Ausgabe 8 - Roland Berger
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ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
<strong>Ausgabe</strong> 8 Das globale Entscheider-Magazin<br />
JOSEPH STIGLITZ<br />
will den freien Handel UND<br />
Gerechtigkeit. Interview<br />
mit einem Querdenker.<br />
IKBAL CAVDAROGLU<br />
vereint als Unternehmerin<br />
muslimischen Glauben und<br />
Profitstreben.<br />
DANIEL VASELLA<br />
erläutert exklusiv, wie er<br />
seinen Konzern mit kultureller<br />
Sensibilität führt.<br />
CARLOS GHOSN<br />
sucht einen Partner in<br />
Nordamerika. Warum, das<br />
erklärt er in diesem Heft.<br />
Autos für alle,<br />
Wachstum für die Branche<br />
(Dossier ab Seite 19)
BÜRO MÜNCHEN, ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS GMBH<br />
HighLight Towers, Mies-van-der-Rohe-Str. 6, 80807 München<br />
Telefon: +49 89 9230-0, Fax: +49 89 9230-8202, E-Mail: office_munich@rolandberger.com
think: act das globale entscheider-magazin von roland berger strategy consultants ausgabe 8 first views f<br />
Autos für unter 10 000 Euro sind ein zentraler Wachstumsmarkt<br />
der nächsten Jahre. Für die globalen Autokonzerne<br />
bedeutet dies Risiko und Chance zugleich. Risiko, weil sich damit<br />
die Wettbewerbsbedingungen grundlegend ändern und neue<br />
Konkurrenten aus China oder Indien auf den Plan treten. Chancen,<br />
weil sich damit auch den etablierten Anbietern ganz neue<br />
Märkte mit attraktivem Wachstumspotenzial erschließen. Wie<br />
aber hat man auf diesen Märkten Erfolg? Einige Ideen dafür liefert<br />
unsere Titelgeschichte.<br />
Neue Märkte hat auch Naguib Sawiris erschlossen. Der Ägypter<br />
hat sich mit Orascom Telecom auf die Krisenregionen der Welt<br />
spezialisiert. „Wo das Risiko hoch ist, sind auch die Profite hoch“,<br />
sagt er. Wie Sawiris sich im Irak oder in Algerien durchsetzte<br />
und weshalb er nun auch auf etabliertere Märkte expandiert, lesen<br />
Sie in unserem Report.<br />
Expansionsgeschichten wie jene von Orascom setzen ein liberales<br />
Handelssystem voraus. Doch die Idee des Freihandels gerät<br />
in der globalen Wirtschaftspolitik zunehmend in die Defensive,<br />
kritisiert Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in unserem Interview.<br />
Bisher galt der Ökonom eher als Globalisierungsskeptiker. Nun<br />
fordert er exklusiv in think:act Unternehmen auf, ihre Regierungen<br />
zu multilateralen Handelsabkommen zu ermutigen.<br />
Für Stiglitz gehört politisches Engagement zu den Aufgaben von<br />
Topmanagern. Wie sie ihre Rolle verstehen und zu welchen<br />
Managementansätzen sie greifen, erklären in diesem Heft exklusiv<br />
Novartis-Chef Daniel Vasella, der CEO von Renault und<br />
Nissan, Carlos Ghosn, Renault-Rennstallmanager Flavio Briatore<br />
und Medieninvestor Haim Saban. Ich wünsche Ihnen, dass Sie<br />
deren Ideen anregend finden.<br />
Dr. Burkhard Schwenker<br />
CEO <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
3
p inhalt<br />
4<br />
Von Briatore lernen heißt siegen lernen. Gerade hat Flavio Briatore<br />
Renault zur Formel-1-Weltmeisterschaft geführt. Im Exklusivinterview<br />
erklärt er, warum alle Manager so hart sein sollten wie er. Seite 56<br />
Manager im Reagenzglas? Jedenfalls glauben Gary Hamel und<br />
Julian Birkinshaw: Wenn Unternehmen ein wenig experimentieren, können<br />
sie echte Managementinnovationen generieren. Seite 54<br />
Kein Produkt hat unsere Kultur so geprägt wie das Automobil. Der<br />
Kultursoziologe David Gartman beschreibt, wie das Fahrzeug zum Fetisch<br />
wurde – und warum dieser auch problematische Seiten hat. Seite 38<br />
Er ist der bekannteste Blackberry-Fan: Haim Saban. Bei seinen<br />
Mitarbeitern ist das Handheld Pflicht. In einem Exklusivbeitrag erläutert er,<br />
wie der Blackberry seinen Managementstil verändert hat. Seite 60
food for thought<br />
6 König Kunde produziert Inhalte<br />
Wie Weblogs, Itube und Co. das<br />
Verhältnis von Unternehmen und<br />
Abnehmern verändern<br />
8 Der bessere Globalisierer<br />
Joseph Stiglitz gilt Kapitalismuskritikern<br />
als Held. Doch er kämpft<br />
für freien Handel. Ein Interview.<br />
12 Islamische Calvinisten<br />
Koran und Erfolg passen nicht<br />
zusammen? Die türkische Region<br />
Kayseri beweist das Gegenteil.<br />
�<br />
Dossier<br />
Zukunft der Autos, Autos der Zukunft.<br />
Ab Seite 19<br />
dossier<br />
19 Die Low-Cost-Cars kommen<br />
Chinesen und Inder wollen Autos<br />
für unter 10 000 Euro. Wer sie baut,<br />
dem eröffnet sich ein Riesenmarkt.<br />
26 Der Allianzschmied<br />
Carlos Ghosn hat Renault und<br />
Nissan zusammengebracht. Jetzt<br />
sucht er nach neuen Partnern.<br />
30 Outsourcing, Innovation und mehr<br />
Fünf Topmanager beschreiben,<br />
worin sie die größten Herausforderungen<br />
der Branche sehen.<br />
32 Der nicht mehr nur schöne Schein<br />
Technologisch gut sein reicht<br />
nicht. Design wird wieder zum<br />
Wettbewerbsfaktor.<br />
38 Kultobjekt Auto<br />
Der Soziologe David Gartman<br />
zeichnet die Geschichte eines<br />
Fetischs nach.<br />
industry-report<br />
40 Der Pharmamann<br />
Novartis-Chef Daniel Vasella über<br />
Management und Strategie<br />
44 Blue Oceans angewandt<br />
Der Telekomkonzern Orascom verdient<br />
Geld in Krisengebieten.<br />
47 Kontinent der Vielfalt<br />
Der Wettbewerb „Best of European<br />
Business“ in der nächsten Runde<br />
48 Teil des Ganzen sein<br />
Warum das Diversity-Marketing<br />
heute das Einende betont<br />
50 Die etwas andere Boomstory<br />
Brasiliens Wirtschaft gedeiht – mit<br />
Zuckerrohr!<br />
business-culture<br />
regulars<br />
3 First Views<br />
52 Zukunftsmärkte im Check<br />
62 Service | Impressum<br />
inhalt f<br />
54 Trial and Error<br />
Die London Business School will<br />
Innovation im Management<br />
fördern – mit einem Versuchslabor.<br />
56 Harter Mann ganz oben<br />
Rennstallchef Flavio Briatore erläutert<br />
sein Verständnis von gutem<br />
Management.<br />
60 Ten years after<br />
Vor zehn Jahren begann der Blackberry<br />
seinen Siegeszug. Haim<br />
Saban erklärt, wie er seinen nutzt.<br />
5
p food for thought wir sind alle produzenten<br />
6<br />
Mach dir deine Inhalte!<br />
Wir bloggen, filmen, fotografieren – und immer findet sich ein Medium, das unsere Amateurwerke<br />
veröffentlicht. Der nutzergenerierte Content ist einer der großen Trends unserer Wirtschaftswelt.<br />
Doch lässt sich mit ihm auch Geld verdienen?<br />
122<br />
Mal den Jahresumsatz von YouTube hat der Internetkonzern<br />
Google für die Übernahme der Videosite<br />
bezahlt – exakt 1,65 Milliarden Dollar. Die Rückkehr<br />
der New-Economy-Absurditäten? Zumindest bestehen<br />
Parallelen. Wie viele damals gehypte Firmen macht<br />
auch YouTube bisher noch Verluste.<br />
Mit 21 WLAN-Hotspots je<br />
100 000 Einwohner sind<br />
die Briten in der drahtlosen<br />
Internetnutzung vorn.<br />
Japaner, Italiener und<br />
Spanier surfen vergleichsweise<br />
wenig ohne Kabel.<br />
Die USA, Deutschland<br />
und Norwegen liegen im<br />
Mittelfeld.<br />
>50%<br />
der amerikanischen Teenager<br />
haben mittlerweile Content für<br />
das Internet erstellt, melden die<br />
Experten von Pew Research.<br />
Briten mit den meisten WLAN-Hotspots<br />
Quelle: www.jiwire.com<br />
21<br />
20<br />
70 Millionen Blogs, so die Schätzung des The Blog<br />
Herald, werden momentan weltweit geschrieben. Das Land mit<br />
den meisten Blogseiten sind die USA, mit geschätzten 25 bis<br />
30 Millionen Blogs. Überraschend sind die Unterschiede zwischen<br />
verschiedenen Ländern. Während man bei Südkorea von<br />
15 Millionen und bei Japan von vier Millionen Netztagebüchern<br />
ausgeht, verzeichnet Indien nur 100 000 und Deutschland<br />
280 000 Blogs. Interessant: Obwohl die USA die meisten<br />
Blogs haben, schreiben asiatische Blogger offenbar mehr. 37 Prozent<br />
aller Blogeinträge weltweit werden auf Japanisch verfasst.<br />
Andere 4%<br />
Deutsch 1%<br />
Dänisch 1%<br />
Portugiesisch 2%<br />
Russisch 2%<br />
Französisch 2%<br />
17<br />
Italienisch 2%<br />
Spanisch 3%<br />
Chinesisch 15 %<br />
37 % Japanisch<br />
31 % Englisch<br />
Großbritannien Südkorea Dänemark USA Deutschland Norwegen Frankreich Italien<br />
WLAN-Hotspots je 100 000 Einwohner im Jahr 2006<br />
12<br />
10<br />
Quelle: The Blog Herald, Technorati<br />
8<br />
6<br />
3
Der Blogger als Quelle<br />
Journalisten nehmen Blogs offenbar mittlerweile ernst.<br />
Über 2500 Zeitungsreferenzen fand Factiva in Dreimonatszeiträumen<br />
in einem ausgewählten Set an Zeitungen. Noch<br />
vor zwei Jahren spielten die Blogs keine Rolle. Aber: Im<br />
letzten betrachteten Zeitraum nahm die Präsenz der Blogs<br />
wieder leicht ab. Die Medien unterscheiden inzwischen<br />
offenbar zwischen Blogs unterschiedlicher Qualität.<br />
Querverweise auf Blogs in ausgewählten Zeitungen<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
Januar–März 2004<br />
April–Juni 2004<br />
Juli–September 2004<br />
Oktober–Dezember 2004<br />
Januar–März 2005<br />
April–Juni 2005<br />
gehört die zukunft den mashups? food for thought f<br />
Wenn Website auf Website trifft<br />
724 verschiedene „Mashups“, also Vernetzungen verschiedener<br />
Webseiten, bietet der Internetservice Google Maps –<br />
mehr als jeder andere Service. Nutzer können beispielsweise<br />
auf Karten verorten lassen, wo sich die besten Hotels<br />
auf Hawaii befinden oder in welchen Gegenden New<br />
Yorks die Kriminalität am höchsten ist. Mashups gelten<br />
als wesentlich für die kommerzielle Zukunft des Internets.<br />
50000<br />
Exemplare seines digitalen Musikplayers „Squeezebox“<br />
verkaufte das Unternehmen Slim Devices. Das Besondere:<br />
Technologie und Design haben zum großen Teil die<br />
Kunden entwickelt. Slim Devices lässt seine Kunden aktiv<br />
an der Technologieentwicklung mitwirken und hat damit<br />
eine treue Fanschar geschaffen – erstes Beispiel eines nutzergenerierten<br />
Produkts.<br />
Quelle: Fast Company, Januar 2007<br />
1000 Dollar<br />
erhielt der 19-jährige US-Amerikaner Tyson Ibele für einen selbst produzierten Werbespot,<br />
mit dem er an einem Wettbewerb des Fernsehsenders Current TV teilnahm. „Usergenerated<br />
advertising“ nennt die Fachwelt dies. Der Kabelsender Current, der erste US-<br />
Kabelsender, der sein Programm schwerpunktmäßig aus nutzergeneriertem Content<br />
speist, zeigte den Spot für Sony Electronics danach mehrere Wochen lang.<br />
Quelle: Fast Company, Januar 2007<br />
Juli–September 2005<br />
Oktober–Dezember 2005<br />
Januar–März 2006<br />
Quelle:<br />
Factiva<br />
April–Juni 2006<br />
Die wichtigsten Mashup-Kategorien<br />
3% Transit<br />
Quelle: www.programmableweb.com<br />
4% Nachrichten<br />
4% Reise<br />
4% Messaging<br />
4% Events<br />
5% Sport<br />
5% Mobile-Anwendungen<br />
7% Shopping<br />
8% Foto<br />
9% Suchfunktionen<br />
47 % Mapping
Zurück zur Liberalisierung<br />
scheiterte die doha-runde an den usa? food for thought f<br />
Er kämpft für Freihandel und eine gerechtere Globalisierung: Joseph Stiglitz. Für seine Arbeit über<br />
asymmetrische Information in der Weltwirtschaft bekam er den Nobelpreis für Ökonomie.<br />
Im think:act-Interview geht er vor allem mit den USA, aber auch mit Europa hart ins Gericht.<br />
THINK: ACT Professor Stiglitz, noch brummt<br />
die Weltwirtschaft, doch eine Abkühlung<br />
kündigt sich an. Was halten Sie für die größte<br />
Gefährdung der globalen Wirtschaft?<br />
STIGLITZ Die grundlegende Gefahr liegt in der<br />
schlechten Wirtschaftslage einiger OECD-Länder,<br />
besonders der USA. Diese dürfte sich in den<br />
kommenden Jahren nicht verbessern. In den<br />
letzten fünf Jahren verzeichneten die USA ein<br />
auf Immobilien gestütztes Wachstum, bei dem<br />
Privathaushalte eine zunehmend größer werdende<br />
Schuldenlast trugen. Das Problem ist<br />
nun, dass die Zentralbanken auf die Inflation<br />
durch steigende Ölpreise mit höheren Zinssätzen<br />
reagieren werden. Damit droht das<br />
Wachstum dauerhaft abgewürgt zu werden.<br />
Die USA befinden sich daher in einer äußerst<br />
unsicheren Position. Und eine konjunkturelle<br />
Abschwächung in den Vereinigten Staaten ist<br />
eine Bedrohung für die globale Wirtschaft.<br />
Vor allem der fallende Dollarkurs bereitet<br />
momentan vielen Beobachtern Sorgen.<br />
Wie würden Welthandel und Weltwirtschaft<br />
beeinflusst, wenn er noch weiter in<br />
den Keller sackt?<br />
Ich glaube nicht, dass der Dollar ganz nach<br />
unten durchbricht. Allerdings wird er insgesamt<br />
schwach bleiben, mit einigen Fluktuationen.<br />
Die Folgen eines Verfalls sind immer eine<br />
Schwächung der US-Aktienmärkte sowie steigende<br />
Zinssätze in den USA. Dies verstärkt den<br />
Abschwung der US-Konjunktur.<br />
Wenige Tage nach Abbruch der Doha-<br />
Runde warnte US-Finanzminister Paulson<br />
vor einer „beunruhigenden Welle des Protektionismus“.<br />
Übernehmen die Kräfte der<br />
Antiglobalisierung das Ruder?<br />
Das glaube ich nicht. Auch ich selbst bin keineswegs<br />
gegen die Globalisierung, auch wenn ich<br />
gelegentlich so gesehen werde. Aber es ist natürlich<br />
eine Ironie, dass ausgerechnet die Vereinigten<br />
Staaten solche Bedenken erheben, denn sie<br />
selbst hatten ja den größten Anteil am Scheitern<br />
der Doha-Gespräche. Sie weigerten sich, ein realistisches<br />
Angebot zu weniger Subventionen der<br />
eigenen Agrarprodukte zu machen. Diese Subventionspolitik<br />
fügt den Entwicklungsländern<br />
jedes Jahr drastische Schäden zu. Dennoch hat<br />
Paulson Recht, wenn er weltweit von einer protektionistischen<br />
Stimmung spricht.<br />
Noch stärker als die USA sind Europa und<br />
Asien abhängig vom Export. Was steht für<br />
sie auf dem Spiel?<br />
Entscheidend ist, dass Europa und die asiatischen<br />
Volkswirtschaften sich wieder auf dem<br />
Weg der Liberalisierung befinden und sich<br />
nicht hinter neuen protektionistischen Barrieren<br />
verstecken. Die Importzölle müssen weiter<br />
abgebaut werden. Das größte Hindernis für<br />
den Welthandel liegt in der Landwirtschaft.<br />
Weder die USA noch die EU sind hier bereit,<br />
echte Zugeständnisse zu machen. Sie sind gar<br />
nicht verhandlungsbereit.<br />
Die USA befinden sich im Abschwung, Doha<br />
war ein Debakel. Auch Chinas Konjunktur<br />
kühlt sich ab. Das ideale Klima für einen<br />
Zusammenbruch des Welthandels ...<br />
Eine Veränderung in China etwa von zehn auf<br />
neun Prozent Wachstum pro Jahr sollte man<br />
nicht als wirkliche Bedrohung der Weltwirtschaft<br />
ansehen, sondern eher als eine sinnvolle<br />
Beruhigung. Aber natürlich bestehen Anzeichen<br />
für einen globalen Abschwung. Von den<br />
drei genannten Faktoren ist die Schwäche der<br />
USA natürlich am entscheidendsten.<br />
9
p food for thought schluss mit dem populismus!<br />
10<br />
Die USA scheinen sich von einem multilateralen<br />
Ansatz zu bilateralen Abkommen zu<br />
bewegen. Geht die Ära multilateraler Handelsabkommen<br />
zu Ende?<br />
Nur die derzeitige Bush-Regierung setzt auf<br />
bilaterale Abkommen. Diese dienen weder den<br />
Interessen der Weltwirtschaft oder des Welthandelssystems<br />
noch denen der USA. Es ist wissenschaftlich<br />
erwiesen, dass bilaterale Abkommen<br />
nicht zu mehr Handel führen. Obwohl<br />
es eine große Anzahl solcher Verträge gibt,<br />
beträgt das Handelsvolumen, das sich daraus<br />
ergibt, gerade mal einen Bruchteil des gesamten<br />
Welthandels.<br />
Solche Abkommen mögen eine gewisse politische<br />
Symbolkraft besitzen und werden entsprechend<br />
als populistische Waffe eingesetzt. Aber<br />
wirtschaftlich sind sie unbedeutend und schaden<br />
den Ländern, die auf sie setzen.<br />
Schaden fügen sie auch den Unternehmen<br />
der betroffenen Länder zu. Wie können global<br />
operierende Unternehmen reagieren?<br />
Sie können und müssen ihre Regierungen unter<br />
Druck setzen, zu einem multilateralen Handelssystem<br />
zurückzukehren. Eine Abfolge bilateraler<br />
Verträge wäre nicht zuletzt für global<br />
operierende Konzerne ein Albtraum, weil diese<br />
letztlich jede langfristige Planung für sie<br />
unmöglich macht.<br />
China wurde in die WTO aufgenommen,<br />
Indiens Einfluss wächst, Südafrika verbündet<br />
sich mit Brasilien – werden die Entwicklungsländer<br />
mächtiger?<br />
Wir werden sicher nicht noch einmal so unfaire<br />
Verhandlungen erleben wie bei der Uruguay-Runde,<br />
die für die Entwicklungsländer<br />
nachteilige Ergebnisse brachte. Dies ist die<br />
Folge von größerer Transparenz und mehr<br />
Demokratie in den Entwicklungsländern, und<br />
zwar weil diese die Verhandlungsführer im
Inland unter einen stärkeren Erfolgsdruck<br />
setzt. Für eine demokratische Regierung ist es<br />
nicht annehmbar, derart unfaire Abkommen<br />
zu unterzeichnen wie in der Uruguay-Runde<br />
vorgesehen. Sonst würde sie nämlich abgewählt.<br />
Die Verbreitung der Demokratie setzt<br />
die Regierungen im eigenen Land unter<br />
Erfolgsdruck und gewährleistet so, dass<br />
zukünftige Abkommen fairer ausfallen.<br />
Viele Beobachter meinen, das Scheitern der<br />
Doha-Runde wirke sich negativ auf den<br />
Schutz geistigen Eigentums aus. Müssen<br />
führende Markenunternehmen eine Welle<br />
neuer Copyright-Verletzungen fürchten?<br />
Flächendeckend ist dies nicht zu befürchten.<br />
Das Problem beim Schutz geistigen Eigentums<br />
liegt derzeit auch weniger in den bekannten<br />
Branchen wie der Film- oder Musikindustrie,<br />
sondern hauptsächlich bei den Pharmaproduzenten.<br />
Die Unternehmen versuchen momentan,<br />
sich traditionelle Medikamente aus Entwicklungsländern<br />
patentieren zu lassen. Zugleich<br />
kommen immer noch viele Menschen nicht an<br />
lebensrettende Medizin. So kann es nicht weitergehen.<br />
Es ist auch im Interesse der Pharmakonzerne,<br />
breiten Schichten in Entwicklungsländern<br />
einen besseren Zugang zu lebensrettenden<br />
Medikamenten zu bereiten. Sie müssen daher<br />
die Forschung an jenen Medikamenten forcieren,<br />
die für Entwicklungsländer relevant sind.<br />
Außerdem müssen wir unser Intellectual-Property-System<br />
reformieren. Dieses schafft es bisher<br />
nicht, den breiten Zugang zu Medikamenten<br />
zu organisieren. Und wenn Pharmakonzerne<br />
sich das traditionelle medizinische Wissen der<br />
Entwicklungsländer patentieren lassen, dann ist<br />
das schlecht für diese Länder, aber auch für den<br />
wissenschaftlichen Fortschritt.<br />
Kommen wir noch einmal auf China zurück.<br />
Im Westen wird das Land bisher positiv gese-<br />
europäer müssen sich an firmenverflechtungen gewöhnen food for thought f<br />
JOSEPH E. STIGLITZ, Professor an der<br />
New Yorker Columbia University, ist einer der<br />
profiliertesten Ökonomen der Welt – und einer<br />
der streitbarsten. Er war Chefökonom der<br />
Weltbank und wirtschaftspolitischer Berater<br />
Bill Clintons. In seinem Buch „Die Roaring<br />
Nineties“ kritisiert er die Funktionsweisen der<br />
weltweiten Finanzmärkte. Das gefiel nicht<br />
zuletzt den Globalisierungskritikern. Aktuell<br />
erscheint sein neues Buch „Die Chancen der<br />
Globalisierung“. 2001 erhielt Stiglitz für Arbeiten<br />
über asymmetrische Information in der<br />
Weltwirtschaft den Nobelpreis.<br />
PRODUKTION UND WELTHANDEL<br />
DURCHSCHNITTLICHE VERÄNDERUNG PRO JAHR IN PROZENT<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
Handel<br />
0<br />
1950–63<br />
EUROPA GRÖSSTER EXPORTEUR<br />
NORDAMERIKA IMPORTIERT FAST SO VIEL WIE ASIEN<br />
EXPORT<br />
26,8 Asien<br />
4,4 Mittlerer<br />
Osten<br />
2,6 Afrika<br />
3,1 Süd- und<br />
Zentralamerika<br />
IMPORT<br />
24,0 Asien<br />
2,7 Mittlerer<br />
Osten<br />
2,3 Afrika<br />
QUELLE: WTO<br />
Produktion<br />
63–73 73–90 90–04<br />
%<br />
%<br />
14,9 Nordamerika<br />
3,0 Gemeinschaft<br />
Unabhängiger<br />
Staaten<br />
45,3 Europa<br />
21,8 Nordamerika<br />
1,9 Gemeinschaft<br />
Unabhängiger<br />
Staaten<br />
2,6 Süd- und<br />
Zentralamerika<br />
44,8 Europa<br />
hen, weil Verbraucher durch billige Importe<br />
Geld sparen und sich dort attraktive Investitionsmöglichkeiten<br />
bieten. Wenn es nun rauer<br />
im Welthandel zugeht, dürften dann nicht<br />
auch die Stimmen derer lauter werden, die<br />
einen Schutz vor China und Indien fordern?<br />
Hören Sie sich um: Sie werden ja heute schon<br />
lauter. Hier spielt die WTO eine entscheidende<br />
Rolle, denn sie erschwert momentan die Einführung<br />
von Handelsbeschränkungen. Dennoch<br />
wurden für Bekleidung und Textilien bereits<br />
klare Einschränkungen durchgesetzt. Mit denen<br />
konnte China gerade noch leben. Doch gäbe es<br />
breitere, pauschalere Restriktionen, würde das<br />
dem globalen Handel insgesamt einen Schlag<br />
versetzen. Deshalb müssen und werden sich die<br />
Industrieländer hüten, das weltweite Handelssystem<br />
als Ganzes systematisch zu untergraben.<br />
Anscheinend haben Sie Ihren Optimismus<br />
noch nicht ganz verloren. Und das, obwohl in<br />
Europa momentan verschiedene länderübergreifende<br />
Transaktionen torpediert wurden:<br />
Der italienische Konzern Enel sollte das französische<br />
Suez nicht übernehmen, die Fusion<br />
zwischen dem deutschen Energieriesen E.ON<br />
und Spaniens Endesa rief die spanische Regierung<br />
auf den Plan. Skeptiker sehen bereits das<br />
Projekt der europäischen Einigung bedroht …<br />
Das Thema Anteilsbesitz scheint für die Europäer<br />
noch sensibler zu sein als der Welthandel<br />
selbst. Letzteren haben die Europäer ja inzwischen<br />
grundsätzlich akzeptiert. Aber mit Firmenverflechtungen<br />
tun sie sich immer noch<br />
sehr schwer.<br />
Ich denke, es braucht einfach noch seine Zeit, bis<br />
Europa sich auch mit diesen Folgen der internationalen<br />
Marktöffnungen abgefunden hat. Es<br />
sind ja vor allem politisch sensible Bereiche, in<br />
denen wirklich Probleme bestehen, wie die Energiebranche.<br />
Das europäische Einigungsprojekt<br />
werden diese Schwierigkeiten nicht bedrohen.<br />
11
12<br />
[Reportage]<br />
Die anatolischen Calvinisten<br />
Geldverdienen zählt nichts, wer Zinsen nimmt, ist ungläubig: Öffentlichen Vorurteilen<br />
nach schließen sich moslemischer Glaube und Kapitalismus aus. Dass das<br />
nicht stimmt, demonstriert die türkische Provinz Kayseri. In der Boomregion haben<br />
ehrgeizige Unternehmer eine sehr dynamische Arbeitsethik. Als islamische Calvinisten<br />
werden die gläubigen Entrepreneure bezeichnet. Kayseris Erfolg zeigt: Islam<br />
und Marktwirtschaft sind kein Widerspruch. Eine Reportage.
eportage aus einer überraschenden boomregion food for thought f<br />
13
p food for thought wer gut verdient, konsumiert – auch in kayseri<br />
Der Glaube hindert in Kayseri niemanden<br />
daran, sich erfolgreich<br />
wirtschaftlich zu betätigen. Die meisten<br />
Unternehmen haben eigene<br />
Gebetsräume. Die Arbeitsmoral der<br />
Menschen ist strikt.
