Programmheft - 3. Sinfoniekonzert - Theater Nordhausen
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<strong>3.</strong> <strong>Sinfoniekonzert</strong>
<strong>3.</strong> <strong>Sinfoniekonzert</strong><br />
<strong>3.</strong> Dezember 2011, 19.30 Uhr, Haus der Kunst Sondershausen<br />
4. Dezember 2011, 19.30 Uhr, <strong>Theater</strong> <strong>Nordhausen</strong>
PROGRAMM<br />
Ivan Podyomov, geboren 1986 in Archangelsk (Russland), gewann schon mit<br />
Richard Strauss (1864–1949)<br />
2 elf Jahren den ersten Preis des Wettbewerbs Young Musicians of Moscow des<br />
russischen Fernsehens. Er studierte an der renommierten Moskauer Gnessin-<br />
Musikakademie zunächst Blockflöte, dann Oboe bei Ivan Pushetchnikov. Nach<br />
Don Juan. Tondichtung (nach Nikolaus Lenau) op. 20<br />
Komponiert 1888, uraufgeführt am 11. November 1889 in Weimar.<br />
3<br />
seinem Abschluss setzte er seine Studien seit 2006 bei Maurice Bourgue am<br />
Genfer Konservatorium fort. Podyomov ist Preisträger vieler internationaler Wettbewerbe,<br />
vom St. Petersburger Rimski-Korsakow-Wettbewerb über den Wettbewerb<br />
des Festivals Prager Frühling bis hin zum Münchner ARD-Wettbewerb, wo<br />
er 2011 schon zum zweiten Mal den zweiten Platz belegte. Er konzertierte bereits<br />
mit namhaften Orchestern wie dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rund-<br />
Richard Strauss<br />
Konzert für Oboe und kleines Orchester D-Dur<br />
Allegro moderato – Andante – Vivace – Allegro<br />
Komponiert 1945, uraufgeführt am 26. Februar 1946 in Zürich.<br />
funks, dem Münchner Kammerorchester und dem Collegium Musicum Basel und<br />
präsentierte sich dem Publikum im Konzerthaus Berlin, im Wiener Konzerthaus,<br />
im Rudolfinum Prag und anderen renommierten Häusern. Neben seiner solisti-<br />
– Pause –<br />
schen Tätigkeit ist Podyomov auch als Kammermusiker sehr gefragt. Die Presse<br />
ist immer wieder begeistert von der „beeindruckenden Leichtigkeit“ und „artikulatorischen<br />
Präzision“ seines „atemberaubenden“ Spiels.<br />
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847)<br />
5. Sinfonie d-Moll op. 107 („Reformations-Sinfonie“)<br />
I. Andante – Allegro con fuoco<br />
II. Allegro vivace<br />
III. Andante<br />
Markus L. Frank, geboren in Schwäbisch Hall, begann seine Musikerlaufbahn<br />
zunächst als Hornist. Nach seinem Studium an der Musikhochschule in Detmold<br />
und erfolgreicher Teilnahme an mehreren internationalen Wettbewerben war er<br />
Hornist beim NDR-Symphonieorchester Hamburg und spielte als Hornsolist bei<br />
vielen bedeutenden Orchestern. Parallel dazu beendete er sein Dirigierstudium<br />
bei Prof. Klauspeter Seibel an der Musikhochschule Hamburg mit Auszeichnung.<br />
1998 wurde er als 2. Kapellmeister an die Oper Kiel engagiert. Im Herbst 2003<br />
wechselte Markus L. Frank als 1. Kapellmeister und Stellvertretender GMD an<br />
das Anhaltische <strong>Theater</strong> in Dessau. Neben seinen vielfältigen Aufgaben im<br />
Musiktheater und Konzertwesen widmete er sich mit besonderer Hingabe der<br />
Jugendarbeit. Zahlreiche Gastverpflichtungen führten ihn darüber hinaus u. a.<br />
immer wieder an die Staatsoper Hannover sowie an die Deutsche Oper Berlin,<br />
wo er 2005 mit „Hänsel und Gretel“ debütierte. Seit Beginn der Spielzeit<br />
