01.03.2013 Aufrufe

Ausgabe 8 - Roland Berger

Ausgabe 8 - Roland Berger

Ausgabe 8 - Roland Berger

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

<strong>Ausgabe</strong> 8 Das globale Entscheider-Magazin<br />

JOSEPH STIGLITZ<br />

will den freien Handel UND<br />

Gerechtigkeit. Interview<br />

mit einem Querdenker.<br />

IKBAL CAVDAROGLU<br />

vereint als Unternehmerin<br />

muslimischen Glauben und<br />

Profitstreben.<br />

DANIEL VASELLA<br />

erläutert exklusiv, wie er<br />

seinen Konzern mit kultureller<br />

Sensibilität führt.<br />

CARLOS GHOSN<br />

sucht einen Partner in<br />

Nordamerika. Warum, das<br />

erklärt er in diesem Heft.<br />

Autos für alle,<br />

Wachstum für die Branche<br />

(Dossier ab Seite 19)


BÜRO MÜNCHEN, ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS GMBH<br />

HighLight Towers, Mies-van-der-Rohe-Str. 6, 80807 München<br />

Telefon: +49 89 9230-0, Fax: +49 89 9230-8202, E-Mail: office_munich@rolandberger.com


think: act das globale entscheider-magazin von roland berger strategy consultants ausgabe 8 first views f<br />

Autos für unter 10 000 Euro sind ein zentraler Wachstumsmarkt<br />

der nächsten Jahre. Für die globalen Autokonzerne<br />

bedeutet dies Risiko und Chance zugleich. Risiko, weil sich damit<br />

die Wettbewerbsbedingungen grundlegend ändern und neue<br />

Konkurrenten aus China oder Indien auf den Plan treten. Chancen,<br />

weil sich damit auch den etablierten Anbietern ganz neue<br />

Märkte mit attraktivem Wachstumspotenzial erschließen. Wie<br />

aber hat man auf diesen Märkten Erfolg? Einige Ideen dafür liefert<br />

unsere Titelgeschichte.<br />

Neue Märkte hat auch Naguib Sawiris erschlossen. Der Ägypter<br />

hat sich mit Orascom Telecom auf die Krisenregionen der Welt<br />

spezialisiert. „Wo das Risiko hoch ist, sind auch die Profite hoch“,<br />

sagt er. Wie Sawiris sich im Irak oder in Algerien durchsetzte<br />

und weshalb er nun auch auf etabliertere Märkte expandiert, lesen<br />

Sie in unserem Report.<br />

Expansionsgeschichten wie jene von Orascom setzen ein liberales<br />

Handelssystem voraus. Doch die Idee des Freihandels gerät<br />

in der globalen Wirtschaftspolitik zunehmend in die Defensive,<br />

kritisiert Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in unserem Interview.<br />

Bisher galt der Ökonom eher als Globalisierungsskeptiker. Nun<br />

fordert er exklusiv in think:act Unternehmen auf, ihre Regierungen<br />

zu multilateralen Handelsabkommen zu ermutigen.<br />

Für Stiglitz gehört politisches Engagement zu den Aufgaben von<br />

Topmanagern. Wie sie ihre Rolle verstehen und zu welchen<br />

Managementansätzen sie greifen, erklären in diesem Heft exklusiv<br />

Novartis-Chef Daniel Vasella, der CEO von Renault und<br />

Nissan, Carlos Ghosn, Renault-Rennstallmanager Flavio Briatore<br />

und Medieninvestor Haim Saban. Ich wünsche Ihnen, dass Sie<br />

deren Ideen anregend finden.<br />

Dr. Burkhard Schwenker<br />

CEO <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

3


p inhalt<br />

4<br />

Von Briatore lernen heißt siegen lernen. Gerade hat Flavio Briatore<br />

Renault zur Formel-1-Weltmeisterschaft geführt. Im Exklusivinterview<br />

erklärt er, warum alle Manager so hart sein sollten wie er. Seite 56<br />

Manager im Reagenzglas? Jedenfalls glauben Gary Hamel und<br />

Julian Birkinshaw: Wenn Unternehmen ein wenig experimentieren, können<br />

sie echte Managementinnovationen generieren. Seite 54<br />

Kein Produkt hat unsere Kultur so geprägt wie das Automobil. Der<br />

Kultursoziologe David Gartman beschreibt, wie das Fahrzeug zum Fetisch<br />

wurde – und warum dieser auch problematische Seiten hat. Seite 38<br />

Er ist der bekannteste Blackberry-Fan: Haim Saban. Bei seinen<br />

Mitarbeitern ist das Handheld Pflicht. In einem Exklusivbeitrag erläutert er,<br />

wie der Blackberry seinen Managementstil verändert hat. Seite 60


food for thought<br />

6 König Kunde produziert Inhalte<br />

Wie Weblogs, Itube und Co. das<br />

Verhältnis von Unternehmen und<br />

Abnehmern verändern<br />

8 Der bessere Globalisierer<br />

Joseph Stiglitz gilt Kapitalismuskritikern<br />

als Held. Doch er kämpft<br />

für freien Handel. Ein Interview.<br />

12 Islamische Calvinisten<br />

Koran und Erfolg passen nicht<br />

zusammen? Die türkische Region<br />

Kayseri beweist das Gegenteil.<br />

�<br />

Dossier<br />

Zukunft der Autos, Autos der Zukunft.<br />

Ab Seite 19<br />

dossier<br />

19 Die Low-Cost-Cars kommen<br />

Chinesen und Inder wollen Autos<br />

für unter 10 000 Euro. Wer sie baut,<br />

dem eröffnet sich ein Riesenmarkt.<br />

26 Der Allianzschmied<br />

Carlos Ghosn hat Renault und<br />

Nissan zusammengebracht. Jetzt<br />

sucht er nach neuen Partnern.<br />

30 Outsourcing, Innovation und mehr<br />

Fünf Topmanager beschreiben,<br />

worin sie die größten Herausforderungen<br />

der Branche sehen.<br />

32 Der nicht mehr nur schöne Schein<br />

Technologisch gut sein reicht<br />

nicht. Design wird wieder zum<br />

Wettbewerbsfaktor.<br />

38 Kultobjekt Auto<br />

Der Soziologe David Gartman<br />

zeichnet die Geschichte eines<br />

Fetischs nach.<br />

industry-report<br />

40 Der Pharmamann<br />

Novartis-Chef Daniel Vasella über<br />

Management und Strategie<br />

44 Blue Oceans angewandt<br />

Der Telekomkonzern Orascom verdient<br />

Geld in Krisengebieten.<br />

47 Kontinent der Vielfalt<br />

Der Wettbewerb „Best of European<br />

Business“ in der nächsten Runde<br />

48 Teil des Ganzen sein<br />

Warum das Diversity-Marketing<br />

heute das Einende betont<br />

50 Die etwas andere Boomstory<br />

Brasiliens Wirtschaft gedeiht – mit<br />

Zuckerrohr!<br />

business-culture<br />

regulars<br />

3 First Views<br />

52 Zukunftsmärkte im Check<br />

62 Service | Impressum<br />

inhalt f<br />

54 Trial and Error<br />

Die London Business School will<br />

Innovation im Management<br />

fördern – mit einem Versuchslabor.<br />

56 Harter Mann ganz oben<br />

Rennstallchef Flavio Briatore erläutert<br />

sein Verständnis von gutem<br />

Management.<br />

60 Ten years after<br />

Vor zehn Jahren begann der Blackberry<br />

seinen Siegeszug. Haim<br />

Saban erklärt, wie er seinen nutzt.<br />

5


p food for thought wir sind alle produzenten<br />

6<br />

Mach dir deine Inhalte!<br />

Wir bloggen, filmen, fotografieren – und immer findet sich ein Medium, das unsere Amateurwerke<br />

veröffentlicht. Der nutzergenerierte Content ist einer der großen Trends unserer Wirtschaftswelt.<br />

Doch lässt sich mit ihm auch Geld verdienen?<br />

122<br />

Mal den Jahresumsatz von YouTube hat der Internetkonzern<br />

Google für die Übernahme der Videosite<br />

bezahlt – exakt 1,65 Milliarden Dollar. Die Rückkehr<br />

der New-Economy-Absurditäten? Zumindest bestehen<br />

Parallelen. Wie viele damals gehypte Firmen macht<br />

auch YouTube bisher noch Verluste.<br />

Mit 21 WLAN-Hotspots je<br />

100 000 Einwohner sind<br />

die Briten in der drahtlosen<br />

Internetnutzung vorn.<br />

Japaner, Italiener und<br />

Spanier surfen vergleichsweise<br />

wenig ohne Kabel.<br />

Die USA, Deutschland<br />

und Norwegen liegen im<br />

Mittelfeld.<br />

>50%<br />

der amerikanischen Teenager<br />

haben mittlerweile Content für<br />

das Internet erstellt, melden die<br />

Experten von Pew Research.<br />

Briten mit den meisten WLAN-Hotspots<br />

Quelle: www.jiwire.com<br />

21<br />

20<br />

70 Millionen Blogs, so die Schätzung des The Blog<br />

Herald, werden momentan weltweit geschrieben. Das Land mit<br />

den meisten Blogseiten sind die USA, mit geschätzten 25 bis<br />

30 Millionen Blogs. Überraschend sind die Unterschiede zwischen<br />

verschiedenen Ländern. Während man bei Südkorea von<br />

15 Millionen und bei Japan von vier Millionen Netztagebüchern<br />

ausgeht, verzeichnet Indien nur 100 000 und Deutschland<br />

280 000 Blogs. Interessant: Obwohl die USA die meisten<br />

Blogs haben, schreiben asiatische Blogger offenbar mehr. 37 Prozent<br />

aller Blogeinträge weltweit werden auf Japanisch verfasst.<br />

Andere 4%<br />

Deutsch 1%<br />

Dänisch 1%<br />

Portugiesisch 2%<br />

Russisch 2%<br />

Französisch 2%<br />

17<br />

Italienisch 2%<br />

Spanisch 3%<br />

Chinesisch 15 %<br />

37 % Japanisch<br />

31 % Englisch<br />

Großbritannien Südkorea Dänemark USA Deutschland Norwegen Frankreich Italien<br />

WLAN-Hotspots je 100 000 Einwohner im Jahr 2006<br />

12<br />

10<br />

Quelle: The Blog Herald, Technorati<br />

8<br />

6<br />

3


Der Blogger als Quelle<br />

Journalisten nehmen Blogs offenbar mittlerweile ernst.<br />

Über 2500 Zeitungsreferenzen fand Factiva in Dreimonatszeiträumen<br />

in einem ausgewählten Set an Zeitungen. Noch<br />

vor zwei Jahren spielten die Blogs keine Rolle. Aber: Im<br />

letzten betrachteten Zeitraum nahm die Präsenz der Blogs<br />

wieder leicht ab. Die Medien unterscheiden inzwischen<br />

offenbar zwischen Blogs unterschiedlicher Qualität.<br />

Querverweise auf Blogs in ausgewählten Zeitungen<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

Januar–März 2004<br />

April–Juni 2004<br />

Juli–September 2004<br />

Oktober–Dezember 2004<br />

Januar–März 2005<br />

April–Juni 2005<br />

gehört die zukunft den mashups? food for thought f<br />

Wenn Website auf Website trifft<br />

724 verschiedene „Mashups“, also Vernetzungen verschiedener<br />

Webseiten, bietet der Internetservice Google Maps –<br />

mehr als jeder andere Service. Nutzer können beispielsweise<br />

auf Karten verorten lassen, wo sich die besten Hotels<br />

auf Hawaii befinden oder in welchen Gegenden New<br />

Yorks die Kriminalität am höchsten ist. Mashups gelten<br />

als wesentlich für die kommerzielle Zukunft des Internets.<br />

50000<br />

Exemplare seines digitalen Musikplayers „Squeezebox“<br />

verkaufte das Unternehmen Slim Devices. Das Besondere:<br />

Technologie und Design haben zum großen Teil die<br />

Kunden entwickelt. Slim Devices lässt seine Kunden aktiv<br />

an der Technologieentwicklung mitwirken und hat damit<br />

eine treue Fanschar geschaffen – erstes Beispiel eines nutzergenerierten<br />

Produkts.<br />

Quelle: Fast Company, Januar 2007<br />

1000 Dollar<br />

erhielt der 19-jährige US-Amerikaner Tyson Ibele für einen selbst produzierten Werbespot,<br />

mit dem er an einem Wettbewerb des Fernsehsenders Current TV teilnahm. „Usergenerated<br />

advertising“ nennt die Fachwelt dies. Der Kabelsender Current, der erste US-<br />

Kabelsender, der sein Programm schwerpunktmäßig aus nutzergeneriertem Content<br />

speist, zeigte den Spot für Sony Electronics danach mehrere Wochen lang.<br />

Quelle: Fast Company, Januar 2007<br />

Juli–September 2005<br />

Oktober–Dezember 2005<br />

Januar–März 2006<br />

Quelle:<br />

Factiva<br />

April–Juni 2006<br />

Die wichtigsten Mashup-Kategorien<br />

3% Transit<br />

Quelle: www.programmableweb.com<br />

4% Nachrichten<br />

4% Reise<br />

4% Messaging<br />

4% Events<br />

5% Sport<br />

5% Mobile-Anwendungen<br />

7% Shopping<br />

8% Foto<br />

9% Suchfunktionen<br />

47 % Mapping


Zurück zur Liberalisierung<br />

scheiterte die doha-runde an den usa? food for thought f<br />

Er kämpft für Freihandel und eine gerechtere Globalisierung: Joseph Stiglitz. Für seine Arbeit über<br />

asymmetrische Information in der Weltwirtschaft bekam er den Nobelpreis für Ökonomie.<br />

Im think:act-Interview geht er vor allem mit den USA, aber auch mit Europa hart ins Gericht.<br />

THINK: ACT Professor Stiglitz, noch brummt<br />

die Weltwirtschaft, doch eine Abkühlung<br />

kündigt sich an. Was halten Sie für die größte<br />

Gefährdung der globalen Wirtschaft?<br />

STIGLITZ Die grundlegende Gefahr liegt in der<br />

schlechten Wirtschaftslage einiger OECD-Länder,<br />

besonders der USA. Diese dürfte sich in den<br />

kommenden Jahren nicht verbessern. In den<br />

letzten fünf Jahren verzeichneten die USA ein<br />

auf Immobilien gestütztes Wachstum, bei dem<br />

Privathaushalte eine zunehmend größer werdende<br />

Schuldenlast trugen. Das Problem ist<br />

nun, dass die Zentralbanken auf die Inflation<br />

durch steigende Ölpreise mit höheren Zinssätzen<br />

reagieren werden. Damit droht das<br />

Wachstum dauerhaft abgewürgt zu werden.<br />

Die USA befinden sich daher in einer äußerst<br />

unsicheren Position. Und eine konjunkturelle<br />

Abschwächung in den Vereinigten Staaten ist<br />

eine Bedrohung für die globale Wirtschaft.<br />

Vor allem der fallende Dollarkurs bereitet<br />

momentan vielen Beobachtern Sorgen.<br />

Wie würden Welthandel und Weltwirtschaft<br />

beeinflusst, wenn er noch weiter in<br />

den Keller sackt?<br />

Ich glaube nicht, dass der Dollar ganz nach<br />

unten durchbricht. Allerdings wird er insgesamt<br />

schwach bleiben, mit einigen Fluktuationen.<br />

Die Folgen eines Verfalls sind immer eine<br />

Schwächung der US-Aktienmärkte sowie steigende<br />

Zinssätze in den USA. Dies verstärkt den<br />

Abschwung der US-Konjunktur.<br />

Wenige Tage nach Abbruch der Doha-<br />

Runde warnte US-Finanzminister Paulson<br />

vor einer „beunruhigenden Welle des Protektionismus“.<br />

Übernehmen die Kräfte der<br />

Antiglobalisierung das Ruder?<br />

Das glaube ich nicht. Auch ich selbst bin keineswegs<br />

gegen die Globalisierung, auch wenn ich<br />

gelegentlich so gesehen werde. Aber es ist natürlich<br />

eine Ironie, dass ausgerechnet die Vereinigten<br />

Staaten solche Bedenken erheben, denn sie<br />

selbst hatten ja den größten Anteil am Scheitern<br />

der Doha-Gespräche. Sie weigerten sich, ein realistisches<br />

Angebot zu weniger Subventionen der<br />

eigenen Agrarprodukte zu machen. Diese Subventionspolitik<br />

fügt den Entwicklungsländern<br />

jedes Jahr drastische Schäden zu. Dennoch hat<br />

Paulson Recht, wenn er weltweit von einer protektionistischen<br />

Stimmung spricht.<br />

Noch stärker als die USA sind Europa und<br />

Asien abhängig vom Export. Was steht für<br />

sie auf dem Spiel?<br />

Entscheidend ist, dass Europa und die asiatischen<br />

Volkswirtschaften sich wieder auf dem<br />

Weg der Liberalisierung befinden und sich<br />

nicht hinter neuen protektionistischen Barrieren<br />

verstecken. Die Importzölle müssen weiter<br />

abgebaut werden. Das größte Hindernis für<br />

den Welthandel liegt in der Landwirtschaft.<br />

Weder die USA noch die EU sind hier bereit,<br />

echte Zugeständnisse zu machen. Sie sind gar<br />

nicht verhandlungsbereit.<br />

Die USA befinden sich im Abschwung, Doha<br />

war ein Debakel. Auch Chinas Konjunktur<br />

kühlt sich ab. Das ideale Klima für einen<br />

Zusammenbruch des Welthandels ...<br />

Eine Veränderung in China etwa von zehn auf<br />

neun Prozent Wachstum pro Jahr sollte man<br />

nicht als wirkliche Bedrohung der Weltwirtschaft<br />

ansehen, sondern eher als eine sinnvolle<br />

Beruhigung. Aber natürlich bestehen Anzeichen<br />

für einen globalen Abschwung. Von den<br />

drei genannten Faktoren ist die Schwäche der<br />

USA natürlich am entscheidendsten.<br />

9


p food for thought schluss mit dem populismus!<br />

10<br />

Die USA scheinen sich von einem multilateralen<br />

Ansatz zu bilateralen Abkommen zu<br />

bewegen. Geht die Ära multilateraler Handelsabkommen<br />

zu Ende?<br />

Nur die derzeitige Bush-Regierung setzt auf<br />

bilaterale Abkommen. Diese dienen weder den<br />

Interessen der Weltwirtschaft oder des Welthandelssystems<br />

noch denen der USA. Es ist wissenschaftlich<br />

erwiesen, dass bilaterale Abkommen<br />

nicht zu mehr Handel führen. Obwohl<br />

es eine große Anzahl solcher Verträge gibt,<br />

beträgt das Handelsvolumen, das sich daraus<br />

ergibt, gerade mal einen Bruchteil des gesamten<br />

Welthandels.<br />

Solche Abkommen mögen eine gewisse politische<br />

Symbolkraft besitzen und werden entsprechend<br />

als populistische Waffe eingesetzt. Aber<br />

wirtschaftlich sind sie unbedeutend und schaden<br />

den Ländern, die auf sie setzen.<br />

Schaden fügen sie auch den Unternehmen<br />

der betroffenen Länder zu. Wie können global<br />

operierende Unternehmen reagieren?<br />

Sie können und müssen ihre Regierungen unter<br />

Druck setzen, zu einem multilateralen Handelssystem<br />

zurückzukehren. Eine Abfolge bilateraler<br />

Verträge wäre nicht zuletzt für global<br />

operierende Konzerne ein Albtraum, weil diese<br />

letztlich jede langfristige Planung für sie<br />

unmöglich macht.<br />

China wurde in die WTO aufgenommen,<br />

Indiens Einfluss wächst, Südafrika verbündet<br />

sich mit Brasilien – werden die Entwicklungsländer<br />

mächtiger?<br />

Wir werden sicher nicht noch einmal so unfaire<br />

Verhandlungen erleben wie bei der Uruguay-Runde,<br />

die für die Entwicklungsländer<br />

nachteilige Ergebnisse brachte. Dies ist die<br />

Folge von größerer Transparenz und mehr<br />

Demokratie in den Entwicklungsländern, und<br />

zwar weil diese die Verhandlungsführer im


Inland unter einen stärkeren Erfolgsdruck<br />

setzt. Für eine demokratische Regierung ist es<br />

nicht annehmbar, derart unfaire Abkommen<br />

zu unterzeichnen wie in der Uruguay-Runde<br />

vorgesehen. Sonst würde sie nämlich abgewählt.<br />

Die Verbreitung der Demokratie setzt<br />

die Regierungen im eigenen Land unter<br />

Erfolgsdruck und gewährleistet so, dass<br />

zukünftige Abkommen fairer ausfallen.<br />

Viele Beobachter meinen, das Scheitern der<br />

Doha-Runde wirke sich negativ auf den<br />

Schutz geistigen Eigentums aus. Müssen<br />

führende Markenunternehmen eine Welle<br />

neuer Copyright-Verletzungen fürchten?<br />

Flächendeckend ist dies nicht zu befürchten.<br />

Das Problem beim Schutz geistigen Eigentums<br />

liegt derzeit auch weniger in den bekannten<br />

Branchen wie der Film- oder Musikindustrie,<br />

sondern hauptsächlich bei den Pharmaproduzenten.<br />

Die Unternehmen versuchen momentan,<br />

sich traditionelle Medikamente aus Entwicklungsländern<br />

patentieren zu lassen. Zugleich<br />

kommen immer noch viele Menschen nicht an<br />

lebensrettende Medizin. So kann es nicht weitergehen.<br />

Es ist auch im Interesse der Pharmakonzerne,<br />

breiten Schichten in Entwicklungsländern<br />

einen besseren Zugang zu lebensrettenden<br />

Medikamenten zu bereiten. Sie müssen daher<br />

die Forschung an jenen Medikamenten forcieren,<br />

die für Entwicklungsländer relevant sind.<br />

Außerdem müssen wir unser Intellectual-Property-System<br />

reformieren. Dieses schafft es bisher<br />

nicht, den breiten Zugang zu Medikamenten<br />

zu organisieren. Und wenn Pharmakonzerne<br />

sich das traditionelle medizinische Wissen der<br />

Entwicklungsländer patentieren lassen, dann ist<br />

das schlecht für diese Länder, aber auch für den<br />

wissenschaftlichen Fortschritt.<br />

Kommen wir noch einmal auf China zurück.<br />

Im Westen wird das Land bisher positiv gese-<br />

europäer müssen sich an firmenverflechtungen gewöhnen food for thought f<br />

JOSEPH E. STIGLITZ, Professor an der<br />

New Yorker Columbia University, ist einer der<br />

profiliertesten Ökonomen der Welt – und einer<br />

der streitbarsten. Er war Chefökonom der<br />

Weltbank und wirtschaftspolitischer Berater<br />

Bill Clintons. In seinem Buch „Die Roaring<br />

Nineties“ kritisiert er die Funktionsweisen der<br />

weltweiten Finanzmärkte. Das gefiel nicht<br />

zuletzt den Globalisierungskritikern. Aktuell<br />

erscheint sein neues Buch „Die Chancen der<br />

Globalisierung“. 2001 erhielt Stiglitz für Arbeiten<br />

über asymmetrische Information in der<br />

Weltwirtschaft den Nobelpreis.<br />

PRODUKTION UND WELTHANDEL<br />

DURCHSCHNITTLICHE VERÄNDERUNG PRO JAHR IN PROZENT<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

Handel<br />

0<br />

1950–63<br />

EUROPA GRÖSSTER EXPORTEUR<br />

NORDAMERIKA IMPORTIERT FAST SO VIEL WIE ASIEN<br />

EXPORT<br />

26,8 Asien<br />

4,4 Mittlerer<br />

Osten<br />

2,6 Afrika<br />

3,1 Süd- und<br />

Zentralamerika<br />

IMPORT<br />

24,0 Asien<br />

2,7 Mittlerer<br />

Osten<br />

2,3 Afrika<br />

QUELLE: WTO<br />

Produktion<br />

63–73 73–90 90–04<br />

%<br />

%<br />

14,9 Nordamerika<br />

3,0 Gemeinschaft<br />

Unabhängiger<br />

Staaten<br />

45,3 Europa<br />

21,8 Nordamerika<br />

1,9 Gemeinschaft<br />

Unabhängiger<br />

Staaten<br />

2,6 Süd- und<br />

Zentralamerika<br />

44,8 Europa<br />

hen, weil Verbraucher durch billige Importe<br />

Geld sparen und sich dort attraktive Investitionsmöglichkeiten<br />

bieten. Wenn es nun rauer<br />

im Welthandel zugeht, dürften dann nicht<br />

auch die Stimmen derer lauter werden, die<br />

einen Schutz vor China und Indien fordern?<br />

Hören Sie sich um: Sie werden ja heute schon<br />

lauter. Hier spielt die WTO eine entscheidende<br />

Rolle, denn sie erschwert momentan die Einführung<br />

von Handelsbeschränkungen. Dennoch<br />

wurden für Bekleidung und Textilien bereits<br />

klare Einschränkungen durchgesetzt. Mit denen<br />

konnte China gerade noch leben. Doch gäbe es<br />

breitere, pauschalere Restriktionen, würde das<br />

dem globalen Handel insgesamt einen Schlag<br />

versetzen. Deshalb müssen und werden sich die<br />

Industrieländer hüten, das weltweite Handelssystem<br />

als Ganzes systematisch zu untergraben.<br />

Anscheinend haben Sie Ihren Optimismus<br />

noch nicht ganz verloren. Und das, obwohl in<br />

Europa momentan verschiedene länderübergreifende<br />

Transaktionen torpediert wurden:<br />

Der italienische Konzern Enel sollte das französische<br />

Suez nicht übernehmen, die Fusion<br />

zwischen dem deutschen Energieriesen E.ON<br />

und Spaniens Endesa rief die spanische Regierung<br />

auf den Plan. Skeptiker sehen bereits das<br />

Projekt der europäischen Einigung bedroht …<br />

Das Thema Anteilsbesitz scheint für die Europäer<br />

noch sensibler zu sein als der Welthandel<br />

selbst. Letzteren haben die Europäer ja inzwischen<br />

grundsätzlich akzeptiert. Aber mit Firmenverflechtungen<br />

tun sie sich immer noch<br />

sehr schwer.<br />

Ich denke, es braucht einfach noch seine Zeit, bis<br />

Europa sich auch mit diesen Folgen der internationalen<br />

Marktöffnungen abgefunden hat. Es<br />

sind ja vor allem politisch sensible Bereiche, in<br />

denen wirklich Probleme bestehen, wie die Energiebranche.<br />

Das europäische Einigungsprojekt<br />

werden diese Schwierigkeiten nicht bedrohen.<br />

11


12<br />

[Reportage]<br />

Die anatolischen Calvinisten<br />

Geldverdienen zählt nichts, wer Zinsen nimmt, ist ungläubig: Öffentlichen Vorurteilen<br />

nach schließen sich moslemischer Glaube und Kapitalismus aus. Dass das<br />

nicht stimmt, demonstriert die türkische Provinz Kayseri. In der Boomregion haben<br />

ehrgeizige Unternehmer eine sehr dynamische Arbeitsethik. Als islamische Calvinisten<br />

werden die gläubigen Entrepreneure bezeichnet. Kayseris Erfolg zeigt: Islam<br />

und Marktwirtschaft sind kein Widerspruch. Eine Reportage.


eportage aus einer überraschenden boomregion food for thought f<br />

13


p food for thought wer gut verdient, konsumiert – auch in kayseri<br />

Der Glaube hindert in Kayseri niemanden<br />

daran, sich erfolgreich<br />

wirtschaftlich zu betätigen. Die meisten<br />

Unternehmen haben eigene<br />

Gebetsräume. Die Arbeitsmoral der<br />

Menschen ist strikt.


