Deutsch - Helvetas
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Dossier Bergwelten<br />
Nr. 193 · August 2008<br />
50<br />
jahre<br />
ans<br />
anni
Weitere Themen dieser Nummer Dossier<br />
2<br />
Kreuz & quer<br />
Kofi Annan überreicht <strong>Helvetas</strong> den<br />
Energy Globe Award<br />
201’679 Unterschriften für mehr<br />
Entwicklungshilfe<br />
Afrika zu Gast in Basel<br />
Hinabsteigen in die «Kloake<br />
der Stadt»<br />
Mehr tun – aber das Richtige!<br />
Uno-Jahr der sanitären<br />
Grundversorgung 2008<br />
«Ohne Toiletten leben die Frauen<br />
in Angst»<br />
Beherztes Plädoyer für rettende<br />
Toiletten<br />
Wie der Mensch auf die Toilette kam<br />
Freiwillig für <strong>Helvetas</strong><br />
Ohne Klos nix los!<br />
<strong>Helvetas</strong> für die Schule<br />
Neuland der Solidarität entdecken<br />
Welt- und umwelt-<br />
verträglich handeln<br />
Die Farben der Welt feiern<br />
apropos<br />
Wenn Clowns über die Kolonialgeschichte<br />
stolpern<br />
Vorschau auf das NovemberDossier<br />
Veranstaltungen<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
Seite<br />
4/5<br />
6–8<br />
Beilagen<br />
Sonderangebote 2008 (Verkaufsartikel)<br />
Titelbild:<br />
Sherpa im Solo Khumbu Gebiet von<br />
Nepal, wo viele Einheimische in den<br />
Bergen als Lastenträger arbeiten.<br />
9<br />
28<br />
29<br />
30<br />
32<br />
mit<br />
Wettbewerb<br />
Dossier<br />
10<br />
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25<br />
13 | 17 | 20 | 27<br />
Bergwelten<br />
Zwischen Alpstein und Himalaja<br />
Bergbauernleben in der Schweiz und in Nepal haben<br />
viel gemeinsam, doch es gibt auch gewichtige Unterschiede.<br />
Zwei Familien im Porträt.<br />
Von Susanne Strässle<br />
Ein Dorf unter dem Himmel sehnt<br />
sich nach Wasser<br />
Im höchsten Dorf Zentralamerikas wird das Wasser knapp.<br />
Ein <strong>Helvetas</strong> Projekt in Guatemala zeigt Lösungen auf.<br />
Von Kurt Schneider<br />
Brücken zwischen Kontinenten<br />
schlagen<br />
Das Hängebrückenteam von <strong>Helvetas</strong> Nepal steht dem jungen<br />
Brückenteam von <strong>Helvetas</strong> Äthiopien mit Rat und Tat zur Seite.<br />
Von Tesfaye Bizuneh<br />
Vom Berg ins Tal – und zurück<br />
Berge sind nicht unüberwindbar. Das zeigt die Geschichte der<br />
Schweiz und die Erfahrung aus <strong>Helvetas</strong> Projekten.<br />
Von Barbara Strebel<br />
Unterwegs zum Nomadenlager<br />
im Hochgebirge<br />
Der kirgisische Autor erinnert sich an den abenteuerlichen Ritt<br />
auf die Sommerweiden in seiner Kindheit.<br />
Von Tschingis Aitmatow<br />
«Nachhaltiger Tourismus bereichert<br />
die Kultur»<br />
<strong>Helvetas</strong> fördert in Kirgistan den ländlichen Tourismus.<br />
Mit Gewinn für alle Beteiligten.<br />
Von Susanne Strässle<br />
Eine Knolle verändert Bhutan<br />
Die Kartoffel ist für Bhutans Bergbauern ein Weg in die Zukunft.<br />
Von Susanne Strässle<br />
Bergwärts<br />
Säumerwege von gestern und Alpenleben von heute, unterwegs<br />
zur <strong>Helvetas</strong> Hängebrücke und im Kastanienland: Bergwandern<br />
mit Aussichten und Einsichten.
Impressum<br />
Nr. 193/August 2008 Zeitschrift für <strong>Helvetas</strong> Mitglieder, Gönner und Gönnerinnen, 48. Jahrgang<br />
Erscheinungsweise viermal jährlich (Ende Februar, Mai, August, November) in <strong>Deutsch</strong> und<br />
Französisch Herausgeberin <strong>Helvetas</strong>, Weinbergstrasse 22a, Postfach, 8021 Zürich, Tel. 044/368 65 00,<br />
Fax 044/368 65 80, E-Mail info@helvetas.org, Homepage: www.helvetas.ch PC Nr. 80-3130-4<br />
Zürich; <strong>Helvetas</strong>, Secrétariat romand, Rue de la Mercerie 3, Case postale 6435, 1002 Lausanne,<br />
Tel. 021/323 33 73, Fax 021/323 33 74, E-Mail: romandie@helvetas.org, PC 10-1133-7 Lausanne;<br />
<strong>Helvetas</strong>, Segretariato della Svizzera italiana, c/o ACP, Via San Gottardo 67, 6828 Balerna,<br />
Tel./Fax 091/683 17 10, E-Mail: svizzeraitaliana@helvetas.org, PC 65-3875-0 Bellinzona Redaktion<br />
Susanne Strässle (SUS) Bildredaktion/Produktion Andrea Peterhans Französische Ausgabe Catherine<br />
Rollandin, Patrick Schmitt Gestaltung Grafik Werk, Zürich Mitarbeit an dieser Nummer Esther<br />
Amberg (EA), Beatrice Burgherr (BU), Lisa Krebs (LK), Tobias Meier (TM), Ueli Rüegg (UR), Barbara<br />
Strebel (SB); alle übrigen sind im Inhaltsverzeichnis bzw. beim von ihnen verfassten Artikel<br />
namentlich erwähnt Fotos Titelbild: Bruno Morandi/Hoa-Qui/Eyedea/Keystone (Nepal); S. 2:<br />
Vanessa Püntener (Schweiz); S. 3: Steger/dpa/Keystone (Nepal); S. 4: GEG Werbung GmbH (oben,<br />
Belgien), Sandra Künzle (unten, Mosambik); S. 5: Alliance Sud (oben,Schweiz), ETH-Bibliothek<br />
(Mitte, links), Rotpunktverlag. (unten); S. 6/7/8: Meinrad Schade (Mali, Schweiz); S. 9: Gerard<br />
Degeorge/akg-images (oben, Türkei), Dyl Eulenspiegel 1515 (Nachdruck 1982) (unten); S. 10/11/12:<br />
Mrinal Rana (Nepal), Vanessa Püntener (Schweiz); S. 13: Vanessa Püntener (Schweiz); S. 15:<br />
Kurt Schneider (Guatemala); S. 16 Markus Ischer (Aethiopien); S. 17: Beatrice Burgherr (Schweiz);<br />
S. 18: (Aethiopien); S. 19: Museum für Kommunikation, Bern (Schweiz), Emilio Morenatti/AP/Keystone<br />
(Afghanistan); S. 20: Susanne Strässle (Schweiz); S. 21: Peter Schmidt (Nepal); S. 25/26:<br />
Walter Roder (Bhutan); S. 26: Susanne Strässle (Mitte); S. 27: Malcatone Turismo (Schweiz);<br />
S. 28: Henry Georgi/Aurora/Keystone (Kanada); S. 32: Silvia Luckner (oben, Schweiz), Meinrad<br />
Schade (unten, Mali); Alle anderen Fotos: <strong>Helvetas</strong>, Zürich Abonnementspreis Fr. 30.– jährlich, für<br />
Mitglieder im Jahres beitrag inbegriffen Litho und Druck Druckerei Kyburz AG, Dielsdorf Papier<br />
Schwedt Offset Ultra Lux seiden matt<br />
Adress änderungen Bitte teilen Sie uns<br />
Ihre neue Adresse mit: <strong>Helvetas</strong>, Postfach,<br />
8021 Zürich, Tel. 044/368 65 00<br />
«Familie Sherpa hat sicher auch Ziegen, man sieht es<br />
an den Löchern in der Wiese. Wie bei uns!» Als sich<br />
die Familie Neff im appenzellischen Alpstein über<br />
die Bilder der Bauernfamilie in Ostnepal beugt, sind<br />
Anknüpfungspunkte rasch gefunden: «Wenn die<br />
Sherpas ihr Wasser unten am Hang holen müssen,<br />
wäre eine Widder-Pumpe, die mit dem Eigendruck<br />
des Wassers arbeitet, ideal.» – «Finden sie im Winter<br />
denn genügend Gras für die Tiere?» Dass die beiden<br />
Bergbauernfamilien trotz über 7000 km Distanz<br />
im Alltag viel verbindet, zeigt ihr Porträt, das unser<br />
Dossier zum Thema «Bergwelten» eröffnet.<br />
Trotz aller Ähnlichkeiten ist aber manches<br />
entscheidend anders für Bergbewohner in Entwicklungsländern:<br />
Es fehlen Strukturen, soziale<br />
Auffangnetze und Sicherheiten, die den Menschen<br />
ein angstfreies Leben ermöglichen. Anders als bei<br />
den Sennen in der Schweiz sind in Nepal die Tiere<br />
sowie Hab und Gut nicht versichert, Familien vor<br />
den Folgen von Naturereignissen und Klimawandel<br />
kaum geschützt, die Landverhältnisse schlecht<br />
geregelt und staatliche Unterstützung fehlt.<br />
Berggebiete sind in ärmeren Ländern oft besonders<br />
benachteiligt. Deshalb arbeitet <strong>Helvetas</strong><br />
vielerorts in diesen Regionen. Die Schweiz gehört<br />
wie Nepal oder Bhutan zu den Staaten, die zu über<br />
drei Vierteln mit Bergen bedeckt sind. Auch daher<br />
hat die Entwicklungszusammenarbeit mit diesen<br />
Ländern eine lange Tradition: Am Anfang vieler<br />
Projekte stand die Überzeugung, dass die Schweiz<br />
ihr Know-how anderen Bergregionen zur Verfügung<br />
stellen kann.<br />
Beispiele aus der <strong>Helvetas</strong> Arbeit in den Bergen<br />
sind die Förderung des Kartoffelanbaus in Bhutan,<br />
die Unterstützung des Wassermanagements in<br />
Guatemala oder die Tourismusinitiative in Kirgistan.<br />
Neue Wege gehen zwei Partnerländer: Nepal und<br />
Äthiopien unterstützen sich im Hängebrückenbau.<br />
Diese «Partnerschaft» führt Sie in Berggegenden<br />
in aller Welt, möchte aber auch die Lust<br />
auf die Schweizer Alpen wecken. In diesem Sinne<br />
wünsche ich Ihnen spannende Einsichten und<br />
herrliche Aussichten.<br />
Susanne Strässle<br />
Redaktorin «Partnerschaft»<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
Editorial<br />
3
Kreuz Dossier & quer<br />
4<br />
<strong>Helvetas</strong> Wasserprojekte<br />
Kofi Annan überreicht <strong>Helvetas</strong> den<br />
Energy Globe Award<br />
Ende Mai durfte <strong>Helvetas</strong> aus den Händen des ehemaligen<br />
Uno-Generalsekretärs Kofi Annan den Energy Globe Award<br />
entgegen nehmen. Mit dem Umweltpreis wird <strong>Helvetas</strong> für ihr<br />
Engagement für sauberes Trinkwasser geehrt.<br />
Sauberes Wasser für 1 Million Menschen<br />
In den ländlichen Gebieten von Mosambik hat<br />
weniger als die Hälfte der Menschen Zugang<br />
zu sauberem Trinkwasser. Besonders gravierend<br />
ist die Lage in der Provinz Cabo Delgado,<br />
die zu den ärmsten Regionen des Landes<br />
zählt. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung<br />
baut und repariert <strong>Helvetas</strong> Dorfbrunnen und<br />
setzt sich für hygienischere Lebensbedingungen<br />
ein. Ziel des Projektes ist es, die Trinkwasserversorgung<br />
und Siedlungshygiene in<br />
der Region Cabo Delgado nachhaltig zu verbessern.<br />
Seit 1979 konnte <strong>Helvetas</strong> in Zusammenarbeit<br />
mit Behörden und Bevölkerung<br />
2000 neue Trinkwasseranlagen bauen oder<br />
sanieren und damit für über 1 Million Men<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
schen den Zugang zu sauberem Trinkwasser<br />
sichern. Die Arbeiten werden von lokalen Bauunternehmen<br />
ausgeführt. Damit leistet <strong>Helvetas</strong><br />
einen wichtigen Beitrag an die Entwicklung<br />
des Privatsektors. <strong>Helvetas</strong> bildet lokale<br />
Wasserkomitees aus, welche die Trinkwasseranlagen<br />
betreiben und unterhalten. Die Bevölkerung<br />
wird über die Zusammenhänge<br />
zwischen Wasserqualität, Hygiene und Gesundheit<br />
aufgeklärt.<br />
Wenn Sie das Wasserprojekt in Cabo Delgado<br />
unterstützen möchten, wenden Sie sich an<br />
Frau Christiane Voegeli, Tel. 044 368 65 67<br />
oder E-Mail christiane.voegeli@helvetas.org.<br />
Prämiert wurde das Wasserprojekt von <strong>Helvetas</strong><br />
in Cabo Delgado im Norden Mosambiks (siehe<br />
Kasten). Die internationale Jury unter der Leitung<br />
der indischen Politikerin Maneka Gandhi wählte<br />
das <strong>Helvetas</strong> Projekt aus 853 Projekten aus, die<br />
für den Preis in der Kategorie Wasser eingereicht<br />
worden waren.<br />
«1,1 Milliarden Menschen haben keinen<br />
Zugang zu sauberem Trinkwasser», erklärte Kofi<br />
Annan in seiner Laudatio anlässlich der Preisverleihung<br />
am 26. Mai im Plenarsaal des<br />
Europa parlaments in Brüssel. Mit der nachhaltigen<br />
Wasserversorgung in Mosambik leiste<br />
<strong>Helvetas</strong> einen wichtigen Beitrag zur Erreichung<br />
der Millen niumsEntwicklungsziele, so Annan<br />
weiter.<br />
Für <strong>Helvetas</strong> bedeutet der Preis eine grosse<br />
Anerkennung und eine Bestätigung, dass sie mit<br />
ihrem Entwicklungsansatz auf dem richtigen Weg<br />
ist. «Mit dem Energy Globe Award werden Projekte<br />
mit Vorbildcharakter ausgezeichnet», sagt<br />
Stefan Stolle, Leiter der Abteilung Kommunikation<br />
& Fundraising, der bei der Preisverleihung zugegen<br />
war. «Dass unser Projekt den Zuschlag<br />
erhalten hat, zeigt, dass <strong>Helvetas</strong> international<br />
als Leader in Sachen Trinkwasser und Nachhaltigkeit<br />
wahrgenommen wird.»<br />
Der mit 10’000 Euro dotierte Energy Globe<br />
Award wurde in den fünf Kategorien Erde, Feuer,<br />
Wasser und Luft – den Elementen des Lebens –<br />
sowie Jugend vergeben. Darüber hinaus wurde<br />
Michail Gorbatschow mit dem Energy Globe<br />
Award für sein Lebenswerk und seinen Einsatz<br />
für den nachhaltigen Umgang mit natürlichen<br />
Ressourcen und den Klimaschutz geehrt. (SB)
«0,7% – Gemeinsam gegen Armut»<br />
201’679 Unterschriften<br />
für mehr<br />
Entwicklungshilfe<br />
Zum Auftakt der Sommersession des Parlaments<br />
Ende Mai haben Vertreterinnen und Vertreter von<br />
Hilfswerken und weiteren Organisationen die Petition<br />
«0,7% – Gemeinsam gegen Armut» den<br />
Behörden überreicht. Um die Forderung nach einer<br />
Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7% des<br />
Bruttonationaleinkommens zu unterstreichen und<br />
den Verantwortlichen «Beine zu machen», blies<br />
bei der Übergabe eine Musikkapelle dem Bundesrat<br />
den Marsch. «Die Petition der Hilfswerke<br />
hat eine lebhafte Debatte über die Entwicklungszusammenarbeit<br />
und deren Erhöhung ausgelöst»,<br />
stellte Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance<br />
(Ab-)Wasser-Führungen in Basel<br />
Hinabsteigen in die<br />
«Kloake der Stadt»<br />
Auch bei uns gab es Probleme mit Wasser und<br />
Abwasser – noch ist es nicht lange her! Die<br />
Stadtrundgänge im Rahmen der <strong>Helvetas</strong> Wasserausstellung<br />
in Basel zeigten, dass es zwischen<br />
der einstigen Situation in der Schweiz und der in<br />
Entwicklungsländern zahlreiche Parallelen gibt.<br />
Sud, fest. Nun liege der Ball bei Bundesrat und<br />
Parlament. Die Petition wurde von über 200’000<br />
Menschen unterschrieben. 51’000 Unterschriften<br />
stammen aus der Westschweiz, gut 13’000 aus<br />
der italienischen Schweiz. Auch <strong>Helvetas</strong> hat gemeinsam<br />
mit ihren Freiwilligen über 7000 Unterschriften<br />
für die Petition gesammelt. (Alliance<br />
Sud/SB)<br />
Basels Brunnen dienten früher der Wasserversorgung<br />
der Menschen, wie das heute im Süden der<br />
Fall ist. In den Birsigkanal, einst die «Kloake der<br />
Stadt» (Bild), wurden früher Fäkalien und Abfälle<br />
entsorgt: Cholera und Typhus bedrohten Menschenleben<br />
in Basel. Erst als die Zusammenhänge<br />
zwischen Wasser, Fäkalien und Krankheiten<br />
um 1880 erkannt wurden, verbesserte sich die<br />
Lage. Es wurden Toiletten gebaut, Wasser und<br />
Abwasserversorgung geregelt, Hygieneschulungen<br />
eingeführt. Das trug zu Gesundheit und wirtschaftlicher<br />
Prosperität bei. In Entwicklungsländern<br />
leidet heute noch ein Drittel der Menschen<br />
aufgrund des Mangels an Wasser, Toiletten und<br />
Hygiene unter Krankheiten. <strong>Helvetas</strong> nimmt sich<br />
mit Partnerorganisationen der Lösung dieser Probleme<br />
an. Die Rundgänge in Basel versetzten die<br />
Besucher durch Bildmaterial auch in andere Weltgegenden.<br />
Die Birsigführung, die <strong>Helvetas</strong> zusammen<br />
mit der Firma Ideenreich durchführte,<br />
stiess auf so grossen Anklang, dass zusätzliche<br />
Termine organisiert wurden. (BU)<br />
Neues Buch zur Entwicklungshilfe<br />
Mehr tun – aber das<br />
Richtige!<br />
In der Entwicklungszusammenarbeit stossen insbesondere<br />
seit den Terroranschlägen vom 11.<br />
September 2001 zwei Tendenzen aufeinander:<br />
Die einen wollen Entwicklungsgelder als strategisches<br />
Mittel im «Krieg gegen den Terrorismus»<br />
und zur Sicherung von Rohstoffen einsetzen. Die<br />
andern die Hilfe auf die ärmeren Länder konzentrieren<br />
und in soziale Bereiche sowie Umweltverbesserungen<br />
investieren. Der Entwicklungsexperte<br />
Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance<br />
Sud, durchleuchtet in seinem neuen Buch «Der<br />
Bunter Kulturfrühling<br />
Afrika zu Gast in<br />
Basel<br />
Der Frühling hielt dieses Jahr in Basel besonders<br />
farbenfroh Einzug. Als Rahmenprogramm<br />
zur Afrikastudienkonferenz der<br />
Universitäten Basel und Freiburg i. B. fand<br />
im Mai über mehrere Wochen eine Vielzahl<br />
von Kulturevents im Rahmen des<br />
«Afrika Frühling» statt. Die <strong>Helvetas</strong> Regionalgruppe<br />
Basel war mit einer ganzen<br />
Reihe von Veranstaltungen präsent: Ein<br />
Highlight waren die Vorführungen der<br />
äthiopischen Kaffeezeremonie (Bild). Das<br />
Publikumsinteresse an den beiden Ausstellungen<br />
mit TingatingaBildern aus<br />
Tansania war ebenfalls gross. Gut be sucht<br />
war die Lesung von Christof Hamann, der<br />
aus seinem Roman «Usambara» las und<br />
die Zuhörerinnen und Zuhörer auf zwei<br />
fiktive Besteigungen des Kilimandscharo<br />
mitnahm – einmal im ausgehenden<br />
19. Jahrhundert, einmal in der Gegenwart.<br />
Parallel zum «Afrika Frühling» wurde im<br />
Kollegiengebäude der Universität die <strong>Helvetas</strong><br />
Ausstellung «Wasser für alle!» gezeigt.<br />
(LK)<br />
Streit um die Entwicklungshilfe. Mehr tun – aber<br />
das Richtige!» die gegenwärtige Situation. Seine<br />
fundierte und zugleich gut leserliche Analyse<br />
zeigt, was Entwicklungszusammenarbeit erreichen<br />
kann, wo ihre Grenzen liegen – und wieso<br />
es sich lohnt, weiterhin und mit verstärktem Einsatz<br />
auf die MillenniumsEntwicklungsziele der<br />
Uno hinzuarbeiten. Niggli geht dabei auch auf die<br />
Stimmen ein, die die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit<br />
grundsätzlich in Frage<br />
stellen und zeigt auf, dass diese Fundamentalkritik<br />
am eigentlichen Skandal vorbeizielt: der aussenpolitischen<br />
Zweckentfremdung von Hilfsgeldern.<br />
(Alliance Sud/SUS)<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
5
Uno-Jahr der sanitären Grundversorgung 2008<br />
6<br />
«Ohne Toiletten<br />
leben die Frauen in Angst»<br />
Mali braucht Toiletten – für mehr Menschenwürde, für die Gesundheit<br />
und die Zukunft des Landes. Hawa Fofana Traoré, die Präsidentin einer<br />
malischen Frauenkooperative, erzählt, wie besonders die Frauen unter<br />
der schwierigen Situation leiden, und erklärt, wie das Problem angepackt<br />
werden kann.<br />
n Von Claire Fischer<br />
Frau Traoré, heute sind Sie Präsidentin einer<br />
Frauenkooperative für sanitäre Grundversorgung<br />
und Siedlungshygiene. Stimmt<br />
es, dass Sie selber vor zwanzig Jahren die<br />
Strassen von Bamako gefegt haben?<br />
Ja. Damals hatte ich mein Rechtsstudium<br />
beendet und wollte mich im humanitären<br />
Bereich engagieren, das hat aber nicht<br />
sofort geklappt. Da ich bereits eine Familie<br />
hatte, musste ich unbedingt Arbeit finden.<br />
So habe ich mich für die Initiative<br />
von Aminata Dramane Traoré gemeldet.<br />
Worum ging es dabei?<br />
Aminata Traoré, eine charismatische Globalisierungsgegnerin,<br />
ehemalige UnoBerate<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
rin und Kulturministerin, hatte die einfache,<br />
aber geniale Idee, das Problem der fehlenden<br />
Siedlungshygiene mit dem der Arbeitslosigkeit<br />
junger Akademikerinnen zu verbinden.<br />
Gut zehn Frauen haben daraufhin<br />
einen ungewöhnlichen<br />
Arbeitsvertrag<br />
unterzeichnet: Sie<br />
begannen in der<br />
Abfallbeseitigung<br />
zu arbeiten! Am<br />
Anfang rief das grosses<br />
Erstaunen, ja<br />
eine gewisse Verachtung hervor, aber rasch<br />
erkannte man, dass diese Idee Sinn machte.<br />
Wie ging es weiter mit Ihrem Engagement?<br />
Mit einigen dieser «Pionierinnen» habe ich<br />
COFESFA gegründet, eine Frauenkooperative<br />
für Bildung, Familiengesundheit und sanitäre<br />
Grundversorgung. Da sich niemand<br />
sonst um die Beseitigung der Haushaltabfälle<br />
kümmerte, waren unsere Anstrengungen<br />
rasch von Erfolg gekrönt und konnten<br />
ausgebaut werden.<br />
Warum ist in Mali etwas scheinbar so Banales<br />
wie der Gang zur Toilette ein Problem?<br />
In den ländlichen Gebieten gibt es oft keine<br />
Toiletten und die Leute müssen sich ein stilles<br />
Örtchen suchen, das sehr weit vom Haus<br />
entfernt ist, um unbeobachtet ihre Notdurft<br />
verrichten zu können. In der hiesigen Sprache<br />
wird der Ausdruck «sich erleichtern<br />
gehen» mit «aus dem Haus», «nach draussen»<br />
und «zum Waldrand gehen» assoziiert.