2008/2009 ist Markus L. Frank Generalmusikdirektor der <strong>Theater</strong> <strong>Nordhausen</strong>/<br />
Loh-Orchester Sondershausen GmbH.<br />
IV. Choral: Ein feste Burg ist unser Gott. Andante con moto – Allegro vivace –<br />
Allegro maestoso<br />
Komponiert im Winter 1829/Frühjahr 1830, uraufgeführt am 15. November 1832 in Berlin.<br />
Ivan Podyomov Markus L. Frank<br />
Loh-Orchester Sondershausen<br />
Musikalische Leitung: Markus L. Frank
Nicht so sehr „Verstand und Gefühl“, wurde. Beide bringen das Motiv des<br />
StRAuSS’ AuSwAhL AuS „dOn JuAn“<br />
4 wie der Titel des berühmten Romans<br />
„Sense and Sensibility“ von Jane Austen<br />
Inzests in die Geschichte des Frauen-<br />
Verführers: Im einen Fall sollte Don Juan<br />
Versepos von Nikolaus Lenau<br />
5<br />
korrekt übersetzt heißt, sondern „Sinn seine Mutter verführen und ermorden,<br />
Den Zauberkreis, den unermesslich weiten,<br />
und Sinnlichkeit“, „Bedeutung“ und im anderen Fall seine Tochter. Für diese<br />
Von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten<br />
„Gefühl“ prägen das Programm unseres Opernpläne bediente sich Strauss bei<br />
Möcht‘ ich durchzieh’n im Sturme des Genusses,<br />
<strong>3.</strong> <strong>Sinfoniekonzert</strong>s. Es schlägt eine verschiedenen literarischen Varianten<br />
Am Mund der Letzten sterben eines Kusses.<br />
Brücke zwischen zwei Werken, die jedes des Stoffes, von Molières „Dom Juan“<br />
O Freund, durch alle Räume möchte‘ ich fliegen,<br />
auf seine Weise besonders sinnlich, aber bis hin zu Puschkins „Der steinerne<br />
Wo eine Schönheit blüht, hinknien vor jede<br />
auch bedeutungsvoll sind. Sie umrahmen Gast“. Für seine sinfonische Dichtung<br />
Und, wär’s auch nur für Augenblicke, siegen.<br />
damit das Oboenkonzert, das ohne Text- hingegen beschränkte er sich auf eine<br />
bezug auskommt und seine Sinnlichkeit Textgrundlage und wählte einen Aus-<br />
Ich fliehe Überdruss und Lustermattung,<br />
höchst vornehm verschleiert.<br />
schnitt aus dem Versepos „Don Juan“<br />
Erhalte frisch im Dienste mich des Schönen,<br />
von Nikolaus Lenau. Diesen stellte er<br />
Die Einzle kränkend schwärm ich für die Gattung.<br />
der Partitur als eine Art Motto voran<br />
Der Odem einer Frau, heut Frühlingsduft,<br />
RIchARd StRAuSS und deR<br />
(siehe nächste Seite). Der schillernde<br />
Drückt morgen mich vielleicht wie Kerkerluft.<br />
SInnLIchSte ALLeR heLden<br />
Frauenheld erklärt sich darin selbst<br />
Wenn wechselnd ich mit meiner Liebe wandre<br />
Dorothea Krimm<br />
dem Publikum: Auf seine gleichsam<br />
Im weiten Kreis der schönen Frauen,<br />
himmelhoch jauchzende Begeisterung<br />
Ist meine Lieb’ an jeder eine andre;<br />
Liest man in Strauss‘ Skizzenbüchern für alles Weibliche, seine sprunghafte<br />
Nicht aus Ruinen will ich Tempel bauen.<br />
zu seiner sinfonischen Dichtung „Don Leidenschaft für das „immer Neue“,<br />
Ja! Leidenschaft ist immer nur die neue;<br />
Juan“, drängt sich unwillkürlich der folgt schließlich der Abgesang nach<br />
Sie lässt sich nicht von der zu jener bringen,<br />
Gedanke an ein recht dramatisches „ausgelöschter Flamme“, Don Juans<br />
Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen,<br />