Unternehmer Halil Hakkoymaz (links) opfert ein Schaf. Ein Arbeitsunfall<br />

in seinem Unternehmen verlief glimpflich, dafür dankt er Allah.<br />

glaube und gewinnstreben können miteinander einhergehen food for thought f


IBRAHIM YARDIMICI<br />

glaubt, dass die Mischung aus<br />

Geschäftssinn und Hilfsbereitschaft<br />

kulturelle Wurzeln hat: „Von<br />

Osten nach Westen werden<br />

die Menschen immer materialistischer.“<br />

Kayseri liegt zwischen Orient<br />

und Okzident. Logisch also,<br />

dass man hier Unternehmertum<br />

und Wohltätigkeit verbinde. Den<br />

Blick für soziale Probleme möchte<br />

Yardimici, Chef des Rohrbauunternehmens<br />

Erbosan, auch an<br />

seine Kinder weitergeben: „Ich<br />

zeige ihnen, wie arme Menschen<br />

leben müssen.“ Dabei aber darf<br />

das Geschäft nicht zu kurz kommen.<br />

„Natürlich wollen wir<br />

Geld verdienen.“<br />

ALPER PELIK ist in der konservativen<br />

Geschäftswelt Kayseris<br />

ein Paradiesvogel: „Wir sind das<br />

einzige Hightechunternehmen der<br />

Stadt.“ Die Firma des 38-Jährigen,<br />

Domino Electronics, stellt Fiberoptikkabel<br />

her. Zu den Vorteilen<br />

seiner Heimatstadt zählt Pelik weniger<br />

Fleiß und Gemeinsinn als<br />

die relativ niedrigen Lohnkosten.<br />

Bei den konservativen Industriekapitänen<br />

in Kayseri vermisst<br />

Pelik vor allem Risikobereitschaft<br />

und Innovationskraft: „Die Leute<br />

in Kayseri arbeiten hart, das ist<br />

richtig“, sagt Pelik mit einem<br />

Augenzwinkern. „Aber auch Esel<br />

arbeiten hart.“<br />

IKBAL CAVDAROGLU<br />

eröffnete vor 25 Jahren ein Buchhalterbüro.<br />

Damals war das<br />

eine Sensation: Als eine der ersten<br />

Frauen der Stadt wurde sie mit<br />

einem eigenen Unternehmen<br />

tätig. „Ich war ein Vorbild“, sagt<br />

die heute 44-jährige Cavdaroglu.<br />

Sie engagiert sich in der Frauenorganisation<br />

der islamischen<br />

türkischen Regierungspartei AKP,<br />

doch von einer streng islamischen<br />

Ideologie ist sie weit entfernt.<br />

Vom Zinsverbot im Islam<br />

beispielsweise hält sie nichts.<br />

SAFAK CIVICI sagt über ihre<br />

Mitbürger: „Die Leute hier sind<br />

wirklich sehr fleißig.“ Als gebürtige<br />

Schwäbin hat die 42-jährige<br />

Unternehmerin mit türkischen<br />

Eltern und deutschem Pass nicht<br />

nur einen Blick für die Arbeitsmoral<br />

der Kayserianer, sondern<br />

auch für deren spezielles Verhältnis<br />

zur Religion: „Kayseri beweist,<br />

dass man westlich sein und zugleich<br />

einen festen moslemischen<br />

Glauben haben kann.“ Civicis<br />

Unternehmen Sefes liefert allein<br />

nach Italien fast eine halbe Million<br />

Designerstühle.


Halil Hakkoymaz<br />

macht nicht<br />

viele Worte.<br />

Er wirft das<br />

Geld einfach<br />

auf den Tisch,<br />

zwei Scheine. Der<br />

Bauunternehmer in<br />

der zentralanatolischen<br />

Stadt Kayseri kommt häufig<br />

in das enge Büro der Armen-<br />

küche, um zu helfen. 200 Lira spendet<br />

Hakkoymaz diesmal, umgerechnet etwa 100<br />

Euro. Aber heute hat er noch mehr für die<br />

Armen übrig. Weil ein schwerer Arbeitsunfall<br />

in seiner Firma glimpflich ausgegangen<br />

ist, lässt er zum Dank ein Schaf schlachten.<br />

„In deinem Namen bringe ich dieses Opfer<br />

dar“, sagt der Metzger, ein kleiner, drahtiger<br />

Mann, in Richtung Hakkoymaz. Er setzt das<br />

Messer an die Kehle des Tieres. „Allah u<br />

akbar“, „Allah ist groß“, ruft Hakkoymaz.<br />

Dann steigt er in seinen alten Kombi und<br />

fährt zurück in seine Baufirma.<br />

An die 30 Armenküchen gibt es in Kayseri,<br />

meist von Geschäftsleuten finanziert. Nicht<br />

nur fleißig, sondern auch wohltätig und gottesfürchtig<br />

zu sein versteht sich für die<br />

Unternehmer von selbst. Kayseri, das ist die<br />

gelebte Verbindung von Islam und Moderne.<br />

Einerseits leben die Menschen strenggläubig.<br />

Andererseits, und das überrascht<br />

im vermeintlich rückständigen Anatolien,<br />

ist Kayseri eine ökonomische Erfolgsgeschichte.<br />

So ist die Stadt ein Beleg dafür,<br />

dass sich auch im Islam Glaube positiv auf<br />

ökonomischen Erfolg auswirken kann.<br />

Mit ihren rund 1,1 Millionen Einwohnern<br />

und 150 000 Arbeitnehmern produziert die<br />

Provinz Kayseri 70 Prozent aller in der<br />

Türkei verkauften Möbel und ein Prozent<br />

des weltweit getragenen Jeansstoffes. Das<br />

Industriegebiet außerhalb der Stadt ist<br />

2350 Hektar groß und Standort von mehr als<br />

500 Fabriken. Rund 100 Kilometer an asphaltierten<br />

Straßen gibt es hier – mehr als in den<br />

meisten anderen türkischen Landkreisen.<br />

Obwohl die Stadt mitten in Anatolien und<br />

damit fernab von allen Häfen liegt, haben<br />

sich die Exporte aus Kayseri ins Ausland<br />

seit dem Jahr 2000 auf etwa 540 Millionen<br />

Euro verdoppelt. Inzwischen klagen Unternehmer<br />

über Arbeitskräftemangel.<br />

Neben Baukränen prägen Moscheen das<br />

Stadtbild Kayseris. Etwa 500 Glaubenshäuser<br />

finden sich in der Stadt, eine der größten<br />

steht mitten im Industriegebiet. Zeichen<br />

von Frömmigkeit finden sich überall.<br />

Religiösen Extremismus jedoch sucht man<br />

vergeblich.<br />

Die Gläubigen in Kayseri agitieren nicht.<br />

Sie spenden lieber. 230 Millionen Euro Privatgelder<br />

seien seit dem Jahr 2000 geflossen,<br />

errechnete die türkische Zeitschrift<br />

„Aksiyon“. Viele öffentliche Gebäude wie<br />

Schulen wurden von privaten Spendern<br />

gebaut, mehrere Hundert Studenten erhalten<br />

Stipendien, besonders für die medizinische<br />

Ausbildung. Sie sollen später die medizinische<br />

Versorgung in der Stadt verbessern,<br />

so die Idee der Sponsoren – deren<br />

Engagement damit auch ein Stück Standortförderung<br />

darstellt.<br />

verschwendung ist in kayseri verpönt food for thought f<br />

Die Unternehmenskultur in der Stadt zeichnet<br />

sich durch eine schwäbisch anmutende<br />

Sparsamkeit aus. „Alle unnötigen Lampen<br />

ausschalten“, befiehlt ein Schild in der Textilfabrik<br />

Birlik Mensucat, einem Unternehmen<br />

mit immerhin 55 Millionen Euro Jahresumsatz.<br />

Seinen Reichtum expressiv zu genießen<br />

gehört sich ebenfalls nicht. So existiert<br />

kaum ein nennenswertes Nachtleben in<br />

Kayseri – während Geschäftsleute in Istanbul<br />

ihr Geld gern in teuren Nachtklubs ausgeben.<br />

„Unser Stil ist das nicht“, sagt der<br />

Möbelfabrikant Seffat Arslan naserümpfend.<br />

Gewinne werden in Kayseri nicht für<br />

den persönlichen Konsum eingesetzt, sondern<br />

investiert oder für gute Zwecke ausgegeben.<br />

„Mein Vater gab mir mit auf den<br />

Weg: Lüge nicht, bleibe ehrenhaft, und kalkuliere<br />

scharf“, sagt Mustafa Özhamurka,<br />

Chef von Birlik Mensucat.<br />

Das Erfolgsmodell Kayseri hat viel mit der<br />

früheren Erfahrung von Armut zu tun. Diese<br />

prägt noch heute die Rhetorik der Unternehmer:<br />

„Wir wissen, dass Geld sauer verdient<br />

werden muss“, sagt Ibrahim Yardimci, Chef<br />

des Rohrbauunternehmens Erbosan. „Ich<br />

bin jetzt 65 Jahre alt, aber ich kann mich<br />

erinnern, wie ich als Siebenjähriger auf der<br />

Straße Sesamkringel verkaufte, um Geld zu<br />

verdienen.“ Heute exportiert er Stahlrohre<br />

in 70 Länder überall auf der Welt.<br />

Die Sparsamkeit der Stadt wirkt sich nicht<br />

nur auf die Kultur der örtlichen Unternehmen<br />

aus, sondern auch auf die öffentliche<br />

Verwaltung. Bürgermeister Mehmet Özhaseki<br />

von der islamischen Regierungspartei<br />

AKP verkaufte kürzlich den städtischen<br />

Fuhrpark und setzte die Beamten in angemietete<br />

Fahrzeuge – ein Novum für die statusbewussten<br />

türkischen Staatsdiener.<br />

17


p food for thought unternehmer spenden für den bildungssektor<br />

18<br />

Özhasekis Amtsvorgänger Sükrü Karatepe<br />

war es, der den Terminus des „islamischen<br />

Calvinismus“ für die spezielle Mischung<br />

aus Fleiß und Frömmigkeit geprägt hatte.<br />

Der Begriff fand sich jetzt in einer gerade<br />

veröffentlichten Studie des europapolitischen<br />

Forschungsinstituts ESI wieder. Sie<br />

stellte Kayseri einem internationalen Publikum<br />

vor und stieß eine Debatte über die<br />

Kompatibilität von Islam und Moderne an.<br />

Das Ergebnis war den Bewohnern von Kayseri<br />

schon vorher klar: Es gibt keinen<br />

Gegensatz zwischen Erfolg und moslemischem<br />

Glauben. „Sonst hätten wir wohl<br />

kaum so ein großes Industriegebiet“, sagt<br />

die AKP-Lokalpolitikerin und Unternehmerin<br />

Ikbal Cavdaroglu. Sie ist die erste Frau,<br />

die in Kayseri ein eigenes Unternehmen<br />

gründete – eine Controllingfirma.<br />

Schon der Koran selbst betont das Recht auf<br />

Privateigentum. Der Prophet Mohammed<br />

war ein reicher Geschäftsmann.<br />

Der bekannteste Sohn Kayseris, der türkische<br />

Außenminister Abdullah Gül, sagte<br />

kürzlich in der BBC, die Menschen in seiner<br />

Heimatstadt praktizierten „die Art von<br />

Islam, die wir brauchen: Sie gehen in die<br />

Moschee, sie sind fromm, aber gleichzeitig<br />

sind sie wirtschaftlich sehr aktiv.“ Als Gül<br />

dem EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn<br />

zeigen wollte, wie Anatolien tickt, lud er<br />

ihn nach Kayseri ein. Die erstaunte Reaktion<br />

auf den Boom sage vor allem etwas<br />

EIN ANATOLISCHER TIGER<br />

Im Schatten des Berges Erciyes kann Kayseri<br />

auf eine lange Wirtschaftsgeschichte zurückblicken.<br />

Schon das antike Caesarea war ein<br />

bedeutendes Handelszentrum. Die Kayserianer<br />

von heute führen dies auch auf die Tatsache<br />

zurück, dass die Gegend weder Bodenschätze<br />

noch sehr viel fruchtbares Ackerland<br />

zu bieten hat: Kayseri war deshalb auf<br />

den Handel angewiesen.<br />

Heute ist Kayseri ein Wirtschaftszentrum in<br />

Anatolien und bildet mit Städten wie Gaziantep,<br />

Denizli oder Eskisehir die Riege der „anatolischen<br />

Tiger“. Elf der 20 größten Möbelhersteller<br />

der Türkei haben ihren Sitz in Kayseri.<br />

Die meisten Betriebe sind kleine und mittlere<br />

Unternehmen: Die Vereinigung der Kleinbetriebe<br />

und Handwerker der Stadt hat knapp<br />

46 000 Mitglieder.<br />

Die Arbeitslosenrate, in der Türkei wegen der<br />

ausgeprägten Schattenwirtschaft nur schwer<br />

zu ermitteln, liegt nach Einschätzung von<br />

Unternehmern unter sieben Prozent – im Landesdurchschnitt<br />

sind es weit mehr als zehn<br />

Prozent. Seit 1950 hat sich die Einwohnerzahl<br />

der Stadt Kayseri auf etwa 600 000 Menschen<br />

verzehnfacht. Der Wirtschaftsboom hat aber<br />

auch seine Schattenseiten: Nach Berechnungen<br />

des türkischen Statistikamtes ist dort die<br />

Luft so schlecht wie nirgends sonst im Land.<br />

Die typische soziale Ader von Unternehmern<br />

kommt besonders dem Bildungsbereich zugute.<br />

Nach Berechnungen der Wirtschaftszeitung<br />

„Referans“ spendeten Wohltäter in zwei Jahren<br />

54 Millionen US-Dollar.<br />

über die Europäer aus, findet der Politikwissenschaftler<br />

Fuat Keyman von der<br />

Istanbuler Koc-Universität. „Sie haben<br />

bemerkt, dass es auch außerhalb von Istanbul<br />

noch eine Türkei gibt.“ ESI-Chef Gerald<br />

Knaus verweist darauf, dass Kayseri für<br />

viele Gegenden in Anatolien stehen könne:<br />

Auch Städte wie Konya, Gaziantep oder<br />

Eskisehir verzeichneten beachtliche<br />

Wachstumsraten.<br />

Zwar lehnen einige Kommentatoren den<br />

Calvinismus-Vergleich ab, weil sie einen<br />

christlichen Vereinnahmungsversuch wittern.<br />

Gül und die meisten Unternehmer<br />

in Kayseri haben mit Calvin aber kein Problem<br />

– auch wenn sich dessen Prädestinationslehre,<br />

nach der ökonomischer Erfolg<br />

religiöse Auserwähltheit zeigt, nicht<br />

genau auf den moslemischen Glauben<br />

übertragen lässt. „Gott liebt den, der fleißig<br />

ist – das passt auch zu uns“, sagt Möbelfabrikant<br />

Arslan. Deshalb sähen es die<br />

Industriekapitäne in Kayseri gerne, wenn<br />

sich der Rest der Türkei etwas von ihnen<br />

abschauen würde. „Wenn die ganze Türkei<br />

so wäre wie Kayseri, dann hätten wir keine<br />

Probleme mit Europa“, sagt er und zieht an<br />

seiner Zigarette. Dann wendet er sich wieder<br />

den Zukunftsplänen für sein eigenes<br />

Unternehmen zu. Arslan will eine Fabrik in<br />

der armen Nachbarprovinz Yozgat bauen.<br />

Um Allah zu gefallen? Vielleicht. Vor allem<br />

aber winkt eine Steuerbefreiung.


„Ich glaube, dass das Auto heute<br />

das genaue Äquivalent der großen<br />

gotischen Kathedralen ist.“<br />

<strong>Roland</strong> Barthes, Philosoph<br />

„Small is beautiful.“<br />

E.F. Schumacher, Ökonom


DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />

188 Millionen<br />

„Chevys“ wurden seit<br />

Gründung der Traditionsmarke<br />

verkauft.<br />

An diesen Erfolg will<br />

GM mit seiner Offensive<br />

anknüpfen.<br />

20<br />

nGENERAL MOTORS<br />

richtet seine Markenstrategie neu aus.<br />

Chevrolet soll weltweit das Segment für<br />

Einsteiger abdecken. In Europa ist die<br />

Marke noch wenig bekannt.<br />

»Mit Chevrolet bieten<br />

wir auch Modelle<br />

unterhalb der<br />

10 000-Euro-Grenze<br />

an. Damit sind wir<br />

im Segment der<br />

preisaggressiven<br />

Anbieter vertreten.«<br />

CARL-PETER FORSTER, VICE PRESIDENT GM<br />

UND PRESIDENT VON GM EUROPA<br />

EINE MARKE MACHT TEMPO<br />

Verkaufte Autos von Chevrolet in Mio.<br />

Seit 2003 gehen die Zahlen nach oben.<br />

4,6 Chevrolet in Mio.<br />

4,4<br />

4,2<br />

4,0<br />

3,8<br />

3,7<br />

4,2<br />

4,4<br />

4,5*<br />

3,6<br />

3,4<br />

2001<br />

3,6<br />

2002<br />

3,6<br />

2003 2004 2005 2006<br />

* Schätzung<br />

Quelle: GM Europa<br />

Auto light<br />

KEIN SEGMENT DER AUTOMOBILBRANCHE IST SO WACHSTUMSTRÄCHTIG WIE DAS GESCHÄFT MIT BILLIG-<br />

AUTOS. BISHER HABEN HIER CHINESEN UND INDER DAS SAGEN. JETZT BAUEN ERSTE ETABLIERTE<br />

HERSTELLER EIGENE LOW-COST-MARKEN AUF. EIN REPORT DES AUTOJOURNALISTEN ULRICH VIEHÖVER.<br />

s<br />

DIE POSITIVE NACHRICHT ZUERST: Der Automobilindustrie<br />

steht eine glänzende Zukunft bevor. In 15<br />

Jahren wird die Branche deutlich mehr verkaufen als<br />

heute. Das Wohlstandswachstum in Indien oder China<br />

bedeutet, dass weltweit eine Explosion der Mobilität<br />

auf vier Rädern in Sicht ist. Doch wer profitiert davon?<br />

Klar ist: Mit der Nachfrage müssen die Unternehmen<br />

ihre Produktpaletten verändern. Mit Autos für 20 000<br />

Euro oder mehr sind die aufstrebenden Mittelklassen<br />

in Ostasien nicht zu beglücken. Sie wollen respektable<br />

Autos – für deutlich unter 10 000 Euro. Sie wollen<br />

Low-Cost-Cars. Die bekommen sie auch. Und zwar<br />

schon jetzt. Neue Billiganbieter aus China, Indien oder<br />

Russland launchen Automarken wie Chery, Tata oder<br />

Dacia – und verändern damit die Autowelt.<br />

Denn die jungen Tiger geben sich längst nicht<br />

mehr mit ihren Heimatmärkten zufrieden. Sie wollen<br />

den Westen erobern. Wie dynamisch sie dabei vorgehen,<br />

zeigt das Engagement des chinesischen Autobauers<br />

Geely Holding Group. Der erst 1997 in Zhejiang<br />

(Nordchina) gegründete private Autohersteller exportierte<br />

2004 bereits 64 Prozent eines bestimmten Produktsegmentes,<br />

seiner preiswert-robusten Sportwagen,<br />

nach Übersee. Anlässlich einer Präsentation in<br />

Europa stellte der Haupteigentümer und Firmenchef<br />

Shufu Li in Aussicht, „im Jahr 2015 zwei Drittel der<br />

gesamten Produktion zu exportieren oder in Übersee<br />

zu produzieren“. Als Größenordnung dafür nannte er<br />

1,4 Millionen Einheiten. „Das für den Exportmarkt<br />

geeignete Fahrzeug ist bereits entwickelt worden und<br />

reif für die Massenproduktion.“<br />

FÜR DIE ETABLIERTEN AUTOBAUER in Europa, den<br />

USA oder Japan wirft die Power von Managern wie<br />

Shufu Li die Frage auf: Lassen sie sich auf die neue<br />

Konkurrenz ein? Nehmen sie den Kampf um Kunden<br />

an, die neue Autos mit einem Mindestmaß an Service<br />

und Komfort wollen, dafür aber nur umgerechnet<br />

5000 bis 10 000 Euro auszugeben bereit sind? Insider<br />

glauben: Die Zeit drängt, sofern die Etablierten<br />

nicht die Fehler von früher wiederholen wollen, als sie<br />

die Japaner und Koreaner unterschätzt haben. Die<br />

Konzerne müssen selbst auf Billigautos setzen – und<br />

auf entsprechend positionierte Marken. Bei dem<br />

absehbaren Verdrängungskampf muss es den Platzhaltern<br />

gelingen, glaubwürdige Low-Cost-Labels zu<br />

etablieren, ohne vorhandene höherwertige Marken zu<br />

kannibalisieren. Denn mit nur einer oder zwei Marken<br />

ist diese Herausforderung nicht zu meistern.<br />

Zumindest sollte je eine starke Mittel-, Premium-<br />

und Billigmarke am Markt sein. „Mit einer<br />

Marke allein können sie nicht vom Niedrigpreissektor<br />

bis zum Luxussegment alles abdecken. Die Markenspreizung<br />

würde die Belastbarkeit jeder Marke übersteigen“,<br />

sagt Carl-Peter Forster, Chef von GM Europa.<br />

BISHER ABER VERFOLGEN nur wenige Firmen<br />

offensiv eine solche Vorwärtsstrategie. Um dem Verfall<br />

der Margen zu begegnen, stürzen sich die meisten<br />

momentan lieber auf das Premiumsegment. Verständlich<br />

– die komfortablen Hightechwagen erzielen<br />

höhere Preise und versprechen gute Gewinne. Aber:<br />

Der Premiummarkt ist allmählich ausgeschöpft, weil<br />

er langsamer wächst und trotzdem weitere Anbieter<br />

anlockt. Für den Designer und Geschäftsführer der<br />

Hymer idc, Johann Tomforde, ist das „ein gefährlicher<br />

Weg, wenn fast alle in die gleiche Richtung stürmen<br />

und Kunden vernachlässigen, die sich keine so teuren<br />

Autos leisten können“. Die Manager verlören Millionen<br />

potenzieller Kunden aus den Augen. Tomforde:<br />

„Trotz allem Streben nach Hightech sollten die Autofirmen<br />

nicht vergessen, für wirklich preisgünstige,<br />

individuelle Mobilität zu sorgen.“ Und zwar mit Marken<br />

unterhalb der Premium-Brand.<br />

Einen ersten zaghaften Schritt in diese Richtung<br />

stellte dem früheren Mercedes-Manager Tom-


forde zufolge der Kleinwagen Smart von Daimler-<br />

Chrysler dar. Mit dem Smart versuchte der Konzern,<br />

eine neue Marke unterhalb des bisherigen Portfolios<br />

zu etablieren. Doch das Auto wurde zu teuer für echte<br />

Einsteiger. Und: Als Produkt für die entstehende chinesische<br />

oder indische Mittelklasse hätte sich der<br />

lustige Autoball ohnehin nicht geeignet.<br />

DOCH DIE CHANCEN für einen robusten und<br />

preiswerten Einstiegswagen sind heute größer denn<br />

je. Der Weltmarkt für Billigautos expandiert in den<br />

kommenden Jahren weltweit. Eine aktuelle <strong>Roland</strong>-<br />

<strong>Berger</strong>-Studie prognostiziert, dass im Jahr 2012 jährlich<br />

18 Millionen Autos für unter 10 000 Euro verkauft<br />

werden (siehe Kasten Seite 25). Das sind vier Millionen<br />

mehr als heute, womit der Zuwachs des Low-<br />

Cost-Segments klar über dem generellen Wachstum<br />

auf dem Automarkt liegen dürfte.<br />

Wachstumsstärkste Märkte werden der Studie<br />

zufolge China und Indien sein. 2,6 Millionen Einstiegsautos<br />

dürften allein in dem chinesischen Riesenreich<br />

im Jahr 2012 ihre Käufer finden. Insgesamt<br />

erwarten die <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Experten, dass die Chinesen<br />