Was bedeutet es, ohne Toiletten leben zu<br />
müssen?<br />
In der BambaraSprache bedeutet «soutra»<br />
gleichzeitig «Toilette» und «Intimsphäre».<br />
Ohne eine Toilette auskommen zu müssen,<br />
heisst, auf die Intimsphäre zu verzichten.<br />
Man hat keine andere Wahl, als sich in der<br />
freien Natur zu erleichtern – bei jedem Wetter,<br />
ob die Sonne herunterbrennt oder ob es<br />
regnet; und immer riskiert man Bisse von<br />
Schlangen und Skorpionen.<br />
Stellt die fehlende Intimsphäre Frauen vor<br />
besondere Probleme?<br />
Auf jeden Fall. Ohne Toiletten zu leben,<br />
bedeutet für die Frauen, dass sie Angst vor<br />
sexuellen Übergriffen haben müssen. Die<br />
Männer haben es ein bisschen leichter, denn<br />
sie besitzen Fahrräder, mit denen sie sich<br />
vom Haus entfernen können, um ein stilles<br />
und etwas besser geschütztes Örtchen zu<br />
finden.<br />
Wie behindert diese schwierige Situation<br />
die Frauen im Alltag?<br />
Sich erleichtern zu müssen, ist für die<br />
Frauen eine tägliche Herausforderung. Sie<br />
riskieren ständig, belästigt oder gar vergewaltigt<br />
zu werden. Und nach der Geburt<br />
müssen Frauen traditionellerweise 40 Tage<br />
lang im Haus bleiben, um ihr neugeborenes<br />
Kind vor bösen Geistern zu schützen. Wenn<br />
es auf dem Grundstück keine Latrine gibt,<br />
müssen die Mütter ihren Drang bis zum Ein<br />
<strong>Helvetas</strong> Generalversammlung in Neuchâtel<br />
bruch der Dunkelheit zurückhalten, um sich<br />
dann heimlich aus dem Haus zu schleichen.<br />
Wenn man so seine Notdurft verrichten<br />
muss, irgendwo auf die Schnelle und ohne<br />
die Hände waschen zu können, wie kann<br />
man da noch von Würde sprechen?<br />
Beherztes Plädoyer für rettende Toiletten<br />
Können die Frauen auch zur Lösung des Problems<br />
beitragen?<br />
Um weltweit die sanitäre Grundversorgung<br />
zu verbessern, braucht es gemeinsame<br />
Anstrengungen von Männern und Frauen.<br />
Die Frauen kümmern sich in Mali um alles,<br />
was mit Abfallentsorgung und Hygiene zu<br />
tun hat, deshalb müssen sie sensibilisiert<br />
werden. Aber es sind die Männer, die die<br />
Entscheidungen treffen. Es ist wichtig, dass<br />
man ihnen die Bedeutung der Hygiene<br />
näher bringt und sie mit möglichen technischen<br />
Mitteln vertraut macht, selbst wenn<br />
sie nicht lesen können.<br />
Wie sieht die Situation in den Städten aus?<br />
Wo in der Peripherie neue städtische Siedlungen<br />
mit Zuwanderern vom Land entstehen,<br />
ist die Lage äusserst prekär: Es gibt hier<br />
keine Toiletten, aber viele Menschen. In der<br />
Stadt verfügt der Grossteil der Haushalte<br />
über eine Toilette. Es handelt sich aber meist<br />
um einfache Latrinen oder simple Löcher im<br />
Boden, die mit Brettern bedeckt sind. Nur<br />
knapp über 8% der Haushalte haben eine<br />
Toilette mit Wasserspülung. In der Stadt<br />
manifestiert sich das Problem besonders an<br />
öffentlichen Orten, wo sich viele Menschen<br />
aufhalten: Auf dem Marktgelände von<br />
Bamako oder am Busbahnhof etwa war<br />
nichts vorgesehen, um sich angemessen<br />
erleichtern zu können, weder Toiletten noch<br />
Waschbecken. Man musste hinter einem<br />
Marktstand oder einem Bus sein Geschäft<br />
An der <strong>Helvetas</strong> Generalversammlung in Neuchâtel berichteten zwei engagierte<br />
Frauen von ihrem Einsatz für die sanitäre Grundversorgung in Mali.<br />
«Der Zugang zu sauberem Trinkwasser<br />
und Toiletten ist nicht ein Privileg, sondern<br />
ein Grundrecht!» Mit diesem Appell<br />
richtete sich Hawa Fofana Traoré, Präsidentin<br />
der malischen Frauenkooperative<br />
COFESFA, an die Besucherinnen und<br />
Be sucher der Generalversammlung von<br />
<strong>Helvetas</strong> am 21. Juni im Schloss Neuchâtel.<br />
Das beherzte Plädoyer der Aktivistin<br />
aus Mali, deren Organisation von <strong>Helvetas</strong><br />
unterstützt wird (siehe Interview),<br />
enthielt die Kernbotschaft dieser Generalversammlung:<br />
Das Fehlen von Toiletten<br />
verletzt nicht nur die Menschenwürde,<br />
sondern bringt Krankheit, Armut und Tod.<br />
Deshalb hat die Uno 2008 zum Jahr der<br />
sanitären Grundversorgung erklärt und<br />
Hawa Fofana Traoré ist Juristin und<br />
Präsidentin der malischen Frauencooperative<br />
COFESFA, die sich für Bildung,<br />
Familiengesundheit und sanitäre<br />
Grund versorgung einsetzt.<br />
setzt sich <strong>Helvetas</strong> seit Jahrzehnten in diesem<br />
Bereich ein.<br />
Auch AnneSophie Gindroz, Programmleiterin<br />
von <strong>Helvetas</strong> Mali, zeigte<br />
in Wort und Bild auf, wo in Mali die Herausforderungen<br />
der Siedlungshygiene liegen<br />
und wie <strong>Helvetas</strong> diese in ihren Projekten<br />
angeht. «Händewaschen ist das<br />
einfachste Mittel, um Durchfallerkrankungen<br />
zu verhindern», erklärte sie. «Aufklärung<br />
und Hygieneschulungen stehen deshalb<br />
im Mittelpunkt unserer Projektarbeit.»<br />
<strong>Helvetas</strong> unterstützt die Bevölkerung<br />
aber auch beim Bau hygienischer<br />
Latrinen und fördert den Zugang zu sauberem<br />
Trinkwasser. Im Anschluss ergab<br />
sich eine angeregte Diskussion zwischen<br />
���<br />
���<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 7
Jahr der sanitären Grundversorgung 2008<br />
���<br />
���<br />
8<br />
verrichten. Hier<br />
haben wir vor<br />
kurzem öffentliche<br />
Latrinen gebaut.<br />
Was hat sich<br />
dadurch verändert?<br />
Diese Toiletten werden ständig gewartet<br />
und können gegen eine bescheidene Gebühr<br />
benutzt werden. Am Eingang und Ausgang<br />
werden die Leute angehalten, sich die<br />
Hände zu waschen. Damit erreichen wir<br />
mehrere Ziele: Die Hygiene und der Gesundheitszustand<br />
der Menschen wird verbessert,<br />
das Wohlbefinden steigt, und es werden<br />
Arbeitsplätze geschaffen.<br />
Bei mangelnder sanitärer Grundversorgung<br />
denkt man zuerst an Durchfallerkrankungen.<br />
Birgt das Fehlen von Toiletten noch<br />
andere Gesundheitsrisiken?<br />
Malaria zum Beispiel! Die Mücken, welche<br />
die Krankheit übertragen, entwickeln sich in<br />
stehenden Gewässern und Pfützen. Normalerweise<br />
giesst man in Mali Schmutzwasser<br />
in ein Loch im Hof,<br />
oder man schüttet<br />
es auf die Strasse.<br />
Beinahe 80% der<br />
malischen Haushalte<br />
benutzen<br />
ungeeignete<br />
Abwassersysteme,<br />
den Besuchern und den Gästen aus Mali,<br />
aufgelockert von den Intermezzi der senegalesischen<br />
Band Kara.<br />
Durch den statutarischen Teil der Generalversammlung<br />
führte <strong>Helvetas</strong> Präsident<br />
Peter H. Arbenz, musikalisch wurde die Sitzung<br />
von Basuru Jobarteh, einem Koraspieler<br />
aus Gambia, umrahmt. Eine Grussadresse<br />
von Isabelle BächlerOtt, Präsidentin<br />
von Notre Jeûne Federal, einer langjährigen<br />
Partnerorganisation von <strong>Helvetas</strong>, eröffnete<br />
die Tagung. Später richtete der Neuenburger<br />
Zeit für interkulturelle<br />
Begegnungen im<br />
Schlosshof Neuchâtel:<br />
Koraspieler Basuru<br />
Jobarteh aus Gambia<br />
(l.) mit Gästen.<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
nur jeder zehnte Haushalt ist an eine Kanalisation<br />
angeschlossen. So können sich die<br />
Mücken rasant ausbreiten.<br />
Was für Folgen hat das?<br />
Die menschlichen und wirtschaftlichen Folgen<br />
dieser Krankheit sind katastrophal: horrende<br />
Pflegekosten, häufiges Fehlen in der<br />
Schule und bei der Arbeit. Ein Teufelskreis.<br />
Malaria, Typhus und Durchfall dezimieren<br />
die Bevölkerung und machen die Entwicklungsanstrengungen<br />
zunichte.<br />
Was kann gegen diesen Missstand unternommen<br />
werden?<br />
Die Abwässer müssen aufbereitet werden.<br />
Konkret heisst das, es muss verhindert werden,<br />
dass Pfützen entstehen. Wir zeigen den<br />
Bewohnern, wie sie einfache Kanalisationen<br />
und Sickergruben anlegen und diese mit<br />
porösen Steinen auffüllen müssen, die das<br />
Wasser zurückhalten. Und wir demonstrieren<br />
ihnen, wie diese Gruben mit massiven<br />
Deckeln aus Zement und Kies abgedichtet<br />
werden.<br />
Ist es schwierig, mit den Leuten über den<br />
Gang zur Toilette zu reden?<br />
Nein, nicht besonders. Ich glaube sogar, dass<br />
wir ungenierter als in Europa über die persönliche<br />
Notdurft sprechen. Das Problem ist<br />
die Unwissenheit. Viele Menschen glauben<br />
heute noch, dass Malaria sich über das Essen<br />
Regierungsrat Bernard Soguel das Wort an<br />
die Anwesenden. Geschäftsleiter Melchior<br />
Lengsfeld blickte anhand von Projektbeispielen<br />
auf das vergangene Geschäftsjahr<br />
zurück. Zudem wurde die Arbeit von Paola<br />
Ghillani, die aus dem Zentralvorstand von<br />
<strong>Helvetas</strong> zurücktrat, herzlich verdankt.<br />
Über Mittag nutzten viele Besucherinnen<br />
und Besucher im sonnigen Schlosshof bei<br />
einem afrikanischen Mittagessen die Gelegenheit<br />
für persönliche Begegnungen und<br />
Gespräche. (SUS/EA)<br />
verbreitet! Sie kennen den Zusammenhang<br />
zwischen Hygiene und Gesundheit nicht. Es<br />
braucht vor allem Information.<br />
Tut der Staat etwas zur Verbesserung der<br />
Situation?<br />
Mali wendet bloss 0,02% seines Budgets für<br />
die sanitäre Grundversorgung auf. Zwar<br />
existiert eine Landespolitik zum Thema,<br />
aber sie wird ungenügend oder gar nicht<br />
umgesetzt, weil der politische Wille fehlt.<br />
Wegen der laufenden Dezentralisierung<br />
müssten sich nun die Gemeinde und Stadtverwaltungen<br />
mit<br />
dem Problem<br />
beschäftigen, aber<br />
ihnen fehlen die<br />
Mittel. Um auf die<br />
Behörden Druck<br />
auszuüben und die<br />
Kräfte zu bündeln,<br />
haben private Organisationen wie COFESFA,<br />
Verbände, Projektbüros und Interessengruppen<br />
mit Hilfe von <strong>Helvetas</strong> eine Koordinationsstelle<br />
geschaffen: Diese stimmt die<br />
Aktivitäten aller Beteiligten aufeinander ab,<br />
sie ist im Gespräch mit der Regierung und<br />
übt den nötigen Druck aus.<br />
Wie lautet Ihre Botschaft an die Schweizer<br />
Bevölkerung?<br />
Viel ist bereits getan worden, aber vieles<br />
bleibt noch zu tun. Ich appelliere an Ihre<br />
Solidarität und hoffe, dass wir die Zusammenarbeit<br />
mit <strong>Helvetas</strong> weiterentwickeln<br />
können. Ohne Toiletten gibt es keine Entwicklung!<br />
Das geht auch den Norden etwas<br />
an. Oder wie es Thomas Sankara, der ehemalige<br />
Präsident von Burkina Faso, gesagt<br />
hat: «Derjenige, der vor einem Hungernden<br />
eine Mahlzeit zu sich nimmt, ist nicht in<br />
Sicherheit!» Lasst uns eine Kette der Solidarität<br />
zwischen den Menschen des Nordens<br />
und des Südens bilden, um allen ein Leben<br />
in Würde und Gesundheit zu ermöglichen.<br />
Claire Fischer ist Medienverantwortliche<br />
des <strong>Helvetas</strong> Sekretariates der italienischen<br />
Schweiz. n<br />
Aus dem Französischen übersetzt von<br />
Maria Helena Nyberg.