Unternehmer Halil Hakkoymaz (links) opfert ein Schaf. Ein Arbeitsunfall<br />
in seinem Unternehmen verlief glimpflich, dafür dankt er Allah.<br />
glaube und gewinnstreben können miteinander einhergehen food for thought f
IBRAHIM YARDIMICI<br />
glaubt, dass die Mischung aus<br />
Geschäftssinn und Hilfsbereitschaft<br />
kulturelle Wurzeln hat: „Von<br />
Osten nach Westen werden<br />
die Menschen immer materialistischer.“<br />
Kayseri liegt zwischen Orient<br />
und Okzident. Logisch also,<br />
dass man hier Unternehmertum<br />
und Wohltätigkeit verbinde. Den<br />
Blick für soziale Probleme möchte<br />
Yardimici, Chef des Rohrbauunternehmens<br />
Erbosan, auch an<br />
seine Kinder weitergeben: „Ich<br />
zeige ihnen, wie arme Menschen<br />
leben müssen.“ Dabei aber darf<br />
das Geschäft nicht zu kurz kommen.<br />
„Natürlich wollen wir<br />
Geld verdienen.“<br />
ALPER PELIK ist in der konservativen<br />
Geschäftswelt Kayseris<br />
ein Paradiesvogel: „Wir sind das<br />
einzige Hightechunternehmen der<br />
Stadt.“ Die Firma des 38-Jährigen,<br />
Domino Electronics, stellt Fiberoptikkabel<br />
her. Zu den Vorteilen<br />
seiner Heimatstadt zählt Pelik weniger<br />
Fleiß und Gemeinsinn als<br />
die relativ niedrigen Lohnkosten.<br />
Bei den konservativen Industriekapitänen<br />
in Kayseri vermisst<br />
Pelik vor allem Risikobereitschaft<br />
und Innovationskraft: „Die Leute<br />
in Kayseri arbeiten hart, das ist<br />
richtig“, sagt Pelik mit einem<br />
Augenzwinkern. „Aber auch Esel<br />
arbeiten hart.“<br />
IKBAL CAVDAROGLU<br />
eröffnete vor 25 Jahren ein Buchhalterbüro.<br />
Damals war das<br />
eine Sensation: Als eine der ersten<br />
Frauen der Stadt wurde sie mit<br />
einem eigenen Unternehmen<br />
tätig. „Ich war ein Vorbild“, sagt<br />
die heute 44-jährige Cavdaroglu.<br />
Sie engagiert sich in der Frauenorganisation<br />
der islamischen<br />
türkischen Regierungspartei AKP,<br />
doch von einer streng islamischen<br />
Ideologie ist sie weit entfernt.<br />
Vom Zinsverbot im Islam<br />
beispielsweise hält sie nichts.<br />
SAFAK CIVICI sagt über ihre<br />
Mitbürger: „Die Leute hier sind<br />
wirklich sehr fleißig.“ Als gebürtige<br />
Schwäbin hat die 42-jährige<br />
Unternehmerin mit türkischen<br />
Eltern und deutschem Pass nicht<br />
nur einen Blick für die Arbeitsmoral<br />
der Kayserianer, sondern<br />
auch für deren spezielles Verhältnis<br />
zur Religion: „Kayseri beweist,<br />
dass man westlich sein und zugleich<br />
einen festen moslemischen<br />
Glauben haben kann.“ Civicis<br />
Unternehmen Sefes liefert allein<br />
nach Italien fast eine halbe Million<br />
Designerstühle.
Halil Hakkoymaz<br />
macht nicht<br />
viele Worte.<br />
Er wirft das<br />
Geld einfach<br />
auf den Tisch,<br />
zwei Scheine. Der<br />
Bauunternehmer in<br />
der zentralanatolischen<br />
Stadt Kayseri kommt häufig<br />
in das enge Büro der Armen-<br />
küche, um zu helfen. 200 Lira spendet<br />
Hakkoymaz diesmal, umgerechnet etwa 100<br />
Euro. Aber heute hat er noch mehr für die<br />
Armen übrig. Weil ein schwerer Arbeitsunfall<br />
in seiner Firma glimpflich ausgegangen<br />
ist, lässt er zum Dank ein Schaf schlachten.<br />
„In deinem Namen bringe ich dieses Opfer<br />
dar“, sagt der Metzger, ein kleiner, drahtiger<br />
Mann, in Richtung Hakkoymaz. Er setzt das<br />
Messer an die Kehle des Tieres. „Allah u<br />
akbar“, „Allah ist groß“, ruft Hakkoymaz.<br />
Dann steigt er in seinen alten Kombi und<br />
fährt zurück in seine Baufirma.<br />
An die 30 Armenküchen gibt es in Kayseri,<br />
meist von Geschäftsleuten finanziert. Nicht<br />
nur fleißig, sondern auch wohltätig und gottesfürchtig<br />
zu sein versteht sich für die<br />
Unternehmer von selbst. Kayseri, das ist die<br />
gelebte Verbindung von Islam und Moderne.<br />
Einerseits leben die Menschen strenggläubig.<br />
Andererseits, und das überrascht<br />
im vermeintlich rückständigen Anatolien,<br />
ist Kayseri eine ökonomische Erfolgsgeschichte.<br />
So ist die Stadt ein Beleg dafür,<br />
dass sich auch im Islam Glaube positiv auf<br />
ökonomischen Erfolg auswirken kann.<br />
Mit ihren rund 1,1 Millionen Einwohnern<br />
und 150 000 Arbeitnehmern produziert die<br />
Provinz Kayseri 70 Prozent aller in der<br />
Türkei verkauften Möbel und ein Prozent<br />
des weltweit getragenen Jeansstoffes. Das<br />
Industriegebiet außerhalb der Stadt ist<br />
2350 Hektar groß und Standort von mehr als<br />
500 Fabriken. Rund 100 Kilometer an asphaltierten<br />
Straßen gibt es hier – mehr als in den<br />
meisten anderen türkischen Landkreisen.<br />
Obwohl die Stadt mitten in Anatolien und<br />
damit fernab von allen Häfen liegt, haben<br />
sich die Exporte aus Kayseri ins Ausland<br />
seit dem Jahr 2000 auf etwa 540 Millionen<br />
Euro verdoppelt. Inzwischen klagen Unternehmer<br />
über Arbeitskräftemangel.<br />
Neben Baukränen prägen Moscheen das<br />
Stadtbild Kayseris. Etwa 500 Glaubenshäuser<br />
finden sich in der Stadt, eine der größten<br />
steht mitten im Industriegebiet. Zeichen<br />
von Frömmigkeit finden sich überall.<br />
Religiösen Extremismus jedoch sucht man<br />
vergeblich.<br />
Die Gläubigen in Kayseri agitieren nicht.<br />
Sie spenden lieber. 230 Millionen Euro Privatgelder<br />
seien seit dem Jahr 2000 geflossen,<br />
errechnete die türkische Zeitschrift<br />
„Aksiyon“. Viele öffentliche Gebäude wie<br />
Schulen wurden von privaten Spendern<br />
gebaut, mehrere Hundert Studenten erhalten<br />
Stipendien, besonders für die medizinische<br />
Ausbildung. Sie sollen später die medizinische<br />
Versorgung in der Stadt verbessern,<br />
so die Idee der Sponsoren – deren<br />
Engagement damit auch ein Stück Standortförderung<br />
darstellt.<br />
verschwendung ist in kayseri verpönt food for thought f<br />
Die Unternehmenskultur in der Stadt zeichnet<br />
sich durch eine schwäbisch anmutende<br />
Sparsamkeit aus. „Alle unnötigen Lampen<br />
ausschalten“, befiehlt ein Schild in der Textilfabrik<br />
Birlik Mensucat, einem Unternehmen<br />
mit immerhin 55 Millionen Euro Jahresumsatz.<br />
Seinen Reichtum expressiv zu genießen<br />
gehört sich ebenfalls nicht. So existiert<br />
kaum ein nennenswertes Nachtleben in<br />
Kayseri – während Geschäftsleute in Istanbul<br />
ihr Geld gern in teuren Nachtklubs ausgeben.<br />
„Unser Stil ist das nicht“, sagt der<br />
Möbelfabrikant Seffat Arslan naserümpfend.<br />
Gewinne werden in Kayseri nicht für<br />
den persönlichen Konsum eingesetzt, sondern<br />
investiert oder für gute Zwecke ausgegeben.<br />
„Mein Vater gab mir mit auf den<br />
Weg: Lüge nicht, bleibe ehrenhaft, und kalkuliere<br />
scharf“, sagt Mustafa Özhamurka,<br />
Chef von Birlik Mensucat.<br />
Das Erfolgsmodell Kayseri hat viel mit der<br />
früheren Erfahrung von Armut zu tun. Diese<br />
prägt noch heute die Rhetorik der Unternehmer:<br />
„Wir wissen, dass Geld sauer verdient<br />
werden muss“, sagt Ibrahim Yardimci, Chef<br />
des Rohrbauunternehmens Erbosan. „Ich<br />
bin jetzt 65 Jahre alt, aber ich kann mich<br />
erinnern, wie ich als Siebenjähriger auf der<br />
Straße Sesamkringel verkaufte, um Geld zu<br />
verdienen.“ Heute exportiert er Stahlrohre<br />
in 70 Länder überall auf der Welt.<br />
Die Sparsamkeit der Stadt wirkt sich nicht<br />
nur auf die Kultur der örtlichen Unternehmen<br />
aus, sondern auch auf die öffentliche<br />
Verwaltung. Bürgermeister Mehmet Özhaseki<br />
von der islamischen Regierungspartei<br />
AKP verkaufte kürzlich den städtischen<br />
Fuhrpark und setzte die Beamten in angemietete<br />
Fahrzeuge – ein Novum für die statusbewussten<br />
türkischen Staatsdiener.<br />
17
p food for thought unternehmer spenden für den bildungssektor<br />
18<br />
Özhasekis Amtsvorgänger Sükrü Karatepe<br />
war es, der den Terminus des „islamischen<br />
Calvinismus“ für die spezielle Mischung<br />
aus Fleiß und Frömmigkeit geprägt hatte.<br />
Der Begriff fand sich jetzt in einer gerade<br />
veröffentlichten Studie des europapolitischen<br />
Forschungsinstituts ESI wieder. Sie<br />
stellte Kayseri einem internationalen Publikum<br />
vor und stieß eine Debatte über die<br />
Kompatibilität von Islam und Moderne an.<br />
Das Ergebnis war den Bewohnern von Kayseri<br />
schon vorher klar: Es gibt keinen<br />
Gegensatz zwischen Erfolg und moslemischem<br />
Glauben. „Sonst hätten wir wohl<br />
kaum so ein großes Industriegebiet“, sagt<br />
die AKP-Lokalpolitikerin und Unternehmerin<br />
Ikbal Cavdaroglu. Sie ist die erste Frau,<br />
die in Kayseri ein eigenes Unternehmen<br />
gründete – eine Controllingfirma.<br />
Schon der Koran selbst betont das Recht auf<br />
Privateigentum. Der Prophet Mohammed<br />
war ein reicher Geschäftsmann.<br />
Der bekannteste Sohn Kayseris, der türkische<br />
Außenminister Abdullah Gül, sagte<br />
kürzlich in der BBC, die Menschen in seiner<br />
Heimatstadt praktizierten „die Art von<br />
Islam, die wir brauchen: Sie gehen in die<br />
Moschee, sie sind fromm, aber gleichzeitig<br />
sind sie wirtschaftlich sehr aktiv.“ Als Gül<br />
dem EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn<br />
zeigen wollte, wie Anatolien tickt, lud er<br />
ihn nach Kayseri ein. Die erstaunte Reaktion<br />
auf den Boom sage vor allem etwas<br />
EIN ANATOLISCHER TIGER<br />
Im Schatten des Berges Erciyes kann Kayseri<br />
auf eine lange Wirtschaftsgeschichte zurückblicken.<br />
Schon das antike Caesarea war ein<br />
bedeutendes Handelszentrum. Die Kayserianer<br />
von heute führen dies auch auf die Tatsache<br />
zurück, dass die Gegend weder Bodenschätze<br />
noch sehr viel fruchtbares Ackerland<br />
zu bieten hat: Kayseri war deshalb auf<br />
den Handel angewiesen.<br />
Heute ist Kayseri ein Wirtschaftszentrum in<br />
Anatolien und bildet mit Städten wie Gaziantep,<br />
Denizli oder Eskisehir die Riege der „anatolischen<br />
Tiger“. Elf der 20 größten Möbelhersteller<br />
der Türkei haben ihren Sitz in Kayseri.<br />
Die meisten Betriebe sind kleine und mittlere<br />
Unternehmen: Die Vereinigung der Kleinbetriebe<br />
und Handwerker der Stadt hat knapp<br />
46 000 Mitglieder.<br />
Die Arbeitslosenrate, in der Türkei wegen der<br />
ausgeprägten Schattenwirtschaft nur schwer<br />
zu ermitteln, liegt nach Einschätzung von<br />
Unternehmern unter sieben Prozent – im Landesdurchschnitt<br />
sind es weit mehr als zehn<br />
Prozent. Seit 1950 hat sich die Einwohnerzahl<br />
der Stadt Kayseri auf etwa 600 000 Menschen<br />
verzehnfacht. Der Wirtschaftsboom hat aber<br />
auch seine Schattenseiten: Nach Berechnungen<br />
des türkischen Statistikamtes ist dort die<br />
Luft so schlecht wie nirgends sonst im Land.<br />
Die typische soziale Ader von Unternehmern<br />
kommt besonders dem Bildungsbereich zugute.<br />
Nach Berechnungen der Wirtschaftszeitung<br />
„Referans“ spendeten Wohltäter in zwei Jahren<br />
54 Millionen US-Dollar.<br />
über die Europäer aus, findet der Politikwissenschaftler<br />
Fuat Keyman von der<br />
Istanbuler Koc-Universität. „Sie haben<br />
bemerkt, dass es auch außerhalb von Istanbul<br />
noch eine Türkei gibt.“ ESI-Chef Gerald<br />
Knaus verweist darauf, dass Kayseri für<br />
viele Gegenden in Anatolien stehen könne:<br />
Auch Städte wie Konya, Gaziantep oder<br />
Eskisehir verzeichneten beachtliche<br />
Wachstumsraten.<br />
Zwar lehnen einige Kommentatoren den<br />
Calvinismus-Vergleich ab, weil sie einen<br />
christlichen Vereinnahmungsversuch wittern.<br />
Gül und die meisten Unternehmer<br />
in Kayseri haben mit Calvin aber kein Problem<br />
– auch wenn sich dessen Prädestinationslehre,<br />
nach der ökonomischer Erfolg<br />
religiöse Auserwähltheit zeigt, nicht<br />
genau auf den moslemischen Glauben<br />
übertragen lässt. „Gott liebt den, der fleißig<br />
ist – das passt auch zu uns“, sagt Möbelfabrikant<br />
Arslan. Deshalb sähen es die<br />
Industriekapitäne in Kayseri gerne, wenn<br />
sich der Rest der Türkei etwas von ihnen<br />
abschauen würde. „Wenn die ganze Türkei<br />
so wäre wie Kayseri, dann hätten wir keine<br />
Probleme mit Europa“, sagt er und zieht an<br />
seiner Zigarette. Dann wendet er sich wieder<br />
den Zukunftsplänen für sein eigenes<br />
Unternehmen zu. Arslan will eine Fabrik in<br />
der armen Nachbarprovinz Yozgat bauen.<br />
Um Allah zu gefallen? Vielleicht. Vor allem<br />
aber winkt eine Steuerbefreiung.
„Ich glaube, dass das Auto heute<br />
das genaue Äquivalent der großen<br />
gotischen Kathedralen ist.“<br />
<strong>Roland</strong> Barthes, Philosoph<br />
„Small is beautiful.“<br />
E.F. Schumacher, Ökonom
DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />
188 Millionen<br />
„Chevys“ wurden seit<br />
Gründung der Traditionsmarke<br />
verkauft.<br />
An diesen Erfolg will<br />
GM mit seiner Offensive<br />
anknüpfen.<br />
20<br />
nGENERAL MOTORS<br />
richtet seine Markenstrategie neu aus.<br />
Chevrolet soll weltweit das Segment für<br />
Einsteiger abdecken. In Europa ist die<br />
Marke noch wenig bekannt.<br />
»Mit Chevrolet bieten<br />
wir auch Modelle<br />
unterhalb der<br />
10 000-Euro-Grenze<br />
an. Damit sind wir<br />
im Segment der<br />
preisaggressiven<br />
Anbieter vertreten.«<br />
CARL-PETER FORSTER, VICE PRESIDENT GM<br />
UND PRESIDENT VON GM EUROPA<br />
EINE MARKE MACHT TEMPO<br />
Verkaufte Autos von Chevrolet in Mio.<br />
Seit 2003 gehen die Zahlen nach oben.<br />
4,6 Chevrolet in Mio.<br />
4,4<br />
4,2<br />
4,0<br />
3,8<br />
3,7<br />
4,2<br />
4,4<br />
4,5*<br />
3,6<br />
3,4<br />
2001<br />
3,6<br />
2002<br />
3,6<br />
2003 2004 2005 2006<br />
* Schätzung<br />
Quelle: GM Europa<br />
Auto light<br />
KEIN SEGMENT DER AUTOMOBILBRANCHE IST SO WACHSTUMSTRÄCHTIG WIE DAS GESCHÄFT MIT BILLIG-<br />
AUTOS. BISHER HABEN HIER CHINESEN UND INDER DAS SAGEN. JETZT BAUEN ERSTE ETABLIERTE<br />
HERSTELLER EIGENE LOW-COST-MARKEN AUF. EIN REPORT DES AUTOJOURNALISTEN ULRICH VIEHÖVER.<br />
s<br />
DIE POSITIVE NACHRICHT ZUERST: Der Automobilindustrie<br />
steht eine glänzende Zukunft bevor. In 15<br />
Jahren wird die Branche deutlich mehr verkaufen als<br />
heute. Das Wohlstandswachstum in Indien oder China<br />
bedeutet, dass weltweit eine Explosion der Mobilität<br />
auf vier Rädern in Sicht ist. Doch wer profitiert davon?<br />
Klar ist: Mit der Nachfrage müssen die Unternehmen<br />
ihre Produktpaletten verändern. Mit Autos für 20 000<br />
Euro oder mehr sind die aufstrebenden Mittelklassen<br />
in Ostasien nicht zu beglücken. Sie wollen respektable<br />
Autos – für deutlich unter 10 000 Euro. Sie wollen<br />
Low-Cost-Cars. Die bekommen sie auch. Und zwar<br />
schon jetzt. Neue Billiganbieter aus China, Indien oder<br />
Russland launchen Automarken wie Chery, Tata oder<br />
Dacia – und verändern damit die Autowelt.<br />
Denn die jungen Tiger geben sich längst nicht<br />
mehr mit ihren Heimatmärkten zufrieden. Sie wollen<br />
den Westen erobern. Wie dynamisch sie dabei vorgehen,<br />
zeigt das Engagement des chinesischen Autobauers<br />
Geely Holding Group. Der erst 1997 in Zhejiang<br />
(Nordchina) gegründete private Autohersteller exportierte<br />
2004 bereits 64 Prozent eines bestimmten Produktsegmentes,<br />
seiner preiswert-robusten Sportwagen,<br />
nach Übersee. Anlässlich einer Präsentation in<br />
Europa stellte der Haupteigentümer und Firmenchef<br />
Shufu Li in Aussicht, „im Jahr 2015 zwei Drittel der<br />
gesamten Produktion zu exportieren oder in Übersee<br />
zu produzieren“. Als Größenordnung dafür nannte er<br />
1,4 Millionen Einheiten. „Das für den Exportmarkt<br />
geeignete Fahrzeug ist bereits entwickelt worden und<br />
reif für die Massenproduktion.“<br />
FÜR DIE ETABLIERTEN AUTOBAUER in Europa, den<br />
USA oder Japan wirft die Power von Managern wie<br />
Shufu Li die Frage auf: Lassen sie sich auf die neue<br />
Konkurrenz ein? Nehmen sie den Kampf um Kunden<br />
an, die neue Autos mit einem Mindestmaß an Service<br />
und Komfort wollen, dafür aber nur umgerechnet<br />
5000 bis 10 000 Euro auszugeben bereit sind? Insider<br />
glauben: Die Zeit drängt, sofern die Etablierten<br />
nicht die Fehler von früher wiederholen wollen, als sie<br />
die Japaner und Koreaner unterschätzt haben. Die<br />
Konzerne müssen selbst auf Billigautos setzen – und<br />
auf entsprechend positionierte Marken. Bei dem<br />
absehbaren Verdrängungskampf muss es den Platzhaltern<br />
gelingen, glaubwürdige Low-Cost-Labels zu<br />
etablieren, ohne vorhandene höherwertige Marken zu<br />
kannibalisieren. Denn mit nur einer oder zwei Marken<br />
ist diese Herausforderung nicht zu meistern.<br />
Zumindest sollte je eine starke Mittel-, Premium-<br />
und Billigmarke am Markt sein. „Mit einer<br />
Marke allein können sie nicht vom Niedrigpreissektor<br />
bis zum Luxussegment alles abdecken. Die Markenspreizung<br />
würde die Belastbarkeit jeder Marke übersteigen“,<br />
sagt Carl-Peter Forster, Chef von GM Europa.<br />
BISHER ABER VERFOLGEN nur wenige Firmen<br />
offensiv eine solche Vorwärtsstrategie. Um dem Verfall<br />
der Margen zu begegnen, stürzen sich die meisten<br />
momentan lieber auf das Premiumsegment. Verständlich<br />
– die komfortablen Hightechwagen erzielen<br />
höhere Preise und versprechen gute Gewinne. Aber:<br />
Der Premiummarkt ist allmählich ausgeschöpft, weil<br />
er langsamer wächst und trotzdem weitere Anbieter<br />
anlockt. Für den Designer und Geschäftsführer der<br />
Hymer idc, Johann Tomforde, ist das „ein gefährlicher<br />
Weg, wenn fast alle in die gleiche Richtung stürmen<br />
und Kunden vernachlässigen, die sich keine so teuren<br />
Autos leisten können“. Die Manager verlören Millionen<br />
potenzieller Kunden aus den Augen. Tomforde:<br />
„Trotz allem Streben nach Hightech sollten die Autofirmen<br />
nicht vergessen, für wirklich preisgünstige,<br />
individuelle Mobilität zu sorgen.“ Und zwar mit Marken<br />
unterhalb der Premium-Brand.<br />
Einen ersten zaghaften Schritt in diese Richtung<br />
stellte dem früheren Mercedes-Manager Tom-
forde zufolge der Kleinwagen Smart von Daimler-<br />
Chrysler dar. Mit dem Smart versuchte der Konzern,<br />
eine neue Marke unterhalb des bisherigen Portfolios<br />
zu etablieren. Doch das Auto wurde zu teuer für echte<br />
Einsteiger. Und: Als Produkt für die entstehende chinesische<br />
oder indische Mittelklasse hätte sich der<br />
lustige Autoball ohnehin nicht geeignet.<br />
DOCH DIE CHANCEN für einen robusten und<br />
preiswerten Einstiegswagen sind heute größer denn<br />
je. Der Weltmarkt für Billigautos expandiert in den<br />
kommenden Jahren weltweit. Eine aktuelle <strong>Roland</strong>-<br />
<strong>Berger</strong>-Studie prognostiziert, dass im Jahr 2012 jährlich<br />
18 Millionen Autos für unter 10 000 Euro verkauft<br />
werden (siehe Kasten Seite 25). Das sind vier Millionen<br />
mehr als heute, womit der Zuwachs des Low-<br />
Cost-Segments klar über dem generellen Wachstum<br />
auf dem Automarkt liegen dürfte.<br />
Wachstumsstärkste Märkte werden der Studie<br />
zufolge China und Indien sein. 2,6 Millionen Einstiegsautos<br />
dürften allein in dem chinesischen Riesenreich<br />
im Jahr 2012 ihre Käufer finden. Insgesamt<br />
erwarten die <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Experten, dass die Chinesen<br />
dann Jahr für Jahr rund 6,4 Millionen Autos<br />
erwerben – und damit einen größeren Markt bilden<br />
werden als Japan.<br />
Auch im wohlhabenden Westen wächst das<br />
Marktpotenzial für die Einsteigerautos. Ein Grund: das<br />
veränderte makroökonomische Gefüge. Europas Wirtschaften<br />
wachsen langsam, was die Durchschnittseinkommen<br />
drückt und so die Nachfrage nach kostengünstigen<br />
Autos anheizt. Und die US-Ökonomie<br />
legt zwar stärker zu; doch davon profitierten die Käufer<br />
von Mittelklasseautos nur begrenzt: Der durchschnittliche<br />
Preis eines Neuwagens stieg zwischen<br />
1980 und 2003 um 2,2 Prozent und damit stärker als<br />
die Einkommen aller Amerikaner mit Ausnahme der<br />
reichsten fünf Prozent. Experten wie Ferdinand<br />
Dudenhöffer, Professor an der Fachhochschule Gelsenkirchen,<br />
rechnen folglich mit einem starken Verdrängungswettbewerb<br />
bei den Volumenherstellern.<br />
Auch das Premiumsegment sei davon betroffen.<br />
Dieses besäße zwar mit rund 40 Prozent (auf sieben<br />
Millionen Wagen weltweit) noch ein deutliches<br />
Steigerungspotenzial. Aber diese gehobene Klasse<br />
„wächst nach unten“, ihr durchschnittliches Preisni-<br />
Das Marktpotenzial für Einsteigerautos wächst weltweit DOSSIER #08<br />
veau sinkt. Die zu erwartenden neuen Wettbewerber<br />
sorgen für einen zunehmend engeren Markt. Fazit:<br />
Das warme Plätzchen in der Nische „Premium“ könnte<br />
auf Dauer zu einem teuren Luxus werden.<br />
Die Unternehmen wären also gut beraten, auf<br />
die Klasse der erschwinglichen Vehikel zu schielen.<br />
Diese spricht gerade auch im wohlhabenden Westen<br />
Käuferschichten an, die sich bisher nur einen „Gebrauchten“<br />
leisten können. Der Trend scheint hier<br />
dahin zu gehen, lieber einen billigen Neuwagen mit<br />
solidem Service- und Ausstattungspaket zu kaufen<br />
als einen fahrtüchtigen Gebrauchtwagen. Eine Befragung<br />
des Instituts für Automobilwirtschaft der Hochschule<br />
für Wirtschaft in Nürtingen ergab auf der Internationalen<br />
Automobilausstellung 2005 in Frankfurt<br />
eine hohe Akzeptanz der ausgestellten „Low-Budget-<br />
Autos“. Fast jeder dritte Besucher (31 Prozent) gab an,<br />
neugierig auf die ausgestellten Geldsparer zu sein.<br />
Gerade jüngere Kunden (18- bis 35-Jährige) könnten<br />
sich vorstellen, ein Low-Budget-Auto als Erst- oder<br />
Zweitwagen zu kaufen.<br />
HINTER DEN WERKSTOREN arbeiten daher auch<br />
viele Unternehmen inzwischen an Strategien für Billigautos.<br />
Manche gehen in aller Stille auf Partnersuche.<br />
Andere, wie General Motors, gehen in Sachen<br />
Low-Cost-Car zum Angriff über. Der Absatzchampion<br />
ist dabei, die Vielzahl seiner Labels – in Amerika allein<br />
sieben – zu straffen und die restlichen exakt auf eine<br />
klar definierte Zielgruppe zu fokussieren. Unter der<br />
Haube bedienen sich einzelne Marken der gleichen<br />
Bauteile aus einer GM-Komponentenmatrix. Das mini-<br />
ULRICH VIEHÖVER Der Wirtschaftsjournalist<br />
und Buchautor Ulrich Viehöver lebt und<br />
arbeitet in Stuttgart. Sein Themenschwerpunkt<br />
ist die Automobilindustrie. Zu seinen wichtigsten<br />
Büchern zählen eine Biografie über den<br />
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sowie eine<br />
Sammlung – „Die EinflussReichen“ – über<br />
zwölf Unternehmen von Milliardärsfamilien in<br />
Deutschland.<br />
www.ulrichviehoever.de<br />
21
DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />
22<br />
nDIE FORD MOTOR COMP.<br />
steckt in der größten Krise ihrer Firmengeschichte.<br />
Im dritten Quartal<br />
2006 schrieb Ford mit 5,8 Milliarden<br />
US-Dollar den zweithöchsten Verlust.<br />
67Prozent der<br />
Ford-Autos sind<br />
Klein- und Kompaktwagen.<br />
Doch diese<br />
sind zu teuer und<br />
verbrauchen zu viel.<br />
»Die aktuellen<br />
Geschäftszahlen<br />
sind inakzeptabel.<br />
Wir müssen nun entschieden<br />
bei der<br />
Entwicklung kleinerer<br />
und verbrauchsgünstiger<br />
Autos vorankommen.«<br />
ALAN MULALLY, CEO UND PRESIDENT DER<br />
FORD MOTOR COMP.<br />
FORD IM RÜCKWÄRTSGANG<br />
6,8 Millionen Autos verkaufte Ford<br />
2005 – weit weniger als 2002.<br />
7,1 Pkw in Mio.<br />
7,0<br />
7,0<br />
7,0<br />
6,9<br />
6,8<br />
6,7<br />
6,6<br />
2001<br />
6,7<br />
6,8 6,8<br />
2002 2003 2004 2005<br />
Quelle: Ford Europa<br />
miert die Kosten und ermöglicht nach Ansicht von<br />
GM-Manager Forster den Bau preisgünstiger Modelle,<br />
weltweit unter dem Namen Chevrolet.<br />
Das Brot-und-Butter-Auto von General Motors<br />
geht somit als einzige Marke im Konzern global an<br />
den Start. Forster: „Mit Chevrolet bieten wir auch<br />
Modelle deutlich unterhalb der 10 000-Euro-Grenze<br />
an. Damit sind wir im Segment der preisaggressiven<br />
Anbieter vertreten.“ Mit Volldampf sind die Amerikaner<br />
nun dabei, die Kapazitäten von Russland über<br />
Korea und China bis Südamerika hochzufahren.<br />
„Chevrolet zeigt besonders in Osteuropa ein stürmisches<br />
Wachstum. 2006 werden wir 300 000 Einheiten<br />
erreicht haben.“ Forster sieht gar einen Vorteil für<br />
Europas Autowelt: „GM Europa wird die Produktion von<br />
verschiedenen Chevrolet-Modellen aus Asien nach<br />
Europa holen. Das sichert Markenwachstum, aber<br />
auch Beschäftigung.“<br />
AUCH DER FRANZÖSISCH-JAPANISCHE Zwillingskonzern<br />
Renault-Nissan forciert eine Strategie für das<br />
Einstiegssegment – mit der Marke Dacia, ursprünglich<br />
ein rumänisches Label. „Die Marke ist auf die<br />
neuen Wachstumsmärkte ausgerichtet, mit Fahrzeugen,<br />
die modern, robust und erschwinglich sind“,<br />
argumentiert die Renault-Spitze. Mit ihrer Billigmarke<br />
nehmen die Franzosen gezielt auch den schmaler<br />
werdenden Geldbeutel von Käufern in westlichen<br />
Ländern ins Visier.<br />
Dacia-Zugpferd ist der Logan, der ab 2007 in<br />
sieben Ländern, darunter Russland, Indien, Marokko<br />
und Brasilien, produziert und in 42 Ländern verkauft<br />
wird. Im Auto-light-Segment soll der Logan nach Überlegungen<br />
von Ghosn & Co. „Renault einen Vorsprung<br />
verschaffen“. Mit seiner Strategie fühlt sich der weltweit<br />
viertgrößte Autokonzern gut gerüstet, um sich ab<br />
2009 „dauerhaft als profitabelster Volumenhersteller<br />
zu positionieren“. Aufgrund des bisherigen Erfolgs<br />
möchte die Renault-Zentrale in Paris „die Kapazität<br />
des Logan erhöhen, da die Nachfrage sehr stark ist“.<br />
Auch andere Konzernvorstände haben die Themen<br />
„Einstiegssegment und Kleinwagen“ auf der<br />
Agenda. So hat der Wolfsburger Autokonzern Volkswagen,<br />
einen günstigen Einsteiger im Blick. Mit welcher<br />
Marke die Norddeutschen freilich wo antreten wollen,<br />
ist noch offen. Als Zwischenlösung schickte VW den<br />
in Brasilien produzierten Fox (Grundpreis: 8950 Euro)<br />
an den Start. Doch unter welchem Namen und in welcher<br />
Region bald ein Fox-Nachfolger gebaut werden<br />
soll, das wird der Konzern erst noch entscheiden. Die<br />
Basis für ein neues Einstiegsmodell, so wird der<br />
scheidende Vorstandschef Pischetsrieder zitiert,<br />
„könnte auch ein Skoda oder Seat liefern“. Und vielleicht<br />
ergibt sich bald – für VW vielleicht noch günstiger<br />
– ein Deal mit DaimlerChrysler.<br />
Nach dem Fehlstart mit dem Smart zeichnet<br />
sich bei dem deutsch-amerikanischen Autobauer der<br />
Chrysler Dodge als Einstiegsmodell für den internationalen<br />
Markt ab. Konzernchef Dieter Zetsche brachte<br />
diese Option jüngst ins Gespräch. Um die Kosten so<br />
niedrig wie möglich zu halten, strebt dieser zudem<br />
eine Kooperation mit einem oder mehreren Partnern<br />
an. Eine Entscheidung soll „noch in diesem Jahr“ fallen.<br />
Außer mit VW, Hyundai, Mitsubishi und PSA (Peugeot)<br />
steht das Management auch mit dem chinesischen<br />
Autobauer Chery in intensivem Kontakt. Die<br />
Chinesen sind wohl der Wunschkandidat Zetsches für<br />
sein Kleinwagenkonzept. Dafür spreche „schlicht und<br />
einfach das Preis-Leistungs-Verhältnis“, äußerte er<br />
gegenüber der Presse.<br />
Auch bei Ford kommt Bewegung ins Billigbusiness.<br />
So sieht der neue Präsident und Vorstandschef<br />
Alan Mulally in der Entwicklung kleinerer und verbrauchsgünstiger<br />
Fahrzeuge einen Beitrag zur Sanierung<br />
des angeschlagenen Riesen. Das Unternehmen<br />
müsse hier endlich entscheidend vorankommen. Ford<br />
verliert im Mutterland seit Monaten Marktanteile, weil<br />
dort günstige Alternativen zu den spritfressenden<br />
Modellen fehlen.<br />
AUF US-VERHÄLTNISSE übertragen, bedeutet<br />
Mulallys Vorgabe, dass das „Segment B“ (Fiesta) und<br />
„Segment C“ (Focus) kräftig ausgebaut werden sollen.<br />
Erste Schritte in Richtung Kleinstwagen leitete das<br />
Management in Europa bereits ein. So wollen die Amerikaner<br />
ihr künftiges Einstiegsmodell, einen Nachfolger<br />
des Ka, zusammen mit Fiat ab 2007/08 in Polen<br />
bauen. Der geplante Zwerg von Ford wird sich an der<br />
8000-Euro-Linie bewegen. Ähnlich preiswert dürften<br />
die Italiener auch ihren 500-er made in Polen anbieten.<br />
Beide Partner wollen in dem polnischen Werk gut<br />
240 000 Einheiten fertigen.
