keltischen Münzen - ExperimentA
keltischen Münzen - ExperimentA
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Keltischen Münzmeistern auf der Spur<br />
Keltischen Münzmeistern auf der Spur<br />
Untersuchungen zur Herstellung subaerater <strong>Münzen</strong> basierend auf Funden aus<br />
der späteisenzeitlichen Siedlung von Rheinau/Altenburg (CH/D)<br />
Julia Bucher<br />
mit einem Beitrag von Kathrin Schäppi und Stefanie Osimitz<br />
Abstract<br />
Während die Herstellung antiker <strong>Münzen</strong> schon recht gut bekannt ist, weiss man bisher nur wenig über die<br />
Münzproduktion zur Zeit der Kelten. Ziel des interdisziplinären Projektes ist es, die Herstellung keltischer<br />
<strong>Münzen</strong>, speziell subaerater Stücke (mit Buntmetallkern und Silbermantel) detailliert zu untersuchen und die<br />
verwendeten Arbeitsstechniken mit Hilfe der experimentellen Archäologie zu rekonstruieren. Grundlage bilden<br />
die Funde von tönernen Schmelzformen (Tüpfelplatten) und subaeraten <strong>Münzen</strong> aus dem späteisenzeitlichen<br />
Oppidum von Rheinau ZH. Die experimentell hergestellten Objekte sollen auf die gleiche Weise wie die<br />
Originalfunde analysiert werden. Dies ermöglicht einen direkten Vergleich der Herstellungsspuren und somit<br />
indirekt die Rekonstruktion der Arbeitsweise keltischer Münzmeister.<br />
Abb.1: Nur wenige Kilometer unterhalb des<br />
Rheinfalls befand sich etwa von Mitte des<br />
2.Jh.v.Chr. bis in die 2.Hälfte des 1.Jh.v.Chr. (LT D)<br />
das Oppidum von Rheinau/Altenburg (CH/D).<br />
Ausgangslage<br />
Bei Grabungen der Kantonsarchäologie Zürich seit den 1990er<br />
Jahren in Rheinau (Schreyer/Hedinger 1996, Schreyer/Nagy<br />
2005, Schreyer/Nagy in Vorbereitung) kamen im Bereich der<br />
spätlatènezeitlichen Siedlung neben Belegen für die Eisen- und<br />
Buntmetallverarbeitung auch Fragmente von Tüpfelplatten zum<br />
Vorschein. Die waffelförmigen Tonplatten werden als Formen<br />
zum Schmelzen von Münzrohlingen interpretiert. Von der<br />
Halbinsel Rheinau stammt ausserdem eine grössere Zahl von<br />
<strong>Münzen</strong> (bisher 123 Stück), darunter solche des nur in dieser<br />
Region verbreiteten Typs Altenburg-Rheinau. Von der<br />
Altenburger Seite des Oppidums sind seit den 1960er Jahren<br />
wenige Tüpfelplattenfragmente, <strong>Münzen</strong> sowie der Balken<br />
einer Feinwaage bekannt (Fischer 1966). Aufgrund dieser<br />
Funde kann eine lokale Münzproduktion vermutet werden.<br />
Auffallend ist der grosse Anteil von subaeraten <strong>Münzen</strong>, also<br />
solchen mit einem Kern aus Kupfer oder einer Kupferlegierung,<br />
welcher mit einer dünnen Silber- oder Goldschicht überzogen ist. In Rheinau handelt es sich hauptsächlich um<br />
mit Silber ummantelte <strong>Münzen</strong>. Keltische subaerate <strong>Münzen</strong> sind vermutlich weniger als Fälschungen<br />
anzusehen, sondern eher als Reaktion auf die Knappheit an Edelmetallen zu bestimmten Zeiten. Bei der<br />
Abb.2-4: Links: Quinar vom Typ Altenburg-Rheinau. Mitte: Bruchstücke von Tüpfelplatten aus Rheinau. Rechts:<br />
Rekonstruktions-zeichnung einer <strong>keltischen</strong> Feinwaage.