Wie der Mensch<br />
auf die Toilette kam<br />
Nicht die Europäer, sondern die Inder und Assyrer<br />
waren die ersten Sanitärinstallateure. Eine kleine<br />
Geschichte der Erfindung des Klos.<br />
n Von Susanne Strässle<br />
Der Mensch im Norden sitzt heute komfortabel<br />
auf seinem Thron, doch erfunden hat<br />
er die Toilette mitnichten.<br />
Hochkultur mit Klokultur<br />
Die ersten Sanitärinstallateure waren im<br />
Industal im Westen Indiens um 2500 v. Chr.<br />
im Einsatz: Die Menschen der Harappa Zivilisation<br />
hatten bereits Häuser mit Sitzklosetts,<br />
die praktischerweise mit abfliessendem<br />
Badewasser gespült wurden. Die Abflüsse<br />
mündeten in gedeckte Abwasserkanäle. Das<br />
Entsorgungssystem war technisch so durchdacht,<br />
dass es sogar über Einstiegsschächte<br />
für Unterhaltsarbeiten verfügte.<br />
Die Assyrer und Babylonier gelten ebenfalls<br />
als Ahnherren moderner Siedlungshygiene.<br />
In assyrischen Palästen fand man aus<br />
zwei Mäuerchen konstruierte Sitzklos. Fäkalien<br />
gelangten in eine Versickerungsanlage<br />
mit Klärbecken. Die babylonischen Aborte<br />
von 1300 v. Chr. erinnern mit ihren Plattformen<br />
für die Füsse und dem bespülbaren<br />
Bodenloch an Stehklos, wie man sie heute in<br />
Süditalien findet.<br />
Vielleicht liegt es daran, dass die alten<br />
Ägypter viel über Hygiene und Heilkunde<br />
wussten, dass auch sie Abwässer – teils in<br />
Kupferrohren – ableiteten. Die Notdurft<br />
wurde am Nil im Haus verrichtet, und es gab<br />
Aborte aus gegeneinander geneigten Mauern,<br />
die manchmal mit anatomisch geformten<br />
Keramiksitzen bestückt waren: ein Prototyp<br />
der WCBrille aus dem zweiten Jahrtausend<br />
v. Chr.<br />
Klokulturen: Römische Gemeinschafts toilette<br />
in Ephesus (o.) und derbe Sitten im Mittelalter,<br />
persifliert von Till Eulenspiegel (u.).<br />
Gemeinsam «ein Geschäft<br />
machen»<br />
Im vorchristlichen Jerusalem gab es vor<br />
allem öffentliche Bedürfnisanstalten. Private<br />
waren seltener, denn dagegen durfte<br />
der Nachbar Einspruch erheben. Aber es galt<br />
schon damals als verdienstlich, für arme<br />
Leute Aborte zu stiften. Die fast geruchsfreien,<br />
mit Sickergruben versehen persischen<br />
Toiletten dürften als Vorbild gedient<br />
haben.<br />
Unsere direkten Lehrmeister für sanitäre<br />
Installationen waren die Römer,<br />
obgleich sie die Latrine manchmal in der<br />
Küche platzierten. Dafür schufen sie in Rom<br />
mit der Cloaca Maxima einen Abwasserkanal,<br />
der heute noch in Betrieb ist. In der<br />
Römerzeit gab es öffentliche Bedürfnisanstalten,<br />
wo in Bänke Dutzende von Löcher<br />
eingelassen waren, so dass man gemeinsam<br />
nieder hocken und auch Geschäftliches<br />
besprechen konnte – daher wohl der Ausdruck<br />
«ein Geschäft machen». Ein Wasserdurchlauf<br />
unter der Sitzreihe sorgte für<br />
ständige Spülung.<br />
Recycling war den Römern ebenfalls<br />
bekannt: In manchen öffentlichen Pissoirs<br />
pinkelte man in Amphoren von Gerbern und<br />
Wollwäschern, die den Urin dank seines<br />
Ammoniakgehalts zum Reinigen brauchten.<br />
Dennoch war Rom nicht frei von Schmutz.<br />
Der Dichter Juvenal spottet, wie riskant ein<br />
nächtlicher Spaziergang sei, weil Leute ihre<br />
Nachttöpfe auf die Strasse kippten.<br />
Geld ins Klo werfen<br />
Mit dem Untergang der Hochkulturen ging<br />
auch viel Toilettenkultur verloren. Im europäischen<br />
Mittelalter und der frühen Neuzeit<br />
waren Nachttopf und Erker, aus denen der<br />
Kot in offene Wassergräben fiel, die Regel.<br />
Erst Mitte 19. Jahrhundert, als der Zusammenhang<br />
zwischen Kloake und Krankheit<br />
erkannt wurde, begann man in den Städten<br />
enorme Summen in die Stadtentwässerung<br />
zu investieren.<br />
In der Schweiz beträgt der Wert der<br />
Infra struktur für Abwasserentsorgung und<br />
aufbereitung heute laut dem Wasserforschungs<br />
institut EAWAG 100 Milliarden<br />
Franken, die laufenden Unterhaltskosten<br />
nicht eingerechnet.<br />
Fast nirgends ist so viel Geld (und Wasser)<br />
vorhanden wie in der Schweiz. Und doch<br />
brauchen alle Menschen Toiletten für ein<br />
Leben in Gesundheit und Würde. In Ländern<br />
des Südens sind einfache, praktische und<br />
effiziente Lösungen gefragt, die ein neues<br />
Kapitel in der Weltgeschichte der Toilette<br />
schreiben könnten.<br />
Susanne Strässle ist Redaktorin<br />
der «Partnerschaft». n<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
9
Dossier<br />
10<br />
Zwischen Alpstein und Himalaja<br />
Zwei Familien auf verschiedenen Kontinenten und doch so nah: Bei Familie<br />
Sherpa in Nepal und Familie Neff in der Schweiz prägen die Natur und<br />
die Tiere den Alltag. Und doch stellt das Bergleben Menschen in ärmeren<br />
Ländern vor existentiellere Herausforderungen.<br />
n Text: Susanne Strässle (Schweiz) und<br />
Reena Chettri (Nepal) Fotos: Vanessa Püntener<br />
(Schweiz) und Mrinal Rana (Nepal)<br />
Am späten Nachmittag versammelt sich ein<br />
halbes Dutzend Bauern im Haus von Radhiki<br />
und Pasang Sherpa. Die Männer gönnen sich<br />
einen Becher Tongba: Immer wieder giesst<br />
die Bauersfrau heisses Wasser über die fermentierte<br />
Hirse, und die Gäste trinken das<br />
selbst gebraute Bier durch einen Bambushalm.<br />
Leben mit Aussicht<br />
Das aus Bambus und Holz gebaute Haus der<br />
Sherpas liegt am äussersten Rand des<br />
150SeelenDorfes Jowbari und verfügt nur<br />
über ein Schlafzimmer und eine Wohnküche.<br />
Hier warten die Bauern allabendlich<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
darauf, bis ihre Kühe von der Weide kommen.<br />
Von dem kleinen, auf fast 3000 m ü. M.<br />
gelegenen Bergdorf im Distrikt Ilam in Ostnepal<br />
geht der Blick weit hinaus auf die<br />
Achttausender des Himalajas.<br />
Der Säntis, zu dem man von der Altenalp<br />
(1595 m) im appenzellischen Alpstein aus<br />
aufblickt, ist im Vergleich dazu winzig. Und<br />
doch liegt die Altenalp hoch über dem Seealpsee<br />
nicht weniger aussichtsreich in blühenden<br />
Wiesen. Hierher kommen Bruno und<br />
Gerlinde Neff jeden Sommer mit ihren Tieren.<br />
Wohnen die Sherpas unter teils rauen<br />
Bedingungen das ganze Jahr in ihrem Berghaus,<br />
so dauert für Neffs der Alpsommer nur<br />
von Mitte Juni bis Anfang September.<br />
Der 50jährige Bruno und die 47jährige<br />
Gerlinde schenken in ihrer kleinen Alpwirtschaft<br />
kein Bier aus, dafür frische Milch,<br />
Verwandte Bergwelten:<br />
Pasang und Radhiki<br />
Sherpa (S.10) leben mit<br />
ihrem Vieh am Rande<br />
des kleinen Dorfes<br />
Jowbari in Ostnepal.<br />
Bruno und Gerlinde Neff<br />
(S.11) führen in<br />
Appenzell Innerrhoden<br />
während des Sommers<br />
ein arbeitsreiches<br />
Sennen leben auf der<br />
Altenalp.<br />
Molke und Buttermilch. Hier stärken sich<br />
Wanderer zudem an hausgemachtem<br />
Joghurt und Käse oder dem eingemachten<br />
Fleisch der Alpschweine.<br />
Die 42jährige Radhiki betont: «Wir verlangen<br />
für das Bier kein Geld, wir wollen<br />
damit nichts verdienen, schliesslich kann<br />
Alkohol Familien zugrunde richten.» Im Alltag<br />
trinkt man hier gesalzenen Buttertee.<br />
Auch die Sherpas leben von der Milchwirtschaft:<br />
Sie produzieren Churpi, einen luftgetrockneten<br />
Käse, geklärte Butter und Milch.<br />
Daneben bauen sie Kartoffeln, Kohl, Rettich<br />
und Karotten für den Verkauf an.
Grossfamilie mit Vierbeinern<br />
Die Neffs haben drei Töchter, die 9, 13 und 18<br />
Jahre alt sind, sowie einen 17jährigen Sohn.<br />
Sherpas Familienverhältnisse sind ganz ähnlich.<br />
Als Pasang von seiner sechsköpfigen<br />
Familie mit den vier Töchtern im Alter von<br />
10, 17, 19 und 21 Jahren erzählt, wirft Radhiki<br />
in ihrer überschwänglichen Art ein: «Er lügt.<br />
Wir haben noch sieben Familienmitglieder<br />
mehr!» Sie meint die sechs Kühe und den<br />
Bullen im Stall. Daneben besitzt das Paar<br />
noch ein Lastpferd, acht Ziegen und zwei<br />
Hühner.<br />
Die Neffs sind dieses Jahr mit ihren<br />
15 Milchkühen auf der Alp. Dabei sind auch<br />
zehn Schweine, drei Hühner und ein Hund.<br />
Zudem sömmern sie fremdes Jungvieh: Von<br />
45 Rindern sind nur 9 ihre eigenen, und auch<br />
die rund 40 Geissen sind Sommergäste.<br />
Die Beziehung zu den Tieren ist in beiden<br />
Familien nah und herzlich. Das beginnt<br />
schon damit, dass jeweils die ganze Familie<br />
den passenden Namen für ein neugeborenes<br />
Kalb sucht. Brüni und Rosalia heissen die<br />
Kühe auf der Altenalp, Kali (Schwarze) oder<br />
Putali (Schmetterling/Schöne) in Jowbari.<br />
Ein Original ist Lalmu (Rotgesicht), die<br />
immer zu früh von der Weide kommt und<br />
den Kopf durch die Tür in Radhikis Küche<br />
steckt, um liebkost zu werden. «Bei uns<br />
bestimmen die Tiere den Tag», sagt Gerlinde.<br />
Bei den Sherpas ist es nicht anders: «Unser<br />
Tag beginnt und endet mit ihnen.»<br />
Einfaches Leben weit vom<br />
Schuss<br />
Strom gibt es weder in Brunos noch in<br />
Pasangs Haus. Immerhin haben beide ein<br />
kleines Radio. «Für den Wetterbericht», sagt<br />
Bruno. Wichtig ist für die Neffs das Handy.<br />
Früher musste man eine Stunde bergan<br />
steigen, um zu telefonieren. Bruno hat herausgefunden,<br />
dass seine benzinbetriebene<br />
Melkmaschine – er melkt heute nur noch die<br />
Geissen von Hand – ein wenig Extrastrom<br />
produziert, der für den HandyAkku reicht.<br />
Ansonsten ist hier alles Handarbeit: Gewaschen<br />
wird in Bottichen mit dem Wäschestössel,<br />
gekäst auf dem Holzfeuer.<br />
«Z’Alp fahren» ist für das Paar die schönste<br />
Zeit im Jahr. Aber auch die strengste. Jedes<br />
Jahr müssen 2200 Pfähle für Zäune neu eingeschlagen<br />
werden. Bis alle Tiere oben sind<br />
und alles heil angekommen ist, ist die<br />
Anspannung gross. Wann Alpaufzug ist,<br />
bestimmen die Sterne beziehungsweise der<br />
Appenzellerkalender mit: «Im Fischzeichen<br />
geht man nicht. Da sind die Kühe unruhig<br />
und nervös.» Die Kühe bewältigen den Weg<br />
so gern sie sich oben im Morast suhlen, ist<br />
der Aufstieg eine Qual. Glücklicherweise<br />
haben die Neffs einen Sponsor gefunden,<br />
der den Tieren einen Heliflug finanziert.<br />
Anfang Saison fliegt der Helikopter einmal<br />
mit allen Vorräten zur Altenalp, da sie weder<br />
Zufahrt noch Transportseilbahn hat. Alles<br />
Weitere muss von der Familie oder Bekannten<br />
von der Bergstation der Ebenalpbahn<br />
eine Stunde getragen werden. Und ein<br />
beachtlicher Teil an Käse und Butter auch<br />
wieder zurück.<br />
Obgleich eine Schotterpiste nach<br />
Jowbari führt, ist die Abgelegenheit für die<br />
Sherpas ein Problem. Es gibt nur wenige alte<br />
Jeeps, die als Sammeltaxis fahren. Oft sind<br />
sie für Touristen unterwegs, sodass es selbst<br />
in Notfällen manchmal keinen Transport<br />
gibt. Dann muss man die 15 km zum nächsten<br />
grösseren Dorf zu Fuss gehen. Ist jemand<br />
krank, ist das indische Darjeeling der<br />
nächste Ort mit guter Versorgung. Aber<br />
die Reise kostet viel Geld und einen ganzen<br />
Arbeitstag.<br />
Viel Arbeit im eingespielten<br />
Team<br />
Die Tage auf der Altenalp sind lang, von der<br />
Tagwacht um fünf bis nach Sonnenunter<br />
zur Alp in rund vier Stunden. Für die Säue, gang. «Irgendeinem Ärbetli gehen wir ���<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
11
Dossier<br />
���<br />
immer nach», sagt Gerlinde. Jeden Tag muss<br />
zweimal gemolken, die Kuh und Geissenmilch<br />
verkäst und Butter hergestellt werden.<br />
Bruno und Gerlinde sind jedoch ein eingespieltes<br />
Team. Jeder kennt seine Aufgaben<br />
und dieses Jahr geht ihnen mit Erwin ein<br />
junger Gehilfe zur Hand.<br />
Bei Pasang und Radhiki beginnt der<br />
Morgen um halb sechs mit einer Tasse Tee.<br />
Während der Bauer den Tag auf dem Feld<br />
verbringt, kümmert sich seine Frau um die<br />
Arbeiten rund ums Haus und macht Churpi,<br />
den getrockneten Käse.<br />
Bruno kann sich kein anderes Leben<br />
vorstellen. Er liebt es zu sehen, wie etwas<br />
wächst und die Natur gedeiht. In der Stadt<br />
leben möchte auch Gerlinde nicht: «Zu viel<br />
Rummel, Verkehr und Anonymität.» Natur<br />
und Tiere würden beiden fehlen.<br />
Die Sherpas, deren Alltag von Härte und<br />
Verzicht gezeichnet ist, sind pragmatischer.<br />
Sie sind weder unglücklich noch überragend<br />
glücklich mit ihrem Dasein – es ist das einzige<br />
Leben, das sie kennen. Trotz der Strapazen<br />
wäre die Stadt nichts für sie. «Was kann<br />
Kathmandu uns bieten? Am Radio hören wir<br />
von Unfällen und Problemen», sagt Rhadiki,<br />
die kocht, während die Nachbarn noch immer<br />
in ihrer Küche sitzen. «Und was sollen wir da<br />
denn essen?», wirft Pasang lachend ein.<br />
Käsekulturen:<br />
Radhiki Sherpa stellt<br />
aus Kuhmilch den<br />
Trockenkäse Churpi<br />
her (u. l.), den<br />
die Nepalis gerne<br />
kauen. Bruno Neff<br />
(r.) verarbeitet<br />
täglich die frische<br />
Milch auf dem<br />
Holzfeuer zu Alpkäse<br />
(u. r.).<br />
12 <strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
Von den Kindern getrennt<br />
Für seine Töchter hat der 48jährige Pasang<br />
jedoch andere Pläne. Er investiert 60 Prozent<br />
seines Jahreseinkommens von rund 1500<br />
Franken in ihre Ausbildung. «Das ist wichtig,<br />
sonst werden sie ja wie wir!» Sie sollen es<br />
einmal besser haben. Dafür nimmt das Paar<br />
in Kauf, auf die Arbeitskraft der Kinder zu<br />
verzichten und fast das ganze Jahr von<br />
ihnen getrennt zu leben. Denn im Dorf gibt<br />
es nur eine Schule bis zur 5. Klasse. Ältere<br />
Kinder müssen täglich drei Stunden zur<br />
Schule laufen. Deshalb wohnen Pasangs<br />
Töchter bei einer Tante in Kathmandu. Nur<br />
ein einziges Mal im Jahr, während der Ferien,<br />
sehen die Mädchen<br />
ihre Eltern.<br />
Auch Bruno<br />
und Gerlinde müssen<br />
sich über den<br />
Sommer von den<br />
Kindern trennen.<br />
Aber Kinder wie<br />
Eltern haben sich<br />
dran gewöhnt;<br />
immer wurden<br />
gute Gastfamilien<br />
gefunden. Am<br />
Wochenende und<br />
während der Ferien<br />
kommen alle gern auf die Alp und sagen, sie<br />
wollen dieses Leben später weiterführen.<br />
Der Sohn macht die landwirtschaftliche<br />
Lehre und möchte den Hof übernehmen.<br />
Das freut die Eltern. «Aber er ist ein junger<br />
Mensch, und wir wollen uns noch nicht darauf<br />
verlassen», sagt die Mutter.<br />
Existentielle Ängste<br />
Dass die Sherpas anders als die Neffs keine<br />
Zukunft in ihrem Berufsstand sehen, hat<br />
gute Gründe. So viel auch ähnlich ist im<br />
Bergalltag der beiden Familien, gibt es doch<br />
entscheidende Unterschiede. «Dass man<br />
existentielle Ängste haben muss, das kön
nen wir uns gar nicht vorstellen», sagt Gerlinde.<br />
In Jowbari war die politische Lage in<br />
den letzten 12 Jahren unsicher; in der Zeit<br />
der maoistischen Aufstände haben Unbekannte<br />
Ställe niedergebrannt. Seit Ende des<br />
Bürgerkriegs ist es ruhiger, aber es fehlen<br />
Strukturen für Versorgung, Transport und<br />
Warenvertrieb sowie Sicherheiten, die ein<br />
Leben ohne Angst ermöglichen.<br />
Geflügelhaltung etwa ist für Pasang<br />
kein Thema: «Überall hört man von Vogelgrippe.<br />
Bricht sie aus, müssen alle Tiere<br />
getötet werden. Ein solches Risiko können<br />
wir nicht eingehen.» Versichert sind die<br />
Tiere hier nicht. Auf der Altenalp ist das<br />
geregelt: Verunglückt eine Kuh, wird sie von<br />
der Rega geborgen und zumindest ihr Wert<br />
von der Versicherung ersetzt. Unfälle sind<br />
selten, aber sie kommen vor. Im Jahr 2006<br />
stürzten drei Tiere ab und zehn Jahre davor<br />
ebenso viele.<br />
In Nepal sind die Tiere selber die Versicherung<br />
der Familie. Braucht Pasang Geld<br />
für einen Notfall, verkauft er eine der<br />
Ziegen, im schlimmsten Fall ein Kalb. «Ich<br />
wüsste nicht, wie wir ohne unsere Tiere<br />
über leben sollten», sagt er. Die Inflation ist<br />
hoch und die Preise steigen, während das<br />
Geld, das er für die Milch bekommt, weniger<br />
geworden ist.<br />
Tourismus als Chance<br />
Erschwerend im Alltag der Sherpas ist, dass<br />
sie ihr Wasser von einer Quelle unten am<br />
Hang herauftragen müssen. Obwohl die<br />
Neffs zwei Quellen beim Haus haben, erleben<br />
sie ähnliches in heissen, trockenen Sommern:<br />
«2006 mussten wir drei Wochen lang<br />
täglich Wasser auf die äusseren Weiden tragen.»<br />
Für das Ehepaar Sherpa ist das ständige<br />