WEIL KLEIN- UND KLEINSTWAGEN eine Fiat-Domäne<br />
sind, suchen auch die Italiener seit der Trennung<br />
von General Motors intensiv nach Partnern, um künftige<br />
Modelle preiswerter fertigen zu können. „Die Einigung<br />
mit Ford auf eine Zusammenarbeit hat das Ziel,<br />
die industriellen Kosten der neuen Produkte und Plattformen<br />
zu teilen“, bestätigt der Vorsitzende im Vorstand<br />
der Fiat SpA, Sergio Marchionne. Doch bei dem<br />
Deal mit Ford allein will Marchionne nicht stehen bleiben.<br />
„Wir werden weiter an internationalen Allianzen<br />
arbeiten.“ Inzwischen gab der Manager bekannt, ein<br />
Einstiegsmodell (um die 7000 Euro) gemeinsam mit<br />
Tata Motors in Indien bauen zu wollen. „Tata hat in<br />
puncto Low Cost schon gute Arbeit geleistet. Wir werden<br />
Know-how und Geld dazu einbringen“, beschreibt<br />
der Fiat-Chef die avisierte Arbeitsteilung.<br />
Wie ernst der Konzern die Bedrohungen aus<br />
Asien nimmt, belegen auch die Äußerungen von Fiat-<br />
Chairman Luca di Montezemolo. Dieser warnt: „Alle<br />
Europäer müssen sehr auf der Hut sein vor dem<br />
Potenzial und der Stärke der chinesischen Herausforderung,<br />
die für uns aber neue Chancen eröffnet.“ Der<br />
Aufseher der gesamten Gruppe drängt sein Haus,<br />
rascher auf die Chinesen zuzugehen und mit ihnen<br />
„weitere Deals und Joint Ventures einzufädeln“.<br />
OHNE NEUE MARKE dürfte Toyota auskommen.<br />
Die Japaner beschreiten den Weg der Drei-Marken-<br />
Strategie: Oben thront der Lexus, die Marke Toyota<br />
deckt die breite Mitte ab. Und mit Daihatsu verfügen<br />
Fiat will günstiger werden – und kooperiert in Indien mit Tata DOSSIER #08<br />
die Japaner über eine etablierte Low-Cost-Marke. Mit<br />
diesem Trio glaubt der Konzern die künftigen Herausforderer<br />
aus China oder Indien in Schach halten zu<br />
können. „Wir wachsen weiter aus eigener Kraft und<br />
wollen nicht der Versuchung erliegen, in großem Stil<br />
zuzukaufen“, heißt es aus dem Hause.<br />
DAS THEMA „BILLIGAUTO“ lassen die Japaner im<br />
Vertrauen auf Daihatsu eher gelassen auf sich zukommen.<br />
Selbstbewusst ergänzt ein Manager: „Toyota<br />
macht nie Dinge, die wirtschaftlich sinnlos sind.“ Zielsicher<br />
peilen sie „um das Jahr 2010 einen Weltmarktanteil<br />
von 15 Prozent an“ – womit Toyota auch General<br />
Motors entthronen würde. Laut sagen sie das nicht,<br />
aber sie würden das natürlich als einen Triumph ihrer<br />
klaren Markenstrategie feiern.<br />
Viele Unternehmen rühmen die Vorbildfunktion<br />
der Japaner, aber kaum ein Wettbewerber erreicht das<br />
Original. Ein Unternehmen aber wandelt gedanklich<br />
auf Toyotas Spuren, eines, das selbst keine Fahrzeuge<br />
herstellt: Robert Bosch. Der weltgrößte Automobilzulieferer<br />
betrachtet das Geschäft mit Billigautos als<br />
„ein wichtiges Thema“, bekräftigt der für den Bereich<br />
Automotive zuständige Chef Bernd Bohr.<br />
Er beobachtet eine Spaltung des Marktes: „Das<br />
Premiumsegment hält sich und wächst wertmäßig<br />
noch etwas, während sich die Tendenz zu Billigautos<br />
verstärken wird. Die große Mitte schrumpft, sie wird<br />
von oben und vor allem unten angeknabbert.“ Bosch<br />
investiert kräftig ins Geschäft mit Kleinfahrzeugen<br />
DAS MARKENPORTFOLIO VON GENERAL MOTORS<br />
Chevrolet positioniert das Unternehmen künftig als globale Einsteigermarke. Die Mittelklasse wird je nach<br />
Region mit eigenen Markenkombinationen angesprochen. Im Luxusbereich residiert Cadillac.<br />
Nordamerika Europa Lateinamerika Asien/Pazifik<br />
Luxus Cadillac Cadillac Cadillac Cadillac<br />
Premium Hummer, Saab Hummer, Saab Hummer, Saab Hummer, Saab<br />
Mittelklasse Buick, GMC Opel Chevrolet Buick<br />
Pontiac, Saturn Vauxhall Holden<br />
Einstiegsklasse Chevrolet Chevrolet Chevrolet Chevrolet<br />
23
DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />
24<br />
nROBERT BOSCH<br />
Ohne den weltweit größten Lieferanten<br />
der Fahrzeugindustrie liefe der technische<br />
Fortschritt im Bereich der Billigautos<br />
erheblich langsamer.<br />
2,5 Milliarden<br />
Euro investierte<br />
Bosch 2005 in F&E.<br />
Die Automobilzulieferer<br />
forcieren mit<br />
Innovationen den<br />
Trend zu Billigautos.<br />
»Es ist nicht unwahrscheinlich,<br />
dass sich<br />
aus den Low-Cost-<br />
Lösungen wieder<br />
neue, etwas aufgewertete<br />
Varianten für<br />
den westlichen Markt<br />
ableiten lassen.«<br />
BERND BOHR, GESCHÄFTSFÜHRER VON BOSCH<br />
UND VORSITZENDER DES BEREICHS AUTOMOTIVE<br />
UMSÄTZE IM AUTOMOTIVE-BEREICH<br />
Der Absatz mit Zulieferprodukten für<br />
die Autobranche steigt bei Bosch stetig.<br />
27 Mio. Euro<br />
26<br />
25<br />
24<br />
23<br />
22<br />
23,2<br />
23,4<br />
23,6<br />
25,0*<br />
26,3*<br />
2001<br />
* Nach IFRS<br />
2002 2003 2004 2005<br />
Quelle: Rob. Bosch<br />
und Billigautos. „Für uns ist diese Erkenntnis von<br />
strategischer Wichtigkeit“, betont Bohr. Denn Bosch<br />
will sowohl an dieser raschen Expansion teilnehmen<br />
als auch selbst dazu beitragen, „mit neuen technischen<br />
Ansätzen passende und preiswerte Lösungen<br />
zu finden“. Denn es sei keinesfalls damit getan, „Uralttechniken<br />
auszugraben oder bisherige Techniken einfacher<br />
zu machen“. Die Ansprüche würden auch in<br />
Indien oder China größer.<br />
Für Bohr gibt es noch ein schlagendes Argument,<br />
sich mit dem Thema „Auto light“ zu befassen:<br />
„Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich aus den<br />
Low-Cost-Lösungen wieder neue, etwas aufgewertete<br />
Technikvarianten für den westlichen Markt ableiten<br />
lassen.“ Diese wären für künftige hiesige Autos im<br />
unteren Preissegment bedeutsam. Mit Beispielen hält<br />
sich Bohr bedeckt, nur so viel: Aufwendige Sensorik<br />
könnte etwa wegfallen und bei kleineren Motoren<br />
durch intelligente Software ersetzt werden. Ebenso<br />
sind robuste Common-Rail-Systeme für Zweizylindermotoren<br />
oder ABS mit sehr kleinen Pumpen in Planung.<br />
Und neben der Fertigung vor Ort profitiert Bosch<br />
stark von der direkten Präsenz in den Entwicklungsländern.<br />
Bohr: „Wir lernen da sehr viel über die lokalen<br />
Märkte und bekommen so ein Gefühl für die Bedürfnisse<br />
der Kunden.“<br />
NICHT ZUR DEBATTE steht eine spezielle Low-<br />
Cost-Marke hingegen für die BMW Group. Konzernchef<br />
Norbert Reithofer erklärt: „Unser Unternehmen hat<br />
eine besondere Philosophie von Premiumprodukten.“<br />
BMW hält an der bewährten Ausrichtung auf technische<br />
Innovation fest. Reithofer: „Wie auf der Produktseite<br />
werden wir unsere Marktoffensive konsequent<br />
weiterführen. Wir sind derzeit international<br />
hervorragend aufgestellt. Vertriebsseitig gibt es<br />
eigentlich nur zwei echte globale Premiumhersteller,<br />
und wir sind einer davon.“ Wie sein Vorgänger Helmut<br />
Panke verfolgt Reithofer ehrgeizige Ziele: „Im Geschäftsjahr<br />
2010 wollen wir insgesamt 1,6 Millionen<br />
Automobile ausliefern. Dieses kräftige Absatzwachstum<br />
bildet die Grundlage für unsere weiterhin profitable<br />
Entwicklung.“<br />
Freilich, die exklusive Klasse, in der BMW zu<br />
Hause ist, bleibt klein. Auch künftig bringt es die<br />
gesamte Gruppe nur auf einen globalen Marktanteil<br />
von rund 2,5 Prozent. Es ist also ein Wachstum auf<br />
niedrigem Niveau. Und: Ganz geht der Trend nach<br />
unten auch an den Bayern nicht vorbei. So will Chef<br />
Reithofer „die Einser-Reihe mit neuen Varianten ergänzen“.<br />
Dazu dürften auch preiswerte Einsteigermodelle<br />
zählen.<br />
Wie einst mit Rover eine Massenmarke einfach<br />
zu kaufen, um aus der Nische herauszufahren, ist für<br />
Reithofer derzeit aber kein Thema. Ein Markenportfolio,<br />
das nicht zusammenpasse – Premium- und Massenmarken<br />
– könne problematisch sein. Das Rover-<br />
Debakel steckt BMW noch in den Knochen.<br />
DOCH ALLES IN ALLEM GILT: „Mehr Auto fürs<br />
Geld“, „Value for Money“ – das sind die Zeichen der<br />
Zeit. Die Fahrzeugindustrie, deren Preise bisher stetig<br />
kletterten, mag diese Botschaft befremden. Doch mit<br />
den Billigautos aus China, Indien oder Russland wird<br />
der Weltmarkt explodieren und die Mengen-Preis-<br />
Kostenrelationen verschieben. Mit dem (Welt-)Auto<br />
light sinken die Preise insgesamt. Ein Blick auf andere<br />
Branchen, die eine solche Entwicklung längst<br />
durchmachen, bestätigt diese These. Aktuell wirkt<br />
die Preisumkehr etwa im Airline-Business oder im<br />
Telekommunikations- und Hotelsektor. Die Fernsehoder<br />
Elektronikindustrien dagegen haben den Preisverfall<br />
bereits hinter sich, ebenso wie die Bekleidungs-<br />
oder Schuhmode.<br />
Und die Uhrenbranche. Verantwortlich dafür<br />
war nicht zuletzt der Swatch-Uhr-Erfinder Nicolas<br />
Hayek. Für ihn steht fest, dass das Ansehen eines Produkts<br />
nicht vom Preis abhängt, sondern Image nur<br />
das Resultat einer gelungenen Inszenierung ist. Ob<br />
erschwinglich oder sündhaft teuer, ob als Massenoder<br />
Nischenprodukt – das Wichtigste ist stets die<br />
Kunst, die Marken glaubwürdig darzustellen und messerscharf<br />
vom Wettbewerb abzugrenzen.<br />
HAYEK ERINNERT an die strategische Rolle der<br />
Billiguhr Swatch: „Erstens sollte sie Volumen erzeugen,<br />
damit wir unsere Fabriken beschäftigen und am<br />
Leben erhalten konnten. Zweitens sollte sie an der<br />
Basis die Rolle einer Brandmauer spielen, welche die<br />
japanische Konkurrenz davon abhielt, sich noch weiter<br />
auf diesen Markt vorzukämpfen.“ Und das klingt<br />
verdammt nach der Autobranche.
ÜBERKAPAZITÄTEN IN CHINA<br />
Große Überkapazitäten zeichnen momentan die<br />
chinesische Autoindustrie aus. Allein General<br />
Motors hätte dort im Jahr 2005 247 000 Autos<br />
mehr produzieren können, als das Unternehmen<br />
im Jahr zuvor verkauft hatte. Diese Lage dürfte<br />
sich künftig noch weiter verstärken.<br />
OEM 2004 Verkäufe 2005 Kapazität<br />
VW 1 655 000 ≈ 900 000<br />
GM (SGM) 253 000 ≈ 500 000<br />
Honda 2 213 000 ≈ 300 000<br />
Nissan 82 000 ≈ 150 000<br />
Toyota 93 000 ≈ 150 000<br />
PSA 89 000 ≈ 150 000<br />
Fiat 27 000 ≈ 100 000<br />
Kia 27 000 ≈ 130 000<br />
Chery 87 000 ≈ 200 000<br />
Geely 92 000 ≈ 150 000<br />
1) (SVW + FAW – VW), 2) (Guangkhou + Dongfeng Honda)<br />
Quelle: China Autoinfo, Morgan Stanley Research<br />
Die Überkapazitäten in China wachsen<br />
8000<br />
7000<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
2000<br />
1000<br />
0<br />
2003 2004<br />
Kapazität<br />
2005 2006 2007 2008<br />
Nachfrage der lokalen Industrie<br />
Industry Utilization Rate<br />
Quelle: China Autoinfo, Morgan Stanley Research<br />
INDER WOLLEN AUCH SERVICE<br />
Kosten, Service und Qualität sind die wichtigsten<br />
Kriterien für indische Autokäufer. Die Bedeutung<br />
des Service hängt mit der Kaufkultur zusammen.<br />
Autos werden für die gesamte Lebensdauer angeschafft,<br />
nur wenige verkaufen sie wieder.<br />
3<br />
Quelle: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
4 4<br />
Kaufpreis<br />
Unterhaltskosten<br />
Sicherheit<br />
Qualität/ Zuverlässigkeit<br />
Service<br />
Design<br />
1<br />
2<br />
1<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0%<br />
0<br />
Brand/Image<br />
Billigmarken müssen sich von starken Dachmarken unabhängig machen DOSSIER #08<br />
Recht und billig<br />
DER MARKT FÜR AUTOS UNTER 10 000 EURO WÄCHST IN DEN KOMMENDEN JAHREN<br />
RASANT. VOR ALLEM CHINA UND INDIEN LEGEN ZU, SO EINE AKTUELLE ROLAND-BERGER-<br />
STUDIE. GRÖSSTER MARKT BLEIBT AUCH KÜNFTIG EUROPA.<br />
18 MILLIONEN AUTOS für unter 10 000 Euro<br />
dürften im Jahr 2012 jährlich verkauft werden,<br />
so eine aktuelle Untersuchung von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
Strategy Consultants. Das sind vier Millionen<br />
mehr als heute, womit der Zuwachs des Low-<br />
Cost-Segments klar über dem generellen<br />
Wachstum auf dem Automarkt liegen dürfte.<br />
Den größten Anteil hat trotz vergleichsweise<br />
niedrigem Marktwachstum weiter die<br />
Europäische Union mit 5,8 Millionen verkauften<br />
Fahrzeugen, vor Japan und China (je 2,6 Millionen).<br />
1,5 Millionen Autos dürften in Indien und<br />
Brasilien jeweils ihre Käufer finden. Vergleichsweise<br />
distanziert stehen weiterhin die US-Konsumenten<br />
dem Niedrigpreissegment gegenüber<br />
– 700 000 verkaufte Fahrzeuge prognostiziert<br />
die Untersuchung hier.<br />
Die Autoindustrie durchläuft damit eine<br />
Entwicklung, wie sie sich etwa in der Hotel-, Airline-<br />
oder Textilindustrie in den vergangenen<br />
Jahren vollzog: das Verschwinden der Mittelklasse.<br />
Kunden wollen entweder echten Luxus<br />
oder echte Wirtschaftlichkeit. Die rasant wach-<br />
sende Nachfrage nach preiswerten Autos verschafft<br />
kostengünstig produzierenden Autobauern<br />
in Wachstumsländern wie China (Chery,<br />
Geely) oder Indien (Tata, Maruti) einen Startvorteil.<br />
Doch auch westliche und japanische Autokonzerne<br />
können den Nachfrageboom nutzen –<br />
wenn sie sich auf die veränderten Wettbewerbsbedingungen<br />
einlassen. Sechs Paradigmen<br />
gilt es für Unternehmen mit Interesse am<br />
Low-Cost-Bereich zu beachten. Sie müssen<br />
p sich von kostentreibenden Overhead-<br />
Strukturen unabhängig machen,<br />
p die Konzentration auf die Stärke der Dachmarke<br />
zurückfahren,<br />
p ihre Produkte auf einfache Funktionalitäten<br />
beschränken,<br />
p in Entwicklung, Beschaffung und Produktion<br />
die Kosten konsequent senken,<br />
p auf Wachstumsmärkten die je eigenen<br />
Marktbedingungen beachten und<br />
p die Kosten durch strategische Partnerschaften<br />
in Infrastruktur und Komponentenaustausch<br />
gering halten.<br />
WESTEUROPÄISCHE IM- UND EXPORTE VON EINSTIEGSAUTOS (2005)<br />
Import Export<br />
Nordamerika<br />
Quellen: J.D. Power; <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
Südamerika<br />
57463<br />
EU-25-Exporte:<br />
164 610<br />
EU-15<br />
640 193<br />
66100 654 411<br />
Nicht-EU-Exporte:<br />
397 329<br />
Türkei: 105 700<br />
Schweiz: 31900<br />
Im Bereich der Low-Cost-Autos ist Europa ein klarer Nettoimporteur. Gut<br />
640 000 Autos wurden im Jahr 2005 allein aus Osteuropa in die EU geliefert.<br />
Osteuropa<br />
Asien<br />
25
DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />
26<br />
CARLOS GHOSN wurde 1954 im brasilianischen<br />
Porto Velho geboren. Er wuchs<br />
im Libanon auf und studierte an der französischen<br />
École Polytechnique. Nach seinem<br />
Ingenieurstudium arbeitete er von<br />
1978 an 18 Jahre lang bei Michelin. Nach<br />
zwölf Jahren bei dem Reifenproduzenten<br />
übernahm er dessen Nordamerika-Geschäft.<br />
1996 heuerte Ghosn bei Renault<br />
an. Für den französischen Autohersteller<br />
sanierte er die kriselnde Konzernbeteiligung<br />
Nissan. Zur Belohnung wurde Ghosn<br />
als Nachfolger von Louis Schweitzer Renault-Chef.<br />
Trotz zuletzt enttäuschender<br />
Absatzzahlen gilt er als Erfolgsmanager<br />
und wird regelmäßig für Spitzenposten in<br />
der globalen Autoindustrie gehandelt.
