Leseprobe
Leseprobe
Leseprobe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Weitere Highlights der<br />
Ausgabe 01 / 2013<br />
AUFTAKT<br />
Trottoir des Todes<br />
Haifischflossen gelten in China als Delikatesse. Getrocknet werden<br />
sie auf der Straße – zu Tausenden liegen sie auf dem Fußweg<br />
UnTernehmen<br />
Der Außerirdische<br />
Hans-Peter Wilfer, Geschäftsführer der Instrumentenfirma Warwick,<br />
ist kein Grüner. Trotzdem investiert er Millionen in seine<br />
umweltschonende Fabrik<br />
Dem Kakao auf der Spur<br />
Gut elf Kilo Schokolade naschen die Deutschen pro Jahr.<br />
Die Kakao-Bauern leiden darunter<br />
„Nur ein Heftpfflaster“<br />
Seit 20 Jahren verteilen die Tafeln Lebensmittel. Bedürftige profitieren,<br />
doch die Kritik wächst. Kathrin Hartmann sprach mit dem<br />
Bundesvorsitzenden Gerd Häuser<br />
PoliTiK & GesellschAFT<br />
Aus der Region<br />
Der lokale Bezug von Produkten ist häufig bloß eine Werbemasche.<br />
Für mehr Durchblick soll ein neues Label sorgen<br />
VerbrAUcher<br />
Tod im Nacken<br />
Pelze an Jacken und Mützen boomen<br />
wieder. Wie konnte das passieren?<br />
Weitere Themen dieser und aller<br />
bisherigen Ausgaben finden Sie unter<br />
www.enorm-magazin.de<br />
Abonnement<br />
Mit einem Abonnement von enorm erhalten Sie nicht nur das<br />
Magazin kostenfrei nach Hause geliefert, Sie werden auch direkt<br />
zum Förderer viel versprechender Ideen: 15 % des Umsatzes aller<br />
voll bezahlten Abos investieren wir in soziale Unternehmen.<br />
Für alle, die enorm erst einmal testen möchten, gibt es jetzt auch<br />
das enorm Probe-Abo.<br />
Bestellformular<br />
NEU: Jahres-Abonnenten können zusätzlich alle Ausgaben kostenlos<br />
für Tablets und Smartphones (Apple und Android) downloaden.<br />
www.enorm-magazin.de/app<br />
Anbau<br />
Kakao ist die wichtigste Zutat von Schokolade<br />
und wächst nur in tropischen Gefilden<br />
entlang des Äquators. Größter exporteur ist<br />
die elfenbeinküste. Die deutschen Hersteller<br />
beziehen etwa die Hälfte ihres Rohkakaos<br />
von dort. Die Pestizide, die rund die Hälfte<br />
der Bauern verwenden, verursachen viele<br />
Probleme: Oft fehlt Schutzkleidung, Vergiftungen<br />
der Feldarbeiter sind die Folge. Da die<br />
offiziell zugelassenen Pestizide teuer sind,<br />
kaufen die Bauern billige, noch giftigere Ware<br />
auf dem Schwarzmarkt. Kontrollen, wie oft<br />
und in welchen Dosierungen Pestizide eingesetzt<br />
werden, existieren kaum. Übermäßiges<br />
Spritzen führt dazu, dass Schädlinge<br />
resistent werden und die Pestizide ihre Wirkung<br />
verlieren. Die Situation der Menschen<br />
auf den Plantagen ist schlecht. Hungerlöhne,<br />
unwürdige lebensbedingungen und Kinderarbeit<br />
gehören zum Alltag. unicef und Terre<br />
des Hommes schätzen die Zahl der Kinderarbeiter,<br />
die auf Plantagen in West- und Mittelafrika<br />
zur Arbeit gezwungen werden, auf<br />
über 200 000. Organisierte Händler kaufen<br />
Kinder in ländern wie Mali, Benin und Togo<br />
für umgerechnet 300 euro ihren eltern ab<br />
und verkaufen sie weiter, meist an die elfenbeinküste.<br />
Dort schuften die Kinder oft über<br />
zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche,<br />
bei glühender Hitze.<br />
E<br />
Foto Paul Hilton/EPA/dpa<br />
Schon die Maya und Azteken tranken Schokolade, nach der<br />
entdeckung Amerikas war sie auch in europa bald beliebt.<br />
Mit der erfindung der Pressung und Zermahlung der Kakaobohnen<br />
wurde Schokolade zum Massenprodukt. Die große<br />
Beliebtheit der „Speise der Götter“ hat aber Schattenseiten<br />
