<br />

sind noch schwach.» Weil<br />

beides für Erfolg und Nachhaltigkeit wichtige<br />

Träger sind, braucht es hier Aufbauarbeit<br />

bis in die Lehrpläne von Ausbildungsstätten<br />

hinein.<br />

Wo nötig, wird das Design der Brücken<br />

angepasst. Arbeitsintensiver und langwieriger<br />

als die technische Anpassung ist es je ­<br />

doch, landesweite Strukturen für den<br />

Brücken bau zu schaffen. In Nepal sind in<br />

40 Jahren Verwaltungsstrukturen und eine<br />

nationale Brückenbaupolitik entstanden,<br />

die vieles erleichtern. Äthiopien strebt eine<br />

ähnliche landesweite Politik an und will alle<br />

Interessenvertreter zusammenbringen.<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

Äthiopische Stippvisite in<br />

Nepal<br />

Im letzten Dezember reiste eine Delegation<br />

aus Äthiopien nach Nepal. Es ging für die<br />

Äthiopier insbesondere darum, die institutionelle<br />

Organisation und Umsetzungswege<br />

des Brückenbaus kennen zu lernen, Einblick<br />

in die Zusammenarbeit der Partner zu<br />

gewinnen und zu sehen, wie die Projekte in<br />

den Gemeinden verankert sind.<br />

«Obgleich es in Nepal mehr Erdrutsche<br />

gibt und anders als in Äthiopien das ganze<br />

Jahr Wasser in den Flussbetten ist: Die Topographie<br />

unserer Länder ist letztlich ähnlicher<br />

als die politischen Strukturen», fasst<br />

Alem Shumiye, Projektverantwortlicher bei<br />

<strong>Helvetas</strong> Äthiopien, seine Erkenntnisse<br />

zusammen. «Beeindruckt hat mich neben<br />

der imposanten Bergwelt die echte und<br />

aktive Beteiligung der Gemeinden an den<br />

Brückenprojekten.»<br />

Prinzipien wie der Einbezug von Frauen<br />

und Minderheiten in den Nutzerkomitees<br />

sollen in Äthiopien übernommen werden,<br />

ein Dialog mit der Öffentlichkeit in allen<br />

Phasen geführt werden. Auch hier sollen die<br />

Dorfbewohnerinnen und ­ bewohner an der<br />

Brücke mitbauen. «Wir werden mit anpacken»,<br />

sagen die drei Bauern in Haliboyehe,<br />

«und wir können lokale Baumaterialen wie<br />

Sand und Steine beisteuern.»<br />

Nepal kann aber auch von Äthiopien<br />

lernen: «Hier setzt sich die Regierung für<br />

ein dezentralisiertes und günstiges Umfeld<br />

für KMUs ein. Das Kleinunternehmertum<br />

zu fördern, wäre auch für Nepal ein guter<br />

Ansatz», findet Jan Roukema. «Es könnte<br />

den Exodus von Arbeitskräften in den Nahen<br />

Osten bremsen.»<br />

Süd-Süd-Kooperation – ein<br />

Patentrezept?<br />

Die beiden Männer aus Nepal führen ihre<br />

Suche nach geeigneten Standorten für die<br />

nächsten Modellbrücken fort, weitere<br />

Arbeitsbesuche werden folgen. Nach dreieinhalb<br />

Projektjahren sollen 24 Brücken<br />

stehen, 40 weitere im Bau sein und kompetente<br />

Fachkräfte, darunter Techniker,<br />

Ingenieure und Brückenbauer, ausgebildet<br />

sein.<br />

Süd­Süd­Partnerschaften haben ein<br />

grosses Potential in der Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Aber Jan Roukema differenziert:<br />

«Süd­Süd­Kooperation ist ein Schlagwort<br />

geworden. Alle Projekte, die ich dazu bislang<br />

gesehen habe, waren Projekte makroökonomischer<br />

oder theoretischer Natur von<br />

grossen Institutionen wie der Weltbank. Die<br />

Süd­Süd­Zusammenarbeit, die wir pflegen,<br />

ist praktisch angelegt. Es werden sehr bald<br />

konkrete Resultate sichtbar.»<br />

Ein solcher Brückenschlag zwischen<br />

Ländern des Südens erfordert auch ein<br />

Umdenken: «Bisher waren Gelder immer an<br />

ein bestimmtes Land gebunden. Das schloss<br />

transnationale Zusammenarbeit von vornherein<br />

aus. Künftig sollte ein Teil der Gelder<br />

bewusst für solche Projekte reserviert sein.»<br />

Jan Roukema steht mit Leidenschaft<br />

hinter der Idee: «Äthiopien braucht Brücken.<br />

Und wir haben eine kosteneffektive Technologie<br />

entwickelt, die den Armen zugute<br />

kommt. Das haben wir in Nepal unter<br />

Beweis gestellt. Die Geldgeber müssen überzeugt<br />

werden, dass sie grenzübergreifend<br />

denken müssen!»<br />

Die Brücken, die in Äthiopiens Bergwelt<br />

geschlagen werden, führen nicht nur von<br />

einem Dorf ins nächste, sondern auch über<br />

kulturelle, nationale und Grenzen in den<br />

Köpfen hinweg.<br />

Tesfaye Bizuneh ist Mitarbeiter von <strong>Helvetas</strong><br />

Äthiopien. n<br />

Aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet<br />

von Susanne Strässle, Redaktorin «Partnerschaft».


Vom Berg ins Tal – und zurück<br />

Berge sind natürliche<br />

Hindernisse. Dass sie<br />

nicht unüberwindbar<br />

sind, zeigt die<br />

Geschichte der Schweiz<br />

ebenso wie die Erfahrung<br />

aus den <strong>Helvetas</strong><br />

Projekten.<br />

n Von Barbara Strebel<br />

Kehrtunnels, die Kirche von Wassen, eine<br />

alte Jugendherberge in Hospental, die<br />

Teufelsbrücke, Saumwege, Suworow­Denkmal,<br />

Passhöhe – wer kennt sie nicht, die<br />

Stationen der obligaten Schulreise über den<br />

Gotthard? Die Schweiz, sagt man, sei ein<br />

Produkt der Berge, genauer: der Alpen.<br />

Darum gehört die Schulreise über den<br />

Gotthardpass ebenso zu unserer kollektiven<br />

Erfahrung wie der Osterstau vor der Gotthardröhre.<br />

Züge und Postautos im<br />

Norden...<br />

Jahrhundertelang waren Bergmassive wie<br />

die Alpen schier unüberwindbare Hindernisse<br />

– im Guten wie im Schlechten. Sie<br />

schützten vor Angriffen und erleichterten<br />

die Verteidigung. Wer die Pässe kontrollierte,<br />

kontrollierte auch die Warenflüsse und<br />

konnte an geeigneter Stelle Zölle einziehen.<br />

Von diesem wirtschaftlichen Vorteil profitierten<br />

allerdings häufig nicht die Berggemeinden<br />

selbst, sondern Städte wie Luzern,<br />

die am Fuss der Berge lagen. Das Leben im<br />

Gebirge dagegen war geprägt von Armut<br />

und Abgeschiedenheit.<br />

Das blieb so, bis im 19. Jahrhundert der<br />

Tourismus neue Verdienstmöglichkeiten in<br />

die Berge brachte und die Eisenbahn die<br />

Täler erschloss, die an den wichtigen Transitrouten<br />

lagen. Die Postautos, bei denen wir<br />

heute fast selbstverständlich an gewundene<br />

Bergstrassen denken, wurden allerdings erst<br />

1906 in Betrieb genommen – um Bern mit<br />

seinen Vororten zu verbinden. 1919 folgte<br />

���<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 19


Dossier<br />

���<br />

20<br />

bergwärts<br />

Auf alter Säumerstrasse ins Engadin<br />

Gut zu wissen Wanderzeit: 6 h. Steigung: � 800m, � 1200m<br />

Anreise Via Andeer mit dem Postauto nach Juf. Rückreise: Von Maloja mit Postauto und<br />

Bahn via Thusis.<br />

Route Juf – Forcellina Pass (2h) – Septimerpass (1h) – Lunghinpass (1h10) – Maloja (1h50)<br />

Die Wanderung führt von Juf, dem höchsten ganzjährig bewohnten Dorf Europas, über den Septimer,<br />

die Haupttransitachse der Zentralalpen in Römerzeit, zur grossen europäischen Wasserscheide: Von<br />

Juf im Averstal auf 2126 m steigt man erst am Ufer des Jufer Rheins entlang und dann über Weidehänge<br />

zur Forcellina (2672 m) auf. In diesem Schutzgebiet kann man viele Murmeltiere sehen. Auf<br />

der Passhöhe öffnet sich der Blick nach Süden auf die Engadiner und Bergeller Berge. Der Abstieg<br />

führt am Leg da Sett vorbei auf den Septimerpass (2310 m). Soldaten, Säumer und Pilger zogen<br />

während Jahrhunderten über die von den Römern gebaute Passroute zwischen Nord und Süd. Bis ins<br />

19. Jh. wurde sie noch als Handelsweg nach Mailand benutzt. Vom Septimer steigt man auf zum<br />

Lunghinpass (2645 m), wo sich<br />

die dreifache Wasserscheide zwischen<br />

Schwarzem Meer, Nordsee<br />

und Mittelmeer befindet, also von<br />

Donau, Rhein und Po. Nun geht<br />

es bergab Richtung Lunghinsee<br />

und über viele Kehren hinunter<br />

nach Maloja (1815 m).<br />

Info Kürzer ist der Weg von<br />

Casaccia über den Septimer nach<br />

Bivio (Wanderzeit 4h30). (SUS)<br />

dann die erste Strecke über einen Alpenpass,<br />

den Simplon. Heute umfasst das Postauto­<br />

Netz über 750 Linien und bedient (fast) jedes<br />

noch so abgelegene Bergdorf.<br />

...blosse Körperkraft im Süden<br />

In vielen Ländern des Südens können die<br />

Bergbewohnerinnen und ­bewohner von<br />

solchen Errungenschaften nur träumen.<br />

In den Bergen Afghanistans, Äthiopiens<br />

oder Nepals legen Menschen oft stunden­,<br />

ja tagelange, mühevolle Märsche zurück,<br />

um den Markt, das Spital oder die Schule zu<br />

erreichen. «Über eine Milliarde Menschen<br />

leben an Orten, die nicht ans Verkehrsnetz<br />

angeschlossen sind. Das heisst, es gibt dort<br />

keine vernünftigen Strassen und damit<br />

auch keinen öffentlichen Verkehr», sagt<br />

Peter Schmidt, Ko­Leiter der Abteilung Internationale<br />

Programme bei <strong>Helvetas</strong>. «Berggebiete<br />

sind von diesem Mangel aus offensichtlichen<br />

Gründen überdurchschnittlich<br />

stark betroffen.»<br />

Zwar gibt es in vielen Ländern Entwicklungsprogramme,<br />

die den Ausbau des Verkehrsnetzes<br />

vorantreiben sollen. Doch<br />

fliessen die entsprechenden Mittel meist in<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