In ihrer Zusammenarbeit setzen Renault und Nissan auf Parität DOSSIER #08<br />
Globalisierung plus Identität<br />
WENN IMMER EIN AUTOBAUER KRISELT, IST RENAULT-NISSAN-CEO CARLOS GHOSN ALS RETTER IM GE-<br />
SPRÄCH. GEGENÜBER DEM AUTOJOURNALISTEN MARK PHELAN ERLÄUTERT ER EXKLUSIV FÜR THINK:ACT,<br />
WARUM DIE RENAULT-NISSAN-ALLIANZ EIN VORBILD IST, ABER EINEN DRITTEN PARTNER BRAUCHT.<br />
s<br />
CARLOS GHOSN ist kein Mann, der lange lamentiert.<br />
Zwar mag der erste Versuch des Renault-Nissan-<br />
CEO, seine Allianz um einen Partner in den USA zu<br />
erweitern, ins Leere gelaufen sein – das Management<br />
von General Motors wollte nicht, und auch der neue<br />
Ford-Chef Alan Mulally sprach sich vorerst gegen eine<br />
enge Verflechtung aus. Doch Ghosn, momentan die<br />
meistbewunderte Führungspersönlichkeit in der Automobilindustrie,<br />
schaut nicht zurück. Er will immer<br />
noch einen nordamerikanischen Partner gewinnen.<br />
Die meisten Beobachter glauben, dass es nur eine Frage<br />
der Zeit ist, bis doch Gespräche mit Ford aufgenommen<br />
werden.<br />
Noch hat Ghosn, eigenen Angaben zufolge, Zeit.<br />
Im Gespräch weist er schnell darauf hin, dass nicht er<br />
die Verhandlungen mit GM aufgenommen hatte, sondern<br />
Investor Kirk Kerkorian an ihn herangetreten war,<br />
und zwar über die Köpfe des GM-Managements hinweg.<br />
„Unsere Situation ist nicht so, dass wir Initiativen<br />
ergreifen“, sagt er. Erinnert man ihn aber daran, dass<br />
Ford-Chairman Bill Ford bereits öffentlich Interesse an<br />
einer Zusammenarbeit mit Renault-Nissan bekundet<br />
hatte, lächelt Ghosn nur wissend – und nickt. Branchenbeobachter<br />
erwarten denn auch, dass der neue<br />
CEO von Ford, Alan Mulally, eine weitere Neustrukturierung<br />
des in Dearborn ansässigen Autoherstellers<br />
ankündigen und sich in den nächsten paar Monaten für<br />
Gespräche mit Renault-Nissan öffnen wird.<br />
DIE VITAE DER CHEFS sprächen jedenfalls dafür.<br />
Ghosn und Mulally haben einiges gemeinsam. Beide<br />
sind ausgebildete Ingenieure. Beide haben mit Problemen<br />
beladene Unternehmen revitalisiert, indem<br />
sie radikale neue Geschäftsmodelle angenommen<br />
haben. Mulally hat das in seiner vorherigen Position<br />
bei Boeing vorgemacht, Ghosn zuerst bei Michelin und<br />
dann bei Nissan und Renault. Gute Vorzeichen also für<br />
eine Dreierkombi Ford-Renault-Nissan.<br />
Die revolutionäre Autoallianz, die der gebürtige<br />
Brasilianer Ghosn zwischen Renault und Nissan, zwischen<br />
Frankreich und Japan, geschaffen hat, stellt für<br />
ihn mehr dar als nur ein erfolgreiches Geschäftsmodell.<br />
Ghosn sieht darin ein Vorbild dafür, wie die Branche<br />
in einem zunehmend globalisierten und multikulturellen<br />
Umfeld agieren muss. „Jeder auf der Welt<br />
strebt Globalisierung an, und gleichzeitig will man<br />
sich seine Identität bewahren.“ In diesem Zusammenhang<br />
sei die Allianz „eine mögliche Antwort auf diese<br />
Widersprüche, die für das 21. Jahrhundert von zentraler<br />
Bedeutung sind.“ Denn die Kooperation eröffnet<br />
Größenvorteile, lässt den Partnern aber ihre eigenständige<br />
Markenidentität. „Wir respektieren die Identität<br />
der Partner, wir respektieren die Identitäten der<br />
Marken und wir entwickeln Synergien, die beiden Partnern<br />
zugutekommen.“<br />
DIE ALLIANZ FUNKTIONIERT, weil Ghosn intern auf<br />
eine gewisse Parität setzt. Keiner darf übervorteilt<br />
werden, jedes Kooperationsprojekt muss „ein Gewinn<br />
für beide Seiten sein“. Man könne kein Bündnis aufrechterhalten,<br />
„wenn man Entscheidungen trifft, bei<br />
denen ein Partner verliert“. Konkret bedeutet das:<br />
Jedes Unternehmen übernimmt die Führung in den<br />
Bereichen, in denen es unübertroffen ist. Renault hat<br />
zum Beispiel Dieselmotoren und Schaltgetriebe für<br />
beide Partner entwickelt, während Nissan neue Benzinmotoren<br />
konstruiert. Vom langjährigen Lieferanten<br />
Jatco beziehen beide Allianzpartner sämtliche automatischen<br />
Getriebe.<br />
Eine Absage erteilt Ghosn aber der Entwicklung<br />
neuer Produktionsplattformen in Kooperation. Gemeinsam<br />
hatten Renault und Nissan zuletzt etwa die<br />
Plattform für ihre Fahrzeuge der B-Klasse, die den Nissan<br />
Micra, Renault Clio und Dacia Logan umfasst, entwickelt.<br />
Dieses Programm aber wird wahrscheinlich<br />
das letzte sein, das ein Ingenieurteam von Renault<br />
27
DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />
28<br />
und Nissan komplett gemeinschaftlich aus der Taufe<br />
hob. „Die B-Plattform funktionierte gut. Aber wir haben<br />
festgestellt, dass es jedes Mal länger dauert, wenn<br />
zwei Ingenieurgruppen zusammenarbeiten. Japanische<br />
und französische Ingenieure sind einfach verschieden.“<br />
Fortan entwickelt also jeweils ein Unternehmen<br />
eine Plattform, die dann beide Partner nutzen.<br />
MÖGLICHES ANWENDUNGSFELD der neuen Strategie:<br />
Plattform und Motor des Nissan Skyline GT-R<br />
Performance-Coupé. Renault könnte dieses als Grundlage<br />
für ein Luxuscabrio wie das Konzeptauto Nepta<br />
verwenden. Nissan würde das Engineering leisten,<br />
Renault das Design des Autos übernehmen und Nissan<br />
eine Nutzungsgebühr zahlen. Das gleiche Verfahren<br />
gilt auch für andere Motoren und Getriebe, die von<br />
jeweils einem der beiden Unternehmen entwickelt<br />
werden. Zehn gemeinsame Plattformen streben die<br />
beiden Unternehmen bis 2010 an.<br />
Skeptisch sieht Ghosn hingegen mittlerweile<br />
den Ansatz des „Cross-Manufacturing“, bei dem ein<br />
Partner komplette Fahrzeuge für den jeweils anderen<br />
Partner produziert. Dies war ursprünglich eine der<br />
Kernideen der Renault-Nissan-Allianz. „Wir haben das<br />
getestet, aber wir brauchten es doch nicht so sehr,<br />
wie wir zuerst dachten“, so Ghosn. Jede transnationale<br />
Kooperation basiert eben auch auf dem Prinzip<br />
des „Trial and Error“. Globale Zusammenarbeit lernt<br />
man nur in der Praxis.<br />
So wie Ghosn selbst. Er ist stolz auf sein multikulturelles<br />
Erbe. Der Sohn libanesischer Eltern besuchte<br />
die Eliteuniversität École Polytechnique in<br />
Frankreich. Er hat Unternehmen in Japan, Frankreich,<br />
Brasilien und den Vereinigten Staaten geleitet. Maß-<br />
MARK PHELAN ist einer der wichtigen<br />
Autojournalisten der USA. Er schreibt als Redakteur<br />
und Kolumnist für die Detroit Free Press,<br />
die auflagenstärkste Tageszeitung Detroits. Als<br />
zentrales Nachrichtenmedium in der Autostadt<br />
Detroit ist die Free Press – obgleich von ihrem<br />
Charakter her eine regionale Tageszeitung –<br />
eines der relevantesten Medienorgane für die<br />
amerikanische Autoindustrie.<br />
geblich geprägt hat ihn aber bereits seine Kindheit<br />
in Brasilien, seinem Geburtsland. „Brasilien ist ein<br />
Schmelztiegel“, sagt er. „Dort lernt man schon in jungen<br />
Jahren, verschiedene Identitäten zu respektieren.“<br />
Davon profitierte er spätestens bei seinem Studienaufenthalt<br />
in den USA. Die Zeit in Colorado Springs<br />
war ein Pflichtmodul seines Studiums an der École<br />
Polytechnique. Diese frühen internationalen Erfahrungen<br />
brachten ihm, wie er sagt, eine respektvolle<br />
Haltung gegenüber verschiedenen Kulturen ein. Ein<br />
Respekt, der ihm bei der Integration asiatischer und<br />
europäischer Unternehmenskultur half.<br />
Zusammen sind Renault und Nissan heute der<br />
viertgrößte Autohersteller der Welt, die Allianz fährt<br />
das zweitbeste Betriebsergebnis aller Kfz-Produzenten<br />
ein. Doch das reicht weder Ghosn selbst noch seinen<br />
Managementteams. Daher die Suche nach einem<br />
dritten Partner. Dieser könnte dann jene Skaleneffekte<br />
liefern, die das Unternehmen im Wettbewerb vor<br />
allem mit Toyota noch weiter nach vorne brächten.<br />
Unabhängig vom eigenen Haus erwartet Ghosn, dass<br />
sich die Branche weiter konsolidiert. „Es wird in den<br />
nächsten zehn Jahren nicht mehr, sondern weniger<br />
Autohersteller auf der Welt geben.“<br />
DER KOOPERATIONSDRUCK steigt auch durch das<br />
schwierige ökonomische Umfeld, das Ghosn für die<br />
nächsten drei Jahre erwartet. „Unsere Preisflexibilität<br />
liegt nahezu bei null. Die Rohstoff- und Energiepreise<br />
steigen. Damit wird die gesamte Branche unter Druck<br />
gesetzt.“ Auch diese Bedenken tragen dazu bei, dass<br />
Ghosn eine nordamerikanische Partnerschaft für<br />
sinnvoll hält.<br />
Diese könnte auch den Wiedereinstieg von<br />
Renault in den US-Markt beschleunigen, glaubt er. Bisher<br />
steht der Absatz auf dem weltgrößten Automarkt<br />
nicht auf dem Plan. Aber „wenn die Allianz einen nordamerikanischen<br />
Partner aufnimmt, bieten sich viele<br />
andere Gelegenheiten.“<br />
Der Idee, er könnte bei einem dritten Partner<br />
gleich auch als CEO einsteigen, wie immer wieder spekuliert<br />
wird, erteilt Ghosn aber eine klare Absage. „Ich<br />
glaube nicht, dass man CEO von drei Unternehmen<br />
sein kann.“ CEO von zwei Firmen zu sein sei schwer<br />
genug. „Selbst wenn die Aktionäre mich darum bäten,<br />
würde ich Nein sagen.“
Wer nicht kooperiert, verliert DOSSIER #08<br />
RENAULT ist der größte französische<br />
Autokonzern. 41,3 Milliarden Euro Umsatz<br />
erzielte das Unternehmen 2005, bei einem<br />
operativen Gewinn von 3,3 Milliarden Euro.<br />
In den ersten neun Monaten 2006 ging der<br />
Umsatz im Vergleich zum gleichen Zeitraum<br />
des Vorjahres aber um 1,2 Prozent<br />
auf 30,9 Milliarden Euro zurück.<br />
NISSAN, der japanische Autokonzern,<br />
an dem Renault einen 40-Prozent-Anteil<br />
hält, erzielte im Geschäftsjahr 2005<br />
(das März 2006 endete) einen Umsatz<br />
von 9,43 Billionen Yen (umgerechnet<br />
68,87 Milliarden Euro) und einen operativen<br />
Gewinn von 6,1 Milliarden Euro.<br />
Im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres<br />
verzeichnete das Unternehmen<br />
jedoch einen Umsatzrückgang<br />
von 15,3 Prozent.<br />
29
DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />
Fünf Wege auf die Überholspur<br />
VERÄNDERTE KUNDENBEDÜRFNISSE, NEUE WETTBEWERBER, MASSIVER KOSTENDRUCK – DIE HERAUSFORDERUNGEN<br />
DER AUTOINDUSTRIE SIND RIESIG. HERSTELLER UND ZULIEFERER SUCHEN NACH DEN ERFOLGSMODELLEN DER ZUKUNFT.<br />
HIER SCHILDERN FÜNF BRANCHENINSIDER, AN WELCHEN HEBELN DIE INDUSTRIE VOR ALLEM ANSETZEN MUSS.<br />
Innovationen,<br />
die der Kunde<br />
auch will<br />
CARL-PETER FORSTER<br />
PRESIDENT, GENERAL MOTORS EUROPE<br />
In Zukunft werden mehr Technologien und<br />
elektronische Innovationen zur Verfügung<br />
stehen als jemals zuvor. Deshalb müssen alle<br />
Hersteller eine sehr umsichtige Auswahl treffen.<br />
Jeder Hersteller muss sich fragen, ob die<br />
verfügbaren Innovationen auch tatsächlich<br />
vermarktbar sind. General Motors Europe legt<br />
den Fokus ausschließlich auf wirklich zweckmäßige<br />
Technologien und Innovationen. Was<br />
das konkret bedeutet, lässt sich in drei Punkten<br />
zusammenfassen: Neue Technologien<br />
und Innovationen müssen einen deutlichen<br />
Beitrag zur Kundenzufriedenheit leisten.<br />
Zudem muss das Preis-Leistungs-Verhältnis<br />
stimmen. Und schließlich muss die Balance<br />
zwischen technologischem Fortschritt,<br />
Kosten, Qualität und Kundennutzen im Mittelpunkt<br />
stehen und darf nicht vom technisch<br />
Machbaren getrieben werden.<br />
30<br />
Starke Outsourcingstandorte<br />
BABASAHEB N. KALYANI<br />
CHAIRMAN, BHARAT FORGE GROUP<br />
Das Outsourcing von Automobilkomponenten gewinnt zunehmend<br />
an Bedeutung, da die Verkaufspreise für Kraftfahrzeuge<br />
in Zukunft gleich bleiben sollen, die Kunden aber erwarten,<br />
dass die Wagen mit immer neuen und besseren Leistungsmerkmalen<br />
ausgestattet sind. OEMs und Tier-1-Lieferanten in<br />
Westeuropa und den USA wollen Kosten senken, indem sie<br />
Komponenten aus den Niedriglohnländern Osteuropas, Südamerikas,<br />
Südostasiens, Chinas oder Indiens beziehen oder<br />
dort Produktionsbasen aufbauen. Die indische Fahrzeugkomponentenindustrie<br />
konnte in den letzten Jahren zweistellige<br />
Wachstumsraten verzeichnen. Mit jedem Jahr entfällt ein<br />
höherer Anteil der Exporte auf OEMs und Tier-1-Lieferanten, der<br />
Anteil der Ersatzteile an den Exporten geht zurück. Indiens<br />
wichtigster Vorteil ist die starke Basis an intellektuellem Kapital.<br />
Sie erlaubt uns, selbst bei geringen Mengen und vergleichsweise<br />
höherer Technologie-Intensität kosteneffektiv zu produzieren.<br />
Die Qualität der vielen Ingenieure und Manager, die in<br />
Indien in großer Zahl verfügbar sind, bestimmt Indiens Wettbewerbsfähigkeit<br />
heute und in Zukunft.<br />
Die Beiträge auf<br />
diesen Seiten sind<br />
dem aktuellen Buch<br />
„Mastering the Automotive<br />
Challenges“<br />
entnommen.
Konsequente<br />
Dezentralität<br />
SIEGFRIED WOLF<br />
CEO, MAGNA INTERNATIONAL<br />
Durch seine Unternehmensverfassung<br />
und die spezifische Mitarbeiter-Charta<br />
stellt Magna sicher, dass das Prinzip „Fair<br />
Enterprise“ nicht nur ein theoretischer<br />
Ansatz bleibt, sondern tagtäglich von<br />
Management und Mitarbeitern gleichermaßen<br />
gelebt wird. Der Begriff vom „Unternehmer<br />
im Unternehmen“ trifft auf die<br />
Mitarbeiter besonders zu. Die dezentrale<br />
Organisation der Gruppe in weitgehend<br />
unabhängigen Profitcentern sorgt dabei<br />
für die nötigen Freiräume, reduziert den<br />
bürokratischen Aufwand und ermöglicht<br />
einen besonderen Grad an Kundennähe.<br />
Zusätzlich können auch die einzelnen Mitarbeiter<br />
stärker in die unternehmerische<br />
Verantwortung miteinbezogen werden.<br />
Dies erhöht die Eigeninitiative – insbesondere<br />
mit Blick auf interne Effizienzgesichtspunkte<br />
– in erheblichem Maße.<br />
Intelligentere<br />
Zusammenarbeit mit<br />
den Zulieferern<br />
FRANZ FEHRENBACH<br />
Carl-Peter Forster setzt auf kundengerechte Innovationen DOSSIER #08<br />
VORSITZENDER DER GESCHÄFTSFÜHRUNG, ROBERT BOSCH<br />
Fünf Faktoren machen eine erfolgreiche Zusammenarbeit<br />
und Partnerschaft zwischen Automobilherstellern<br />
und Zulieferern aus:<br />
p die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit<br />
beider Seiten,<br />
p das gemeinsame Ziel der technologischen Führung,<br />
p wirtschaftliche Strukturen und Prozesse,<br />
p die internationale Zusammenarbeit sowie<br />
p die gemeinsame langfristige Ausrichtung.<br />
Unternehmerische Unabhängigkeit und Eigenverantwortung<br />
bedeuten, dass alle Beteiligten für ihren eigenen<br />
wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich sind und deshalb<br />
grundsätzlich die Hoheit behalten, in vertragliche Beziehungen<br />
einzusteigen oder nicht. Darüber hinaus geht es<br />
in einer Partnerschaft auch darum, die jeweils spezifischen<br />
Fähigkeiten und Kräfte der Beteiligten auf gemeinsame<br />
Herausforderungen und Ziele zu richten. Die sich<br />
verändernden Anforderungen des Marktes müssen sich<br />
in den Strukturen und Prozessen der Automobilbranche<br />
abbilden. Außerdem muss ein erfolgreicher Zulieferer<br />
mindestens so erfolgreich agieren wie seine Kunden.<br />
Und schließlich ist, gerade bei grundlegenden Innovationen,<br />
Beharrlichkeit gefragt.<br />
Hybridautos<br />
mit höherer<br />
Reichweite<br />
THOMAS WEBER<br />
VORSTANDSMITGLIED, DAIMLERCHRYSLER<br />
In den kommenden Jahren kann<br />
der Hybrid – entweder als Mild-<br />
Hybrid oder als Full-Hybrid – je<br />
nach Region und Verkehrssituation<br />
den Verbrennungsmotor ergänzen.<br />
Daher ist es unser Ziel, die verschiedenen<br />
Kundenwünsche mit<br />
einem geeigneten Antriebskonzept<br />
bedienen zu können. Mit dem Two-<br />
Mode-Hybridsystem entwickeln wir<br />
in Kooperation mit General Motors<br />
und BMW eine Full-Hybrid-Technologie,<br />
die die Leistungsmerkmale<br />
sowie den Kraftstoffverbrauch und<br />
die Reichweite des herkömmlichen<br />
Hybridfahrzeugs verbessert.<br />
Durch die Vorteile des neuen Systems<br />
können wir unseren Kunden<br />
Hybridfahrzeuge mit attraktiven<br />
Leistungs-, Komfort-, Verbrauchsund<br />
Emissionsmerkmalen zu<br />
wettbewerbsfähigen Kosten anbieten.<br />
Wir werden den ersten<br />
Two-Mode-Hybridantrieb mit dem<br />
Dodge Durango Anfang 2008<br />
auf den Markt bringen und kurz<br />
darauf das Angebot mit weiteren<br />
Modellen ergänzen.<br />
Langfristig ist für uns nach wie vor<br />
die Brennstoffzelle der Zukunftsantrieb<br />
für eine nachhaltige Mobilität.<br />
DaimlerChrysler hat mit über<br />
100 Fahrzeugen – Pkws, Bussen<br />
und Transportern – die größte<br />
Brennstoffzellenflotte aller Automobilhersteller<br />
bei Kunden weltweit<br />
im täglichen Einsatz.<br />
31
DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />
Design bestimmt das Sein<br />
DER WETTBEWERB DER AUTOBRANCHE WURDE IN DEN LETZTEN JAHREN PRIMÄR DURCH TECHNOLOGISCHE INNOVATIONEN DOMINIERT.<br />
JETZT KOMMT DIE GESTALTUNG ALS UNTERSCHEIDUNGSMERKMAL ZURÜCK. BRANCHENKENNER MARK PHELAN ARGUMENTIERT IN DIESEM BEITRAG:<br />
ÜBERZEUGENDES DESIGN WIRD WIEDER ZU EINEM ZENTRALEN WETTBEWERBSVORTEIL.<br />
s<br />
DIE AUTOS der Zukunft werden einander<br />
ähnlicher – zumindest in jenen Bereichen, die in<br />
den vergangenen Jahren die Differenzierung zwischen<br />
Typen und Marken bestimmten: Qualität,<br />
Kraftstoffökonomie, Effizienz. Unterschiede stiftet<br />
damit vor allem ein Faktor, der zuletzt oft als<br />
nettes Add-on gesehen wurde: das Design. Nach<br />
Aussagen von Spitzenmanagern der Hersteller<br />
spielen Formgestaltung und die Fähigkeit, neue<br />
Features, insbesondere ansprechende Innenausstattungsmerkmale,<br />
zu integrieren, eine immer<br />
wichtigere Rolle beim Autokauf. Für die neuen Billiganbieter<br />
aus China oder Indien gilt es, Fahrzeuge<br />
zu bauen, die nicht wie Billigautos wirken.<br />
Vielmehr liegt ihnen daran, einer sich als Mittelklasse<br />
definierenden aufstrebenden Bevölkerungsschicht<br />
Produkte mit gestalterischen Kniffen zu<br />
liefern. Und für etablierte Autobauer ist wesentlich,<br />
was Mark Fields, President von Ford Nordund<br />
Südamerika, formulierte, als er den Turnaround-Plan<br />
seines Unternehmens ankündigte:<br />
„Der Weg nach vorn beginnt im Designstudio.“<br />
DAS GLAUBT AUCH Bob Lutz, Vice Chairman<br />
von General Motors. „Wir haben zu lange vergessen,<br />
dass wir im Modegeschäft tätig sind. Wir<br />
fragten uns immer, warum die Verbraucher nicht<br />
erkannten, wie gut unsere Autos waren. Dann<br />
sahen wir ein, dass es nicht wichtig ist, wie gut<br />
sie waren, wenn sie auf den ersten Blick keine<br />
Anziehungskraft hatten.“ Dann erhob GM Bestin-Class-Design<br />
zur obersten Priorität. „Heraus<br />
kamen Fahrzeuge wie der Chevrolet HHR – absolute<br />
Kassenschlager.“ Selbst Toyota, das sein<br />
Imperium auf Zuverlässigkeit und kostengünstiger<br />
Herstellung aufbaute, hat sich als Unternehmen<br />
der Vision verpflichtet, zum Designvorreiter<br />
zu werden. Die ersten Resultate dieser Denkweise<br />
32<br />
sind der rassige neue Camry, der FJ Cruiser im<br />
Throwback-Stil und der kleine Yaris, der in Europa<br />
und Japan mit diversen Gestalterpreisen ausgezeichnet<br />
wurde.<br />
EIN VORTEIL DES DESIGNS: Es kann moderne<br />
Autos mit der Geschichte des jeweiligen Herstellers<br />
verknüpfen, ohne bloß die Volltreffer der Vergangenheit<br />
zu kopieren. Die Historie stellt vor<br />
allem gegenüber der neuen Konkurrenz aus Orten<br />
wie Südkorea und China einen nicht kopierbaren<br />
Vorteil dar, sagt Rebecca Lindland, Kraftfahrzeuganalyst<br />
beim US-Forschungsunternehmen Global<br />
Insight. Hierbei spielt durchaus auch Patriotismus<br />
eine Rolle. „General Motors und Chrysler haben<br />
erkannt, dass der Weg zum Erfolg über das<br />
Design sichtbar amerikanischer Autos für amerikanische<br />
Verbraucher führt“, so Lindland.<br />
Noch ganz am Anfang dieses Prozesses<br />
steht Ford – glaubt zumindest Peter Horbury, in<br />
England geborener Designer, der für die nordamerikanischen<br />
Marken des Unternehmens verantwortlich<br />
ist. Horbury entwarf beispielsweise<br />
jene Designs, welche die Volvo-Produkte, ausgehend<br />
von ihren kastenförmigen Vorfahren, zu<br />
ziemlich elegant daherkommenden Vertretern ihrer<br />
Branche entwickelten. Er prophezeit, dass die<br />
Konzeptautos der nächsten Monate die neue Geschichtsaffinität<br />
von Ford demonstrieren werden.<br />
Besonders die Elemente Design und Marke<br />
hängen eng zusammen, so Designer Horbury.<br />
„Manchmal kann die besondere Art, in der das<br />
Blech geformt wird, eine Marke ausmachen.“ Ein<br />
Beispiel sei das Konzept des Ford Super Chief.<br />
„Wenn man ein dünnes Stück Blech biegt, wird es<br />
an einer scharfen Linie geknickt. Ein dickeres<br />
Stahlteil weist eine Krümmung auf. Diese Krümmung<br />
von dickem Metall ist überall auf dem Super<br />
Chief sichtbar. Das trägt zu dem Eindruck bei,<br />
dass wir etwas Solides gebaut haben.“ Solide –<br />
und amerikanisch.<br />
Ein weiteres Beispiel für das neue Patriotendesign:<br />
der glänzende Chromkühlergrill mit<br />
drei Stäben, den Ford seit Kurzem in Nordamerika<br />
verwendet. „Dieser Kühlergrill ist das strahlende<br />
amerikanische Lächeln. Es ist extrovertiert.<br />
Es kommuniziert ‚Hallo, freut mich, dich kennenzulernen‘.“<br />
Der Optimismus der Pioniere, der die<br />
Antriebskraft von Amerika war. Wenn man das auf<br />
Autos übertragen kann, zieht es amerikanische<br />
Käufer an. Die Idee ist, so Horbury, dass alle amerikanischen<br />
Fahrzeuge von Ford subtile visuelle<br />
Kennzeichen teilen – ohne aber im Aussehen so<br />
übereinzustimmen wie das gleiche Hemd in verschiedenen<br />
Größen.<br />
Weltweit anwendbar ist der neue, US-spezifische<br />
Ansatz naturgemäß nicht. Ford of Europe<br />
wird daher an seiner eigenen, unverkennbaren<br />
Formgebung festhalten. Hier unterscheidet sich<br />
der Ansatz von Ford etwa von der General-Motors-<br />
Strategie. Das Unternehmen hat gerade entschieden,<br />
seine amerikanische Marke Saturn mit dem<br />
Design der europäischen Marke Opel zu versehen.<br />
GM setzt also eher auf globale Vereinheitlichung<br />
als auf kulturelle Vielfalt.<br />
Experten zufolge ist ein weltweit einheitliches<br />
Design vor allem bei relativ kleinen Umsätzen<br />
sinnvoll, wie den gehobenen Marken Volvo<br />
und BMW oder der Luxusmarke Infiniti von Nissan.<br />
Doch ob weltweit einheitlich oder den nationalen<br />
Präferenzen angepasst – für die Autobauer<br />
der Zukunft gilt: Ohne intelligente Gestaltung ist<br />
die aufwendigste Technik wertlos.<br />
Einige der wichtigsten Designtrends stellt<br />
Mark Phelan auf den kommenden Seiten vor.
Bentley liebt die kleinen Unterschiede DOSSIER #08<br />
DIE SCHÖNHEIT IM DETAIL<br />
An frühere Modelle erinnert der Bentley<br />
Continental GT von außen betrachtet nur<br />
noch entfernt. Doch Details wie die Vintage-<br />
Zifferblätter weisen ihn als Vertreter einer<br />
langen Gestaltungshistorie aus. Die sehr<br />
individuellen Gestaltungseinfälle lenken<br />
erfolgreich von den vielen Komponenten ab,<br />
die der Continental mit Volkswagen- und<br />
Audi-Modellen gemeinsam hat. Auf kluge<br />
Designdetails setzen auch Chrysler<br />
(beheizbare Becherhalter im Sebring) und<br />
Ford (iPod-Anschlüsse im Edge).
DOSSIER #08 Günstig sein, ohne billig auszusehen<br />
34<br />
BILLIGE AUTOS DER MITTELKLASSE – AUS CHINA ODER INDIEN<br />
In Ländern wie China entsteht eine Mittelklasse,<br />
deren Einkommen zwar rasant<br />
wächst, die aber, gemessen an westlichen<br />
Standards, eine geringe Kaufkraft hat. Wer<br />
sie gewinnen will, muss Fahrzeuge auf den<br />
Markt bringen, die einfach produziert wer-<br />
den, aber dem Statusbedürfnis einer Mittelklasse<br />
entsprechen. Autos wie der Chery<br />
Tiggo oder andere Produkte chinesischer<br />
oder indischer Hersteller setzen hier an. Sie<br />
wirken nicht billig, sondern solide – auch<br />
wenn die Materialien kostengünstig sind.
GESCHICHTE WIRD SICHTBAR<br />
Designer verachten den Begriff „Retrodesign“,<br />
weil er impliziert, dass einfach alte<br />
Modelle kopiert werden. „Heritage-Design“,<br />
so der Terminus des Ford-Designers Pat<br />
Schiavone, geht einen Schritt weiter. Modelle<br />
wie der Mini Cooper (im Bild) oder der<br />
Toyota FJ Cruiser verwenden wiedererkennbare<br />
Elemente berühmter Modelle, jedoch<br />
aktualisiert und mit neuen Features.<br />
Kein Früher-war-alles-besser-Design DOSSIER #08<br />
35
DOSSIER #08 Wer ein Vorbild hat, muss in der Werbung weniger erklären<br />
36<br />
IM WINDSCHATTEN VON IKONEN<br />
Vom VW Käfer bis zum Porsche 911 (im<br />
Bild) – manche Modelle definieren ihre Muttermarken.<br />
Ihre Hersteller benutzen das traditionelle<br />
Design, um ganz neue Fahrzeuge<br />
zu positionieren. Der Nissan Infiniti baut auf<br />
dem Look des sportlichen FX SUV auf. Nis-<br />
san-Chefdesigner Shiro Nakamura: „Der FX<br />
ist der Kernausdruck der Infiniti-Marke. Sie<br />
entwickelt sich in eine sinnlichere und<br />
attraktivere Richtung weiter.“ Auch Saab<br />
wird künftige Designs an seinen eigenen<br />
Standards orientieren, glauben Insider.