dann Jahr für Jahr rund 6,4 Millionen Autos<br />

erwerben – und damit einen größeren Markt bilden<br />

werden als Japan.<br />

Auch im wohlhabenden Westen wächst das<br />

Marktpotenzial für die Einsteigerautos. Ein Grund: das<br />

veränderte makroökonomische Gefüge. Europas Wirtschaften<br />

wachsen langsam, was die Durchschnittseinkommen<br />

drückt und so die Nachfrage nach kostengünstigen<br />

Autos anheizt. Und die US-Ökonomie<br />

legt zwar stärker zu; doch davon profitierten die Käufer<br />

von Mittelklasseautos nur begrenzt: Der durchschnittliche<br />

Preis eines Neuwagens stieg zwischen<br />

1980 und 2003 um 2,2 Prozent und damit stärker als<br />

die Einkommen aller Amerikaner mit Ausnahme der<br />

reichsten fünf Prozent. Experten wie Ferdinand<br />

Dudenhöffer, Professor an der Fachhochschule Gelsenkirchen,<br />

rechnen folglich mit einem starken Verdrängungswettbewerb<br />

bei den Volumenherstellern.<br />

Auch das Premiumsegment sei davon betroffen.<br />

Dieses besäße zwar mit rund 40 Prozent (auf sieben<br />

Millionen Wagen weltweit) noch ein deutliches<br />

Steigerungspotenzial. Aber diese gehobene Klasse<br />

„wächst nach unten“, ihr durchschnittliches Preisni-<br />

Das Marktpotenzial für Einsteigerautos wächst weltweit DOSSIER #08<br />

veau sinkt. Die zu erwartenden neuen Wettbewerber<br />

sorgen für einen zunehmend engeren Markt. Fazit:<br />

Das warme Plätzchen in der Nische „Premium“ könnte<br />

auf Dauer zu einem teuren Luxus werden.<br />

Die Unternehmen wären also gut beraten, auf<br />

die Klasse der erschwinglichen Vehikel zu schielen.<br />

Diese spricht gerade auch im wohlhabenden Westen<br />

Käuferschichten an, die sich bisher nur einen „Gebrauchten“<br />

leisten können. Der Trend scheint hier<br />

dahin zu gehen, lieber einen billigen Neuwagen mit<br />

solidem Service- und Ausstattungspaket zu kaufen<br />

als einen fahrtüchtigen Gebrauchtwagen. Eine Befragung<br />

des Instituts für Automobilwirtschaft der Hochschule<br />

für Wirtschaft in Nürtingen ergab auf der Internationalen<br />

Automobilausstellung 2005 in Frankfurt<br />

eine hohe Akzeptanz der ausgestellten „Low-Budget-<br />

Autos“. Fast jeder dritte Besucher (31 Prozent) gab an,<br />

neugierig auf die ausgestellten Geldsparer zu sein.<br />

Gerade jüngere Kunden (18- bis 35-Jährige) könnten<br />

sich vorstellen, ein Low-Budget-Auto als Erst- oder<br />

Zweitwagen zu kaufen.<br />

HINTER DEN WERKSTOREN arbeiten daher auch<br />

viele Unternehmen inzwischen an Strategien für Billigautos.<br />

Manche gehen in aller Stille auf Partnersuche.<br />

Andere, wie General Motors, gehen in Sachen<br />

Low-Cost-Car zum Angriff über. Der Absatzchampion<br />

ist dabei, die Vielzahl seiner Labels – in Amerika allein<br />

sieben – zu straffen und die restlichen exakt auf eine<br />

klar definierte Zielgruppe zu fokussieren. Unter der<br />

Haube bedienen sich einzelne Marken der gleichen<br />

Bauteile aus einer GM-Komponentenmatrix. Das mini-<br />

ULRICH VIEHÖVER Der Wirtschaftsjournalist<br />

und Buchautor Ulrich Viehöver lebt und<br />

arbeitet in Stuttgart. Sein Themenschwerpunkt<br />

ist die Automobilindustrie. Zu seinen wichtigsten<br />

Büchern zählen eine Biografie über den<br />

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sowie eine<br />

Sammlung – „Die EinflussReichen“ – über<br />

zwölf Unternehmen von Milliardärsfamilien in<br />

Deutschland.<br />

www.ulrichviehoever.de<br />

21


DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />

22<br />

nDIE FORD MOTOR COMP.<br />

steckt in der größten Krise ihrer Firmengeschichte.<br />

Im dritten Quartal<br />

2006 schrieb Ford mit 5,8 Milliarden<br />

US-Dollar den zweithöchsten Verlust.<br />

67Prozent der<br />

Ford-Autos sind<br />

Klein- und Kompaktwagen.<br />

Doch diese<br />

sind zu teuer und<br />

verbrauchen zu viel.<br />

»Die aktuellen<br />

Geschäftszahlen<br />

sind inakzeptabel.<br />

Wir müssen nun entschieden<br />

bei der<br />

Entwicklung kleinerer<br />

und verbrauchsgünstiger<br />

Autos vorankommen.«<br />

ALAN MULALLY, CEO UND PRESIDENT DER<br />

FORD MOTOR COMP.<br />

FORD IM RÜCKWÄRTSGANG<br />

6,8 Millionen Autos verkaufte Ford<br />

2005 – weit weniger als 2002.<br />

7,1 Pkw in Mio.<br />

7,0<br />

7,0<br />

7,0<br />

6,9<br />

6,8<br />

6,7<br />

6,6<br />

2001<br />

6,7<br />

6,8 6,8<br />

2002 2003 2004 2005<br />

Quelle: Ford Europa<br />

miert die Kosten und ermöglicht nach Ansicht von<br />

GM-Manager Forster den Bau preisgünstiger Modelle,<br />

weltweit unter dem Namen Chevrolet.<br />

Das Brot-und-Butter-Auto von General Motors<br />

geht somit als einzige Marke im Konzern global an<br />

den Start. Forster: „Mit Chevrolet bieten wir auch<br />

Modelle deutlich unterhalb der 10 000-Euro-Grenze<br />

an. Damit sind wir im Segment der preisaggressiven<br />

Anbieter vertreten.“ Mit Volldampf sind die Amerikaner<br />

nun dabei, die Kapazitäten von Russland über<br />

Korea und China bis Südamerika hochzufahren.<br />

„Chevrolet zeigt besonders in Osteuropa ein stürmisches<br />

Wachstum. 2006 werden wir 300 000 Einheiten<br />

erreicht haben.“ Forster sieht gar einen Vorteil für<br />

Europas Autowelt: „GM Europa wird die Produktion von<br />

verschiedenen Chevrolet-Modellen aus Asien nach<br />

Europa holen. Das sichert Markenwachstum, aber<br />

auch Beschäftigung.“<br />

AUCH DER FRANZÖSISCH-JAPANISCHE Zwillingskonzern<br />

Renault-Nissan forciert eine Strategie für das<br />

Einstiegssegment – mit der Marke Dacia, ursprünglich<br />

ein rumänisches Label. „Die Marke ist auf die<br />

neuen Wachstumsmärkte ausgerichtet, mit Fahrzeugen,<br />

die modern, robust und erschwinglich sind“,<br />

argumentiert die Renault-Spitze. Mit ihrer Billigmarke<br />

nehmen die Franzosen gezielt auch den schmaler<br />

werdenden Geldbeutel von Käufern in westlichen<br />

Ländern ins Visier.<br />

Dacia-Zugpferd ist der Logan, der ab 2007 in<br />

sieben Ländern, darunter Russland, Indien, Marokko<br />

und Brasilien, produziert und in 42 Ländern verkauft<br />

wird. Im Auto-light-Segment soll der Logan nach Überlegungen<br />

von Ghosn & Co. „Renault einen Vorsprung<br />

verschaffen“. Mit seiner Strategie fühlt sich der weltweit<br />

viertgrößte Autokonzern gut gerüstet, um sich ab<br />

2009 „dauerhaft als profitabelster Volumenhersteller<br />

zu positionieren“. Aufgrund des bisherigen Erfolgs<br />

möchte die Renault-Zentrale in Paris „die Kapazität<br />

des Logan erhöhen, da die Nachfrage sehr stark ist“.<br />

Auch andere Konzernvorstände haben die Themen<br />

„Einstiegssegment und Kleinwagen“ auf der<br />

Agenda. So hat der Wolfsburger Autokonzern Volkswagen,<br />

einen günstigen Einsteiger im Blick. Mit welcher<br />

Marke die Norddeutschen freilich wo antreten wollen,<br />

ist noch offen. Als Zwischenlösung schickte VW den<br />

in Brasilien produzierten Fox (Grundpreis: 8950 Euro)<br />

an den Start. Doch unter welchem Namen und in welcher<br />

Region bald ein Fox-Nachfolger gebaut werden<br />

soll, das wird der Konzern erst noch entscheiden. Die<br />

Basis für ein neues Einstiegsmodell, so wird der<br />

scheidende Vorstandschef Pischetsrieder zitiert,<br />

„könnte auch ein Skoda oder Seat liefern“. Und vielleicht<br />

ergibt sich bald – für VW vielleicht noch günstiger<br />

– ein Deal mit DaimlerChrysler.<br />

Nach dem Fehlstart mit dem Smart zeichnet<br />

sich bei dem deutsch-amerikanischen Autobauer der<br />

Chrysler Dodge als Einstiegsmodell für den internationalen<br />

Markt ab. Konzernchef Dieter Zetsche brachte<br />

diese Option jüngst ins Gespräch. Um die Kosten so<br />

niedrig wie möglich zu halten, strebt dieser zudem<br />

eine Kooperation mit einem oder mehreren Partnern<br />

an. Eine Entscheidung soll „noch in diesem Jahr“ fallen.<br />

Außer mit VW, Hyundai, Mitsubishi und PSA (Peugeot)<br />

steht das Management auch mit dem chinesischen<br />

Autobauer Chery in intensivem Kontakt. Die<br />

Chinesen sind wohl der Wunschkandidat Zetsches für<br />

sein Kleinwagenkonzept. Dafür spreche „schlicht und<br />

einfach das Preis-Leistungs-Verhältnis“, äußerte er<br />

gegenüber der Presse.<br />

Auch bei Ford kommt Bewegung ins Billigbusiness.<br />

So sieht der neue Präsident und Vorstandschef<br />

Alan Mulally in der Entwicklung kleinerer und verbrauchsgünstiger<br />

Fahrzeuge einen Beitrag zur Sanierung<br />

des angeschlagenen Riesen. Das Unternehmen<br />

müsse hier endlich entscheidend vorankommen. Ford<br />

verliert im Mutterland seit Monaten Marktanteile, weil<br />

dort günstige Alternativen zu den spritfressenden<br />

Modellen fehlen.<br />

AUF US-VERHÄLTNISSE übertragen, bedeutet<br />

Mulallys Vorgabe, dass das „Segment B“ (Fiesta) und<br />

„Segment C“ (Focus) kräftig ausgebaut werden sollen.<br />

Erste Schritte in Richtung Kleinstwagen leitete das<br />

Management in Europa bereits ein. So wollen die Amerikaner<br />

ihr künftiges Einstiegsmodell, einen Nachfolger<br />

des Ka, zusammen mit Fiat ab 2007/08 in Polen<br />

bauen. Der geplante Zwerg von Ford wird sich an der<br />

8000-Euro-Linie bewegen. Ähnlich preiswert dürften<br />

die Italiener auch ihren 500-er made in Polen anbieten.<br />

Beide Partner wollen in dem polnischen Werk gut<br />

240 000 Einheiten fertigen.


WEIL KLEIN- UND KLEINSTWAGEN eine Fiat-Domäne<br />

sind, suchen auch die Italiener seit der Trennung<br />

von General Motors intensiv nach Partnern, um künftige<br />

Modelle preiswerter fertigen zu können. „Die Einigung<br />

mit Ford auf eine Zusammenarbeit hat das Ziel,<br />

die industriellen Kosten der neuen Produkte und Plattformen<br />

zu teilen“, bestätigt der Vorsitzende im Vorstand<br />

der Fiat SpA, Sergio Marchionne. Doch bei dem<br />

Deal mit Ford allein will Marchionne nicht stehen bleiben.<br />

„Wir werden weiter an internationalen Allianzen<br />

arbeiten.“ Inzwischen gab der Manager bekannt, ein<br />

Einstiegsmodell (um die 7000 Euro) gemeinsam mit<br />

Tata Motors in Indien bauen zu wollen. „Tata hat in<br />

puncto Low Cost schon gute Arbeit geleistet. Wir werden<br />

Know-how und Geld dazu einbringen“, beschreibt<br />

der Fiat-Chef die avisierte Arbeitsteilung.<br />

Wie ernst der Konzern die Bedrohungen aus<br />

Asien nimmt, belegen auch die Äußerungen von Fiat-<br />

Chairman Luca di Montezemolo. Dieser warnt: „Alle<br />

Europäer müssen sehr auf der Hut sein vor dem<br />

Potenzial und der Stärke der chinesischen Herausforderung,<br />

die für uns aber neue Chancen eröffnet.“ Der<br />

Aufseher der gesamten Gruppe drängt sein Haus,<br />

rascher auf die Chinesen zuzugehen und mit ihnen<br />

„weitere Deals und Joint Ventures einzufädeln“.<br />

OHNE NEUE MARKE dürfte Toyota auskommen.<br />

Die Japaner beschreiten den Weg der Drei-Marken-<br />

Strategie: Oben thront der Lexus, die Marke Toyota<br />

deckt die breite Mitte ab. Und mit Daihatsu verfügen<br />

Fiat will günstiger werden – und kooperiert in Indien mit Tata DOSSIER #08<br />

die Japaner über eine etablierte Low-Cost-Marke. Mit<br />

diesem Trio glaubt der Konzern die künftigen Herausforderer<br />

aus China oder Indien in Schach halten zu<br />

können. „Wir wachsen weiter aus eigener Kraft und<br />

wollen nicht der Versuchung erliegen, in großem Stil<br />

zuzukaufen“, heißt es aus dem Hause.<br />

DAS THEMA „BILLIGAUTO“ lassen die Japaner im<br />

Vertrauen auf Daihatsu eher gelassen auf sich zukommen.<br />

Selbstbewusst ergänzt ein Manager: „Toyota<br />

macht nie Dinge, die wirtschaftlich sinnlos sind.“ Zielsicher<br />

peilen sie „um das Jahr 2010 einen Weltmarktanteil<br />

von 15 Prozent an“ – womit Toyota auch General<br />

Motors entthronen würde. Laut sagen sie das nicht,<br />

aber sie würden das natürlich als einen Triumph ihrer<br />

klaren Markenstrategie feiern.<br />

Viele Unternehmen rühmen die Vorbildfunktion<br />

der Japaner, aber kaum ein Wettbewerber erreicht das<br />

Original. Ein Unternehmen aber wandelt gedanklich<br />

auf Toyotas Spuren, eines, das selbst keine Fahrzeuge<br />

herstellt: Robert Bosch. Der weltgrößte Automobilzulieferer<br />

betrachtet das Geschäft mit Billigautos als<br />

„ein wichtiges Thema“, bekräftigt der für den Bereich<br />

Automotive zuständige Chef Bernd Bohr.<br />

Er beobachtet eine Spaltung des Marktes: „Das<br />

Premiumsegment hält sich und wächst wertmäßig<br />

noch etwas, während sich die Tendenz zu Billigautos<br />

verstärken wird. Die große Mitte schrumpft, sie wird<br />

von oben und vor allem unten angeknabbert.“ Bosch<br />

investiert kräftig ins Geschäft mit Kleinfahrzeugen<br />

DAS MARKENPORTFOLIO VON GENERAL MOTORS<br />

Chevrolet positioniert das Unternehmen künftig als globale Einsteigermarke. Die Mittelklasse wird je nach<br />

Region mit eigenen Markenkombinationen angesprochen. Im Luxusbereich residiert Cadillac.<br />

Nordamerika Europa Lateinamerika Asien/Pazifik<br />

Luxus Cadillac Cadillac Cadillac Cadillac<br />

Premium Hummer, Saab Hummer, Saab Hummer, Saab Hummer, Saab<br />

Mittelklasse Buick, GMC Opel Chevrolet Buick<br />

Pontiac, Saturn Vauxhall Holden<br />

Einstiegsklasse Chevrolet Chevrolet Chevrolet Chevrolet<br />

23


DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />

24<br />

nROBERT BOSCH<br />

Ohne den weltweit größten Lieferanten<br />

der Fahrzeugindustrie liefe der technische<br />

Fortschritt im Bereich der Billigautos<br />

erheblich langsamer.<br />

2,5 Milliarden<br />

Euro investierte<br />

Bosch 2005 in F&E.<br />

Die Automobilzulieferer<br />

forcieren mit<br />

Innovationen den<br />

Trend zu Billigautos.<br />

»Es ist nicht unwahrscheinlich,<br />

dass sich<br />

aus den Low-Cost-<br />

Lösungen wieder<br />

neue, etwas aufgewertete<br />

Varianten für<br />

den westlichen Markt<br />

ableiten lassen.«<br />

BERND BOHR, GESCHÄFTSFÜHRER VON BOSCH<br />

UND VORSITZENDER DES BEREICHS AUTOMOTIVE<br />

UMSÄTZE IM AUTOMOTIVE-BEREICH<br />

Der Absatz mit Zulieferprodukten für<br />

die Autobranche steigt bei Bosch stetig.<br />

27 Mio. Euro<br />

26<br />

25<br />

24<br />

23<br />

22<br />

23,2<br />

23,4<br />

23,6<br />

25,0*<br />

26,3*<br />

2001<br />

* Nach IFRS<br />

2002 2003 2004 2005<br />

Quelle: Rob. Bosch<br />

und Billigautos. „Für uns ist diese Erkenntnis von<br />

strategischer Wichtigkeit“, betont Bohr. Denn Bosch<br />

will sowohl an dieser raschen Expansion teilnehmen<br />

als auch selbst dazu beitragen, „mit neuen technischen<br />

Ansätzen passende und preiswerte Lösungen<br />

zu finden“. Denn es sei keinesfalls damit getan, „Uralttechniken<br />

auszugraben oder bisherige Techniken einfacher<br />

zu machen“. Die Ansprüche würden auch in<br />

Indien oder China größer.<br />

Für Bohr gibt es noch ein schlagendes Argument,<br />

sich mit dem Thema „Auto light“ zu befassen:<br />

„Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich aus den<br />

Low-Cost-Lösungen wieder neue, etwas aufgewertete<br />

Technikvarianten für den westlichen Markt ableiten<br />

lassen.“ Diese wären für künftige hiesige Autos im<br />

unteren Preissegment bedeutsam. Mit Beispielen hält<br />

sich Bohr bedeckt, nur so viel: Aufwendige Sensorik<br />

könnte etwa wegfallen und bei kleineren Motoren<br />

durch intelligente Software ersetzt werden. Ebenso<br />

sind robuste Common-Rail-Systeme für Zweizylindermotoren<br />

oder ABS mit sehr kleinen Pumpen in Planung.<br />

Und neben der Fertigung vor Ort profitiert Bosch<br />

stark von der direkten Präsenz in den Entwicklungsländern.<br />

Bohr: „Wir lernen da sehr viel über die lokalen<br />

Märkte und bekommen so ein Gefühl für die Bedürfnisse<br />

der Kunden.“<br />

NICHT ZUR DEBATTE steht eine spezielle Low-<br />

Cost-Marke hingegen für die BMW Group. Konzernchef<br />

Norbert Reithofer erklärt: „Unser Unternehmen hat<br />

eine besondere Philosophie von Premiumprodukten.“<br />

BMW hält an der bewährten Ausrichtung auf technische<br />

Innovation fest. Reithofer: „Wie auf der Produktseite<br />

werden wir unsere Marktoffensive konsequent<br />

weiterführen. Wir sind derzeit international<br />

hervorragend aufgestellt. Vertriebsseitig gibt es<br />

eigentlich nur zwei echte globale Premiumhersteller,<br />

und wir sind einer davon.“ Wie sein Vorgänger Helmut<br />

Panke verfolgt Reithofer ehrgeizige Ziele: „Im Geschäftsjahr<br />

2010 wollen wir insgesamt 1,6 Millionen<br />

Automobile ausliefern. Dieses kräftige Absatzwachstum<br />

bildet die Grundlage für unsere weiterhin profitable<br />

Entwicklung.“<br />

Freilich, die exklusive Klasse, in der BMW zu<br />

Hause ist, bleibt klein. Auch künftig bringt es die<br />

gesamte Gruppe nur auf einen globalen Marktanteil<br />

von rund 2,5 Prozent. Es ist also ein Wachstum auf<br />

niedrigem Niveau. Und: Ganz geht der Trend nach<br />

unten auch an den Bayern nicht vorbei. So will Chef<br />

Reithofer „die Einser-Reihe mit neuen Varianten ergänzen“.<br />

Dazu dürften auch preiswerte Einsteigermodelle<br />

zählen.<br />

Wie einst mit Rover eine Massenmarke einfach<br />

zu kaufen, um aus der Nische herauszufahren, ist für<br />

Reithofer derzeit aber kein Thema. Ein Markenportfolio,<br />

das nicht zusammenpasse – Premium- und Massenmarken<br />

– könne problematisch sein. Das Rover-<br />

Debakel steckt BMW noch in den Knochen.<br />

DOCH ALLES IN ALLEM GILT: „Mehr Auto fürs<br />

Geld“, „Value for Money“ – das sind die Zeichen der<br />

Zeit. Die Fahrzeugindustrie, deren Preise bisher stetig<br />

kletterten, mag diese Botschaft befremden. Doch mit<br />

den Billigautos aus China, Indien oder Russland wird<br />

der Weltmarkt explodieren und die Mengen-Preis-<br />

Kostenrelationen verschieben. Mit dem (Welt-)Auto<br />

light sinken die Preise insgesamt. Ein Blick auf andere<br />

Branchen, die eine solche Entwicklung längst<br />

durchmachen, bestätigt diese These. Aktuell wirkt<br />

die Preisumkehr etwa im Airline-Business oder im<br />

Telekommunikations- und Hotelsektor. Die Fernsehoder<br />

Elektronikindustrien dagegen haben den Preisverfall<br />

bereits hinter sich, ebenso wie die Bekleidungs-<br />

oder Schuhmode.<br />

Und die Uhrenbranche. Verantwortlich dafür<br />

war nicht zuletzt der Swatch-Uhr-Erfinder Nicolas<br />

Hayek. Für ihn steht fest, dass das Ansehen eines Produkts<br />

nicht vom Preis abhängt, sondern Image nur<br />

das Resultat einer gelungenen Inszenierung ist. Ob<br />

erschwinglich oder sündhaft teuer, ob als Massenoder<br />

Nischenprodukt – das Wichtigste ist stets die<br />

Kunst, die Marken glaubwürdig darzustellen und messerscharf<br />

vom Wettbewerb abzugrenzen.<br />

HAYEK ERINNERT an die strategische Rolle der<br />

Billiguhr Swatch: „Erstens sollte sie Volumen erzeugen,<br />

damit wir unsere Fabriken beschäftigen und am<br />

Leben erhalten konnten. Zweitens sollte sie an der<br />

Basis die Rolle einer Brandmauer spielen, welche die<br />

japanische Konkurrenz davon abhielt, sich noch weiter<br />

auf diesen Markt vorzukämpfen.“ Und das klingt<br />

verdammt nach der Autobranche.


ÜBERKAPAZITÄTEN IN CHINA<br />

Große Überkapazitäten zeichnen momentan die<br />

chinesische Autoindustrie aus. Allein General<br />

Motors hätte dort im Jahr 2005 247 000 Autos<br />

mehr produzieren können, als das Unternehmen<br />

im Jahr zuvor verkauft hatte. Diese Lage dürfte<br />

sich künftig noch weiter verstärken.<br />

OEM 2004 Verkäufe 2005 Kapazität<br />

VW 1 655 000 ≈ 900 000<br />

GM (SGM) 253 000 ≈ 500 000<br />

Honda 2 213 000 ≈ 300 000<br />

Nissan 82 000 ≈ 150 000<br />

Toyota 93 000 ≈ 150 000<br />

PSA 89 000 ≈ 150 000<br />

Fiat 27 000 ≈ 100 000<br />

Kia 27 000 ≈ 130 000<br />

Chery 87 000 ≈ 200 000<br />

Geely 92 000 ≈ 150 000<br />

1) (SVW + FAW – VW), 2) (Guangkhou + Dongfeng Honda)<br />

Quelle: China Autoinfo, Morgan Stanley Research<br />

Die Überkapazitäten in China wachsen<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

2003 2004<br />

Kapazität<br />

2005 2006 2007 2008<br />

Nachfrage der lokalen Industrie<br />

Industry Utilization Rate<br />

Quelle: China Autoinfo, Morgan Stanley Research<br />

INDER WOLLEN AUCH SERVICE<br />

Kosten, Service und Qualität sind die wichtigsten<br />

Kriterien für indische Autokäufer. Die Bedeutung<br />

des Service hängt mit der Kaufkultur zusammen.<br />

Autos werden für die gesamte Lebensdauer angeschafft,<br />

nur wenige verkaufen sie wieder.<br />

3<br />

Quelle: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

4 4<br />

Kaufpreis<br />

Unterhaltskosten<br />

Sicherheit<br />

Qualität/ Zuverlässigkeit<br />

Service<br />

Design<br />

1<br />

2<br />

1<br />

100 %<br />

90 %<br />

80 %<br />

70 %<br />

60 %<br />

50 %<br />

40 %<br />

30 %<br />

20 %<br />

10 %<br />

0%<br />

0<br />

Brand/Image<br />

Billigmarken müssen sich von starken Dachmarken unabhängig machen DOSSIER #08<br />

Recht und billig<br />

DER MARKT FÜR AUTOS UNTER 10 000 EURO WÄCHST IN DEN KOMMENDEN JAHREN<br />

RASANT. VOR ALLEM CHINA UND INDIEN LEGEN ZU, SO EINE AKTUELLE ROLAND-BERGER-<br />

STUDIE. GRÖSSTER MARKT BLEIBT AUCH KÜNFTIG EUROPA.<br />

18 MILLIONEN AUTOS für unter 10 000 Euro<br />

dürften im Jahr 2012 jährlich verkauft werden,<br />

so eine aktuelle Untersuchung von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Strategy Consultants. Das sind vier Millionen<br />

mehr als heute, womit der Zuwachs des Low-<br />

Cost-Segments klar über dem generellen<br />

Wachstum auf dem Automarkt liegen dürfte.<br />

Den größten Anteil hat trotz vergleichsweise<br />

niedrigem Marktwachstum weiter die<br />

Europäische Union mit 5,8 Millionen verkauften<br />

Fahrzeugen, vor Japan und China (je 2,6 Millionen).<br />

1,5 Millionen Autos dürften in Indien und<br />

Brasilien jeweils ihre Käufer finden. Vergleichsweise<br />

distanziert stehen weiterhin die US-Konsumenten<br />

dem Niedrigpreissegment gegenüber<br />

– 700 000 verkaufte Fahrzeuge prognostiziert<br />

die Untersuchung hier.<br />

Die Autoindustrie durchläuft damit eine<br />

Entwicklung, wie sie sich etwa in der Hotel-, Airline-<br />

oder Textilindustrie in den vergangenen<br />

Jahren vollzog: das Verschwinden der Mittelklasse.<br />

Kunden wollen entweder echten Luxus<br />

oder echte Wirtschaftlichkeit. Die rasant wach-<br />

sende Nachfrage nach preiswerten Autos verschafft<br />

kostengünstig produzierenden Autobauern<br />

in Wachstumsländern wie China (Chery,<br />

Geely) oder Indien (Tata, Maruti) einen Startvorteil.<br />

Doch auch westliche und japanische Autokonzerne<br />

können den Nachfrageboom nutzen –<br />

wenn sie sich auf die veränderten Wettbewerbsbedingungen<br />

einlassen. Sechs Paradigmen<br />

gilt es für Unternehmen mit Interesse am<br />

Low-Cost-Bereich zu beachten. Sie müssen<br />

p sich von kostentreibenden Overhead-<br />

Strukturen unabhängig machen,<br />

p die Konzentration auf die Stärke der Dachmarke<br />

zurückfahren,<br />

p ihre Produkte auf einfache Funktionalitäten<br />

beschränken,<br />

p in Entwicklung, Beschaffung und Produktion<br />

die Kosten konsequent senken,<br />

p auf Wachstumsmärkten die je eigenen<br />

Marktbedingungen beachten und<br />

p die Kosten durch strategische Partnerschaften<br />

in Infrastruktur und Komponentenaustausch<br />

gering halten.<br />

WESTEUROPÄISCHE IM- UND EXPORTE VON EINSTIEGSAUTOS (2005)<br />

Import Export<br />

Nordamerika<br />

Quellen: J.D. Power; <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Südamerika<br />

57463<br />

EU-25-Exporte:<br />

164 610<br />

EU-15<br />

640 193<br />

66100 654 411<br />

Nicht-EU-Exporte:<br />

397 329<br />

Türkei: 105 700<br />

Schweiz: 31900<br />

Im Bereich der Low-Cost-Autos ist Europa ein klarer Nettoimporteur. Gut<br />

640 000 Autos wurden im Jahr 2005 allein aus Osteuropa in die EU geliefert.<br />

Osteuropa<br />

Asien<br />

25


DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />

26<br />

CARLOS GHOSN wurde 1954 im brasilianischen<br />

Porto Velho geboren. Er wuchs<br />

im Libanon auf und studierte an der französischen<br />

École Polytechnique. Nach seinem<br />

Ingenieurstudium arbeitete er von<br />

1978 an 18 Jahre lang bei Michelin. Nach<br />

zwölf Jahren bei dem Reifenproduzenten<br />

übernahm er dessen Nordamerika-Geschäft.<br />

1996 heuerte Ghosn bei Renault<br />

an. Für den französischen Autohersteller<br />

sanierte er die kriselnde Konzernbeteiligung<br />

Nissan. Zur Belohnung wurde Ghosn<br />

als Nachfolger von Louis Schweitzer Renault-Chef.<br />

Trotz zuletzt enttäuschender<br />

Absatzzahlen gilt er als Erfolgsmanager<br />

und wird regelmäßig für Spitzenposten in<br />

der globalen Autoindustrie gehandelt.