2<br />
Keltischen Münzmeistern auf der Spur<br />
Auswertung der Grabungen von Rheinau stellten sich Fragen zur Herstellung keltischer <strong>Münzen</strong>, speziell solcher<br />
gefütterter Stücke. Die meisten dieser Fragen können nur experimentell beantwortet werden. Auf Anregung der<br />
Kantonsarchäologie Zürich entstand 2008 die Idee zu diesem Projekt und zur Zusammenarbeit mit <strong>ExperimentA</strong>.<br />
Ziel des Projektes und Fragestellungen<br />
Ziel des Projektes ist es, die Herstellung keltischer subaerater <strong>Münzen</strong> detailliert zu untersuchen und die „chaîne<br />
opératoire“ – die Produktionskette – zu rekonstruieren. Dabei wollen wir folgende Fragen beantworten:<br />
- Wie wurden die Tüpfelplatten hergestellt und welche Bestandteile wurden dem Ton beigemengt?<br />
- Wie wurden die Tüpfelplatten zur Herstellung von Münzrohlingen benutzt? Lässt sich anhand der<br />
Metall- und Metalloxidrückstände in den Vertiefungen tatsächlich auf die darin aufgeschmolzene<br />
Legierung rückschliessen?<br />
- Woraus bestehen die Münzkerne?<br />
- Wie wurden die Kerne versilbert und zu welchem Zeitpunkt des Arbeitsprozesses?<br />
- Wie wurden die Münzstempel hergestellt und wie bewähren sie sich im praktischen Einsatz?<br />
Vorgehen<br />
Die Basis für die Experimente bilden einerseits eingehende Literaturrecherchen zum Thema. Berücksichtigt<br />
werden auch bereits publizierte Analyseergebnisse zu <strong>keltischen</strong> <strong>Münzen</strong>, besonders zu subaeraten, und zu<br />
Tüpfelplatten. Hauptsächlich ist es aber die detaillierte Dokumentation und Materialanalyse der Originalfunde<br />
aus Rheinau, auf deren Grundlage Tüpfelplatten und <strong>Münzen</strong> schliesslich experimentell hergestellt werden. Es<br />
erfolgen hauptsächlich Feldexperimente, also unter Bedingungen, die den prähistorischen möglichst nahe<br />
kommen. Dabei sollen ausschliesslich Materialien, Gerätschaften und Technologien verwendet werden, welche<br />
den Kelten schon bekannt waren. Zu Vergleichszwecken werden parallel einige Laborexperimente durchgeführt.<br />
Jeder Arbeitsschritt wird genauestens protokolliert, denn die Ergebnisse dieser Versuche sollen messbar und<br />
reproduzierbar sein.<br />
In einem ersten Teil der Experimente werden Tüpfelplatten hergestellt und zum Schmelzen von Münzrohlingen<br />
verwendet. In einem zweiten Teil erfolgt die Versilberung der so gewonnenen Münzkerne mit unterschiedlichen<br />
Techniken. Mit rekonstruierten Prägestempeln wird schliesslich der Prägevorgang nachvollzogen. Die bei den<br />
Versuchen hergestellten <strong>Münzen</strong> und die verwendeten Tüpfelplatten werden anschliessend auf gleiche Weise<br />
wie die Originale untersucht. Stimmen Materialzusammensetzungen, Form und innerer Aufbau von Original<br />
und Rekonstruktion überein, kann mit grosser Sicherheit davon ausgegangen werden, dass wir der Herstellung<br />
von <strong>Münzen</strong> in keltischer Zeit auf die Spur gekommen sind. Die Publikation der Ergebnisse ist vorgesehen.<br />
Quellenlage<br />