SEGMENTGRENZEN ÜBERWINDEN<br />
Die Trennlinien zwischen den herkömmlichen<br />
Segmenten verwischen sich zunehmend.<br />
Die spannendste neue Fahrzeugklasse<br />
ist das Crossover-SUV. Die Fahrzeuge<br />
haben eine klassische Unibody-Struktur,<br />
spielen aber mit Elementen der Sport Utility<br />
Vehicles. Die ersten Modelle wirkten noch<br />
komplett wie SUVs, aber abenteuerlustige<br />
Designer haben mittlerweile begonnen, flotte<br />
und sportliche Modelle wie den Nissan<br />
Infiniti FX 45 zu gestalten – pfiffige Hybridformen<br />
für den hybriden Konsumenten.<br />
Nissan überschreitet Grenzen DOSSIER #08<br />
37
DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />
38<br />
Geschichte eines Fetischs<br />
DAS AUTO IST DAS EMOTIONALSTE PRODUKT UNSERER ZEIT. IN DER INDIVIDUALISIERTEN GESELLSCHAFT<br />
DIENTE ES IMMER AUCH DER SOZIALEN DIFFERENZIERUNG. ABER, WARNT DER SOZIOLOGE DAVID GARTMAN<br />
IN DIESEM GASTBEITRAG: DER AUTOFETISCH KÖNNTE FÜR HERSTELLER ZUM PROBLEM WERDEN.<br />
s<br />
NICHT ZUFÄLLIG ist das Auto zum wichtigsten<br />
Artefakt des modernen Lebens geworden. Seine zentrale<br />
Stellung in unserer Kultur erklärt sich aus seiner<br />
Gleichsetzung mit der zentralen Freiheit der Gegenwart:<br />
der individuellen Mobilität. Die moderne Welt ist<br />
durch Bewegung und Wanderung entstanden – aus<br />
den beklemmenden Verhältnissen der Leibeigenschaft<br />
und Armut auf dem Lande hinein in die „freie<br />
Luft“ der Städte, der Marktplätze und des Handels.<br />
Dem Einzelnen verschaffte das Auto eine völlig neue<br />
Möglichkeit, sich nach Belieben fortzubewegen und<br />
sich von vorgegebenen Eisenbahnstrecken und -fahrplänen<br />
zu lösen. Insbesondere in den Vereinigten<br />
Staaten ging diese geografische Mobilität eng mit<br />
sozialer Mobilität einher. Mobil zu sein bedeutete die<br />
Chance, aufzusteigen, ein begrenztes örtliches Ange-<br />
bot an Arbeitsplätzen und Märkten hinter sich zu lassen<br />
zugunsten unbegrenzter wirtschaftlicher Möglichkeiten.<br />
Die Begriffe Auto und Straße wurden in der<br />
Moderne zur mächtigsten Metapher für Freiheit und<br />
Individualität.<br />
ANFANGS STAND DIESE FREIHEIT auf vier Rädern<br />
nur den Vermögenden offen, als Einzige konnten sie<br />
sich die handgefertigten Automobile leisten. Doch<br />
Henry Fords Massenproduktion machte Pkws für die<br />
breite Masse erschwinglich – in den USA in den Zwanzigern,<br />
in Europa erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Ironischerweise<br />
wurde die motorgetriebene Mobilität<br />
durch die Massenfertigung zwar demokratischer,<br />
doch sie bedeutete gleichzeitig das Ende vieler Hoffnungen.<br />
Die Kapitalerfordernisse der Massenproduk-
tion schalteten Kleinhersteller aus und führten zur<br />
Konsolidierung der Industrien in Oligopolen. Die angesehene<br />
Stellung gut ausgebildeter Facharbeiter wurde<br />
durch die Abhängigkeit ungelernter Fließbandarbeiter<br />
ersetzt. Auch bedingt durch diese Entwicklungen,<br />
wandelte sich der kulturelle Status des Pkws von<br />
einem Symbol der Freiheit zu einem Fetisch: einem<br />
Surrogat für wahre Bedürfnisse. Während Einflussmöglichkeiten<br />
für den Einzelnen in der Wirtschaft<br />
abnahmen, boten die Autohersteller den Verbrauchern<br />
eine Ersatzbefriedigung für die Freiheit an, die sie<br />
ihnen als Arbeitskräfte weggenommen hatten.<br />
In den Zwanzigerjahren begannen die Autodesigner,<br />
die Einheitlichkeit der Massenware Auto mit<br />
individuelleren Oberflächen zu verdecken. Die Firmen<br />
boten eine Hierarchie von nach Preis abgestuften Marken<br />
an. Diese unterschieden sich primär in der Quantität<br />
der Symbole und Sonderausstattungen. Um die<br />
Kosten gering zu halten, wurden die gleichen mechanischen<br />
Komponenten für die verschiedenen Marken<br />
verwendet. Diese unterschieden sich vor allem durch<br />
den Stil der Karosserie. Die Hersteller profitierten von<br />
der Wirtschaftlichkeit der Massenherstellung und<br />
boten den Verbrauchern gleichzeitig ein individualisiertes,<br />
romantisch verklärtes Produkt.<br />
Ihren Höhepunkt erreicht diese Entwicklung in<br />
den USA in den späten Fünfzigerjahren, als futuristische<br />
Chromaufbauten und Raketenästhetik auf Straßenkreuzer<br />
mit jahrzehntealter Technologie aufgesetzt<br />
wurden. In dieser Zeit wuchs jedoch auch eine<br />
Revolte gegen diesen Fetischismus heran. Die Käufer<br />
begannen die Gleichheit unter den oberflächlichen<br />
Unterschieden wahrzunehmen. Viele Amerikaner<br />
wandten sich kleineren europäischen Wagen wie<br />
dem VW zu, weil sie sich damit in dem Meer aufgetakelter<br />
Dinosaurier abhoben. In den Sechzigerjahren<br />
gingen amerikanische Autohersteller auf diese Unzufriedenheit<br />
ein, indem sie den Verbrauchern eine größere<br />
Bandbreite anboten: mehr echte Produktvielfalt<br />
und ganz neue Arten von Autos wie Kleinwagen,<br />
Mittelklassewagen und „Muscle Cars“. Diese sprachen<br />
keine breite Einkommensschicht mehr an, sondern<br />
ein kleines Marktsegment, dessen Lifestyle von Faktoren<br />
wie Alter, Geschlecht, Region und Familienstand<br />
bestimmt wurde. Doch mit der wachsenden Zahl von<br />
Modellen nahm das jeweilige Produktionsvolumen ab,<br />
Warum Autos mehr sind als Fortbewegungsmittel DOSSIER #08<br />
Wirtschaftlichkeit und Gewinn pro Stück sanken. In<br />
den Siebzigern und Achtzigern kämpften die amerikanischen<br />
Autohersteller mit dem Problem, die Produktion<br />
flexibler zu gestalten, um der Vielfalt Rechnung<br />
zu tragen. Dabei orientierte man sich am japanischen<br />
System der flexiblen Spezialisierung. In den<br />
Neunzigern trat jedoch der Widerspruch zwischen<br />
Produktpalette und -umfang erneut in den Vordergrund.<br />
Selbst das japanische Modell erwies sich als<br />
untauglich, die Nachfrage nach immer individuelleren<br />
Modellen zu befriedigen. Diese Nachfrage, die aus der<br />
kulturellen Fragmentierung der spätindustriellen<br />
Gesellschaft in viele Nischen und Lebensstile resultierte,<br />
war Ausdruck der Suche nach einer in der globalisierten<br />
Wirtschaft verloren gegangenen Individualität.<br />
Das Bemühen um größere Gewinnmargen<br />
durch die Produktion höherer Stückzahlen löste den<br />
derzeitigen Trend zu Übernahmen und Joint Ventures<br />
sowie die Rückkehr zur gemeinsamen Nutzung von<br />
Aufbauten und Bauteilen aus.<br />
Mit dem Versuch, Individualität in Form von<br />
Autos zu verkaufen, stellt sich die Autoindustrie also<br />
womöglich wirtschaftlich selbst ein Bein. Zunehmende<br />
Vielfalt macht die Stückzahlen unmöglich, welche<br />
für die Massenproduktion notwendig sind, und führt<br />
zu nur oberflächlich differenzierter Gleichheit.<br />
DER ZWANG zur Individualisierung erzeugt noch<br />
eine weitere Grenze selbst – durch die Pkw-Benutzung:<br />
Wenn jeder Fahrer einen oder mehrere Wagen<br />
benötigt, um seine Identität auszudrücken, führt das<br />
zu vollen Straßen, was frustrierende Einschränkungen<br />
der gewünschten Individualität erzeugt. Damit<br />
werden auch die ökologischen Grenzen der automobilen<br />
Individualität immer deutlicher, insbesondere da<br />
die Belastungen von Ölmärkten und Umwelt aus der<br />
„Automobilisierung“ Chinas bereits zu spüren sind.<br />
Sind alternative Bedeutungen des Autos denkbar?<br />
Ja. Vielleicht lassen sich kleine, standardisierte<br />
Autos mit geringem Verbrauch vermarkten, die dann<br />
weniger die radikale Individualisierung ausdrücken<br />
als die Verantwortung des Einzelnen für Gesellschaft<br />
und Umwelt. Dazu wäre es allerdings notwendig, andere<br />
Möglichkeiten zum Ausdruck der Individualität<br />
zu schaffen – in vielfältigeren Berufslaufbahnen und<br />
sozialem Engagement zum Beispiel.<br />
WILLIAM DAVID GART-<br />
MAN ist Soziologieprofessor<br />
an der Universität von South<br />
Alabama. Er hat sich in vielen<br />
Büchern und Fachartikeln mit<br />
der kulturellen Bedeutung des<br />
Automobils auseinandergesetzt,<br />
vor allem in dem Buch „Auto<br />
Opium: A Social History of<br />
American Automobile Design“.<br />
2007 erscheint sein Buch „From<br />
Autos to Architecture: Fordism<br />
and Architectural Aesthetics in<br />
the Twentieth Century“.<br />
39
p industry-report der demografische wandel verändert die koordinaten für die globalen pharmakonzerne<br />
40<br />
DANIEL VASELLA ist seit April 1999<br />
Präsident des Verwaltungsrats der Schweizer<br />
Novartis AG und bereits seit der Gründung des<br />
Unternehmens im Jahr 1996 Delegierter des<br />
Verwaltungsrats und Vorsitzender der<br />
Geschäftsleitung. In diesen Funktionen nahm<br />
Vasella bei der Fusion von Sandoz und Ciba-<br />
Geigy mit Novartis eine führende Rolle ein.<br />
Unter seiner Leitung richtete sich das Unternehmen<br />
strategisch auf den Gesundheitsbereich<br />
mit Pharma als Kerngeschäft aus. Vasella<br />
wurde 1953 im schweizerischen Fribourg<br />
geboren. Der promovierte Mediziner ist verheiratet<br />
und Vater von drei Kindern.<br />
NOVARTIS ist eines der weltgrößten Pharmaunternehmen.<br />
Der Basler Konzern verdient<br />
sein Geld sowohl mit patentgeschützten<br />
Medikamenten als auch mit Generika. 2005<br />
erzielte Novartis einen Nettoumsatz von 32,2<br />
Milliarden US-Dollar und einen Reingewinn<br />
von 6,1 Milliarden Dollar. 4,8 Milliarden Dollar<br />
investierte das Unternehmen in Forschung<br />
und Entwicklung. Rund 99 000 Mitarbeiter in<br />
über 140 Ländern beschäftigen die Konzerngesellschaften<br />
insgesamt.
THINK:ACT Herr Vasella, Novartis ist mit über<br />
35 Milliarden Dollar Umsatz einer der größten<br />
Pharmakonzerne der Welt. Können Sie<br />
kurz zusammenfassen, wofür Novartis steht?<br />
VASELLA Gewiss! Wir haben die Fähigkeit,<br />
unseren Kunden Produkte mit einem echten<br />
Mehrwert zu offerieren. Dafür sind sie auch<br />
bereit, einen angemessenen Preis zu zahlen. Um<br />
das immer wieder erreichen zu können, müssen<br />
wir ausgesprochen innovativ, produktiv und<br />
kommunikativ sein.<br />
Wie verändert sich das gesellschaftliche<br />
Umfeld?<br />
Es gibt ein paar grundlegende Trends, die über<br />
das Wachstum unserer Industrie entscheiden.<br />
Zuerst sind die großen demografischen Veränderungen<br />
zu erwähnen. Die Zahl der älteren<br />
Menschen wächst weltweit. Gleichzeitig sinkt<br />
die Zahl der Kinder, und zwar insbesondere in<br />
den Hocheinkommensländern. Auf der einen<br />
Seite steigen die Bedürfnisse nach medizinischen<br />
Dienstleistungen, was zwangsläufig zu<br />
mehr Kosten führt. Auf der anderen Seite<br />
haben wir weniger junge Menschen, die Geld<br />
generieren und für die wachsenden Gesundheitskosten<br />
aufkommen können.<br />
Kaufen Sie deshalb momentan für Milliardenbeträge<br />
Generikahersteller, wie jüngst<br />
den Anbieter Hexal?<br />
Menschen wollen entweder bessere Medikamente<br />
– bessere Wirkung, weniger Nebenwirkungen<br />
– und sind bereit, dafür eine Prämie<br />
zu bezahlen. Oder sie wollen billigste Arzneimittel<br />
– patentrechtlich nicht mehr geschützte<br />
Nachahmerprodukte. Am liebsten aber möchte<br />
man überhaupt nicht krank werden, was die<br />
novartis eröffnet einen forschungscampus in shanghai industry-report f<br />
„Wie können wir global lokal sein?“<br />
Novartis-Chef Daniel Vasella führt einen der größten Pharmakonzerne. In diesem Exklusivinterview<br />
erläutert er dem Journalisten Medard Meier, wie viel Vielfalt globale Konzerne zulassen müssen –<br />
und weshalb Novartis mehr Entwicklungshilfe leistet als die Schweiz.<br />
Menschen dazu bewegt, sich impfen zu lassen<br />
und damit Infektionskrankheiten abzuwehren,<br />
unter anderem auch solche, die Krebs verursachen<br />
können. Ein Wachstumsmarkt bleibt in<br />
diesem Umfeld auch die Selbstmedikation. Bei<br />
Bagatellerkrankungen ist es ja nicht sinnvoll,<br />
jedes Mal zum Arzt zu rennen. Dann der veränderte<br />
Lebensstil! Im Vergleich zu früher sind<br />
viele Menschen kaum mehr körperlich tätig.<br />
Der Computer hat viele Arbeits- und Freizeitgewohnheiten<br />
verändert. Die Essgewohnheiten<br />
haben sich hingegen nur ungenügend angepasst.<br />
Noch immer dominiert kalorienreiche<br />
Nahrung. Das führt zu Übergewicht, und mit<br />
Übergewicht hängen Bluthochdruck, Diabetes<br />
und degenerative Erkrankungen des Gelenkapparats<br />
zusammen.<br />
Wie stellen Sie sicher, auf den wichtigen<br />
Zukunftsmärkten präsent zu sein?<br />
Unsere zentrale Frage lautet stets: Wo ist das<br />
medizinische Bedürfnis am größten? Das bedingt<br />
Wissen über die langfristige Nachfrage,<br />
und gleichzeitig müssen wir im Unternehmen<br />
über die richtigen Fähigkeiten verfügen, um in<br />
den ausgewählten Indikationen innovativ und<br />
konkurrenzfähig zu sein.<br />
Errichten Sie darum nach Basel und Boston<br />
nun in Shanghai einen Forschungscampus?<br />
Talentierte und gut ausgebildete Menschen<br />
sind längst nicht mehr nur in ein paar Industriestaaten<br />
konzentriert. Bei uns wie in den<br />
USA studieren immer weniger junge Menschen<br />
Naturwissenschaften. In Asien ist das anders.<br />
Danach müssen wir uns ausrichten. Entsprechend<br />
verfügen wir über einen weltweiten Pool<br />
von Forschern und Talenten.<br />
Folgen Sie bei Ihren Entscheidungen einem<br />
Frühwarnsystem?<br />
Wenn Sie damit Warnlampen verbinden: nein.<br />
Ich höre zu, beobachte, was abläuft, stelle<br />
Fragen – und das konstant. Auf diese Weise<br />
akkumuliert sich bei mir sozusagen subkutan<br />
Wissen. In unserem Geschäft passiert wenig<br />
über Nacht. Es sind langfristige Entwicklungen,<br />
die wir im Auge haben müssen, wie die<br />
Entstehung eines Talentpools in Shanghai oder<br />
in Peking, ohne die Aufmerksamkeit vom Tagesgeschäft<br />
abzuwenden.<br />
Aus denen Sie auch die richtigen Schlüsse<br />
ziehen und entsprechend handeln müssen ...<br />
... nicht einfach handeln! Es ist ein Reifeprozess,<br />
in den meine Kollegen, der Verwaltungsrat<br />
und ich einbezogen sind. Es ist viel Abwägen<br />
dabei und ein mentales Durchspielen<br />
verschiedener Optionen: Wie wäre das, wenn?<br />
Warum würden wir das machen? Die großen<br />
Entscheide fallen nicht täglich, sondern nur<br />
von Zeit zu Zeit. Dazwischen verändern sich<br />
die Vorstellungen über die Zukunft laufend.<br />
Weil Veränderungen nicht rasant geschehen,<br />
besteht indessen die Gefahr, dass man sie nicht<br />
rechtzeitig wahrnimmt. So müssen wir uns<br />
immer wieder einmal zurücklehnen können<br />
und überlegen: Was ändert sich? Was ist<br />
anders, und welches sind die Implikationen?<br />
Zum Beispiel die Akzeptanz der hohen<br />
Medikamentenpreise.<br />
Ja, in der westlichen Welt wächst der Druck,<br />
Preise herabzusetzen und Patente zu hinterfragen.<br />
Gesundheitskosten auf diese Weise in den<br />
Griff zu kriegen ist leider ein hilfloses und<br />
destruktives Unterfangen. Man muss sich<br />
41
p industry-report lokale länderchefs verschaffen novartis rund um den globus eine identität<br />
42<br />
bewusst sein, dass, würde man der gesamten<br />
Pharmaindustrie die Gewinne wegnehmen,<br />
man die Gesundheitskosten bloß um ganze drei<br />
Prozent senken könnte. Die Bürger, der Staat<br />
müssen signifikant umdenken. Was wollen<br />
wir? Was sind alternative Interventionsmöglichkeiten?<br />
Wie viel sind wir bereit, dafür zu<br />
bezahlen? Auf diese ethischen Grundfragen<br />
muss die Gesellschaft eine Antwort finden, die<br />
Pharmaindustrie kann sie nicht liefern.<br />
Sehen Sie sich wie ein Portfoliomanager,<br />
der Risiko und Ertrag seiner Anlagen laufend<br />
im Auge behält, oder eher wie ein<br />
Pilot in einem Cockpit?<br />
Die Analogie mit dem Cockpit stimmt gewiss in<br />
einem Punkt: Sie brauchen Instrumente und<br />
dürfen nicht blind fliegen. Portfoliomanager?<br />
Der kann innerhalb von Minuten kaufen und<br />
verkaufen, wie er will. Bei uns liegt der Fall<br />
fundamental anders: Entscheidend ist das<br />
langfristige Denken, also die Frage, ob eine<br />
strategische Weichenstellung unsere Wachstumsplattformen<br />
nachhaltig stärkt oder nicht.<br />
Seit über zehn Jahren führen Sie nun Novartis.<br />
Was hat sich in dieser Zeit verändert?<br />
Abgesehen davon, dass sich damals alles um<br />
die Integration von Sandoz und Ciba in Novartis<br />
gedreht hat, ist inzwischen alles schneller<br />
geworden. Eine unglaubliche Akzeleration der<br />
Globalisierung des Geschäfts. Die Welt ist für<br />
uns viel kleiner geworden, was aber nicht<br />
heißt, dass auch die kulturellen Unterschiede<br />
kleiner geworden sind. Diese haben eher wieder<br />
zugenommen. In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre<br />
hat man die globalen Gemeinsamkeiten<br />
als größer angesehen als die Unterschiede.<br />
Heute ist es eher umgekehrt. Politisch, zum<br />
Teil auch sozial, religiös und kulturell, erlebe<br />
ich die Welt wieder fragmentierter. Multilaterale<br />
Abkommen haben sich eher Richtung bilateralen<br />
verschoben. Multinationale Organisationen<br />
und Abmachungen haben an Bedeutung<br />
verloren. Die zentrale Frage für uns lautet: Wie<br />
können wir global lokal sein?<br />
Und wie?<br />
Prozesse und Tätigkeiten, die nicht aufgebrochen<br />
werden dürfen, sind Forschung und Entwicklung,<br />
Infrastruktur, IT, Accounting, Controlling<br />
– all das muss global sein und globalen<br />
Standards folgen. Daneben müssen wir so organisiert<br />
sein, dass wir uns auf die unterschiedlichen<br />
Bedürfnisse in den einzelnen Regionen<br />
und Ländern einstellen können. Uns hilft, dass<br />
wir meistens lokale Führungsspitzen haben.<br />
Das schafft Identität mit dem Land.<br />
Bei Novartis werden keine Chefs eingeflogen?<br />
Ausnahmen gibt es beispielsweise im Rechnungswesen<br />
und in der Finanzkontrolle. In<br />
Ländern mit traditioneller Korruption<br />
nimmt man als Finanzleiter in der Regel Ausländer.<br />
„Checks and Balances“ ist uns wichtig.<br />
Äußerst anspruchsvoll scheint uns auch die<br />
Führung in einem multikulturellen Umfeld<br />
zu sein. Können Sie einen Chinesen gleich<br />
führen wie einen Amerikaner?<br />
Nein, aber man kann auch zwei Deutsche nicht<br />
gleich führen – und auch zwei Schweizer nicht.<br />
Die individuellen, sprachlichen, kulturellen<br />
Unterschiede können sich natürlich addieren,<br />
sie können sich aber auch ausgleichen. Unsere<br />
Kader sind schon lange multikulturell zusammengesetzt.<br />
Entsprechend kennt man sich<br />
über viele Jahre, weiß über die Stärken und<br />
Schwächen der anderen und stellt sich gegenseitig<br />
darauf ein. Was es gibt, sind unterschiedliche<br />
Sensibilitäten. Mit einem Japaner rede<br />
ich anders als mit einem Schweizer oder mit<br />
einem Amerikaner. Daneben gibt es auch Stilfragen,<br />
die sehr firmenspezifisch sind.<br />
Das wird mit dem Wertesystem von Novartis<br />
zu tun haben, das Sie seit gut zehn Jahren<br />
prägen. Wie lautet Ihr Mantra?<br />
Ein Mantra habe ich keins! Eine Führungskraft<br />
sollte drei Dinge erfüllen. Erstens ist das<br />
Kompetenz im Beruf und in der Zusammenarbeit<br />
mit den Mitarbeitern. Zweitens muss<br />
jemand ambitioniert sein. Wir können die<br />
Leute nicht ziehen. Sie müssen selbst wollen.<br />
Und drittens müssen sie integer sein.<br />
Selbstverständlich haben wir diese Punkte<br />
noch detaillierter umschrieben. Die jährliche<br />
Leistungsbeurteilung richtet sich nach der Erreichung<br />
vorgängig vereinbarter quantitativer<br />
und qualitativer Ziele: Wie resultateorientiert<br />
handelt jemand? Wie führt und kommuniziert<br />
die Person? Wie vertrauenswürdig, transparent<br />
und zuverlässig ist sie? Weltweit werden die<br />
gleichen Kriterien und die gleichen Prozesse<br />
angewendet. Die Beurteilung der Resultate –<br />
dazu gehören nicht nur die finanziellen – und<br />
des Verhaltens entscheiden über den variablen<br />
Lohnanteil. Halbjährlich gibt es nach dem gleichen<br />
Schema eine mündliche Beurteilung.<br />
Wie viele Leute führen Sie persönlich?<br />
Rund 150 Leute versuche ich mit Namen und<br />
Gesicht und ihrem Leistungsprofil zu kennen.<br />
Diese bilden den Topkader, den wir einmal<br />
pro Jahr zusammenziehen. Eine Anzahl dieser<br />
Mitarbeiter berichtet direkt an mich. Es gibt<br />
selbstverständlich viele Personen, die nicht zu<br />
dieser Gruppe gehören, mit denen ich aber<br />
regelmäßig zusammenarbeite. Im Gespräch<br />
trenne ich klar zwischen Zuhören und Direktivengeben.<br />
Zurückhaltend bin ich im Direktivengeben<br />
an Mitarbeiter, die mir nicht direkt<br />
unterstellt sind.<br />
Als Stärke gilt Ihre Fähigkeit, übernommene<br />
Firmen zu integrieren. Doch das Akquisitionstempo<br />
von Novartis hat nachgelassen …<br />
Das sehe ich anders: Novartis hat mit Hexal,<br />
Eon Labs und Chiron in den letzten zwei Jahren<br />
drei bedeutende Übernahmen getätigt. Der<br />
Schlüssel zur erfolgreichen Integration ist Klarheit<br />
in der Führung und Richtungsgebung, die<br />
eine schnelle und regelmäßige Kommunikation<br />
voraussetzt. Der Chef muss hingehen und<br />
sagen, wohin die Reise geht. Unsicherheit rächt<br />
sich auf mehrere Weisen: Passivität der Mitarbeiter,<br />
Ärger, Ängste. Oft verliert man dann<br />
genau die Leute, die man eigentlich behalten<br />
möchte. Bei offenen Fragen sollte für alle klar
DANIEL VASELLA (links) im Gespräch mit dem Wirtschaftsjournalisten<br />
Medard Meier. Meier war lange Chefredakteur des Schweizer Wirtschaftsmagazins Bilanz.<br />
Das Interview in der Firmenzentrale von Novartis führte er exklusiv für think:act.<br />
sein, bis wann darüber informiert wird. An diesen<br />
Fahrplan muss man sich dann eisern halten,<br />
sonst verliert man jede Kredibilität.<br />
Glaubwürdigkeit brauchen Konzerne heute<br />
gegenüber verschiedenen Stakeholdern.<br />
Wie schaffen Sie den Spagat zwischen den<br />
unterschiedlichen Interessen?<br />
Wir haben sehr viele Stakeholder: internationale<br />
Organisationen, Nationen, Medien, Aktionäre,<br />
NGOs. Die Agenden sind sehr unterschiedlich:<br />
Alle erwarten etwas anderes. In<br />
diesem Umfeld ist die Frage zentral: Wofür stehen<br />
wir ein? Wie orientieren wir uns? Was ist<br />
unser Kompass? An erster Stelle kommen für<br />
uns die Interessen der Patienten – heute und in<br />
Zukunft. Diese Bedürfnisse können wir nur<br />
erfüllen, wenn wir innovativ sind. Deshalb ist<br />
ein griffiger Patentschutz von überragender<br />
Bedeutung: Schutz von Innovationen ist der<br />
beste Schutz für Patienten. Zweitens müssen<br />
wir profitabel und stark im Wettbewerb sein.<br />
Wir können nicht gewissen Interessenvertretern<br />
und Anspruchsgruppen Geschenke<br />
machen, die zulasten der Wirtschaftlichkeit<br />
und Konkurrenzfähigkeit gehen. Drittens müssen<br />
wir transparent sein. Als global tätiges<br />
Unternehmen sind wir uns bewusst, dass die<br />
Gesellschaft hohe Ansprüche an uns stellt. Wir<br />
leben vom Vertrauen unserer Stakeholder. Dieses<br />
Vertrauen gilt es täglich neu zu verdienen.<br />
Es gibt Länder praktisch ohne Kaufkraft ...<br />
Patienten, die selbst nichts kaufen können und<br />
bei denen es keinen Markt für Arzneimittel<br />
gibt, wollen wir beistehen und tun dies auch.<br />
Sind die Hilfezusagen fest budgetiert?<br />