Auf den Spuren der alten Römer über den Septimer.<br />

den Bau und Unterhalt der Hauptverkehrsachsen.<br />

Die ländliche Erschliessung hingegen<br />

geniesst bei den grossen Akteuren der<br />

Entwicklungshilfe nur geringe Priorität.<br />

Nicht so bei <strong>Helvetas</strong>: «Für uns ist der Bau<br />

von Verkehrswegen in ländlichen Gegenden<br />

ein bedeutendes Arbeitsfeld, gerade in<br />

Bergländern», erklärt Peter Schmidt. «Wir<br />

versuchen hier etwas zu bewegen, auch<br />

wenn es schwierig ist, bei den Geldgebern<br />

Unterstützung für solche Projekte zu finden.»<br />

Fussgängerpfade statt<br />

Autobahnen<br />

Auch mit ausländischer Unterstützung ist es<br />

unwahrscheinlich, dass in den <strong>Helvetas</strong> Partnerländern<br />

demnächst Züge durch Kehrtunnels<br />

rollen oder gar Seilbahnen die Menschen<br />

auf Berggipfel bringen. «Der Bau von<br />

Strassen und Brücken ist sehr kostspielig.<br />

Und je schwieriger die Topografie, desto teurer<br />

wird es», meint Peter Schmidt. «In vielen<br />

Berggebieten geht es daher zuerst einmal<br />

darum, anständige und sichere Fusswege zu<br />

bauen. Eine Fussgängerbrücke über eine<br />

Schlucht ist für die Menschen schon ein<br />

enormer Gewinn an Zeit und Sicherheit.»<br />

Allerdings ist es nicht nur wichtig, dass<br />

Transportwege gebaut werden, sondern<br />

auch, wie dies geschieht. So ist es beispielsweise<br />

unabdingbar, dass die Menschen vor<br />

Ort in die Planung und den Bau einbezogen<br />

werden. Auch die lokalen Behörden spielen<br />

eine zentrale Rolle, denn sie sind es, die den<br />

Unterhalt der Brücke oder Strasse garantieren<br />

müssen. Wo immer möglich arbeitet<br />

<strong>Helvetas</strong> mit privaten Unternehmen zusammen,<br />

um die lokale Wirtschaft zu fördern.<br />

Hinzu kommt: Die empfindlichen Ökosysteme<br />

der Berge verlangen besondere<br />

Massnahmen beim Bau von Transportwegen,<br />

andernfalls kommt es zu unwiderrufbaren<br />

Schäden. Als Beispiel nennt Peter<br />

Schmidt Bhutan, wo man viele Strassen einfach<br />

mit dem Bulldozer in den Hang hineingepflügt<br />

hat. «Die Steinbrocken, die aus<br />

dem Berg herausgebrochen wurden, kullerten<br />

ungehindert ins Tal und zerstörten das<br />

fruchtbare Ackerland der Bauern.» Ausserdem<br />

leiste die Zerstörung der Hänge der<br />

Erosion Vorschub.<br />

Strassen bringen<br />

Arbeitsplätze<br />

Bei den Strassenbauprojekten von <strong>Helvetas</strong><br />

in Nepal wird darum mit dem Konzept der<br />

«grünen Strasse» gearbeitet. «Wir versuchen<br />

insbesondere, grosse Hanganschnitte<br />

zu vermeiden», erklärt Franz Gähwiler, der<br />

bei <strong>Helvetas</strong> für das Nepalprogramm<br />

zuständig ist. «Die Strassen werden mit<br />

Stützmauern gesäumt und die Bauarbeiten<br />

von Aufforstungsmassnahmen begleitet,<br />

um die Erosion der Hänge zu verhindern.»<br />

Als Baumaterial für die Mauern werden<br />

Steine verwendet, die an Ort uns Stelle<br />

gesammelt werden.<br />

Die umweltschonende Bauweise hat<br />

noch einen anderen, durchaus beabsichtigten<br />

Effekt: Sie schafft Arbeitsplätze, denn die<br />

meisten Arbeitsschritte werden von Hand<br />

ausgeführt. «Beim Strassenbauprojekt in<br />

Nepal wird in Teams von 15­20 Arbeiterinnen<br />

und Arbeitern gebaut, wobei mehrere Hundert<br />

solcher Teams im Einsatz sind», sagt<br />

Franz Gähwiler. Auf diese Weise erhalten<br />

Tausende von Menschen ein Einkommen,<br />

unter ihnen zahlreiche Frauen.<br />

Die Zufahrtsstrassen verbessern die<br />

Entwicklungsperspektiven auch langfristig.<br />

Wenn die Transportwege einmal da sind,<br />

eröffnen sich für die Menschen neue Verdienstmöglichkeiten:<br />

Der Verkauf von Produkten<br />

auf dem Markt kann sich plötzlich<br />

lohnen, und auf den Strassen lässt sich mit<br />

Taxidiensten Geld verdienen. Was früher<br />

Träger zu Fuss oder mit Maultieren transportierten,<br />

übernehmen dann Autos und<br />

Minibusse. So können Jugendliche eine<br />

höhere Schule in der Stadt besuchen oder


Kranke schneller ins Spital gebracht werden.<br />

Erschliessung = Veränderung<br />

Der Anschluss an Verkehrsnetze bringt Veränderungen.<br />

Nicht alle sind ausschliesslich<br />

positiv, es gibt Verlierer, wie zum Beispiel die<br />

Träger, die sich neue Aufgaben suchen müssen,<br />

oder die lokalen Schneider, die von Billigprodukten<br />

aus China konkurrenziert werden.<br />

Trotzdem: «Strassen werden in den<br />

abgelegenen Dörfern immer als erstes<br />

genannt, wenn man die Menschen nach<br />

ihren Bedürfnissen fragt», weiss Franz Gähwiler.<br />

«Als basisorientierte Entwicklungsorganisation<br />

müssen wir diese Bedürfnisse<br />

ernst nehmen.»<br />

Entscheidend ist – dies zeigt die Erfahrung<br />

aus den <strong>Helvetas</strong> Projekten eindrücklich<br />

–, dass die Bevölkerung mitbestimmen<br />

kann, wie mit den Veränderungen umgegangen<br />

werden soll, und die verschiedenen<br />

Interessen angemeldet werden können. Dies<br />

gilt nicht nur auf der lokalen Ebene, sondern<br />

auch auf der regionalen und nationalen.<br />

«Wir versuchen, wo immer möglich, unsere<br />

praktischen Erfahrungen in die verkehrspo­<br />

litischen Debatten einzubringen», erklärt<br />

Peter Schmidt. «Denn nur wenn die Rahmenbedingungen<br />

stimmen, kann sichergestellt<br />

werden, dass die Erschliessung im<br />

Sinne der Menschen vor Ort erfolgt.»<br />

Verkehrslawinen und<br />

Touristenströme<br />

Dass es nicht immer einfach ist, die unterschiedlichen<br />

Interessen gegeneinander<br />

abzuwägen, zeigt wiederum ein Blick auf<br />

die Schweiz mit ihren hitzig geführten<br />

Debatten um die Einführung der Schwerverkehrsabgabe<br />

oder die Alpentransitbörse.<br />

Die Meinungen darüber, wie viel Verkehr die<br />

Alpen vertragen, sind geteilt. Das gilt nicht<br />

nur für den Durchgangs­, sondern auch für<br />

den Fremdenverkehr, der seit den Anfängen<br />

enorm gewachsen ist. Ob es in den Bergen<br />

mehr Naturschutzgebiete oder mehr Skipisten<br />

braucht, muss zwischen den Interessengruppen<br />

immer wieder neu verhandelt<br />

werden.<br />

In den Partnerländern von <strong>Helvetas</strong><br />

sind Verkehrsstaus und Touristenhorden in<br />

den Bergen zwar noch keine Alltagsphänomene.<br />

Aber die Grundfrage, welches das<br />

Berge überwinden: <strong>Helvetas</strong> fördert den<br />

ländlichen Strassenbau in Nepals Hochland<br />

(o). In der Schweiz bringt das Postauto<br />

sicher über die Alpenpässe (Schulreise 1954,<br />

S. 19 o.). In Afghanistan sind abgelegene<br />

Regionen nur mit Lasttieren erreichbar<br />

(S. 19. u.).<br />

richtige Verhältnis von Ökonomie und Ökologie,<br />

Verändern und Bewahren ist, stellt<br />

sich auch hier mit wachsender Dringlichkeit.<br />

«Nachhaltige Entwicklung in Berggebieten<br />

ist eine komplexe Aufgabe, die natürlich<br />

weit über den Strassenbau hinausgeht»,<br />

meint Peter Schmidt.<br />

Eine Strasse oder eine Brücke kann<br />

jedoch die Initialzündung dafür sein, dass<br />

Berggemeinden ihr Potenzial nutzen können.<br />

«Wo die Dörfer ans Verkehrsnetz angeschlossen<br />

sind, nimmt die Abwanderung ab.<br />

Gleichzeitig entsteht ein Gefühl der Zugehörigkeit<br />

bei den Menschen», sagt Franz<br />

Gähwiler. Das ist der beste Beweis dafür,<br />

dass Öffnung nicht Verlust bedeuten muss,<br />

sondern die Zusammengehörigkeit fördern<br />

kann. – Denken wir nur an unsere Schulreise<br />

über den Gotthard!<br />

Barbara Strebel ist Teamleiterin Kommunikation<br />

auf der Geschäftsstelle in Zürich. n<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 21