Libretto auf: „Wonne-Thema auf Cis-Dur- Bestrafung – hier als Tod der Gefühle<br />
Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue.<br />
Cantilene, die mit dem Eintritt der Er- angedeutet.<br />
Wie jede Schönheit einzig in der Welt,<br />
schöpfung von dem 1. Don Juan-Thema Über seine Musik schrieb Strauss 1889<br />
So ist es auch die Lieb’, der sie gefällt.<br />
unterbrochen wird in den Bratschen, an- an seinen Vater nach der ersten Orches-<br />
Hinaus und fort nach immer neuen Siegen,<br />
fangs diese durchklingt. Mit einem Ruck terprobe zur Uraufführung in Weimar:<br />
Solang der Jugend Feuerpulse fliegen!<br />
fährt er auf: mit einem kühnen Sprung „Alles klingt famos und kommt prächtig<br />
des 1. Themas auf die C-Dominante; von heraus, wenn es auch scheußlich schwer<br />
Es war ein schöner Sturm, der mich getrieben,<br />
da in einem leichtfertigen Thema weiter, ist. Die armen Hornisten und Trompeter<br />
Er hat vertobt und Stille ist geblieben.<br />
von dem es in immer tolleres Treiben taten mir wirklich leid. Die bliesen sich<br />
Scheintot ist alles Wünschen, alles Hoffen;<br />
geht. Lustiges Gejauchze, unterbrochen ganz blau, so anstrengend ist die Ge-<br />
Vielleicht ein Blitz aus Höh’n, die ich verachtet,<br />
von Schmerzens- und Wonneseufzern. schichte. Der Klang war wundervoll, von<br />
Hat tödlich meine Liebeskraft getroffen,<br />
Durchführung. Nach immer Fortissimo einer riesigen Glut und Üppigkeit, das<br />
Und plötzlich ward die Welt mir wüst, umnachtet;<br />
höchster Steigerung: plötzliche Ernüch- Ganze wird hier einen Mordseffekt<br />
Vielleicht auch nicht – der Brennstoff ist verzehrt,<br />
terung. Englisch Horn öde; die Liebes- machen. Besonders schön klang die<br />
Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd.<br />
und Freuden-Themen klingen planlos Oboenstelle in G-Dur mit den vierfach<br />
durcheinander, unterbrochen von neuen geteilten Kontrabässen, die geteilten<br />
Sehnsuchts- und Wonneschauern. End- Celli und Bratschen, alles mit Sordinen<br />
lich schließt sich ein neues Liebesmotiv (Dämpfern), auch die Hörner alle mit Sor-<br />
sehr schwärmerisch und zart an ...“ dinen, das klingt ganz magisch.“ (Brief<br />
Tatsächlich sind zwei Entwürfe des<br />
Komponisten zu einer Don-Juan-Oper<br />
erhalten, die jedoch nie verwirklicht<br />
von 1889)
SuBLIM, GRAzIL, veRFeIneRt:<br />
kLeIne GeSchIchte deR OBOe Trotz militärischem Gebrauch galt die<br />
6 StRAuSS’ OBOenkOnzeRt<br />
von Dorothea Krimm<br />
von Dorothea Krimm<br />
Oboe als Instrument des Friedens und<br />
wurde besonders gerne für pastora-<br />
7<br />
Im frühen 17. Jahrhundert entwickelte le Szenen verwendet, wie vorher die<br />
Fast sechzig Jahre liegen zwischen<br />
sich aus der beliebten Schalmei von Schalmei – für den Klang des Krieges<br />
Strauss’ „Don Juan“ und seinem Oboen-<br />
Frankreich aus ein Instrument, das waren hingegen Trompete und Trommel<br />
konzert. Die Idee zu dem späten Konzert<br />
„Hautbois“ oder „Hautboy“ genannt zuständig. Im Verlauf des 18. Jahrhun-<br />
muss Richard Strauss bald nach einem<br />
wurde und heute auch als Barock-Oboe derts bildete sich eine Vielzahl meist<br />
Gespräch gekommen sein, das er nach<br />
bezeichnet wird. Der französische reisender Virtuosen heraus, die eine Flut<br />
Kriegsende 1945 mit einem jungen ame-<br />