Realität, die viel Arbeitszeit frisst.<br />
Von der Alpwirtschaft zu leben, ist aber<br />
auch in der Schweiz nicht leicht. «Früher<br />
konnten wir die Alp gut über die Landwirtschaft<br />
und das Sömmern fremder Tiere<br />
finanzieren. Heute bringt uns das nicht<br />
mehr über die Runden», sagt Gerlinde. Ohne<br />
die Wandertouristen ginge es im Alpstein<br />
fast nicht mehr. Sie kehren hier ein, packen<br />
Käse und Alpbutter in den Rucksack oder<br />
übernachten im Heu.<br />
Davon können Pasang und Radhiki nur<br />
träumen: Trotz einer Höhe von 3000 m ü. M.<br />
liegt Jowbari zu tief und abseits der beliebten<br />
TrekkingRouten. Ansonsten könnten sie<br />
ein Gasthaus eröffnen und Proviant verkaufen.<br />
Profitieren können nur die wenigen reicheren<br />
Familien im Dorf, die alte Jeeps teuer<br />
an Touristen vermieten.<br />
Das Gras wird knapp<br />
Wenn der Hagel im Alpstein das junge Gras<br />
zerstört, dann kann das die Alpsaison dras<br />
tisch verkürzen. Doch die Familie Neff kann<br />
jederzeit ins Tal zurück, während die Sherpas<br />
keine anderen Wiesen haben. Und das<br />
Grasland um Jowbari ist schon arg strapaziert.<br />
Übergrasung ist ein wachsendes<br />
Umweltproblem. Dabei sind die Sherpas<br />
bereits hierher gezogen, weil es im alten<br />
Dorf nicht mehr genug Weideland gab.<br />
Zwar muss auch im Alpstein das Gras<br />
gepflegt werden. Kuhfladen aufsammeln ist<br />
eine wichtige Arbeit, um Gülle zu gewinnen<br />
und damit die Wiese nicht kaputt geht oder<br />
überdüngt wird. In der Schweiz ist Übergrasung<br />
aber keine Gefahr: Jede Alp darf nur<br />
mit einer bestimmten Zahl Kühe «bestossen»<br />
werden. Gerlinde findet das gut: «Das ist ein<br />
nachhaltiges System. Und wir können uns<br />
den Luxus leisten, nicht zu viele Tiere mitzunehmen.»<br />
Dabei helfen auch die Sömmerungsbeiträge<br />
des Bundes mit. In Nepal dagegen gibt<br />
es keine staatliche Unterstützung für Bergbauern.<br />
Sie sind auf sich gestellt. Die Regierung<br />
hilft Pasang immerhin indirekt: Anders<br />
als auf der Altenalp, wo der Landbesitz<br />
grundbuchamtlich geregelt ist, gehört ihm<br />
nur der Flecken, auf dem sein kleines Haus<br />
steht. Dort, wo seine Kühe grasen und er<br />
bergwärts<br />
Sennenleben im Alpstein<br />
Gut zu wissen Wanderzeit: 3,5 h. Steigung: � 900m, � 150m<br />
Anreise Appenzellerbahn von Gossau nach Wasserauen. Rückreise: Seilbahn von der<br />
Ebenalp nach Wasserauen.<br />
Route Wasserauen (868 m ü.M.) – Seealpsee (50 min.) – Altenalp (80 min., 1595 m) –<br />
Äscher/Wildkirchli (55 min.) – Bergstation Ebenalpbahn (25 min., 1640 m)<br />
Von Wasserauen wandert man über ein Strässchen zum Seealpsee. Dem rechten Ufer entlang bis<br />
zum Wegweiser gehen, der den Aufstieg zur Altenalp (Richtung Schäfler) anzeigt. Nach einer Rast auf<br />
der Terrasse der Altenalp, wo man Einblick in den sennischen Alltag hat und die Alpprodukte probieren<br />
kann, Richtung Ebenalp wandern. Nach 45 min. lohnt es sich, nicht direkt aufzusteigen, sondern<br />
den Weg (10 min.) über das Felsenrestaurant<br />
Äscher und das Wildkirchli<br />
zu wählen: Die Kapelle liegt<br />
am Eingang prähistorischer Höhlen<br />
mit einem Ere miten häuschen<br />
in der Felswand. Von dort geht’s<br />
in 25 min. zur Bergstation der<br />
Ebenalp bahn.<br />
Info Die Altenalp ist von Mitte<br />
Juni bis Anfang September bewirtschaftet.<br />
Übernachten im Heu<br />
oder im (einzigen) Doppel zimmer<br />
möglich. Reservation über<br />
Tel. 079 406 36 69. (SUS)<br />
sein Gemüse pflanzt, ist Staatsland:<br />
«Steuern bezahlen müssen wir dafür nicht.<br />
Die Regierung wird uns aber nicht verjagen.<br />
So ist das System hier.» Ein verbrieftes<br />
Recht auf das Land hat er jedoch nicht. Für<br />
ihn ist deshalb ein Glück, dass seine Weiden<br />
abschüssig sind: «Sonst hätten andere<br />
Familien wohl bereits ihre Häuser hier<br />
errichtet.»<br />
Nach Einbruch der Dunkelheit machen<br />
sich die Dörfler von Jowbari, manche leicht<br />
schwankend, auf den Heimweg. Nach einem<br />
einfachen Mahl aus Reis, Gemüse und Fladenbroten<br />
legt sich das Ehepaar Sherpa<br />
schon um acht Uhr müde ins Bett.<br />
Ein schlichtes Abendessen beendet<br />
auch im Alpstein den Arbeitstag, Käse<br />
kommt oft auf den Tisch oder heisse Suppen,<br />
die Gerlinde aus Brennnesseln oder frischem<br />
Heu zubereitet. Bis Bruno jedoch von der<br />
letzten Kontrollrunde zu den Weiden des<br />
Jungviehs zurück ist, kann es 10 Uhr werden.<br />
Manchmal ruft er erst dann den weithin zu<br />
hörenden abendlichen Alpsegen durch den<br />
Trichter hinaus in die stille Bergwelt.<br />
Susanne Strässle ist Redaktorin der<br />
«Partnerschaft». Reena Chettri ist freischaffende<br />
Journalistin im indischen Darjeeling. n<br />
Aussicht auf den Seealpsee auf dem Weg zur Altenalp.<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 13
Dossier<br />
14<br />
Ein Dorf unter dem Himmel sehnt<br />
sich nach Wasser<br />
Ixchiguan ist stolz darauf, mit 3200 Metern über Meer die höchstgelegene<br />
Gemeinde Zentralamerikas zu sein. Doch so nah am Himmel zu wohnen, ist eine<br />
Herausforderung. Wasser ist im guatemaltekischen Bergland ein rares Gut.<br />
n Von Kurt Schneider<br />
Freitag ist ein besonderer Tag in Ixchiguan.<br />
Dann heizen die Menschen hier den Tamascal<br />
ein. Der Tamascal, in der Mayasprache<br />
auch «Chuj» genannt, ist eine traditionelle<br />
guatemaltekische Dampfsauna: ein kleiner<br />
hausähnlicher Unterschlupf aus Lehmziegeln<br />
oder Zementbausteinen. Abwechslungsweise<br />
setzten sich erst die Buben mit<br />
dem Vater, dann Mutter und Töchter in die<br />
Schwitzhütte. Das reinige den ganzen Körper<br />
und habe eine heilende Wirkung, denn<br />
jede Familie mische nach eigenem Rezept<br />
verschiedene Kräuter und Baumblätter in<br />
den Dampf, erzählen die Dorfbewohner.<br />
Ein stolzes Dorf in den<br />
Bergen<br />
Der Tamascal ist eine wunderbare Einrichtung,<br />
um zu etwas Wärme zu kommen,<br />
denn Ixchiguan ist mit 3200 Metern über<br />
Meer das höchstgelegene Dorf Zentralamerikas,<br />
und es kann hier bitterkalt werden. An<br />
Sommertagen klettert die Temperatur zwar<br />
bis 20 Grad, aber nachts kühlt es auf 5 Grad<br />
ab, im Winter ist Frost nicht selten.<br />
Wie in einer Sauna wird im Tamascal,<br />
um Dampf zu erzeugen, Wasser über feuererhitzte<br />
Steine gegossen, und am Ende wird<br />
der Körper mit einem Eimer kalten Wassers<br />
übergossen. Wasser ist aber nicht nur beim<br />
Tamascal ein unverzichtbares Element. Es<br />
spielt im Alltag der Dorfbewohner, von<br />
denen die meisten von der Landwirtschaft<br />
leben, eine wichtige Rolle. Und es ist ein<br />
drängendes Thema in aller Munde, denn es<br />
ist ein rares Gut in der Berggemeinde, in der<br />
in 47 Dörfern auf 124 km 2 verstreut 24’500<br />
Menschen leben.<br />
Für die lokale Wasserversorgung ist der<br />
Hausberg von Ixchiguan, der rund 3500<br />
Meter hohe Cotzic, von herausragender<br />
Bedeutung. Um ihn ranken sich zahlreiche<br />
Legenden und Geschichten. So gibt es dort<br />
einen Fels, den die Leute den «geteilten<br />
Stein» nennen. Unter ihm soll eine grosse<br />
Stadt liegen, und es heisst, wer dorthin<br />
abtauche, werde mit viel Geld zurückkehren.<br />
Der wahre Reichtum des Cotzic ist aber ein<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
anderer: Aus diesem Berg entspringen die<br />
Wasserquellen, aus denen Ixchiguan sein<br />
Trinkwasser bezieht. Es sind die Quellen der<br />
drei grossen Flüsse Suchiate, Cuilco und<br />
Naranjo.<br />
Heute machen sich die Leute aber Sorgen,<br />
weil das Wasser knapp wird und schon<br />
alle Quellen gefasst sind. Die Gemeinde und<br />
insbesondere der Hauptort sind in den letzten<br />
30 Jahren stetig gewachsen. Das Wasserversorgungssystem<br />
ist veraltert und genügt<br />
den Anforderungen nicht mehr. Mittlerweile<br />
muss das Wasser in der Trockenzeit von<br />
Januar bis Juni gar rationiert werden.<br />
Dem wertvollen Nass Sorge<br />
tragen<br />
Ixchiguan muss eine Lösung für sein<br />
drängendes Wasserproblem finden. Die<br />
Gemeinde, die für die Wasserversorgung<br />
zuständig ist, steht vor schwierigen Aufgaben.<br />
Sie gehört zu den ärmsten in Guatemala.<br />
92% der Bevölkerung sind MayaIndianer,<br />
98% sind arm und 42% Analphabeten.<br />
Die Kindersterblichkeit ist eine der höchsten<br />
im Land, von tausend Säuglingen überleben<br />
30 das erste Lebensjahr nicht.<br />
Jerónimo Navarro ist mit seinen 42 Jahren<br />
ein noch junger Gemeindepräsident,<br />
und doch engagiert er sich seit vielen Jahren<br />
für die Entwicklung der Kommune. Er ist<br />
überzeugt, dass nachhaltige Entwicklung<br />
lokal stattfinden muss. Das <strong>Helvetas</strong> Wasserprojekt<br />
unterstützt ihn und die lokalen<br />
Behörden dabei, ihre Aufgaben zu bewältigen.<br />
Ziel ist es, den Umgang mit den knappen<br />
Wasserressourcen besser zu organisieren,<br />
damit sie für alle ausreichen.<br />
<strong>Helvetas</strong> propagiert ein integriertes<br />
Wassermanagement, das die Verwaltung<br />
des wertvollen Nass’ neu gestaltet. Die neue<br />
Wasser und Hygieneordnung, die mit den<br />
lokalen Behörden ausgearbeitet wurde,<br />
regelt nicht nur die Wasserversorgung und<br />
deren Unterhalt, sondern schliesst auch<br />
die Abwasser und Abfallentsorgung, den<br />
Quellschutz und die Pflege des Wassereinzugs<br />
gebietes mit ein.<br />
Auch Hygiene und Umwelterziehung<br />
sind wichtige Aufgaben. Denn es soll in der<br />
Gemeinde ein Bewusstsein dafür geschaffen<br />
werden, dass sauberes Wasser keine Selbstverständlichkeit<br />
ist und der Anstrengung<br />
bedarf. Die Einwohner sollen die Verantwortung<br />
für die Wasserversorgung übernehmen.<br />
Sauberes Wasser hat seinen<br />
Preis<br />
Das bedeutet, dass sie auch die Kosten dafür<br />
mittragen. Die Dorfeinwohner bezahlen<br />
neu 1 Quetzal für den Wasserkonsum pro<br />
Monat, das entspricht 20 Rappen. Dieser<br />
Preis, der etwa dem von einem halben Pfund<br />
Mais oder zwei Eiern entspricht, ist für alle<br />
er schwinglich. Mit dem Geld soll die Versorgung<br />
sichergestellt, aber auch das Wasser <br />
einzugsgebiet geschützt und die Gesundheit<br />
der Bevölkerung verbessert werden.<br />
Wie der Bürgermeister berichtet, bezahlen<br />
bislang erst 60% der 634 Familien den günstigen<br />
Wassertarif. «Die Leute wollen Wasser,<br />
sind aber noch nicht bereit, dafür zu bezahlen,<br />
mit der Begründung, das Wasser fliesse<br />
unregelmässig.» Genau dies soll sich dank<br />
dem neuen Management ändern. Noch ein<br />
anderes Argument bekommt Don Eulalio oft<br />
zu hören: «Hier herrscht die Meinug, Wasser<br />
sei ein Geschenk Gottes und deshalb gratis.»<br />
Der Bauer und Gemischtwarenhändler<br />
ist ebenfalls aktiv ins Dorfgeschehen involviert.<br />
Er beteiligt sich im Gemeinderat, war<br />
Präsident einer Bauernorganisation und<br />
Anführer einer Bauernbewegung. «Ich habe<br />
viel gesehen und gelernt und möchte mein<br />
Wissen hier im Dorf umsetzen und weitergeben»,<br />
erzählt er. Das <strong>Helvetas</strong> Projekt in Ixchiguan<br />
ist ganz in seinem Sinn: «Die Arbeit<br />
von <strong>Helvetas</strong> hat uns bewusst gemacht, dass<br />
sauberes Wasser einen Wert hat.»<br />
Bei Messungen hat <strong>Helvetas</strong> nämlich<br />
festgestellt, dass mehr als 50% des Wassers<br />
durch defekte Leitungen verloren geht und<br />
weitere Reserven durch unkontrollierten<br />
Verbrauch ungenutzt abfliessen. Hier<br />
besteht viel ungenutztes Sparpotential. Deshalb<br />
werden nun Wasserzähler installiert.<br />
«Dank den Zählern gehen immer mehr Menschen<br />
sorgfältiger mit der wertvollen Ressource<br />
um», weiss Dionisio Sandoval, Präsident<br />
des Dorfsektors Cotzic, zu berichten. Er
sieht, wie das Verständnis für die Zusammenhänge<br />
wächst: «Denn alle sind besorgt,<br />
dass wir schon bald nicht mehr genügend<br />
Wasser haben. Und mit sauberem Wasser<br />
müssen wir auch weniger für Medikamente<br />
ausgeben.»<br />
Menschen aus Mais<br />
<strong>Helvetas</strong> hat in der Gemeinde eine letztlich<br />
überlebenswichtige Diskussion angestossen.<br />
Viele Einwohnerinnen und Einwohner haben<br />
sich nach wiederholten Gesprächen in der<br />
neuen Situation zurechtgefunden. «Es braucht<br />
Zeit. Aber wir können nicht auf Fortschritt<br />
in der Gemeinde verzichten, nur weil sich<br />
ein paar Dorfeinwohner gegen eine bessere<br />
Wasserverwaltung sperren», sagt Yeseña<br />
Cobox, die für die Dorfplanung zuständig ist.<br />
In Ixchiguan ist aber nicht nur das Wasser<br />
knapp, auch die Böden sind hier oben<br />
karg, stark erodiert und geben nicht viel her.<br />
Die Mehrheit der Bevölkerung lebt vom Kartoffelanbau.<br />
Mais muss mit dem Erlös der<br />
Kartoffelernte im Unterland eingekauft werden.<br />
Dennoch ist der Mais das Hauptnahrungsmittel.<br />
«Wir Menschen sind aus Mais»,<br />
erklärt Dionisio Sandoval, der auch die örtliche<br />
Maismühle betreibt, und spricht damit<br />
die Lehre des Popol Vuh, der Bibel der Mayas<br />
an, wonach Gott den Menschen aus Mais<br />
schuf. «Das ist unser Glaube, und ohne dieses<br />
Nahrungsmittel können wir nicht<br />
leben.»<br />
Jedes Jahr am 24 Juni veranstalten die<br />
Menschen von Ixchiguan deshalb ein grosses<br />
Familienfest, eine Art Erntedankfest,<br />
und danken der gesegneten Mutter Erde für<br />
all das, was sie ihnen schenkt und jedes Jahr<br />
von neuem hervorbringt. Sie wissen, dass<br />
auch das Wasser diese hohe Wertschätzung<br />
verdient.<br />
Kurt Schneider ist Programmleiter von <strong>Helvetas</strong><br />
Guatemala. n<br />
Ein knappes Gut sinnvoll nutzen: Wasserhahnen werden in Ixchiguan regelmässig kontrolliert<br />
(o. l.) und Wasserzähler installiert. Die Quellen werden gefasst und Wassertanks gebaut (o. r.),<br />
während im Haus das Abwasser gesammelt und weiterverwendet wird, wie Clemente Ramírez,<br />
die Frau von Bauer und Gemeinderat Don Eulalio zeigt (u.).<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 15
Dossier<br />
16<br />
Brücken zwischen Kontinenten<br />
schlagen<br />
n Von Tesfaye Bizuneh<br />
Sein Vorname bedeutet «der Wissende».<br />
Und obwohl es für Gyanendra Rajbhandari<br />
aus Nepal die erste Reise nach Äthiopien, ja<br />
nach Afrika ist, hat er Knowhow im Gepäck,<br />
das hier vielen Menschen zugute kommen<br />
kann.<br />
Gyanendra Rajbhandari ist seit 15 Jahren<br />
im Brückenbauprogramm von <strong>Helvetas</strong><br />
Nepal als Ingenieur tätig. Sein Besuch im<br />
März dieses Jahres, zusammen mit dem<br />
Koordinator des nepalesischen Brückenprogramms<br />
Jan Roukema, steht im Zeichen<br />
neuer Wege der Entwicklungszusammenarbeit:<br />
SüdSüdPartnerschaften, in denen<br />
Wissen und Erfahrungen direkt zwischen<br />
Ländern des Südens geteilt und weitergegeben<br />
werden.<br />
Bergländer arbeiten<br />
zusammen<br />
In Nepal hat <strong>Helvetas</strong> – nach über 3000<br />
Hängebrücken und 40 Jahren Tätigkeit in<br />
diesem Bereich – ein enormes Knowhow im<br />
Bau von Fussgängerhängebrücken aufbauen<br />
können, von dem das junge Brückenteam<br />
in Äthiopien profitieren kann. Dass<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
Das Team von <strong>Helvetas</strong> Nepal unterstützt <strong>Helvetas</strong><br />
Äthiopien beim Aufbau eines eigenen Hängebrückenprogramms.<br />
Eine innovative Süd-Süd-<br />
Partnerschaft mit Potential: Zwei Bergländer<br />
arbeiten zusammen, um Tausende abgeschnittener<br />
Dörfer aus der Isolation zu befreien.<br />
gerade diese beiden Länder für einen Süd<br />
SüdAustausch gewählt wurden, liegt an der<br />
Ähnlichkeit ihrer Topografie.<br />
Denn auch wenn mancher beim Stichwort<br />
Afrika eher an weite Steppen denkt,<br />
Äthiopien ist ein Bergland, ein ziemlich<br />
imposantes sogar: Das Hochland von Äthiopien<br />
mit einer durchschnittlichen Höhe von<br />
2000 Metern nimmt die Hälfte der Landesfläche<br />
ein. Die höchsten Gipfel im Norden<br />
des Landes ragen über 4000 Meter hoch in<br />
den Himmel. Zwischen den Tafelbergen<br />
Brückenschlag zwischen Partnerländern: Gyanendra Rajbhandari (l.) und Jan Roukema<br />
(2. v. l.) vom <strong>Helvetas</strong> Brückenteam aus Nepal im Austausch mit Mitarbeitern von <strong>Helvetas</strong><br />
Äthiopien. Neue Fussgängerhängebrücken (S. 18) sollen die gefährlichen Stege aus blossen<br />
Baumstämmen (u.) ersetzen.