Dossier<br />

22<br />

Unterwegs zum Nomadenlager<br />

im Hochgebirge<br />

n Von Tschingis Aitmatow<br />

Es war einmal wieder Sommerszeit, ich war<br />

fünf, sechs Jahre alt, und man brachte mich<br />

zu Grossmutter. Wir brachen auf in die Berge<br />

– zum sommerlichen Nomadenlager. Wahrscheinlich<br />

war das einer der letzten grossen<br />

Nomadenzüge in unserer Gegend. Das<br />

Nomadenleben neigte sich seinem Ende entgegen.<br />

Überall breitete sich die sesshafte<br />

Lebensweise aus. Neue Siedlungen entstanden,<br />

Kolchosen und Sowchosen. Da spielten<br />

die Jahreszeiten nicht die gleiche Rolle wie<br />

früher. Der Höhepunkt des Nomadenlebens<br />

war nämlich jene Saison, bei der die Menschen<br />

mit Kind und Kegel, mit Sack und Pack<br />

zu neuen Weidegründen fürs Vieh umsiedelten…<br />

Ich erinnere mich lebhaft an diese Zeit,<br />

denn sie zog uns Kinder ganz besonders in<br />

ihren Bann. Wenn die Bewegung zum Aufbruch<br />

einsetzt, geraten alle in eine gehobene,<br />

ja erregte Stimmung.<br />

Die Jurten werden zusammengetragen.<br />

Die Gerätschaften werden auf Kamele, Pferde<br />

und Ochsen gepackt. Und danach bricht die<br />

Tschingis Aitmatow<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

ganze Gemeinschaft der Nomaden mit ihren<br />

zahlreichen Viehherden aus Steppen und<br />

Vorbergen in die Richtung der hohen schneeweissen<br />

Bergriesen auf. Sie ziehen über die<br />

Pässe hin zum Dschailoo, den sommerlichen<br />

Weidegründen im Hochgebirge.<br />

Das Nomadenlager ist ein wohlgeordnetes<br />

System, man musste alles vorkehren,<br />

damit die Umsiedlung normal ablief und das<br />

Leben in den Bergen im Handumdrehen weitergehen<br />

konnte. Dort musste alles griffbereit<br />

sein, auf der Stelle ausgepackt, ausgebreitet<br />

und eingerichtet werden können.<br />

Die Viehzüchter und ihre Angehörigen<br />

kommen ja an einen völlig menschenleeren<br />

Ort. Die Menschen hätten sich an diesem<br />

Platz seit langem niedergelassen und angesiedelt,<br />

wäre dort ein Leben das ganze Jahr<br />

über möglich gewesen. Aber das Dschailoo<br />

ist nur im Sommer zugänglich. Bis Ende Mai<br />

sind die Gebirgspässe unüberwindbar. Da<br />

häufen sich noch meterhohe Eis­ und<br />

Schneemassen. Und ab Ende September,<br />

Anfang Oktober setzen wieder die Schneefälle<br />

und Schneestürme ein und schliessen<br />

die Pässe ab, so dass sie erneut unüberwind­<br />

Tschingis Aitmatow wurde 1928 in Kirgistan geboren. Nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung<br />

arbeitete er als Viehzuchtexperte in einer Kolchose. In den 50er Jahren erschienen seine ersten<br />

Texte, er studierte in Moskau und wurde Redaktor einer kirgisischen Literaturzeitschrift. Neben<br />

seiner Autorentätigkeit war er viele Jahre als Botschafter Kirgistans im Ausland. Am 10. Juni 2008<br />

ist Tschingis Aitmatow im Alter von 79 Jahren verstorben.<br />

Im Zürcher Unionsverlag ist eine grosse Auswahl von Büchern von Tschingis Aitmatow erschienen.<br />

Neben der Sammlung biografischer Texte in «Kindheit in Kirgisien» auch die weltberühmte<br />

Liebesgeschichte «Dshamilja» von 1958. Sein neustes Buch «Der Schneeleopard» spielt ebenfalls<br />

in der kirgischen Bergwelt und thematisiert den Wandel im heutigen Kirgistan und die Bedrohung<br />

durch schrankenlosen Kommerz.<br />

In Zusammenarbeit mit <strong>Helvetas</strong> ist im Unionsverlag ein weiteres Berg­Buch erschienen:<br />

«Himalaya – Menschen und Mythen» mit Texten einheimischer Autoren. Es ist für Fr. 17.– (statt<br />

Fr. 33.90) im <strong>Helvetas</strong> Fairshop erhältlich. (SUS)<br />

lich bleiben – bis zum nächsten Mai. Zwei<br />

Drittel des Jahres ist dieser Ort im Hochgebirge<br />

von allem abgeschlossen, für nichts<br />

und niemanden erreichbar. Nicht einmal für<br />

wilde Tiere.<br />

In dieser Zone, bei drei­ bis viertausend<br />

Metern über dem Meeresspiegel, herrscht<br />

polares Klima. Bei Dauerfrost und ewigen<br />

Schneestürmen kann nichts bestehen, am<br />

aller wenigsten der Mensch. Dafür zieht es<br />

ihn aber umso heftiger in die Höhe während<br />

der kurzen Frist des Sommers, als müsse er<br />

diesen Augenblick nutzen.<br />

In der Folklore wird diese Zeit manchmal<br />

mit der Jugend verglichen – der blühenden,<br />

glücklichen Jugendzeit, die das Alter<br />

rasch einholt und beendet.<br />

Der Dschailoo ist märchenhaft und<br />

paradiesisch. Blumen und Gräser der Alpen<br />

und Hochgebirge spriessen und blühen<br />

phantastisch. Helle und klare Bäche und<br />

Flüsse strömen von den Gletschern herab.<br />

Allerlei Getier und Vögel tummeln sich reichlich<br />

in den Bergwäldern. Es gibt Brennholz in<br />

Hülle und Fülle. Dieser Flecken Erde schenkt<br />

den Menschen die besten Tage des Lebens.


Die Kirgisen schlugen also zur Sommerszeit<br />

an diesen Stellen des Hochgebirges ihre Jurten<br />

auf. Und mit Beginn des Herbstes räumten<br />

sie wieder diesen Platz des Lebens, um<br />

in die Täler zurückzukehren. Dabei musste<br />

man sehr auf der Hut sein, damit der Pass<br />

vor der Rückkehr nicht schloss. Solche Fälle<br />

waren zwar selten, doch kam es vor, dass<br />

Menschen aus weiss Gott welchen Gründen<br />

den Zeitpunkt der Rückkehr verpassten und<br />

die Steppe nie mehr erreichten. Wenn der<br />

Pass verschlossen war, kamen die Menschen<br />

um – es gab keinen Ausweg mehr. Wer dort<br />

bei Anbruch des Winters zurückbleibt,<br />

kommt in den Schneemassen und bei den<br />

polaren Frösten um – sogar die Wölfe, die<br />

mit den Menschen zurückbleiben. Deshalb<br />

waren die Menschen darauf bedacht, die<br />

Zeit einzuhalten.<br />

Unser sommerlicher Nomadenzug<br />

nahm also seinen Anfang. Grossmutter<br />

Aimchan liess mich auf ein Pony steigen. Bis<br />

heute erinnere ich mich an das Pferdchen.<br />

Ja, man hat ein Kerlchen von fünf, sechs Jahren<br />

schon selbst reiten lassen. Für Kinder<br />

gab es Sättel, die auf beiden Seiten in Lendenhöhe<br />

Schutzleisten hatten, damit das<br />

Kind nicht nach links oder nach rechts vom<br />

Sattel rutschte. Sie ähnelten gewissermassen<br />

den Kinderstühlen in der Stadt, die<br />

auch so gesichert sind, dass die Kleinen am<br />

Tisch der Erwachsenen mit Platz nehmen<br />

können.<br />

Ich hatte also meinen Sattel und mein Pferdchen<br />

und war darauf mächtig stolz. Ich ritt<br />

selbständig im Zug der Nomaden mit. Das<br />

Pferdchen gehorchte mir. Man hatte mir<br />

kein ungestümes Pony ausgewählt, das Hals<br />

über Kopf ausreisst. Ich brauchte keine<br />

Angst zu haben.<br />

Und so ritt ich an der Seite von Grossmutter<br />

und den Verwandten. Wir setzten<br />

den Herden nach, den Pferden und Schafen.<br />

Auf dem Rücken der Kamele schaukelten<br />

die Trag lasten. Alle zog es zum grossen<br />

Dschailoo.<br />

Aber welche Vorbereitungen und<br />

Mühen kostet dieser Zug über die Pässe,<br />

um dort nur zwei Monate zu verbringen,<br />

danach zurückzukehren und von neuem<br />

dorthin aufzubrechen. Der Hin­ wie der<br />

Rückweg ist voller Beschwernisse und<br />

Gefahren. Mitunter kommt es dabei zu<br />

Naturkatastrophen. Aus heiterem Himmel<br />

bricht ein Schneesturm los, oder ein Erdrutsch<br />

begräbt Menschen und Tiere unter<br />

sich, zerstört Hab und Gut. Ganze Familien<br />

mit Kind und Kegel, mit Sack und Pack und<br />

all den Jurten sind unterwegs. Diese Zeit ist<br />

stets mit vielen Vorahnungen und Empfindungen<br />

verbunden.<br />

Die Nacht vor dem Zug zum Gebirgspass<br />

hat den Namen Schykama – das ist die<br />

Nacht der Sammlung. Der Nomadenstrom<br />

nähert sich dem Ort vor der allerletzten<br />

Wegstrecke in die Höhe.<br />

Unsere Karawanen versammelten sich dort<br />

gegen Abend. Es machte wenig Sinn, die Jurten<br />

nur für die eine Nacht zu errichten, deshalb<br />

rastete man in Zelten. Lagerfeuer<br />

brannten, an denen sich die Menschen<br />

wärmten.<br />

Am Fuss der Massen aus Eis und Schnee<br />

breitete sich ringsum die raue, schöne und<br />

majestätische Bergwelt aus. Und man<br />

dachte nur das eine: Wie werden wir morgen<br />

früh den Gebirgspass erstürmen? Sogar<br />

die Herden spürten diesen Augenblick vorweg<br />

– üblicherweise laufen die Tiere achtlos<br />

nach allen Seiten auseinander, aber hier verharrten<br />

sie alle an Ort und Stelle. Kein einziges<br />

Tier entfernte sich. Eine Nacht lang standen<br />

die Herden in dicht gedrängten Haufen.<br />

Die Alten – Frauen oder Männer –<br />

heben an den Lagerfeuern ihren Sprechgesang<br />

an. Sie appellieren an die Geister der<br />

Berge und Pässe. Sie tragen ihre Beschwörungen<br />

vor.<br />

«Nun sind wir am Fuss des Passes angelangt.<br />

Alle sind da – unsere Herden, die<br />

Familien und die Kinder, der Hausrat und<br />

die Jurten. Wir möchten dort hinauf, um<br />

das Licht der Welt zu erblicken. Jenseits des<br />

Passes liegen die frischen Wiesen und<br />

fliessen die klaren Flüsse. Wir wollen dort<br />

unseren Sommer verbringen.»<br />

Auszug aus: Tschingis Aitmatow, Kindheit in<br />

Kirgisien, Unionsverlag, Zürich, 1998.<br />

Das Kapitel «Grossmutter» erzählt aus der Zeit<br />

Mitte der 1930er Jahre.<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 23


Dossier<br />

«Nachhaltiger Tourismus<br />

bereichert die Kultur»<br />

<strong>Helvetas</strong> fördert in Kirgistan den ländlichen Tourismus. Das bringt Gäste aus<br />

aller Welt und dringend benötigte Einkommensquellen in abgelegene Bergregionen<br />

mit einer reichen Natur- und Kulturlandschaft. Fünf Fragen an Anar<br />

Orozobaeva, die sich für den ländlichen Tourismus engagiert.<br />

n Von<br />

Susanne Strässle<br />

Susanne Strässle: Tourismus ist kein klassisches<br />

Tätigkeitsfeld der Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Wie kann Tourismus zur<br />