In ihrer Zusammenarbeit setzen Renault und Nissan auf Parität DOSSIER #08<br />

Globalisierung plus Identität<br />

WENN IMMER EIN AUTOBAUER KRISELT, IST RENAULT-NISSAN-CEO CARLOS GHOSN ALS RETTER IM GE-<br />

SPRÄCH. GEGENÜBER DEM AUTOJOURNALISTEN MARK PHELAN ERLÄUTERT ER EXKLUSIV FÜR THINK:ACT,<br />

WARUM DIE RENAULT-NISSAN-ALLIANZ EIN VORBILD IST, ABER EINEN DRITTEN PARTNER BRAUCHT.<br />

s<br />

CARLOS GHOSN ist kein Mann, der lange lamentiert.<br />

Zwar mag der erste Versuch des Renault-Nissan-<br />

CEO, seine Allianz um einen Partner in den USA zu<br />

erweitern, ins Leere gelaufen sein – das Management<br />

von General Motors wollte nicht, und auch der neue<br />

Ford-Chef Alan Mulally sprach sich vorerst gegen eine<br />

enge Verflechtung aus. Doch Ghosn, momentan die<br />

meistbewunderte Führungspersönlichkeit in der Automobilindustrie,<br />

schaut nicht zurück. Er will immer<br />

noch einen nordamerikanischen Partner gewinnen.<br />

Die meisten Beobachter glauben, dass es nur eine Frage<br />

der Zeit ist, bis doch Gespräche mit Ford aufgenommen<br />

werden.<br />

Noch hat Ghosn, eigenen Angaben zufolge, Zeit.<br />

Im Gespräch weist er schnell darauf hin, dass nicht er<br />

die Verhandlungen mit GM aufgenommen hatte, sondern<br />

Investor Kirk Kerkorian an ihn herangetreten war,<br />

und zwar über die Köpfe des GM-Managements hinweg.<br />

„Unsere Situation ist nicht so, dass wir Initiativen<br />

ergreifen“, sagt er. Erinnert man ihn aber daran, dass<br />

Ford-Chairman Bill Ford bereits öffentlich Interesse an<br />

einer Zusammenarbeit mit Renault-Nissan bekundet<br />

hatte, lächelt Ghosn nur wissend – und nickt. Branchenbeobachter<br />

erwarten denn auch, dass der neue<br />

CEO von Ford, Alan Mulally, eine weitere Neustrukturierung<br />

des in Dearborn ansässigen Autoherstellers<br />

ankündigen und sich in den nächsten paar Monaten für<br />

Gespräche mit Renault-Nissan öffnen wird.<br />

DIE VITAE DER CHEFS sprächen jedenfalls dafür.<br />

Ghosn und Mulally haben einiges gemeinsam. Beide<br />

sind ausgebildete Ingenieure. Beide haben mit Problemen<br />

beladene Unternehmen revitalisiert, indem<br />

sie radikale neue Geschäftsmodelle angenommen<br />

haben. Mulally hat das in seiner vorherigen Position<br />

bei Boeing vorgemacht, Ghosn zuerst bei Michelin und<br />

dann bei Nissan und Renault. Gute Vorzeichen also für<br />

eine Dreierkombi Ford-Renault-Nissan.<br />

Die revolutionäre Autoallianz, die der gebürtige<br />

Brasilianer Ghosn zwischen Renault und Nissan, zwischen<br />

Frankreich und Japan, geschaffen hat, stellt für<br />

ihn mehr dar als nur ein erfolgreiches Geschäftsmodell.<br />

Ghosn sieht darin ein Vorbild dafür, wie die Branche<br />

in einem zunehmend globalisierten und multikulturellen<br />

Umfeld agieren muss. „Jeder auf der Welt<br />

strebt Globalisierung an, und gleichzeitig will man<br />

sich seine Identität bewahren.“ In diesem Zusammenhang<br />

sei die Allianz „eine mögliche Antwort auf diese<br />

Widersprüche, die für das 21. Jahrhundert von zentraler<br />

Bedeutung sind.“ Denn die Kooperation eröffnet<br />

Größenvorteile, lässt den Partnern aber ihre eigenständige<br />

Markenidentität. „Wir respektieren die Identität<br />

der Partner, wir respektieren die Identitäten der<br />

Marken und wir entwickeln Synergien, die beiden Partnern<br />

zugutekommen.“<br />

DIE ALLIANZ FUNKTIONIERT, weil Ghosn intern auf<br />

eine gewisse Parität setzt. Keiner darf übervorteilt<br />

werden, jedes Kooperationsprojekt muss „ein Gewinn<br />

für beide Seiten sein“. Man könne kein Bündnis aufrechterhalten,<br />

„wenn man Entscheidungen trifft, bei<br />

denen ein Partner verliert“. Konkret bedeutet das:<br />

Jedes Unternehmen übernimmt die Führung in den<br />

Bereichen, in denen es unübertroffen ist. Renault hat<br />

zum Beispiel Dieselmotoren und Schaltgetriebe für<br />

beide Partner entwickelt, während Nissan neue Benzinmotoren<br />

konstruiert. Vom langjährigen Lieferanten<br />

Jatco beziehen beide Allianzpartner sämtliche automatischen<br />

Getriebe.<br />

Eine Absage erteilt Ghosn aber der Entwicklung<br />

neuer Produktionsplattformen in Kooperation. Gemeinsam<br />

hatten Renault und Nissan zuletzt etwa die<br />

Plattform für ihre Fahrzeuge der B-Klasse, die den Nissan<br />

Micra, Renault Clio und Dacia Logan umfasst, entwickelt.<br />

Dieses Programm aber wird wahrscheinlich<br />

das letzte sein, das ein Ingenieurteam von Renault<br />

27


DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />

28<br />

und Nissan komplett gemeinschaftlich aus der Taufe<br />

hob. „Die B-Plattform funktionierte gut. Aber wir haben<br />

festgestellt, dass es jedes Mal länger dauert, wenn<br />

zwei Ingenieurgruppen zusammenarbeiten. Japanische<br />

und französische Ingenieure sind einfach verschieden.“<br />

Fortan entwickelt also jeweils ein Unternehmen<br />

eine Plattform, die dann beide Partner nutzen.<br />

MÖGLICHES ANWENDUNGSFELD der neuen Strategie:<br />

Plattform und Motor des Nissan Skyline GT-R<br />

Performance-Coupé. Renault könnte dieses als Grundlage<br />

für ein Luxuscabrio wie das Konzeptauto Nepta<br />

verwenden. Nissan würde das Engineering leisten,<br />

Renault das Design des Autos übernehmen und Nissan<br />

eine Nutzungsgebühr zahlen. Das gleiche Verfahren<br />

gilt auch für andere Motoren und Getriebe, die von<br />

jeweils einem der beiden Unternehmen entwickelt<br />

werden. Zehn gemeinsame Plattformen streben die<br />

beiden Unternehmen bis 2010 an.<br />

Skeptisch sieht Ghosn hingegen mittlerweile<br />

den Ansatz des „Cross-Manufacturing“, bei dem ein<br />

Partner komplette Fahrzeuge für den jeweils anderen<br />

Partner produziert. Dies war ursprünglich eine der<br />

Kernideen der Renault-Nissan-Allianz. „Wir haben das<br />

getestet, aber wir brauchten es doch nicht so sehr,<br />

wie wir zuerst dachten“, so Ghosn. Jede transnationale<br />

Kooperation basiert eben auch auf dem Prinzip<br />

des „Trial and Error“. Globale Zusammenarbeit lernt<br />

man nur in der Praxis.<br />

So wie Ghosn selbst. Er ist stolz auf sein multikulturelles<br />

Erbe. Der Sohn libanesischer Eltern besuchte<br />

die Eliteuniversität École Polytechnique in<br />

Frankreich. Er hat Unternehmen in Japan, Frankreich,<br />

Brasilien und den Vereinigten Staaten geleitet. Maß-<br />

MARK PHELAN ist einer der wichtigen<br />

Autojournalisten der USA. Er schreibt als Redakteur<br />

und Kolumnist für die Detroit Free Press,<br />

die auflagenstärkste Tageszeitung Detroits. Als<br />

zentrales Nachrichtenmedium in der Autostadt<br />

Detroit ist die Free Press – obgleich von ihrem<br />

Charakter her eine regionale Tageszeitung –<br />

eines der relevantesten Medienorgane für die<br />

amerikanische Autoindustrie.<br />

geblich geprägt hat ihn aber bereits seine Kindheit<br />

in Brasilien, seinem Geburtsland. „Brasilien ist ein<br />

Schmelztiegel“, sagt er. „Dort lernt man schon in jungen<br />

Jahren, verschiedene Identitäten zu respektieren.“<br />

Davon profitierte er spätestens bei seinem Studienaufenthalt<br />

in den USA. Die Zeit in Colorado Springs<br />

war ein Pflichtmodul seines Studiums an der École<br />

Polytechnique. Diese frühen internationalen Erfahrungen<br />

brachten ihm, wie er sagt, eine respektvolle<br />

Haltung gegenüber verschiedenen Kulturen ein. Ein<br />

Respekt, der ihm bei der Integration asiatischer und<br />

europäischer Unternehmenskultur half.<br />

Zusammen sind Renault und Nissan heute der<br />

viertgrößte Autohersteller der Welt, die Allianz fährt<br />

das zweitbeste Betriebsergebnis aller Kfz-Produzenten<br />

ein. Doch das reicht weder Ghosn selbst noch seinen<br />

Managementteams. Daher die Suche nach einem<br />

dritten Partner. Dieser könnte dann jene Skaleneffekte<br />

liefern, die das Unternehmen im Wettbewerb vor<br />

allem mit Toyota noch weiter nach vorne brächten.<br />

Unabhängig vom eigenen Haus erwartet Ghosn, dass<br />

sich die Branche weiter konsolidiert. „Es wird in den<br />

nächsten zehn Jahren nicht mehr, sondern weniger<br />

Autohersteller auf der Welt geben.“<br />

DER KOOPERATIONSDRUCK steigt auch durch das<br />

schwierige ökonomische Umfeld, das Ghosn für die<br />

nächsten drei Jahre erwartet. „Unsere Preisflexibilität<br />

liegt nahezu bei null. Die Rohstoff- und Energiepreise<br />

steigen. Damit wird die gesamte Branche unter Druck<br />

gesetzt.“ Auch diese Bedenken tragen dazu bei, dass<br />

Ghosn eine nordamerikanische Partnerschaft für<br />

sinnvoll hält.<br />

Diese könnte auch den Wiedereinstieg von<br />

Renault in den US-Markt beschleunigen, glaubt er. Bisher<br />

steht der Absatz auf dem weltgrößten Automarkt<br />

nicht auf dem Plan. Aber „wenn die Allianz einen nordamerikanischen<br />

Partner aufnimmt, bieten sich viele<br />

andere Gelegenheiten.“<br />

Der Idee, er könnte bei einem dritten Partner<br />

gleich auch als CEO einsteigen, wie immer wieder spekuliert<br />

wird, erteilt Ghosn aber eine klare Absage. „Ich<br />

glaube nicht, dass man CEO von drei Unternehmen<br />

sein kann.“ CEO von zwei Firmen zu sein sei schwer<br />

genug. „Selbst wenn die Aktionäre mich darum bäten,<br />

würde ich Nein sagen.“


Wer nicht kooperiert, verliert DOSSIER #08<br />

RENAULT ist der größte französische<br />

Autokonzern. 41,3 Milliarden Euro Umsatz<br />

erzielte das Unternehmen 2005, bei einem<br />

operativen Gewinn von 3,3 Milliarden Euro.<br />

In den ersten neun Monaten 2006 ging der<br />

Umsatz im Vergleich zum gleichen Zeitraum<br />

des Vorjahres aber um 1,2 Prozent<br />

auf 30,9 Milliarden Euro zurück.<br />

NISSAN, der japanische Autokonzern,<br />

an dem Renault einen 40-Prozent-Anteil<br />

hält, erzielte im Geschäftsjahr 2005<br />

(das März 2006 endete) einen Umsatz<br />

von 9,43 Billionen Yen (umgerechnet<br />

68,87 Milliarden Euro) und einen operativen<br />

Gewinn von 6,1 Milliarden Euro.<br />

Im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres<br />

verzeichnete das Unternehmen<br />

jedoch einen Umsatzrückgang<br />

von 15,3 Prozent.<br />

29


DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />

Fünf Wege auf die Überholspur<br />

VERÄNDERTE KUNDENBEDÜRFNISSE, NEUE WETTBEWERBER, MASSIVER KOSTENDRUCK – DIE HERAUSFORDERUNGEN<br />

DER AUTOINDUSTRIE SIND RIESIG. HERSTELLER UND ZULIEFERER SUCHEN NACH DEN ERFOLGSMODELLEN DER ZUKUNFT.<br />

HIER SCHILDERN FÜNF BRANCHENINSIDER, AN WELCHEN HEBELN DIE INDUSTRIE VOR ALLEM ANSETZEN MUSS.<br />

Innovationen,<br />

die der Kunde<br />

auch will<br />

CARL-PETER FORSTER<br />

PRESIDENT, GENERAL MOTORS EUROPE<br />

In Zukunft werden mehr Technologien und<br />

elektronische Innovationen zur Verfügung<br />

stehen als jemals zuvor. Deshalb müssen alle<br />

Hersteller eine sehr umsichtige Auswahl treffen.<br />

Jeder Hersteller muss sich fragen, ob die<br />

verfügbaren Innovationen auch tatsächlich<br />

vermarktbar sind. General Motors Europe legt<br />

den Fokus ausschließlich auf wirklich zweckmäßige<br />

Technologien und Innovationen. Was<br />

das konkret bedeutet, lässt sich in drei Punkten<br />

zusammenfassen: Neue Technologien<br />

und Innovationen müssen einen deutlichen<br />

Beitrag zur Kundenzufriedenheit leisten.<br />

Zudem muss das Preis-Leistungs-Verhältnis<br />

stimmen. Und schließlich muss die Balance<br />

zwischen technologischem Fortschritt,<br />

Kosten, Qualität und Kundennutzen im Mittelpunkt<br />

stehen und darf nicht vom technisch<br />

Machbaren getrieben werden.<br />

30<br />

Starke Outsourcingstandorte<br />

BABASAHEB N. KALYANI<br />

CHAIRMAN, BHARAT FORGE GROUP<br />

Das Outsourcing von Automobilkomponenten gewinnt zunehmend<br />

an Bedeutung, da die Verkaufspreise für Kraftfahrzeuge<br />

in Zukunft gleich bleiben sollen, die Kunden aber erwarten,<br />

dass die Wagen mit immer neuen und besseren Leistungsmerkmalen<br />

ausgestattet sind. OEMs und Tier-1-Lieferanten in<br />

Westeuropa und den USA wollen Kosten senken, indem sie<br />

Komponenten aus den Niedriglohnländern Osteuropas, Südamerikas,<br />

Südostasiens, Chinas oder Indiens beziehen oder<br />

dort Produktionsbasen aufbauen. Die indische Fahrzeugkomponentenindustrie<br />

konnte in den letzten Jahren zweistellige<br />

Wachstumsraten verzeichnen. Mit jedem Jahr entfällt ein<br />

höherer Anteil der Exporte auf OEMs und Tier-1-Lieferanten, der<br />

Anteil der Ersatzteile an den Exporten geht zurück. Indiens<br />

wichtigster Vorteil ist die starke Basis an intellektuellem Kapital.<br />

Sie erlaubt uns, selbst bei geringen Mengen und vergleichsweise<br />

höherer Technologie-Intensität kosteneffektiv zu produzieren.<br />

Die Qualität der vielen Ingenieure und Manager, die in<br />

Indien in großer Zahl verfügbar sind, bestimmt Indiens Wettbewerbsfähigkeit<br />

heute und in Zukunft.<br />

Die Beiträge auf<br />

diesen Seiten sind<br />

dem aktuellen Buch<br />

„Mastering the Automotive<br />

Challenges“<br />

entnommen.


Konsequente<br />

Dezentralität<br />

SIEGFRIED WOLF<br />

CEO, MAGNA INTERNATIONAL<br />

Durch seine Unternehmensverfassung<br />

und die spezifische Mitarbeiter-Charta<br />

stellt Magna sicher, dass das Prinzip „Fair<br />

Enterprise“ nicht nur ein theoretischer<br />

Ansatz bleibt, sondern tagtäglich von<br />

Management und Mitarbeitern gleichermaßen<br />

gelebt wird. Der Begriff vom „Unternehmer<br />

im Unternehmen“ trifft auf die<br />

Mitarbeiter besonders zu. Die dezentrale<br />

Organisation der Gruppe in weitgehend<br />

unabhängigen Profitcentern sorgt dabei<br />

für die nötigen Freiräume, reduziert den<br />

bürokratischen Aufwand und ermöglicht<br />

einen besonderen Grad an Kundennähe.<br />

Zusätzlich können auch die einzelnen Mitarbeiter<br />

stärker in die unternehmerische<br />

Verantwortung miteinbezogen werden.<br />

Dies erhöht die Eigeninitiative – insbesondere<br />

mit Blick auf interne Effizienzgesichtspunkte<br />

– in erheblichem Maße.<br />

Intelligentere<br />

Zusammenarbeit mit<br />

den Zulieferern<br />

FRANZ FEHRENBACH<br />

Carl-Peter Forster setzt auf kundengerechte Innovationen DOSSIER #08<br />

VORSITZENDER DER GESCHÄFTSFÜHRUNG, ROBERT BOSCH<br />

Fünf Faktoren machen eine erfolgreiche Zusammenarbeit<br />

und Partnerschaft zwischen Automobilherstellern<br />

und Zulieferern aus:<br />

p die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit<br />

beider Seiten,<br />

p das gemeinsame Ziel der technologischen Führung,<br />

p wirtschaftliche Strukturen und Prozesse,<br />

p die internationale Zusammenarbeit sowie<br />

p die gemeinsame langfristige Ausrichtung.<br />

Unternehmerische Unabhängigkeit und Eigenverantwortung<br />

bedeuten, dass alle Beteiligten für ihren eigenen<br />

wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich sind und deshalb<br />

grundsätzlich die Hoheit behalten, in vertragliche Beziehungen<br />

einzusteigen oder nicht. Darüber hinaus geht es<br />

in einer Partnerschaft auch darum, die jeweils spezifischen<br />

Fähigkeiten und Kräfte der Beteiligten auf gemeinsame<br />

Herausforderungen und Ziele zu richten. Die sich<br />

verändernden Anforderungen des Marktes müssen sich<br />

in den Strukturen und Prozessen der Automobilbranche<br />

abbilden. Außerdem muss ein erfolgreicher Zulieferer<br />

mindestens so erfolgreich agieren wie seine Kunden.<br />

Und schließlich ist, gerade bei grundlegenden Innovationen,<br />

Beharrlichkeit gefragt.<br />

Hybridautos<br />

mit höherer<br />

Reichweite<br />

THOMAS WEBER<br />

VORSTANDSMITGLIED, DAIMLERCHRYSLER<br />

In den kommenden Jahren kann<br />

der Hybrid – entweder als Mild-<br />

Hybrid oder als Full-Hybrid – je<br />

nach Region und Verkehrssituation<br />

den Verbrennungsmotor ergänzen.<br />

Daher ist es unser Ziel, die verschiedenen<br />

Kundenwünsche mit<br />

einem geeigneten Antriebskonzept<br />

bedienen zu können. Mit dem Two-<br />

Mode-Hybridsystem entwickeln wir<br />

in Kooperation mit General Motors<br />

und BMW eine Full-Hybrid-Technologie,<br />

die die Leistungsmerkmale<br />

sowie den Kraftstoffverbrauch und<br />

die Reichweite des herkömmlichen<br />

Hybridfahrzeugs verbessert.<br />

Durch die Vorteile des neuen Systems<br />

können wir unseren Kunden<br />

Hybridfahrzeuge mit attraktiven<br />

Leistungs-, Komfort-, Verbrauchsund<br />

Emissionsmerkmalen zu<br />

wettbewerbsfähigen Kosten anbieten.<br />

Wir werden den ersten<br />

Two-Mode-Hybridantrieb mit dem<br />

Dodge Durango Anfang 2008<br />

auf den Markt bringen und kurz<br />

darauf das Angebot mit weiteren<br />

Modellen ergänzen.<br />

Langfristig ist für uns nach wie vor<br />

die Brennstoffzelle der Zukunftsantrieb<br />

für eine nachhaltige Mobilität.<br />

DaimlerChrysler hat mit über<br />

100 Fahrzeugen – Pkws, Bussen<br />

und Transportern – die größte<br />

Brennstoffzellenflotte aller Automobilhersteller<br />

bei Kunden weltweit<br />

im täglichen Einsatz.<br />

31


DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />

Design bestimmt das Sein<br />

DER WETTBEWERB DER AUTOBRANCHE WURDE IN DEN LETZTEN JAHREN PRIMÄR DURCH TECHNOLOGISCHE INNOVATIONEN DOMINIERT.<br />

JETZT KOMMT DIE GESTALTUNG ALS UNTERSCHEIDUNGSMERKMAL ZURÜCK. BRANCHENKENNER MARK PHELAN ARGUMENTIERT IN DIESEM BEITRAG:<br />

ÜBERZEUGENDES DESIGN WIRD WIEDER ZU EINEM ZENTRALEN WETTBEWERBSVORTEIL.<br />

s<br />

DIE AUTOS der Zukunft werden einander<br />

ähnlicher – zumindest in jenen Bereichen, die in<br />

den vergangenen Jahren die Differenzierung zwischen<br />

Typen und Marken bestimmten: Qualität,<br />

Kraftstoffökonomie, Effizienz. Unterschiede stiftet<br />

damit vor allem ein Faktor, der zuletzt oft als<br />

nettes Add-on gesehen wurde: das Design. Nach<br />

Aussagen von Spitzenmanagern der Hersteller<br />

spielen Formgestaltung und die Fähigkeit, neue<br />

Features, insbesondere ansprechende Innenausstattungsmerkmale,<br />

zu integrieren, eine immer<br />

wichtigere Rolle beim Autokauf. Für die neuen Billiganbieter<br />

aus China oder Indien gilt es, Fahrzeuge<br />

zu bauen, die nicht wie Billigautos wirken.<br />

Vielmehr liegt ihnen daran, einer sich als Mittelklasse<br />

definierenden aufstrebenden Bevölkerungsschicht<br />

Produkte mit gestalterischen Kniffen zu<br />

liefern. Und für etablierte Autobauer ist wesentlich,<br />

was Mark Fields, President von Ford Nordund<br />

Südamerika, formulierte, als er den Turnaround-Plan<br />

seines Unternehmens ankündigte:<br />

„Der Weg nach vorn beginnt im Designstudio.“<br />

DAS GLAUBT AUCH Bob Lutz, Vice Chairman<br />

von General Motors. „Wir haben zu lange vergessen,<br />

dass wir im Modegeschäft tätig sind. Wir<br />

fragten uns immer, warum die Verbraucher nicht<br />

erkannten, wie gut unsere Autos waren. Dann<br />

sahen wir ein, dass es nicht wichtig ist, wie gut<br />

sie waren, wenn sie auf den ersten Blick keine<br />

Anziehungskraft hatten.“ Dann erhob GM Bestin-Class-Design<br />

zur obersten Priorität. „Heraus<br />

kamen Fahrzeuge wie der Chevrolet HHR – absolute<br />

Kassenschlager.“ Selbst Toyota, das sein<br />

Imperium auf Zuverlässigkeit und kostengünstiger<br />

Herstellung aufbaute, hat sich als Unternehmen<br />

der Vision verpflichtet, zum Designvorreiter<br />

zu werden. Die ersten Resultate dieser Denkweise<br />

32<br />

sind der rassige neue Camry, der FJ Cruiser im<br />

Throwback-Stil und der kleine Yaris, der in Europa<br />

und Japan mit diversen Gestalterpreisen ausgezeichnet<br />

wurde.<br />

EIN VORTEIL DES DESIGNS: Es kann moderne<br />

Autos mit der Geschichte des jeweiligen Herstellers<br />

verknüpfen, ohne bloß die Volltreffer der Vergangenheit<br />

zu kopieren. Die Historie stellt vor<br />

allem gegenüber der neuen Konkurrenz aus Orten<br />

wie Südkorea und China einen nicht kopierbaren<br />

Vorteil dar, sagt Rebecca Lindland, Kraftfahrzeuganalyst<br />

beim US-Forschungsunternehmen Global<br />

Insight. Hierbei spielt durchaus auch Patriotismus<br />

eine Rolle. „General Motors und Chrysler haben<br />

erkannt, dass der Weg zum Erfolg über das<br />

Design sichtbar amerikanischer Autos für amerikanische<br />

Verbraucher führt“, so Lindland.<br />

Noch ganz am Anfang dieses Prozesses<br />

steht Ford – glaubt zumindest Peter Horbury, in<br />

England geborener Designer, der für die nordamerikanischen<br />

Marken des Unternehmens verantwortlich<br />

ist. Horbury entwarf beispielsweise<br />

jene Designs, welche die Volvo-Produkte, ausgehend<br />

von ihren kastenförmigen Vorfahren, zu<br />

ziemlich elegant daherkommenden Vertretern ihrer<br />

Branche entwickelten. Er prophezeit, dass die<br />

Konzeptautos der nächsten Monate die neue Geschichtsaffinität<br />

von Ford demonstrieren werden.<br />

Besonders die Elemente Design und Marke<br />

hängen eng zusammen, so Designer Horbury.<br />

„Manchmal kann die besondere Art, in der das<br />

Blech geformt wird, eine Marke ausmachen.“ Ein<br />

Beispiel sei das Konzept des Ford Super Chief.<br />

„Wenn man ein dünnes Stück Blech biegt, wird es<br />

an einer scharfen Linie geknickt. Ein dickeres<br />

Stahlteil weist eine Krümmung auf. Diese Krümmung<br />

von dickem Metall ist überall auf dem Super<br />

Chief sichtbar. Das trägt zu dem Eindruck bei,<br />

dass wir etwas Solides gebaut haben.“ Solide –<br />

und amerikanisch.<br />

Ein weiteres Beispiel für das neue Patriotendesign:<br />

der glänzende Chromkühlergrill mit<br />

drei Stäben, den Ford seit Kurzem in Nordamerika<br />

verwendet. „Dieser Kühlergrill ist das strahlende<br />

amerikanische Lächeln. Es ist extrovertiert.<br />

Es kommuniziert ‚Hallo, freut mich, dich kennenzulernen‘.“<br />

Der Optimismus der Pioniere, der die<br />

Antriebskraft von Amerika war. Wenn man das auf<br />

Autos übertragen kann, zieht es amerikanische<br />

Käufer an. Die Idee ist, so Horbury, dass alle amerikanischen<br />

Fahrzeuge von Ford subtile visuelle<br />

Kennzeichen teilen – ohne aber im Aussehen so<br />

übereinzustimmen wie das gleiche Hemd in verschiedenen<br />

Größen.<br />

Weltweit anwendbar ist der neue, US-spezifische<br />

Ansatz naturgemäß nicht. Ford of Europe<br />

wird daher an seiner eigenen, unverkennbaren<br />

Formgebung festhalten. Hier unterscheidet sich<br />

der Ansatz von Ford etwa von der General-Motors-<br />

Strategie. Das Unternehmen hat gerade entschieden,<br />

seine amerikanische Marke Saturn mit dem<br />

Design der europäischen Marke Opel zu versehen.<br />

GM setzt also eher auf globale Vereinheitlichung<br />

als auf kulturelle Vielfalt.<br />

Experten zufolge ist ein weltweit einheitliches<br />

Design vor allem bei relativ kleinen Umsätzen<br />

sinnvoll, wie den gehobenen Marken Volvo<br />

und BMW oder der Luxusmarke Infiniti von Nissan.<br />

Doch ob weltweit einheitlich oder den nationalen<br />

Präferenzen angepasst – für die Autobauer<br />

der Zukunft gilt: Ohne intelligente Gestaltung ist<br />

die aufwendigste Technik wertlos.<br />

Einige der wichtigsten Designtrends stellt<br />

Mark Phelan auf den kommenden Seiten vor.


Bentley liebt die kleinen Unterschiede DOSSIER #08<br />

DIE SCHÖNHEIT IM DETAIL<br />

An frühere Modelle erinnert der Bentley<br />

Continental GT von außen betrachtet nur<br />

noch entfernt. Doch Details wie die Vintage-<br />

Zifferblätter weisen ihn als Vertreter einer<br />

langen Gestaltungshistorie aus. Die sehr<br />

individuellen Gestaltungseinfälle lenken<br />

erfolgreich von den vielen Komponenten ab,<br />

die der Continental mit Volkswagen- und<br />

Audi-Modellen gemeinsam hat. Auf kluge<br />

Designdetails setzen auch Chrysler<br />

(beheizbare Becherhalter im Sebring) und<br />

Ford (iPod-Anschlüsse im Edge).


DOSSIER #08 Günstig sein, ohne billig auszusehen<br />

34<br />

BILLIGE AUTOS DER MITTELKLASSE – AUS CHINA ODER INDIEN<br />

In Ländern wie China entsteht eine Mittelklasse,<br />

deren Einkommen zwar rasant<br />

wächst, die aber, gemessen an westlichen<br />

Standards, eine geringe Kaufkraft hat. Wer<br />

sie gewinnen will, muss Fahrzeuge auf den<br />

Markt bringen, die einfach produziert wer-<br />

den, aber dem Statusbedürfnis einer Mittelklasse<br />

entsprechen. Autos wie der Chery<br />

Tiggo oder andere Produkte chinesischer<br />

oder indischer Hersteller setzen hier an. Sie<br />

wirken nicht billig, sondern solide – auch<br />

wenn die Materialien kostengünstig sind.


GESCHICHTE WIRD SICHTBAR<br />

Designer verachten den Begriff „Retrodesign“,<br />

weil er impliziert, dass einfach alte<br />

Modelle kopiert werden. „Heritage-Design“,<br />

so der Terminus des Ford-Designers Pat<br />

Schiavone, geht einen Schritt weiter. Modelle<br />

wie der Mini Cooper (im Bild) oder der<br />

Toyota FJ Cruiser verwenden wiedererkennbare<br />

Elemente berühmter Modelle, jedoch<br />

aktualisiert und mit neuen Features.<br />

Kein Früher-war-alles-besser-Design DOSSIER #08<br />

35


DOSSIER #08 Wer ein Vorbild hat, muss in der Werbung weniger erklären<br />

36<br />

IM WINDSCHATTEN VON IKONEN<br />

Vom VW Käfer bis zum Porsche 911 (im<br />

Bild) – manche Modelle definieren ihre Muttermarken.<br />

Ihre Hersteller benutzen das traditionelle<br />

Design, um ganz neue Fahrzeuge<br />

zu positionieren. Der Nissan Infiniti baut auf<br />

dem Look des sportlichen FX SUV auf. Nis-<br />

san-Chefdesigner Shiro Nakamura: „Der FX<br />

ist der Kernausdruck der Infiniti-Marke. Sie<br />

entwickelt sich in eine sinnlichere und<br />

attraktivere Richtung weiter.“ Auch Saab<br />

wird künftige Designs an seinen eigenen<br />

Standards orientieren, glauben Insider.