haben Flüsse im Lauf der Jahrtausende tiefe<br />
Einschnitte in den Untergrund gefressen.<br />
Es verwundert nicht, dass diese Landschaft<br />
den Besucher aus Nepal fasziniert:<br />
«Ins Auge gestochen ist mir die wüstenähnliche<br />
Kargheit der Berge. Ganz anders als in<br />
Nepal. Beeindruckt haben mich besonders<br />
das Rift Valley und natürlich der Blaue Nil»,<br />
erzählt Gyanendra Rajbhandari. Letzterer<br />
fliesst durch eine Schlucht, die den Vergleich<br />
mit dem berühmten Grand Canyon in den<br />
USA nicht zu scheuen braucht.<br />
Last und Lob des Berglebens<br />
Als Ingenieur sieht er in diesen Naturschönheiten<br />
stets auch Hindernisse, die es zu<br />
bewältigen gilt, um den Bewohnern das<br />
Leben zu erleichtern. Denn die äthiopische<br />
Bergwelt stellt Bauernfamilien vor enorme<br />
Herausforderungen. Der Ackerbau an den<br />
steilen Hängen ist mühsam, das Wasser<br />
muss häufig von weit unten im Tal heraufgeschleppt<br />
werden, lange Fussmärsche<br />
gehören zum Alltag.<br />
Gebremariam Girmay, ein 38jähriger<br />
Bauer und Viehzüchter aus dem Dorf Haliboyehe,<br />
erzählt: «Wöchentlich gehe ich auf<br />
den Markt nach Wukro, das sind fünf Stunden<br />
hin und fünf zurück. In die Provinz Afar<br />
läuft man sogar sieben Stunden.» Das Bergleben<br />
hat aber auch Vorteile, wie der 42jährige<br />
Bauer Tekle Mahari betont: «Die Luft ist<br />
kühl und sauber – und es gibt keine Krankheiten<br />
wie Malaria!» Das gesündere Klima<br />
erklärt zu einem guten Teil, warum das<br />
Hochland trotz der schwierigen Lebensbedingungen<br />
viel dichter besiedelt ist, als die<br />
niedrigeren Regionen. Bis über 3000 Meter<br />
findet man Gehöfte und Äcker.<br />
Sicheren Fusses über die<br />
Fluten<br />
Zu den Herausforderungen des Berglebens<br />
gehören auch die vielen Bäche und Flüsse,<br />
die in der Regenzeit zu gefährlichen Wildwassern<br />
werden. Die lokalen Lösungen für<br />
dieses Problem sind höchst behelfsmässig.<br />
Oft werden einfach mehrere Baumstämme<br />
aneinander gelegt. Das Holz ist nass und rutschig.<br />
Auch Kinder und Lastenträger haben<br />
keine andere Wahl als diesen riskanten<br />
Balanceakt. Immer wieder ertränken Menschen<br />
in den Fluten, erzählen die Bauern.<br />
Deshalb ist nun das nepalesischäthiopische<br />
Expertenteam vor Ort, um ideale<br />
Standorte für künftige Fussgängerhängebrücken<br />
zu finden. Eine gute Brücke würde<br />
hier 60’000 Menschen eine verlässliche Verbindung<br />
zur Aussenwelt garantieren. «Sie<br />
würde uns den Handel, die Arbeit und Kontakte<br />
sehr erleichtern, denn in der Regenzeit<br />
verlieren wir oft Tage wegen der Überschwemmungen»,<br />
erzählt Bauer Tekle.<br />
«Brücken bannen Gefahren und verhindern<br />
Umwege», erklärt auch Koordinator<br />
Roukema. «Fussgängerbrücken sind ein<br />
kostengünstiges Mittel, um Tausende von<br />
Dörfern aus der Isolation zu befreien.»<br />
Das bedeutet Zugang zu Märkten, Gesundheitsversorgung,<br />
Schulen und zu Verdienstmöglichkeiten<br />
(siehe Artikel S. 19).<br />
Bauern als Brückenbauer<br />
Der Holländer weiss, wovon er spricht. Er hat<br />
in Nepal unzählige Male miterleben können,<br />
was eine sichere Fussgängerbrücke bewirken<br />
kann. Dies motivierte ihn und sein<br />
Team, über Nepal hinaus zu blicken. «Wir<br />
mit unserer grossen Erfahrung haben uns<br />
schon lange gefragt, ob nicht Länder mit<br />
ähnlichen topographischen Herausforderungen<br />
von unserem Wissen profitieren<br />
könnten.» Mit dem neuen Kooperationsprojekt<br />
wird dies nun in die Tat umgesetzt.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen den <strong>Helvetas</strong><br />
Partnerländern hat entscheidende<br />
Vorteile. Sie verspricht raschere Resultate,<br />
als wenn ein Projekt von Grund auf im Norden<br />
neu konzipiert wird. «Und es ist vergleichsweise<br />
kostengünstig», ergänzt Rou<br />
bergwärts<br />
kema. «Es braucht keine Experimente mehr.<br />
Das Risiko eines Scheiterns ist minimal.»<br />
Der Wissenstransfer beruht, wie schon<br />
in Nepal, auf einem «Learning by doing»<br />
Prinzip: Beim Bau von Modellbrücken lernen<br />
Dorfbewohner am praktischen Beispiel, wie<br />
sie selber kleinere, sichere Brücken bauen<br />
können. Ziel ist, dass die Äthiopier eigenständig<br />
noch viele weitere Brücken werden<br />
errichten können.<br />
Berg ist nicht gleich Berg,<br />
Land nicht gleich Land<br />
Allerdings sind Gebirge nicht überall gleich.<br />
«Unsere Berge sind steiler und höher», hat<br />
Ingenieur Gyanendra Rajbhandari festgestellt.<br />
«Die Topographie und Hydrologie der<br />
Flüsse ist anders. In Äthiopien braucht es<br />
mehr Hängebrücken mit Pfeilern, die ein<br />
breiteres Flussbett queren. Das ist technisch<br />
anspruchsvoller als Hängebrücken, die von<br />
Abhang zu Abhang führen.»<br />
Am liebsten möchte die Regierung aus<br />
Gründen der Gleichberechtigung möglichst<br />
bald in allen Landesteilen Brücken haben.<br />
Aber das braucht Zeit, wie Jan Roukema<br />
erklärt: «Erst müssen Wissen und Technolo<br />
Zur <strong>Helvetas</strong> Bhutanbrücke im Wallis<br />
Gut zu wissen Wanderzeit: 2,5 h. Geringe Steigung<br />
Anreise An und Rückreise: Leuk SBB<br />
Route Leuk SBB – Pletschen – Bhutanbrücke – Leuk SBB<br />
Wer selber einmal eine <strong>Helvetas</strong> Hängebrücke überqueren will, kann dies im Walliser Naturschutzgebiet<br />
Pfynwald tun. Man folgt ab Bahnhof Leuk den Wegweisern Richtung Zentrum Susten. Die Dorfstrasse<br />
Richtung Westen (Sion), vorbei an der Post, immer geradeaus gehen. Nach 100 Metern mündet<br />
die Einbahnstrasse in die Kantonsstrasse ein. Auf der rechten Seite biegt die Strasse nach Leukerbad<br />
ab, dieser 350 Meter folgen. Vor der Carrosserie Illgraben links abbiegen. Vorbei am Galgenwald<br />
zum Sportplatz. Linker Hand befindet sich der Illgraben. Auf dem Waldweg Richtung Pletschen<br />
gehen. Nach 1,5 km führt an der<br />
Abzweigung am Brunnen ein<br />
Wegweiser zur 133,71 m langen<br />
Bhutanhängebrücke von <strong>Helvetas</strong>.<br />
Weiter durch den Pfynwald<br />
Richtung «Abschlacht». Dann dem<br />
Wegweiser nach Leuk folgen.<br />
Info Der Ausflug lässt sich mit<br />
einer Wanderung entlang traditioneller<br />
Walliser Bewässerungskanäle,<br />
den Suonen oder Bissen,<br />
in der Nähe von Leuk verbinden:<br />
www.wandersite.ch/Bissenwanderung.html<br />
(SUS)<br />
Auf der Bhutan-Hängebrücke über den Illgraben<br />
���<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 17
Dossier<br />
���<br />
18<br />
gien an alle Partner vermittelt werden. Eine<br />
Riesenaufgabe! Wir rechnen damit, dass<br />
sich 40 Jahre Erfahrung in rund 3,5 Jahren<br />
durch Schulung und Trainings weitergeben<br />
lassen.»<br />
Grössere Brücken werden mit Hilfe des<br />
Privatsektors realisiert. Dort das nötige<br />
Knowhow aufzubauen, wird noch drei bis<br />
vier Jahre länger dauern. «Die Zahl qualifizierter<br />
Ingenieure und Facharbeiter ist markant<br />
tiefer als in Nepal», erklärt der Brückenspezialist.<br />
«Der Privatsektor und der Dienstleistungsbereich<br />
sind noch schwach.» Weil<br />
beides für Erfolg und Nachhaltigkeit wichtige<br />
Träger sind, braucht es hier Aufbauarbeit<br />
bis in die Lehrpläne von Ausbildungsstätten<br />
hinein.<br />
Wo nötig, wird das Design der Brücken<br />
angepasst. Arbeitsintensiver und langwieriger<br />
als die technische Anpassung ist es je <br />
doch, landesweite Strukturen für den<br />
Brücken bau zu schaffen. In Nepal sind in<br />
40 Jahren Verwaltungsstrukturen und eine<br />
nationale Brückenbaupolitik entstanden,<br />
die vieles erleichtern. Äthiopien strebt eine<br />
ähnliche landesweite Politik an und will alle<br />
Interessenvertreter zusammenbringen.<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
Äthiopische Stippvisite in<br />
Nepal<br />
Im letzten Dezember reiste eine Delegation<br />
aus Äthiopien nach Nepal. Es ging für die<br />
Äthiopier insbesondere darum, die institutionelle<br />
Organisation und Umsetzungswege<br />
des Brückenbaus kennen zu lernen, Einblick<br />
in die Zusammenarbeit der Partner zu<br />
gewinnen und zu sehen, wie die Projekte in<br />
den Gemeinden verankert sind.<br />
«Obgleich es in Nepal mehr Erdrutsche<br />
gibt und anders als in Äthiopien das ganze<br />
Jahr Wasser in den Flussbetten ist: Die Topographie<br />
unserer Länder ist letztlich ähnlicher<br />
als die politischen Strukturen», fasst<br />
Alem Shumiye, Projektverantwortlicher bei<br />
<strong>Helvetas</strong> Äthiopien, seine Erkenntnisse<br />
zusammen. «Beeindruckt hat mich neben<br />
der imposanten Bergwelt die echte und<br />
aktive Beteiligung der Gemeinden an den<br />
Brückenprojekten.»<br />
Prinzipien wie der Einbezug von Frauen<br />
und Minderheiten in den Nutzerkomitees<br />
sollen in Äthiopien übernommen werden,<br />
ein Dialog mit der Öffentlichkeit in allen<br />
Phasen geführt werden. Auch hier sollen die<br />
Dorfbewohnerinnen und bewohner an der<br />
Brücke mitbauen. «Wir werden mit anpacken»,<br />
sagen die drei Bauern in Haliboyehe,<br />
«und wir können lokale Baumaterialen wie<br />
Sand und Steine beisteuern.»<br />
Nepal kann aber auch von Äthiopien<br />
lernen: «Hier setzt sich die Regierung für<br />
ein dezentralisiertes und günstiges Umfeld<br />
für KMUs ein. Das Kleinunternehmertum<br />
zu fördern, wäre auch für Nepal ein guter<br />
Ansatz», findet Jan Roukema. «Es könnte<br />
den Exodus von Arbeitskräften in den Nahen<br />
Osten bremsen.»<br />
Süd-Süd-Kooperation – ein<br />
Patentrezept?<br />
Die beiden Männer aus Nepal führen ihre<br />
Suche nach geeigneten Standorten für die<br />
nächsten Modellbrücken fort, weitere<br />
Arbeitsbesuche werden folgen. Nach dreieinhalb<br />
Projektjahren sollen 24 Brücken<br />
stehen, 40 weitere im Bau sein und kompetente<br />
Fachkräfte, darunter Techniker,<br />
Ingenieure und Brückenbauer, ausgebildet<br />
sein.<br />
SüdSüdPartnerschaften haben ein<br />
grosses Potential in der Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Aber Jan Roukema differenziert:<br />
«SüdSüdKooperation ist ein Schlagwort<br />
geworden. Alle Projekte, die ich dazu bislang<br />
gesehen habe, waren Projekte makroökonomischer<br />
oder theoretischer Natur von<br />
grossen Institutionen wie der Weltbank. Die<br />
SüdSüdZusammenarbeit, die wir pflegen,<br />
ist praktisch angelegt. Es werden sehr bald<br />
konkrete Resultate sichtbar.»<br />
Ein solcher Brückenschlag zwischen<br />
Ländern des Südens erfordert auch ein<br />
Umdenken: «Bisher waren Gelder immer an<br />
ein bestimmtes Land gebunden. Das schloss<br />
transnationale Zusammenarbeit von vornherein<br />
aus. Künftig sollte ein Teil der Gelder<br />
bewusst für solche Projekte reserviert sein.»<br />
Jan Roukema steht mit Leidenschaft<br />
hinter der Idee: «Äthiopien braucht Brücken.<br />
Und wir haben eine kosteneffektive Technologie<br />
entwickelt, die den Armen zugute<br />
kommt. Das haben wir in Nepal unter<br />
Beweis gestellt. Die Geldgeber müssen überzeugt<br />
werden, dass sie grenzübergreifend<br />
denken müssen!»<br />
Die Brücken, die in Äthiopiens Bergwelt<br />
geschlagen werden, führen nicht nur von<br />
einem Dorf ins nächste, sondern auch über<br />
kulturelle, nationale und Grenzen in den<br />
Köpfen hinweg.<br />
Tesfaye Bizuneh ist Mitarbeiter von <strong>Helvetas</strong><br />
Äthiopien. n<br />
Aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet<br />
von Susanne Strässle, Redaktorin «Partnerschaft».
Vom Berg ins Tal – und zurück<br />
Berge sind natürliche<br />
Hindernisse. Dass sie<br />
nicht unüberwindbar<br />
sind, zeigt die<br />
Geschichte der Schweiz<br />
ebenso wie die Erfahrung<br />
aus den <strong>Helvetas</strong><br />
Projekten.<br />
n Von Barbara Strebel<br />
Kehrtunnels, die Kirche von Wassen, eine<br />
alte Jugendherberge in Hospental, die<br />
Teufelsbrücke, Saumwege, SuworowDenkmal,<br />
Passhöhe – wer kennt sie nicht, die<br />
Stationen der obligaten Schulreise über den<br />
Gotthard? Die Schweiz, sagt man, sei ein<br />
Produkt der Berge, genauer: der Alpen.<br />
Darum gehört die Schulreise über den<br />
Gotthardpass ebenso zu unserer kollektiven<br />
Erfahrung wie der Osterstau vor der Gotthardröhre.<br />
Züge und Postautos im<br />
Norden...<br />
Jahrhundertelang waren Bergmassive wie<br />
die Alpen schier unüberwindbare Hindernisse<br />
– im Guten wie im Schlechten. Sie<br />
schützten vor Angriffen und erleichterten<br />
die Verteidigung. Wer die Pässe kontrollierte,<br />
kontrollierte auch die Warenflüsse und<br />
konnte an geeigneter Stelle Zölle einziehen.<br />
Von diesem wirtschaftlichen Vorteil profitierten<br />
allerdings häufig nicht die Berggemeinden<br />
selbst, sondern Städte wie Luzern,<br />
die am Fuss der Berge lagen. Das Leben im<br />
Gebirge dagegen war geprägt von Armut<br />
und Abgeschiedenheit.<br />
Das blieb so, bis im 19. Jahrhundert der<br />
Tourismus neue Verdienstmöglichkeiten in<br />
die Berge brachte und die Eisenbahn die<br />
Täler erschloss, die an den wichtigen Transitrouten<br />
lagen. Die Postautos, bei denen wir<br />
heute fast selbstverständlich an gewundene<br />
Bergstrassen denken, wurden allerdings erst<br />
1906 in Betrieb genommen – um Bern mit<br />
seinen Vororten zu verbinden. 1919 folgte<br />
���<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 19
Dossier<br />
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20<br />
bergwärts<br />
Auf alter Säumerstrasse ins Engadin<br />
Gut zu wissen Wanderzeit: 6 h. Steigung: � 800m, � 1200m<br />
Anreise Via Andeer mit dem Postauto nach Juf. Rückreise: Von Maloja mit Postauto und<br />
Bahn via Thusis.<br />
Route Juf – Forcellina Pass (2h) – Septimerpass (1h) – Lunghinpass (1h10) – Maloja (1h50)<br />
Die Wanderung führt von Juf, dem höchsten ganzjährig bewohnten Dorf Europas, über den Septimer,<br />
die Haupttransitachse der Zentralalpen in Römerzeit, zur grossen europäischen Wasserscheide: Von<br />
Juf im Averstal auf 2126 m steigt man erst am Ufer des Jufer Rheins entlang und dann über Weidehänge<br />
zur Forcellina (2672 m) auf. In diesem Schutzgebiet kann man viele Murmeltiere sehen. Auf<br />
der Passhöhe öffnet sich der Blick nach Süden auf die Engadiner und Bergeller Berge. Der Abstieg<br />
führt am Leg da Sett vorbei auf den Septimerpass (2310 m). Soldaten, Säumer und Pilger zogen<br />
während Jahrhunderten über die von den Römern gebaute Passroute zwischen Nord und Süd. Bis ins<br />
19. Jh. wurde sie noch als Handelsweg nach Mailand benutzt. Vom Septimer steigt man auf zum<br />
Lunghinpass (2645 m), wo sich<br />
die dreifache Wasserscheide zwischen<br />
Schwarzem Meer, Nordsee<br />
und Mittelmeer befindet, also von<br />
Donau, Rhein und Po. Nun geht<br />
es bergab Richtung Lunghinsee<br />
und über viele Kehren hinunter<br />
nach Maloja (1815 m).<br />
Info Kürzer ist der Weg von<br />
Casaccia über den Septimer nach<br />
Bivio (Wanderzeit 4h30). (SUS)<br />
dann die erste Strecke über einen Alpenpass,<br />
den Simplon. Heute umfasst das Postauto<br />
Netz über 750 Linien und bedient (fast) jedes<br />
noch so abgelegene Bergdorf.<br />
...blosse Körperkraft im Süden<br />
In vielen Ländern des Südens können die<br />
Bergbewohnerinnen und bewohner von<br />
solchen Errungenschaften nur träumen.<br />
In den Bergen Afghanistans, Äthiopiens<br />
oder Nepals legen Menschen oft stunden,<br />
ja tagelange, mühevolle Märsche zurück,<br />
um den Markt, das Spital oder die Schule zu<br />
erreichen. «Über eine Milliarde Menschen<br />
leben an Orten, die nicht ans Verkehrsnetz<br />
angeschlossen sind. Das heisst, es gibt dort<br />
keine vernünftigen Strassen und damit<br />
auch keinen öffentlichen Verkehr», sagt<br />
Peter Schmidt, KoLeiter der Abteilung Internationale<br />
Programme bei <strong>Helvetas</strong>. «Berggebiete<br />
sind von diesem Mangel aus offensichtlichen<br />
Gründen überdurchschnittlich<br />
stark betroffen.»<br />
Zwar gibt es in vielen Ländern Entwicklungsprogramme,<br />
die den Ausbau des Verkehrsnetzes<br />
vorantreiben sollen. Doch<br />
fliessen die entsprechenden Mittel meist in<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
Auf den Spuren der alten Römer über den Septimer.<br />
den Bau und Unterhalt der Hauptverkehrsachsen.<br />
Die ländliche Erschliessung hingegen<br />
geniesst bei den grossen Akteuren der<br />
Entwicklungshilfe nur geringe Priorität.<br />
Nicht so bei <strong>Helvetas</strong>: «Für uns ist der Bau<br />
von Verkehrswegen in ländlichen Gegenden<br />
ein bedeutendes Arbeitsfeld, gerade in<br />
Bergländern», erklärt Peter Schmidt. «Wir<br />
versuchen hier etwas zu bewegen, auch<br />
wenn es schwierig ist, bei den Geldgebern<br />
Unterstützung für solche Projekte zu finden.»<br />
Fussgängerpfade statt<br />
Autobahnen<br />
Auch mit ausländischer Unterstützung ist es<br />
unwahrscheinlich, dass in den <strong>Helvetas</strong> Partnerländern<br />
demnächst Züge durch Kehrtunnels<br />
rollen oder gar Seilbahnen die Menschen<br />
auf Berggipfel bringen. «Der Bau von<br />
Strassen und Brücken ist sehr kostspielig.<br />
Und je schwieriger die Topografie, desto teurer<br />
wird es», meint Peter Schmidt. «In vielen<br />
Berggebieten geht es daher zuerst einmal<br />
darum, anständige und sichere Fusswege zu<br />
bauen. Eine Fussgängerbrücke über eine<br />
Schlucht ist für die Menschen schon ein<br />
enormer Gewinn an Zeit und Sicherheit.»<br />
Allerdings ist es nicht nur wichtig, dass<br />
Transportwege gebaut werden, sondern<br />
auch, wie dies geschieht. So ist es beispielsweise<br />
unabdingbar, dass die Menschen vor<br />
Ort in die Planung und den Bau einbezogen<br />
werden. Auch die lokalen Behörden spielen<br />
eine zentrale Rolle, denn sie sind es, die den<br />
Unterhalt der Brücke oder Strasse garantieren<br />
müssen. Wo immer möglich arbeitet<br />
<strong>Helvetas</strong> mit privaten Unternehmen zusammen,<br />
um die lokale Wirtschaft zu fördern.<br />
Hinzu kommt: Die empfindlichen Ökosysteme<br />
der Berge verlangen besondere<br />
Massnahmen beim Bau von Transportwegen,<br />
andernfalls kommt es zu unwiderrufbaren<br />
Schäden. Als Beispiel nennt Peter<br />
Schmidt Bhutan, wo man viele Strassen einfach<br />
mit dem Bulldozer in den Hang hineingepflügt<br />