Entwicklung bei tragen?<br />

Anar Orozobaeva: Kirgistan hat mit seiner<br />

eindrücklichen Berglandschaft an der Route<br />

der alten Seidenstrasse und seiner nomadischen<br />

Kultur viel zu bieten. Gewöhnlich verdienen<br />

aber vor allem Unternehmen in der<br />

Hauptstadt am Aufschwung des Tourismus<br />

im Land. Die Menschen vor Ort können<br />

weder mitreden noch mitverdienen. Lokal<br />

verankerter und ökologisch nachhaltiger<br />

Tourismus schafft wichtige Einkommensquellen<br />

für Menschen in Bergregionen, in<br />

denen es kaum Alternativen gibt.<br />

Ist Tourismus eine Chance oder eine<br />

Bedrohung für die lokale Kultur?<br />

380 Familien sind heute in unserem Berufsverband<br />

vertreten, und sie alle betreiben<br />

einen nachhaltigen Tourismus. Dadurch<br />

werden Traditionen nicht nur erhalten, sondern<br />

sogar gefördert.<br />

Etwa indem<br />

traditionelle Feste<br />

neu belebt werden.<br />

Wir organisieren<br />

Reitspiele, es gibt<br />

Festivals zu Folklore,<br />

Filzhandwerk,<br />

Kochen, Kunst und<br />

Hirten leben. Kulturell<br />

nachhaltig ist<br />

Tourismus, wenn er<br />

die Bedürfnisse der<br />

Leute vor Ort<br />

berücksichtigt. Tut<br />

er das nicht, führt<br />

das zu gesellschaftlichem<br />

Zerfall, steigenderKriminalität<br />

und Identitätsverlust.<br />

Bei uns<br />

liegt jedoch alles<br />

24 <strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

von der Planung bis zur Durchführung in<br />

den Händen der Einheimischen.<br />

Wie unterstützt <strong>Helvetas</strong> die im Tourismus<br />

tätigen Familien im Berggebiet?<br />

Das <strong>Helvetas</strong> Projekt zur ländlichen Tourismusförderung<br />

in Kirgistan hat unseren<br />

nationalen Berufsverband mitinitiiert. Der<br />

Verband unterstützt die im Tourismus tätigen<br />

Einheimischen dabei, ihre Angebote<br />

optimal zu gestalten und zu vermarkten.<br />

Wir definieren auch Qualitätsstandards,<br />

schaffen Kontakte zu Reiseveranstaltern,<br />

betreuen Touristen und wollen die Position<br />

des ländlichen Tourismus in Kirgistan<br />

stärken. Dabei fördern wir stets auch die<br />

Gemeinden, zum Beispiel durch Kulturfestivals<br />

oder Umweltaktionen.<br />

Wie sieht lokaler Tourismus in der Praxis<br />

aus?<br />

Die beteiligten Familien bieten Übernachtungsmöglichkeiten<br />

in traditionellen Jurten<br />

auf Sommerweiden oder in ihren Häusern<br />

an, sie arbeiten als ortskundige Reiseführer,<br />

vermieten Pferde, engagieren sich in Folklo­<br />

Touristinnen lernen in Kirgistan einheimisches Handwerk und traditionelle Lebensweise kennen.<br />