SEGMENTGRENZEN ÜBERWINDEN<br />

Die Trennlinien zwischen den herkömmlichen<br />

Segmenten verwischen sich zunehmend.<br />

Die spannendste neue Fahrzeugklasse<br />

ist das Crossover-SUV. Die Fahrzeuge<br />

haben eine klassische Unibody-Struktur,<br />

spielen aber mit Elementen der Sport Utility<br />

Vehicles. Die ersten Modelle wirkten noch<br />

komplett wie SUVs, aber abenteuerlustige<br />

Designer haben mittlerweile begonnen, flotte<br />

und sportliche Modelle wie den Nissan<br />

Infiniti FX 45 zu gestalten – pfiffige Hybridformen<br />

für den hybriden Konsumenten.<br />

Nissan überschreitet Grenzen DOSSIER #08<br />

37


DOSSIER #08 Zukunft der Autos, Autos der Zukunft<br />

38<br />

Geschichte eines Fetischs<br />

DAS AUTO IST DAS EMOTIONALSTE PRODUKT UNSERER ZEIT. IN DER INDIVIDUALISIERTEN GESELLSCHAFT<br />

DIENTE ES IMMER AUCH DER SOZIALEN DIFFERENZIERUNG. ABER, WARNT DER SOZIOLOGE DAVID GARTMAN<br />

IN DIESEM GASTBEITRAG: DER AUTOFETISCH KÖNNTE FÜR HERSTELLER ZUM PROBLEM WERDEN.<br />

s<br />

NICHT ZUFÄLLIG ist das Auto zum wichtigsten<br />

Artefakt des modernen Lebens geworden. Seine zentrale<br />

Stellung in unserer Kultur erklärt sich aus seiner<br />

Gleichsetzung mit der zentralen Freiheit der Gegenwart:<br />

der individuellen Mobilität. Die moderne Welt ist<br />

durch Bewegung und Wanderung entstanden – aus<br />

den beklemmenden Verhältnissen der Leibeigenschaft<br />

und Armut auf dem Lande hinein in die „freie<br />

Luft“ der Städte, der Marktplätze und des Handels.<br />

Dem Einzelnen verschaffte das Auto eine völlig neue<br />

Möglichkeit, sich nach Belieben fortzubewegen und<br />

sich von vorgegebenen Eisenbahnstrecken und -fahrplänen<br />

zu lösen. Insbesondere in den Vereinigten<br />

Staaten ging diese geografische Mobilität eng mit<br />

sozialer Mobilität einher. Mobil zu sein bedeutete die<br />

Chance, aufzusteigen, ein begrenztes örtliches Ange-<br />

bot an Arbeitsplätzen und Märkten hinter sich zu lassen<br />

zugunsten unbegrenzter wirtschaftlicher Möglichkeiten.<br />

Die Begriffe Auto und Straße wurden in der<br />

Moderne zur mächtigsten Metapher für Freiheit und<br />

Individualität.<br />

ANFANGS STAND DIESE FREIHEIT auf vier Rädern<br />

nur den Vermögenden offen, als Einzige konnten sie<br />

sich die handgefertigten Automobile leisten. Doch<br />

Henry Fords Massenproduktion machte Pkws für die<br />

breite Masse erschwinglich – in den USA in den Zwanzigern,<br />

in Europa erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Ironischerweise<br />

wurde die motorgetriebene Mobilität<br />

durch die Massenfertigung zwar demokratischer,<br />

doch sie bedeutete gleichzeitig das Ende vieler Hoffnungen.<br />

Die Kapitalerfordernisse der Massenproduk-


tion schalteten Kleinhersteller aus und führten zur<br />

Konsolidierung der Industrien in Oligopolen. Die angesehene<br />

Stellung gut ausgebildeter Facharbeiter wurde<br />

durch die Abhängigkeit ungelernter Fließbandarbeiter<br />

ersetzt. Auch bedingt durch diese Entwicklungen,<br />

wandelte sich der kulturelle Status des Pkws von<br />

einem Symbol der Freiheit zu einem Fetisch: einem<br />

Surrogat für wahre Bedürfnisse. Während Einflussmöglichkeiten<br />

für den Einzelnen in der Wirtschaft<br />

abnahmen, boten die Autohersteller den Verbrauchern<br />

eine Ersatzbefriedigung für die Freiheit an, die sie<br />

ihnen als Arbeitskräfte weggenommen hatten.<br />

In den Zwanzigerjahren begannen die Autodesigner,<br />

die Einheitlichkeit der Massenware Auto mit<br />

individuelleren Oberflächen zu verdecken. Die Firmen<br />

boten eine Hierarchie von nach Preis abgestuften Marken<br />

an. Diese unterschieden sich primär in der Quantität<br />

der Symbole und Sonderausstattungen. Um die<br />

Kosten gering zu halten, wurden die gleichen mechanischen<br />

Komponenten für die verschiedenen Marken<br />

verwendet. Diese unterschieden sich vor allem durch<br />

den Stil der Karosserie. Die Hersteller profitierten von<br />

der Wirtschaftlichkeit der Massenherstellung und<br />

boten den Verbrauchern gleichzeitig ein individualisiertes,<br />

romantisch verklärtes Produkt.<br />

Ihren Höhepunkt erreicht diese Entwicklung in<br />

den USA in den späten Fünfzigerjahren, als futuristische<br />

Chromaufbauten und Raketenästhetik auf Straßenkreuzer<br />

mit jahrzehntealter Technologie aufgesetzt<br />

wurden. In dieser Zeit wuchs jedoch auch eine<br />

Revolte gegen diesen Fetischismus heran. Die Käufer<br />

begannen die Gleichheit unter den oberflächlichen<br />

Unterschieden wahrzunehmen. Viele Amerikaner<br />

wandten sich kleineren europäischen Wagen wie<br />

dem VW zu, weil sie sich damit in dem Meer aufgetakelter<br />

Dinosaurier abhoben. In den Sechzigerjahren<br />

gingen amerikanische Autohersteller auf diese Unzufriedenheit<br />

ein, indem sie den Verbrauchern eine größere<br />

Bandbreite anboten: mehr echte Produktvielfalt<br />

und ganz neue Arten von Autos wie Kleinwagen,<br />

Mittelklassewagen und „Muscle Cars“. Diese sprachen<br />

keine breite Einkommensschicht mehr an, sondern<br />

ein kleines Marktsegment, dessen Lifestyle von Faktoren<br />

wie Alter, Geschlecht, Region und Familienstand<br />

bestimmt wurde. Doch mit der wachsenden Zahl von<br />

Modellen nahm das jeweilige Produktionsvolumen ab,<br />

Warum Autos mehr sind als Fortbewegungsmittel DOSSIER #08<br />

Wirtschaftlichkeit und Gewinn pro Stück sanken. In<br />

den Siebzigern und Achtzigern kämpften die amerikanischen<br />

Autohersteller mit dem Problem, die Produktion<br />

flexibler zu gestalten, um der Vielfalt Rechnung<br />

zu tragen. Dabei orientierte man sich am japanischen<br />

System der flexiblen Spezialisierung. In den<br />

Neunzigern trat jedoch der Widerspruch zwischen<br />

Produktpalette und -umfang erneut in den Vordergrund.<br />

Selbst das japanische Modell erwies sich als<br />

untauglich, die Nachfrage nach immer individuelleren<br />

Modellen zu befriedigen. Diese Nachfrage, die aus der<br />

kulturellen Fragmentierung der spätindustriellen<br />

Gesellschaft in viele Nischen und Lebensstile resultierte,<br />

war Ausdruck der Suche nach einer in der globalisierten<br />

Wirtschaft verloren gegangenen Individualität.<br />

Das Bemühen um größere Gewinnmargen<br />

durch die Produktion höherer Stückzahlen löste den<br />

derzeitigen Trend zu Übernahmen und Joint Ventures<br />

sowie die Rückkehr zur gemeinsamen Nutzung von<br />

Aufbauten und Bauteilen aus.<br />

Mit dem Versuch, Individualität in Form von<br />

Autos zu verkaufen, stellt sich die Autoindustrie also<br />

womöglich wirtschaftlich selbst ein Bein. Zunehmende<br />

Vielfalt macht die Stückzahlen unmöglich, welche<br />

für die Massenproduktion notwendig sind, und führt<br />

zu nur oberflächlich differenzierter Gleichheit.<br />

DER ZWANG zur Individualisierung erzeugt noch<br />

eine weitere Grenze selbst – durch die Pkw-Benutzung:<br />

Wenn jeder Fahrer einen oder mehrere Wagen<br />

benötigt, um seine Identität auszudrücken, führt das<br />

zu vollen Straßen, was frustrierende Einschränkungen<br />

der gewünschten Individualität erzeugt. Damit<br />

werden auch die ökologischen Grenzen der automobilen<br />

Individualität immer deutlicher, insbesondere da<br />

die Belastungen von Ölmärkten und Umwelt aus der<br />

„Automobilisierung“ Chinas bereits zu spüren sind.<br />

Sind alternative Bedeutungen des Autos denkbar?<br />

Ja. Vielleicht lassen sich kleine, standardisierte<br />

Autos mit geringem Verbrauch vermarkten, die dann<br />

weniger die radikale Individualisierung ausdrücken<br />

als die Verantwortung des Einzelnen für Gesellschaft<br />

und Umwelt. Dazu wäre es allerdings notwendig, andere<br />

Möglichkeiten zum Ausdruck der Individualität<br />

zu schaffen – in vielfältigeren Berufslaufbahnen und<br />

sozialem Engagement zum Beispiel.<br />

WILLIAM DAVID GART-<br />

MAN ist Soziologieprofessor<br />

an der Universität von South<br />

Alabama. Er hat sich in vielen<br />

Büchern und Fachartikeln mit<br />

der kulturellen Bedeutung des<br />

Automobils auseinandergesetzt,<br />

vor allem in dem Buch „Auto<br />

Opium: A Social History of<br />

American Automobile Design“.<br />

2007 erscheint sein Buch „From<br />

Autos to Architecture: Fordism<br />

and Architectural Aesthetics in<br />

the Twentieth Century“.<br />

39


p industry-report der demografische wandel verändert die koordinaten für die globalen pharmakonzerne<br />

40<br />

DANIEL VASELLA ist seit April 1999<br />

Präsident des Verwaltungsrats der Schweizer<br />

Novartis AG und bereits seit der Gründung des<br />

Unternehmens im Jahr 1996 Delegierter des<br />

Verwaltungsrats und Vorsitzender der<br />

Geschäftsleitung. In diesen Funktionen nahm<br />

Vasella bei der Fusion von Sandoz und Ciba-<br />

Geigy mit Novartis eine führende Rolle ein.<br />

Unter seiner Leitung richtete sich das Unternehmen<br />

strategisch auf den Gesundheitsbereich<br />

mit Pharma als Kerngeschäft aus. Vasella<br />

wurde 1953 im schweizerischen Fribourg<br />

geboren. Der promovierte Mediziner ist verheiratet<br />

und Vater von drei Kindern.<br />

NOVARTIS ist eines der weltgrößten Pharmaunternehmen.<br />

Der Basler Konzern verdient<br />

sein Geld sowohl mit patentgeschützten<br />

Medikamenten als auch mit Generika. 2005<br />

erzielte Novartis einen Nettoumsatz von 32,2<br />

Milliarden US-Dollar und einen Reingewinn<br />

von 6,1 Milliarden Dollar. 4,8 Milliarden Dollar<br />

investierte das Unternehmen in Forschung<br />

und Entwicklung. Rund 99 000 Mitarbeiter in<br />

über 140 Ländern beschäftigen die Konzerngesellschaften<br />

insgesamt.


THINK:ACT Herr Vasella, Novartis ist mit über<br />

35 Milliarden Dollar Umsatz einer der größten<br />

Pharmakonzerne der Welt. Können Sie<br />

kurz zusammenfassen, wofür Novartis steht?<br />

VASELLA Gewiss! Wir haben die Fähigkeit,<br />

unseren Kunden Produkte mit einem echten<br />

Mehrwert zu offerieren. Dafür sind sie auch<br />

bereit, einen angemessenen Preis zu zahlen. Um<br />

das immer wieder erreichen zu können, müssen<br />

wir ausgesprochen innovativ, produktiv und<br />

kommunikativ sein.<br />

Wie verändert sich das gesellschaftliche<br />

Umfeld?<br />

Es gibt ein paar grundlegende Trends, die über<br />

das Wachstum unserer Industrie entscheiden.<br />

Zuerst sind die großen demografischen Veränderungen<br />

zu erwähnen. Die Zahl der älteren<br />

Menschen wächst weltweit. Gleichzeitig sinkt<br />

die Zahl der Kinder, und zwar insbesondere in<br />

den Hocheinkommensländern. Auf der einen<br />

Seite steigen die Bedürfnisse nach medizinischen<br />

Dienstleistungen, was zwangsläufig zu<br />

mehr Kosten führt. Auf der anderen Seite<br />

haben wir weniger junge Menschen, die Geld<br />

generieren und für die wachsenden Gesundheitskosten<br />

aufkommen können.<br />

Kaufen Sie deshalb momentan für Milliardenbeträge<br />

Generikahersteller, wie jüngst<br />

den Anbieter Hexal?<br />

Menschen wollen entweder bessere Medikamente<br />

– bessere Wirkung, weniger Nebenwirkungen<br />

– und sind bereit, dafür eine Prämie<br />

zu bezahlen. Oder sie wollen billigste Arzneimittel<br />

– patentrechtlich nicht mehr geschützte<br />

Nachahmerprodukte. Am liebsten aber möchte<br />

man überhaupt nicht krank werden, was die<br />

novartis eröffnet einen forschungscampus in shanghai industry-report f<br />

„Wie können wir global lokal sein?“<br />

Novartis-Chef Daniel Vasella führt einen der größten Pharmakonzerne. In diesem Exklusivinterview<br />

erläutert er dem Journalisten Medard Meier, wie viel Vielfalt globale Konzerne zulassen müssen –<br />

und weshalb Novartis mehr Entwicklungshilfe leistet als die Schweiz.<br />

Menschen dazu bewegt, sich impfen zu lassen<br />

und damit Infektionskrankheiten abzuwehren,<br />

unter anderem auch solche, die Krebs verursachen<br />

können. Ein Wachstumsmarkt bleibt in<br />

diesem Umfeld auch die Selbstmedikation. Bei<br />

Bagatellerkrankungen ist es ja nicht sinnvoll,<br />

jedes Mal zum Arzt zu rennen. Dann der veränderte<br />

Lebensstil! Im Vergleich zu früher sind<br />

viele Menschen kaum mehr körperlich tätig.<br />

Der Computer hat viele Arbeits- und Freizeitgewohnheiten<br />

verändert. Die Essgewohnheiten<br />

haben sich hingegen nur ungenügend angepasst.<br />

Noch immer dominiert kalorienreiche<br />

Nahrung. Das führt zu Übergewicht, und mit<br />

Übergewicht hängen Bluthochdruck, Diabetes<br />

und degenerative Erkrankungen des Gelenkapparats<br />

zusammen.<br />

Wie stellen Sie sicher, auf den wichtigen<br />

Zukunftsmärkten präsent zu sein?<br />

Unsere zentrale Frage lautet stets: Wo ist das<br />

medizinische Bedürfnis am größten? Das bedingt<br />

Wissen über die langfristige Nachfrage,<br />

und gleichzeitig müssen wir im Unternehmen<br />

über die richtigen Fähigkeiten verfügen, um in<br />

den ausgewählten Indikationen innovativ und<br />

konkurrenzfähig zu sein.<br />

Errichten Sie darum nach Basel und Boston<br />

nun in Shanghai einen Forschungscampus?<br />

Talentierte und gut ausgebildete Menschen<br />

sind längst nicht mehr nur in ein paar Industriestaaten<br />

konzentriert. Bei uns wie in den<br />

USA studieren immer weniger junge Menschen<br />

Naturwissenschaften. In Asien ist das anders.<br />

Danach müssen wir uns ausrichten. Entsprechend<br />

verfügen wir über einen weltweiten Pool<br />

von Forschern und Talenten.<br />

Folgen Sie bei Ihren Entscheidungen einem<br />

Frühwarnsystem?<br />

Wenn Sie damit Warnlampen verbinden: nein.<br />

Ich höre zu, beobachte, was abläuft, stelle<br />

Fragen – und das konstant. Auf diese Weise<br />

akkumuliert sich bei mir sozusagen subkutan<br />

Wissen. In unserem Geschäft passiert wenig<br />

über Nacht. Es sind langfristige Entwicklungen,<br />

die wir im Auge haben müssen, wie die<br />

Entstehung eines Talentpools in Shanghai oder<br />

in Peking, ohne die Aufmerksamkeit vom Tagesgeschäft<br />

abzuwenden.<br />

Aus denen Sie auch die richtigen Schlüsse<br />

ziehen und entsprechend handeln müssen ...<br />

... nicht einfach handeln! Es ist ein Reifeprozess,<br />

in den meine Kollegen, der Verwaltungsrat<br />

und ich einbezogen sind. Es ist viel Abwägen<br />

dabei und ein mentales Durchspielen<br />

verschiedener Optionen: Wie wäre das, wenn?<br />

Warum würden wir das machen? Die großen<br />

Entscheide fallen nicht täglich, sondern nur<br />

von Zeit zu Zeit. Dazwischen verändern sich<br />

die Vorstellungen über die Zukunft laufend.<br />

Weil Veränderungen nicht rasant geschehen,<br />

besteht indessen die Gefahr, dass man sie nicht<br />

rechtzeitig wahrnimmt. So müssen wir uns<br />

immer wieder einmal zurücklehnen können<br />

und überlegen: Was ändert sich? Was ist<br />

anders, und welches sind die Implikationen?<br />

Zum Beispiel die Akzeptanz der hohen<br />

Medikamentenpreise.<br />

Ja, in der westlichen Welt wächst der Druck,<br />

Preise herabzusetzen und Patente zu hinterfragen.<br />

Gesundheitskosten auf diese Weise in den<br />

Griff zu kriegen ist leider ein hilfloses und<br />

destruktives Unterfangen. Man muss sich<br />

41


p industry-report lokale länderchefs verschaffen novartis rund um den globus eine identität<br />

42<br />

bewusst sein, dass, würde man der gesamten<br />

Pharmaindustrie die Gewinne wegnehmen,<br />

man die Gesundheitskosten bloß um ganze drei<br />

Prozent senken könnte. Die Bürger, der Staat<br />

müssen signifikant umdenken. Was wollen<br />

wir? Was sind alternative Interventionsmöglichkeiten?<br />

Wie viel sind wir bereit, dafür zu<br />

bezahlen? Auf diese ethischen Grundfragen<br />

muss die Gesellschaft eine Antwort finden, die<br />

Pharmaindustrie kann sie nicht liefern.<br />

Sehen Sie sich wie ein Portfoliomanager,<br />

der Risiko und Ertrag seiner Anlagen laufend<br />

im Auge behält, oder eher wie ein<br />

Pilot in einem Cockpit?<br />

Die Analogie mit dem Cockpit stimmt gewiss in<br />

einem Punkt: Sie brauchen Instrumente und<br />

dürfen nicht blind fliegen. Portfoliomanager?<br />

Der kann innerhalb von Minuten kaufen und<br />

verkaufen, wie er will. Bei uns liegt der Fall<br />

fundamental anders: Entscheidend ist das<br />

langfristige Denken, also die Frage, ob eine<br />

strategische Weichenstellung unsere Wachstumsplattformen<br />

nachhaltig stärkt oder nicht.<br />

Seit über zehn Jahren führen Sie nun Novartis.<br />

Was hat sich in dieser Zeit verändert?<br />

Abgesehen davon, dass sich damals alles um<br />

die Integration von Sandoz und Ciba in Novartis<br />

gedreht hat, ist inzwischen alles schneller<br />

geworden. Eine unglaubliche Akzeleration der<br />

Globalisierung des Geschäfts. Die Welt ist für<br />

uns viel kleiner geworden, was aber nicht<br />

heißt, dass auch die kulturellen Unterschiede<br />

kleiner geworden sind. Diese haben eher wieder<br />

zugenommen. In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre<br />

hat man die globalen Gemeinsamkeiten<br />

als größer angesehen als die Unterschiede.<br />

Heute ist es eher umgekehrt. Politisch, zum<br />

Teil auch sozial, religiös und kulturell, erlebe<br />

ich die Welt wieder fragmentierter. Multilaterale<br />

Abkommen haben sich eher Richtung bilateralen<br />

verschoben. Multinationale Organisationen<br />

und Abmachungen haben an Bedeutung<br />

verloren. Die zentrale Frage für uns lautet: Wie<br />

können wir global lokal sein?<br />

Und wie?<br />

Prozesse und Tätigkeiten, die nicht aufgebrochen<br />

werden dürfen, sind Forschung und Entwicklung,<br />

Infrastruktur, IT, Accounting, Controlling<br />

– all das muss global sein und globalen<br />

Standards folgen. Daneben müssen wir so organisiert<br />

sein, dass wir uns auf die unterschiedlichen<br />

Bedürfnisse in den einzelnen Regionen<br />

und Ländern einstellen können. Uns hilft, dass<br />

wir meistens lokale Führungsspitzen haben.<br />

Das schafft Identität mit dem Land.<br />

Bei Novartis werden keine Chefs eingeflogen?<br />

Ausnahmen gibt es beispielsweise im Rechnungswesen<br />

und in der Finanzkontrolle. In<br />

Ländern mit traditioneller Korruption<br />

nimmt man als Finanzleiter in der Regel Ausländer.<br />

„Checks and Balances“ ist uns wichtig.<br />

Äußerst anspruchsvoll scheint uns auch die<br />

Führung in einem multikulturellen Umfeld<br />

zu sein. Können Sie einen Chinesen gleich<br />

führen wie einen Amerikaner?<br />

Nein, aber man kann auch zwei Deutsche nicht<br />

gleich führen – und auch zwei Schweizer nicht.<br />

Die individuellen, sprachlichen, kulturellen<br />

Unterschiede können sich natürlich addieren,<br />

sie können sich aber auch ausgleichen. Unsere<br />

Kader sind schon lange multikulturell zusammengesetzt.<br />

Entsprechend kennt man sich<br />

über viele Jahre, weiß über die Stärken und<br />

Schwächen der anderen und stellt sich gegenseitig<br />

darauf ein. Was es gibt, sind unterschiedliche<br />

Sensibilitäten. Mit einem Japaner rede<br />

ich anders als mit einem Schweizer oder mit<br />

einem Amerikaner. Daneben gibt es auch Stilfragen,<br />

die sehr firmenspezifisch sind.<br />

Das wird mit dem Wertesystem von Novartis<br />

zu tun haben, das Sie seit gut zehn Jahren<br />

prägen. Wie lautet Ihr Mantra?<br />

Ein Mantra habe ich keins! Eine Führungskraft<br />

sollte drei Dinge erfüllen. Erstens ist das<br />

Kompetenz im Beruf und in der Zusammenarbeit<br />

mit den Mitarbeitern. Zweitens muss<br />

jemand ambitioniert sein. Wir können die<br />

Leute nicht ziehen. Sie müssen selbst wollen.<br />

Und drittens müssen sie integer sein.<br />

Selbstverständlich haben wir diese Punkte<br />

noch detaillierter umschrieben. Die jährliche<br />

Leistungsbeurteilung richtet sich nach der Erreichung<br />

vorgängig vereinbarter quantitativer<br />

und qualitativer Ziele: Wie resultateorientiert<br />

handelt jemand? Wie führt und kommuniziert<br />

die Person? Wie vertrauenswürdig, transparent<br />

und zuverlässig ist sie? Weltweit werden die<br />

gleichen Kriterien und die gleichen Prozesse<br />

angewendet. Die Beurteilung der Resultate –<br />

dazu gehören nicht nur die finanziellen – und<br />

des Verhaltens entscheiden über den variablen<br />

Lohnanteil. Halbjährlich gibt es nach dem gleichen<br />

Schema eine mündliche Beurteilung.<br />

Wie viele Leute führen Sie persönlich?<br />

Rund 150 Leute versuche ich mit Namen und<br />

Gesicht und ihrem Leistungsprofil zu kennen.<br />

Diese bilden den Topkader, den wir einmal<br />

pro Jahr zusammenziehen. Eine Anzahl dieser<br />

Mitarbeiter berichtet direkt an mich. Es gibt<br />

selbstverständlich viele Personen, die nicht zu<br />

dieser Gruppe gehören, mit denen ich aber<br />

regelmäßig zusammenarbeite. Im Gespräch<br />

trenne ich klar zwischen Zuhören und Direktivengeben.<br />

Zurückhaltend bin ich im Direktivengeben<br />

an Mitarbeiter, die mir nicht direkt<br />

unterstellt sind.<br />

Als Stärke gilt Ihre Fähigkeit, übernommene<br />

Firmen zu integrieren. Doch das Akquisitionstempo<br />

von Novartis hat nachgelassen …<br />

Das sehe ich anders: Novartis hat mit Hexal,<br />

Eon Labs und Chiron in den letzten zwei Jahren<br />

drei bedeutende Übernahmen getätigt. Der<br />

Schlüssel zur erfolgreichen Integration ist Klarheit<br />

in der Führung und Richtungsgebung, die<br />

eine schnelle und regelmäßige Kommunikation<br />

voraussetzt. Der Chef muss hingehen und<br />

sagen, wohin die Reise geht. Unsicherheit rächt<br />

sich auf mehrere Weisen: Passivität der Mitarbeiter,<br />

Ärger, Ängste. Oft verliert man dann<br />

genau die Leute, die man eigentlich behalten<br />

möchte. Bei offenen Fragen sollte für alle klar


DANIEL VASELLA (links) im Gespräch mit dem Wirtschaftsjournalisten<br />

Medard Meier. Meier war lange Chefredakteur des Schweizer Wirtschaftsmagazins Bilanz.<br />