– nicht nur in den westafrikanischen Anbaugebieten.<br />
ReCHeRCHe Juliane Franze/GreenDeltaTC IlluSTRATIOn Nina Eggemann<br />
Produktion<br />
Wenn die Bohnen in den Verbraucherländern<br />
ankommen, werden sie in den Fabriken<br />
gereinigt und geröstet. Die Schalen werden<br />
entfernt und die Bohnen in Mühlen zu einem<br />
dickflüssigen Brei zermahlen, der Kakaomasse.<br />
Daraus entsteht durch die Zutat von Zucker,<br />
Milch- oder Sahnepulver Schokolade.<br />
Die Herstellung verursacht die mit Abstand<br />
größten Folgen für die umwelt im lebenszyklus,<br />
auch wegen des hohen energieaufwands.<br />
Den höchsten CO2-Ausstoß hat<br />
weiße, den geringsten Ausstoß hat dunkle<br />
Schokolade. Die Produktion ist stark automatisiert:<br />
eine Fabrik stellt heute im Drei-<br />
Schicht-Betrieb täglich 700 000 Tafeln her.<br />
Seite 94<br />
Verbraucher<br />
Für Weste und Mütze wie hier werden 30 Nutria getötet Im Schlachthaus von Tafalla, Spanien, sterben stündlich 400 Hasen für die Pelzindustrie<br />
Tod im Nacken<br />
Bio boomt, ethischer Konsum und vegane Ernährung erobern den Mainstream.<br />
Gleichzeitig erlebt der Pelz, jahrelang ein absolutes Tabu für viele Verbraucher,<br />
ein ungeahntes Comeback. Wie konnte das passieren?<br />
TExT Kathrin Hartmann<br />
in Samstagvormittag im Bioladen. lag, brach ein, die Zahl der deutschen Pelz- RTL II über vegane Lebensweise berich-<br />
Eine junge Frau legt Eier von glückfarmen ist von 170 auf heute 14 gesunken. tet. Wie kann es sein, dass ausgerechnet<br />
lichen Hühnern neben den Fair- Man kann sagen, dass die Anti-Pelz-Kam- dieses Produkt ein Comeback erlebt?<br />
trade-Kaffee in den Einkaufskorb. Sie trägt pagne die größte Erfolgsgeschichte des ethi- Eine ethische Rechtfertigung gibt es da-<br />
einen braunen Parka mit dickem Kragen schen Konsums ist: Noch vor fünf Jahren für nicht: Weltweit werden Millionen<br />
aus echtem Pelz. Ein Blick in den Laden lehnten 82 Prozent der Deutschen Felle aus Tiere jedes Jahr für den Handel mit Pel-<br />
und auf die Straße beweist: Sie ist nicht moralischen Gründen ab.<br />
zen getötet. Für einen einzigen Pelzman-<br />
die einzige, die Fell trägt. Nicht in diesem Umso verblüffender, dass in den vergantel sterben jeweils acht Füchse, 30 bis 50<br />
Laden und erst recht nicht in diesem Wingenen drei Jahren der Umsatz mit Pelzen Waschbären, 14 Luchse, 40 bis 60 Nerze,<br />
ter: Nerz und Co scheinen das Musthave in die Höhe schoss: Mit einem Umsatz von 30 bis 50 Kaninchen oder 130 bis 200<br />
der Saison. Erstaunlich – denn fast 30 Jah- mehr als einer Milliarde Euro jährlich nä- Chinchillas. Und es ist nicht so, dass sich<br />
re lang traute sich kaum jemand mit Pelz hert sich die deutsche Branche wieder dem an den Haltungsbedingungen der Tiere et-<br />
auf die Straße. In den achtziger Jahren Niveau ihrer Glanzzeiten, weltweit ist der was geändert hätte: Felle gibt es nicht ohne<br />
mussten Pelzträgerinnen Farbbeutelan- Umsatz auf 15 Milliarden US-Dollar ange- Tierquälerei. Nach wie vor existiert weder<br />
schläge von Tierschützern fürchten, Bestiegen. Das ist mehr als die Hälfte des glo- ein europaweites noch ein internationales<br />
kleidungsgeschäfte nahmen auf Druck der balen Umsatzes von McDonald’s. Gesetz zur Farmhaltung. Die in Deutsch-<br />
Tierrechtsorganisationen die haarigen Pro- Und das in einer Zeit, in der Jonathan land erlaubten Haltungsbedingungen sind<br />
dukte aus dem Programm. Der Umsatz der Safran Foers „Tiere essen“ noch immer ein laut Tierschutzbund und PETA immer<br />
Pelzindustrie, der Anfang der Achtziger Bestseller ist, das Thema Tierrechte es in noch katastrophal: Wie eh und je werden<br />