reprogrammen oder machen Kunsthandwerk.<br />

Besonders beliebt sind Reit­ und Trekkingtouren<br />

in die kirgisische Bergwelt. Mit<br />

all dem verdienen die Menschen nicht nur<br />

ihren Lebensunterhalt, sondern sie verwirklichen<br />

auch ihr Ziel, ihre nomadische<br />

Lebensweise Besuchern aus aller Welt nahe<br />

zu bringen.<br />

Welche Gäste spricht das Angebot an und<br />

wie können Reisende davon Gebrauch<br />

machen?<br />

Der grösste Teil der über 7700 Reisenden,<br />

die 2007 unser Angebot genutzt haben, war<br />

zwischen 24 und 44 Jahre alt – darunter<br />

übrigens auch zahlreiche Schweizer. Es<br />

sind kulturell interessierte Menschen mit<br />

einem aktiven Lebensstil. Unsere Website<br />

www.cbtkyrgyzstan.kg informiert über das<br />

Angebot. Aber auch bekannte Reiseführer<br />

wie der «Lonely Planet» weisen darauf hin<br />

und Touranbieter arbeiten mit uns zusammen.<br />

Rund ein Fünftel der Besucher kommen<br />

dank der Empfehlung von Freunden,<br />

die von ihrer Reise nach Kirgistan begeistert<br />

waren!<br />

Anar Orozobaeva ist<br />

Initiantin und Geschäftsführerin<br />

des<br />

nationalen Berufsverbandes<br />

ländlicher<br />

Tourismusanbieter<br />

«Hospitality Kyrgyzstan»:www.cbtkyrgyzstan.kg.<br />

Susanne<br />

Strässle ist Redaktorin<br />

der «Partnerschaft».<br />

n<br />

Globotrek organisiert<br />

jeweils im Sommer<br />

<strong>Helvetas</strong>­Reisen<br />

nach Kirgistan, auf<br />

denen Reisende in<br />

Kleingruppen das<br />

Nomaden leben und<br />

<strong>Helvetas</strong> Projekte<br />

kennen lernen: www.<br />

globotrek.ch/reisen/<br />

helvetasreisen


n Von Susanne Strässle<br />

Ein Staat ohne ländliches Strassennetz, Spitäler<br />

oder ein ausgebautes Schulsystem. Das<br />

war Bhutan vor 60 Jahren. Heute ist der<br />

Bergstaat im Himalaja ein modernes Staatswesen.<br />

Ein beispielloser Entwicklungsprozess,<br />

an dem auch die Schweiz und <strong>Helvetas</strong><br />

partnerschaftlich beteiligt waren (siehe Kasten<br />

S. 27 oben). Und einer, in dem auch die<br />

unscheinbare Kartoffel eine Hauptrolle<br />

spielte, denn die Kartoffel hat das Leben in<br />

Bhutans Bergwelt grundlegend verändert.<br />

Schweizerisch-bhutanesische<br />

Kartoffelsaga<br />

Nach Bhutan gekommen ist die Kartoffel<br />

spätestens in den 1770er Jahren mit englischen<br />

Kolonialbeamten aus Indien, die sie<br />

versuchsweise anpflanzten. Die Bhutaner<br />

lernten die ertragreiche und winterfeste<br />

Knolle, die in Höhenlagen zwischen 300 bis<br />

zu 4500 m ü. M. gedeiht, bald schätzen.<br />

Sie ist wie geschaffen für das Land, ist doch<br />

ihre Heimat in den Anden dem Himalaja<br />

nicht unähnlich. Ihre Wertschätzung in<br />

Bhutan zeigt sich auch darin, dass die Kartoffel<br />

von den Buddhisten gar als Gabe auf<br />

dem Altar dargebracht wird.<br />

«Die Erfolgsgeschichte der Kartoffel ist<br />

zuallererst der Eigeninitiative der bhutanesischen<br />

Bauern zu verdanken», betont Walter<br />

Roder, neuer <strong>Helvetas</strong> Programmleiter in<br />

Bhutan mit langjähriger Erfahrung in Entwicklungsprojekten<br />

in Bhutan. «Und doch<br />

hätte sie ohne die Einführung neuer Sorten,<br />

die Förderung der Saatkartoffelproduktion<br />

und einer modernen Vermarktung nie die<br />

heutige Bedeutung erlangen können.»<br />

Hierzu hat <strong>Helvetas</strong> mit ihren landwirt­<br />

Eine Knolle verändert<br />

Bhutan<br />

Kann etwas so Alltägliches wie die<br />

Kartoffel ein Land verändern und ein<br />

Katalysator für Entwicklung sein?<br />

Sie kann. Für Bhutans Bergbauern ist<br />

die Kartoffel ein Weg in die Zukunft.<br />

schaftlichen Programmen in Bhutan über<br />

Jahrzehnte wichtige Beiträge geleistet. Dies<br />

geschah stets in enger Zusammenarbeit mit<br />

der Regierung Bhutans und unterstützt von<br />

der DEZA schon seit den Siebziger Jahren im<br />

Rahmen von Projekten zur Ländlichen Entwicklung.<br />

In den Achtziger­ und Neunzigerjahren<br />

wurde der Kartoffelanbau und ­vertrieb<br />

im Nationalen Kartoffelprogramm und<br />

in den letzten rund zehn Jahren durch die<br />

Unterstützung der Forschung gefördert.<br />

Vielleicht ist es kein Zufall, dass zwei<br />

Bergländer so gut zusammenarbeiten.<br />

«Unsere Erfahrungen in einer Gebirgslandschaft,<br />

mit ähnlichen Produktionsweisen im<br />

Wechsel von Pflanzenanbau und Tierzucht,<br />

vergleichbaren Betriebsgrössen und Synergien<br />

zwischen Landwirtschaft und Tourismus<br />

könnten ein Vorteil sein», schätzt<br />

Walter Roder.<br />

Die Kinder lieben die Knolle<br />

Die Kartoffel ist auch ernährungs technisch<br />

ein kleines Wunder. Zwar gefährden Wildschweine<br />

die Ernte, sodass die Felder öfters<br />

selbst nachts bewacht werden müssen.<br />

Gleichzeitig generiert die Kartoffel aber pro<br />

Hektare mehr Nährwert als viele andere<br />

Pflanzen.<br />

In höheren Lagen hat sie den Anbau von<br />

traditionellen Kulturen wie Weizen und<br />

Buchweizen abgelöst, die mehr Land und<br />

Arbeitseinsatz verlangten, aber weniger<br />

Ertrag einbrachten. Zudem lassen sich Kartoffeln<br />

vergleichsweise gut transportieren<br />

und lagern. Die Knolle stellt neben Rettich<br />

und Rüben im Winter oft das einzige frische<br />

Gemüse dar.<br />

Auch die Vielseitigkeit der Kartoffel in<br />

der Küche ist ein Trumpf. Dass sie sich mit<br />

anderen beliebten Zutaten wie Chili, Käse<br />

und Fleisch gut kombinieren lässt, macht sie<br />

noch attraktiver. Heute sind der Anbau und<br />

Verbrauch pro Kopf in Bhutan höher als in<br />

den meisten asiatischen Ländern, und die<br />

Kartoffel ist auch im Land selber Spitzenreiter<br />

unter den Gemüsesorten.<br />

Da wundert es nicht, dass Bhutan mittlerweile<br />

ein Kartoffel­Nationalgericht hat,<br />

dass den Einheimischen nicht weniger lieb<br />

ist als uns die Rösti. Kewa Datshi, eine bestechend<br />

einfache Zubereitung aus Kartoffeln,<br />

einer Art Hüttenkäse und Chili, ist das<br />

meistgegessene Kartoffelgericht im Land<br />

und eine Leibspeise der Kinder (siehe<br />

Rezept­Kasten). Die Bhutaner erklären ihren<br />

Das Uno-Jahr der<br />

Kartoffel 2008<br />

Das Uno­Jahr der Kartoffel soll auf deren immense<br />

Bedeutung in der Welternährung aufmerksam<br />

machen. Sie kann einen wichtigen<br />

Beitrag zur Erreichung der Millenniums­Ziele<br />

im Kampf gegen Hunger und Mangelernährung<br />

leisten.<br />

Wussten Sie, dass die Kartoffel...<br />

... im 16. Jahrhundert aus den Anden nach<br />

Europa kam, wo sie anfangs als Zierpflanze<br />

sowie als Arznei und Fruchtbarkeitsmittel galt<br />

und lange nicht gegessen wurde, da man<br />

glaubte, die «Heidennahrung» mache dumm<br />

und krank?<br />

... sich erst durch Hungersnöte und die Teuerung<br />

um 1770 in Europa durchsetzte?<br />

... das Ende des europäischen Feudalsystems<br />

einläutete, da auf ihr kein Zehnten abgeliefert<br />

werden musste und sie deshalb den Bauern<br />

eine einmalige Chance für freies Wirtschaften<br />

bot?<br />

... die industrielle Revolution beschleunigte,<br />

weil sie als «Brot der Armen» die Arbeiter<br />

nährte?<br />

... in Europa am belibtesten ist (96 kg/J. isst<br />

jeder Europäer), jedoch in Asien fast die<br />

Hälfte der Weltproduktion verspiesen wird<br />

(über 100 Mio. t)?<br />

... weltweit in rund 7500 Sorten vorkommt?<br />

���<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 25


Dossier<br />

���<br />

26<br />

steigenden Kartoffelkonsum sowieso gerne<br />

damit, dass ihre Kinder die Kartoffelgerichte<br />

einfach lieben.<br />

Kartoffeln pflanzen,<br />

Einkommen ernten<br />

Dass die Kartoffel eine so wichtige Rolle<br />

in Bhutans Entwicklung spielte, hat aber<br />

einen ganz anderen Grund: Mit Kartoffeln<br />

können Kleinbauern gutes Geld verdienen.<br />

Für Bäuerinnen und Bauern, die ihre Felder<br />

auf über 2500 m haben, ist sie oft das einzige<br />

Agrarprodukt, das sie verkaufen können. Der<br />

Kartoffelanbau ist daher paradoxerweise ein<br />

Grund dafür, warum heute auch mehr Reis<br />

gegessen wird in Bhutans Bergen: Die Bauern<br />

haben nun die Möglichkeit, ihn zu kaufen.<br />

Kewa Datshi<br />

(«Kartoffeln und Käse»)<br />

Für 2 Personen<br />

4 grosse, festkochende Kartoffeln<br />

schälen, vierteln und in Schnitze<br />

von 3–4 mm schneiden<br />

150 g Feta, Hüttenkäse oder Ziger<br />

in kleinen Stücken<br />

2 kleine rote Zwiebeln gehackt<br />

1 EL Butter<br />

1 TL Salz<br />

1 TL gemahlener Chili<br />

2 Knoblauchzehen gepresst<br />

Die Kartoffelstücke mit Butter, Salz und<br />

Chili in eine beschichtete Bratpfanne<br />

geben, mit 3,5 dl kaltem Wasser bedecken<br />

und bei grosser Hitze in ca. 20 min.<br />

zugedeckt gar kochen. Das Gericht soll<br />

weder zu wässrig noch zu trocken sein,<br />

daher stets etwas Wasser beifügen,<br />

wenn die Flüssigkeit ausgeht. Nach halber<br />

Kochzeit Zwiebeln beigeben. Knoblauch<br />

und den Käse kurz vor Ende der<br />

Garzeit einstreuen und Hitze reduzieren.<br />

Ca. 2 Minuten weiterkochen, sodass der<br />

Käse schmilzt. Umrühren, damit Käse<br />

und Restwasser eine weisse, cremige<br />

Sauce bilden. Mit Salz abschmecken.<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

Kartoffeln sind eine<br />

Leibspeise von Bhutans<br />

Kindern: Schulkinder<br />

bringen sie fertig<br />

zubereitet von zuhause<br />

mit und essen<br />

sie gemeinsam in der<br />

Mittagspause.<br />

Es sind vor allem Kleinbauern mit<br />

wenig Land, denen die Kartoffel das dringend<br />

nötige Einkommen bringt. Im Bumthang<br />

Distrikt, der lange Jahre ein Zentrum<br />

der <strong>Helvetas</strong> Arbeit war, hat 1970 niemand<br />

Kartoffeln verkauft, im Jahr 2000 waren es<br />

50% der Bevölkerung. Tendenz und Anbaumenge<br />

steigen stetig. In der Folge ist auch<br />

die Viehzucht aufgeblüht: Sie ergänzt sich<br />

gut mit dem Kartoffelanbau, zumal auf dem<br />

gleichen Boden nicht pausenlos Kartoffeln<br />

angepflanzt werden sollten.<br />

Auch Bhutan wird zwar immer mehr<br />

zur zu einer städtischen Gesellschaft, dennoch<br />

bleibt die Landwirtschaft wichtig. Sie<br />

hat sich aber von der reinen Selbstversor­<br />

Ein Grossteil der Kartoffeln wird von den Bauern in das Auktionszentrum gebracht.<br />

Es verschafft 7000 Familien Marktzugang und erlaubt es ihnen, die Ernte zu guten Preisen<br />

zu verkaufen.


Erfolgreiche Partner schaft Schweiz-Bhutan<br />

Seit 1907 hat die Wangchuck­Dynastie<br />

Bhutan in vorbildlicher Weise in eine neue<br />

Zeit geführt und das Fundament für eine<br />

demokratische Regierungsform geschaffen,<br />

die nun 2008 in Kraft getreten ist. Das Buch<br />

«Far apart and close together» folgt diesem<br />

Entwicklungsprozess, an dem die Schweiz<br />

seit 1950 aktiv mitgearbeitet hat. Stets<br />

orientierte er sich an der Philosophie des<br />

«Bruttosozialglücks», wonach keine Entwicklung<br />

zu Lasten kommender Generationen<br />

gehen darf und Respekt vor Kultur und<br />

Tradition, Rücksicht auf die Natur und nachhaltige<br />

Führungsarbeit unabdingbar für<br />

den Weg in eine glückliche Zukunft sind. Das<br />

neue Buch dokumentiert die erfolgreiche<br />

Zusammenarbeit zwischen den beiden<br />

gung zu einem modernen, marktorientierten<br />

Wirtschaftssektor entwickelt. «Mit der<br />

Kartoffel als Katalysator des sozioökonomischen<br />

Wandels», wie Karma Nidup, Leiter<br />

des Nationalen Kartoffelprogramms, erklärt.<br />

Sie bot eine Chance, die sowohl Bauern als<br />

auch Kosumenten im Land rasch ergriffen<br />

haben.<br />

Während in Bhutan Getreide meist für<br />

den Eigenkonsum angebaut wird, gelangen<br />

von den Kartoffeln rund drei Viertel auf den<br />

Markt. Sie werden über eine Auktionszentrale<br />

verkauft: ein Vertriebssystem, das den<br />

rund 7000 Bauernfamilien, die davon<br />

Gebrauch machen, bessere Marktchancen<br />

bringt. Ebenso hat <strong>Helvetas</strong> den Bau von<br />

ländlichen Erschliessungsstrassen gefördert,<br />

der neue Transportmöglichkeiten und damit<br />

den Marktzugang überhaupt ermöglicht hat.<br />

Exportschlager aus den<br />

Bergen<br />

Bhutan produziert heute so viele Kartoffeln,<br />

dass es sogar den grossen Nachbarn Indien<br />

damit beliefern kann. Heute werden 40­50%<br />

aller Kartoffeln dorthin verkauft. Vor allem<br />

im Sommer sind sie ein Exportschlager.<br />

Denn im indischen Tiefland ist es schwierig,<br />

Saatgut zu produzieren, und Kartoffeln<br />

lassen sich während der Sommermonsunmonate<br />

nicht anbauen. Somit können die<br />

bhutanesischen Kleinbauern, deren oft<br />

steile Felder mehrheitlich auf kühlen 1800<br />

und 3000 m ü. M. liegen, sie zu relativ guten<br />

Preisen verkaufen.<br />

Ohne die Kartoffel müssten viele<br />

Bauern einer zusätzlichen Arbeit ausser<br />

Haus nachgehen oder, davon sind manche<br />

Bauern überzeugt, auswandern. Die Kartoffel<br />

hat also Potential, Landflucht und Ver­<br />

Berg ländern, die 1950 mit der Freundschaft<br />

zweier junger Frauen begann und<br />

von der Familie von Schulthess zur Foundation<br />

Pro Bhutan und zu <strong>Helvetas</strong> führte,<br />

die seit 1975 mit Unterstützung der DEZA<br />

in Bhutan tätig ist. Ausführlich werden die<br />

Programme vorgestellt, insbesondere in<br />

den Bereichen Land­ und Forstwirtschaft,<br />

ländliche Infrastruktur und Kleingewerbeförderung.<br />

Eben so die Mitarbeit im<br />

Bildungsbereich, im Gesundheitswesen<br />

und schliesslich bei der Förderung von<br />

Good Governance. Der bebilderte Band, in<br />

den auch Geschichten und Anekdoten eingeflochten<br />

sind, blickt zudem in die<br />

Zukunft einer starken Partnerschaft. (UR)<br />

städterung, die in Bhutan zum Problem werden,<br />

zu bremsen. Wenn die Bauern genügend<br />

produzieren und Gewinn bringend<br />

verkaufen können, haben sie einen Grund<br />

weniger, ihre Felder in den Bergen zu verlassen.<br />

«Wir verdanken es der Kartoffel, dass<br />

unsere Kinder heute die Schule besuchen<br />

können», erzählt die Bäuerin Sonam Choden<br />

bergwärts<br />

Dem «Brot der Armen» auf der Spur<br />

Gut zu wissen Wanderzeit: 5h. Steigung: �� je 400m<br />

An-/Rückreise Von Lugano via Lamone mit dem Postauto nach Arosio<br />

Route Arosio – Mugena – Vezio – Fescoggia – Caroggio – Mugena – Arosio<br />

Im Tessin galt nicht die Kartoffel, sondern die Kastanie einst als «Brot der Armen». Der Kastanienweg<br />