Es sind <strong>Ausgabe</strong>n, die sich von Jahr zu Jahr den<br />
Bedürfnissen und Möglichkeiten anpassen.<br />
Im letzten Jahr belief sich diese Summe auf<br />
rund 700 Millionen Dollar, was 2,2 Prozent<br />
unseres gesamten Umsatzes entspricht. Das ist<br />
wesentlich mehr, als die Schweiz oder andere<br />
reiche Länder an Entwicklungshilfe leisten,<br />
wenn man deren prozentualen Anteil am Bruttosozialprodukt<br />
misst. Seit 2000 haben wir beispielsweise<br />
an über vier Millionen Leprapatienten<br />
gratis Medikamente abgegeben. Auch<br />
Tuberkulose helfen wir zu bekämpfen. Bei Ma-<br />
konzerne müssen brücken bauen industry-report f<br />
laria geben wir die heute beste Behandlung<br />
unter den Selbstkosten, das heißt stark verbilligt,<br />
ab – für einen Dollar pro Behandlung.<br />
Dieses Jahr sind es ungefähr 50 Millionen Behandlungen.<br />
Zur Bekämpfung der Malaria unterhalten<br />
wir über eine Stiftung ein nicht profitorientiertes<br />
Forschungsinstitut in Singapur.<br />
Auch internationalen Krisenherden können<br />
Sie sich nicht entziehen.<br />
Die Frage, was wir bei politischem Dissens zwischen<br />
zwei Ländern tun können, in denen wir<br />
tätig sind, beschäftigt mich sehr. Ich erachte es<br />
immer mehr nicht nur als Möglichkeit, sondern<br />
geradezu als Pflicht von global tätigen Unternehmen,<br />
Brücken zu bauen. Länder zu isolieren<br />
und ökonomische Sanktionen zu ergreifen<br />
ist in der Regel nicht erfolgreich. Erstens, weil<br />
die Maßnahmen nie von allen respektiert werden.<br />
Zweitens gibt es immer Profiteure. Und<br />
drittens reagieren Länder, die das Gefühl haben,<br />
nichts verlieren zu können, defensivaggressiv,<br />
was zu unkontrollierbaren Entwicklungen<br />
führen kann. Die Frage ist, wie man signalisieren<br />
kann, dass man die Bürger eines<br />
Landes respektiert – auch wenn man mit dem<br />
Regime und dem politischen Wertesystem nicht<br />
einig ist. Als Unternehmen, dessen Kernaufgabe<br />
es ist, dem menschlichen Leben zu dienen,<br />
haben wir es in solchen Situationen vielleicht<br />
etwas leichter.<br />
Sind Schweizer Manager besser als andere<br />
in der Lage, diese Brücken zu bauen?<br />
Als sozial, kulturell und politisch vielfältiger<br />
Staat haben wir die Fähigkeit entwickelt, über<br />
Sprach- und Religionsgrenzen hinweg einen<br />
Konsens zu finden. Dies hat der Schweiz – eingebettet<br />
in einer geschichtlich gesehen oft sehr<br />
instabilen Umgebung – eine hohe Stabilität verliehen.<br />
Auf dieser Stabilität ruht auch unsere<br />
Wirtschaft. Gleichzeitig hat der kleine Binnenmarkt<br />
die Unternehmen gezwungen, über die<br />
Grenzen hinweg aktiv zu sein – von der Textilund<br />
Maschinenindustrie über die Banken bis<br />
zur Chemie- und Pharmaindustrie.<br />
43
44<br />
Auch in politisch instabilen Regionen lässt sich mit<br />
dem Mobilfunk Geld verdienen, etwa in Algerien<br />
(01) oder dem Irak (02 und 03). Orascom Telecom<br />
macht vor, wie das geht.<br />
01<br />
03<br />
02
Risikoprämien<br />
Der ägyptische Telekomunternehmer Naguib Sawiris ist mit einem<br />
ganz einfachen Geschäftsmodell groß geworden: Gehe dahin, wo<br />
sich sonst keiner hintraut. Jetzt prescht er auf etabliertere Märkte vor.<br />
: Manchmal ist der blaue Ozean braun wie<br />
die Wüste Algeriens. „Blue Oceans“ sollten<br />
Unternehmen erobern, empfehlen die<br />
Strategieautoren Mauborgne und Chan Kim<br />
(siehe Interview in think:act 2). Sie meinen<br />
Märkte, auf denen der Wettbewerbsdruck<br />
niedrig ist, weil keine Konkurrenz da ist –<br />
wie auf dem blauen Ozean. Wie das geht,<br />
führt momentan der Unternehmer Naguib<br />
Sawiris vor – und zwar unter anderem in<br />
Algerien. Dort investierte er in großem Stil,<br />
ebenso in Tunesien, Bangladesch oder im<br />
Irak. Sein Erfolgsmodell: Gehe dahin, wo<br />
sich sonst keiner hintraut.<br />
„WO DAS RISIKO HOCH IST, SIND AUCH<br />
DIE PROFITE HOCH“, SO FIRMENCHEF<br />
NAGUIB SAWIRIS<br />
Sawiris’ Unternehmen Orascom Telecom<br />
betreibt Mobilfunknetze in sechs Ländern.<br />
2006 knackte es die Grenze von 40 Millionen<br />
Kunden. 2005 erzielte das Unternehmen<br />
einen Umsatz von 3,26 Milliarden US-Dollar,<br />
49 Prozent mehr als im Jahr 2004.<br />
Die Orascom-Gruppe gehört der ägyptischen<br />
Unternehmerfamilie Sawiris. Die hat<br />
einen echten Glücksgriff getan, als sie<br />
Naguib Sawiris an die Firmenspitze der<br />
Telekomtochter holte. Seit dem Start ins<br />
Mobilfunkgeschäft mit der ägyptischen<br />
Tochter Mobinil 1998 erwirbt er erfolgreich<br />
Lizenzen oder Anteile an bestehenden<br />
Handynetzen auf Märkten, die andere<br />
unterschätzen oder als zu risikoreich beurteilen.<br />
„Wo immer das Risiko hoch ist, sind<br />
auch die Profite hoch“, sagt er.<br />
Sein Meisterstück gelang Sawiris in Algerien.<br />
Anfang 2001 erwarb er dort für<br />
orascom setzt auf riskante märkte – mit erfolg industry-report f<br />
737 Millionen Dollar eine Mobilfunklizenz,<br />
200 Millionen mehr als Mitbieter France<br />
Télécom. Die Analysten waren skeptisch:<br />
Das Geschäftsumfeld in Algerien ist widrig,<br />
besonders in der Telekommunikation. Bis<br />
August 2000 wurde das Telefonnetz vom<br />
Postministerium betrieben und jeder neue<br />
Handynutzer vom Minister persönlich<br />
genehmigt.<br />
Der dann gegründete Staatsmonopolist<br />
Algérie Télécom begann erst im Sommer<br />
2003 mit professionell geführtem Betrieb.<br />
Da aber hatte Orascom den Markt längst<br />
aufgerollt. Heute hält es immer noch einen<br />
Marktanteil von knapp über 60 Prozent.<br />
Am profitabelsten ist für Orascom jedoch<br />
ein anderer Markt: der Irak. 2003 kaufte das<br />
Unternehmen von der amerikanischen<br />
Übergangsverwaltung eine Lizenz für den<br />
Zentral-Irak. Seit letztem Jahr betreibt es<br />
ein landesweites Netz.<br />
Das Geschäft ist schwierig. Immer wieder<br />
werden Angestellte entführt. 30 Millionen<br />
Dollar gibt Orascom jedes Jahr für Sicherheit<br />
aus. Doch die Mühen lohnen sich. Im<br />
vierten Quartal 2005 wies Orascom für sein<br />
Irak-Geschäft einen Average Revenue per<br />
User (ARPU) von 20,8 Dollar aus. Das ist<br />
zwar weniger als die über 40 Dollar, die<br />
Unternehmen etwa in den USA erzielen,<br />
aber für ein so armes Land wie den Irak<br />
dennoch beachtlich. Und Sawiris sieht sein<br />
Irak-Engagement trotz der anhaltenden<br />
Kämpfe auch als Investition. „Eines Tages<br />
wird es dort ruhig sein, und der Irak wird<br />
ein zweites Saudi-Arabien werden.“<br />
Derlei Erfolge bedeuten nicht, dass Sawiris<br />
nicht bereits auch Engagements hätte been-<br />
NAGUIB SAWIRIS absolvierte ein Studium<br />
an der Eidgenössischen Technischen<br />
Hochschule in Zürich. Zuvor besuchte er<br />
die Deutsche Schule in Kairo. Dort bekam er<br />
„eiserne Disziplin“ vermittelt, wie er sagt. Doch<br />
Sawiris hat auch einen Sinn für glamouröses<br />
Leben, zieht gerne durch die Clubs von Kairo.<br />
ORASCOM TELECOM HOLDING hat<br />
41 Millionen Kunden in sechs Ländern:<br />
Ägypten, Algerien, Bangladesch, Irak, Pakistan<br />
und Tunesien. Über seine Beteiligung an<br />
Hutchinson Telecommunications International<br />
kommen weitere neun Länder vor allem in<br />
Südostasien hinzu. Gehandelt an den Börsen<br />
in Kairo und London, hat das Unternehmen in<br />
Ägypten eine Marktkapitalisierung von knapp<br />
zwölf Milliarden US-Dollar.<br />
45
p industry-report ohne politische vernetzung geht in vielen regionen nichts. orascom ist vernetzt.<br />
46<br />
den müssen. Aus dem Jemen und Syrien zog<br />
Orascom sich zurück. Im Jahr 2002 etwa<br />
hatte Sawiris genug von seinen lokalen Partnern<br />
in Syrien. Diese standen der Präsidentenfamilie<br />
nahe. Sie betrachteten Orascom<br />
als reinen Geldgeber und wollten das<br />
Management unter ihre Kontrolle bringen.<br />
Dass Geschäfte und Politik in Personalunion<br />
oder von der gleichen Familie abgewickelt<br />
werden, ist nicht ungewöhnlich für den<br />
Nahen Osten. Auch Sawiris profitiert von<br />
der Vernetzung seiner Familie. Diese ist –<br />
auch über die von seinen Brüdern geleiteten<br />
Orascom Construction Industries und Orascom<br />
for Development and Real Estate –<br />
überall in der Region präsent. Entscheidend<br />
für den Ausstieg aus dem Syrien-Engagement<br />
war wohl vielmehr das Ausmaß der<br />
Eingriffe in die unternehmerische Freiheit.<br />
DIE BEVÖLKERUNG IN ENTWICKLUNGS-<br />
LÄNDERN IST ARM. DAFÜR SIND AUCH DIE<br />
HANDY-PENETRATIONSRATEN NIEDRIG.<br />
Eine Widrigkeit der Orascom-Märkte: Die<br />
Bevölkerung hat kein Geld. Ein durchschnittlicher<br />
Ägypter verdient jährlich 1400 Dollar,<br />
ein Bangladescher 410 Dollar. Aber: Auch die<br />
Handy-Penetrationsraten sind niedrig –<br />
17,7 Prozent in Ägypten, 12,7 Prozent in Pakistan.<br />
Das macht sie als Märkte attraktiv.<br />
Die Kunst besteht darin, den Markt mit<br />
günstigen Angeboten für ärmere Schichten<br />
schnell zu vergrößern. Neun von zehn Kunden<br />
sind dort Prepaidkunden. „In einem<br />
Emerging Market suchen sich Kunden minimalen<br />
Service für den niedrigsten Preis aus“,<br />
sagt Telekomanalyst Walaa Hazem von der<br />
ägyptischen HC Brokerage.<br />
Auch damit lässt sich Kasse machen. Zwar<br />
sanken Orascoms durchschnittliche ARPUs<br />
2005 wegen des Nutzerzuwachses erheblich,<br />
doch das Geschäft bleibt weiterhin profitabel:<br />
In keinem Land außer in Bangladesch<br />
erzielt das Unternehmen ein EBITDA<br />
von unter 40 Prozent. Doch Naguib Sawiris<br />
musste auch dazulernen. Pakete mit Handy<br />
und Vertrag funktionieren beispielsweise<br />
oft nicht. In Ägypten pflückten die lokalen<br />
Händler beides lange Zeit auseinander<br />
und entwickelten ihre eigenen Produkte,<br />
die dem Markt angemessener waren. Erst<br />
Anfang des Jahres 2006 haben Mobinil,<br />
Orascoms Tochter, und Konkurrent Vodafone<br />
es geschafft, auf dem Markt Paketlösungen<br />
inklusive Handy und Telefonvertrag<br />
durchzusetzen.<br />
Auch auf problematischen Märkten lassen<br />
sich also, wenn auch langsam, internationale<br />
Standards durchsetzen. Umgekehrt nutzt<br />
Orascom seine steigende Schlagkraft dazu,<br />
sich auf wohlhabenderen Märkten breitzumachen.<br />
Seit 2005 setzt das Unternehmen<br />
auf Südostasien. Im Dezember 2005 erwarb<br />
Sawiris für 1,3 Milliarden Dollar 19,3 Prozent<br />
der Hongkonger Hutchinson Telecommunications<br />
International.<br />
Ein anderer spektakulärer Coup war Sawiris<br />
bereits einige Monate zuvor gelungen. Im<br />
Mai 2005 erwarb er für zwölf Milliarden<br />
Euro den italienischen Telekomanbieter<br />
Wind. „Strategiebruch“, riefen die Analysten,<br />
denn zum ersten Mal ging Sawiris in ein<br />
Industrieland. Sie fürchteten, Orascom werde<br />
seinen Charakter als ein auf Emerging<br />
Markets expandierendes Unternehmen verlieren.<br />
Doch vielleicht ist der Einstieg in<br />
Italien auch eher als Ergänzung der bisherigen<br />
Strategie zu sehen. Nach dieser Lesart<br />
liefert Wind ein wenig Risikostreuung – und<br />
damit die Basis für weitere Engagements.<br />
Als Wind-CEO setzte Sawiris den ehemaligen<br />
Telecom-Italia-Manager Paolo Delpino<br />
ein. Eine Entscheidung, die logisch erscheint:<br />
Seinen letzten Posten hatte Delpino<br />
als Operations-Manager in Südamerika.<br />
Damit sind ihm die Emerging Markets vertraut<br />
– und er versteht die Denkweise des<br />
Orascom-Managements. Ansonsten behandelt<br />
Sawiris beide Unternehmen getrennt.<br />
Der Zukauf erklärt sich nicht zuletzt auch<br />
vor anstehenden Veränderungen am Mobilfunkmarkt.<br />
Experten erwarten eine Konsoli-<br />
dierung; Unternehmen brauchen also eine<br />
gewisse kritische Masse und Breite. Sawiris<br />
will die Konsolidierung als Gewinner überstehen.<br />
„Man sagt, es gebe keine Green<br />
Fields mehr. Also muss man eine Wahl treffen:<br />
Will man akquirieren oder akquiriert<br />
werden?“, sagte er. „Wir haben uns fürs Akquirieren<br />
entschieden.“<br />
Die Strategie könnte aufgehen. Wael Ziada,<br />
Analyst bei der arabischen Investmentbank<br />
EFG Hermes, sieht gute Chancen, dass<br />
Orascom zu den Akquisiteuren gehört. Er<br />
glaubt, dass es außerhalb Nordamerikas nur<br />
noch fünf Mobilfunkanbieter geben wird.<br />
„Orascom allein kann wohl nicht zu ihnen<br />
gehören, aber sicherlich zusammen mit<br />
Wind und Hutchinson.“ Passend dazu erklärte<br />
Orascom jüngst, sich auch für die Mehrheit<br />
von Hutchinson Telecommunications<br />
zu interessieren.<br />
UND EWIG LOCKT DAS RISIKO<br />
Auch andere Mobilfunkanbieter versuchen, auf<br />
Risikomärkten zu bestehen – sogar in Afrika.<br />
�Die südafrikanische MTN Group betreibt<br />
Mobilfunknetze in 21 afrikanischen Ländern<br />
mit 28 Millionen Kunden. MTN ist dort die<br />
Nummer zwei hinter Orascom. Im letzten Jahr<br />
steigerte MTN deutlich Umsatz und Gewinn.<br />
Der Erlös legte 2005 gegenüber dem Vorjahr<br />
um 21 Prozent auf 29 Milliarden Rand zu.<br />
Wie Orascom sieht sich auch MTN künftig als<br />
weltweiter Netzanbieter. So plant die Gruppe,<br />
mit einem Netz im Iran an den Start zu gehen.<br />
�2005 kaufte die kuwaitische MTC den afrikanischen<br />
Handynetzanbieter Celtel International.<br />
Damit bietet MTC nun in 14 afrikanischen<br />
Ländern Handyverbindungen<br />
an, darunter in Krisengebieten wie Kongo<br />
oder Tschad. Ende Mai schaffte Celtel den<br />
Sprung nach Nigeria, mit über 130 Millionen<br />
Einwohnern der menschenreichste Staat<br />
Afrikas – laut dem nigerianischen Kommunikationsminister<br />
das größte Investment<br />
eines Einzelunternehmens, das jemals in<br />
Nigeria getätigt wurde.
: Willy Claes hat eine klare Vision für<br />
Europa. Der Kontinent „muss jetzt<br />
die Frage beantworten: Wollen wir weiterhin<br />
eine wichtige Rolle auf der Weltbühne<br />
spielen?“ Wenn ja, so der frühere NATO-<br />
Generalsekretär vor Wirtschaftsentscheidern<br />
im Amsterdamer Amstel-Hotel, „dann<br />
brauchen wir ein Europa der zwei Geschwindigkeiten.<br />
Eines mit einer kohärenten<br />
Außenpolitik, das mit einer konsistenten<br />
Stimme spricht. Und eine größere europäische<br />
Wirtschaftszone.“<br />
Der Vortrag anlässlich der holländischen<br />
Preisverleihung des <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>-Wettbewerbs<br />
„Best of European Business“ zeigte:<br />
Politik und Wirtschaft gehen auch in Zeiten<br />
der Globalisierung Hand in Hand. Unternehmen<br />
brauchen die Politik. Doch sie tragen<br />
auch dazu bei, die politische Vision<br />
eines starken Europas umzusetzen.<br />
DER KOLONIALISMUS HAT IN DER<br />
GLOBALISIERTEN WIRTSCHAFT AUSGEDIENT,<br />
SAGT BASF-VORSTAND FELDMAN<br />
Diese ist Leitidee von „Best of European Business“,<br />
das <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> in diesem Jahr<br />
zum zweiten Mal veranstaltet. Hochkarätig<br />
besetzte Länderjurys kürten bis Januar die<br />
nationalen Gewinner. Am 15. März endet<br />
der Wettbewerb mit einer Gala im Rahmen<br />
des European Business Summit in Brüssel.<br />
National wurden die Unternehmen nach<br />
den Kategorien Wachstum, grenzüberschreitende<br />
M&A-Aktivitäten sowie europaweite<br />
Strategien bewertet. Der Aspekt der grenz-<br />
roland berger kürt die besten im europäischen business industry-report f<br />
Startet Europa jetzt durch?<br />
Zum zweiten Mal zeichnet <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> momentan die leistungsstärksten Unternehmen<br />
Europas aus. Zehn Länder nehmen diesmal teil, die nationalen Gewinner stehen bereits<br />
fest. Der Wettbewerb fällt in eine Zeit, in der Europa sein Selbstvertrauen wiederentdeckt.<br />
überschreitenden Zusammenarbeit – innerhalb<br />
der EU, aber vor allem auch mit Russland<br />
– spielte auch bei der Paneldiskussion<br />
der deutschen Awards eine große Rolle.<br />
John Kornblum, früherer US-Botschafter in<br />
Deutschland, hob hervor, dass wirtschaftlicher<br />
Erfolg nie eine Einbahnstraße ist –<br />
weder für Unternehmen noch für Länder.<br />
BASF-Vorstandsmitglied John Feldman<br />
ergänzte: „Für Kolonialismus im Business<br />
gibt es keinen Raum mehr.“ In Deutschland<br />
konnten sich in der Kategorie Wachstum<br />
der Automobilzulieferer Benteler<br />
sowie Puma durchsetzen. In der Kategorie<br />
Europa siegten der Mischkonzern Franz<br />
Haniel & Cie. GmbH und der Heiz- und<br />
Klimatechnikspezialist Vaillant. Bei grenzübergreifende<br />
M&A überzeugte E.ON.<br />
Den Auftakt bildete die Schweiz. Sieger<br />
waren hier der Holcim-Konzern, die Geberit-Gruppe,<br />
Stadler Rail und die Sika AG. In<br />
den Niederlanden gingen die Awards an<br />
Mittal, TomTom, DSM, Stage Entertainment,<br />
ABN Amro und Ten Cate. In Italien gewannen<br />
Unicredit, Campari, Diesel, Geox,<br />
Indesit, die Ali Group und Lottomatica. In<br />
Portugal gewannen die Grupo EDP, Galp<br />
Energia, Logoplaste, Mota Engil und Renova.<br />
Eines machten die nationalen Wettbewerbe<br />
deutlich: Um erfolgreich zu sein, muss das<br />
Projekt Europa auch den Unternehmen zur<br />
Herzensangelegenheit werden. Das ergibt<br />
auch ökonomisch Sinn, so Spaniens Industrieminister<br />
Joan Clos in Madrid: „Unternehmen<br />
und ihre Manager müssen noch mehr<br />
Leidenschaft in den Aufbau eines vereinten<br />
Europas packen.“<br />
Die spanischen Awards gingen an Gamesa<br />
Corp. Tecnológica, Cosentino, Gruppo Ferrovial,<br />
Ficosa, Telefónica, Fertiberia; den Großen<br />
Preis der Jury nahm Juan Miguel Villar<br />
Mir für die Grupo Villar entgegen.<br />
In London wurden die britischen Sieger<br />
Inns, Serco, Yell, Large Ineos, EasyJet und<br />
Aviva ausgezeichnet. In Polen gewannen<br />
Solaris Bus & Coach S.A., Inter Groclin Auto<br />
S.A. und PKN Orlen die Awards. Frankreichs<br />
Top-Performer sind die Norbert Dentressangle<br />
Group, Somfy International, PSA Peugeot<br />
Citroën, International Metal Service<br />
S.A. (IMG), Pernod Ricard und Dassault<br />
Systèmes geehrt.<br />
Alle Gewinner „zeichnen sich durch unternehmerische<br />
Exzellenz aus“, sagte Burkhard<br />
Schwenker, Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants,<br />
bei der deutschen Zeremonie. Ihre<br />
Leistung gründe sich nicht zuletzt „auf einer<br />
nachhaltigen Unternehmensstrategie, die<br />
auf Differenzierung und Innovation beruht,<br />
und einer starken Position auf den jeweiligen<br />
Heimatmärkten.“<br />
WEITERE INFORMATIONEN<br />
zum „Best of European Business“-Wettbewerb,<br />
zu den nationalen Gewinnern,<br />
den Jurys, den Partnern und Medienberichten<br />
finden Sie im Internet:<br />
www.best-of-european-business.com<br />
47
p industry-report vielfalt bleibt<br />
48<br />
Teil des großen Ganzen werden<br />
Dass sich mit Minderheiten Geld verdienen lässt, haben Unternehmen begriffen. In der zweiten<br />
Generation des Diversity-Marketings findet jetzt ein Umdenken statt. Nicht nur Unterschiede werden<br />
betont, sondern auch das Einende. Wird Marketing so zum Vehikel gesellschaftlicher Integration?<br />
: Amerikas vielleicht innovativster Integrationspolitiker<br />
heißt Jeff Valdez. Der<br />
aber ist gar kein Politiker, sondern Unternehmer.<br />
2004 gründete Valdez den Kabelsender<br />
SíTV. Tag für Tag bringt dieser ein<br />
junges, witziges Programm für US-Amerikaner<br />
mit spanischen, süd- oder lateinamerikanischen<br />
Wurzeln – und zwar auf Englisch.<br />
„Junge Hispanics konsumieren englische<br />
Medien“, sagt Valdez. „Egal, welche Sprache<br />
sie zu Hause sprechen.“<br />
Das Senderkonzept von SíTV kommt an.<br />
Während Dutzende spanische Latino-TV-<br />
Sender in den USA mit Telenovelas und<br />
Spots aus der Heimat verzweifelt um<br />
Zuschauer kämpfen, hat das englischsprachige<br />
SíTV mit seinen Eigenproduktionen<br />
für die MTV-Generation seine Zuschauer-<br />
zahlen in nur zwei Jahren verdoppelt. 12,5<br />
Millionen Haushalte erreicht SíTV heute.<br />
Der Sender ist mehr als „nur“ eine wirtschaftliche<br />
Erfolgsgeschichte. Dadurch, dass<br />
er auf englisch sendet, nicht auf spanisch,<br />
integriert Valdez die Hispanics, eine der<br />
größten ethnischen Minderheiten in den<br />
USA, stärker in die Mehrheitskultur. Und<br />
das, ohne ihnen ihre kulturelle Individualität<br />
zu nehmen. SíTV akzeptiert die US-<br />
Hispanics als eigenständige Zielgruppe. Und<br />
er versteht ihren Hintergrund. Sie sind eben<br />
keine Spanier oder Südamerikaner; Ethno-<br />
Folk oder Berichte „aus der Heimat“, also<br />
etwa Latein- oder Südamerika, sprechen sie<br />
nicht an. Doch sie wollen auch nicht dasselbe<br />
Programm wie weiße TV-Zuschauer. Als<br />
Auswanderer, die den ganzen Tag von ihrer<br />
alten Heimat träumen, behandeln die Programmplaner<br />
sie nicht. Sondern als eigene,<br />
relevante Kraft der US-Gesellschaft.<br />
Ein kluger Ansatz, glaubt Stephen Spalacios<br />
vom New Yorker Thinktank Cheskin, der auf<br />
die hispanische Zielgruppe spezialisiert ist:<br />
„Es gibt einen immer stärkeren Trend in den<br />
Medien, das Leben der Hispanics zu zeigen,<br />
so, wie es sich hierzulande entwickelt hat“ –<br />
in all seiner Komplexität und als integrativen<br />
Bestandteil der amerikanischen Gesellschaft.<br />
Der Aufwand verspricht Rendite:<br />
700 Milliarden Dollar Kaufkraft haben die<br />
40 Millionen US-Hispanics.<br />
Das Marketing für Minderheiten emanzipiert<br />
sich weltweit vom folkloristischen Ansatz<br />
der Anfangstage. Die ersten Konzepte hatten<br />
darin bestanden, Einwanderern Main-
streamprodukte zu verkaufen, indem sie<br />
werblich reale oder angenommene kulturelle<br />
Unterschiede betonten und sich damit anzubiedern<br />
versuchten. Spots und Anzeigen<br />
verbreiteten Ethnoklischees und Heimatkitsch.<br />
Der kulturellen Komplexität der Einwanderer<br />
und ihrer Lebenswelten entsprachen<br />
diese Klischees schon damals nicht.<br />
„Minderheiten wollen mit ihren kulturellen<br />
Eigenheiten ernst genommen werden“, sagt<br />
Christopher Kelley, Leiter Konsumforschung<br />
bei Forrester Research. Das heißt: Zunächst<br />
einmal müssen die Produkte selbst genau<br />
auf die Bedürfnisse der jeweiligen Sub-Zielgruppe<br />
zugeschnitten werden. Auf Basis dieser<br />
Produkte darf dann die Marketingansprache<br />
die einzelnen Zielgruppen nicht als<br />
Exoten darstellen, sondern muss sie als<br />
wertvolles Element einer komplexen Gesellschaft<br />
positionieren. Und wenn, wie eine<br />
aktuelle Forrester-Studie zeigt, 70 Prozent<br />
der spanischstämmigen Onlineeinkäufer in<br />
den USA auf englischsprachigen Seiten<br />
shoppen, wirkt die Website auf Spanisch<br />
eben kontraproduktiv.<br />
Spanisch oder Englisch – eine allgemeingültige<br />
Antwort auf diese Frage existiert ohnehin<br />
nicht. „Wichtiger als das schlichte Übersetzen<br />
ins Spanische ist ein Verständnis für<br />
die tiefer liegenden kulturellen Unterschiede“,<br />
so Kelley. Die gibt es weiterhin. Daher<br />
geht es für die Unternehmen um beides –<br />
um Integration und Diversität.<br />
Mit diesem Ansatz werden Unternehmen<br />
tatsächlich zunehmend zu Treibern gesellschaftlicher<br />
Integration. Godehard Wakenhut,<br />
Chef des Schweizer Marktforschungsspezialisten<br />
GIM, glaubt, dass Firmen<br />
immer häufiger „den eigenen transkulturellen<br />