bei umgerechnet etwa 1,5 Milliarden Euro die Feuilletons geschafft hat und selbst die Wildtiere massenhaft in viel zu engen<br />
FoTo Redux/laif (2)<br />
Der<br />
Außerirdische<br />
Hans-Peter Wilfer stellt Instrumente her, die vielleicht<br />
besten E-Bässe der Welt. Und er investiert Millionen in seine<br />
umweltschonende Fabrik. Der Grund: ein paar schmerzhafte<br />
Lektionen, die ihm früh im Leben erteilt wurden<br />
01 Feb. / März 2013<br />
Arbeit & Gesellschaft: Sinn @ Work<br />
enorm Wirtschaft für den Menschen<br />
enorm<br />
www.enorm-magazin.de<br />
TExT Torsten Hampel<br />
FoTos Martin Jehnichen<br />
Weitere theMen:<br />
HypoVereinsbank:<br />
Bringt Nachhaltigkeit<br />
neues Vertrauen?<br />
=========================<br />
Aus der Region:<br />
Die Lüge vom<br />
lokalen Produkt<br />
=========================<br />
Bangladesch:<br />
Zwischen Boom<br />
und Ausbeutung<br />
SPECIAL<br />
=========================<br />
Seite 42<br />
Unternehmen<br />
8 Seiten:<br />
Lebensmittel<br />
& Ernährung<br />
Seite 11<br />
Anschauungsmaterial<br />
Anschauungsmaterial<br />
======================================<br />
E<br />
Wilfer liebt einen BMW. Es ist eine klassische<br />
Firmenchefkutsche, lang, kräftig<br />
und schwarz. Wenn er davon erzählt, sagt<br />
er: „Ich fahr’ ein dickes Auto, ich find’ das<br />
klasse.“ Er sagt: „V8-Motor, ich liebe es,<br />
amit Hans-Peter Wilfer eines damit 250 zu fahren, 260, ich liebe es.“<br />
Tages im Stande sein wird, Kommt er damit durch Gegenden mit Ge-<br />
sich von seiner Liebe zu trenschwindigkeitsbegrenzung, schaltet er den<br />
nen, musste er erhebliche Tempomaten ein. Man merke nicht, wie D Vorkehrungen treffen. Er hat schnell man ist in Kisten wie dieser, sagt er.<br />
180 Meter Stromkabel verlegen lassen. Das ist Wilfer. Ein 54 Jahre alter Mann<br />
Darüber kam dann noch eine Schicht mit rasiertem Schädel, der ein Auto we-<br />
Asphalt. Wilfer hat unter der Erde Tatsagen dessen Geschwindigkeit liebt, ande-<br />
Seite 49<br />
chen geschaffen, vermag<br />
Kettentaucher<br />
jedoch noch rerseits jedoch kein Gespür für sie hat. Der<br />
nicht zu sagen, ob er sich damit vor allem dafür aber wiederum ganz genau zu wis- Nun sitzt Wilfer in einem bis auf den<br />
Handel eine verborgene Drohung in sein Leben sen scheint, dass dieser Wagen längst in letzten Stuhl gefüllten Hotelrestaurant in<br />
geholt hat, oder ob es sich auch um eine der falschen Richtung unterwegs ist. Auf Markneukirchen. Es heißt Alpenhof, ist<br />
Vier Sorten Schokolade Verheißung führten Supermärk- handeln könnte. Ob der Ab- Verzehr diese Weise ist er in den letzten Jahren sei- aber keiner. Denn Markneukirchen liegt<br />
te früher (Vollmilch, nuss, Bitter, nougat),<br />
heute sind es bis zu 100. schied Die schwerer aktuellen Tawiegen<br />
wird als die Erner Konkurrenz davongerast. Ihm gehört im Vogtland, einem kleinen Zipfel von<br />
Schokolade wird viel nachgesagt: Sie soll<br />
fel-Trends: weniger süß, leichterung aus ökologischem danach. Eines aber weiß er. glücklich Es die machen, umweltschonendste aphrodisierend Musikinstrumen-<br />
wirken, die Südwestsachsen, der nach Tschechien hi-<br />
Anbau – und möglichst gibt exotisch: kein Zurück es gibt mehr. Denn das Ganze leistung tenfabrik steigern, Europas. den Kreislauf Sie heißt in Schwung Warwick und neinragt. Wilfer hat das Hotel eine ganze<br />
Schokolade mit Chilli, Bergkäse, hat Geld Sellerie, gekostet. Ko-<br />
bringen, stellt süchtig vor machen. allem Elektrobassgitarren einer neuen Studie her. Woche lang gebucht. Sein Firmensitz liegt<br />