(Sentiero del Castagno) erzählt ihre Kulturgeschichte. Er beginnt in Arosio (859 m ü. M.) im Malcantone.<br />

Vom Grotto Sgambada aus wandert man zum Kastanienhain von Induno, dann zur Kirche San<br />

Michele. Weiter geht’s Richtung Mugena zu einem schönen Aussichtspunkt über das Malcantone.<br />

Nach dem malerischen Mugena<br />

wandert man nach «Busgnone».<br />

Dann über Waldwege längs des<br />

Valle di Firinescio und oberhalb<br />

von Vezio durch Kastanienhaine<br />

zum Dorf Fescoggia. Der Rückweg<br />

führt teilweise auf dem<br />

Strässchen erst bergab Richtung<br />

Caroggio, dann hinauf nach Mugena<br />

und zurück nach Arosio.<br />

Info Broschüre zur Wanderung:<br />

www.malcantone.ch/<br />

attachment.php?id= 85 (SUS)<br />

Far apart and close together. Herausgegeben<br />

von der Gesellschaft Schweiz-Bhutan,<br />

inkl. DVD, Texte in Englisch mit Zusammenfassungen<br />

in D/F. Ab September für Fr. 69. –<br />

erhältlich über www. bhutan-switzerland.org,<br />

wolfau-druck@bluewin.ch oder im Buchhandel.<br />

aus Yangner. Die Kartoffel beeinflusst längst<br />

nicht nur den Menuplan der Familien, sondern<br />

ihren Lebensstandard heute und den<br />

der kommenden Generationen.<br />

Susanne Strässle ist Redaktorin<br />

der «Partnerschaft». n<br />

Von der Armenkost zur Delikatesse: Tessiner Kastanie.<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 27


<strong>Helvetas</strong> Freiwilligenarbeit Dossier<br />

28<br />

Ohne Klos nix los!<br />

Ein Leben ohne Toiletten: für Milliarden von Menschen im Süden Realität. Höchste Zeit,<br />

aktiv zu werden. Die Aktion der <strong>Helvetas</strong> Freiwilligen und unser Videoclip-Wettbewerb zum<br />

Internationalen Jahr der Sanitären Grundversorgung 2008 gibt Gelegenheit dazu.<br />

n Von Lisa Krebs<br />

2,6 Milliarden Menschen fehlt, was für uns<br />

selbstverständlich ist: eine Toilette. Sie leben ohne<br />

Zugang zu sanitärer Grundversorgung. Die<br />

Folgen sind fatal.<br />

Keine Toiletten – ein Skandal!<br />

Allein an Durchfallerkrankungen sterben täglich<br />

5000 Kinder. 1,3 Million Menschen fallen jedes<br />

Jahr der Malaria zum Opfer. Infektions­ und<br />

Wurm erkrankungen schränken die Leistungsfähigkeit<br />

der Menschen ein und sind ein Grund<br />

für die langsame Entwicklung in den Ländern des<br />

Südens. Das ist ein Skandal.<br />

Auf diese prekäre Situation will die Uno mit<br />

dem Jahr der sanitären Grundversorgung 2008<br />

weltweit aufmerksam machen. <strong>Helvetas</strong> trägt<br />

diese wichtige Kampagne mit. Für uns ist die<br />

sanitäre Grundversorgung seit langem ein<br />

Schwerpunktthema. Wir setzen uns seit mehr als<br />

vierzig Jahren mit zahlreichen Projekten für konkrete<br />

Verbesserungen ein.<br />

In verschiedenen Ländern des Südens werden<br />

Latrinen und Toiletten gebaut. <strong>Helvetas</strong> bietet<br />

Kurse an, in denen die Menschen den Bau und<br />

den Unterhalt von sanitären Installationen lernen.<br />

Zudem wird die Bevölkerung über die Zusam­<br />

Aktiv werden<br />

Hast du Lust, aktiv zu werden für eine bessere<br />

Welt? Willst du mehr tun, als Geld spenden?<br />

Willst du deine Zeit und deine Fähigkeiten<br />

zur Verbesserung der Situation von<br />

Menschen in Entwicklungsländern zur Verfügung<br />

stellen?<br />

Dann bist du bei <strong>Helvetas</strong> am richtigen Ort.<br />

Bei uns kannst du dich für die Information<br />

und Sensibilisierung der Bevölkerung in der<br />

Schweiz einsetzen und damit den Ärmsten<br />

der Welt eine Stimme geben.<br />

Genauere Angaben über die Aktivitäten zum<br />

Jahr der sanitären Grundversorgung, das<br />

Mitwirken in Regionalgruppen und mögliche<br />

Einzeleinsätze findest du unter<br />

www.helvetas.org. Individuelle Auskunft<br />

gibt dir die Freiwilligenkoordinatorin Lisa<br />

Krebs (lisa.krebs@helvetas.org).<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

menhänge zwischen Krankheit und Hygiene aufgeklärt.<br />

Ohne Freiwillige geht nichts<br />

Diese Massnahmen befähigen Menschen, die<br />

sanitäre Grundversorgung in ihrer Gesellschaft in<br />

die eigenen Hände zu nehmen. Die Projektarbeit<br />

vor Ort ist aber nur eine Seite der Medaille. Ebenso<br />

wichtig ist die Information und Sensibilisierung<br />

der Bevölkerung in der Schweiz, die mit ihrer<br />

Unterstützung das <strong>Helvetas</strong> Engagement im<br />

Süden überhaupt möglich macht.<br />

Für diese Sensibilisierungsarbeit und die<br />

Mittelbeschaffung in der Schweiz sind zurzeit<br />

über Hundert Freiwillige aktiv. Sie stellen ihre<br />

Freizeit und ihre Fähigkeiten zur Verfügung, um in<br />

allen Landesteilen die Anliegen von Benachteiligten<br />

in Ländern des Südens und die Arbeit von<br />

<strong>Helvetas</strong> bekannt zu machen. Auch zum Jahr der<br />

sanitären Grundversorgung sind die freiwilligen<br />

Mitarbeitenden für <strong>Helvetas</strong> im Einsatz.<br />

Mit einem Tabuthema auf die<br />

Strasse<br />

Über Fäkalien und Toiletten spricht niemand gerne.<br />

Deswegen ist die Aktion zum Jahr der sanitären<br />

Grundversorgung eine spezielle Herausforderung.<br />

Die Freiwilligen gehen mit diesem Tabuthema<br />

auf die Strasse. Sie machen anlässlich von<br />

Strassenaktionen die Passantinnen und Passanten<br />

auf das weltweite Problem fehlender sanitärer<br />

Anlagen aufmerksam und brechen das<br />

Schweigen über den Skandal.<br />

An diesen Anlässen werden Schauspieler mit<br />

überraschenden Performances Passantinnen und<br />

Passanten aufrütteln. Die Aktion findet im September<br />

in verschiedenen Schweizer Städten statt.<br />

Dazu werden Freiwillige gesucht, die an einzelnen<br />

Tagen die Strassenaktion begleiten. Sie informieren<br />

Interessierte, suchen das Gespräch auf<br />

der Strasse und beantworten Fragen zu den<br />

Hintergründen. Ein sinnvoller Einsatz für ein Thema,<br />

das nicht länger hinter verschlossenen (Klo­)<br />

Türen bleiben soll!<br />

Der Einsatz an einem Tag dauert maximal vier<br />

Stunden. Für Kontaktinformationen siehe Kasten.<br />

Lisa Krebs ist Koordinatorin der Freiwilligenarbeit<br />

bei <strong>Helvetas</strong> auf der Geschäftsstelle in<br />

Zürich. �<br />

Wettbewerb<br />

Videoclip­Wettbewerb<br />

Mach auf die Misere fehlender sanitärer<br />

Grundversorgung aufmerksam und drehe<br />

mit deinem Handy oder deiner Digicam deinen<br />

eigenen Clip zum Thema «No toilet,<br />

no…»! Die eingesandten Clips werden von<br />

<strong>Helvetas</strong> laufend auf youtube veröffentlicht.<br />

Die besten Beiträge werden an einer öffentlichen<br />

Veranstaltung im November 2008<br />

präsentiert. Es winken attraktive Preise.<br />

Nähere Infos zu den Wettbewerbsbedingungen<br />

und den technischen Anforderungen<br />

ab September auf www.helvetas.org<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von<br />