Anspruch betonen und Minderheiten so<br />
zeigen, dass sie akzeptiert werden.“ Diesen<br />
Weg gehen etwa Ford oder UBS. Ihre Marken<br />
werden zu einem eigenen gesellschaftlich<br />
integrativen Element. Das Beispiel UBS<br />
zeigt dabei, dass die Muttersprache ethnischer<br />
Gruppen je nach Kontext auch ein<br />
SÍTV: IM FERNSEHEN ZU HAUSE<br />
Spanisches Fernsehen ist in den USA normal.<br />
Was der TV-Produzent Jeff Valdez 2004 mit<br />
„SíTV“ wagte, war es nicht: die erste Hispanic-<br />
Station, die in englischer Sprache sendet.<br />
Speziell auf junge Hispanics der zweiten Generation<br />
zugeschnitten, steht SíTV nicht nur für<br />
gelungene Integration, sondern auch für eine<br />
Erfolgsgeschichte: Die Reichweite verdoppelte<br />
sich in nur zwei Jahren von sechs auf inzwischen<br />
12,5 Millionen Haushalte.<br />
AY YILDIZ: HALBMOND FÜRS HANDY<br />
Der Mobilfunkkonzern E-Plus hat den in Deutschland<br />
lebenden Türken eine Handymarke maßgeschneidert.<br />
Bei „Ay Yildiz“ kosten Gespräche<br />
und SMS nach Antalya genauso viel wie nach<br />
Aachen. So will E-Plus mindestens 700 000<br />
Verträge dazugewinnen. Die Nachfrage ist<br />
groß. Nicht nur, dass Deutschtürken sich mit<br />
ihren Bedürfnissen ernst genommen fühlen.<br />
Das zweisprachig beworbene Angebot ist auch<br />
geschickt mit einer Initiative für die Integration<br />
türkischer Jugendlicher verknüpft.<br />
FORD: REIZVOLLE ZIELGRUPPE<br />
In Köln haben Verwaltung und Unternehmen<br />
schon lange die Wirtschaftskraft der Schwulen<br />
und Lesben erkannt, die beim Christopher<br />
Street Day zweistellige Millionenbeträge in der<br />
Stadt lassen. Ford Europa sponsert die Parade<br />
seit 2000 und schickt seine „Gay, Lesbian<br />
or Bisexual Employees“ (GLOBE) mit eigenem<br />
Wagen auf den Umzug. In der kaufkräftigen<br />
Szene wird mit Wohlwollen das Diversity-Engagement<br />
des Konzerns honoriert, der etwa<br />
den gleichgeschlechtlichen Partnern verstorbener<br />
Mitarbeiter Betriebsrente zahlt.<br />
L’ORÉAL SOFTSHEEN: DIE FARBEN<br />
DER HAUT<br />
Die Kosmetikindustrie ist bis heute auf den<br />
weißen „Eurasier“ eingestellt. Was Kraushaaren<br />
und schwarzer Haut guttut, ist dagegen<br />
wenig erforscht. L’Oréal, wo man vor drei Jahren<br />
den Spezialkosmetiker „Softsheen Carson“<br />
gekauft hat, investiert jetzt massiv in das<br />
Institute for Ethnic Hair and Skin Research in<br />
Chicago. Hier werden neue Shampoos und<br />
Cremes für Afroamerikaner entwickelt. Dieser<br />
Markt mit gewaltigem Potenzial wurde bisher<br />
eher von obskuren Nischenfirmen bedient.<br />
bitte keine ethnoklischees! industry-report f<br />
Mittel der Integration sein kann. Das Unternehmen<br />
bebilderte eine Imagekampagne<br />
mit einer russischen Violinistin, die in ihrer<br />
Muttersprache zu Wort kommt. Die Aussage:<br />
Wir als Bank sind ein globaler Corporate<br />
Citizen, ein Weltbürger. Unsere Unternehmenskultur<br />
ist so stark, dass sie die Vielfalt<br />
unterschiedlicher Sprachen aushält.<br />
Wie die Hispanics in den USA erregt auch in<br />
Europa derzeit die zweite und dritte Generation<br />
der Einwanderer die Aufmerksamkeit<br />
der Marketer. Die Grenzgänger verzeihen es<br />
nicht, wenn Unternehmen sie mit Ethnoklischees<br />
bombardieren. Das hat auch Gwladys<br />
Mandin beobachtet, deren Agentur ak-a in<br />
Paris Marketingstrategien für afrikanische<br />
Franzosen entwickelt. Sie glaubt, „dass Ethnomarketing<br />
nicht mehr die Unterschiede<br />
betonen darf“. Daher kümmert sie sich weniger<br />
um objektive Merkmale wie Sprache,<br />
Nationalität oder Hautfarbe. „Wichtiger sind<br />
subjektive Eigenheiten wie die Familie und<br />
kulturelle Codes.“ Diese nämlich lassen sich<br />
leichter als Abgrenzungs- und Bindungselement<br />
zugleich darstellen.<br />
Offensiv experimentieren Europas Unternehmen<br />
inzwischen auch mit integrativen<br />
Konzepten für Homosexuelle. Gerade<br />
Schwule und Lesben verstehen sich nicht<br />
mehr als Exoten. Daher sprechen sie die<br />
neuen, integrativen Marketingansätze<br />
besonders an, glaubt der Autor Michael Stuber.<br />
Zur Ausgrenzung komme es etwa,<br />
„wenn man Werbung für Homosexuelle nur<br />
in Gay-Medien schaltet.“<br />
Der verkrampfte Versuch, sich bei einer<br />
Zielgruppe durch Betonung ihrer Eigenheiten<br />
beliebt zu machen, wirkt heute wie<br />
ein Relikt aus der Frühzeit des Gutmenschentums.<br />
Die Minderheiten gehen mit<br />
ihrer Rolle zunehmend souverän und selbstironisch<br />
um. Das zeigt wiederum das Beispiel<br />
SíTV. Mexikanische B-Movies werden<br />
dort gern mit absurden englischen Synchrondialogen<br />
versehen – zum Vergnügen<br />
der Zuschauer.<br />
49
p industry-report 15 milliarden us-dollar umsatz erzielt brasiliens ethanolindustrie<br />
50<br />
Alles auf Zucker<br />
Experten sehen in Brasilien die nächste Boomwirtschaft nach China und Indien. Das Wachstumsmodell<br />
des südamerikanischen Landes setzt dabei weniger auf Hightech oder Dienstleistungen. Stattdessen<br />
werden Zuckerrohr und Biotreibstoffe zum Ausgangspunkt neuer wirtschaftlicher Dynamik.<br />
: Wenn der Brasilianer Leonardo Monteiro<br />
de Barros tankt, muss er sich entscheiden:<br />
Soll er „Gasolina Extra“, „Gasolina Comum“<br />
oder „Alcool“ einfüllen? Sein Wagen<br />
schluckt alles, er läuft mit einem Flex-Fuel-<br />
Motor. Der Filmproduzent entscheidet<br />
„spontan, je nach Preis“. Der ist derzeit bei<br />
Alcool, dem Treibstoff aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen, um fast die Hälfte günstiger.<br />
Der Biosprit lohnt sich also, obgleich er ein<br />
Viertel weniger Laufleistung erbringt. Also<br />
rein damit in den Tank.<br />
Wie Monteiro de Barros entscheiden sich<br />
heute viele Brasilianer. Immer mehr Bewohner<br />
des südamerikanischen Landes haben<br />
Autos mit Flex-Fuel-Motoren. Kaum ein<br />
Land setzt so konsequent auf Biokraftstoffe<br />
wie Brasilien. Alcool ist an beinahe allen<br />
30 000 Tanksäulen des Landes erhältlich.<br />
Auch dem herkömmlichen Benzin, ob Super<br />
oder Normal, sind in Brasilien regulär 25 Prozent<br />
Ethylalkohol beigemischt. Das Land ist<br />
zu einem Vorreiter im Bereich alternativer<br />
Energiequellen geworden. Und aus Zuckerrohr<br />
gewonnenes Ethanol könnte zur<br />
strategischen Industrie im globalwirtschaftlichen<br />
Aufholprozess Brasiliens werden.<br />
Ein Blick ins Hinterland von São Paulo:<br />
Zuckerrohrplantagen, so weit das Auge<br />
reicht. Mit Zucker hatte einst Brasiliens Wirtschaftsgeschichte<br />
begonnen. Nun soll aus<br />
Zuckerrohr gewonnenes Bioethanol die<br />
Nation in eine prosperierende Zukunft führen.<br />
Weltweit werden zwei Prozent des<br />
Kraftstoffbedarfs mit nachwachsenden Rohstoffen<br />
gedeckt. In Brasilien sind es 40 Prozent.<br />
Das Land ist weltgrößter Erzeuger und<br />
Exporteur von Biotreibstoff.<br />
Zuckerrohr wird in Brasilien zunehmend<br />
zum Hochtechnologiegeschäft. „Saccharum<br />
officinarum“ wird heute maschinell angepflanzt<br />
und geerntet. Sechsachsige Lkws rollen<br />
von den Plantagen zu den Fabriken, zur<br />
„Usina Iracema“ beispielsweise, deren<br />
30 Meter hoher Schlot wie ein Ausrufezeichen<br />
in der Landschaft steht.<br />
350 RAFFINERIEN VERARBEITEN<br />
ZUCKERROHR. BRASILIEN EXPORTIERT<br />
JÄHRLICH 2,7 MILLIONEN TONNEN ETHANOL.<br />
Die Usina Iracema ist eine von 350 Raffinerien,<br />
die aus dem nachwachsenden Rohstoff<br />
Zuckerrohr sowohl Zucker für den<br />
menschlichen Gebrauch raffinieren als auch<br />
Ethylalkohol fermentieren und destillieren.<br />
Der Produktionsmix der Usina ist flexibel: Je<br />
nach Nachfrage wird mal mehr Zucker raffiniert,<br />
mal mehr Ethanol destilliert.<br />
Die weltwirtschaftliche Relevanz von Ethanol<br />
nimmt zu. Das globale Produktionsvolumen<br />
ist von zehn Millionen Tonnen im Jahr<br />
2001 auf 15 Millionen Tonnen im Jahr 2005<br />
gestiegen. Die brasilianischen Ethanolexporte<br />
werden nach Schätzungen der Regierung<br />
von derzeit 2,7 Millionen auf 8,5 Millionen<br />
Tonnen in den nächsten neun Jahren<br />
anwachsen. Rund 15 Milliarden Dollar<br />
Mit der Entwicklung der<br />
brasilianischen Volkswirtschaft<br />
befasst sich<br />
ein aktuelles think:act<br />
content. Auf acht Seiten<br />
beschreibt es ein Land<br />
mit ganz eigenen Wachstumschancen.<br />
setzt die brasilianische Zucker-Ethanol-Industrie<br />
um; 3,6 Millionen Brasilianer leben<br />
von ihr. Etwa 72 000 Landeigentümer nutzen<br />
die agrarische Energieproduktion.<br />
Das Land hat beim Zuckerrohr eindeutige<br />
Konkurrenzvorteile. Auf ein Viertel der<br />
europäischen und die Hälfte der amerikanischen<br />
Kosten belaufen sich nach Schätzung<br />
von Rubens Ometto Silveira Mello, dem<br />
Chef des Zuckerrohrproduzenten Cosan SA<br />
Industria Comercio, die Produktionskosten.<br />
Gegenüber Benzin ist brasilianisches<br />
Ethanol damit konkurrenzfähig, solange der<br />
Rohölpreis über 35 US-Dollar pro Barrel<br />
liegt, schätzt die Stanford Washington Research<br />
Group. Derzeit liegt der Preis bei 70 US-<br />
Dollar. „Wir müssen nur den Rohdiamanten,<br />
den wir da haben, richtig schleifen und<br />
polieren“, treibt Ometto Silveira Mello seine<br />
Kollegen im Biobusiness an.<br />
Einen Schub bekam die Industrie durch ein<br />
Umdenken der Autohersteller. Volkswagen<br />
do Brasil war 2003 mit der Entwicklung<br />
von Flex-Fuel-Motoren vorgeprescht. Inzwischen<br />
kann es sich in Brasilien kein Autobauer<br />
mehr leisten, die Pkws nicht mit den<br />
Allesfressern auszustatten. Serge Habib,<br />
Chef von Citroën in Brasilien, glaubt, dass in<br />
zwei Jahren alle Neuwagen mit Flex-Fuel-<br />
Motoren fahren.<br />
DIE FAMILIENHOLDING COSAN IST HEUTE<br />
DER WELTGRÖSSTE PRODUZENT VON<br />
BIOETHANOL – UND BÖRSENNOTIERT<br />
Einen Strukturwandel vollzogen parallel zu<br />
der Wende der Autoindustrie die Rohstoffanbieter:<br />
Die archaischen Zuckermühlen<br />
in Familienbesitz wurden durch agroindus-
trielle Kapitalgesellschaften abgelöst. Cosan,<br />
der mittlerweile weltweit größte Produzent<br />
von Bioethanol, ist dafür ein Beispiel. 1986<br />
betrug der Ausstoß der Familienholding<br />
gerade einmal 4,3 Millionen Tonnen. Jetzt<br />
ist das Unternehmen börsennotiert und produziert<br />
im Jahr 30,6 Millionen Tonnen<br />
Biotreibstoff, verfügt mit seinen 13 Usinas<br />
über eigene Depots und Hafenanlagen.<br />
Von der Expansion des Ethanolmarktes profitieren<br />
auch angrenzende Industrien,<br />
etwa die Maschinenbaubranche. 109 neue<br />
Anlagen allein stehen in den Auftragsbüchern<br />
des Anlagenbauers Dedini, der komplette<br />
Raffinerien und Destillerien zur Produktion<br />
von Ethanol liefert. „Ein großer<br />
Sprung nach vorne“, freut sich der Vizechef<br />
José Luiz Olivério. Das Unternehmen hat<br />
im abgelaufenen Jahr 400 Millionen Dollar<br />
Umsatz erzielt. Bis 2010 soll es doppelt so<br />
viel sein. Erstmals hat Dedini in diesem<br />
zuckerrohr wird zum innovationstreiber auch für angrenzende branchen industry-report f<br />
Jahr einem ausländischen Erdölkonzern,<br />
der venezolanischen PDVSA, eine Ethanolanlage<br />
geliefert.<br />
So wächst Brasilien schrittweise in die Rolle<br />
des Innovationstreibers im Bereich alternativer<br />
Energiequellen hinein. „Brasilien<br />
schreibt eine Erfolgsstory in der Produktion<br />
und Nutzung nachwachsender Treibstoffe.<br />
Das Land besitzt ein enormes Potenzial und<br />
ist den anderen einige Jahre voraus“, konstatiert<br />
Alan MacDiarmid, der Chemie-Nobelpreisträger<br />
aus Neuseeland. „In Wahrheit<br />
kann keiner mit uns konkurrieren“, gibt sich<br />
auch Staatspräsident Luiz Inácio Lula da<br />
Silva selbstbewusst.<br />
Der einfache Verbraucher Leonardo Monteiro<br />
de Barros sieht das etwas nüchterner.<br />
Der Alkohol im Tank würde schließlich<br />
auch nicht gerade billiger. Aber einen Benzin-Pkw<br />
würde er nicht mehr kaufen – „die<br />
gibt es ja kaum noch“.<br />
WACHSTUMSPERSPEKTIVEN<br />
Brasilien 1556<br />
BIP 2005 (Billionen Dollar)<br />
Indien 3611<br />
China 8859<br />
BIP-Wachstumsprognose<br />
2004–2030, jährliche Rate in %<br />
Brasilien 3,39 %<br />
Indien 6,71 %<br />
China 7,09 %<br />
BIP pro Kopf 2005 (Dollar)<br />
Brasilien 8400<br />
Indien 3300<br />
China 6800<br />
Quellen: CIA World Fact Book, Economist Intelligence Unit<br />
Während aktuelle Schätzungen zeigen, dass sich Brasiliens Wirtschaft<br />
voraussichtlich nicht so dynamisch entwickeln wird wie die Indiens oder<br />
Chinas, liegt Brasilien beim Wohlstandsmaß Pro-Kopf-Einkommen vorne.<br />
51
p industry-report trends und branchen<br />
52<br />
Zukunftsmärkte im Check<br />
Ein neuer Datenturbo im Mobilfunk kommt, Wärme aus dem Erdinneren liefert Energie, Müll wird<br />
zu Öl, und Braunkohlekraftwerke stoßen vielleicht schon bald kein CO 2 mehr aus.<br />
der datenturbo<br />
Investitionen in mobile Infrastrukturen in Westeuropa<br />
(in Millionen Euro )<br />
Technik/Jahr 2005 2006 2007 2008 2009 2010<br />
GSM/GPRS/EDGE 4908,9 4982,2 4624,7 4042,4 3500,7 2977,5<br />
WCDMA/HSDPA 4800,9 5493,4 6880,2 7854,3 8618,7 9114,6<br />
wärme von unten<br />
Quelle: IDC 2006<br />
Unter der Erde schlummern gigantische Energiereserven:<br />
Erdwärme. Bislang wurde diese nur an besonders günstigen<br />
Standorten gefördert. Die „Hot Dry Rock (HDR)“-Technologie<br />
könnte die Geothermie nun flächendeckend etablieren.<br />
Bei HDR werden zwei Bohrlöcher in bis zu 5000 Meter Tiefe<br />
getrieben. Über das erste Loch wird Wasser nach unten gepresst,<br />
das sich erhitzt und als Wasserdampf über das zweite<br />
Loch zurückströmt, wo es als Fernwärme oder zur Stromproduktion<br />
genutzt werden kann. Der Clou: Durch den Druck<br />
des eindringenden Wassers lassen sich die winzigen Spalten<br />
unterirdischer Gesteinsformationen so erweitern, dass sich<br />
ein durchlässiger „Kanal“ zwischen den Löchern öffnet. Die<br />
Folge: ein geschlossener Wasserkreislauf.<br />
In Australien arbeitet das Unternehmen Geodynamics<br />
bereits an einem Geschäftsmodell. Bis Ende 2005 sammelten<br />
die Verantwortlichen mehr als 77 Millionen Dollar, um ein<br />
Demonstrationskraftwerk mit bis zu 15 Megawatt elektrischer<br />
Leistung – genug für die Versorgung einer Kleinstadt –<br />
Im Mobilfunk zählt momentan vor allem Tempo. Mit<br />
dem High Speed Downlink Packet Access bieten Netzbetreiber<br />
inzwischen Übertragungsraten von 1,8 Megabit<br />
pro Sekunde beim Datenempfang, rund sechsmal mehr als<br />
beim „normalen“ UMTS. Nun wird auch der Versand von<br />
Daten beschleunigt. High Speed Uplink Packet Access<br />
heißt die Technologie, die theoretisch Bandbreiten von bis<br />
zu 5,8 Megabit pro Sekunde liefern kann. Ab 2007 soll sie<br />
zur Verfügung stehen. Der Datenturbo soll Multimedia-<br />
Anwendungen wie mobile Videokonferenzen möglich<br />
machen, aber auch der paketvermittelten Sprachtelefonie<br />
(VoIP) zum Durchbruch verhelfen, da sie auf kurze Verzögerungszeiten<br />
und einen breiten Rückkanal angewiesen<br />
ist. Marktforscher rechnen mit zügig steigenden Investitionen.<br />
So haben in Westeuropa nach Angaben des Forschungsinstituts<br />
IDC die <strong>Ausgabe</strong>n für Breitbandtechnologien<br />
diejenigen für Schmalbandtechnologien bereits im<br />
vergangenen Jahr erstmals klar übertroffen.<br />
zu entwickeln. Eine kommerzielle Anlage mit mehr als<br />
100 Megawatt soll folgen. Die EU treibt ihre HDR-Forschung<br />
im elsässischen Soultz-sous-Forêt voran. Sechs Megawatt<br />
elektrische Leistung soll das Geothermiekraftwerk liefern.<br />
In Deutschland und der Schweiz nutzen lokale Initiativen<br />
die Nähe zu vorhandenen Fernwärmenetzen. An der Universität<br />
Bochum soll<br />
Best Practice in der thermischen<br />
Stromerzeugung<br />
Kraftwerkstyp Wirkungsgrad (%)<br />
Atom 36<br />
Braunkohle 43<br />
Steinkohle 46<br />
Gas und Dampf 56<br />
Wirkungsgrad = Quotient aus der<br />
freigesetzten und der als Strom nutzbaren<br />
Energie<br />
Quelle: IDC 2006<br />
ab 2011 ein Viertel<br />
des Heizbedarfs für<br />
Hörsäle und Wohnheime<br />
durch Erdwärme<br />
gedeckt werden.<br />
Funktioniert das, so<br />
Projektleiter Karl<br />
Grosse, „dann klappt<br />
die Erdwärmenutzung<br />
an vielen anderen<br />
Standorten auch.“
der plastikdiesel<br />
Erdöl entstand, als vor Jahrmillionen riesige Mengen<br />
abgestorbenes Plankton auf den Meeresgrund sanken und<br />
von schwerem Sediment überlagert wurden. Unter dem<br />
hohen Druck des steinernen Mantels mutierten die Mikroleichen<br />
im Zeitlupentempo zu fossilen Energieträgern.<br />
Der Ingenieur Christian Koch hat jetzt ein Verfahren entwickelt,<br />
das diesen Prozess stark beschleunigt. Das Gute<br />
daran: Als Rohstoff für die „katalytisch drucklose Verölung<br />
(KDV)“ eignet sich fast alles, was die Zivilisation als Abfall<br />
hinterlässt: Autoreifen, verdorbene Lebensmittel oder Krankenhausmüll.<br />
Die Materialien werden zu Granulat geschreddert<br />
und bei rund 350 Grad Celsius mit einem pulvrigen<br />
Katalysator gemischt. Der Reaktionsbeschleuniger<br />
teilt die langkettigen Kohlenwasserstoffmoleküle anschließend<br />
so, dass sie in wertvolle Dieselmoleküle zerfallen.<br />
Der Wirkungsgrad einer KDV-Anlage variiert mit dem<br />
„Futter“, das sie bekommt. Bei erdölbasierten Rohstoffen<br />
wie Plastik oder Altöl wandelt sie 80 Prozent der enthaltenen<br />
Kohlenwasserstoffe in Diesel um, bei Biomüll noch<br />
30 Prozent. Die Produktionskosten beziffert die Alphakat<br />
Zukunfts GmbH, die die Technologie entwickelt, auf rund<br />
0,23 Euro pro Liter Diesel.<br />
Die erste KDV-Anlage mit einer Produktionskapazität<br />
von 500 Liter Diesel pro Stunde ging Ende 2004 in Mexiko<br />
in Betrieb. Weitere Anlagen in Italien und Kanada sollen<br />
folgen. Interessiert daran seien, so Alphakat, Erdölgesellschaften,<br />
die ihr Altöl aufbereiten müssen, oder Schrotthändler,<br />
die die Sitze und Armaturen von Fahrzeugen<br />
veredeln wollen. Auch Transportunternehmen, die den<br />
Müll ihrer Kunden lieber vor Ort zu Rohstoffen verarbeiten<br />
wollen, als ihn zu entsorgen, können mit KDV gutes<br />
Geld verdienen.<br />
trends und branchen industry-report f<br />
co2-freie kraftwerke<br />
Der Handel mit Emissionszertifikaten bereitet den<br />
Energieversorgern Kopfzerbrechen. Wer mehr Kohlendioxid<br />
(CO 2) freisetzt, als ihm zusteht, zahlt drauf. Mehr<br />
Strom zu erzeugen und weniger Klimagase freizusetzen<br />
ist daher die Vision. Wie diese Wirklichkeit werden könnte,<br />
will Vattenfall Europe nun demonstrieren. Das Clean-Coal-<br />
Kraftwerk nutzt das „Oxyfuel“-Verfahren, bei dem die Kohle<br />
nicht mit Luft, sondern mit Sauerstoff verbrannt wird.<br />
Übrig bleiben fast nur CO 2 und Wasser. Das Wasser wird<br />
auskondensiert, das CO 2 in unterirdische<br />
Lager gepumpt. 2008 soll die 30-Megawatt-Pilotanlage<br />
in der Oberlausitz den<br />
Betrieb aufnehmen. „Mit der Clean-<br />
Coal-Technologie“, sagt Vorstandschef<br />
Klaus Rauscher, „werden wir hierzulande<br />
die Verstromung der<br />
Braunkohle umweltfreundlich<br />
sichern können.“ Kommerziell<br />
rechnet sich die Clean-Coal-<br />
Technologie noch nicht. Denn<br />
alle Verfahren müssen einen Teil<br />
der gewonnenen Energie für die<br />
CO 2-Abscheidung abzweigen.<br />
Dennoch verbreitet die Branche<br />
Zuversicht. So sollen die Wirkungsgrade<br />
durch das Vortrocknen<br />
der Kohle und das Erhöhen der<br />
Dampftemperatur auf 700 Grad<br />
Celsius bald kräftig steigen.<br />
53
p business-culture management im labor: gary hamel sucht nach dem google in uns allen<br />
54<br />
Kreativität nach dem Google-Modell<br />
Weltweit fahnden Unternehmen nach Produkt- oder Markeninnovationen. Ausgerechnet im Bereich<br />
Management hingegen findet eine systematische Suche nach neuen Ansätzen nur selten statt. Zwei<br />
Businessdenker wollen das jetzt ändern – mit einem Labor für Managementinnovation.<br />
: Dem Patienten geht es schlecht. Alle<br />
Werte, abzulesen an Charts am Bettgestell,<br />
zeigen nach unten. Doch das Krankenbett<br />
steht nicht in einem realen Krankenhaus,<br />
sondern in der Firmenzentrale der US-<br />
Einzelhandelskette Best Buy. Und in den<br />
Federn liegt keine reale Person. Stattdessen<br />
ist auf das Kopfkissen ein Firmenlogo geheftet<br />
– das von Woolworth. Kmart liegt gleich<br />
daneben. „Resilience Hospital“ nennt sich<br />
das symbolische Firmenkrankenhaus,<br />
„Krankenhaus für Agilität“. Diese will sich<br />
Best Buy erhalten. Das Krankenhaus liefert<br />
daher Negativbeispiele anderer Unternehmen.<br />
Es zeigt den Managern, was passiert,<br />
wenn die Agilität verloren geht.<br />
BEST BUY SUCHT NACH INNOVATIONEN<br />
IM MANAGEMENT. DAS UNTERNEHMEN<br />
WIRD DAMIT ZUM TESTLABOR.<br />
Die Betten sind eine eigene kleine Innovation,<br />
ein Experiment, das Manager motivieren<br />
soll. Eine Innovation im und für das<br />
Management. Entstanden ist die Idee beim<br />
Brainstorming der Best-Buy-Macher mit<br />
Managementdenker Gary Hamel. Die<br />
Kooperation ist der Nukleus einer Initiative<br />
von Hamel und der London Business School.<br />
Deren Ziel ist es, solche und andere Managementinnovationen<br />
auch in anderen<br />
Firmen zu generieren. In ihrem „Management<br />
Innovation Laboratory“ konzipieren<br />
Hamel und die Business School mit Unternehmen<br />
Experimente, die diese ausführen –<br />
neue Budgeting-Systeme, alternative<br />
Ablaufprozesse. „Wir experimentieren mit<br />
den Unternehmen“, so Hamel. Der Weg zur<br />
Innovation beginnt mit einem Brainstor-<br />
ming in der Elitehochschule am Regent’s<br />
Park. Forscher und Praktiker diskutieren die<br />
Stärken eines Unternehmens, aber auch<br />
seine Probleme. „Anschließend entwerfen<br />
wir Ideen, wie man die Prozesse fundamental<br />
verändern, Probleme lösen kann“, erklärt<br />
Julian Birkinshaw, Professor an der London<br />
Business School. Diese Ansätze werden im<br />
Unternehmen in Testsituationen implementiert.<br />
Klappt etwas an einer Stelle, wird es<br />
auf das gesamte Unternehmen ausgeweitet.<br />
Beispiel Best Buy: Der Strategie-Input der<br />
einzelnen Mitarbeiter sollte verstärkt werden.<br />
Neben dem Krankenhaus haben die<br />
Entscheider dazu etwa eine „Ideenbank“<br />
eingeführt, ein Schalter, an dem jeder Mitarbeiter<br />
seine Vorschläge für veränderte Prozesse<br />
oder neue Produkte bei Mentoren abgeben<br />
kann – und nicht bloß in einen anonymen<br />
Vorschlagkasten einwirft. Die Mentoren<br />
verfolgen die Idee weiter, der Mitarbeiter<br />
kann bei ihnen nachfragen, was aus seiner<br />
Idee geworden ist. Ein weiterer Ansatz:<br />
Jeder Mitarbeiter darf zehn Prozent seiner<br />
Arbeitszeit mit Projekten zubringen, die<br />
nichts mit seiner Kerntätigkeit zu tun haben,<br />
neue Initiativen starten, in andere<br />
Bereiche hineinschnuppern. „Spielzeit“<br />
zum Nutzen des Ganzen.<br />
Idealerweise bleibt eine neue Methode<br />
nicht auf ein Unternehmen beschränkt, sondern<br />
wird zum Alltag in Firmen rund um<br />
den Globus – sie verändert damit die Managementwelt.<br />
So unwahrscheinlich ist das<br />
nicht. Viele Managementinnovationen wurden<br />