riander oder Biobier. In Westeuropa ist der<br />
Absatz rückläufig (-2 Prozent), in Osteuropa<br />
wächst er (+7,3 Prozent). nach Greenpeace-<br />
Recherchen wird in Deutschland auch illegales<br />
Gen-Food verkauft. „Butterfinger“ und<br />
„Baby Ruth“, zwei aus den uSA importierte<br />
nestlé-Riegel, enthalten Zutaten aus gentechnisch<br />
veränderten Pflanzen ohne entsprechende<br />
Kennzeichnung. Der Verkauf<br />
von nicht ausgezeichneten gentechnisch<br />
veränderten nahrungsmitteln ist in europa<br />
strafbar.<br />
Entsorgung<br />
etwa 30 000 Tonnen Süßwaren und Snacks<br />
werden allein in deutschen Haushalten pro<br />
Jahr weggeworfen. Aus den Schokoabfällen<br />
der Supermärkte wird zum Teil Tiernahrung<br />
hergestellt. In den uSA gibt es angeblich<br />
Bauern, die an ihre Kühe Chips- und Schokoladenabfälle<br />
verfüttern, weil die Maispreise<br />
zu hoch sind. laut new Scientist experimentieren<br />
Forscher auch mit Karamell- und<br />
nougat-Abfällen zur energiegewinnung: Sie<br />
verfüttern die Reste an Kolibakterien, die daraus<br />
Wasserstoff für Brennstoffzellen „herstellen“.<br />
Quellen: Südwind-Institut, Spiegel.de, Schoko-Seite.de,<br />
Gobal Witness, Erklärung von Bern, Aktiv gegen Kinderarbeit,<br />
Fairtrade, Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie,<br />
BUND, Greenpeace, BMELV<br />
zufolge reduziert sie bei Frauen das Schlaganfallrisiko.<br />
Fest steht, dass man Maß halten<br />
sollte: eine Tafel enthält durchschnittlich 40<br />
Gramm Fett, 50 Gramm Zucker und hat ca.<br />
500 Kalorien – ein Viertel des Tagesbedarfs<br />
an Kalorien eines erwachsenen. Weltmeister<br />
im Verzehr sind die Schweizer. Sie essen pro<br />
Kopf jährlich 12,4 Kilogramm Schokolade.<br />
Die Deutschen liegen mit rund 11 Kilo auf<br />
Platz 2.<br />
Schwarzwälder<br />
Schinken<br />
aus Spanien<br />
TExT Anne Hansen<br />
IllusTraTIon Simone Bauer<br />
Seite 68<br />
Politik & Gesellschaft<br />
Immer mehr Verbraucher greifen zu regionalen Lebensmitteln, schließlich hilft man<br />
so der Umwelt und dem Hersteller vor Ort. Der lokale Bezug ist aber oft nicht mehr als<br />
eine Werbemasche. Jetzt testet die Regierung ein Label, das Transparenz sichern soll<br />
m Kühlregal steht ein Versprechen. hat sie einen neuen Verkaufstrick ent- die in norddeutschen Supermärkten der<br />
Das kleine Glas ist mit einem zarten deckt: „Localwashing“. Hersteller werben Ketten Plaza und Sky vertrieben werden.<br />
I Etikett beklebt, es sieht nach Handar- mit glücklichen Kühen aus der Nachbar- Das Werbekalkül „regional“ trifft bei den<br />
beit aus. Nach Ursprünglichkeit und Werschaft, obwohl die Milch hunderte Kilo- Deutschen einen Nerv: Nach einer aktutigkeit.<br />
Und dann noch der Name: „Sylter meter durch Deutschland gefahren wurellen Umfrage im Auftrag des Bundesver-<br />
Salatfrische“. Das weckt Assoziationen. de. Das Fleisch für den Schwarzwälder braucherministeriums achten fast zwei<br />
Nach Dünengras im Wind. Und nach Spit- Schinken stammt aus Dänemark oder gar Drittel aller Verbraucher beim Einkauf auf<br />
zenküche direkt vom Wattenmeer. Spanien und wurde lediglich im Schwarz- Lebensmittel aus der Region. Außerdem<br />
Der Hersteller „Zum Dorfkrug“ verführt wald geräuchert. Dass Produkte derart ver- würden 93 Prozent der Käufer Lebensmit-<br />
den Kunden mit einer Schummelei. Denn marktet werden, hat es natürlich schon teln aus der eigenen Region besonders ver-<br />
die Sauce ist kein regionales Produkt. Sie immer gegeben. In den vergangenen Jahtrauen. Die Nachfrage der Verbraucher ist<br />