Das Interview in der Firmenzentrale von Novartis führte er exklusiv für think:act.<br />

sein, bis wann darüber informiert wird. An diesen<br />

Fahrplan muss man sich dann eisern halten,<br />

sonst verliert man jede Kredibilität.<br />

Glaubwürdigkeit brauchen Konzerne heute<br />

gegenüber verschiedenen Stakeholdern.<br />

Wie schaffen Sie den Spagat zwischen den<br />

unterschiedlichen Interessen?<br />

Wir haben sehr viele Stakeholder: internationale<br />

Organisationen, Nationen, Medien, Aktionäre,<br />

NGOs. Die Agenden sind sehr unterschiedlich:<br />

Alle erwarten etwas anderes. In<br />

diesem Umfeld ist die Frage zentral: Wofür stehen<br />

wir ein? Wie orientieren wir uns? Was ist<br />

unser Kompass? An erster Stelle kommen für<br />

uns die Interessen der Patienten – heute und in<br />

Zukunft. Diese Bedürfnisse können wir nur<br />

erfüllen, wenn wir innovativ sind. Deshalb ist<br />

ein griffiger Patentschutz von überragender<br />

Bedeutung: Schutz von Innovationen ist der<br />

beste Schutz für Patienten. Zweitens müssen<br />

wir profitabel und stark im Wettbewerb sein.<br />

Wir können nicht gewissen Interessenvertretern<br />

und Anspruchsgruppen Geschenke<br />

machen, die zulasten der Wirtschaftlichkeit<br />

und Konkurrenzfähigkeit gehen. Drittens müssen<br />

wir transparent sein. Als global tätiges<br />

Unternehmen sind wir uns bewusst, dass die<br />

Gesellschaft hohe Ansprüche an uns stellt. Wir<br />

leben vom Vertrauen unserer Stakeholder. Dieses<br />

Vertrauen gilt es täglich neu zu verdienen.<br />

Es gibt Länder praktisch ohne Kaufkraft ...<br />

Patienten, die selbst nichts kaufen können und<br />

bei denen es keinen Markt für Arzneimittel<br />

gibt, wollen wir beistehen und tun dies auch.<br />

Sind die Hilfezusagen fest budgetiert?<br />

Es sind <strong>Ausgabe</strong>n, die sich von Jahr zu Jahr den<br />

Bedürfnissen und Möglichkeiten anpassen.<br />

Im letzten Jahr belief sich diese Summe auf<br />

rund 700 Millionen Dollar, was 2,2 Prozent<br />

unseres gesamten Umsatzes entspricht. Das ist<br />

wesentlich mehr, als die Schweiz oder andere<br />

reiche Länder an Entwicklungshilfe leisten,<br />

wenn man deren prozentualen Anteil am Bruttosozialprodukt<br />

misst. Seit 2000 haben wir beispielsweise<br />

an über vier Millionen Leprapatienten<br />

gratis Medikamente abgegeben. Auch<br />

Tuberkulose helfen wir zu bekämpfen. Bei Ma-<br />

konzerne müssen brücken bauen industry-report f<br />

laria geben wir die heute beste Behandlung<br />

unter den Selbstkosten, das heißt stark verbilligt,<br />

ab – für einen Dollar pro Behandlung.<br />

Dieses Jahr sind es ungefähr 50 Millionen Behandlungen.<br />

Zur Bekämpfung der Malaria unterhalten<br />

wir über eine Stiftung ein nicht profitorientiertes<br />

Forschungsinstitut in Singapur.<br />

Auch internationalen Krisenherden können<br />

Sie sich nicht entziehen.<br />

Die Frage, was wir bei politischem Dissens zwischen<br />

zwei Ländern tun können, in denen wir<br />

tätig sind, beschäftigt mich sehr. Ich erachte es<br />

immer mehr nicht nur als Möglichkeit, sondern<br />

geradezu als Pflicht von global tätigen Unternehmen,<br />

Brücken zu bauen. Länder zu isolieren<br />

und ökonomische Sanktionen zu ergreifen<br />

ist in der Regel nicht erfolgreich. Erstens, weil<br />

die Maßnahmen nie von allen respektiert werden.<br />

Zweitens gibt es immer Profiteure. Und<br />

drittens reagieren Länder, die das Gefühl haben,<br />

nichts verlieren zu können, defensivaggressiv,<br />

was zu unkontrollierbaren Entwicklungen<br />

führen kann. Die Frage ist, wie man signalisieren<br />

kann, dass man die Bürger eines<br />

Landes respektiert – auch wenn man mit dem<br />

Regime und dem politischen Wertesystem nicht<br />

einig ist. Als Unternehmen, dessen Kernaufgabe<br />

es ist, dem menschlichen Leben zu dienen,<br />

haben wir es in solchen Situationen vielleicht<br />

etwas leichter.<br />

Sind Schweizer Manager besser als andere<br />

in der Lage, diese Brücken zu bauen?<br />

Als sozial, kulturell und politisch vielfältiger<br />

Staat haben wir die Fähigkeit entwickelt, über<br />

Sprach- und Religionsgrenzen hinweg einen<br />

Konsens zu finden. Dies hat der Schweiz – eingebettet<br />

in einer geschichtlich gesehen oft sehr<br />

instabilen Umgebung – eine hohe Stabilität verliehen.<br />

Auf dieser Stabilität ruht auch unsere<br />

Wirtschaft. Gleichzeitig hat der kleine Binnenmarkt<br />

die Unternehmen gezwungen, über die<br />

Grenzen hinweg aktiv zu sein – von der Textilund<br />

Maschinenindustrie über die Banken bis<br />

zur Chemie- und Pharmaindustrie.<br />

43


44<br />

Auch in politisch instabilen Regionen lässt sich mit<br />

dem Mobilfunk Geld verdienen, etwa in Algerien<br />

(01) oder dem Irak (02 und 03). Orascom Telecom<br />

macht vor, wie das geht.<br />

01<br />

03<br />

02


Risikoprämien<br />

Der ägyptische Telekomunternehmer Naguib Sawiris ist mit einem<br />

ganz einfachen Geschäftsmodell groß geworden: Gehe dahin, wo<br />

sich sonst keiner hintraut. Jetzt prescht er auf etabliertere Märkte vor.<br />

: Manchmal ist der blaue Ozean braun wie<br />

die Wüste Algeriens. „Blue Oceans“ sollten<br />

Unternehmen erobern, empfehlen die<br />

Strategieautoren Mauborgne und Chan Kim<br />

(siehe Interview in think:act 2). Sie meinen<br />

Märkte, auf denen der Wettbewerbsdruck<br />

niedrig ist, weil keine Konkurrenz da ist –<br />

wie auf dem blauen Ozean. Wie das geht,<br />

führt momentan der Unternehmer Naguib<br />

Sawiris vor – und zwar unter anderem in<br />

Algerien. Dort investierte er in großem Stil,<br />

ebenso in Tunesien, Bangladesch oder im<br />

Irak. Sein Erfolgsmodell: Gehe dahin, wo<br />

sich sonst keiner hintraut.<br />

„WO DAS RISIKO HOCH IST, SIND AUCH<br />

DIE PROFITE HOCH“, SO FIRMENCHEF<br />

NAGUIB SAWIRIS<br />

Sawiris’ Unternehmen Orascom Telecom<br />

betreibt Mobilfunknetze in sechs Ländern.<br />

2006 knackte es die Grenze von 40 Millionen<br />

Kunden. 2005 erzielte das Unternehmen<br />

einen Umsatz von 3,26 Milliarden US-Dollar,<br />

49 Prozent mehr als im Jahr 2004.<br />

Die Orascom-Gruppe gehört der ägyptischen<br />

Unternehmerfamilie Sawiris. Die hat<br />

einen echten Glücksgriff getan, als sie<br />

Naguib Sawiris an die Firmenspitze der<br />

Telekomtochter holte. Seit dem Start ins<br />

Mobilfunkgeschäft mit der ägyptischen<br />

Tochter Mobinil 1998 erwirbt er erfolgreich<br />

Lizenzen oder Anteile an bestehenden<br />

Handynetzen auf Märkten, die andere<br />

unterschätzen oder als zu risikoreich beurteilen.<br />

„Wo immer das Risiko hoch ist, sind<br />

auch die Profite hoch“, sagt er.<br />

Sein Meisterstück gelang Sawiris in Algerien.<br />

Anfang 2001 erwarb er dort für<br />

orascom setzt auf riskante märkte – mit erfolg industry-report f<br />

737 Millionen Dollar eine Mobilfunklizenz,<br />

200 Millionen mehr als Mitbieter France<br />

Télécom. Die Analysten waren skeptisch:<br />

Das Geschäftsumfeld in Algerien ist widrig,<br />

besonders in der Telekommunikation. Bis<br />

August 2000 wurde das Telefonnetz vom<br />

Postministerium betrieben und jeder neue<br />

Handynutzer vom Minister persönlich<br />

genehmigt.<br />

Der dann gegründete Staatsmonopolist<br />

Algérie Télécom begann erst im Sommer<br />

2003 mit professionell geführtem Betrieb.<br />

Da aber hatte Orascom den Markt längst<br />

aufgerollt. Heute hält es immer noch einen<br />

Marktanteil von knapp über 60 Prozent.<br />

Am profitabelsten ist für Orascom jedoch<br />

ein anderer Markt: der Irak. 2003 kaufte das<br />

Unternehmen von der amerikanischen<br />

Übergangsverwaltung eine Lizenz für den<br />

Zentral-Irak. Seit letztem Jahr betreibt es<br />

ein landesweites Netz.<br />

Das Geschäft ist schwierig. Immer wieder<br />

werden Angestellte entführt. 30 Millionen<br />

Dollar gibt Orascom jedes Jahr für Sicherheit<br />

aus. Doch die Mühen lohnen sich. Im<br />

vierten Quartal 2005 wies Orascom für sein<br />

Irak-Geschäft einen Average Revenue per<br />

User (ARPU) von 20,8 Dollar aus. Das ist<br />

zwar weniger als die über 40 Dollar, die<br />

Unternehmen etwa in den USA erzielen,<br />

aber für ein so armes Land wie den Irak<br />

dennoch beachtlich. Und Sawiris sieht sein<br />

Irak-Engagement trotz der anhaltenden<br />

Kämpfe auch als Investition. „Eines Tages<br />

wird es dort ruhig sein, und der Irak wird<br />

ein zweites Saudi-Arabien werden.“<br />

Derlei Erfolge bedeuten nicht, dass Sawiris<br />

nicht bereits auch Engagements hätte been-<br />

NAGUIB SAWIRIS absolvierte ein Studium<br />

an der Eidgenössischen Technischen<br />

Hochschule in Zürich. Zuvor besuchte er<br />

die Deutsche Schule in Kairo. Dort bekam er<br />

„eiserne Disziplin“ vermittelt, wie er sagt. Doch<br />

Sawiris hat auch einen Sinn für glamouröses<br />

Leben, zieht gerne durch die Clubs von Kairo.<br />

ORASCOM TELECOM HOLDING hat<br />

41 Millionen Kunden in sechs Ländern:<br />

Ägypten, Algerien, Bangladesch, Irak, Pakistan<br />

und Tunesien. Über seine Beteiligung an<br />

Hutchinson Telecommunications International<br />

kommen weitere neun Länder vor allem in<br />

Südostasien hinzu. Gehandelt an den Börsen<br />

in Kairo und London, hat das Unternehmen in<br />

Ägypten eine Marktkapitalisierung von knapp<br />

zwölf Milliarden US-Dollar.<br />

45


p industry-report ohne politische vernetzung geht in vielen regionen nichts. orascom ist vernetzt.<br />

46<br />

den müssen. Aus dem Jemen und Syrien zog<br />

Orascom sich zurück. Im Jahr 2002 etwa<br />

hatte Sawiris genug von seinen lokalen Partnern<br />

in Syrien. Diese standen der Präsidentenfamilie<br />

nahe. Sie betrachteten Orascom<br />

als reinen Geldgeber und wollten das<br />

Management unter ihre Kontrolle bringen.<br />

Dass Geschäfte und Politik in Personalunion<br />

oder von der gleichen Familie abgewickelt<br />

werden, ist nicht ungewöhnlich für den<br />

Nahen Osten. Auch Sawiris profitiert von<br />

der Vernetzung seiner Familie. Diese ist –<br />

auch über die von seinen Brüdern geleiteten<br />

Orascom Construction Industries und Orascom<br />

for Development and Real Estate –<br />

überall in der Region präsent. Entscheidend<br />

für den Ausstieg aus dem Syrien-Engagement<br />

war wohl vielmehr das Ausmaß der<br />

Eingriffe in die unternehmerische Freiheit.<br />

DIE BEVÖLKERUNG IN ENTWICKLUNGS-<br />

LÄNDERN IST ARM. DAFÜR SIND AUCH DIE<br />

HANDY-PENETRATIONSRATEN NIEDRIG.<br />

Eine Widrigkeit der Orascom-Märkte: Die<br />

Bevölkerung hat kein Geld. Ein durchschnittlicher<br />

Ägypter verdient jährlich 1400 Dollar,<br />

ein Bangladescher 410 Dollar. Aber: Auch die<br />

Handy-Penetrationsraten sind niedrig –<br />

17,7 Prozent in Ägypten, 12,7 Prozent in Pakistan.<br />

Das macht sie als Märkte attraktiv.<br />

Die Kunst besteht darin, den Markt mit<br />

günstigen Angeboten für ärmere Schichten<br />

schnell zu vergrößern. Neun von zehn Kunden<br />

sind dort Prepaidkunden. „In einem<br />

Emerging Market suchen sich Kunden minimalen<br />

Service für den niedrigsten Preis aus“,<br />

sagt Telekomanalyst Walaa Hazem von der<br />

ägyptischen HC Brokerage.<br />

Auch damit lässt sich Kasse machen. Zwar<br />

sanken Orascoms durchschnittliche ARPUs<br />

2005 wegen des Nutzerzuwachses erheblich,<br />

doch das Geschäft bleibt weiterhin profitabel:<br />

In keinem Land außer in Bangladesch<br />

erzielt das Unternehmen ein EBITDA<br />

von unter 40 Prozent. Doch Naguib Sawiris<br />

musste auch dazulernen. Pakete mit Handy<br />

und Vertrag funktionieren beispielsweise<br />

oft nicht. In Ägypten pflückten die lokalen<br />

Händler beides lange Zeit auseinander<br />

und entwickelten ihre eigenen Produkte,<br />

die dem Markt angemessener waren. Erst<br />

Anfang des Jahres 2006 haben Mobinil,<br />

Orascoms Tochter, und Konkurrent Vodafone<br />

es geschafft, auf dem Markt Paketlösungen<br />

inklusive Handy und Telefonvertrag<br />

durchzusetzen.<br />

Auch auf problematischen Märkten lassen<br />

sich also, wenn auch langsam, internationale<br />

Standards durchsetzen. Umgekehrt nutzt<br />

Orascom seine steigende Schlagkraft dazu,<br />

sich auf wohlhabenderen Märkten breitzumachen.<br />

Seit 2005 setzt das Unternehmen<br />

auf Südostasien. Im Dezember 2005 erwarb<br />

Sawiris für 1,3 Milliarden Dollar 19,3 Prozent<br />

der Hongkonger Hutchinson Telecommunications<br />

International.<br />

Ein anderer spektakulärer Coup war Sawiris<br />

bereits einige Monate zuvor gelungen. Im<br />

Mai 2005 erwarb er für zwölf Milliarden<br />

Euro den italienischen Telekomanbieter<br />

Wind. „Strategiebruch“, riefen die Analysten,<br />

denn zum ersten Mal ging Sawiris in ein<br />

Industrieland. Sie fürchteten, Orascom werde<br />

seinen Charakter als ein auf Emerging<br />

Markets expandierendes Unternehmen verlieren.<br />

Doch vielleicht ist der Einstieg in<br />

Italien auch eher als Ergänzung der bisherigen<br />

Strategie zu sehen. Nach dieser Lesart<br />

liefert Wind ein wenig Risikostreuung – und<br />

damit die Basis für weitere Engagements.<br />

Als Wind-CEO setzte Sawiris den ehemaligen<br />

Telecom-Italia-Manager Paolo Delpino<br />

ein. Eine Entscheidung, die logisch erscheint:<br />

Seinen letzten Posten hatte Delpino<br />

als Operations-Manager in Südamerika.<br />

Damit sind ihm die Emerging Markets vertraut<br />

– und er versteht die Denkweise des<br />

Orascom-Managements. Ansonsten behandelt<br />

Sawiris beide Unternehmen getrennt.<br />

Der Zukauf erklärt sich nicht zuletzt auch<br />

vor anstehenden Veränderungen am Mobilfunkmarkt.<br />

Experten erwarten eine Konsoli-<br />

dierung; Unternehmen brauchen also eine<br />

gewisse kritische Masse und Breite. Sawiris<br />

will die Konsolidierung als Gewinner überstehen.<br />

„Man sagt, es gebe keine Green<br />

Fields mehr. Also muss man eine Wahl treffen:<br />

Will man akquirieren oder akquiriert<br />

werden?“, sagte er. „Wir haben uns fürs Akquirieren<br />

entschieden.“<br />

Die Strategie könnte aufgehen. Wael Ziada,<br />

Analyst bei der arabischen Investmentbank<br />

EFG Hermes, sieht gute Chancen, dass<br />

Orascom zu den Akquisiteuren gehört. Er<br />

glaubt, dass es außerhalb Nordamerikas nur<br />

noch fünf Mobilfunkanbieter geben wird.<br />

„Orascom allein kann wohl nicht zu ihnen<br />

gehören, aber sicherlich zusammen mit<br />

Wind und Hutchinson.“ Passend dazu erklärte<br />

Orascom jüngst, sich auch für die Mehrheit<br />

von Hutchinson Telecommunications<br />

zu interessieren.<br />

UND EWIG LOCKT DAS RISIKO<br />

Auch andere Mobilfunkanbieter versuchen, auf<br />

Risikomärkten zu bestehen – sogar in Afrika.<br />

�Die südafrikanische MTN Group betreibt<br />

Mobilfunknetze in 21 afrikanischen Ländern<br />

mit 28 Millionen Kunden. MTN ist dort die<br />

Nummer zwei hinter Orascom. Im letzten Jahr<br />

steigerte MTN deutlich Umsatz und Gewinn.<br />

Der Erlös legte 2005 gegenüber dem Vorjahr<br />

um 21 Prozent auf 29 Milliarden Rand zu.<br />

Wie Orascom sieht sich auch MTN künftig als<br />

weltweiter Netzanbieter. So plant die Gruppe,<br />

mit einem Netz im Iran an den Start zu gehen.<br />

�2005 kaufte die kuwaitische MTC den afrikanischen<br />

Handynetzanbieter Celtel International.<br />

Damit bietet MTC nun in 14 afrikanischen<br />

Ländern Handyverbindungen<br />

an, darunter in Krisengebieten wie Kongo<br />

oder Tschad. Ende Mai schaffte Celtel den<br />

Sprung nach Nigeria, mit über 130 Millionen<br />

Einwohnern der menschenreichste Staat<br />

Afrikas – laut dem nigerianischen Kommunikationsminister<br />

das größte Investment<br />

eines Einzelunternehmens, das jemals in<br />

Nigeria getätigt wurde.


: Willy Claes hat eine klare Vision für<br />

Europa. Der Kontinent „muss jetzt<br />

die Frage beantworten: Wollen wir weiterhin<br />

eine wichtige Rolle auf der Weltbühne<br />

spielen?“ Wenn ja, so der frühere NATO-<br />

Generalsekretär vor Wirtschaftsentscheidern<br />

im Amsterdamer Amstel-Hotel, „dann<br />

brauchen wir ein Europa der zwei Geschwindigkeiten.<br />

Eines mit einer kohärenten<br />

Außenpolitik, das mit einer konsistenten<br />

Stimme spricht. Und eine größere europäische<br />

Wirtschaftszone.“<br />

Der Vortrag anlässlich der holländischen<br />

Preisverleihung des <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>-Wettbewerbs<br />

„Best of European Business“ zeigte:<br />

Politik und Wirtschaft gehen auch in Zeiten<br />

der Globalisierung Hand in Hand. Unternehmen<br />

brauchen die Politik. Doch sie tragen<br />

auch dazu bei, die politische Vision<br />

eines starken Europas umzusetzen.<br />

DER KOLONIALISMUS HAT IN DER<br />

GLOBALISIERTEN WIRTSCHAFT AUSGEDIENT,<br />

SAGT BASF-VORSTAND FELDMAN<br />

Diese ist Leitidee von „Best of European Business“,<br />

das <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> in diesem Jahr<br />

zum zweiten Mal veranstaltet. Hochkarätig<br />

besetzte Länderjurys kürten bis Januar die<br />

nationalen Gewinner. Am 15. März endet<br />

der Wettbewerb mit einer Gala im Rahmen<br />

des European Business Summit in Brüssel.<br />

National wurden die Unternehmen nach<br />

den Kategorien Wachstum, grenzüberschreitende<br />

M&A-Aktivitäten sowie europaweite<br />

Strategien bewertet. Der Aspekt der grenz-<br />

roland berger kürt die besten im europäischen business industry-report f<br />

Startet Europa jetzt durch?<br />

Zum zweiten Mal zeichnet <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> momentan die leistungsstärksten Unternehmen<br />

Europas aus. Zehn Länder nehmen diesmal teil, die nationalen Gewinner stehen bereits<br />

fest. Der Wettbewerb fällt in eine Zeit, in der Europa sein Selbstvertrauen wiederentdeckt.<br />

überschreitenden Zusammenarbeit – innerhalb<br />

der EU, aber vor allem auch mit Russland<br />

– spielte auch bei der Paneldiskussion<br />

der deutschen Awards eine große Rolle.<br />

John Kornblum, früherer US-Botschafter in<br />

Deutschland, hob hervor, dass wirtschaftlicher<br />

Erfolg nie eine Einbahnstraße ist –<br />

weder für Unternehmen noch für Länder.<br />

BASF-Vorstandsmitglied John Feldman<br />

ergänzte: „Für Kolonialismus im Business<br />

gibt es keinen Raum mehr.“ In Deutschland<br />

konnten sich in der Kategorie Wachstum<br />

der Automobilzulieferer Benteler<br />

sowie Puma durchsetzen. In der Kategorie<br />

Europa siegten der Mischkonzern Franz<br />

Haniel & Cie. GmbH und der Heiz- und<br />

Klimatechnikspezialist Vaillant. Bei grenzübergreifende<br />

M&A überzeugte E.ON.<br />

Den Auftakt bildete die Schweiz. Sieger<br />

waren hier der Holcim-Konzern, die Geberit-Gruppe,<br />

Stadler Rail und die Sika AG. In<br />

den Niederlanden gingen die Awards an<br />

Mittal, TomTom, DSM, Stage Entertainment,<br />

ABN Amro und Ten Cate. In Italien gewannen<br />

Unicredit, Campari, Diesel, Geox,<br />

Indesit, die Ali Group und Lottomatica. In<br />

Portugal gewannen die Grupo EDP, Galp<br />

Energia, Logoplaste, Mota Engil und Renova.<br />

Eines machten die nationalen Wettbewerbe<br />

deutlich: Um erfolgreich zu sein, muss das<br />

Projekt Europa auch den Unternehmen zur<br />

Herzensangelegenheit werden. Das ergibt<br />

auch ökonomisch Sinn, so Spaniens Industrieminister<br />

Joan Clos in Madrid: „Unternehmen<br />

und ihre Manager müssen noch mehr<br />

Leidenschaft in den Aufbau eines vereinten<br />

Europas packen.“<br />

Die spanischen Awards gingen an Gamesa<br />

Corp. Tecnológica, Cosentino, Gruppo Ferrovial,<br />

Ficosa, Telefónica, Fertiberia; den Großen<br />

Preis der Jury nahm Juan Miguel Villar<br />

Mir für die Grupo Villar entgegen.<br />

In London wurden die britischen Sieger<br />

Inns, Serco, Yell, Large Ineos, EasyJet und<br />

Aviva ausgezeichnet. In Polen gewannen<br />

Solaris Bus & Coach S.A., Inter Groclin Auto<br />

S.A. und PKN Orlen die Awards. Frankreichs<br />

Top-Performer sind die Norbert Dentressangle<br />

Group, Somfy International, PSA Peugeot<br />

Citroën, International Metal Service<br />

S.A. (IMG), Pernod Ricard und Dassault<br />

Systèmes geehrt.<br />

Alle Gewinner „zeichnen sich durch unternehmerische<br />

Exzellenz aus“, sagte Burkhard<br />

Schwenker, Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants,<br />

bei der deutschen Zeremonie. Ihre<br />

Leistung gründe sich nicht zuletzt „auf einer<br />

nachhaltigen Unternehmensstrategie, die<br />

auf Differenzierung und Innovation beruht,<br />

und einer starken Position auf den jeweiligen<br />

Heimatmärkten.“<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

zum „Best of European Business“-Wettbewerb,<br />

zu den nationalen Gewinnern,<br />

den Jurys, den Partnern und Medienberichten<br />

finden Sie im Internet:<br />

www.best-of-european-business.com<br />

47


p industry-report vielfalt bleibt<br />

48<br />

Teil des großen Ganzen werden<br />

Dass sich mit Minderheiten Geld verdienen lässt, haben Unternehmen begriffen. In der zweiten<br />

Generation des Diversity-Marketings findet jetzt ein Umdenken statt. Nicht nur Unterschiede werden<br />

betont, sondern auch das Einende. Wird Marketing so zum Vehikel gesellschaftlicher Integration?<br />