<strong>Helvetas</strong> sind nicht zur Teilnahme<br />

berechtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


Neuland der Solidarität entdecken<br />

Eine bessere Welt schaffen – das beginnt vor der eigenen Haustür. Schülerinnen und Schüler<br />

der italienischen Schweiz blicken in einem von <strong>Helvetas</strong> mitgetragenen Projekt über ihren Horizont<br />

hinaus und krempeln die Ärmel hoch. Der Lohn für den schweisstreibenden Einsatz ist die<br />

beglückende Erfahrung gelebter Solidarität.<br />

n Von Claire Fischer<br />

Viele Jugendliche können sich nicht vorstellen,<br />

von welch weit reichender Bedeutung der Beitrag<br />

eines Einzelnen sein kann, so bescheiden er auch<br />

scheinen mag. Mit dem Ziel, junge Leute zu motivieren,<br />

sich einzubringen und ihre Rolle in der<br />

Gemeinschaft wahrzunehmen, ist vor drei Jahren<br />

das Projekt «Creiamo un mondo migliore» (Lasst<br />

uns eine bessere Welt schaffen) entstanden. Das<br />

Projekt des <strong>Helvetas</strong> Sekretariates für die italienische<br />

Schweiz und der Stiftung für Bildung und<br />

Entwicklung wird von fünf Lehrerinnen und Lehrern<br />

mit rund 100 Schülern durchgeführt.<br />

Den eigenen Horizont<br />

erweitern<br />

In einer ersten Phase einigten sich die beteiligten<br />

Klassen auf die Werte, die sie vertreten und fördern<br />

wollen. In einem zweiten Schritt sind die<br />

Jugendlichen nun selber aktiv geworden: Die<br />

Klassen hatten den Auftrag, Aktionstage im Bereich<br />

Umweltschutz in ihrer Region zu organisieren,<br />

die sie gemeinsam mit den anderen Klassen<br />

durchführen würden.<br />

Die Jugendlichen haben dazu eigenständig<br />

die Personen kontaktiert, die ihnen dabei helfen<br />

sollten: Experten, Eltern, Lehrerinnen. Und sie haben<br />

ihre Aktionen bis ins Detail geplant. Sie lernten<br />

dabei, eine Sache selbst in die Hand zu nehmen<br />

– ein praktisches Beispiel für «Empowerment»,<br />

von dem in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

so oft die Rede ist. Damit ist gemeint, dass<br />

Menschen durch Beratung, Training und Ausbildung<br />

dazu befähigt werden, ihre Lebensbedingungen<br />

aktiv mitzugestalten und dass Gemein­<br />

schaftsstrukturen geschaffen werden, die ihnen<br />

dies ermöglichen.<br />

Das Ziel der Aktionen war ein doppeltes: partnerschaftlich<br />

aktiv werden und über den eigenen<br />

Horizont hinausblicken. Das Konzept der Grenze<br />

war ein Leitfaden über die Projektzeit hinweg,<br />

denn die Jugendlichen sollten sich ihrer persönlichen<br />

Grenzen bewusst werden: Wo endet mein<br />

Universum? Vor meiner Haustür, am Dorfrand, an<br />

meiner Schule? Kann ich diese Grenzen überschreiten,<br />

wenn es um das Allgemeinwohl geht?<br />

Worte und Werte in die Tat<br />

umsetzen<br />

Am 13. Mai 2008 wurden die von langer Hand<br />

geplanten Initiativen in die Tat umgesetzt. Die<br />

fünf Klassen brachen nach Gordevio im unteren<br />

Maggiatal auf: Für viele von ihnen Neuland, obwohl<br />

es gleich vor ihrer Haustür liegt. Nach dem<br />

herzlichen Empfang durch den Bürgermeister<br />

und den Tourismusdirektor haben sich die Klassen<br />

in neue, durchmischte Gruppen aufgeteilt.<br />

Den Einsatzort dieses Tages bildeten die Auen<br />

in der Nähe des Dorfes, eine Naturlandschaft,<br />

in der der Artenreichtum des Tieflandes auf den<br />

der Alpen trifft. In Fischerstiefeln, mit Harken,<br />

Gartenhandschuhen und genauen Instruktionen<br />

ausgerüstet, machten sie sich an die Arbeit.<br />

Rund dreissig Erwachsene begleiteten die<br />

Initiative, Experten die ihr Wissen und Können<br />

kostenlos zur Verfügung stellten und die Jugendlichen<br />

anspornten, die Ärmel hoch zu krempeln .<br />

Zögerten am Anfang noch einige Schülerinnen<br />

und Schüler, sich die Hände schmutzig zu machen,<br />

so hat sie der Enthusiasmus bald alle gepackt.<br />

Die Befriedigung über das Erreichte liess<br />

sich auf ihren Gesichtern ablesen und auch das<br />

Erstaunen darüber, was sie in so kurzer Zeit bewirken<br />

konnten – und erst noch mit Vergnügen.<br />

Eindrückliches Tagwerk<br />

Die Jugendlichen reinigten einen stillgelegten<br />

Campingplatz, der in eine Weide zurückverwandelt<br />

werden soll. Sie stellten in der Moor­ und<br />

Teichlandschaft kleine Dämme instand, um<br />

Sumpftieren einen Unterschlupf zu schaffen. Sie<br />

jäteten wuchernde exotische Pflanzen aus – und<br />

entfachten schliesslich auch Grillfeuer, um ihre<br />

Würste zu bräteln.<br />

Ein Bauer traute seinen Augen kaum, als sein<br />

Land, das am Morgen noch über wuchert gewesen<br />

war, am Abend von Ast­ und Buschwerk befreit<br />

vor ihm lag. Doch auch abgesehen von den<br />

unmittelbar sichtbaren Resultaten ermöglichte<br />

die Aktion allen die Erfahrung von Kooperation<br />

und Partnerschaft. Die Teenager konnten ihre<br />

Ressourcen einbringen und in der Gruppe ein Ziel<br />

erreichen. Kurz: mit ihren eigenen Mitteln und<br />

Möglichkeiten eine bessere Welt schaffen.<br />

Oder wie es der 13­jährige Leo aus Lodrino<br />

ausdrückte, der an dem Tag den eingeschleppten<br />

aggressiven Riesenbärenklau ausjätete: «Ich<br />

hätte nie gedacht, dass eine Pflanze derart die<br />

Haut reizen kann. Ich liebe es, in der Erde zu buddeln,<br />

neue Leute zu treffen – und am Ende eines<br />

erfolgreichen Tages gemeinsam fürs Gruppenfoto<br />

zu posieren.»<br />

Claire Fischer ist Medienverantwortliche des<br />

<strong>Helvetas</strong> Sekretariates der italienischen<br />

Schweiz. �<br />

Wenn Sie Fragen zum Projekt haben oder<br />

sich für die <strong>Helvetas</strong> Schularbeit in der<br />

italienischen Schweiz interessieren,<br />

kontaktieren Sie Frau Isabella Medici, die<br />

das <strong>Helvetas</strong> Sekretariat in Balerna leitet<br />

(isabella.medici@helvetas.org) oder<br />

Tel. 091 683 17 10).<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 29


Welt- und umweltverträglich handeln<br />

30<br />

Die Farben der Welt feiern<br />

Pashmina ist der nepalesische Name für Kaschmir.<br />

Das hochwertige Garn des <strong>Helvetas</strong> Pashminaschals<br />

wird aus den feinsten Haaren der Chyangra­<br />

Bergziege aus dem Himalaja gesponnen. An dem<br />

mit Seide bespannten Webstuhl weben Männer<br />

die feinen Pashmina­Stoffe. Für die Weiterverarbeitung<br />

sind die Frauen zuständig. Die Schals<br />

werden dank langem Kneten und Bürsten weich<br />

und fein. Das soziale Unternehmen, das von zwei<br />

Schwestern geführt wird, bietet rund 30 Frauen<br />

und einigen Männern einen Arbeitsplatz. Die Qualität<br />

der Schals ist ausgesprochen gut, sie<br />

«Chitra» und «Gita»<br />

Wunderschöne Box zum Ordnen und Aufbewahren<br />

von bis zu 350 Fotos oder 13 CDs. Hergestellt<br />

in Nepal aus handgeschöpftem Papier.<br />

Fotobox: 16 x 10,5 x 11,5 cm, mit 4 Registerkarten,<br />

Blau (NEC1), Rot (NEC2), Schwarz (NEC3),<br />

Gelb (NEC4) Fr. 16.–<br />

CD-Box: 14 x 14 x 15,5 cm, Blau (NEB1), Rot<br />

(NEB2), Schwarz (NEB3), Gelb (NEB4) Fr. 16.–<br />

Spezialangebot «5 für 4» für Fr. 64.–<br />

schmiegen sich äusserst weich, fein und warm<br />

an den Hals.<br />

Sorgfältigste Handarbeit erfordert auch das<br />

Schöpfen von Loktapapier – eine der ältesten<br />

Kunsthandwerks­Traditionen Nepals. Der Rohstoff<br />

für das Papier ist die Rinde des Lokta­Buschs<br />

(Seidelbast), der auf 2000 bis 3000 m ü. M. im<br />

Himalaja wächst. Das Nepalpapier ist eines der<br />

edelsten handgeschöpften Papiere der Welt, es<br />

ist besonders fest und kann sehr gut beschrieben<br />

werden. Das Papierschöpfen geschieht in kleinen<br />

Kunsthandwerksbetrieben im Mittelgebirge auf<br />

«Lokta»<br />

Stellen Sie Ihr eigenes Papier nach alter Tradition<br />

her. Gebrauchsfertiger Schöpfrahmen für Papiere<br />

im Format A5, inklusive Rohmaterial zum Papierherstellen,<br />

2 Wollfilze und praktische Schachtel<br />

aus Nepalpapier. Ausführliche Anleitung mit<br />

Hinter grundinformationen. Länge 26 cm, Breite<br />

18 cm, Höhe 4 cm, (NCF) Fr. 34.–<br />

Pashmina fein<br />

Dieser reversible Schal ist dank besonderer Web­<br />

und Färbetechnik äusserst fein und leicht. Beide<br />

Seiten wirken frisch und elegant. Eingepackt in<br />

Geschenkschachtel aus handgeschöpftem Nepalpapier.<br />

Schussfäden Kaschmir, Kettfäden Seide,<br />

200 x 70 cm. Farben: Jade Granat (SRG), Rosa/<br />

Schwarz gestreift (SOW), Rot/Schwarz gestreift<br />

(SOQ), Petrol/Schwarz (SOV), Königsblau/Schwarz<br />

(SRE) Fr. 185.–, <strong>Helvetas</strong> Mitglieder Fr. 166.50<br />

1500 bis 2000 m, bevor schliesslich in Kathmandu<br />

von engagierten Firmen die farbenfrohen Produkte<br />

daraus hergestellt werden. Rund 4000 Familien<br />

erwirtschaften durch diese Arbeit ein<br />

wichtiges Zusatzeinkommen. (TM)<br />