wird in Neu Wulmstorf bei Hamburg herren hat die Masche mit dem regionalen also groß – und da viele Hersteller mit der<br />
gestellt. Nicht einmal das Rezept stammt Anstrich aber drastisch zugenommen. Regionalität gute Geschäfte wittern, be-<br />
von der Nordseeinsel. Das Ganze sei aber „Nach dem Bio-Trend kann man sagen: schriften sie ihre Produkte kurzerhand mit<br />
nur ein Missverständnis. „Mit der Namens- Lokal ist das neue Grün“, sagt Trendfor- Schlagworten wie „von hier“ oder „aus der<br />
gebung möchten wir keinesfalls einen geoscher Eike Wenzel aus Hamburg. Gab es Heimat“.<br />
grafischen Zusammenhang zum Produkti- 1998 knapp 200 Regionalvermarkter in<br />
onsstandort herstellen“, heißt es dort. Deutschland, sind es nach Schätzungen<br />
„Unser Produkt hat aber den emotionalen des Bundesverbandes der Regionalbewe- „Nach dem Bio-Trend<br />
und geschmacklichen Bezug zur Insel Sylt.“ gung inzwischen rund 500. „Wir erleben<br />
Seite 95<br />
kann man sagen:<br />
In den deutschen Supermarktregalen ist gerade einen regelrechten Boom der regi-<br />
Verbraucher<br />
der „emotionale und geschmackliche Beonalen Lebensmittel“, sagt Projektleiterin Lokal ist das neue Grün“,<br />
zug“ als Marketinginstrument längst Pro- Nicole Weik. Die Palette der Anbieter ist sagt Trendforscher<br />
gramm. Nachdem sich die Lebensmittel- fast unüberschaubar. Sie reicht von der<br />
industrie früher durch „Greenwashing“ kleinen Apfelsaft-Mosterei im Wendland Eike Wenzel<br />
ein umweltfreundliches und verantwor- bis zu großen Marken mit unterschiedtungsbewusstes<br />
Image verpassen wollte, lichsten Produkten wie „Unser Norden“,<br />
Drahtkäfigen gehalten, sie leiden an Ver- Deutschland 1264 Betriebe des Pelzfach- Natur, Langlebigkeit und Handwerkstrahaltensstörungen<br />
und schweren Verlethandels und 15 000 Betriebe der Bekleidition soll jenen wohlhabenden Großstädzungen<br />
durch Kannibalismus und Gitterdungsbranche, die echte Pelze verkaufen tern, die ihr Steak im Bioladen kaufen, anstäbe.<br />
Getötet werden die Tiere mit Gas, – vor allem als Accessoires oder Besatz, sonsten aber wenig verzichtsbereit sind,<br />
Elektroschocks und Genickbruch, um das sogenannten „Verbrämungen“.<br />
gefallen. So argumentiert die Branche mit<br />
Fell nicht zu beschädigen. Kontrollen gebe Das bisschen Pelz, scheinen die Kunden scheinbar ethisch korrekter „Schädlings-<br />
es kaum. „Tierrechtler undercover sind die zu glauben, kann nicht so schlimm sein. bekämpfung“: Das bedeutet, dass die<br />
einzige Kontrolle“, sagt Edmund Hafer- Ein Irrtum: Gerade die Kleinteile ergeben Tiere nicht in Farmen leben, sondern auf<br />
beck, Pelzexperte und wissenschaftlicher zusammen eine Menge Pelz – und zwar freier Wildbahn getötet werden. Diese ma-<br />
Berater bei der Tierrechtsorganisation mittlerweile so viel wie in den achtziger che laut Pelzinstitut, der Lobbyvertretung<br />
PETA. Auf ihrer Homepage veröffentli- Jahren in Umlauf war. Die Hälfte des Um- der deutschen Pelzbranche, 15 Prozent alchen<br />
die verdeckten Ermittler regelmäßig satzes von vier Milliarden Euro macht die ler Felle aus. Darunter die von Waschbär,<br />
erschütternde Videos aus Pelzfarmen. europäische Pelzwirtschaft mit Bommeln, Nutria und Rotfuchs, die angeblich wegen<br />
Zumindest der „aufgeklärte Verbrau- Kragen, Mützen und Besatz. In Deutsch- „Überpopulation“ gejagt werden müssten.<br />
cher“ sollte also Bescheid wissen. Und trotzland machen diese 70 Prozent des Geschäf- Tierschutzverbände lehnen dieses Argudem<br />
sind es gerade nicht die Millionärsment<br />
ab. Dass die Jagd kontraproduktiv<br />