nicht von Theoretikern entworfen, sondern<br />
von Unternehmen auf der Suche nach<br />
konkreten Lösungen. „Denken Sie an das<br />
moderne Forschungslabor von General Electric<br />
oder die multidivisionale Organisation,<br />
wie sie General Motors entwickelte“, so<br />
Hamel. Toyota erfand Lean Management<br />
und Kaizen, Procter & Gamble das moderne<br />
Markenmanagement.<br />
Um kontinuierlich neue Führungsideen zu<br />
entwickeln, brauchen Unternehmen eine<br />
Kultur der Kreativität. Eine solche möchte<br />
momentan die Deutsche Bank schaffen und<br />
spannt daher Birkinshaw und Hamel ein.<br />
Jonathan Smart, Innovation Director for<br />
Investment Banking Technology, erläutert,<br />
dass sich so die Innovationskultur der<br />
Investmentbanker in der gesamten Bank<br />
niederschlagen soll. „Im Investmentbanking<br />
ist das Tempo bei Produktinnovationen<br />
hoch. Wir wollen dies durch einen unternehmerischen<br />
Ansatz bei Menschen, Produkt-<br />
und Prozessinnovationen ausweiten.<br />
So stärken wir die Innovationskultur in der<br />
Organisation.“ Daher nutzen die Banker das<br />
Lab. „Wir nähern uns dem Google-Modell<br />
an“, so Smart. Im Januar 2006 ging es los. Ein<br />
Experimentierfeld „werden alternative Budgetierungsverfahren<br />
sein.“<br />
Der Manager im Versuchslabor – ein Ansatz,<br />
der auch die strategische Planung voranbringen<br />
kann. Ein Telekommunikationskonzern<br />
wollte eine Verjüngung des Strategieprozesses<br />
durchsetzen. Die Forscher setzten<br />
dazu versuchsweise parallel zur Sitzung des<br />
regulären Strategieausschusses eine Art<br />
Junior-Team in den Nebenraum. Ergebnis:<br />
Obwohl die Nachwuchsleader sich dieselben<br />
Strategiefragen vornahmen wie die<br />
Alten, kamen sie zu ganz anderen Ergebnissen.<br />
Heute tagen Jung und Alt regelmäßig
parallel, vergleichen die Ergebnisse – und<br />
oft überdenken die Senior-Strategen danach<br />
ihre Problemlösungen.<br />
Eine Frage aber bleibt: Wenn das Management<br />
Innovation Lab neue Führungsmodelle<br />
generiert – vergrößert dies nicht nur die<br />
Flut vermeintlich radikal neuer Ideen, die<br />
gerade mal für einen schmissigen Buchtitel<br />
taugen? Nein, glaubt Birkinshaw. „Wir wollen,<br />
dass sich neue Managementansätze<br />
wieder an der Praxis orientieren. Wir nutzen<br />
das kreative Potenzial aller Mitarbeiter.“<br />
Gerade das Gespür der Basis für die Märkte<br />
machen sich auch die Firmenchefs von Best<br />
Buy zunutze. Die Idee: Je mehr Mitarbeiter<br />
die Verkaufschancen neuer Produkte ein-<br />
schätzen, desto präziser sind die Ergebnisse.<br />
Also richteten sie am Firmensitz eine Art<br />
Wettbüro auf Umsatzchancen ein. Das<br />
Ergebnis: Die Entwicklung lässt sich so<br />
wirklich besser vorhersagen als mit konventionellen<br />
Methoden; die Weisheit der Masse<br />
im Unternehmen ist tatsächlich größer als<br />
die der Marktforscher.<br />
55
p business-culture flavio briatore brachte den lifestyle in den motorsport<br />
56<br />
Manager müssen Machos sein<br />
Er ist der Vorzeigeplayboy unter den internationalen Topmanagern. Den Motorsport sieht Formel-1-<br />
Ikone Flavio Briatore als exemplarisch für die Wettbewerbswirtschaft. Ein Interview über<br />
die Faszination von Autorennen und die Frage, wie viel Machismo in Managern stecken muss.<br />
THINK:ACT: Herr Briatore, Sie gelten als harter<br />
Typ und als Frauenschwarm. Muss man<br />
Macho sein, um als Manager Erfolg zu haben?<br />
BRIATORE: Wissen Sie, eigentlich bin ich nicht<br />
mehr Macho als andere Männer meines Alters<br />
auch. Ich habe gerade, wie Sie vielleicht gelesen<br />
haben, eine nicht so witzige Nierenoperation<br />
hinter mir. Da fühlen Sie sich alles andere als<br />
glamourös.<br />
Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen:<br />
Natürlich gehören ein gesundes Selbstvertrauen<br />
und das Wissen um die eigene Rolle dazu,<br />
wenn Sie als Manager Erfolg haben wollen.<br />
Und vielleicht bin ich durch meine Prominenz<br />
auch etwas privilegierter und habe mehr Möglichkeiten,<br />
interessante Frauen kennenzulernen<br />
(lacht).<br />
Das Leben als Rennstallmanager, eine einzige<br />
Spaßveranstaltung?<br />
Nein, das sicher nicht. Ich bin auch sehr diszipliniert<br />
und mir selbst gegenüber sehr hart. Ich<br />
stehe nicht jeden Morgen auf und fühle mich<br />
von mir berauscht. Im Gegenteil: Wenn um<br />
sechs Uhr der Wecker klingelt, mache ich mir<br />
im Geist eine Liste dessen, was erledigt werden<br />
muss. Da unterscheide ich mich nicht von<br />
anderen Managern.<br />
Klingt anstrengend. Seit Ihrer Operation<br />
kursieren Rücktrittsgerüchte, die Sie regel-<br />
mäßig dementieren. Wollten Sie nicht kürzertreten?<br />
Ich werde meinen Job weitermachen, weil<br />
er mir Spaß bereitet und Energie gibt. Aber<br />
ich werde mir zwischendurch mehr Pausen<br />
gönnen. Zu den Rücktrittsgerüchten: Das<br />
sind untaugliche Versuche von außen, das<br />
Team zu verunsichern.<br />
Kommen wir zum Rennsport an sich. Ist er<br />
ein reines Männerbusiness?<br />
Er ist eine Männerdomäne, ganz klar. Männer<br />
sind fasziniert vom Speed am Limit, den technischen<br />
Finessen der Fahrzeuge und natürlich<br />
den Fahrern, die solche Geschosse beherrschen<br />
können. Daneben gibt es die Lifestyleebene, die<br />
alle Menschen fasziniert. Schnelle Autos und<br />
schnelle Fahrer an sich sind ja auf Dauer eher<br />
langweilig. Darum haben wir damals mit meinem<br />
ersten Rennstall Benetton angefangen, die<br />
Formel 1 in ein Lifestyleevent der Superlative<br />
zu transformieren. Dass die Formel 1 heute<br />
für die höchsten Gagen, die schönsten Frauen<br />
und das Jetsetleben steht, verdankt sie unserer<br />
Medien- und Marketingstrategie. Wir haben<br />
als erster Rennstall Geschichten und Homestorys<br />
über Fahrer, ihre Frauen und ihren Lebensstil<br />
lanciert. Die anderen haben uns kopiert,<br />
als sie merkten, dass es funktioniert und Sponsoren<br />
ins Boot geholt, die sich ein Stück von<br />
dem Glamour kaufen wollen.<br />
Wie viel Emotion erlauben Sie sich als<br />
Rennstallmanager?<br />
Ehrlich gesagt, nicht viel. Ich muss einen kühlen<br />
Kopf bewahren, um den ganzen Rattenschwanz<br />
an Organisation managen und optimieren<br />
zu können. Da ist vor allem die technische<br />
Seite, das ständige Feilen am Fahrzeug<br />
und vor allem am Motor. Ohne emotionale<br />
Distanz und eine stoische Ruhe würde alles aus<br />
dem Ruder laufen. Die Formel 1 ist in erster<br />
Linie ein hartes Geschäft, härter als die meisten<br />
anderen. Außerdem stehen wir alle im<br />
Rampenlicht, weil sich viele Menschen auf der<br />
ganzen Welt für diesen Sport interessieren.<br />
Also haben Sie gar keinen Traumjob?<br />
Ich manage das Formel-1-Team wie ein normales<br />
Unternehmen. Anders ginge es gar nicht.<br />
Wie in jedem Unternehmen zählt auch für uns<br />
nur der Erfolg. Unser Geschäftsmodell ist<br />
ganz einfach: Unser Rennstall ist erfolgreich,<br />
wenn die Fahrer gut sind und siegen. Je mehr<br />
Siege sie einfahren, desto mehr Sponsoren<br />
kommen, je mehr Sponsoren, desto mehr finanzielle<br />
Mittel, mit denen wir gute Techniker,<br />
Ingenieure und Fahrer einkaufen können, die<br />
unsere Wagen noch schneller machen.<br />
Rennsport, ein Geschäft wie jedes andere?<br />
Nicht ganz. Bei uns entscheidet jedes Rennen<br />
neu über Erfolg oder Misserfolg. Es zählt
FLAVIO BRIATORE, 56, gilt als<br />
Paradebeispiel des Machomanagers.<br />
Als Unternehmer liebt er schnelle, unsentimentale<br />
Entscheidungen, privat<br />
gilt er als Frauenheld. Zwar spekulieren<br />
Boulevardmedien, nach seiner<br />
kürzlich überstandenen Krebserkrankung<br />
wolle Briatore künftig kürzertreten<br />
oder die Leitung des Formel-1-<br />
Rennstalls von Renault aufgeben.<br />
Doch Briatore dementierte bisher.<br />
Seine Karriere begann der Sohn eines<br />
Lehrerehepaars aus Verzuola in Italien<br />
als Landvermesser. Dann arbeitete<br />
er als Börsenmakler, bevor er 1974<br />
den Textilunternehmer Luciano Benetton<br />
kennenlernte. Für dessen Modekonzern<br />
baute Briatore erst den US-<br />
Markt auf, dann ein Formel-1-Team.<br />
Seit 2002 ist er Chef von Renault F1,<br />
dessen Fahrer Fernando Alonso in diesem<br />
Jahr Weltmeister wurde. Neben<br />
seiner Arbeit als Formel-1-Manager<br />
steckt Briatore seine Energie momentan<br />
in die eigene Modelinie für Superreiche,<br />
„Billionaire Italian Couture“.<br />
vornehme zurückhaltung ist seine sache nicht business-culture f<br />
57
p business-culture briatore will gewinnen – egal in welcher disziplin<br />
58<br />
1<br />
1 Patrizia Spinelli ist Briatores rechte Hand.<br />
Wer zu ihm will, kommt an ihr nicht vorbei.<br />
2 Angelo Galasso verantwortet als Chefdesigner<br />
die Luxusgüter von Billionaire Couture<br />
3 Naomi Campbell war Briatores Geliebte.<br />
Heute sind beide befreundet.<br />
4 Luciano Benetton, Unternehmer, entdeckte<br />
den italienischen Exzentriker<br />
2<br />
3<br />
4<br />
immer nur der nächste Sieg. Insofern ist der<br />
Rennsport härter als jedes andere Business,<br />
aber auch typisch für die harten Seiten unserer<br />
Wettbewerbswirtschaft.<br />
Wie engagiert sind Sie selbst? Sind Sie ein<br />
Rennsportfanatiker?<br />
Ich hege keine besondere Leidenschaft für die<br />
Formel 1 – nicht mehr als für mein Modebusiness<br />
oder für eines meiner anderen Unternehmen.<br />
Ich will einfach immer gewinnen. Daher<br />
gehe ich den Rennsport an wie ein Schachspiel:<br />
Ich weiß, welche Schritte ich tun muss, um<br />
erfolgreich zu sein. Wenn es funktioniert, befriedigt<br />
es mich. Wir haben den Renault-Rennstall<br />
vom Außenseiter zum Winning Team<br />
gemacht. Im Jahr 2000 waren wir 17 Leute,<br />
heute sind wir der fünftgrößte Rennstall. Wir<br />
haben es den etablierten Playern gezeigt, die<br />
uns anfangs belächelt haben. Solche selbst<br />
gesteckten Ziele zu erreichen reizt mich am<br />
meisten – je unüberwindlicher sie scheinen,<br />
desto besser.<br />
Damit ist Ihre Motivation klar. Wie ist das mit<br />
Ihren Sponsoren – handeln sie wirklich nur<br />
marketingstrategisch, oder sind sie nicht vor<br />
allem auch Formel-1-Fans, die sich hier ihr<br />
Hobby finanzieren?<br />
Sie sind sicher auch mit persönlichem Interesse<br />
dabei. Die meisten wichtigen Sponsoren wissen<br />
aber auch, dass sie als Formel-1-Sponsoren in<br />
eine andere Imageliga kommen. Wir stehen für<br />
Highend – schneller und besser geht es nicht.<br />
Dieses Image färbt natürlich ab. Die meisten<br />
großen Sponsoren kommen auf jeden Fall gern<br />
zu den wichtigen Rennen und laden dann ihre<br />
wichtigsten Geschäftspartner dazu ein.<br />
Damit können sie bei denen punkten, klar.<br />
Sie gelten als Playboy. Entspricht Ihnen<br />
dieses Image wirklich, oder bauen Sie es nur<br />
auf, um für Ihr Unternehmen zu werben?<br />
Die Medienresonanz auf meine Person ist gewaltig,<br />
aber nicht unwillkommen – auch, wenn<br />
nicht immer die richtigen Schlüsse gezogen<br />
werden. Ich entspreche sicher dem Bild des Jetsetters.<br />
Allerdings reise ich nicht nur aus Spaß<br />
um die Welt, sondern vor allem auch beruflich.<br />
Und wenn ich dann mal eine Konferenz auf<br />
meiner Yacht abhalte und ein paar Freunde dazu<br />
einlade, die ich lange nicht gesehen habe,<br />
machen die Medien eben einen Playboy aus<br />
mir. Solche Fantasieräume zu öffnen und zu<br />
pflegen ist Teil des Geschäfts – und ja auch<br />
nicht unangenehm (lacht).<br />
Wie würden Sie Ihren Führungsstil<br />
beschreiben?<br />
Ich weiß, wie ich Teamgeist wecken und Motivation<br />
erzeugen kann. Dabei bin ich selbst emotional<br />
nicht so involviert, weil ich es nicht sein<br />
darf. So musste ich ein komplett demotiviertes<br />
Benetton-Team mit dem von Renault verschmelzen.<br />
Das war harte Arbeit. Aber am<br />
Ende ist meine Rechnung aufgegangen.<br />
Wenn jemand nicht das leistet, was ich erwarte,<br />
zaudere ich nicht lange, sondern tausche ihn<br />
aus, auch wenn er ein netter Kerl ist. Schließlich<br />
geht es darum, aus dem Team das Optimum<br />
herauszuholen. Wer gute Leistung bringt,<br />
hat bei mir auch gute Karten, den fördere ich<br />
nach Kräften.<br />
Was können Manager anderer Unternehmen<br />
vom Motorsport lernen?<br />
Vor allem, schnelle Entscheidungen zu treffen.<br />
Man kann nicht ewig warten, konferieren, zaudern<br />
und mit jedem alles bis ins Detail diskutieren,<br />
wie es häufig in Unternehmen vorkommt.<br />
Wir sind alle 14 Tage bei jedem Rennen<br />
mit Erfolg oder Misserfolg konfrontiert und<br />
müssen in der Zwischenzeit unsere Fehler analysieren<br />
und ausbügeln. Wir müssen ständig<br />
unsere Strategien überdenken und ändern und<br />
vor allem entscheiden, wie wir das Auto und<br />
natürlich die Fahrer für die spezifischen Herausforderungen<br />
der nächsten Strecke fit<br />
machen. Und wenn eine technische Neuerung<br />
nicht funktioniert, tauschen wir sie sofort<br />
gegen eine Alternative aus, ohne unnötig lange<br />
daran festzuhalten.
Eine Zukunft aufbauen<br />
Die Stadt Yei im Südsudan: Nach 21 Jahren Bürgerkrieg sind Häuser<br />
und öffentliche Einrichtungen zerstört, wie etwa diese Schule.<br />
Zurückkehrende Flüchtlinge stehen vor dem Nichts und sind dringend<br />
auf Hilfe angewiesen, damit sie sich ein neues Leben aufbauen<br />
können.<br />
UNHCR, das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, bietet<br />
20,8 Millionen Flüchtlingen, Vertriebenen und Rückkehrern<br />
Schutz und materielle Unterstützung. Auch in vergessenen Krisengebieten.<br />
Im Südsudan und weltweit.<br />
Bitte spenden Sie:<br />
www.unhcr.org/donate<br />
www.unhcr.de
p business-culture ten years after<br />
60<br />
Crackberry – na und?<br />
Vor rund zehn Jahren startete er seinen Siegeszug: der Blackberry. Die Konkurrenz legte mit eigenen<br />
Geräten nach. Kritiker nennen das Produkt „Crackberry“. Aber kaum ein Topmanager verzichtet<br />
heute noch darauf. Der erste bekennende Handheld-Fan war der Medienunternehmer Haim Saban.<br />
In diesem Exklusivbeitrag erklärt er, wie der Blackberry seinen Managementstil verändert hat.<br />
: Die Erfindung des Blackberry ist für<br />
mich mit der des Telefons vergleichbar.<br />
Das Telefon machte die Kommunikation<br />
über Grenzen hinweg möglich. Mein Blackberry<br />
erlaubt es mir, von überall auf meine<br />
Daten zuzugreifen und per Mail zu kommunizieren.<br />
Durch das kleine Ding stehe ich<br />
permanent im Kontakt mit meinen wichtigsten<br />
Mitarbeitern. Topmanager haben<br />
grundsätzlich das Problem, im Unternehmen<br />
nicht präsent genug sein zu können.<br />
Dieses Problem mildert der Blackberry; er<br />
macht mich omnipräsent.<br />
Das Interessante an diesem Produkt: Es ist<br />
die erste technologische Innovation, deren<br />
Lead-User die Topentscheider selbst sind.<br />
Wir müssen uns nicht erst die Technologie<br />
erklären lassen. Dies dürfte zu weniger unsinnigen<br />
Produktentscheidungen führen als<br />
bei anderen Innovationen.<br />
100 bis 150 Mails bekomme ich täglich. Und<br />
ich beantworte sie persönlich. Von einer vorgeschalteten<br />
Sekretärin halte ich nichts.<br />
Gerade weil viele Manager ihre E-Mails<br />
lesen lassen, macht es für mich Sinn, selbst<br />
zu schreiben, denn es überrascht die Menschen.<br />
Der motivierende Effekt einer<br />
prompten Antwortmail vom Chef ist immens.<br />
Deshalb habe ich auch all meine<br />
leitenden Mitarbeiter schon vor Jahren mit<br />
Blackberrys ausgestattet. Die anfängliche<br />
Skepsis bei einigen von ihnen ist verständlich.<br />
Das Gerät verpflichtet dazu, erreichbar<br />
zu sein und schnell zu reagieren. Abtauchen<br />
kann jetzt niemand mehr.<br />
Dieser Punkt wird von Kritikern ins Feld<br />
geführt, die behaupten, der Blackberry erhöhe<br />
ihren Stress. Das gilt aber nur für Leute,<br />
die es stresst, permanent gefordert zu sein.<br />
Auf mich trifft dies, in aller Bescheidenheit<br />
gesagt, nicht zu. Ich mag es, Dinge sofort zu<br />
erledigen. Das kann ich mit dem Blackberry.<br />
Daher erhöht er nicht meinen Stress, sondern<br />
senkt ihn.<br />
Allerdings ist er keine Allzweckwaffe. Vor<br />
allem die Emotionalität der Blackberry-<br />
Kommunikation hat Grenzen. Selbstredend<br />
können Sie nicht so viele Emotionen transportieren<br />
wie im persönlichen Gespräch.<br />
Auch die beliebten Emoticons wie ;-) halte<br />
ich für verzichtbar. Der Blackberry ersetzt<br />
keine Mitarbeitergespräche. Aber er führt<br />
dazu, dass Ihr Mitarbeiter früher einen Termin<br />
bei Ihnen bekommt. Damit fördert er<br />
also den persönlichen Austausch.<br />
Die wichtigste Entscheidung des Users ist<br />
aber, wann er das Gerät ausschaltet. An jüdischen<br />
Feiertagen etwa ist mein Gerät aus.<br />
Bewusst gewählte „Auszeiten“ zeigen, dass<br />
Sie Ihr Leben planen und gestalten.<br />
Gelegentlich wird ja die Sicherheit diskutiert.<br />
Meine IT-Abteilung bringt den Blackberry<br />
regelmäßig auf den neuesten Stand.<br />
Im Grunde halte ich ihn aber für sicher.<br />
Sonst hätte er wohl auch nicht diese immense<br />
Bedeutung für unsere Kultur erlangen<br />
können. Mein größtes Problem ist ein anderes:<br />
An meinen Wohnorten Beverly Hills<br />
und Malibu habe ich oft keinen Empfang.<br />
Ich sollte einmal mit meinem Provider sprechen.<br />
Doch auch ohne Empfang zu Hause:<br />
Der Blackberry verändert nicht nur den<br />
Joballtag, sondern auch das Privatleben. Ich<br />
weiß, dass viele Manager Ärger mit ihrer<br />
Frau bekommen, wenn sie permanent Mails<br />
schreiben. Die Lösung: Kauft Eurer Frau<br />
auch einen!<br />
Meine Frau ist ohnehin ein großer Fan.<br />
Warum? Weil ich es jetzt endlich wieder<br />
schaffe, mit ihr ins Kino zu gehen oder<br />
Abendeinladungen wahrzunehmen. Früher<br />
musste ich abends immer meine Mails abarbeiten.<br />
Jetzt erledige ich das tagsüber parallel.<br />
Das heißt: Der Blackberry macht mich<br />
nicht weniger sozial, sondern im Gegenteil<br />
kommunikativer und sorgt für mehr reale<br />
zwischenmenschliche Kontakte.<br />
HAIM SABAN ist Chairman und CEO des<br />
weltweit tätigen Investmenthauses Saban<br />
Capital Group. Das Unternehmen sitzt in Los<br />
Angeles, ist aber auch in Europa und Israel<br />
aktiv. In Deutschland hielt Saban Capital die<br />
Mehrheit an der ProSiebenSat.1 Media AG.<br />
Saban, als Sohn jüdischer Eltern in Ägypten<br />
geboren, gilt als begeisterter Blackberry-Nutzer<br />
und war der erste Topmanager, der den<br />
Blackberry für seinen gesamten Führungsstab<br />
zur Pflicht machte.
haim saban ist always on – seine frau freut’s business-culture f<br />
61
p service impressum<br />
62<br />
Vertiefen Sie<br />
Ihr Wissen<br />
In „Die Chancen der Globalisierung“ spricht<br />
sich der bisher globalisierungsskeptische<br />
Joseph Stiglitz für die Öffnung von Märkten<br />
aus. Die Geschichte des Nissan-Turnarounds<br />
erzählt Autoboss Carlos Ghosn in „Shift“. In<br />
„Performance at the Limit“ versuchen Mark<br />
Jenkins und Kollegen, passend zum Interview<br />
mit Flavio Briatore, Managementlehren<br />
aus der Formel 1 abzuleiten. Mit den<br />
Möglichkeiten der nach Südosten erweiterten<br />
EU befasst sich das neue think:act<br />
Content. Die Studie „The early bird catches<br />
the worm“ zeigt, weshalb Unternehmen<br />
jetzt auf den Trend zu Low-Cost-Cars reagieren<br />
müssen. „Mastering the Automotive<br />
Challenges“ schließlich demonstriert, wie<br />
Autokonzerne künftig in ihrer turbulenten<br />
Branche gewinnen.<br />
service@think-act.info<br />
Haben Sie Fragen an den Herausgeber<br />
oder das Redaktionsteam? Interessieren<br />
Sie sich für Studien von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
Strategy Consultants? Schreiben Sie<br />
an service@think-act.info<br />
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER<br />
Dr. Burkhard Schwenker, CEO<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
Stadthausbrücke 7<br />
20355 Hamburg<br />
Tel.: +49 (0)40 3763100<br />
LEITUNG<br />
Torsten Oltmanns<br />
REDAKTIONSBEIRAT<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
Dr. Christoph Kleppel †, Felicitas<br />
Schneider<br />
VERLAG<br />
BurdaYukom Publishing GmbH<br />
Konrad-Zuse-Platz 11<br />
81829 München<br />
Tel.: +49 (0)89 30620-0<br />
GESCHÄFTSFÜHRER<br />
Manfred Hasenbeck,<br />
Andreas Struck<br />
VERLAGSLEITER<br />
Dr. Christian Fill<br />
JOSEPH STIGLITZ:<br />
„Die Chancen der<br />
Globalisierung“<br />
CHEFREDAKTEUR<br />
Alexander Gutzmer (V.i.S.d.P.)<br />
ART-DIREKTION<br />
Blasius Thätter<br />
CHEF VOM DIENST<br />
Marlies Viktorin<br />
REDAKTION<br />
Elmar zur Bonsen, Michael Schmitz<br />
AUTOREN<br />
Markus Gärtner, Frank Grünberg,<br />
Medard Meier, Hedda Möller,<br />
Mark Phelan, Frederik Richter,<br />
Thomas Seibert, David Selbach,<br />
Ulrich Viehöver<br />
GASTAUTOREN<br />
Haim Saban (Los Angeles), David<br />
Gartman (Ann Arbor)<br />
LEKTORAT<br />
Dr. Michael Petrow (Ltg.), Karin<br />
Schlipphak, Jutta Schreiner<br />
GRAFIK/GESTALTUNG<br />
Andrea Hüls, Heike Nachbaur<br />
THINK:ACT CONTENT:<br />
„Neue Mitglieder, neue<br />
Chancen in Südosteuropa“<br />
CARLOS GHOSN AND<br />
PHILIPPE RIÈS:<br />
„SHIFT: Inside Nissan’s<br />
historic Revival“<br />
STUDIE:<br />
„The early bird catches the<br />
worm“<br />
PRODUKTION<br />
Wolfram Götz (Ltg.), Rüdiger Hergerdt, Franz<br />
Kantner, Silvana Mayrthaler, Cornelia Sauer<br />
BILDREDAKTION<br />
Beate Blank (Ltg.), Silvia Erhard, Elke<br />
Latinovic<br />
BILDNACHWEISE<br />
Titelbilder: Maurice Haas, T. Kerem Uzel,<br />
Rapho/laif, Illustration: Saasfee/Philipp<br />
Karger; S. 2–3 <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />
Consultants; S. 4 Graeme Robertson/eyevine/InterTopics,<br />
Hemisphere/laif, Gilles<br />
Mingasson/GettyImages; Illustration: Silvia<br />
Neuner; S. 8–11 Maurice Haas; S. 12–18<br />
T. Kerem Uzel; S. 19 Illustration: Saasfee/<br />
Philipp Karger; S. 20 Gerster/laif; S. 22<br />
Rob W/epa/dpa Picture-Alliance; S. 24 pr;<br />
S. 26/29 Rapho/laif; S. 30–31 pr, Gerster/<br />
laif, Roettgers Graffiti; S. 32–33 Bently pr;<br />
S. 34–35 Cherry pr, Markus Hintzen;<br />
S. 36–37 Porsche pr, Nissan pr; S. 38<br />
Hemisphere/laif; S. 40–43 Maurice Haas;<br />
S. 44–45 Karim/Sygma/Corbis, Scott<br />
Peterson/GettyImages,KyodoNews/action-<br />
MARK JENKINS,<br />
KEN PASTERNAK AND<br />
RICHARD WEST:<br />
„Performance at the Limit:<br />
Business Lessons from<br />
Formula 1 Motor Racing“<br />
BERND GOTTSCHALK UND<br />
RALF KALMBACH (HRSG.):<br />
„Mastering the Automotive<br />
Challenges“<br />
press, Giuseppe Aresu/bloomberg news/<br />
InterTopics; S. 48 IFA-Bilderteam/Jupiter<br />
Images; S. 50–51 Ricardo Teles/Agentur<br />
Focus, Paolo Fridmann/Bloomberg News/<br />
Landov/InterTopics; S. 52–53 stockbyte/<br />
Corbis, David Trood/Bilderberg, Rubitec<br />
GmbH Bochum; S. 55 Illustration: Silvia<br />
Neuner; S. 57–58 Graeme Robertson/<br />
eyevine/ InterTopics, V. Hinz/picture press,<br />
Mad sun/shooting star/ InterTopics,<br />
Nestor Bar/dpa Picture-Alliance;<br />
S. 60–61 Gilles Mingasson/GettyImages;<br />
S. 63 Manfred Erber<br />
DRUCK<br />
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84048 Mainburg<br />
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