Name bedeutet schlicht „lautes“ oder von Bravourstücken für Hautboy und<br />
rikanischen GI führte. Der Soldat John<br />
„hohes Holz“. Das Doppelrohrblatt- Orchester verfassten. Im 19. Jahrhundert<br />
de Lancie war zu Hause erster Oboist<br />
Instrument hatte zunächst nur zwei änderte man nochmals den Bau, so<br />
im Pittsburgh Orchestra gewesen, war Richard Strauss<br />
Klappen und ansonsten Löcher, die mit dass die Oboe leiser und das „gesang-<br />
nun zufällig in die Nähe von Strauss’ zierten Orchesterapparat und bisweilen<br />
den Fingern wie bei der Blockflöte abliche“ Spiel zu ihrem Markenzeichen<br />
Villa in Garmisch versetzt worden und einer Solobratsche oder einem Soloviogedeckt<br />
wurden. Der lebendige, frische wurde. Ab 1880 verfügte man über die<br />
besuchte den 81-jährigen Komponisten. loncello. Die vier Sätze gehen bruchlos<br />
Klang begeisterte allgemein. So rief heute noch übliche moderne Oboe mit<br />
Dieser staunte nicht schlecht über die ineinander über, manchmal nur durch<br />
Henry Purcell seine Zeitgenossen auf: ihrem komplizierten Klappensystem.<br />
Kontakte mit den Amerikanern, die er eine Fermate oder eine Solokadenz der<br />
„On the sprightly hautboy play, all the Weil sie relativ schwierig zu spielen<br />
bisher als „verbrecherische Soldateska“ Oboe getrennt. Insgesamt scheint der<br />
instruments of joy, that skilful numbers und teuer war, blieb sie immer ein Profieingeschätzt<br />
hatte. Er wurde freundlich Charakter des Konzerts eine Klangtradi-<br />
can employ, to celebrate the glories Instrument und spielte in Hausmusikum<br />
Autogramme gebeten und seine tion weiterzutragen, die das Instrument<br />
of this day.“ (Spielt auf dem munteren Kompositionen für den Laien kaum eine<br />
Villa erhielt die Kategorie „off limits“. Oboe seit drei Jahrhunderten geprägt<br />
Hautboy, auf allen Instrumenten der Rolle. Oboenkonzerte erlebten hinge-<br />
Als de Lancie ihn fragte, ob er jemals hat – die Idee eines lyrischen Hirtenin-<br />
Freude, die kundige Menschen dazu gen schon im frühen 18. Jahrhundert<br />
an ein Konzert für Oboe gedacht habe, struments, verbunden mit der Klanglich-<br />
verwenden können, den Ruhm dieses eine große Modewelle. Nach Telemann,<br />
sagte er zunächst „Nein“ – um jedoch keit pastoraler Landschaftsweisen. Der<br />
Tages zu feiern!)<br />
Vivaldi, Bach, Händel und vielen ande-<br />
bald darauf mit der Komposition zu Musikwissenschaftler Reinhard Schulz<br />
Die Oboe überzeugte vor allem durch ren schrieb beispielsweise der europa-<br />
beginnen. Aufgrund der schlechten schreibt daher über das Oboenkonzert:<br />
ihre Vielseitigkeit. Wie Zeitgenossen weit gefeierte Virtuose Giuseppe Sam-<br />
Versorgungsverhältnisse im Nachkriegs- „Stets herrscht eine rhapsodische Leich-<br />
berichteten, bediente man sich ihrer „im martini Konzerte für sein Instrument.<br />
deutschland und aus gesundheitlichen tigkeit und zurückhaltende Noblesse.<br />
Felde, in der Oper, in lustigen Compa- Nach Mozarts Oboenkonzert KV 314<br />
Gründen zog Strauss dann für einige Sie suchen gleichsam Momente des<br />
gnien und auch in der Kirchen“. Um nahm die Zahl der Konzertkompositi-<br />
Jahre in die Schweiz, wo das Oboen- Bukolischen und des sanft Burlesken<br />