gattinnen, denen der Silberfuchsmantel als<br />
ist, ist wissenschaftlich längst belegt: Je<br />
Statussymbol dient. Pelz ist im Mainstream Mit Slogans wie „Pelz ist mehr Füchse geschossen werden, desto<br />
angekommen – als Fellwesten, Mützen,<br />
mehr Nachkommen zeugen sie. 650 000<br />
Pelzkragen, Schuhfutter und sogar bei ein Stück Natur“ versucht Rotfüchse werden pro Jahr in Deutschland<br />
Kinderbekleidung. Nicht nur teure Desig- die Industrie, ethische<br />
abgeknallt. In den achtziger Jahren waren<br />
ner wie Lagerfeld, Gucci, Jil Sander und<br />
es noch 200 000. Beim Waschbär verhält<br />
Prada, sondern Textileinzelhändler wie Zweifel auszurotten<br />
es sich genauso: Die Jagd lässt die Popula-<br />
Hallhuber, Wormland, Zara, Mango, die<br />
tion in die Höhe schnellen.<br />
Online-Händler Zalando, Amazon und der<br />
Und nicht nur das: In den USA, in Ka-<br />
Versand Conleys vertreiben Kleidung mit tes aus. „Die Textilwirtschaft hat die Pelznada und Russland werden Waschbären<br />
Tierhaar. Auch für den Textileinzelhandel industrie gerettet. Ohne die Verbrämungen außerdem mit Fallen getötet, die den Tie-<br />
ist sie ein gutes Geschäft: „Für ein Stück wäre sie am Boden“, sagt Haferbeck. ren große Qualen zufügen können. Zwar<br />
mit Pelz kann man den Preis 50 Prozent Wie jede andere Industrie hat auch die gibt es ein Abkommen über „ethische“<br />
höher ansetzen, auch wenn der Pelz selbst Pelzbranche das Argument Nachhaltig- Fangnormen zwischen der EU und den<br />
nur zehn Prozent vom Wert ausmacht“, keit entdeckt: Mit Slogans wie „Pelz ist pelzexportierenden Ländern. Doch keine<br />
sagt Susanne Kolb-Wachtel vom Deutschen ein Stück Natur“ versucht sie, ethische Falle kann die sofortige Tötung garantie-<br />
Pelzinstitut. Laut dessen Statistik gibt es in Zweifel auszurotten. Das Versprechen von ren, oft sitzen die Tiere tagelang in den<br />
FoTo Xinhua/imago, Redux/laif<br />
Frau zeigt wieder Pelz: Fashionshow in Montreal<br />
Nerzjunge im Käfig einer schwedischen Fellfarm<br />
Trottoir des Todes<br />
in Schnitt, dann lassen sie den Hai zurück ins<br />
Meer gleiten. Dass er erstickt, weil er nicht<br />
mehr schwimmen kann und also keinen Sauerstoff<br />
aufnimmt, interessiert die Jäger nicht.<br />
Sie wollen nur die Flosse. Die bringt das Geld:<br />
Etwa 200 Euro bekommt man für ein Pfund.<br />
Haifischflossen sind eine Delikatesse in China. Vor<br />
allem bei Hochzeiten und Geburtstagen kommen sie auf<br />
den Tisch: als Suppe serviert, geschmort, mit Reis und<br />
Sprossen, Hühnersoße oder Krabbenrogen. Wer dazu<br />
einlädt, zeigt, dass er jemand ist.<br />
Bevor Köche die Flossen zubereiten, müssen sie trocknen.<br />
In Hong Kong, dem Hauptumschlagplatz, geschieht<br />
das zum Teil im Verborgenen, auf dem Dach von Hochhäusern<br />
etwa, zum Teil auf der Straße. Händler legen<br />
sie auf dem Fußweg aus, zu Hunderten, zu Tausenden.<br />
73 Millionen Haie sterben laut WWF jedes Jahr vor<br />
allem wegen ihrer Flossen, einige Populationen verzeichnen<br />
einen Rückgang von bis zu 99 Prozent. In China ändert<br />
sich die öffentliche Meinung deshalb allmählich:<br />
Die Staatsführung hat 2012 angekündigt, auf Staatsbanketts<br />
auf Haifischflossen zu verzichten. Und gleich eingeschränkt,<br />
dass die Regelung wahrscheinlich erst in<br />
drei Jahren in Kraft tritt. In Deutschland steht Hai übrigens<br />
auch auf der Speisekarte, der gefährdete Dornhai<br />
zum Beispiel. Sein Tarnname: Schillerlocke. / MW<br />
Sinn @ work<br />
Wie die Suche nach Erfüllung die Arbeitswelt umkrempelt<br />
Seite 43<br />
Unternehmen<br />