hat. «Die Steinbrocken, die aus<br />
dem Berg herausgebrochen wurden, kullerten<br />
ungehindert ins Tal und zerstörten das<br />
fruchtbare Ackerland der Bauern.» Ausserdem<br />
leiste die Zerstörung der Hänge der<br />
Erosion Vorschub.<br />
Strassen bringen<br />
Arbeitsplätze<br />
Bei den Strassenbauprojekten von <strong>Helvetas</strong><br />
in Nepal wird darum mit dem Konzept der<br />
«grünen Strasse» gearbeitet. «Wir versuchen<br />
insbesondere, grosse Hanganschnitte<br />
zu vermeiden», erklärt Franz Gähwiler, der<br />
bei <strong>Helvetas</strong> für das Nepalprogramm<br />
zuständig ist. «Die Strassen werden mit<br />
Stützmauern gesäumt und die Bauarbeiten<br />
von Aufforstungsmassnahmen begleitet,<br />
um die Erosion der Hänge zu verhindern.»<br />
Als Baumaterial für die Mauern werden<br />
Steine verwendet, die an Ort uns Stelle<br />
gesammelt werden.<br />
Die umweltschonende Bauweise hat<br />
noch einen anderen, durchaus beabsichtigten<br />
Effekt: Sie schafft Arbeitsplätze, denn die<br />
meisten Arbeitsschritte werden von Hand<br />
ausgeführt. «Beim Strassenbauprojekt in<br />
Nepal wird in Teams von 1520 Arbeiterinnen<br />
und Arbeitern gebaut, wobei mehrere Hundert<br />
solcher Teams im Einsatz sind», sagt<br />
Franz Gähwiler. Auf diese Weise erhalten<br />
Tausende von Menschen ein Einkommen,<br />
unter ihnen zahlreiche Frauen.<br />
Die Zufahrtsstrassen verbessern die<br />
Entwicklungsperspektiven auch langfristig.<br />
Wenn die Transportwege einmal da sind,<br />
eröffnen sich für die Menschen neue Verdienstmöglichkeiten:<br />
Der Verkauf von Produkten<br />
auf dem Markt kann sich plötzlich<br />
lohnen, und auf den Strassen lässt sich mit<br />
Taxidiensten Geld verdienen. Was früher<br />
Träger zu Fuss oder mit Maultieren transportierten,<br />
übernehmen dann Autos und<br />
Minibusse. So können Jugendliche eine<br />
höhere Schule in der Stadt besuchen oder
Kranke schneller ins Spital gebracht werden.<br />
Erschliessung = Veränderung<br />
Der Anschluss an Verkehrsnetze bringt Veränderungen.<br />
Nicht alle sind ausschliesslich<br />
positiv, es gibt Verlierer, wie zum Beispiel die<br />
Träger, die sich neue Aufgaben suchen müssen,<br />
oder die lokalen Schneider, die von Billigprodukten<br />
aus China konkurrenziert werden.<br />
Trotzdem: «Strassen werden in den<br />
abgelegenen Dörfern immer als erstes<br />
genannt, wenn man die Menschen nach<br />
ihren Bedürfnissen fragt», weiss Franz Gähwiler.<br />
«Als basisorientierte Entwicklungsorganisation<br />
müssen wir diese Bedürfnisse<br />
ernst nehmen.»<br />
Entscheidend ist – dies zeigt die Erfahrung<br />
aus den <strong>Helvetas</strong> Projekten eindrücklich<br />
–, dass die Bevölkerung mitbestimmen<br />
kann, wie mit den Veränderungen umgegangen<br />
werden soll, und die verschiedenen<br />
Interessen angemeldet werden können. Dies<br />
gilt nicht nur auf der lokalen Ebene, sondern<br />
auch auf der regionalen und nationalen.<br />
«Wir versuchen, wo immer möglich, unsere<br />
praktischen Erfahrungen in die verkehrspo<br />
litischen Debatten einzubringen», erklärt<br />
Peter Schmidt. «Denn nur wenn die Rahmenbedingungen<br />
stimmen, kann sichergestellt<br />
werden, dass die Erschliessung im<br />
Sinne der Menschen vor Ort erfolgt.»<br />
Verkehrslawinen und<br />
Touristenströme<br />
Dass es nicht immer einfach ist, die unterschiedlichen<br />
Interessen gegeneinander<br />
abzuwägen, zeigt wiederum ein Blick auf<br />
die Schweiz mit ihren hitzig geführten<br />
Debatten um die Einführung der Schwerverkehrsabgabe<br />
oder die Alpentransitbörse.<br />
Die Meinungen darüber, wie viel Verkehr die<br />
Alpen vertragen, sind geteilt. Das gilt nicht<br />
nur für den Durchgangs, sondern auch für<br />
den Fremdenverkehr, der seit den Anfängen<br />
enorm gewachsen ist. Ob es in den Bergen<br />
mehr Naturschutzgebiete oder mehr Skipisten<br />
braucht, muss zwischen den Interessengruppen<br />
immer wieder neu verhandelt<br />
werden.<br />
In den Partnerländern von <strong>Helvetas</strong><br />
sind Verkehrsstaus und Touristenhorden in<br />
den Bergen zwar noch keine Alltagsphänomene.<br />
Aber die Grundfrage, welches das<br />
Berge überwinden: <strong>Helvetas</strong> fördert den<br />
ländlichen Strassenbau in Nepals Hochland<br />
(o). In der Schweiz bringt das Postauto<br />
sicher über die Alpenpässe (Schulreise 1954,<br />
S. 19 o.). In Afghanistan sind abgelegene<br />
Regionen nur mit Lasttieren erreichbar<br />
(S. 19. u.).<br />
richtige Verhältnis von Ökonomie und Ökologie,<br />
Verändern und Bewahren ist, stellt<br />
sich auch hier mit wachsender Dringlichkeit.<br />
«Nachhaltige Entwicklung in Berggebieten<br />
ist eine komplexe Aufgabe, die natürlich<br />
weit über den Strassenbau hinausgeht»,<br />
meint Peter Schmidt.<br />
Eine Strasse oder eine Brücke kann<br />
jedoch die Initialzündung dafür sein, dass<br />
Berggemeinden ihr Potenzial nutzen können.<br />
«Wo die Dörfer ans Verkehrsnetz angeschlossen<br />
sind, nimmt die Abwanderung ab.<br />
Gleichzeitig entsteht ein Gefühl der Zugehörigkeit<br />
bei den Menschen», sagt Franz<br />
Gähwiler. Das ist der beste Beweis dafür,<br />
dass Öffnung nicht Verlust bedeuten muss,<br />
sondern die Zusammengehörigkeit fördern<br />
kann. – Denken wir nur an unsere Schulreise<br />
über den Gotthard!<br />
Barbara Strebel ist Teamleiterin Kommunikation<br />
auf der Geschäftsstelle in Zürich. n<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 21
Dossier<br />
22<br />
Unterwegs zum Nomadenlager<br />
im Hochgebirge<br />
n Von Tschingis Aitmatow<br />
Es war einmal wieder Sommerszeit, ich war<br />
fünf, sechs Jahre alt, und man brachte mich<br />
zu Grossmutter. Wir brachen auf in die Berge<br />
– zum sommerlichen Nomadenlager. Wahrscheinlich<br />
war das einer der letzten grossen<br />
Nomadenzüge in unserer Gegend. Das<br />
Nomadenleben neigte sich seinem Ende entgegen.<br />
Überall breitete sich die sesshafte<br />
Lebensweise aus. Neue Siedlungen entstanden,<br />
Kolchosen und Sowchosen. Da spielten<br />
die Jahreszeiten nicht die gleiche Rolle wie<br />
früher. Der Höhepunkt des Nomadenlebens<br />
war nämlich jene Saison, bei der die Menschen<br />
mit Kind und Kegel, mit Sack und Pack<br />
zu neuen Weidegründen fürs Vieh umsiedelten…<br />
Ich erinnere mich lebhaft an diese Zeit,<br />
denn sie zog uns Kinder ganz besonders in<br />
ihren Bann. Wenn die Bewegung zum Aufbruch<br />
einsetzt, geraten alle in eine gehobene,<br />
ja erregte Stimmung.<br />
Die Jurten werden zusammengetragen.<br />
Die Gerätschaften werden auf Kamele, Pferde<br />
und Ochsen gepackt. Und danach bricht die<br />
Tschingis Aitmatow<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
ganze Gemeinschaft der Nomaden mit ihren<br />
zahlreichen Viehherden aus Steppen und<br />
Vorbergen in die Richtung der hohen schneeweissen<br />
Bergriesen auf. Sie ziehen über die<br />
Pässe hin zum Dschailoo, den sommerlichen<br />
Weidegründen im Hochgebirge.<br />
Das Nomadenlager ist ein wohlgeordnetes<br />
System, man musste alles vorkehren,<br />
damit die Umsiedlung normal ablief und das<br />
Leben in den Bergen im Handumdrehen weitergehen<br />
konnte. Dort musste alles griffbereit<br />
sein, auf der Stelle ausgepackt, ausgebreitet<br />
und eingerichtet werden können.<br />
Die Viehzüchter und ihre Angehörigen<br />
kommen ja an einen völlig menschenleeren<br />
Ort. Die Menschen hätten sich an diesem<br />
Platz seit langem niedergelassen und angesiedelt,<br />
wäre dort ein Leben das ganze Jahr<br />
über möglich gewesen. Aber das Dschailoo<br />
ist nur im Sommer zugänglich. Bis Ende Mai<br />
sind die Gebirgspässe unüberwindbar. Da<br />
häufen sich noch meterhohe Eis und<br />
Schneemassen. Und ab Ende September,<br />
Anfang Oktober setzen wieder die Schneefälle<br />
und Schneestürme ein und schliessen<br />
die Pässe ab, so dass sie erneut unüberwind<br />
Tschingis Aitmatow wurde 1928 in Kirgistan geboren. Nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung<br />
arbeitete er als Viehzuchtexperte in einer Kolchose. In den 50er Jahren erschienen seine ersten<br />
Texte, er studierte in Moskau und wurde Redaktor einer kirgisischen Literaturzeitschrift. Neben<br />
seiner Autorentätigkeit war er viele Jahre als Botschafter Kirgistans im Ausland. Am 10. Juni 2008<br />
ist Tschingis Aitmatow im Alter von 79 Jahren verstorben.<br />
Im Zürcher Unionsverlag ist eine grosse Auswahl von Büchern von Tschingis Aitmatow erschienen.<br />
Neben der Sammlung biografischer Texte in «Kindheit in Kirgisien» auch die weltberühmte<br />
Liebesgeschichte «Dshamilja» von 1958. Sein neustes Buch «Der Schneeleopard» spielt ebenfalls<br />
in der kirgischen Bergwelt und thematisiert den Wandel im heutigen Kirgistan und die Bedrohung<br />
durch schrankenlosen Kommerz.<br />
In Zusammenarbeit mit <strong>Helvetas</strong> ist im Unionsverlag ein weiteres BergBuch erschienen:<br />
«Himalaya – Menschen und Mythen» mit Texten einheimischer Autoren. Es ist für Fr. 17.– (statt<br />
Fr. 33.90) im <strong>Helvetas</strong> Fairshop erhältlich. (SUS)<br />
lich bleiben – bis zum nächsten Mai. Zwei<br />
Drittel des Jahres ist dieser Ort im Hochgebirge<br />
von allem abgeschlossen, für nichts<br />
und niemanden erreichbar. Nicht einmal für<br />
wilde Tiere.<br />
In dieser Zone, bei drei bis viertausend<br />
Metern über dem Meeresspiegel, herrscht<br />
polares Klima. Bei Dauerfrost und ewigen<br />
Schneestürmen kann nichts bestehen, am<br />
aller wenigsten der Mensch. Dafür zieht es<br />
ihn aber umso heftiger in die Höhe während<br />
der kurzen Frist des Sommers, als müsse er<br />
diesen Augenblick nutzen.<br />
In der Folklore wird diese Zeit manchmal<br />
mit der Jugend verglichen – der blühenden,<br />
glücklichen Jugendzeit, die das Alter<br />
rasch einholt und beendet.<br />
Der Dschailoo ist märchenhaft und<br />
paradiesisch. Blumen und Gräser der Alpen<br />
und Hochgebirge spriessen und blühen<br />
phantastisch. Helle und klare Bäche und<br />
Flüsse strömen von den Gletschern herab.<br />
Allerlei Getier und Vögel tummeln sich reichlich<br />
in den Bergwäldern. Es gibt Brennholz in<br />
Hülle und Fülle. Dieser Flecken Erde schenkt<br />
den Menschen die besten Tage des Lebens.
Die Kirgisen schlugen also zur Sommerszeit<br />
an diesen Stellen des Hochgebirges ihre Jurten<br />
auf. Und mit Beginn des Herbstes räumten<br />
sie wieder diesen Platz des Lebens, um<br />
in die Täler zurückzukehren. Dabei musste<br />
man sehr auf der Hut sein, damit der Pass<br />
vor der Rückkehr nicht schloss. Solche Fälle<br />
waren zwar selten, doch kam es vor, dass<br />
Menschen aus weiss Gott welchen Gründen<br />
den Zeitpunkt der Rückkehr verpassten und<br />
die Steppe nie mehr erreichten. Wenn der<br />
Pass verschlossen war, kamen die Menschen<br />
um – es gab keinen Ausweg mehr. Wer dort<br />
bei Anbruch des Winters zurückbleibt,<br />
kommt in den Schneemassen und bei den<br />
polaren Frösten um – sogar die Wölfe, die<br />
mit den Menschen zurückbleiben. Deshalb<br />
waren die Menschen darauf bedacht, die<br />
Zeit einzuhalten.<br />
Unser sommerlicher Nomadenzug<br />
nahm also seinen Anfang. Grossmutter<br />
Aimchan liess mich auf ein Pony steigen. Bis<br />
heute erinnere ich mich an das Pferdchen.<br />
Ja, man hat ein Kerlchen von fünf, sechs Jahren<br />
schon selbst reiten lassen. Für Kinder<br />
gab es Sättel, die auf beiden Seiten in Lendenhöhe<br />
Schutzleisten hatten, damit das<br />
Kind nicht nach links oder nach rechts vom<br />
Sattel rutschte. Sie ähnelten gewissermassen<br />
den Kinderstühlen in der Stadt, die<br />
auch so gesichert sind, dass die Kleinen am<br />
Tisch der Erwachsenen mit Platz nehmen<br />
können.<br />
Ich hatte also meinen Sattel und mein Pferdchen<br />
und war darauf mächtig stolz. Ich ritt<br />
selbständig im Zug der Nomaden mit. Das<br />
Pferdchen gehorchte mir. Man hatte mir<br />
kein ungestümes Pony ausgewählt, das Hals<br />
über Kopf ausreisst. Ich brauchte keine<br />
Angst zu haben.<br />
Und so ritt ich an der Seite von Grossmutter<br />
und den Verwandten. Wir setzten<br />
den Herden nach, den Pferden und Schafen.<br />
Auf dem Rücken der Kamele schaukelten<br />
die Trag lasten. Alle zog es zum grossen<br />
Dschailoo.<br />
Aber welche Vorbereitungen und<br />
Mühen kostet dieser Zug über die Pässe,<br />
um dort nur zwei Monate zu verbringen,<br />
danach zurückzukehren und von neuem<br />
dorthin aufzubrechen. Der Hin wie der<br />
Rückweg ist voller Beschwernisse und<br />
Gefahren. Mitunter kommt es dabei zu<br />
Naturkatastrophen. Aus heiterem Himmel<br />
bricht ein Schneesturm los, oder ein Erdrutsch<br />
begräbt Menschen und Tiere unter<br />
sich, zerstört Hab und Gut. Ganze Familien<br />
mit Kind und Kegel, mit Sack und Pack und<br />
all den Jurten sind unterwegs. Diese Zeit ist<br />
stets mit vielen Vorahnungen und Empfindungen<br />
verbunden.<br />
Die Nacht vor dem Zug zum Gebirgspass<br />
hat den Namen Schykama – das ist die<br />
Nacht der Sammlung. Der Nomadenstrom<br />
nähert sich dem Ort vor der allerletzten<br />
Wegstrecke in die Höhe.<br />
Unsere Karawanen versammelten sich dort<br />
gegen Abend. Es machte wenig Sinn, die Jurten<br />
nur für die eine Nacht zu errichten, deshalb<br />
rastete man in Zelten. Lagerfeuer<br />
brannten, an denen sich die Menschen<br />
wärmten.<br />
Am Fuss der Massen aus Eis und Schnee<br />
breitete sich ringsum die raue, schöne und<br />
majestätische Bergwelt aus. Und man<br />
dachte nur das eine: Wie werden wir morgen<br />
früh den Gebirgspass erstürmen? Sogar<br />
die Herden spürten diesen Augenblick vorweg<br />
– üblicherweise laufen die Tiere achtlos<br />
nach allen Seiten auseinander, aber hier verharrten<br />
sie alle an Ort und Stelle. Kein einziges<br />
Tier entfernte sich. Eine Nacht lang standen<br />
die Herden in dicht gedrängten Haufen.<br />
Die Alten – Frauen oder Männer –<br />
heben an den Lagerfeuern ihren Sprechgesang<br />
an. Sie appellieren an die Geister der<br />
Berge und Pässe. Sie tragen ihre Beschwörungen<br />
vor.<br />
«Nun sind wir am Fuss des Passes angelangt.<br />
Alle sind da – unsere Herden, die<br />
Familien und die Kinder, der Hausrat und<br />
die Jurten. Wir möchten dort hinauf, um<br />
das Licht der Welt zu erblicken. Jenseits des<br />
Passes liegen die frischen Wiesen und<br />
fliessen die klaren Flüsse. Wir wollen dort<br />
unseren Sommer verbringen.»<br />
Auszug aus: Tschingis Aitmatow, Kindheit in<br />
Kirgisien, Unionsverlag, Zürich, 1998.<br />
Das Kapitel «Grossmutter» erzählt aus der Zeit<br />
Mitte der 1930er Jahre.<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 23
Dossier<br />
«Nachhaltiger Tourismus<br />
bereichert die Kultur»<br />
<strong>Helvetas</strong> fördert in Kirgistan den ländlichen Tourismus. Das bringt Gäste aus<br />
aller Welt und dringend benötigte Einkommensquellen in abgelegene Bergregionen<br />
mit einer reichen Natur- und Kulturlandschaft. Fünf Fragen an Anar<br />
Orozobaeva, die sich für den ländlichen Tourismus engagiert.<br />
n Von<br />
Susanne Strässle<br />
Susanne Strässle: Tourismus ist kein klassisches<br />
Tätigkeitsfeld der Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Wie kann Tourismus zur<br />
Entwicklung bei tragen?<br />
Anar Orozobaeva: Kirgistan hat mit seiner<br />
eindrücklichen Berglandschaft an der Route<br />
der alten Seidenstrasse und seiner nomadischen<br />
Kultur viel zu bieten. Gewöhnlich verdienen<br />
aber vor allem Unternehmen in der<br />
Hauptstadt am Aufschwung des Tourismus<br />
im Land. Die Menschen vor Ort können<br />
weder mitreden noch mitverdienen. Lokal<br />
verankerter und ökologisch nachhaltiger<br />
Tourismus schafft wichtige Einkommensquellen<br />
für Menschen in Bergregionen, in<br />
denen es kaum Alternativen gibt.<br />
Ist Tourismus eine Chance oder eine<br />
Bedrohung für die lokale Kultur?<br />
380 Familien sind heute in unserem Berufsverband<br />
vertreten, und sie alle betreiben<br />
einen nachhaltigen Tourismus. Dadurch<br />
werden Traditionen nicht nur erhalten, sondern<br />
sogar gefördert.<br />
Etwa indem<br />
traditionelle Feste<br />
neu belebt werden.<br />
Wir organisieren<br />
Reitspiele, es gibt<br />
Festivals zu Folklore,<br />
Filzhandwerk,<br />
Kochen, Kunst und<br />
Hirten leben. Kulturell<br />
nachhaltig ist<br />
Tourismus, wenn er<br />
die Bedürfnisse der<br />
Leute vor Ort<br />
berücksichtigt. Tut<br />
er das nicht, führt<br />
das zu gesellschaftlichem<br />
Zerfall, steigenderKriminalität<br />
und Identitätsverlust.<br />
Bei uns<br />
liegt jedoch alles<br />
24 <strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
von der Planung bis zur Durchführung in<br />
den Händen der Einheimischen.<br />
Wie unterstützt <strong>Helvetas</strong> die im Tourismus<br />
tätigen Familien im Berggebiet?<br />
Das <strong>Helvetas</strong> Projekt zur ländlichen Tourismusförderung<br />
in Kirgistan hat unseren<br />
nationalen Berufsverband mitinitiiert. Der<br />
Verband unterstützt die im Tourismus tätigen<br />
Einheimischen dabei, ihre Angebote<br />
optimal zu gestalten und zu vermarkten.<br />
Wir definieren auch Qualitätsstandards,<br />
schaffen Kontakte zu Reiseveranstaltern,<br />
betreuen Touristen und wollen die Position<br />
des ländlichen Tourismus in Kirgistan<br />
stärken. Dabei fördern wir stets auch die<br />
Gemeinden, zum Beispiel durch Kulturfestivals<br />
oder Umweltaktionen.<br />
Wie sieht lokaler Tourismus in der Praxis<br />
aus?<br />
Die beteiligten Familien bieten Übernachtungsmöglichkeiten<br />
in traditionellen Jurten<br />
auf Sommerweiden oder in ihren Häusern<br />
an, sie arbeiten als ortskundige Reiseführer,<br />
vermieten Pferde, engagieren sich in Folklo<br />
Touristinnen lernen in Kirgistan einheimisches Handwerk und traditionelle Lebensweise kennen.<br />
reprogrammen oder machen Kunsthandwerk.<br />
Besonders beliebt sind Reit und Trekkingtouren<br />
in die kirgisische Bergwelt. Mit<br />
all dem verdienen die Menschen nicht nur<br />
ihren Lebensunterhalt, sondern sie verwirklichen<br />
auch ihr Ziel, ihre nomadische<br />
Lebensweise Besuchern aus aller Welt nahe<br />
zu bringen.<br />
Welche Gäste spricht das Angebot an und<br />
wie können Reisende davon Gebrauch<br />
machen?<br />