1700 verfügte jeder größere deutsche onen für Oboe allmählich ab, während<br />
konzert uraufgeführt wurde: Am 26. (im Finale) in eine Zeit zu retten, die<br />
Hof über das neue Instrument und freiere Formen die Fantasien und Airs<br />
Februar 1946 dirigierte Volkmar Andreae diese Kategorien längst getilgt hat. So<br />
ein Ensemble von Hautboisten, die oder das Concertino beliebter wurden.<br />
das Tonhalle-Orchester in Zürich. Solist wirkt das Oboenkonzert wie ein groß-<br />
zur Tafelmusik und zu <strong>Theater</strong>stücken Seit den Neuerungen der Impressio-<br />
war der Solo-Oboist dieses Ensembles, er, aber unpathetischer Abgesang auf<br />
aufspielten, aber auch bei Feldzügen. nisten durften dann die Oboen wie alle<br />
Marcel Saillet.<br />
eine zerstörte Musiksprache.“ Aufgrund<br />
Bläser im Orchester stärker hervortre-<br />
Vom Leid und Entsetzen des Zweiten seiner unaufgearbeiteten politischen<br />
ten. Im 20. Jahrhundert entwickelte<br />
Weltkriegs ist in dieser Komposition Vergangenheit – immerhin hatte Strauss<br />
sich die Oboe zu einem vielbeachteten<br />
nichts zu hören. Während Strauss kurz den Nazis lange als Vorzeige-Komponist<br />
Soloinstrument. Neben unbegleiteten<br />
zuvor in seinen „Metamorphosen für 23 gedient – wiesen ihm die Veranstalter<br />
und kammermusikalischen Werken sind<br />
Solostreicher“ eine resignierte Haltung der Schweizer Uraufführung einen Sitz-<br />
hierzu die Konzerte von Ralph Vaughan<br />
an den Tag legte, wendet er sich hier ins platz ganz hinten im Saal an. Eine Zuhö-<br />
Williams (1944), von Darius Milhaud<br />
Positive: Quasi zeitlos und heiter spielt rerin aus der ersten Reihe erkannte ihn<br />
(1958) und vor allem das wichtigste<br />
sich die Oboe durch ihre Verzierungen, jedoch und tauschte spontan ihren Platz<br />
Oboenkonzert des 20. Jahrhunderts von<br />
begleitet von einem delikaten, redu-<br />
Richard Strauss (1945) zu erwähnen.<br />
mit dem alten Meister. Früher Hautboy-Spieler auf einem Gobelin, 1684
veRBORGeneR SInn In MendeLS- zurück. Erst nach seinem Tode wurde die<br />
ation des Liedes so: „Ein Schlachtlied dass man im Hause der jüdischen Familie<br />
8 SOhnS „ReFORMAtIOnS-SInFOnIe“<br />
von Dorothea Krimm<br />
Sinfonie gedruckt.<br />
Sie erfreut sich heute nichtsdestotrotz<br />
war jener trotzige Gesang, womit Luther<br />
und seine Begleiter in Worms einzogen.<br />
einen sehr weiten, liberalen Horizont<br />
hatte.<br />
9<br />
großer Beliebtheit beim Publikum und<br />
Der alte Dom zitterte bey diesen neuen Vater Mendelssohn hatte seine bei-<br />
Der 20-jährige Felix Mendelssohn Bart- erlebte in jüngster Zeit sogar verschie-<br />
Klängen, und die Raben erschraken in den Kinder vom Pfarrer der Berliner<br />
holdy unternahm von April bis November dene Inszenierungen mit Balletttänzern.<br />
ihren obscuren Thurmnestern. Jenes Jerusalem-Gemeinde auf den christlichen<br />
1829 eine Bildungsreise nach England Dies mag daran liegen, dass der junge<br />
Lied, die Marseiller Hymne der Refor- Namen Bartholdy taufen lassen. Als 1819<br />
und Schottland. Es war der Beginn seiner Mendelssohn keineswegs ein gelehrtes<br />
mation, hat bis auf unsere Tage seine in Süddeutschland Judenverfolgungen<br />
„Reisejahre“, die ihn später noch nach Opus über Kirchengeschichte, son-<br />