im Gewerbegebiet nebenan, das Betriebsjubiläum<br />
steht bevor, seit 30 Jahren gibt<br />
es Warwick nun. Am Wochenende wird tauschsysteme. Meterhohe Holzstapel, von<br />
es einen Tag der offenen Tür geben, 2500 denen die Leute erfahren werden, dass sie<br />
Besucher werden kommen und schauen. aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen,<br />
Sie werden Photovoltaikanlagen sehen, das entsprechende Gütesiegel tragen und<br />
sieben kleine Windräder, eine Erdwärme- in dieser Menge einzigartig sind im Inst-<br />
und eine Holzabfallheizung und Wärmerumentenbau. Sie werden die Gebäude-<br />
Die fünf Miniwindräder hat Hans-Peter Wilfer zum Test installiert. Er will sehen, wie<br />
viel Strom sie erzeugen. Im Hintergrund: Markneukirchen im sächsischen Vogtland<br />
Seite 69<br />
Politik & Gesellschaft<br />
Die Zeitschrift „Öko-Test“ stellte im Der Verbraucher verliert beim Regional- ein Angebot an die Hersteller und keine<br />
Sommer 2011 eine Reihe „regionaler Pro- Wirrwarr den Durchblick. Auch beim Bun- Verpflichtung ist.“<br />
dukte“ auf die Probe. Das ernüchternde desverband der Regionalbewegung sieht Auch bei der Organisation Foodwatch<br />
Ergebnis: 39 von 53 fielen glatt durch. man das Problem. Zusammen mit Bioland sieht man die Idee skeptisch. „Das Kon-<br />
Eckes-Granini, europäischer Marktführer forderte der Verband auf der Grünen Wozept wird in der Praxis nichts verändern.<br />
für Fruchtgetränke mit Sitz in Rheinland- che im Januar in Berlin bessere Rahmen- Es ist ein weiteres Marketinginstrument<br />
Pfalz, wirbt zum Beispiel mit „Hohes C bedingungen für die Kennzeichnung regi- für die Hersteller, die Verbrauchertäu-<br />
Heimische Früchte Apfel und Johannisonaler Lebensmittel. „Die momentane schung wird dadurch nicht beseitigt“, sagt<br />
beere“. Bei genauerem Hinsehen der Tes- Situation ist mehr als unbefriedigend“, sagt Sprecher Andreas Winkler.<br />
ter stellte sich allerdings heraus, dass die Nicole Weik. „Es gibt kaum klare Richtli- Weil ein Ende der Unübersichtlichkeit<br />
„heimischen Früchte“ neben Bayern und nien und jeder hat eine andere Auffassung nicht abzusehen ist, greifen manche Her-<br />
Baden-Württemberg auch aus Österreich<br />
steller zu eher unorthodoxen Mitteln, um<br />
und sogar Brasilien stammen.<br />
die Regionalität ihres Produktes nachzu-<br />
Auch Campina will vom Boom der regi- Für manche Hersteller weisen. Dennis Buchmann verkauft das<br />
onalen Lebensmittel profitieren. Einen Jog-<br />
Fleisch seiner Brandenburger Schweine<br />
hurt bietet das Unternehmen unter dem bedeutet der Begriff Region im Internet. Anders als an der Supermarkt-<br />
Namen „Mark Brandenburg Joghurt Pfirtheke<br />
können die Käufer das Schwein aus-<br />
einen Umkreis von<br />
sich Maracuja“ an, obwohl die Früchte nawählen,<br />
das Buchmann zu Wurst verarbeiturgemäß<br />
nicht aus Brandenburg sein kön- 60 Kilometern, andere tet soll. Auf der Verpackung prangt dann<br />
nen, sondern aus Griechenland und bezeichnen sogar Brasilien zum Beweis ein Foto des Tieres – Käufer<br />
Ecuador importiert werden müssen.<br />
dieses garantiert regionalen Lebensmittels<br />
Dass die Hersteller ihre Produkte so benennen<br />
und bewerben können, liegt daran,<br />
dass es keine einheitlichen Kriterien<br />
als „heimisch“<br />
müssen hartgesottene Esser sein. /<br />
für Siegel gibt. Sind bei den Bio-Siegeln von dem Begriff regional. Verständlich,<br />
die Richtlinien klar und relativ streng de- dass sich der Verbraucher veräppelt fühlt,<br />
finiert, machen die laschen und ungenau- wenn ihm hierzulande Produkte als regi-<br />
============================<br />