Der grösste Teil der über 7700 Reisenden,<br />
die 2007 unser Angebot genutzt haben, war<br />
zwischen 24 und 44 Jahre alt – darunter<br />
übrigens auch zahlreiche Schweizer. Es<br />
sind kulturell interessierte Menschen mit<br />
einem aktiven Lebensstil. Unsere Website<br />
www.cbtkyrgyzstan.kg informiert über das<br />
Angebot. Aber auch bekannte Reiseführer<br />
wie der «Lonely Planet» weisen darauf hin<br />
und Touranbieter arbeiten mit uns zusammen.<br />
Rund ein Fünftel der Besucher kommen<br />
dank der Empfehlung von Freunden,<br />
die von ihrer Reise nach Kirgistan begeistert<br />
waren!<br />
Anar Orozobaeva ist<br />
Initiantin und Geschäftsführerin<br />
des<br />
nationalen Berufsverbandes<br />
ländlicher<br />
Tourismusanbieter<br />
«Hospitality Kyrgyzstan»:www.cbtkyrgyzstan.kg.<br />
Susanne<br />
Strässle ist Redaktorin<br />
der «Partnerschaft».<br />
n<br />
Globotrek organisiert<br />
jeweils im Sommer<br />
<strong>Helvetas</strong>Reisen<br />
nach Kirgistan, auf<br />
denen Reisende in<br />
Kleingruppen das<br />
Nomaden leben und<br />
<strong>Helvetas</strong> Projekte<br />
kennen lernen: www.<br />
globotrek.ch/reisen/<br />
helvetasreisen
n Von Susanne Strässle<br />
Ein Staat ohne ländliches Strassennetz, Spitäler<br />
oder ein ausgebautes Schulsystem. Das<br />
war Bhutan vor 60 Jahren. Heute ist der<br />
Bergstaat im Himalaja ein modernes Staatswesen.<br />
Ein beispielloser Entwicklungsprozess,<br />
an dem auch die Schweiz und <strong>Helvetas</strong><br />
partnerschaftlich beteiligt waren (siehe Kasten<br />
S. 27 oben). Und einer, in dem auch die<br />
unscheinbare Kartoffel eine Hauptrolle<br />
spielte, denn die Kartoffel hat das Leben in<br />
Bhutans Bergwelt grundlegend verändert.<br />
Schweizerisch-bhutanesische<br />
Kartoffelsaga<br />
Nach Bhutan gekommen ist die Kartoffel<br />
spätestens in den 1770er Jahren mit englischen<br />
Kolonialbeamten aus Indien, die sie<br />
versuchsweise anpflanzten. Die Bhutaner<br />
lernten die ertragreiche und winterfeste<br />
Knolle, die in Höhenlagen zwischen 300 bis<br />
zu 4500 m ü. M. gedeiht, bald schätzen.<br />
Sie ist wie geschaffen für das Land, ist doch<br />
ihre Heimat in den Anden dem Himalaja<br />
nicht unähnlich. Ihre Wertschätzung in<br />
Bhutan zeigt sich auch darin, dass die Kartoffel<br />
von den Buddhisten gar als Gabe auf<br />
dem Altar dargebracht wird.<br />
«Die Erfolgsgeschichte der Kartoffel ist<br />
zuallererst der Eigeninitiative der bhutanesischen<br />
Bauern zu verdanken», betont Walter<br />
Roder, neuer <strong>Helvetas</strong> Programmleiter in<br />
Bhutan mit langjähriger Erfahrung in Entwicklungsprojekten<br />
in Bhutan. «Und doch<br />
hätte sie ohne die Einführung neuer Sorten,<br />
die Förderung der Saatkartoffelproduktion<br />
und einer modernen Vermarktung nie die<br />
heutige Bedeutung erlangen können.»<br />
Hierzu hat <strong>Helvetas</strong> mit ihren landwirt<br />
Eine Knolle verändert<br />
Bhutan<br />
Kann etwas so Alltägliches wie die<br />
Kartoffel ein Land verändern und ein<br />
Katalysator für Entwicklung sein?<br />
Sie kann. Für Bhutans Bergbauern ist<br />
die Kartoffel ein Weg in die Zukunft.<br />
schaftlichen Programmen in Bhutan über<br />
Jahrzehnte wichtige Beiträge geleistet. Dies<br />
geschah stets in enger Zusammenarbeit mit<br />
der Regierung Bhutans und unterstützt von<br />
der DEZA schon seit den Siebziger Jahren im<br />
Rahmen von Projekten zur Ländlichen Entwicklung.<br />
In den Achtziger und Neunzigerjahren<br />
wurde der Kartoffelanbau und vertrieb<br />
im Nationalen Kartoffelprogramm und<br />
in den letzten rund zehn Jahren durch die<br />
Unterstützung der Forschung gefördert.<br />
Vielleicht ist es kein Zufall, dass zwei<br />
Bergländer so gut zusammenarbeiten.<br />
«Unsere Erfahrungen in einer Gebirgslandschaft,<br />
mit ähnlichen Produktionsweisen im<br />
Wechsel von Pflanzenanbau und Tierzucht,<br />
vergleichbaren Betriebsgrössen und Synergien<br />
zwischen Landwirtschaft und Tourismus<br />
könnten ein Vorteil sein», schätzt<br />
Walter Roder.<br />
Die Kinder lieben die Knolle<br />
Die Kartoffel ist auch ernährungs technisch<br />
ein kleines Wunder. Zwar gefährden Wildschweine<br />
die Ernte, sodass die Felder öfters<br />
selbst nachts bewacht werden müssen.<br />
Gleichzeitig generiert die Kartoffel aber pro<br />
Hektare mehr Nährwert als viele andere<br />
Pflanzen.<br />
In höheren Lagen hat sie den Anbau von<br />
traditionellen Kulturen wie Weizen und<br />
Buchweizen abgelöst, die mehr Land und<br />
Arbeitseinsatz verlangten, aber weniger<br />
Ertrag einbrachten. Zudem lassen sich Kartoffeln<br />
vergleichsweise gut transportieren<br />
und lagern. Die Knolle stellt neben Rettich<br />
und Rüben im Winter oft das einzige frische<br />
Gemüse dar.<br />
Auch die Vielseitigkeit der Kartoffel in<br />
der Küche ist ein Trumpf. Dass sie sich mit<br />
anderen beliebten Zutaten wie Chili, Käse<br />
und Fleisch gut kombinieren lässt, macht sie<br />
noch attraktiver. Heute sind der Anbau und<br />
Verbrauch pro Kopf in Bhutan höher als in<br />
den meisten asiatischen Ländern, und die<br />
Kartoffel ist auch im Land selber Spitzenreiter<br />
unter den Gemüsesorten.<br />
Da wundert es nicht, dass Bhutan mittlerweile<br />
ein KartoffelNationalgericht hat,<br />
dass den Einheimischen nicht weniger lieb<br />
ist als uns die Rösti. Kewa Datshi, eine bestechend<br />
einfache Zubereitung aus Kartoffeln,<br />
einer Art Hüttenkäse und Chili, ist das<br />
meistgegessene Kartoffelgericht im Land<br />
und eine Leibspeise der Kinder (siehe<br />
RezeptKasten). Die Bhutaner erklären ihren<br />
Das Uno-Jahr der<br />
Kartoffel 2008<br />
Das UnoJahr der Kartoffel soll auf deren immense<br />
Bedeutung in der Welternährung aufmerksam<br />
machen. Sie kann einen wichtigen<br />
Beitrag zur Erreichung der MillenniumsZiele<br />
im Kampf gegen Hunger und Mangelernährung<br />
leisten.<br />
Wussten Sie, dass die Kartoffel...<br />
... im 16. Jahrhundert aus den Anden nach<br />
Europa kam, wo sie anfangs als Zierpflanze<br />
sowie als Arznei und Fruchtbarkeitsmittel galt<br />
und lange nicht gegessen wurde, da man<br />
glaubte, die «Heidennahrung» mache dumm<br />
und krank?<br />
... sich erst durch Hungersnöte und die Teuerung<br />
um 1770 in Europa durchsetzte?<br />
... das Ende des europäischen Feudalsystems<br />
einläutete, da auf ihr kein Zehnten abgeliefert<br />
werden musste und sie deshalb den Bauern<br />
eine einmalige Chance für freies Wirtschaften<br />
bot?<br />
... die industrielle Revolution beschleunigte,<br />
weil sie als «Brot der Armen» die Arbeiter<br />
nährte?<br />
... in Europa am belibtesten ist (96 kg/J. isst<br />
jeder Europäer), jedoch in Asien fast die<br />
Hälfte der Weltproduktion verspiesen wird<br />
(über 100 Mio. t)?<br />
... weltweit in rund 7500 Sorten vorkommt?<br />
���<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 25
Dossier<br />
���<br />
26<br />
steigenden Kartoffelkonsum sowieso gerne<br />
damit, dass ihre Kinder die Kartoffelgerichte<br />
einfach lieben.<br />
Kartoffeln pflanzen,<br />
Einkommen ernten<br />
Dass die Kartoffel eine so wichtige Rolle<br />
in Bhutans Entwicklung spielte, hat aber<br />
einen ganz anderen Grund: Mit Kartoffeln<br />
können Kleinbauern gutes Geld verdienen.<br />
Für Bäuerinnen und Bauern, die ihre Felder<br />
auf über 2500 m haben, ist sie oft das einzige<br />
Agrarprodukt, das sie verkaufen können. Der<br />
Kartoffelanbau ist daher paradoxerweise ein<br />
Grund dafür, warum heute auch mehr Reis<br />
gegessen wird in Bhutans Bergen: Die Bauern<br />
haben nun die Möglichkeit, ihn zu kaufen.<br />
Kewa Datshi<br />
(«Kartoffeln und Käse»)<br />
Für 2 Personen<br />
4 grosse, festkochende Kartoffeln<br />
schälen, vierteln und in Schnitze<br />
von 3–4 mm schneiden<br />
150 g Feta, Hüttenkäse oder Ziger<br />
in kleinen Stücken<br />
2 kleine rote Zwiebeln gehackt<br />
1 EL Butter<br />
1 TL Salz<br />
1 TL gemahlener Chili<br />
2 Knoblauchzehen gepresst<br />
Die Kartoffelstücke mit Butter, Salz und<br />
Chili in eine beschichtete Bratpfanne<br />
geben, mit 3,5 dl kaltem Wasser bedecken<br />
und bei grosser Hitze in ca. 20 min.<br />
zugedeckt gar kochen. Das Gericht soll<br />
weder zu wässrig noch zu trocken sein,<br />
daher stets etwas Wasser beifügen,<br />
wenn die Flüssigkeit ausgeht. Nach halber<br />
Kochzeit Zwiebeln beigeben. Knoblauch<br />
und den Käse kurz vor Ende der<br />
Garzeit einstreuen und Hitze reduzieren.<br />
Ca. 2 Minuten weiterkochen, sodass der<br />
Käse schmilzt. Umrühren, damit Käse<br />
und Restwasser eine weisse, cremige<br />
Sauce bilden. Mit Salz abschmecken.<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
Kartoffeln sind eine<br />
Leibspeise von Bhutans<br />
Kindern: Schulkinder<br />
bringen sie fertig<br />
zubereitet von zuhause<br />
mit und essen<br />
sie gemeinsam in der<br />
Mittagspause.<br />
Es sind vor allem Kleinbauern mit<br />
wenig Land, denen die Kartoffel das dringend<br />
nötige Einkommen bringt. Im Bumthang<br />
Distrikt, der lange Jahre ein Zentrum<br />
der <strong>Helvetas</strong> Arbeit war, hat 1970 niemand<br />
Kartoffeln verkauft, im Jahr 2000 waren es<br />
50% der Bevölkerung. Tendenz und Anbaumenge<br />
steigen stetig. In der Folge ist auch<br />
die Viehzucht aufgeblüht: Sie ergänzt sich<br />
gut mit dem Kartoffelanbau, zumal auf dem<br />
gleichen Boden nicht pausenlos Kartoffeln<br />
angepflanzt werden sollten.<br />
Auch Bhutan wird zwar immer mehr<br />
zur zu einer städtischen Gesellschaft, dennoch<br />
bleibt die Landwirtschaft wichtig. Sie<br />
hat sich aber von der reinen Selbstversor<br />
Ein Grossteil der Kartoffeln wird von den Bauern in das Auktionszentrum gebracht.<br />
Es verschafft 7000 Familien Marktzugang und erlaubt es ihnen, die Ernte zu guten Preisen<br />
zu verkaufen.
Erfolgreiche Partner schaft Schweiz-Bhutan<br />
Seit 1907 hat die WangchuckDynastie<br />
Bhutan in vorbildlicher Weise in eine neue<br />
Zeit geführt und das Fundament für eine<br />
demokratische Regierungsform geschaffen,<br />
die nun 2008 in Kraft getreten ist. Das Buch<br />
«Far apart and close together» folgt diesem<br />
Entwicklungsprozess, an dem die Schweiz<br />
seit 1950 aktiv mitgearbeitet hat. Stets<br />
orientierte er sich an der Philosophie des<br />
«Bruttosozialglücks», wonach keine Entwicklung<br />
zu Lasten kommender Generationen<br />
gehen darf und Respekt vor Kultur und<br />
Tradition, Rücksicht auf die Natur und nachhaltige<br />
Führungsarbeit unabdingbar für<br />
den Weg in eine glückliche Zukunft sind. Das<br />
neue Buch dokumentiert die erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit zwischen den beiden<br />
gung zu einem modernen, marktorientierten<br />
Wirtschaftssektor entwickelt. «Mit der<br />
Kartoffel als Katalysator des sozioökonomischen<br />
Wandels», wie Karma Nidup, Leiter<br />
des Nationalen Kartoffelprogramms, erklärt.<br />
Sie bot eine Chance, die sowohl Bauern als<br />
auch Kosumenten im Land rasch ergriffen<br />
haben.<br />
Während in Bhutan Getreide meist für<br />
den Eigenkonsum angebaut wird, gelangen<br />
von den Kartoffeln rund drei Viertel auf den<br />
Markt. Sie werden über eine Auktionszentrale<br />
verkauft: ein Vertriebssystem, das den<br />
rund 7000 Bauernfamilien, die davon<br />
Gebrauch machen, bessere Marktchancen<br />
bringt. Ebenso hat <strong>Helvetas</strong> den Bau von<br />
ländlichen Erschliessungsstrassen gefördert,<br />
der neue Transportmöglichkeiten und damit<br />
den Marktzugang überhaupt ermöglicht hat.<br />
Exportschlager aus den<br />
Bergen<br />
Bhutan produziert heute so viele Kartoffeln,<br />
dass es sogar den grossen Nachbarn Indien<br />
damit beliefern kann. Heute werden 4050%<br />
aller Kartoffeln dorthin verkauft. Vor allem<br />
im Sommer sind sie ein Exportschlager.<br />
Denn im indischen Tiefland ist es schwierig,<br />
Saatgut zu produzieren, und Kartoffeln<br />
lassen sich während der Sommermonsunmonate<br />
nicht anbauen. Somit können die<br />
bhutanesischen Kleinbauern, deren oft<br />
steile Felder mehrheitlich auf kühlen 1800<br />
und 3000 m ü. M. liegen, sie zu relativ guten<br />
Preisen verkaufen.<br />
Ohne die Kartoffel müssten viele<br />
Bauern einer zusätzlichen Arbeit ausser<br />
Haus nachgehen oder, davon sind manche<br />
Bauern überzeugt, auswandern. Die Kartoffel<br />
hat also Potential, Landflucht und Ver<br />
Berg ländern, die 1950 mit der Freundschaft<br />
zweier junger Frauen begann und<br />
von der Familie von Schulthess zur Foundation<br />
Pro Bhutan und zu <strong>Helvetas</strong> führte,<br />
die seit 1975 mit Unterstützung der DEZA<br />
in Bhutan tätig ist. Ausführlich werden die<br />
Programme vorgestellt, insbesondere in<br />
den Bereichen Land und Forstwirtschaft,<br />
ländliche Infrastruktur und Kleingewerbeförderung.<br />
Eben so die Mitarbeit im<br />
Bildungsbereich, im Gesundheitswesen<br />
und schliesslich bei der Förderung von<br />
Good Governance. Der bebilderte Band, in<br />
den auch Geschichten und Anekdoten eingeflochten<br />
sind, blickt zudem in die<br />
Zukunft einer starken Partnerschaft. (UR)<br />
städterung, die in Bhutan zum Problem werden,<br />
zu bremsen. Wenn die Bauern genügend<br />
produzieren und Gewinn bringend<br />
verkaufen können, haben sie einen Grund<br />
weniger, ihre Felder in den Bergen zu verlassen.<br />
«Wir verdanken es der Kartoffel, dass<br />
unsere Kinder heute die Schule besuchen<br />
können», erzählt die Bäuerin Sonam Choden<br />
bergwärts<br />
Dem «Brot der Armen» auf der Spur<br />
Gut zu wissen Wanderzeit: 5h. Steigung: �� je 400m<br />
An-/Rückreise Von Lugano via Lamone mit dem Postauto nach Arosio<br />
Route Arosio – Mugena – Vezio – Fescoggia – Caroggio – Mugena – Arosio<br />
Im Tessin galt nicht die Kartoffel, sondern die Kastanie einst als «Brot der Armen». Der Kastanienweg<br />
(Sentiero del Castagno) erzählt ihre Kulturgeschichte. Er beginnt in Arosio (859 m ü. M.) im Malcantone.<br />
Vom Grotto Sgambada aus wandert man zum Kastanienhain von Induno, dann zur Kirche San<br />
Michele. Weiter geht’s Richtung Mugena zu einem schönen Aussichtspunkt über das Malcantone.<br />
Nach dem malerischen Mugena<br />
wandert man nach «Busgnone».<br />
Dann über Waldwege längs des<br />
Valle di Firinescio und oberhalb<br />
von Vezio durch Kastanienhaine<br />
zum Dorf Fescoggia. Der Rückweg<br />
führt teilweise auf dem<br />
Strässchen erst bergab Richtung<br />
Caroggio, dann hinauf nach Mugena<br />
und zurück nach Arosio.<br />
Info Broschüre zur Wanderung:<br />
www.malcantone.ch/<br />
attachment.php?id= 85 (SUS)<br />
Far apart and close together. Herausgegeben<br />
von der Gesellschaft Schweiz-Bhutan,<br />
inkl. DVD, Texte in Englisch mit Zusammenfassungen<br />
in D/F. Ab September für Fr. 69. –<br />
erhältlich über www. bhutan-switzerland.org,<br />
wolfau-druck@bluewin.ch oder im Buchhandel.<br />
aus Yangner. Die Kartoffel beeinflusst längst<br />
nicht nur den Menuplan der Familien, sondern<br />
ihren Lebensstandard heute und den<br />
der kommenden Generationen.<br />
Susanne Strässle ist Redaktorin<br />
der «Partnerschaft». n<br />
Von der Armenkost zur Delikatesse: Tessiner Kastanie.<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 27
<strong>Helvetas</strong> Freiwilligenarbeit Dossier<br />
28<br />
Ohne Klos nix los!<br />
Ein Leben ohne Toiletten: für Milliarden von Menschen im Süden Realität. Höchste Zeit,<br />
aktiv zu werden. Die Aktion der <strong>Helvetas</strong> Freiwilligen und unser Videoclip-Wettbewerb zum<br />
Internationalen Jahr der Sanitären Grundversorgung 2008 gibt Gelegenheit dazu.<br />
n Von Lisa Krebs<br />
2,6 Milliarden Menschen fehlt, was für uns<br />
selbstverständlich ist: eine Toilette. Sie leben ohne<br />
Zugang zu sanitärer Grundversorgung. Die<br />
Folgen sind fatal.<br />
Keine Toiletten – ein Skandal!<br />
Allein an Durchfallerkrankungen sterben täglich<br />
5000 Kinder. 1,3 Million Menschen fallen jedes<br />
Jahr der Malaria zum Opfer. Infektions und<br />
Wurm erkrankungen schränken die Leistungsfähigkeit<br />
der Menschen ein und sind ein Grund<br />
für die langsame Entwicklung in den Ländern des<br />
Südens. Das ist ein Skandal.<br />
Auf diese prekäre Situation will die Uno mit<br />
dem Jahr der sanitären Grundversorgung 2008<br />
weltweit aufmerksam machen. <strong>Helvetas</strong> trägt<br />
diese wichtige Kampagne mit. Für uns ist die<br />
sanitäre Grundversorgung seit langem ein<br />
Schwerpunktthema. Wir setzen uns seit mehr als<br />
vierzig Jahren mit zahlreichen Projekten für konkrete<br />
Verbesserungen ein.<br />
In verschiedenen Ländern des Südens werden<br />
Latrinen und Toiletten gebaut. <strong>Helvetas</strong> bietet<br />
Kurse an, in denen die Menschen den Bau und<br />
den Unterhalt von sanitären Installationen lernen.<br />
Zudem wird die Bevölkerung über die Zusam<br />
Aktiv werden<br />
Hast du Lust, aktiv zu werden für eine bessere<br />
Welt? Willst du mehr tun, als Geld spenden?<br />
Willst du deine Zeit und deine Fähigkeiten<br />
zur Verbesserung der Situation von<br />
Menschen in Entwicklungsländern zur Verfügung<br />
stellen?<br />
Dann bist du bei <strong>Helvetas</strong> am richtigen Ort.<br />
Bei uns kannst du dich für die Information<br />
und Sensibilisierung der Bevölkerung in der<br />
Schweiz einsetzen und damit den Ärmsten<br />
der Welt eine Stimme geben.<br />
Genauere Angaben über die Aktivitäten zum<br />
Jahr der sanitären Grundversorgung, das<br />
Mitwirken in Regionalgruppen und mögliche<br />
Einzeleinsätze findest du unter<br />
www.helvetas.org. Individuelle Auskunft<br />
gibt dir die Freiwilligenkoordinatorin Lisa<br />
Krebs (lisa.krebs@helvetas.org).<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
menhänge zwischen Krankheit und Hygiene aufgeklärt.<br />
Ohne Freiwillige geht nichts<br />
Diese Massnahmen befähigen Menschen, die<br />
sanitäre Grundversorgung in ihrer Gesellschaft in<br />
die eigenen Hände zu nehmen. Die Projektarbeit<br />
vor Ort ist aber nur eine Seite der Medaille. Ebenso<br />
wichtig ist die Information und Sensibilisierung<br />
der Bevölkerung in der Schweiz, die mit ihrer<br />
Unterstützung das <strong>Helvetas</strong> Engagement im<br />
Süden überhaupt möglich macht.<br />
Für diese Sensibilisierungsarbeit und die<br />