begeisternde Kraft bewahrt.“ Mendels- begannen und ein königlicher Prinz<br />
Süddeutschland und in die Schweiz, dern ein persönliches Bekenntniswerk<br />
sohn umgibt die Melodie, die zu Beginn dem 10-jährigen Felix auf der Straße in<br />
nach Italien, Österreich und Frankreich komponierte. Er verarbeitete darin zwei<br />
des Satzes feierlich von den Holzbläsern Berlin lachend „Hep, hep!“ nachrief,<br />
führen sollten. Der umtriebige junge religiöse Musiken, die seit langer Zeit<br />
vorgetragen wird, mit majestätischen war das Grund genug, zu überlegen, ob<br />
Musiker schloss viele Bekanntschaften und auch noch lange danach gläubige<br />
Siegesklängen und würzt, wie sollte es die Familie nicht nach Paris emigrieren<br />
auf diesen Reisen, die er lange mit Brief- Gemüter rührten. Es handelt sich dabei<br />
anders sein, die musikalische Form mit sollte. Drei Jahre später ließ er sich selber<br />
wechseln aufrechterhielt. Und er gab um das so genannte „Dresdner Amen“<br />
einer Prise Bachscher Fugenkunst. mit seiner Frau ebenfalls taufen und<br />
Konzerte: In London jubelte man seiner im ersten Satz und den Choral „Ein feste<br />
nahm den Doppelnamen Mendelssohn<br />
c-Moll-Sinfonie, der „Schottischen“, zu. Burg ist unser Gott“, aus dem sich der<br />
Bartholdy an. Die Konversion brachte<br />
Auf der Rückreise aus Schottland hatte letzte Satz aufbaut.<br />
ReLIGIOn IM hAuSe MendeLSSOhn ihn innerlich unter anderem auch seinem<br />
Mendelssohn eine weitere Sinfonie im Das „Dresdner Amen“ war im 18. Jahr-<br />
von Dorothea Krimm<br />
Lieblingskomponisten Johann Sebastian<br />
Gepäck, die er nach seiner Ankunft hundert von Johann Gottlieb Naumann<br />
Bach näher.Sein Sohn Felix ließ sich 1825<br />
in Berlin im Frühjahr 1830 vollenden für die königliche Hofkapelle in Dresden<br />
Der Vater Abraham Mendelssohn schrieb konfirmieren und nahm das Christentum<br />
sollte – die so genannte „Reformations- komponiert worden. Es ist eine ebenso<br />
1820 an seine 15-jährige Tochter Fanny, zeitlebens sehr ernst: Er traf sich mit<br />
Sinfonie“. Sie war zunächst als Sinfonie schlichte wie wirkungsvolle Melodiefor-<br />
Felix’ Schwester: „Ob Gott ist? Was Gott protestantischen Theologen, heiratete<br />
„zur Feier der Kirchen-Revolution“ mel, die sich vom Grundton über fünf<br />
sei? Ob ein Theil unserer Selbst ewig die Tochter eines reformierten Predigers<br />
betitelt und erhielt die Nummerierung Tonstufen nach oben zur Quint bewegt.<br />
sei und, nachdem der andere Theil ver- und nahm auf die Texte seiner Oratorien<br />
als „Fünfte“ erst viel später. Der Kompo- Richard Wagner hat die Formel in mehgangen,<br />
fortlebe? und wo? und wie? – „Christus“ und „Elias“ theologisch Einnist<br />
trug keineswegs einen Auftrag der reren seiner Werke verwendet – unter<br />
Alles das weiss ich nicht und habe Dich fluss. Das Christentum sei für Mendels-<br />
protestantischen Kirche in der Tasche, anderem erklingt sie als Gralsmotiv im<br />
deswegen nie etwas darüber gelehrt. sohn „die konsequente Weiterentwick-<br />
sondern hatte das Thema aus eigenem „Parsifal“. In Mendelssohns „Reforma-<br />
Allein ich weiss, dass es in mir und in lung des Judentums“ gewesen, schreibt<br />
Antrieb, als gläubiger Protestant, ge- tions-Sinfonie“ wird sie zum ersten Mal<br />