aussEn rEgIonal, InnEn dIE ganzE WElT<br />
en Kennzeichnungen bei den regionalen onal verkauft werden können, die zum Bei-<br />
Lebensmitteln Banderolen und Verpackunspiel Bananen enthalten.“<br />
Aachener Pflümli (Zentis)<br />
gen zur Spielwiese der Werbetexter. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner<br />
Laut Hersteller soll man sich beim Genuss von<br />
Allein die 14 Kennzeichnungen der Bun- will mit einer neuen Kennzeichnung end-<br />
Aachener Pflümli an Ferien auf dem Lande<br />
desländer haben alle unterschiedliche Krilich für Klarheit sorgen. Das sogenannte<br />
erinnern. Die können aber nicht in der Region<br />
terien, die ein Produkt für ein Regional- Regionalfenster soll garantieren, dass die<br />
Aachen stattgefunden haben, denn die ver-<br />
Siegel erfüllen muss. Und auch europäische Hauptzutat zu 100 Prozent aus der Regi-<br />
wendeten Früchte für den Brotaufstrich<br />
Verordnungen helfen nicht weiter: Bedeuon stammt und mindestens die Hälfte des<br />
kommen allesamt aus Serbien und Ungarn.<br />
tet die EU-Kennzeichnung „Geschützte Inhalts ausmacht. Das Kennzeichen wird<br />
Ursprungsbedeutung“ (g.U.) immerhin, derzeit erprobt. In Berlin, Baden-Würt-<br />
„Hofladen Heimische Fruchtsorten Sanddorndass<br />
ein Lebensmittel tatsächlich nur in temberg, Hessen, Hamburg und Nord-<br />
Erdbeere“ (Schwartauer Werke)<br />
einer bestimmten Region hergestellt und rhein-Westfalen kann man seit Mitte Ja-<br />
Die Marmelade bekommt dank des Namens ein<br />
verarbeitet werden darf, sagt die „Genuar erste regionale Produkte mit dem<br />
besonders idyllisches regionales Image verpasst.<br />
schützte geografische Angabe“ (g.g.A.) le- blauen Regionalfenster-Siegel in Lebens-<br />
Dabei stammen die Früchte laut „Öko-Test“ nicht<br />
diglich, dass das Produkt „eng mit einer mittelgeschäften kaufen.<br />
aus hiesigem Anbau, sondern auch aus Polen,<br />
Region verbunden“ ist. Ob es dort erzeugt, Verläuft der Test erfolgreich, soll die<br />
dem Baltikum und aus Südosteuropa. Immerhin<br />
verarbeitet oder hergestellt wurde, ist da- Kennzeichnung bundesweit eingeführt<br />
stammt der enthaltene Zucker aus Deutschland.<br />
bei gleichgültig.<br />
werden. Bei Verbraucherschützern stößt „Büsumer Krabbensuppe“ (Reinecke's)<br />
Ein weiteres Problem stellt die Defini- sie jetzt schon auf Kritik. Denn das Siegel<br />
tion des Begriffs Region dar: Wo beginnt<br />
Echte Norseekrabben aus Büsum? Von wegen!<br />
ist für die Hersteller freiwillig.<br />
Der Verweis auf den Hafenort bezieht sich lediglich<br />
sie? Und wo hört sie auf? Für manche Her- „Wir brauchen endlich eine Verbindsteller<br />
bedeutet Region einen Umkreis von lichkeit bei regionalen Lebensmitteln“,<br />
auf die Rezeptur. Mit einem winzigen "DK" auf<br />
60 Kilometern, für andere wie Eckes- sagt Clara Meynen, Referentin für Lebens-<br />
der Rückseite der Dose verrät die Hamburger Ver-<br />
Granini gilt offenbar auch Brasilien noch mittelvermarktung und Ernährungsver-<br />
triebsfirma Reinecke's den Bezugsort Dänemark.<br />
als „heimisch“. Mangelnde Weltoffenheit halten beim Bundesverband der Verbrau-<br />
Auch andere Firmen täuschen mit "Büsum"<br />
kann man dem Unternehmen jedenfalls cherzentralen. „Das Regionalfenster wird<br />
regionale Herkunft vor, so auch Büsumer Feinkost<br />
nicht vorwerfen.<br />
das Problem nicht lösen, da es lediglich<br />
– drin stecken jedoch Flusskrebse aus China.<br />
============================<br />
01<br />
Feb. / März<br />
2013<br />
0 1<br />
Deutschland € 7,50 / BeneLux € 8,20<br />
Schweiz sfr 14,80 / Österreich € 8,50