Mittelbeschaffung in der Schweiz sind zurzeit<br />
über Hundert Freiwillige aktiv. Sie stellen ihre<br />
Freizeit und ihre Fähigkeiten zur Verfügung, um in<br />
allen Landesteilen die Anliegen von Benachteiligten<br />
in Ländern des Südens und die Arbeit von<br />
<strong>Helvetas</strong> bekannt zu machen. Auch zum Jahr der<br />
sanitären Grundversorgung sind die freiwilligen<br />
Mitarbeitenden für <strong>Helvetas</strong> im Einsatz.<br />
Mit einem Tabuthema auf die<br />
Strasse<br />
Über Fäkalien und Toiletten spricht niemand gerne.<br />
Deswegen ist die Aktion zum Jahr der sanitären<br />
Grundversorgung eine spezielle Herausforderung.<br />
Die Freiwilligen gehen mit diesem Tabuthema<br />
auf die Strasse. Sie machen anlässlich von<br />
Strassenaktionen die Passantinnen und Passanten<br />
auf das weltweite Problem fehlender sanitärer<br />
Anlagen aufmerksam und brechen das<br />
Schweigen über den Skandal.<br />
An diesen Anlässen werden Schauspieler mit<br />
überraschenden Performances Passantinnen und<br />
Passanten aufrütteln. Die Aktion findet im September<br />
in verschiedenen Schweizer Städten statt.<br />
Dazu werden Freiwillige gesucht, die an einzelnen<br />
Tagen die Strassenaktion begleiten. Sie informieren<br />
Interessierte, suchen das Gespräch auf<br />
der Strasse und beantworten Fragen zu den<br />
Hintergründen. Ein sinnvoller Einsatz für ein Thema,<br />
das nicht länger hinter verschlossenen (Klo)<br />
Türen bleiben soll!<br />
Der Einsatz an einem Tag dauert maximal vier<br />
Stunden. Für Kontaktinformationen siehe Kasten.<br />
Lisa Krebs ist Koordinatorin der Freiwilligenarbeit<br />
bei <strong>Helvetas</strong> auf der Geschäftsstelle in<br />
Zürich. �<br />
Wettbewerb<br />
VideoclipWettbewerb<br />
Mach auf die Misere fehlender sanitärer<br />
Grundversorgung aufmerksam und drehe<br />
mit deinem Handy oder deiner Digicam deinen<br />
eigenen Clip zum Thema «No toilet,<br />
no…»! Die eingesandten Clips werden von<br />
<strong>Helvetas</strong> laufend auf youtube veröffentlicht.<br />
Die besten Beiträge werden an einer öffentlichen<br />
Veranstaltung im November 2008<br />
präsentiert. Es winken attraktive Preise.<br />
Nähere Infos zu den Wettbewerbsbedingungen<br />
und den technischen Anforderungen<br />
ab September auf www.helvetas.org<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von<br />
<strong>Helvetas</strong> sind nicht zur Teilnahme<br />
berechtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Neuland der Solidarität entdecken<br />
Eine bessere Welt schaffen – das beginnt vor der eigenen Haustür. Schülerinnen und Schüler<br />
der italienischen Schweiz blicken in einem von <strong>Helvetas</strong> mitgetragenen Projekt über ihren Horizont<br />
hinaus und krempeln die Ärmel hoch. Der Lohn für den schweisstreibenden Einsatz ist die<br />
beglückende Erfahrung gelebter Solidarität.<br />
n Von Claire Fischer<br />
Viele Jugendliche können sich nicht vorstellen,<br />
von welch weit reichender Bedeutung der Beitrag<br />
eines Einzelnen sein kann, so bescheiden er auch<br />
scheinen mag. Mit dem Ziel, junge Leute zu motivieren,<br />
sich einzubringen und ihre Rolle in der<br />
Gemeinschaft wahrzunehmen, ist vor drei Jahren<br />
das Projekt «Creiamo un mondo migliore» (Lasst<br />
uns eine bessere Welt schaffen) entstanden. Das<br />
Projekt des <strong>Helvetas</strong> Sekretariates für die italienische<br />
Schweiz und der Stiftung für Bildung und<br />
Entwicklung wird von fünf Lehrerinnen und Lehrern<br />
mit rund 100 Schülern durchgeführt.<br />
Den eigenen Horizont<br />
erweitern<br />
In einer ersten Phase einigten sich die beteiligten<br />
Klassen auf die Werte, die sie vertreten und fördern<br />
wollen. In einem zweiten Schritt sind die<br />
Jugendlichen nun selber aktiv geworden: Die<br />
Klassen hatten den Auftrag, Aktionstage im Bereich<br />
Umweltschutz in ihrer Region zu organisieren,<br />
die sie gemeinsam mit den anderen Klassen<br />
durchführen würden.<br />
Die Jugendlichen haben dazu eigenständig<br />
die Personen kontaktiert, die ihnen dabei helfen<br />
sollten: Experten, Eltern, Lehrerinnen. Und sie haben<br />
ihre Aktionen bis ins Detail geplant. Sie lernten<br />
dabei, eine Sache selbst in die Hand zu nehmen<br />
– ein praktisches Beispiel für «Empowerment»,<br />
von dem in der Entwicklungszusammenarbeit<br />
so oft die Rede ist. Damit ist gemeint, dass<br />
Menschen durch Beratung, Training und Ausbildung<br />
dazu befähigt werden, ihre Lebensbedingungen<br />
aktiv mitzugestalten und dass Gemein<br />
schaftsstrukturen geschaffen werden, die ihnen<br />
dies ermöglichen.<br />
Das Ziel der Aktionen war ein doppeltes: partnerschaftlich<br />
aktiv werden und über den eigenen<br />
Horizont hinausblicken. Das Konzept der Grenze<br />
war ein Leitfaden über die Projektzeit hinweg,<br />
denn die Jugendlichen sollten sich ihrer persönlichen<br />
Grenzen bewusst werden: Wo endet mein<br />
Universum? Vor meiner Haustür, am Dorfrand, an<br />
meiner Schule? Kann ich diese Grenzen überschreiten,<br />
wenn es um das Allgemeinwohl geht?<br />
Worte und Werte in die Tat<br />
umsetzen<br />
Am 13. Mai 2008 wurden die von langer Hand<br />
geplanten Initiativen in die Tat umgesetzt. Die<br />
fünf Klassen brachen nach Gordevio im unteren<br />
Maggiatal auf: Für viele von ihnen Neuland, obwohl<br />
es gleich vor ihrer Haustür liegt. Nach dem<br />
herzlichen Empfang durch den Bürgermeister<br />
und den Tourismusdirektor haben sich die Klassen<br />
in neue, durchmischte Gruppen aufgeteilt.<br />
Den Einsatzort dieses Tages bildeten die Auen<br />
in der Nähe des Dorfes, eine Naturlandschaft,<br />
in der der Artenreichtum des Tieflandes auf den<br />
der Alpen trifft. In Fischerstiefeln, mit Harken,<br />
Gartenhandschuhen und genauen Instruktionen<br />
ausgerüstet, machten sie sich an die Arbeit.<br />
Rund dreissig Erwachsene begleiteten die<br />
Initiative, Experten die ihr Wissen und Können<br />
kostenlos zur Verfügung stellten und die Jugendlichen<br />
anspornten, die Ärmel hoch zu krempeln .<br />
Zögerten am Anfang noch einige Schülerinnen<br />
und Schüler, sich die Hände schmutzig zu machen,<br />
so hat sie der Enthusiasmus bald alle gepackt.<br />
Die Befriedigung über das Erreichte liess<br />
sich auf ihren Gesichtern ablesen und auch das<br />
Erstaunen darüber, was sie in so kurzer Zeit bewirken<br />
konnten – und erst noch mit Vergnügen.<br />
Eindrückliches Tagwerk<br />
Die Jugendlichen reinigten einen stillgelegten<br />
Campingplatz, der in eine Weide zurückverwandelt<br />
werden soll. Sie stellten in der Moor und<br />
Teichlandschaft kleine Dämme instand, um<br />
Sumpftieren einen Unterschlupf zu schaffen. Sie<br />
jäteten wuchernde exotische Pflanzen aus – und<br />
entfachten schliesslich auch Grillfeuer, um ihre<br />
Würste zu bräteln.<br />
Ein Bauer traute seinen Augen kaum, als sein<br />
Land, das am Morgen noch über wuchert gewesen<br />
war, am Abend von Ast und Buschwerk befreit<br />
vor ihm lag. Doch auch abgesehen von den<br />
unmittelbar sichtbaren Resultaten ermöglichte<br />
die Aktion allen die Erfahrung von Kooperation<br />
und Partnerschaft. Die Teenager konnten ihre<br />
Ressourcen einbringen und in der Gruppe ein Ziel<br />
erreichen. Kurz: mit ihren eigenen Mitteln und<br />
Möglichkeiten eine bessere Welt schaffen.<br />
Oder wie es der 13jährige Leo aus Lodrino<br />
ausdrückte, der an dem Tag den eingeschleppten<br />
aggressiven Riesenbärenklau ausjätete: «Ich<br />
hätte nie gedacht, dass eine Pflanze derart die<br />
Haut reizen kann. Ich liebe es, in der Erde zu buddeln,<br />
neue Leute zu treffen – und am Ende eines<br />
erfolgreichen Tages gemeinsam fürs Gruppenfoto<br />
zu posieren.»<br />
Claire Fischer ist Medienverantwortliche des<br />
<strong>Helvetas</strong> Sekretariates der italienischen<br />
Schweiz. �<br />
Wenn Sie Fragen zum Projekt haben oder<br />
sich für die <strong>Helvetas</strong> Schularbeit in der<br />
italienischen Schweiz interessieren,<br />
kontaktieren Sie Frau Isabella Medici, die<br />
das <strong>Helvetas</strong> Sekretariat in Balerna leitet<br />
(isabella.medici@helvetas.org) oder<br />
Tel. 091 683 17 10).<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008 29
Welt- und umweltverträglich handeln<br />
30<br />
Die Farben der Welt feiern<br />
Pashmina ist der nepalesische Name für Kaschmir.<br />
Das hochwertige Garn des <strong>Helvetas</strong> Pashminaschals<br />
wird aus den feinsten Haaren der Chyangra<br />
Bergziege aus dem Himalaja gesponnen. An dem<br />
mit Seide bespannten Webstuhl weben Männer<br />
die feinen PashminaStoffe. Für die Weiterverarbeitung<br />
sind die Frauen zuständig. Die Schals<br />
werden dank langem Kneten und Bürsten weich<br />
und fein. Das soziale Unternehmen, das von zwei<br />
Schwestern geführt wird, bietet rund 30 Frauen<br />
und einigen Männern einen Arbeitsplatz. Die Qualität<br />
der Schals ist ausgesprochen gut, sie<br />
«Chitra» und «Gita»<br />
Wunderschöne Box zum Ordnen und Aufbewahren<br />
von bis zu 350 Fotos oder 13 CDs. Hergestellt<br />
in Nepal aus handgeschöpftem Papier.<br />
Fotobox: 16 x 10,5 x 11,5 cm, mit 4 Registerkarten,<br />
Blau (NEC1), Rot (NEC2), Schwarz (NEC3),<br />
Gelb (NEC4) Fr. 16.–<br />
CD-Box: 14 x 14 x 15,5 cm, Blau (NEB1), Rot<br />
(NEB2), Schwarz (NEB3), Gelb (NEB4) Fr. 16.–<br />
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Schöpfen von Loktapapier – eine der ältesten<br />
KunsthandwerksTraditionen Nepals. Der Rohstoff<br />
für das Papier ist die Rinde des LoktaBuschs<br />
(Seidelbast), der auf 2000 bis 3000 m ü. M. im<br />
Himalaja wächst. Das Nepalpapier ist eines der<br />
edelsten handgeschöpften Papiere der Welt, es<br />
ist besonders fest und kann sehr gut beschrieben<br />
werden. Das Papierschöpfen geschieht in kleinen<br />
Kunsthandwerksbetrieben im Mittelgebirge auf<br />
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(NEI4), Blau (NEI5), Schwarz (NEI6) Fr. 24.–
Neu! <strong>Helvetas</strong><br />
Panorama kalender<br />
2009<br />
Der <strong>Helvetas</strong> Panoramakalender 2009 ist dem<br />
Thema «Farben dieser Welt» gewidmet. Die hervorragenden<br />
Aufnahmen zeigen, wie farbenfroh<br />
die Natur und die Kultur des Südens sind. Die<br />
Bedeutungen der Farben mögen rund um den<br />
Erdball variieren, doch werden sie in jedem Kulturkreis<br />
benützt, um die eigene Identität besser<br />
zu veranschaulichen. Lassen Sie sich diesen<br />
wunderschönen Begleiter durchs Jahr nicht entgehen.<br />
Zu den einzelnen Bildern gibt es Legenden<br />
in <strong>Deutsch</strong>, Französisch, Spanisch, Englisch<br />
und Italienisch. Format 56 x 28 cm, (K09) Fr. 34.–<br />
Ab 5 Exemplaren Fr. 27.20<br />
Gedruckt auf FSC Papier<br />
Tibeter Mönch, China (DNR1)<br />
Auf dem Weg von Mopti nach Timbuktu (DNR4)<br />
Neu! Kartenset<br />
«Kalender 2009»<br />
Sechs der schönsten Sujets aus dem <strong>Helvetas</strong><br />
Panoramakalender 2009 zum Thema «Farben<br />
der Welt». Format 21 x 10,5 cm, (DNR) Fr. 15.–,<br />
Einzelkarte mit Couvert Fr. 3.– (Code siehe<br />
Abbildung)<br />
NEU! Lass uns feiern!<br />
«Ein Leben ohne Feste ist wie eine Reise ohne<br />
Einkehr.» Was der griechische Philosoph Demokrit<br />
vor über 2000 Jahren schrieb, hat auch heute<br />
noch Gültigkeit. Feste und Feiertage markieren<br />
Lebensetappen, bringen Freude und Farbe in den<br />
Alltag und lassen die Menschen für einen<br />
Moment ihre Sorgen vergessen. Ein bunter<br />
Strauss von 30 Farbfotografien und Sprichwörtern<br />
aus der ganzen Welt rund um das Thema<br />
Fest sind in diesem Geschenkbuch zusammengestellt<br />
und machen es zu einem passenden<br />
Präsent «zur Feier des Tages».<br />
Blaue Moschee, Afghanistan (DNR2)<br />
Kinder tanzen an Weihnachtsfeier, Peru (DNR5) Farbenfroher Palast, Jemen (DNR6)<br />
64 Seiten, 30 Farbbilder, 16 x 16 cm, gebunden,<br />
<strong>Helvetas</strong>/Werd Verlag, <strong>Deutsch</strong> (BGK), Französisch<br />
(BGM) Fr. 24.–<br />
Kinder in einer Jurte, Mongolei (DNR3)<br />
Einkaufen – ganz<br />
einfach!<br />
Telefon 044 368 65 65<br />
Fax 044 368 65 80<br />
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Internet www.helvetas.ch<br />
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Alle Produkte können Sie sich auch zu<br />
Hause in unserem OnlineShop ansehen<br />
und unter www.helvetas.ch bestellen.<br />
Oder besuchen Sie unsere Boutique,<br />
wenn Sie unsere Artikel besichtigen, vergleichen<br />
oder anprobieren möchten.<br />
<strong>Helvetas</strong> Boutique<br />
Weinbergstrasse 22a, Zürich<br />
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag<br />
8 bis 17 Uhr (durchgehend).<br />
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apropos Dossier<br />
32<br />
Theater «Afriopa – eine koloniale Clowneske»<br />
Wenn Clowns über die<br />
Kolonialgeschichte stolpern<br />
Ein Raum, zwei Pulte – eines gross und wuchtig,<br />
eines klein und klapprig – stehen zwischen einem<br />
Berg aus Kartonschachteln und einem Ventilator,<br />
der im Tropenklima dieses fiktiven Afrika für<br />
Linderung sorgen soll. Wir befinden uns im Büro<br />
der Firma «Commerce sans frontières». Womit<br />
hier genau gehandelt wird, bleibt lange verborgen,<br />
aber rasch wird klar: Es geht um grosse<br />
Summen.<br />
Betrieben wird dieser grenzüberschreitende<br />
Handel von zwei Clowns, schwarz der eine, weiss<br />
der andere. Das pikante an der Sache: Für einmal<br />
Vorschau auf das November-Dossier<br />
Westafrika<br />
Mali, Burkina Faso und Benin sind<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerländer, die mehr als<br />
nur ihre geographische Lage in Westafrika<br />
verbindet. Obgleich in den Ländern<br />
zahlreiche Ethnien leben und viele<br />
lokale Unterschiede auszumachen sind,<br />
teilen sie einen regionalen Lebens- und<br />
Wirtschaftsraum. Sie sehen sich mit<br />
ähnlichen Herausforderungen wie Klimawandel<br />
und Flüchtlingsbewegungen<br />
eben so konfrontiert wie mit den<br />
schwierigen Bedingungen des Welthandels.<br />
<strong>Helvetas</strong> arbeitet in der Region<br />
Westafrika deshalb zunehmend grenzüberschreitend.<br />
Die Partnerländer kooperieren<br />
untereinander und können<br />
Erfahrungen und Know-how gemeinsam<br />
nutzen. Etwa wenn <strong>Helvetas</strong> Benin in<br />
den Anbau von fair gehandelter Biobaumwolle<br />
einsteigt und von der langjährigen<br />
Erfahrung in Mali profitiert.<br />
Das November-Dossier zeigt auf, wo rin<br />
die Chance von geteiltem Wissen liegt.<br />
(SUS)<br />
<strong>Helvetas</strong> Partnerschaft August 2008<br />
hat der Afrikaner die<br />
Hosen an, der Europäer<br />
dagegen befasst<br />
sich mit der Dreckarbeit<br />
– und das im<br />
wahrsten Sinne des<br />
Wortes: Er putzt,<br />
schleppt Kisten und rennt, wann immer sein Chef<br />
mit den Fingern schnippt.<br />
Das Stück «Afriopa – eine koloniale Clowneske»<br />
nimmt die Zuschauer mit auf eine unterhaltsame<br />
Reise durch die koloniale Vergangenheit, die<br />
längst noch nicht überwunden ist. Da es zwei<br />
Clowns sind, die durch den schwarzweissen Beziehungswirrwarr<br />
stolpern, gibt es viel zu lachen.<br />
Aber mehr als einmal bleibt einem das Lachen im<br />
Hals stecken, wird aus Slapstick bitterer Ernst.<br />
Mit «Afriopa» hat der Schweizer Regisseur<br />
Ueli Bichsel ein Stück geschaffen, das aufzuklären<br />
weiss, ohne das Publikum zu erschlagen. Die<br />
Schauspieler Roger Nydegger und Yra Siaka spielen<br />
mit Witz und Können die ungleichen Clowns,<br />
die sich gegenseitig piesacken.<br />
«Viel politisch Unkorrektes», verspricht der<br />
Theaterabend. Das stimmt und stimmt gleichzeitig<br />
nicht. Zwar wird mit Klischees gespielt, wer<br />
Veranstaltungen<br />
ab August<br />
Ausstellung «Wasser für alle» in Luzern<br />
Naturmuseum Luzern, Kasernenplatz 6<br />
21. August bis 16. November, DiSo 10–17 Uhr<br />
Öff. Führungen: am 2.9. + 4.11. 18–19 Uhr,<br />
Museumsnacht am 22. August mit Wasseranimation.<br />
Schulführungen auf Anfrage.<br />
Infos: www.naturmuseum.ch<br />
September<br />
Film’n’Food in Wettingen<br />
Die Regionalgruppe Baden zeigt am 4. 9. im<br />
Kino Orient (Landstr. 2) die afrikanische<br />
Komödie «Moi et mon blanc» und serviert<br />
Leckerbissen.<br />
Offerierter Apéro ab 19.00 Uhr; Film 20.30 Uhr<br />
den die Rollen vertauscht, wird weder Schwarz<br />
noch Weiss geschont. Doch die eigentliche Botschaft<br />
des Abends ist im besten Sinne politisch<br />
korrekt: Ohne gegenseitigen Respekt ist keine<br />
Versöhnung möglich. (SB)<br />
Vorstellungen:<br />
17. + 18. Oktober, 20 Uhr; 19. Oktober, 14.30 Uhr<br />
Casino Aussersihl, Rotwandstr. 4, Zürich<br />
24. Oktober, 20 Uhr, Kulturzentrum Union,<br />
Klybeckstr. 95, Basel<br />
30. Oktober, 20.30 Uhr, Centre Pluriculturel<br />
d’Ouchy, ch. de BeauRivage 2, Lausanne<br />
31. Oktober, 20 Uhr, Podium NMS Schule,<br />
Waisenhausplatz 29, Bern<br />
2. November, 17 Uhr, Theater am Gleis, Untere<br />
Vogelsangstr. 3, Winterthur<br />
Info: www.afriopa.ch<br />
Afrikamarkt in Riehen<br />
In einem traditionellen Zelt demonstriert die<br />
Regionalgruppe Basel eine äthiopische Kaffeezeremonie<br />
und lädt zu einer Tasse Arabica ein.<br />
12.+13. September, 11–21 Uhr; 14. September,<br />
11–18 Uhr beim Spielzeugmuseum, Baselstrasse<br />
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Bümpliz-Märit<br />
Die <strong>Helvetas</strong> Regionalgruppe Bern tritt mit<br />
einem Stand zum Thema Trinkwasser und<br />
sanitäre Grundversorgung in Entwicklungsländern<br />
auf. 13. September, 9–17 Uhr in der<br />
Fussgänger zone. <strong>Helvetas</strong> Stand im Foyer des<br />
Coop. Infos: www.buempliz.gkgbe.ch<br />
Herbstverkauf der Regionalgruppe Baden<br />
Die Regionalgruppe Baden verkauft an Marktständen<br />
Artikel aus dem <strong>Helvetas</strong> FairShop und<br />
Backwaren. Der Erlös geht an ein <strong>Helvetas</strong><br />
Frauenprojekt in Mali.<br />
Neuenhof, 18. September, 8.30–11.30 Uhr<br />
und 13.30–17 Uhr vor der Migros<br />
Wettingen, 19. September, 811 Uhr am Wochenmarkt<br />
und 14–18 Uhr an der Landstrasse<br />
Baden, 20. September, 8.3016 Uhr an der<br />
Badstrasse<br />
Würenlos, 20. September, 8.30–11.30 Uhr<br />
bei Chile Metzg und Coop