Dir und in allen Menschen einen ewigen Mendelssohn-Forscher Martin Geck. Als<br />
wählt. Anlass war das 300-jährige am Ende der langsamen Einleitung des<br />
Hang zu allem Guten, Wahren und Rech- Unternehmung eines protestantischen<br />
Jubiläum jenes Tages im Jahr 1530, als ersten Satzes eingeführt und hier von<br />
ten und ein Gewissen giebt, welches uns Christen ist wohl auch die berühmte<br />
auf dem Reichstag in Augsburg mit der den Streichern im Pianissimo gespielt.<br />
mahnt und leitet, wenn wir uns davon erste Wiederaufführung von Bachs<br />
„Confessio Augustana“ die grundle- Ein Moment meditativer Innerlichkeit,<br />
entfernen. Ich weiss es, glaube daran, Matthäuspassion zu verstehen, die Felix<br />
gende Bekenntnisschrift des Protestan- bevor sich das Orchester in das „feu-<br />
lebe in diesem Glauben und er ist meine Mendelssohn am 11. März 1829 in der<br />
tismus verlesen wurde. Da jedoch im rige“ Allegro con fuoco stürzt.<br />
Religion.“ Diese Worte lassen ahnen, Berliner Singakademie leitete.<br />
Jahr 1830 in Frankreich die Revolution Das Choralthema des Finalsatzes, auf<br />
ausbrach und die Unruhen auch nach den die ganze Sinfonie ausgerichtet ist,<br />
Deutschland herüberschwappten, sagte zitiert die lutherische Hymne des Prote-<br />
man die Festlichkeiten am 25. Juni ab. stantismus. Ein Lied mit recht kämpfe-<br />
Mendelssohns Sinfonie kam zwei Jahre rischem Text aus dem Jahr 1529: „Ein<br />
später, 1832 in Berlin, zur Uraufführung. feste Burg ist unser Gott,/ein gute Wehr<br />
Bald darauf schrieb Mendelssohn in und Waffen./Er hilft uns frei aus aller<br />
einem Brief, er könne das Werk „gar Not,/die uns jetzt hat betroffen.“ Heinrich<br />
nicht mehr ausstehen“, und zog es Heine beschrieb die historische Situ- Dresdner Amen
eInBLIcke<br />
Marina Sarkisova wurde 1982 in Erewan (Armenien) geboren. Ihr Geigenstudium<br />
führte sie nach Taschkent (Usbekistan), Nürnberg, Aachen und Hannover, wo<br />
sie bei Nathan Mendelssohn, Daniel Gaede, Michail Vaiman und Katrin Rabus<br />
studierte. Mit achtzehn Jahren gewann sie den ersten Preis eines internationalen<br />
Musikwettbewerbs der Türkei, drei Jahre später den ersten Preis im Deutschen<br />
Lions-Wettbewerb in Nürnberg. Sie spielte seit 2003 in verschiedenen deutschen<br />
Orchestern, von der Klassischen Philharmonie Bonn und dem Sinfonieorchester<br />
Aachen bis zur Akademie des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Sie<br />
hatte 2009-11 einen Zeitvertrag im Frankfurter Opern- und Museumsorchester,<br />
bevor sie in der Spielzeit 2011/12 als stellvertretende Stimmführerin der Zweiten<br />
Geigen im Loh-Orchester Sondershausen engagiert wurde.<br />
tilmann Graner Marina Sarkisova<br />
vORSchAu<br />
An dieser Stelle möchten wir Ihnen die Musiker des Loh-Orchesters vorstellen.<br />
4. <strong>Sinfoniekonzert</strong><br />
10<br />
tilmann Graner (* 1964 in Preetz/Kreis Plön) studierte 1984 bis 1985 Fagott<br />
zunächst bei Prof. Eberhard Buschmann in Würzburg und in den Jahren 1985 bis<br />
1990 bei Prof. Klaus Thunemann in Hannover. Sein erstes Orchesterengagement<br />
erhielt er als stellvertretender Solo-Fagottist im Philharmonischen Staatsorche-<br />
28. Januar 2012, 19.30 Uhr, Haus der Kunst Sondershausen<br />