: Amerikas vielleicht innovativster Integrationspolitiker<br />

heißt Jeff Valdez. Der<br />

aber ist gar kein Politiker, sondern Unternehmer.<br />

2004 gründete Valdez den Kabelsender<br />

SíTV. Tag für Tag bringt dieser ein<br />

junges, witziges Programm für US-Amerikaner<br />

mit spanischen, süd- oder lateinamerikanischen<br />

Wurzeln – und zwar auf Englisch.<br />

„Junge Hispanics konsumieren englische<br />

Medien“, sagt Valdez. „Egal, welche Sprache<br />

sie zu Hause sprechen.“<br />

Das Senderkonzept von SíTV kommt an.<br />

Während Dutzende spanische Latino-TV-<br />

Sender in den USA mit Telenovelas und<br />

Spots aus der Heimat verzweifelt um<br />

Zuschauer kämpfen, hat das englischsprachige<br />

SíTV mit seinen Eigenproduktionen<br />

für die MTV-Generation seine Zuschauer-<br />

zahlen in nur zwei Jahren verdoppelt. 12,5<br />

Millionen Haushalte erreicht SíTV heute.<br />

Der Sender ist mehr als „nur“ eine wirtschaftliche<br />

Erfolgsgeschichte. Dadurch, dass<br />

er auf englisch sendet, nicht auf spanisch,<br />

integriert Valdez die Hispanics, eine der<br />

größten ethnischen Minderheiten in den<br />

USA, stärker in die Mehrheitskultur. Und<br />

das, ohne ihnen ihre kulturelle Individualität<br />

zu nehmen. SíTV akzeptiert die US-<br />

Hispanics als eigenständige Zielgruppe. Und<br />

er versteht ihren Hintergrund. Sie sind eben<br />

keine Spanier oder Südamerikaner; Ethno-<br />

Folk oder Berichte „aus der Heimat“, also<br />

etwa Latein- oder Südamerika, sprechen sie<br />

nicht an. Doch sie wollen auch nicht dasselbe<br />

Programm wie weiße TV-Zuschauer. Als<br />

Auswanderer, die den ganzen Tag von ihrer<br />

alten Heimat träumen, behandeln die Programmplaner<br />

sie nicht. Sondern als eigene,<br />

relevante Kraft der US-Gesellschaft.<br />

Ein kluger Ansatz, glaubt Stephen Spalacios<br />

vom New Yorker Thinktank Cheskin, der auf<br />

die hispanische Zielgruppe spezialisiert ist:<br />

„Es gibt einen immer stärkeren Trend in den<br />

Medien, das Leben der Hispanics zu zeigen,<br />

so, wie es sich hierzulande entwickelt hat“ –<br />

in all seiner Komplexität und als integrativen<br />

Bestandteil der amerikanischen Gesellschaft.<br />

Der Aufwand verspricht Rendite:<br />

700 Milliarden Dollar Kaufkraft haben die<br />

40 Millionen US-Hispanics.<br />

Das Marketing für Minderheiten emanzipiert<br />

sich weltweit vom folkloristischen Ansatz<br />

der Anfangstage. Die ersten Konzepte hatten<br />

darin bestanden, Einwanderern Main-


streamprodukte zu verkaufen, indem sie<br />

werblich reale oder angenommene kulturelle<br />

Unterschiede betonten und sich damit anzubiedern<br />

versuchten. Spots und Anzeigen<br />

verbreiteten Ethnoklischees und Heimatkitsch.<br />

Der kulturellen Komplexität der Einwanderer<br />

und ihrer Lebenswelten entsprachen<br />

diese Klischees schon damals nicht.<br />

„Minderheiten wollen mit ihren kulturellen<br />

Eigenheiten ernst genommen werden“, sagt<br />

Christopher Kelley, Leiter Konsumforschung<br />

bei Forrester Research. Das heißt: Zunächst<br />

einmal müssen die Produkte selbst genau<br />

auf die Bedürfnisse der jeweiligen Sub-Zielgruppe<br />

zugeschnitten werden. Auf Basis dieser<br />

Produkte darf dann die Marketingansprache<br />

die einzelnen Zielgruppen nicht als<br />

Exoten darstellen, sondern muss sie als<br />

wertvolles Element einer komplexen Gesellschaft<br />

positionieren. Und wenn, wie eine<br />

aktuelle Forrester-Studie zeigt, 70 Prozent<br />

der spanischstämmigen Onlineeinkäufer in<br />

den USA auf englischsprachigen Seiten<br />

shoppen, wirkt die Website auf Spanisch<br />

eben kontraproduktiv.<br />

Spanisch oder Englisch – eine allgemeingültige<br />

Antwort auf diese Frage existiert ohnehin<br />

nicht. „Wichtiger als das schlichte Übersetzen<br />

ins Spanische ist ein Verständnis für<br />

die tiefer liegenden kulturellen Unterschiede“,<br />

so Kelley. Die gibt es weiterhin. Daher<br />

geht es für die Unternehmen um beides –<br />

um Integration und Diversität.<br />

Mit diesem Ansatz werden Unternehmen<br />

tatsächlich zunehmend zu Treibern gesellschaftlicher<br />

Integration. Godehard Wakenhut,<br />

Chef des Schweizer Marktforschungsspezialisten<br />

GIM, glaubt, dass Firmen<br />

immer häufiger „den eigenen transkulturellen<br />

Anspruch betonen und Minderheiten so<br />

zeigen, dass sie akzeptiert werden.“ Diesen<br />

Weg gehen etwa Ford oder UBS. Ihre Marken<br />

werden zu einem eigenen gesellschaftlich<br />

integrativen Element. Das Beispiel UBS<br />

zeigt dabei, dass die Muttersprache ethnischer<br />

Gruppen je nach Kontext auch ein<br />

SÍTV: IM FERNSEHEN ZU HAUSE<br />

Spanisches Fernsehen ist in den USA normal.<br />

Was der TV-Produzent Jeff Valdez 2004 mit<br />

„SíTV“ wagte, war es nicht: die erste Hispanic-<br />

Station, die in englischer Sprache sendet.<br />

Speziell auf junge Hispanics der zweiten Generation<br />

zugeschnitten, steht SíTV nicht nur für<br />

gelungene Integration, sondern auch für eine<br />

Erfolgsgeschichte: Die Reichweite verdoppelte<br />

sich in nur zwei Jahren von sechs auf inzwischen<br />

12,5 Millionen Haushalte.<br />

AY YILDIZ: HALBMOND FÜRS HANDY<br />

Der Mobilfunkkonzern E-Plus hat den in Deutschland<br />

lebenden Türken eine Handymarke maßgeschneidert.<br />

Bei „Ay Yildiz“ kosten Gespräche<br />

und SMS nach Antalya genauso viel wie nach<br />

Aachen. So will E-Plus mindestens 700 000<br />

Verträge dazugewinnen. Die Nachfrage ist<br />

groß. Nicht nur, dass Deutschtürken sich mit<br />

ihren Bedürfnissen ernst genommen fühlen.<br />

Das zweisprachig beworbene Angebot ist auch<br />

geschickt mit einer Initiative für die Integration<br />

türkischer Jugendlicher verknüpft.<br />

FORD: REIZVOLLE ZIELGRUPPE<br />

In Köln haben Verwaltung und Unternehmen<br />

schon lange die Wirtschaftskraft der Schwulen<br />

und Lesben erkannt, die beim Christopher<br />

Street Day zweistellige Millionenbeträge in der<br />

Stadt lassen. Ford Europa sponsert die Parade<br />

seit 2000 und schickt seine „Gay, Lesbian<br />

or Bisexual Employees“ (GLOBE) mit eigenem<br />

Wagen auf den Umzug. In der kaufkräftigen<br />

Szene wird mit Wohlwollen das Diversity-Engagement<br />

des Konzerns honoriert, der etwa<br />

den gleichgeschlechtlichen Partnern verstorbener<br />

Mitarbeiter Betriebsrente zahlt.<br />

L’ORÉAL SOFTSHEEN: DIE FARBEN<br />

DER HAUT<br />

Die Kosmetikindustrie ist bis heute auf den<br />

weißen „Eurasier“ eingestellt. Was Kraushaaren<br />

und schwarzer Haut guttut, ist dagegen<br />

wenig erforscht. L’Oréal, wo man vor drei Jahren<br />

den Spezialkosmetiker „Softsheen Carson“<br />

gekauft hat, investiert jetzt massiv in das<br />

Institute for Ethnic Hair and Skin Research in<br />

Chicago. Hier werden neue Shampoos und<br />

Cremes für Afroamerikaner entwickelt. Dieser<br />

Markt mit gewaltigem Potenzial wurde bisher<br />

eher von obskuren Nischenfirmen bedient.<br />

bitte keine ethnoklischees! industry-report f<br />

Mittel der Integration sein kann. Das Unternehmen<br />

bebilderte eine Imagekampagne<br />

mit einer russischen Violinistin, die in ihrer<br />

Muttersprache zu Wort kommt. Die Aussage:<br />

Wir als Bank sind ein globaler Corporate<br />

Citizen, ein Weltbürger. Unsere Unternehmenskultur<br />

ist so stark, dass sie die Vielfalt<br />

unterschiedlicher Sprachen aushält.<br />

Wie die Hispanics in den USA erregt auch in<br />

Europa derzeit die zweite und dritte Generation<br />

der Einwanderer die Aufmerksamkeit<br />

der Marketer. Die Grenzgänger verzeihen es<br />

nicht, wenn Unternehmen sie mit Ethnoklischees<br />

bombardieren. Das hat auch Gwladys<br />

Mandin beobachtet, deren Agentur ak-a in<br />

Paris Marketingstrategien für afrikanische<br />

Franzosen entwickelt. Sie glaubt, „dass Ethnomarketing<br />

nicht mehr die Unterschiede<br />

betonen darf“. Daher kümmert sie sich weniger<br />

um objektive Merkmale wie Sprache,<br />

Nationalität oder Hautfarbe. „Wichtiger sind<br />

subjektive Eigenheiten wie die Familie und<br />

kulturelle Codes.“ Diese nämlich lassen sich<br />

leichter als Abgrenzungs- und Bindungselement<br />

zugleich darstellen.<br />

Offensiv experimentieren Europas Unternehmen<br />

inzwischen auch mit integrativen<br />

Konzepten für Homosexuelle. Gerade<br />

Schwule und Lesben verstehen sich nicht<br />

mehr als Exoten. Daher sprechen sie die<br />

neuen, integrativen Marketingansätze<br />

besonders an, glaubt der Autor Michael Stuber.<br />

Zur Ausgrenzung komme es etwa,<br />

„wenn man Werbung für Homosexuelle nur<br />

in Gay-Medien schaltet.“<br />

Der verkrampfte Versuch, sich bei einer<br />

Zielgruppe durch Betonung ihrer Eigenheiten<br />

beliebt zu machen, wirkt heute wie<br />

ein Relikt aus der Frühzeit des Gutmenschentums.<br />

Die Minderheiten gehen mit<br />

ihrer Rolle zunehmend souverän und selbstironisch<br />

um. Das zeigt wiederum das Beispiel<br />

SíTV. Mexikanische B-Movies werden<br />

dort gern mit absurden englischen Synchrondialogen<br />

versehen – zum Vergnügen<br />

der Zuschauer.<br />

49


p industry-report 15 milliarden us-dollar umsatz erzielt brasiliens ethanolindustrie<br />

50<br />

Alles auf Zucker<br />

Experten sehen in Brasilien die nächste Boomwirtschaft nach China und Indien. Das Wachstumsmodell<br />

des südamerikanischen Landes setzt dabei weniger auf Hightech oder Dienstleistungen. Stattdessen<br />

werden Zuckerrohr und Biotreibstoffe zum Ausgangspunkt neuer wirtschaftlicher Dynamik.<br />

: Wenn der Brasilianer Leonardo Monteiro<br />

de Barros tankt, muss er sich entscheiden:<br />

Soll er „Gasolina Extra“, „Gasolina Comum“<br />

oder „Alcool“ einfüllen? Sein Wagen<br />

schluckt alles, er läuft mit einem Flex-Fuel-<br />

Motor. Der Filmproduzent entscheidet<br />

„spontan, je nach Preis“. Der ist derzeit bei<br />

Alcool, dem Treibstoff aus nachwachsenden<br />

Rohstoffen, um fast die Hälfte günstiger.<br />

Der Biosprit lohnt sich also, obgleich er ein<br />

Viertel weniger Laufleistung erbringt. Also<br />

rein damit in den Tank.<br />

Wie Monteiro de Barros entscheiden sich<br />

heute viele Brasilianer. Immer mehr Bewohner<br />

des südamerikanischen Landes haben<br />

Autos mit Flex-Fuel-Motoren. Kaum ein<br />

Land setzt so konsequent auf Biokraftstoffe<br />

wie Brasilien. Alcool ist an beinahe allen<br />

30 000 Tanksäulen des Landes erhältlich.<br />

Auch dem herkömmlichen Benzin, ob Super<br />

oder Normal, sind in Brasilien regulär 25 Prozent<br />

Ethylalkohol beigemischt. Das Land ist<br />

zu einem Vorreiter im Bereich alternativer<br />

Energiequellen geworden. Und aus Zuckerrohr<br />

gewonnenes Ethanol könnte zur<br />

strategischen Industrie im globalwirtschaftlichen<br />

Aufholprozess Brasiliens werden.<br />

Ein Blick ins Hinterland von São Paulo:<br />

Zuckerrohrplantagen, so weit das Auge<br />

reicht. Mit Zucker hatte einst Brasiliens Wirtschaftsgeschichte<br />

begonnen. Nun soll aus<br />

Zuckerrohr gewonnenes Bioethanol die<br />

Nation in eine prosperierende Zukunft führen.<br />

Weltweit werden zwei Prozent des<br />

Kraftstoffbedarfs mit nachwachsenden Rohstoffen<br />

gedeckt. In Brasilien sind es 40 Prozent.<br />

Das Land ist weltgrößter Erzeuger und<br />

Exporteur von Biotreibstoff.<br />

Zuckerrohr wird in Brasilien zunehmend<br />

zum Hochtechnologiegeschäft. „Saccharum<br />

officinarum“ wird heute maschinell angepflanzt<br />

und geerntet. Sechsachsige Lkws rollen<br />

von den Plantagen zu den Fabriken, zur<br />

„Usina Iracema“ beispielsweise, deren<br />

30 Meter hoher Schlot wie ein Ausrufezeichen<br />

in der Landschaft steht.<br />

350 RAFFINERIEN VERARBEITEN<br />

ZUCKERROHR. BRASILIEN EXPORTIERT<br />

JÄHRLICH 2,7 MILLIONEN TONNEN ETHANOL.<br />

Die Usina Iracema ist eine von 350 Raffinerien,<br />

die aus dem nachwachsenden Rohstoff<br />

Zuckerrohr sowohl Zucker für den<br />

menschlichen Gebrauch raffinieren als auch<br />

Ethylalkohol fermentieren und destillieren.<br />

Der Produktionsmix der Usina ist flexibel: Je<br />

nach Nachfrage wird mal mehr Zucker raffiniert,<br />

mal mehr Ethanol destilliert.<br />

Die weltwirtschaftliche Relevanz von Ethanol<br />

nimmt zu. Das globale Produktionsvolumen<br />

ist von zehn Millionen Tonnen im Jahr<br />

2001 auf 15 Millionen Tonnen im Jahr 2005<br />

gestiegen. Die brasilianischen Ethanolexporte<br />

werden nach Schätzungen der Regierung<br />

von derzeit 2,7 Millionen auf 8,5 Millionen<br />

Tonnen in den nächsten neun Jahren<br />

anwachsen. Rund 15 Milliarden Dollar<br />

Mit der Entwicklung der<br />

brasilianischen Volkswirtschaft<br />

befasst sich<br />

ein aktuelles think:act<br />

content. Auf acht Seiten<br />

beschreibt es ein Land<br />

mit ganz eigenen Wachstumschancen.<br />

setzt die brasilianische Zucker-Ethanol-Industrie<br />

um; 3,6 Millionen Brasilianer leben<br />

von ihr. Etwa 72 000 Landeigentümer nutzen<br />

die agrarische Energieproduktion.<br />

Das Land hat beim Zuckerrohr eindeutige<br />

Konkurrenzvorteile. Auf ein Viertel der<br />

europäischen und die Hälfte der amerikanischen<br />

Kosten belaufen sich nach Schätzung<br />

von Rubens Ometto Silveira Mello, dem<br />

Chef des Zuckerrohrproduzenten Cosan SA<br />

Industria Comercio, die Produktionskosten.<br />

Gegenüber Benzin ist brasilianisches<br />

Ethanol damit konkurrenzfähig, solange der<br />

Rohölpreis über 35 US-Dollar pro Barrel<br />

liegt, schätzt die Stanford Washington Research<br />

Group. Derzeit liegt der Preis bei 70 US-<br />

Dollar. „Wir müssen nur den Rohdiamanten,<br />

den wir da haben, richtig schleifen und<br />

polieren“, treibt Ometto Silveira Mello seine<br />

Kollegen im Biobusiness an.<br />

Einen Schub bekam die Industrie durch ein<br />

Umdenken der Autohersteller. Volkswagen<br />

do Brasil war 2003 mit der Entwicklung<br />

von Flex-Fuel-Motoren vorgeprescht. Inzwischen<br />

kann es sich in Brasilien kein Autobauer<br />

mehr leisten, die Pkws nicht mit den<br />

Allesfressern auszustatten. Serge Habib,<br />

Chef von Citroën in Brasilien, glaubt, dass in<br />

zwei Jahren alle Neuwagen mit Flex-Fuel-<br />

Motoren fahren.<br />

DIE FAMILIENHOLDING COSAN IST HEUTE<br />

DER WELTGRÖSSTE PRODUZENT VON<br />

BIOETHANOL – UND BÖRSENNOTIERT<br />

Einen Strukturwandel vollzogen parallel zu<br />

der Wende der Autoindustrie die Rohstoffanbieter:<br />

Die archaischen Zuckermühlen<br />

in Familienbesitz wurden durch agroindus-


trielle Kapitalgesellschaften abgelöst. Cosan,<br />

der mittlerweile weltweit größte Produzent<br />

von Bioethanol, ist dafür ein Beispiel. 1986<br />

betrug der Ausstoß der Familienholding<br />

gerade einmal 4,3 Millionen Tonnen. Jetzt<br />

ist das Unternehmen börsennotiert und produziert<br />

im Jahr 30,6 Millionen Tonnen<br />

Biotreibstoff, verfügt mit seinen 13 Usinas<br />

über eigene Depots und Hafenanlagen.<br />

Von der Expansion des Ethanolmarktes profitieren<br />

auch angrenzende Industrien,<br />

etwa die Maschinenbaubranche. 109 neue<br />

Anlagen allein stehen in den Auftragsbüchern<br />

des Anlagenbauers Dedini, der komplette<br />

Raffinerien und Destillerien zur Produktion<br />

von Ethanol liefert. „Ein großer<br />

Sprung nach vorne“, freut sich der Vizechef<br />

José Luiz Olivério. Das Unternehmen hat<br />

im abgelaufenen Jahr 400 Millionen Dollar<br />

Umsatz erzielt. Bis 2010 soll es doppelt so<br />

viel sein. Erstmals hat Dedini in diesem<br />

zuckerrohr wird zum innovationstreiber auch für angrenzende branchen industry-report f<br />

Jahr einem ausländischen Erdölkonzern,<br />

der venezolanischen PDVSA, eine Ethanolanlage<br />

geliefert.<br />

So wächst Brasilien schrittweise in die Rolle<br />

des Innovationstreibers im Bereich alternativer<br />

Energiequellen hinein. „Brasilien<br />

schreibt eine Erfolgsstory in der Produktion<br />

und Nutzung nachwachsender Treibstoffe.<br />

Das Land besitzt ein enormes Potenzial und<br />

ist den anderen einige Jahre voraus“, konstatiert<br />

Alan MacDiarmid, der Chemie-Nobelpreisträger<br />

aus Neuseeland. „In Wahrheit<br />

kann keiner mit uns konkurrieren“, gibt sich<br />

auch Staatspräsident Luiz Inácio Lula da<br />

Silva selbstbewusst.<br />

Der einfache Verbraucher Leonardo Monteiro<br />

de Barros sieht das etwas nüchterner.<br />

Der Alkohol im Tank würde schließlich<br />

auch nicht gerade billiger. Aber einen Benzin-Pkw<br />

würde er nicht mehr kaufen – „die<br />

gibt es ja kaum noch“.<br />

WACHSTUMSPERSPEKTIVEN<br />

Brasilien 1556<br />

BIP 2005 (Billionen Dollar)<br />

Indien 3611<br />

China 8859<br />

BIP-Wachstumsprognose<br />

2004–2030, jährliche Rate in %<br />

Brasilien 3,39 %<br />

Indien 6,71 %<br />

China 7,09 %<br />

BIP pro Kopf 2005 (Dollar)<br />

Brasilien 8400<br />

Indien 3300<br />

China 6800<br />

Quellen: CIA World Fact Book, Economist Intelligence Unit<br />

Während aktuelle Schätzungen zeigen, dass sich Brasiliens Wirtschaft<br />

voraussichtlich nicht so dynamisch entwickeln wird wie die Indiens oder<br />

Chinas, liegt Brasilien beim Wohlstandsmaß Pro-Kopf-Einkommen vorne.<br />

51


p industry-report trends und branchen<br />

52<br />

Zukunftsmärkte im Check<br />

Ein neuer Datenturbo im Mobilfunk kommt, Wärme aus dem Erdinneren liefert Energie, Müll wird<br />

zu Öl, und Braunkohlekraftwerke stoßen vielleicht schon bald kein CO 2 mehr aus.<br />

der datenturbo<br />

Investitionen in mobile Infrastrukturen in Westeuropa<br />

(in Millionen Euro )<br />

Technik/Jahr 2005 2006 2007 2008 2009 2010<br />

GSM/GPRS/EDGE 4908,9 4982,2 4624,7 4042,4 3500,7 2977,5<br />

WCDMA/HSDPA 4800,9 5493,4 6880,2 7854,3 8618,7 9114,6<br />

wärme von unten<br />

Quelle: IDC 2006<br />

Unter der Erde schlummern gigantische Energiereserven:<br />

Erdwärme. Bislang wurde diese nur an besonders günstigen<br />

Standorten gefördert. Die „Hot Dry Rock (HDR)“-Technologie<br />

könnte die Geothermie nun flächendeckend etablieren.<br />

Bei HDR werden zwei Bohrlöcher in bis zu 5000 Meter Tiefe<br />

getrieben. Über das erste Loch wird Wasser nach unten gepresst,<br />

das sich erhitzt und als Wasserdampf über das zweite<br />

Loch zurückströmt, wo es als Fernwärme oder zur Stromproduktion<br />

genutzt werden kann. Der Clou: Durch den Druck<br />

des eindringenden Wassers lassen sich die winzigen Spalten<br />

unterirdischer Gesteinsformationen so erweitern, dass sich<br />

ein durchlässiger „Kanal“ zwischen den Löchern öffnet. Die<br />

Folge: ein geschlossener Wasserkreislauf.<br />

In Australien arbeitet das Unternehmen Geodynamics<br />

bereits an einem Geschäftsmodell. Bis Ende 2005 sammelten<br />

die Verantwortlichen mehr als 77 Millionen Dollar, um ein<br />

Demonstrationskraftwerk mit bis zu 15 Megawatt elektrischer<br />

Leistung – genug für die Versorgung einer Kleinstadt –<br />

Im Mobilfunk zählt momentan vor allem Tempo. Mit<br />

dem High Speed Downlink Packet Access bieten Netzbetreiber<br />

inzwischen Übertragungsraten von 1,8 Megabit<br />

pro Sekunde beim Datenempfang, rund sechsmal mehr als<br />

beim „normalen“ UMTS. Nun wird auch der Versand von<br />

Daten beschleunigt. High Speed Uplink Packet Access<br />

heißt die Technologie, die theoretisch Bandbreiten von bis<br />

zu 5,8 Megabit pro Sekunde liefern kann. Ab 2007 soll sie<br />

zur Verfügung stehen. Der Datenturbo soll Multimedia-<br />

Anwendungen wie mobile Videokonferenzen möglich<br />

machen, aber auch der paketvermittelten Sprachtelefonie<br />

(VoIP) zum Durchbruch verhelfen, da sie auf kurze Verzögerungszeiten<br />

und einen breiten Rückkanal angewiesen<br />

ist. Marktforscher rechnen mit zügig steigenden Investitionen.<br />

So haben in Westeuropa nach Angaben des Forschungsinstituts<br />

IDC die <strong>Ausgabe</strong>n für Breitbandtechnologien<br />

diejenigen für Schmalbandtechnologien bereits im<br />

vergangenen Jahr erstmals klar übertroffen.<br />

zu entwickeln. Eine kommerzielle Anlage mit mehr als<br />

100 Megawatt soll folgen. Die EU treibt ihre HDR-Forschung<br />

im elsässischen Soultz-sous-Forêt voran. Sechs Megawatt<br />

elektrische Leistung soll das Geothermiekraftwerk liefern.<br />

In Deutschland und der Schweiz nutzen lokale Initiativen<br />

die Nähe zu vorhandenen Fernwärmenetzen. An der Universität<br />

Bochum soll<br />

Best Practice in der thermischen<br />

Stromerzeugung<br />

Kraftwerkstyp Wirkungsgrad (%)<br />

Atom 36<br />

Braunkohle 43<br />

Steinkohle 46<br />

Gas und Dampf 56<br />

Wirkungsgrad = Quotient aus der<br />

freigesetzten und der als Strom nutzbaren<br />

Energie<br />

Quelle: IDC 2006<br />

ab 2011 ein Viertel<br />

des Heizbedarfs für<br />

Hörsäle und Wohnheime<br />

durch Erdwärme<br />

gedeckt werden.<br />

Funktioniert das, so<br />

Projektleiter Karl<br />

Grosse, „dann klappt<br />

die Erdwärmenutzung<br />

an vielen anderen<br />

Standorten auch.“


der plastikdiesel<br />

Erdöl entstand, als vor Jahrmillionen riesige Mengen<br />

abgestorbenes Plankton auf den Meeresgrund sanken und<br />

von schwerem Sediment überlagert wurden. Unter dem<br />

hohen Druck des steinernen Mantels mutierten die Mikroleichen<br />

im Zeitlupentempo zu fossilen Energieträgern.<br />

Der Ingenieur Christian Koch hat jetzt ein Verfahren entwickelt,<br />

das diesen Prozess stark beschleunigt. Das Gute<br />

daran: Als Rohstoff für die „katalytisch drucklose Verölung<br />

(KDV)“ eignet sich fast alles, was die Zivilisation als Abfall<br />

hinterlässt: Autoreifen, verdorbene Lebensmittel oder Krankenhausmüll.<br />

Die Materialien werden zu Granulat geschreddert<br />

und bei rund 350 Grad Celsius mit einem pulvrigen<br />

Katalysator gemischt. Der Reaktionsbeschleuniger<br />

teilt die langkettigen Kohlenwasserstoffmoleküle anschließend<br />

so, dass sie in wertvolle Dieselmoleküle zerfallen.<br />

Der Wirkungsgrad einer KDV-Anlage variiert mit dem<br />

„Futter“, das sie bekommt. Bei erdölbasierten Rohstoffen<br />

wie Plastik oder Altöl wandelt sie 80 Prozent der enthaltenen<br />

Kohlenwasserstoffe in Diesel um, bei Biomüll noch<br />

30 Prozent. Die Produktionskosten beziffert die Alphakat<br />

Zukunfts GmbH, die die Technologie entwickelt, auf rund<br />

0,23 Euro pro Liter Diesel.<br />

Die erste KDV-Anlage mit einer Produktionskapazität<br />

von 500 Liter Diesel pro Stunde ging Ende 2004 in Mexiko<br />

in Betrieb. Weitere Anlagen in Italien und Kanada sollen<br />

folgen. Interessiert daran seien, so Alphakat, Erdölgesellschaften,<br />

die ihr Altöl aufbereiten müssen, oder Schrotthändler,<br />

die die Sitze und Armaturen von Fahrzeugen<br />

veredeln wollen. Auch Transportunternehmen, die den<br />

Müll ihrer Kunden lieber vor Ort zu Rohstoffen verarbeiten<br />

wollen, als ihn zu entsorgen, können mit KDV gutes<br />

Geld verdienen.<br />

trends und branchen industry-report f<br />

co2-freie kraftwerke<br />

Der Handel mit Emissionszertifikaten bereitet den<br />

Energieversorgern Kopfzerbrechen. Wer mehr Kohlendioxid<br />

(CO 2) freisetzt, als ihm zusteht, zahlt drauf. Mehr<br />

Strom zu erzeugen und weniger Klimagase freizusetzen<br />

ist daher die Vision. Wie diese Wirklichkeit werden könnte,<br />

will Vattenfall Europe nun demonstrieren. Das Clean-Coal-<br />

Kraftwerk nutzt das „Oxyfuel“-Verfahren, bei dem die Kohle<br />

nicht mit Luft, sondern mit Sauerstoff verbrannt wird.<br />

Übrig bleiben fast nur CO 2 und Wasser. Das Wasser wird<br />

auskondensiert, das CO 2 in unterirdische<br />

Lager gepumpt. 2008 soll die 30-Megawatt-Pilotanlage<br />

in der Oberlausitz den<br />

Betrieb aufnehmen. „Mit der Clean-<br />

Coal-Technologie“, sagt Vorstandschef<br />

Klaus Rauscher, „werden wir hierzulande<br />

die Verstromung der<br />

Braunkohle umweltfreundlich<br />

sichern können.“ Kommerziell<br />

rechnet sich die Clean-Coal-<br />

Technologie noch nicht. Denn<br />

alle Verfahren müssen einen Teil<br />

der gewonnenen Energie für die<br />

CO 2-Abscheidung abzweigen.<br />

Dennoch verbreitet die Branche<br />

Zuversicht. So sollen die Wirkungsgrade<br />

durch das Vortrocknen<br />

der Kohle und das Erhöhen der<br />

Dampftemperatur auf 700 Grad<br />

Celsius bald kräftig steigen.<br />

53


p business-culture management im labor: gary hamel sucht nach dem google in uns allen<br />

54<br />

Kreativität nach dem Google-Modell<br />

Weltweit fahnden Unternehmen nach Produkt- oder Markeninnovationen. Ausgerechnet im Bereich<br />

Management hingegen findet eine systematische Suche nach neuen Ansätzen nur selten statt. Zwei<br />

Businessdenker wollen das jetzt ändern – mit einem Labor für Managementinnovation.<br />

: Dem Patienten geht es schlecht. Alle<br />

Werte, abzulesen an Charts am Bettgestell,<br />

zeigen nach unten. Doch das Krankenbett<br />

steht nicht in einem realen Krankenhaus,<br />

sondern in der Firmenzentrale der US-<br />

Einzelhandelskette Best Buy. Und in den<br />

Federn liegt keine reale Person. Stattdessen<br />

ist auf das Kopfkissen ein Firmenlogo geheftet<br />

– das von Woolworth. Kmart liegt gleich<br />

daneben. „Resilience Hospital“ nennt sich<br />

das symbolische Firmenkrankenhaus,<br />

„Krankenhaus für Agilität“. Diese will sich<br />

Best Buy erhalten. Das Krankenhaus liefert<br />

daher Negativbeispiele anderer Unternehmen.<br />

Es zeigt den Managern, was passiert,<br />

wenn die Agilität verloren geht.<br />

BEST BUY SUCHT NACH INNOVATIONEN<br />

IM MANAGEMENT. DAS UNTERNEHMEN<br />

WIRD DAMIT ZUM TESTLABOR.<br />

Die Betten sind eine eigene kleine Innovation,<br />

ein Experiment, das Manager motivieren<br />

soll. Eine Innovation im und für das<br />

Management. Entstanden ist die Idee beim<br />

Brainstorming der Best-Buy-Macher mit<br />

Managementdenker Gary Hamel. Die<br />

Kooperation ist der Nukleus einer Initiative<br />

von Hamel und der London Business School.<br />

Deren Ziel ist es, solche und andere Managementinnovationen<br />

auch in anderen<br />

Firmen zu generieren. In ihrem „Management<br />

Innovation Laboratory“ konzipieren<br />

Hamel und die Business School mit Unternehmen<br />

Experimente, die diese ausführen –<br />

neue Budgeting-Systeme, alternative<br />

Ablaufprozesse. „Wir experimentieren mit<br />

den Unternehmen“, so Hamel. Der Weg zur<br />

Innovation beginnt mit einem Brainstor-<br />

ming in der Elitehochschule am Regent’s<br />

Park. Forscher und Praktiker diskutieren die<br />

Stärken eines Unternehmens, aber auch<br />

seine Probleme. „Anschließend entwerfen<br />

wir Ideen, wie man die Prozesse fundamental<br />

verändern, Probleme lösen kann“, erklärt<br />

Julian Birkinshaw, Professor an der London<br />

Business School. Diese Ansätze werden im<br />

Unternehmen in Testsituationen implementiert.<br />

Klappt etwas an einer Stelle, wird es<br />

auf das gesamte Unternehmen ausgeweitet.<br />

Beispiel Best Buy: Der Strategie-Input der<br />

einzelnen Mitarbeiter sollte verstärkt werden.<br />

Neben dem Krankenhaus haben die<br />

Entscheider dazu etwa eine „Ideenbank“<br />

eingeführt, ein Schalter, an dem jeder Mitarbeiter<br />

seine Vorschläge für veränderte Prozesse<br />

oder neue Produkte bei Mentoren abgeben<br />

kann – und nicht bloß in einen anonymen<br />

Vorschlagkasten einwirft. Die Mentoren<br />

verfolgen die Idee weiter, der Mitarbeiter<br />

kann bei ihnen nachfragen, was aus seiner<br />

Idee geworden ist. Ein weiterer Ansatz:<br />

Jeder Mitarbeiter darf zehn Prozent seiner<br />

Arbeitszeit mit Projekten zubringen, die<br />

nichts mit seiner Kerntätigkeit zu tun haben,<br />

neue Initiativen starten, in andere<br />

Bereiche hineinschnuppern. „Spielzeit“<br />

zum Nutzen des Ganzen.<br />

Idealerweise bleibt eine neue Methode<br />

nicht auf ein Unternehmen beschränkt, sondern<br />

wird zum Alltag in Firmen rund um<br />

den Globus – sie verändert damit die Managementwelt.<br />

So unwahrscheinlich ist das<br />

nicht. Viele Managementinnovationen wurden<br />

nicht von Theoretikern entworfen, sondern<br />

von Unternehmen auf der Suche nach<br />

konkreten Lösungen. „Denken Sie an das<br />

moderne Forschungslabor von General Electric<br />

oder die multidivisionale Organisation,<br />

wie sie General Motors entwickelte“, so<br />

Hamel. Toyota erfand Lean Management<br />

und Kaizen, Procter & Gamble das moderne<br />

Markenmanagement.<br />

Um kontinuierlich neue Führungsideen zu<br />

entwickeln, brauchen Unternehmen eine<br />

Kultur der Kreativität. Eine solche möchte<br />

momentan die Deutsche Bank schaffen und<br />

spannt daher Birkinshaw und Hamel ein.<br />

Jonathan Smart, Innovation Director for<br />

Investment Banking Technology, erläutert,<br />

dass sich so die Innovationskultur der<br />

Investmentbanker in der gesamten Bank<br />

niederschlagen soll. „Im Investmentbanking<br />

ist das Tempo bei Produktinnovationen<br />

hoch. Wir wollen dies durch einen unternehmerischen<br />

Ansatz bei Menschen, Produkt-<br />

und Prozessinnovationen ausweiten.<br />

So stärken wir die Innovationskultur in der<br />

Organisation.“ Daher nutzen die Banker das<br />

Lab. „Wir nähern uns dem Google-Modell<br />

an“, so Smart. Im Januar 2006 ging es los. Ein<br />

Experimentierfeld „werden alternative Budgetierungsverfahren<br />

sein.“<br />

Der Manager im Versuchslabor – ein Ansatz,<br />

der auch die strategische Planung voranbringen<br />

kann. Ein Telekommunikationskonzern<br />

wollte eine Verjüngung des Strategieprozesses<br />

durchsetzen. Die Forscher setzten<br />

dazu versuchsweise parallel zur Sitzung des<br />

regulären Strategieausschusses eine Art<br />

Junior-Team in den Nebenraum. Ergebnis:<br />

Obwohl die Nachwuchsleader sich dieselben<br />

Strategiefragen vornahmen wie die<br />

Alten, kamen sie zu ganz anderen Ergebnissen.<br />

Heute tagen Jung und Alt regelmäßig


parallel, vergleichen die Ergebnisse – und<br />

oft überdenken die Senior-Strategen danach<br />

ihre Problemlösungen.<br />

Eine Frage aber bleibt: Wenn das Management<br />

Innovation Lab neue Führungsmodelle<br />

generiert – vergrößert dies nicht nur die<br />

Flut vermeintlich radikal neuer Ideen, die<br />

gerade mal für einen schmissigen Buchtitel<br />

taugen? Nein, glaubt Birkinshaw. „Wir wollen,<br />

dass sich neue Managementansätze<br />

wieder an der Praxis orientieren. Wir nutzen<br />

das kreative Potenzial aller Mitarbeiter.“<br />

Gerade das Gespür der Basis für die Märkte<br />

machen sich auch die Firmenchefs von Best<br />

Buy zunutze. Die Idee: Je mehr Mitarbeiter<br />

die Verkaufschancen neuer Produkte ein-<br />

schätzen, desto präziser sind die Ergebnisse.<br />

Also richteten sie am Firmensitz eine Art<br />

Wettbüro auf Umsatzchancen ein. Das<br />

Ergebnis: Die Entwicklung lässt sich so<br />

wirklich besser vorhersagen als mit konventionellen<br />

Methoden; die Weisheit der Masse<br />

im Unternehmen ist tatsächlich größer als<br />

die der Marktforscher.<br />

55


p business-culture flavio briatore brachte den lifestyle in den motorsport<br />

56<br />

Manager müssen Machos sein<br />

Er ist der Vorzeigeplayboy unter den internationalen Topmanagern. Den Motorsport sieht Formel-1-<br />

