zur ewIgkeIt STeINAuF STeIN - Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz
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Architektur<br />
„ohne mITTel lernt man beobachten und denken! eigentlich braucht es zum mauern nur einen hAmmer, einen meISSel,<br />
ein STemmeISen zum Bewegen schwerer steine, eine Schnur und ein paar stecken für ein Gerüst. Fertig.“<br />
kann – als junges Mädchen beim Reiten, später<br />
auf Reisen.“ Marianne Hassenstein ist eine tatkräftige<br />
Frau mit Mädchenhänden. Sie ist gern in<br />
Wanderschuhen unterwegs und besitzt kein Auto,<br />
aber eine ganze Sammlung von Fahrrädern. Sie ist<br />
durch und durch „öko“ und ebenso von ganzem<br />
Herzen Genießerin, die ein gutes Glas italienischen<br />
Wein schätzt und einen Abend in der Oper.<br />
eine einschneidende Erfahrung<br />
für die gebürtige Interlakenerin<br />
waren die Zerstörungen in der<br />
Jungfrau-Region durch den Tourismus.<br />
Gleichzeitig kannte sie,<br />
als Kind von Hoteliers, aber auch die Notwendigkeit,<br />
Arbeit zu haben und ein Auskommen. „Das<br />
hat mich geprägt. Meine treibende Kraft ist, durch<br />
den Tourismus die Freude an der Landschaft zu<br />
fördern und dadurch die Landschaft zu erhalten,<br />
die Vielfalt zu erhalten.“ Trockenmauern leisten<br />
hier einen nicht zu unterschätzenden Beitrag:<br />
Sie haben, neben ihrer wirtschaftlichen Funktion,<br />
eine wertvolle ökologische Seite, weil sie Lebensräume<br />
und Nischen für seltene Tiere und Pflanzen<br />
darstellen. Und nicht zuletzt sind sie bedeutende<br />
Elemente der Kulturlandschaft.<br />
In der <strong>Schweiz</strong> aber war niemand mehr aufzutreiben,<br />
der diese uralte Handwerkskunst noch<br />
beherrschte. Also fuhr Hassenstein nach England,<br />
um beim British Trust for Conservation Volunteers<br />
einen Kurs im Trockenmauern zu besuchen. Trotzdem<br />
waren die ersten Anläufe, auch in der <strong>Schweiz</strong><br />
solche Mauern aufzuschichten, zum Scheitern verurteilt,<br />
„weil wir es ja nicht konnten. Es war furchtbar<br />
unbefriedigend! Richtige Ausbildungen gab es<br />
keine, und wir hatten in England bloß ein bisschen<br />
zugeschaut. Sehr unkomfortabel. Stress pur, eigentlich.<br />
Und doch war mir klar: Hier gibt es ein Riesenpotenzial.<br />
Aber wir müssen es richtig anpacken.“<br />
Also bat Hassenstein den Schotten Richard Tufnell<br />
um Unterstützung: Die <strong>Stiftung</strong> brauchte einen<br />
Lehrer. Und Tufnell galt schon Mitte der Neunzigerjahre<br />
als anerkannter Experte auf diesem<br />
Gebiet, hatte auf der ganzen Welt Trockenmauern<br />
gebaut und viele Projekte in der Dritten Welt geleitet,<br />
in Darfur oder auch im Himalaja.<br />
Tufnell kam und brachte einer Handvoll Unentwegter<br />
die Grundlagen des Trockenmauerns bei.<br />
„Es regnete pausenlos und in Strömen, drei Tage<br />
lang“, erinnert sich Marianne Hassenstein. „Und<br />
wir haben auf dem Creux du Vent im Neuenburger<br />
Jura mit den Steinen einer alten Mauer, von Hand<br />
und praktisch ohne Werkzeuge, ein Stück Trockenmauer<br />
wieder aufgebaut.“ Eine harte Schule, aber<br />
eine gute. „Ohne Mittel lernt man beobachten und<br />
denken! Das hat uns Tufnell eindrücklich gezeigt.<br />
Eigentlich braucht es zum Mauern nur einen Hammer,<br />
einen Meißel, ein Stemmeisen zum Bewegen<br />
schwerer Steine, eine Schnur und ein paar Stecken<br />
für ein Gerüst. Fertig.“<br />
Die wichtigste Grundlage allerdings ist, zu<br />
wissen, wie man einen Stein auf den anderen<br />
setzen muss. Und genau diese Grundlage fehlte<br />
– und sie fehlt oft noch heute. Denn die Arbeit<br />
fordert Körper und Geist gleichermaßen: Wer mit<br />
roher Kraft vorgeht, wird schneller müde. Wer<br />
einen schweren Brocken alleine bewegen will,<br />
wird es nicht schaffen. Und wer einen Stein unnötig<br />
mit dem Hammer traktiert, damit er passt,<br />
wird das rasch in den eigenen Armen zu spüren<br />
bekommen. Schult der Trockenmaurer hingegen<br />
sein Auge und lernt, den Stein gewissermaßen zu<br />
lesen, kommt er vorwärts: weil er den richtigen<br />
Stein mit der richtigen Seite an der richtigen Stelle<br />
platziert.<br />
Solches Wissen aber, das war den <strong>Schweiz</strong>er<br />
Mauer-Pionieren auf dem Creux du Vent bald<br />
klar, durfte künftig nicht mehr nur als mündliche<br />
Überlieferung existieren. „Als wir uns nach diesen<br />
Tagen im Regen endlich waschen und ausruhen<br />
konnten, haben wir nach dem Nachtessen<br />
auf einem Tischtuch aus Papier noch die ersten<br />
fünf Regeln für den Trockenmauerbau skizziert.“<br />
Das war der Anfang. Aus ihm entstand ein Büchlein<br />
im Jackentaschenformat: „Trockenmauern –<br />
eine Anleitung für den Bau und die Reparatur“.<br />
Es erschien 1996 in Deutsch und Französisch und<br />
wurde ein Jahr später als eines der schönsten<br />
Bücher prämiert. Mittlerweile sind davon rund<br />
20.000 Exemplare verkauft. Das Büchlein war ein<br />
Meilenstein: Es bot knapp und klar die wichtigsten<br />
Informationen. Und der Organisation brachte<br />
es mehr Gewicht. Die SUS wuchs rasant weiter.<br />
Zuerst wurde noch mit Arbeits losen gemauert,<br />
1999 startete das erste Zivildienst-Gruppenprojekt,<br />
heute mauern auch Schulklassen und engagierte<br />
Erwachsene. Im ersten Jahr wurden 1200<br />
Quadratmeter Mauer – man rechnet mit der<br />
Ansichtsfläche einer frei stehenden Mauer – in sieben<br />
Kantonen der <strong>Schweiz</strong> gebaut; heute sind es<br />
doppelt so viel. Auch die Gesamtzahl kann sich<br />
sehen lassen: Seit den ersten Anläufen 1994 hat<br />
die SUS, vor allem in den Berggebieten von Graubünden,<br />
Bern, Wallis, Neuenburg und im Tessin,<br />
zwei steine<br />
auf einen,<br />
einen Stein auf<br />
zwei. Eigentlich<br />
sind die Regeln<br />
des Trockenmauerns<br />
einfach. Das<br />
große Geheimnis<br />
liegt darin, zu<br />
wissen, wie die<br />
Steine aufeinander<br />
geschichtet<br />
werden müssen.<br />
Jahrhundertelang<br />
wurde es<br />
mündlich weitergegeben,<br />
erst vor<br />
wenigen Jahren<br />
aufgeschrieben.<br />
8 aLps . 03 2011 03 2011 . aLps<br />
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