29. Januar 2012, 19.30 Uhr, <strong>Theater</strong> <strong>Nordhausen</strong><br />
11<br />
ster Mainz. Nach weiteren Engagements u. a. bei den Hamburger Symphonikern,<br />
der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin und dem Philharmonischen<br />
cécile Marti, Wave Trip (Uraufführung)<br />
Orchester Lübeck wurde er 1993 Solo-Fagottist des Loh-Orchesters Sonders-<br />
Max Bruch, Violinkonzert g-Moll op. 26<br />
hausen. Immer wieder ist er seither gemeinsam mit diesem Orchester auch<br />
Johannes Brahms, 2. Sinfonie D-Dur op. 73<br />
solistisch zu erleben mit wichtigen Werken der Konzertliteratur u. a. von Vivaldi,<br />
Mozart, Weber und Strauss. Neben der Musik beschäftigt sich Tilmann Graner<br />
Zwei große Romantiker begegnen sich im 4. <strong>Sinfoniekonzert</strong>, die Altersgenossen<br />
professionell mit dem Fotografieren. Einen wesentlichen Schwerpunkt dieser<br />
Max Bruch und Johannes Brahms. Die Suche nach der „reinen, vollkommenen<br />
Arbeit bilden Portraitaufnahmen und Probenfotos für die <strong>Theater</strong> <strong>Nordhausen</strong>/<br />
Schönheit“ führte dazu, dass Bruch von seinen Komponistenkollegen Brahms als<br />
Loh-Orchester Sondershausen GmbH.<br />
einzigen gelten ließ – die Bestrebungen der „Zukünftler“ Liszt und Wagner waren<br />
ihm verdächtig. Ungebrochen ist der Erfolg seines 1. Violinkonzerts mit dem populären<br />
Thema im <strong>3.</strong> Satz. Hier kann die Geige ihre gesanglichen Talente voll entfal-<br />
neu im Loh-Orchester<br />
ten. Zu uns kommt für dieses Konzert der sensationelle Geiger Daishin Kashimoto,<br />
Konzertmeister der Berliner Philharmoniker. Der mit Bruch befreundete Johannes<br />
Brahms beschrieb die Musik seiner 2. Sinfonie, die in Anspielung auf Beethoven<br />
auch gerne als „Pastorale“ bezeichnet wird, als „heiter, lieblich, unschuldig, zart“.<br />
Zur Uraufführung gelangt in diesem <strong>Sinfoniekonzert</strong> mit „Wave Trip“ ein Werk der<br />
jungen Schweizer Komponistin Cécile Marti, das eigens für das Loh-Orchester in<br />
Auftrag gegeben wurde.<br />
daishin kashimoto Violine<br />
Musikalische Leitung: Markus L. Frank
12<br />
Bildquellen:<br />
S. 6: Richard Strauss, siehe http://www.austria-lexikon.at/af/Wissenssammlungen/Bibliothek/Oester-<br />
reichisches_Personenlexikon/Strauss,_Richard; S. 7: Früher Oboenspieler auf einem Gobelin-Teppich, 1684,<br />
siehe http://en.wikipedia.org/wiki/File:H_B_XVIIe.jpg<br />
textquellen:<br />
Sämtliche Artikel sind Originalbeiträge für dieses <strong>Programmheft</strong>. Der Ausschnitt aus Nikolaus Lenaus<br />
Versepos „Don Juan“ auf S. 5 ist in der Notenausgabe von Richard Strauss‘ „Don Juan“ (Joseph Aibl Verlag<br />
München) abgedruckt.<br />
Impressum:<br />
Herausgeber: <strong>Theater</strong> <strong>Nordhausen</strong>/Loh-Orchester Sondershausen GmbH Spielzeit<br />
2011/2012, Intendant: Lars Tietje, Redaktion und Gestaltung: Dorothea Krimm,<br />
Layout: Landsiedel | Müller | Flagmeyer, <strong>Nordhausen</strong>. Konzert-<strong>Programmheft</strong> Nr. 6<br />
der Spielzeit 2011/2012.<br />
Wir danken für die großzügigen Blumenspenden der Stadtwerke Sondershausen<br />
und des Fördervereins Loh-Orchester Sondershausen e. v. sowie der Floristin<br />
c. hahnemann, Blumengeschäft Fantasia im Herkulesmarkt <strong>Nordhausen</strong>.