Ikone Flavio Briatore als exemplarisch für die Wettbewerbswirtschaft. Ein Interview über<br />

die Faszination von Autorennen und die Frage, wie viel Machismo in Managern stecken muss.<br />

THINK:ACT: Herr Briatore, Sie gelten als harter<br />

Typ und als Frauenschwarm. Muss man<br />

Macho sein, um als Manager Erfolg zu haben?<br />

BRIATORE: Wissen Sie, eigentlich bin ich nicht<br />

mehr Macho als andere Männer meines Alters<br />

auch. Ich habe gerade, wie Sie vielleicht gelesen<br />

haben, eine nicht so witzige Nierenoperation<br />

hinter mir. Da fühlen Sie sich alles andere als<br />

glamourös.<br />

Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen:<br />

Natürlich gehören ein gesundes Selbstvertrauen<br />

und das Wissen um die eigene Rolle dazu,<br />

wenn Sie als Manager Erfolg haben wollen.<br />

Und vielleicht bin ich durch meine Prominenz<br />

auch etwas privilegierter und habe mehr Möglichkeiten,<br />

interessante Frauen kennenzulernen<br />

(lacht).<br />

Das Leben als Rennstallmanager, eine einzige<br />

Spaßveranstaltung?<br />

Nein, das sicher nicht. Ich bin auch sehr diszipliniert<br />

und mir selbst gegenüber sehr hart. Ich<br />

stehe nicht jeden Morgen auf und fühle mich<br />

von mir berauscht. Im Gegenteil: Wenn um<br />

sechs Uhr der Wecker klingelt, mache ich mir<br />

im Geist eine Liste dessen, was erledigt werden<br />

muss. Da unterscheide ich mich nicht von<br />

anderen Managern.<br />

Klingt anstrengend. Seit Ihrer Operation<br />

kursieren Rücktrittsgerüchte, die Sie regel-<br />

mäßig dementieren. Wollten Sie nicht kürzertreten?<br />

Ich werde meinen Job weitermachen, weil<br />

er mir Spaß bereitet und Energie gibt. Aber<br />

ich werde mir zwischendurch mehr Pausen<br />

gönnen. Zu den Rücktrittsgerüchten: Das<br />

sind untaugliche Versuche von außen, das<br />

Team zu verunsichern.<br />

Kommen wir zum Rennsport an sich. Ist er<br />

ein reines Männerbusiness?<br />

Er ist eine Männerdomäne, ganz klar. Männer<br />

sind fasziniert vom Speed am Limit, den technischen<br />

Finessen der Fahrzeuge und natürlich<br />

den Fahrern, die solche Geschosse beherrschen<br />

können. Daneben gibt es die Lifestyleebene, die<br />

alle Menschen fasziniert. Schnelle Autos und<br />

schnelle Fahrer an sich sind ja auf Dauer eher<br />

langweilig. Darum haben wir damals mit meinem<br />

ersten Rennstall Benetton angefangen, die<br />

Formel 1 in ein Lifestyleevent der Superlative<br />

zu transformieren. Dass die Formel 1 heute<br />

für die höchsten Gagen, die schönsten Frauen<br />

und das Jetsetleben steht, verdankt sie unserer<br />

Medien- und Marketingstrategie. Wir haben<br />

als erster Rennstall Geschichten und Homestorys<br />

über Fahrer, ihre Frauen und ihren Lebensstil<br />

lanciert. Die anderen haben uns kopiert,<br />

als sie merkten, dass es funktioniert und Sponsoren<br />

ins Boot geholt, die sich ein Stück von<br />

dem Glamour kaufen wollen.<br />

Wie viel Emotion erlauben Sie sich als<br />

Rennstallmanager?<br />

Ehrlich gesagt, nicht viel. Ich muss einen kühlen<br />

Kopf bewahren, um den ganzen Rattenschwanz<br />

an Organisation managen und optimieren<br />

zu können. Da ist vor allem die technische<br />

Seite, das ständige Feilen am Fahrzeug<br />

und vor allem am Motor. Ohne emotionale<br />

Distanz und eine stoische Ruhe würde alles aus<br />

dem Ruder laufen. Die Formel 1 ist in erster<br />

Linie ein hartes Geschäft, härter als die meisten<br />

anderen. Außerdem stehen wir alle im<br />

Rampenlicht, weil sich viele Menschen auf der<br />

ganzen Welt für diesen Sport interessieren.<br />

Also haben Sie gar keinen Traumjob?<br />

Ich manage das Formel-1-Team wie ein normales<br />

Unternehmen. Anders ginge es gar nicht.<br />

Wie in jedem Unternehmen zählt auch für uns<br />

nur der Erfolg. Unser Geschäftsmodell ist<br />

ganz einfach: Unser Rennstall ist erfolgreich,<br />

wenn die Fahrer gut sind und siegen. Je mehr<br />

Siege sie einfahren, desto mehr Sponsoren<br />

kommen, je mehr Sponsoren, desto mehr finanzielle<br />

Mittel, mit denen wir gute Techniker,<br />

Ingenieure und Fahrer einkaufen können, die<br />

unsere Wagen noch schneller machen.<br />

Rennsport, ein Geschäft wie jedes andere?<br />

Nicht ganz. Bei uns entscheidet jedes Rennen<br />

neu über Erfolg oder Misserfolg. Es zählt


FLAVIO BRIATORE, 56, gilt als<br />

Paradebeispiel des Machomanagers.<br />

Als Unternehmer liebt er schnelle, unsentimentale<br />

Entscheidungen, privat<br />

gilt er als Frauenheld. Zwar spekulieren<br />

Boulevardmedien, nach seiner<br />

kürzlich überstandenen Krebserkrankung<br />

wolle Briatore künftig kürzertreten<br />

oder die Leitung des Formel-1-<br />

Rennstalls von Renault aufgeben.<br />

Doch Briatore dementierte bisher.<br />

Seine Karriere begann der Sohn eines<br />

Lehrerehepaars aus Verzuola in Italien<br />

als Landvermesser. Dann arbeitete<br />

er als Börsenmakler, bevor er 1974<br />

den Textilunternehmer Luciano Benetton<br />

kennenlernte. Für dessen Modekonzern<br />

baute Briatore erst den US-<br />

Markt auf, dann ein Formel-1-Team.<br />

Seit 2002 ist er Chef von Renault F1,<br />

dessen Fahrer Fernando Alonso in diesem<br />

Jahr Weltmeister wurde. Neben<br />

seiner Arbeit als Formel-1-Manager<br />

steckt Briatore seine Energie momentan<br />

in die eigene Modelinie für Superreiche,<br />

„Billionaire Italian Couture“.<br />

vornehme zurückhaltung ist seine sache nicht business-culture f<br />

57


p business-culture briatore will gewinnen – egal in welcher disziplin<br />

58<br />

1<br />

1 Patrizia Spinelli ist Briatores rechte Hand.<br />

Wer zu ihm will, kommt an ihr nicht vorbei.<br />

2 Angelo Galasso verantwortet als Chefdesigner<br />

die Luxusgüter von Billionaire Couture<br />

3 Naomi Campbell war Briatores Geliebte.<br />

Heute sind beide befreundet.<br />

4 Luciano Benetton, Unternehmer, entdeckte<br />

den italienischen Exzentriker<br />

2<br />

3<br />

4<br />

immer nur der nächste Sieg. Insofern ist der<br />

Rennsport härter als jedes andere Business,<br />

aber auch typisch für die harten Seiten unserer<br />

Wettbewerbswirtschaft.<br />

Wie engagiert sind Sie selbst? Sind Sie ein<br />

Rennsportfanatiker?<br />

Ich hege keine besondere Leidenschaft für die<br />

Formel 1 – nicht mehr als für mein Modebusiness<br />

oder für eines meiner anderen Unternehmen.<br />

Ich will einfach immer gewinnen. Daher<br />

gehe ich den Rennsport an wie ein Schachspiel:<br />

Ich weiß, welche Schritte ich tun muss, um<br />

erfolgreich zu sein. Wenn es funktioniert, befriedigt<br />

es mich. Wir haben den Renault-Rennstall<br />

vom Außenseiter zum Winning Team<br />

gemacht. Im Jahr 2000 waren wir 17 Leute,<br />

heute sind wir der fünftgrößte Rennstall. Wir<br />

haben es den etablierten Playern gezeigt, die<br />

uns anfangs belächelt haben. Solche selbst<br />

gesteckten Ziele zu erreichen reizt mich am<br />

meisten – je unüberwindlicher sie scheinen,<br />

desto besser.<br />

Damit ist Ihre Motivation klar. Wie ist das mit<br />

Ihren Sponsoren – handeln sie wirklich nur<br />

marketingstrategisch, oder sind sie nicht vor<br />

allem auch Formel-1-Fans, die sich hier ihr<br />

Hobby finanzieren?<br />

Sie sind sicher auch mit persönlichem Interesse<br />

dabei. Die meisten wichtigen Sponsoren wissen<br />

aber auch, dass sie als Formel-1-Sponsoren in<br />

eine andere Imageliga kommen. Wir stehen für<br />

Highend – schneller und besser geht es nicht.<br />

Dieses Image färbt natürlich ab. Die meisten<br />

großen Sponsoren kommen auf jeden Fall gern<br />

zu den wichtigen Rennen und laden dann ihre<br />

wichtigsten Geschäftspartner dazu ein.<br />

Damit können sie bei denen punkten, klar.<br />

Sie gelten als Playboy. Entspricht Ihnen<br />

dieses Image wirklich, oder bauen Sie es nur<br />

auf, um für Ihr Unternehmen zu werben?<br />

Die Medienresonanz auf meine Person ist gewaltig,<br />

aber nicht unwillkommen – auch, wenn<br />

nicht immer die richtigen Schlüsse gezogen<br />

werden. Ich entspreche sicher dem Bild des Jetsetters.<br />

Allerdings reise ich nicht nur aus Spaß<br />

um die Welt, sondern vor allem auch beruflich.<br />

Und wenn ich dann mal eine Konferenz auf<br />

meiner Yacht abhalte und ein paar Freunde dazu<br />

einlade, die ich lange nicht gesehen habe,<br />

machen die Medien eben einen Playboy aus<br />

mir. Solche Fantasieräume zu öffnen und zu<br />

pflegen ist Teil des Geschäfts – und ja auch<br />

nicht unangenehm (lacht).<br />

Wie würden Sie Ihren Führungsstil<br />

beschreiben?<br />

Ich weiß, wie ich Teamgeist wecken und Motivation<br />

erzeugen kann. Dabei bin ich selbst emotional<br />

nicht so involviert, weil ich es nicht sein<br />

darf. So musste ich ein komplett demotiviertes<br />

Benetton-Team mit dem von Renault verschmelzen.<br />

Das war harte Arbeit. Aber am<br />

Ende ist meine Rechnung aufgegangen.<br />

Wenn jemand nicht das leistet, was ich erwarte,<br />

zaudere ich nicht lange, sondern tausche ihn<br />

aus, auch wenn er ein netter Kerl ist. Schließlich<br />

geht es darum, aus dem Team das Optimum<br />

herauszuholen. Wer gute Leistung bringt,<br />

hat bei mir auch gute Karten, den fördere ich<br />

nach Kräften.<br />

Was können Manager anderer Unternehmen<br />

vom Motorsport lernen?<br />

Vor allem, schnelle Entscheidungen zu treffen.<br />

Man kann nicht ewig warten, konferieren, zaudern<br />

und mit jedem alles bis ins Detail diskutieren,<br />

wie es häufig in Unternehmen vorkommt.<br />

Wir sind alle 14 Tage bei jedem Rennen<br />

mit Erfolg oder Misserfolg konfrontiert und<br />

müssen in der Zwischenzeit unsere Fehler analysieren<br />

und ausbügeln. Wir müssen ständig<br />

unsere Strategien überdenken und ändern und<br />

vor allem entscheiden, wie wir das Auto und<br />

natürlich die Fahrer für die spezifischen Herausforderungen<br />

der nächsten Strecke fit<br />

machen. Und wenn eine technische Neuerung<br />

nicht funktioniert, tauschen wir sie sofort<br />

gegen eine Alternative aus, ohne unnötig lange<br />

daran festzuhalten.


Eine Zukunft aufbauen<br />

Die Stadt Yei im Südsudan: Nach 21 Jahren Bürgerkrieg sind Häuser<br />

und öffentliche Einrichtungen zerstört, wie etwa diese Schule.<br />

Zurückkehrende Flüchtlinge stehen vor dem Nichts und sind dringend<br />

auf Hilfe angewiesen, damit sie sich ein neues Leben aufbauen<br />

können.<br />

UNHCR, das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, bietet<br />

20,8 Millionen Flüchtlingen, Vertriebenen und Rückkehrern<br />

Schutz und materielle Unterstützung. Auch in vergessenen Krisengebieten.<br />

Im Südsudan und weltweit.<br />

Bitte spenden Sie:<br />

www.unhcr.org/donate<br />

www.unhcr.de


p business-culture ten years after<br />

60<br />

Crackberry – na und?<br />

Vor rund zehn Jahren startete er seinen Siegeszug: der Blackberry. Die Konkurrenz legte mit eigenen<br />

Geräten nach. Kritiker nennen das Produkt „Crackberry“. Aber kaum ein Topmanager verzichtet<br />

heute noch darauf. Der erste bekennende Handheld-Fan war der Medienunternehmer Haim Saban.<br />

In diesem Exklusivbeitrag erklärt er, wie der Blackberry seinen Managementstil verändert hat.<br />

: Die Erfindung des Blackberry ist für<br />

mich mit der des Telefons vergleichbar.<br />

Das Telefon machte die Kommunikation<br />

über Grenzen hinweg möglich. Mein Blackberry<br />

erlaubt es mir, von überall auf meine<br />

Daten zuzugreifen und per Mail zu kommunizieren.<br />

Durch das kleine Ding stehe ich<br />

permanent im Kontakt mit meinen wichtigsten<br />

Mitarbeitern. Topmanager haben<br />

grundsätzlich das Problem, im Unternehmen<br />

nicht präsent genug sein zu können.<br />

Dieses Problem mildert der Blackberry; er<br />

macht mich omnipräsent.<br />

Das Interessante an diesem Produkt: Es ist<br />

die erste technologische Innovation, deren<br />

Lead-User die Topentscheider selbst sind.<br />

Wir müssen uns nicht erst die Technologie<br />

erklären lassen. Dies dürfte zu weniger unsinnigen<br />

Produktentscheidungen führen als<br />

bei anderen Innovationen.<br />

100 bis 150 Mails bekomme ich täglich. Und<br />

ich beantworte sie persönlich. Von einer vorgeschalteten<br />

Sekretärin halte ich nichts.<br />

Gerade weil viele Manager ihre E-Mails<br />

lesen lassen, macht es für mich Sinn, selbst<br />

zu schreiben, denn es überrascht die Menschen.<br />

Der motivierende Effekt einer<br />

prompten Antwortmail vom Chef ist immens.<br />

Deshalb habe ich auch all meine<br />

leitenden Mitarbeiter schon vor Jahren mit<br />

Blackberrys ausgestattet. Die anfängliche<br />

Skepsis bei einigen von ihnen ist verständlich.<br />

Das Gerät verpflichtet dazu, erreichbar<br />

zu sein und schnell zu reagieren. Abtauchen<br />

kann jetzt niemand mehr.<br />

Dieser Punkt wird von Kritikern ins Feld<br />

geführt, die behaupten, der Blackberry erhöhe<br />

ihren Stress. Das gilt aber nur für Leute,<br />

die es stresst, permanent gefordert zu sein.<br />

Auf mich trifft dies, in aller Bescheidenheit<br />

gesagt, nicht zu. Ich mag es, Dinge sofort zu<br />

erledigen. Das kann ich mit dem Blackberry.<br />

Daher erhöht er nicht meinen Stress, sondern<br />

senkt ihn.<br />

Allerdings ist er keine Allzweckwaffe. Vor<br />

allem die Emotionalität der Blackberry-<br />

Kommunikation hat Grenzen. Selbstredend<br />

können Sie nicht so viele Emotionen transportieren<br />

wie im persönlichen Gespräch.<br />

Auch die beliebten Emoticons wie ;-) halte<br />

ich für verzichtbar. Der Blackberry ersetzt<br />

keine Mitarbeitergespräche. Aber er führt<br />

dazu, dass Ihr Mitarbeiter früher einen Termin<br />

bei Ihnen bekommt. Damit fördert er<br />

also den persönlichen Austausch.<br />

Die wichtigste Entscheidung des Users ist<br />

aber, wann er das Gerät ausschaltet. An jüdischen<br />

Feiertagen etwa ist mein Gerät aus.<br />

Bewusst gewählte „Auszeiten“ zeigen, dass<br />

Sie Ihr Leben planen und gestalten.<br />

Gelegentlich wird ja die Sicherheit diskutiert.<br />

Meine IT-Abteilung bringt den Blackberry<br />

regelmäßig auf den neuesten Stand.<br />

Im Grunde halte ich ihn aber für sicher.<br />

Sonst hätte er wohl auch nicht diese immense<br />

Bedeutung für unsere Kultur erlangen<br />

können. Mein größtes Problem ist ein anderes:<br />

An meinen Wohnorten Beverly Hills<br />

und Malibu habe ich oft keinen Empfang.<br />

Ich sollte einmal mit meinem Provider sprechen.<br />

Doch auch ohne Empfang zu Hause:<br />

Der Blackberry verändert nicht nur den<br />

Joballtag, sondern auch das Privatleben. Ich<br />

weiß, dass viele Manager Ärger mit ihrer<br />

Frau bekommen, wenn sie permanent Mails<br />

schreiben. Die Lösung: Kauft Eurer Frau<br />

auch einen!<br />

Meine Frau ist ohnehin ein großer Fan.<br />

Warum? Weil ich es jetzt endlich wieder<br />

schaffe, mit ihr ins Kino zu gehen oder<br />

Abendeinladungen wahrzunehmen. Früher<br />

musste ich abends immer meine Mails abarbeiten.<br />

Jetzt erledige ich das tagsüber parallel.<br />

Das heißt: Der Blackberry macht mich<br />

nicht weniger sozial, sondern im Gegenteil<br />

kommunikativer und sorgt für mehr reale<br />

zwischenmenschliche Kontakte.<br />

HAIM SABAN ist Chairman und CEO des<br />

weltweit tätigen Investmenthauses Saban<br />

Capital Group. Das Unternehmen sitzt in Los<br />

Angeles, ist aber auch in Europa und Israel<br />

aktiv. In Deutschland hielt Saban Capital die<br />

Mehrheit an der ProSiebenSat.1 Media AG.<br />

Saban, als Sohn jüdischer Eltern in Ägypten<br />

geboren, gilt als begeisterter Blackberry-Nutzer<br />

und war der erste Topmanager, der den<br />

Blackberry für seinen gesamten Führungsstab<br />

zur Pflicht machte.


haim saban ist always on – seine frau freut’s business-culture f<br />

61


p service impressum<br />

62<br />

Vertiefen Sie<br />

Ihr Wissen<br />

In „Die Chancen der Globalisierung“ spricht<br />

sich der bisher globalisierungsskeptische<br />

Joseph Stiglitz für die Öffnung von Märkten<br />

aus. Die Geschichte des Nissan-Turnarounds<br />

erzählt Autoboss Carlos Ghosn in „Shift“. In<br />

„Performance at the Limit“ versuchen Mark<br />

Jenkins und Kollegen, passend zum Interview<br />

mit Flavio Briatore, Managementlehren<br />

aus der Formel 1 abzuleiten. Mit den<br />

Möglichkeiten der nach Südosten erweiterten<br />

EU befasst sich das neue think:act<br />

Content. Die Studie „The early bird catches<br />

the worm“ zeigt, weshalb Unternehmen<br />

jetzt auf den Trend zu Low-Cost-Cars reagieren<br />

müssen. „Mastering the Automotive<br />

Challenges“ schließlich demonstriert, wie<br />

Autokonzerne künftig in ihrer turbulenten<br />

Branche gewinnen.<br />

service@think-act.info<br />

Haben Sie Fragen an den Herausgeber<br />

oder das Redaktionsteam? Interessieren<br />

Sie sich für Studien von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Strategy Consultants? Schreiben Sie<br />

an service@think-act.info<br />

IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER<br />

Dr. Burkhard Schwenker, CEO<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

Stadthausbrücke 7<br />

20355 Hamburg<br />

Tel.: +49 (0)40 3763100<br />

LEITUNG<br />

Torsten Oltmanns<br />

REDAKTIONSBEIRAT<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

Dr. Christoph Kleppel †, Felicitas<br />

Schneider<br />

VERLAG<br />

BurdaYukom Publishing GmbH<br />

Konrad-Zuse-Platz 11<br />

81829 München<br />

Tel.: +49 (0)89 30620-0<br />

GESCHÄFTSFÜHRER<br />

Manfred Hasenbeck,<br />

Andreas Struck<br />

VERLAGSLEITER<br />

Dr. Christian Fill<br />

JOSEPH STIGLITZ:<br />

„Die Chancen der<br />

Globalisierung“<br />

CHEFREDAKTEUR<br />

Alexander Gutzmer (V.i.S.d.P.)<br />

ART-DIREKTION<br />

Blasius Thätter<br />

CHEF VOM DIENST<br />

Marlies Viktorin<br />

REDAKTION<br />

Elmar zur Bonsen, Michael Schmitz<br />

AUTOREN<br />

Markus Gärtner, Frank Grünberg,<br />

Medard Meier, Hedda Möller,<br />

Mark Phelan, Frederik Richter,<br />

Thomas Seibert, David Selbach,<br />

Ulrich Viehöver<br />

GASTAUTOREN<br />

Haim Saban (Los Angeles), David<br />

Gartman (Ann Arbor)<br />

LEKTORAT<br />

Dr. Michael Petrow (Ltg.), Karin<br />

Schlipphak, Jutta Schreiner<br />

GRAFIK/GESTALTUNG<br />

Andrea Hüls, Heike Nachbaur<br />

THINK:ACT CONTENT:<br />

„Neue Mitglieder, neue<br />

Chancen in Südosteuropa“<br />

CARLOS GHOSN AND<br />

PHILIPPE RIÈS:<br />

„SHIFT: Inside Nissan’s<br />

historic Revival“<br />

STUDIE:<br />

„The early bird catches the<br />

worm“<br />

PRODUKTION<br />

Wolfram Götz (Ltg.), Rüdiger Hergerdt, Franz<br />

Kantner, Silvana Mayrthaler, Cornelia Sauer<br />

BILDREDAKTION<br />

Beate Blank (Ltg.), Silvia Erhard, Elke<br />

Latinovic<br />

BILDNACHWEISE<br />

Titelbilder: Maurice Haas, T. Kerem Uzel,<br />

Rapho/laif, Illustration: Saasfee/Philipp<br />

Karger; S. 2–3 <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants; S. 4 Graeme Robertson/eyevine/InterTopics,<br />

Hemisphere/laif, Gilles<br />

Mingasson/GettyImages; Illustration: Silvia<br />

Neuner; S. 8–11 Maurice Haas; S. 12–18<br />

T. Kerem Uzel; S. 19 Illustration: Saasfee/<br />

Philipp Karger; S. 20 Gerster/laif; S. 22<br />

Rob W/epa/dpa Picture-Alliance; S. 24 pr;<br />

S. 26/29 Rapho/laif; S. 30–31 pr, Gerster/<br />

laif, Roettgers Graffiti; S. 32–33 Bently pr;<br />

S. 34–35 Cherry pr, Markus Hintzen;<br />

S. 36–37 Porsche pr, Nissan pr; S. 38<br />

Hemisphere/laif; S. 40–43 Maurice Haas;<br />

S. 44–45 Karim/Sygma/Corbis, Scott<br />

Peterson/GettyImages,KyodoNews/action-<br />

MARK JENKINS,<br />

KEN PASTERNAK AND<br />

RICHARD WEST:<br />

„Performance at the Limit:<br />

Business Lessons from<br />

Formula 1 Motor Racing“<br />

BERND GOTTSCHALK UND<br />

RALF KALMBACH (HRSG.):<br />

„Mastering the Automotive<br />

Challenges“<br />

press, Giuseppe Aresu/bloomberg news/<br />

InterTopics; S. 48 IFA-Bilderteam/Jupiter<br />

Images; S. 50–51 Ricardo Teles/Agentur<br />

Focus, Paolo Fridmann/Bloomberg News/<br />

Landov/InterTopics; S. 52–53 stockbyte/<br />

Corbis, David Trood/Bilderberg, Rubitec<br />

GmbH Bochum; S. 55 Illustration: Silvia<br />

Neuner; S. 57–58 Graeme Robertson/<br />

eyevine/ InterTopics, V. Hinz/picture press,<br />

Mad sun/shooting star/ InterTopics,<br />

Nestor Bar/dpa Picture-Alliance;<br />

S. 60–61 Gilles Mingasson/GettyImages;<br />

S. 63 Manfred Erber<br />

DRUCK<br />

Pinsker Druck und Medien GmbH,<br />

84048 Mainburg<br />

URHEBERRECHTE<br />

Die im Magazin enthaltenen Beiträge<br />

sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Alle Rechte werden vorbehalten.<br />

HINWEIS<br />

Redaktionelle Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung des Herausgebers<br />

wieder.


ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS MIDDLE EAST W.L.L.,<br />

Almoayyed Tower, 21st floor, P.O. Box: 18259, Manama – Königreich Bahrain,<br />

Telefon: +973 17 567951, E-Mail: office_bahrain@rolandberger.com

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!