«Nampa»<br />

Schönes Buch für Skizzen, Notizen oder Tagebucheinträge.<br />

Schlichtes Design mit praktischem<br />

Gummiband­Verschluss. 100 Blanko­Seiten.<br />

Hand arbeit aus Nepal. Erhältlich in 2 Grössen<br />

und 5 Farben.<br />

Klein: 24 x 15 cm, Rot (NEK1), Gelb (NEK3), Pink<br />

(NEK4), Blau (NEK5), Schwarz (NEK6) Fr. 16.–<br />

Gross: 31 x 23 cm, Rot (NEI1), Gelb (NEI3), Pink<br />

(NEI4), Blau (NEI5), Schwarz (NEI6) Fr. 24.–


Neu! <strong>Helvetas</strong><br />

Panorama kalender<br />

2009<br />

Der <strong>Helvetas</strong> Panoramakalender 2009 ist dem<br />

Thema «Farben dieser Welt» gewidmet. Die hervorragenden<br />

Aufnahmen zeigen, wie farbenfroh<br />

die Natur und die Kultur des Südens sind. Die<br />

Bedeutungen der Farben mögen rund um den<br />

Erdball variieren, doch werden sie in jedem Kulturkreis<br />

benützt, um die eigene Identität besser<br />

zu veranschaulichen. Lassen Sie sich diesen<br />

wunderschönen Begleiter durchs Jahr nicht entgehen.<br />

Zu den einzelnen Bildern gibt es Legenden<br />

in <strong>Deutsch</strong>, Französisch, Spanisch, Englisch<br />

und Italienisch. Format 56 x 28 cm, (K09) Fr. 34.–<br />

Ab 5 Exemplaren Fr. 27.20<br />

Gedruckt auf FSC Papier<br />

Tibeter Mönch, China (DNR1)<br />

Auf dem Weg von Mopti nach Timbuktu (DNR4)<br />

Neu! Kartenset<br />

«Kalender 2009»<br />

Sechs der schönsten Sujets aus dem <strong>Helvetas</strong><br />

Panoramakalender 2009 zum Thema «Farben<br />

der Welt». Format 21 x 10,5 cm, (DNR) Fr. 15.–,<br />

Einzelkarte mit Couvert Fr. 3.– (Code siehe<br />

Abbildung)<br />

NEU! Lass uns feiern!<br />

«Ein Leben ohne Feste ist wie eine Reise ohne<br />

Einkehr.» Was der griechische Philosoph Demokrit<br />

vor über 2000 Jahren schrieb, hat auch heute<br />

noch Gültigkeit. Feste und Feiertage markieren<br />

Lebensetappen, bringen Freude und Farbe in den<br />

Alltag und lassen die Menschen für einen<br />

Moment ihre Sorgen vergessen. Ein bunter<br />

Strauss von 30 Farbfotografien und Sprichwörtern<br />

aus der ganzen Welt rund um das Thema<br />

Fest sind in diesem Geschenkbuch zusammengestellt<br />

und machen es zu einem passenden<br />

Präsent «zur Feier des Tages».<br />

Blaue Moschee, Afghanistan (DNR2)<br />

Kinder tanzen an Weihnachtsfeier, Peru (DNR5) Farbenfroher Palast, Jemen (DNR6)<br />

64 Seiten, 30 Farbbilder, 16 x 16 cm, gebunden,<br />

<strong>Helvetas</strong>/Werd Verlag, <strong>Deutsch</strong> (BGK), Französisch<br />

(BGM) Fr. 24.–<br />

Kinder in einer Jurte, Mongolei (DNR3)<br />

Einkaufen – ganz<br />

einfach!<br />

Telefon 044 368 65 65<br />

Fax 044 368 65 80<br />

E-Mail info@helvetas.org<br />

Internet www.helvetas.ch<br />

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Alle Produkte können Sie sich auch zu<br />

Hause in unserem Online­Shop ansehen<br />

und unter www.helvetas.ch bestellen.<br />

Oder besuchen Sie unsere Boutique,<br />

wenn Sie unsere Artikel besichtigen, vergleichen<br />

oder anprobieren möchten.<br />

<strong>Helvetas</strong> Boutique<br />

Weinbergstrasse 22a, Zürich<br />

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag<br />

8 bis 17 Uhr (durchgehend).<br />

31


apropos Dossier<br />

32<br />

Theater «Afriopa – eine koloniale Clowneske»<br />

Wenn Clowns über die<br />

Kolonialgeschichte stolpern<br />

Ein Raum, zwei Pulte – eines gross und wuchtig,<br />

eines klein und klapprig – stehen zwischen einem<br />

Berg aus Kartonschachteln und einem Ventilator,<br />

der im Tropenklima dieses fiktiven Afrika für<br />

Linderung sorgen soll. Wir befinden uns im Büro<br />

der Firma «Commerce sans frontières». Womit<br />

hier genau gehandelt wird, bleibt lange verborgen,<br />

aber rasch wird klar: Es geht um grosse<br />

Summen.<br />

Betrieben wird dieser grenzüberschreitende<br />

Handel von zwei Clowns, schwarz der eine, weiss<br />

der andere. Das pikante an der Sache: Für einmal<br />

Vorschau auf das November-Dossier<br />

Westafrika<br />

Mali, Burkina Faso und Benin sind<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerländer, die mehr als<br />

nur ihre geographische Lage in Westafrika<br />

verbindet. Obgleich in den Ländern<br />

zahlreiche Ethnien leben und viele<br />

lokale Unterschiede auszumachen sind,<br />

teilen sie einen regionalen Lebens- und<br />

Wirtschaftsraum. Sie sehen sich mit<br />

ähnlichen Herausforderungen wie Klimawandel<br />

und Flüchtlingsbewegungen<br />

eben so konfrontiert wie mit den<br />

schwierigen Bedingungen des Welthandels.<br />

<strong>Helvetas</strong> arbeitet in der Region<br />

Westafrika deshalb zunehmend grenzüberschreitend.<br />

Die Partnerländer kooperieren<br />

untereinander und können<br />

Erfahrungen und Know-how gemeinsam<br />

nutzen. Etwa wenn <strong>Helvetas</strong> Benin in<br />

den Anbau von fair gehandelter Biobaumwolle<br />

einsteigt und von der langjährigen<br />

Erfahrung in Mali profitiert.<br />

Das November-Dossier zeigt auf, wo rin<br />

die Chance von geteiltem Wissen liegt.<br />

(SUS)<br />

<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />

hat der Afrikaner die<br />

Hosen an, der Europäer<br />

dagegen befasst<br />

sich mit der Dreckarbeit<br />

– und das im<br />

wahrsten Sinne des<br />

Wortes: Er putzt,<br />

schleppt Kisten und rennt, wann immer sein Chef<br />

mit den Fingern schnippt.<br />

Das Stück «Afriopa – eine koloniale Clowneske»<br />

nimmt die Zuschauer mit auf eine unterhaltsame<br />

Reise durch die koloniale Vergangenheit, die<br />

längst noch nicht überwunden ist. Da es zwei<br />

Clowns sind, die durch den schwarz­weissen Beziehungswirrwarr<br />

stolpern, gibt es viel zu lachen.<br />

Aber mehr als einmal bleibt einem das Lachen im<br />

Hals stecken, wird aus Slapstick bitterer Ernst.<br />

Mit «Afriopa» hat der Schweizer Regisseur<br />

Ueli Bichsel ein Stück geschaffen, das aufzuklären<br />

weiss, ohne das Publikum zu erschlagen. Die<br />

Schauspieler Roger Nydegger und Yra Siaka spielen<br />

mit Witz und Können die ungleichen Clowns,<br />

die sich gegenseitig piesacken.<br />

«Viel politisch Unkorrektes», verspricht der<br />

Theaterabend. Das stimmt und stimmt gleichzeitig<br />

nicht. Zwar wird mit Klischees gespielt, wer­<br />

Veranstaltungen<br />

ab August<br />

Ausstellung «Wasser für alle» in Luzern<br />

Naturmuseum Luzern, Kasernenplatz 6<br />

21. August bis 16. November, Di­So 10–17 Uhr<br />

Öff. Führungen: am 2.9. + 4.11. 18–19 Uhr,<br />

Museumsnacht am 22. August mit Wasseranimation.<br />

Schulführungen auf Anfrage.<br />

Infos: www.naturmuseum.ch<br />

September<br />

Film’n’Food in Wettingen<br />

Die Regionalgruppe Baden zeigt am 4. 9. im<br />

Kino Orient (Landstr. 2) die afrikanische<br />

Komödie «Moi et mon blanc» und serviert<br />

Leckerbissen.<br />

Offerierter Apéro ab 19.00 Uhr; Film 20.30 Uhr<br />

den die Rollen vertauscht, wird weder Schwarz<br />

noch Weiss geschont. Doch die eigentliche Botschaft<br />

des Abends ist im besten Sinne politisch<br />

korrekt: Ohne gegenseitigen Respekt ist keine<br />

Versöhnung möglich. (SB)<br />

Vorstellungen:<br />

17. + 18. Oktober, 20 Uhr; 19. Oktober, 14.30 Uhr<br />

Casino Aussersihl, Rotwandstr. 4, Zürich<br />

24. Oktober, 20 Uhr, Kulturzentrum Union,<br />

Klybeckstr. 95, Basel<br />

30. Oktober, 20.30 Uhr, Centre Pluriculturel<br />

d’Ouchy, ch. de Beau­Rivage 2, Lausanne<br />

31. Oktober, 20 Uhr, Podium NMS Schule,<br />

Waisenhausplatz 29, Bern<br />

2. November, 17 Uhr, Theater am Gleis, Untere<br />

Vogelsangstr. 3, Winterthur<br />

Info: www.afriopa.ch<br />

Afrikamarkt in Riehen<br />

In einem traditionellen Zelt demonstriert die<br />

Regionalgruppe Basel eine äthiopische Kaffeezeremonie<br />

und lädt zu einer Tasse Arabica ein.<br />

12.+13. September, 11–21 Uhr; 14. September,<br />

11–18 Uhr beim Spielzeugmuseum, Baselstrasse<br />

34<br />

Bümpliz-Märit<br />

Die <strong>Helvetas</strong> Regionalgruppe Bern tritt mit<br />

einem Stand zum Thema Trinkwasser und<br />

sanitäre Grundversorgung in Entwicklungsländern<br />

auf. 13. September, 9–17 Uhr in der<br />

Fussgänger zone. <strong>Helvetas</strong> Stand im Foyer des<br />

Coop. Infos: www.buempliz.gkgbe.ch<br />

Herbstverkauf der Regionalgruppe Baden<br />

Die Regionalgruppe Baden verkauft an Marktständen<br />

Artikel aus dem <strong>Helvetas</strong> FairShop und<br />

Backwaren. Der Erlös geht an ein <strong>Helvetas</strong><br />

Frauenprojekt in Mali.<br />

Neuenhof, 18. September, 8.30–11.30 Uhr<br />

und 13.30–17 Uhr vor der Migros<br />

Wettingen, 19. September, 8­11 Uhr am Wochenmarkt<br />

und 14–18 Uhr an der Landstrasse<br />

Baden, 20. September, 8.30­16 Uhr an der<br />

Badstrasse<br />

Würenlos, 20. September, 8.30–11.30 Uhr<br />

bei Chile Metzg und Coop

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