Während die Herstellung antiker <strong>Münzen</strong> schon recht gut bekannt ist, weiss man bisher nur wenig über das<br />
Münzhandwerk zur Zeit der Kelten. Archäologische Hinweise auf die Münzproduktion in Form von<br />
Tüpfelplatten oder Prägestempeln hat man bisher in Mitteleuropa aus mindestens 46 <strong>keltischen</strong> Siedlungen (z.B.<br />
Maier/Neth 1987). Etwa die Hälfte der Fundorte sind als Oppida, also stadtartige keltische Siedlungen, zu<br />
bezeichnen. Münzwerkstätten können im Befund jedoch nicht von Buntmetall oder Eisen verarbeitenden<br />
Werkstätten getrennt werden.<br />
Zur Verwendung von Tüpfelplatten und der<br />
Herstellung gewichtsnormierter<br />
Münzschrötlinge haben sich bereits zahlreiche<br />
Autoren geäussert (z.B. Castelin 1960, Allen<br />
1980, Overbeck 1987, Gerber et al. 2001).<br />
Dabei wurde ein freihändiger Guss des flüssigen<br />
Metalls in die Vertiefungen der Tüpfelplatten<br />
ebenso erwogen wie ein Aufschmelzen von<br />
abgewogenem Metallstaub in den einzelnen<br />
Vertiefungen mittels eines glühenden<br />
Kohlestücks und eines Blasrohrs (nach<br />
Abb.5-6: Links: Umzeichnung eines originalen Düsenziegels aus<br />
Rheinau. Rechts: Rekonstruktionszeichnung des Prägevorgangs in<br />
keltischer Zeit.<br />
ägyptischen Abbildungen). Nur in wenigen<br />
Fällen wurde versucht, dies experimentell zu<br />
überprüfen (z.B. Tylecote 1962, Raub et al.
3<br />
Keltischen Münzmeistern auf der Spur<br />
1997, 79ff.). Diese bisherigen Versuche legen am ehesten ein Aufschmelzen von Metallgranulat in den<br />
Tüpfelplatten in einem Holzkohlefeuer nahe.<br />
Analysen von Tüpfelplatten aus Manching ergaben, dass sie auf der Oberseite Temperaturen über 1000°C, auf<br />
der Unterseite nur 400-800°C ausgesetzt waren. Reguli, also kleinste Metallspritzer an denselben Tüpfelplatten<br />
stammten vor allem von Goldlegierungen, in Böhmen wurden auch Silber-Kupfer und Kupfer-Zinn-Blei-<br />
Legierungen nachgewiesen (Gebhard et al. 1997). Zur Zusammensetzung der Kerne subaerater <strong>Münzen</strong> ist leider<br />
kaum etwas bekannt. Bei den in der Literatur verfügbaren Daten handelt es sich im allgemeinen um<br />
zerstörungsfreie Oberflächenanalysen (also meist der Silberschicht), bei welchen ausserdem schwierig zu<br />
beurteilen ist, inwieweit Korrosionsvorgänge die oberflächliche Zusammensetzung verändert haben.<br />
Archäologische Belege zu Einrichtungen, die zum Schmelzen von Münzrohlingen geeignet wären, gibt es aus<br />
spätkeltischer Zeit nur wenige. Die spärlichen Ofenbefunde z.B. aus Bibracte (F) (Duval et al. 1991) oder Sévaz-<br />
Tudinges (CH) (Mauvilly et al. 1998 und 2001) geben eine Idee von der Form der Schmelzgrube. Im<br />
Zusammenhang mit der Luftzufuhr sind fast ausschliesslich sogenannte Düsenziegel bekannt (auch aus Rheinau,<br />
siehe Schreyer/Hedinger 1996), die wohl v.a. in Eisenschmiedeessen eingesetzt wurden, und die eine Luftzufuhr<br />
von der Seite oder von leicht schräg oben ermöglichen. Eine einzige röhrenförmige Düse ist aus Zavist bekannt<br />
(Jansova 1974).<br />
Zu Versilberungstechniken in keltischer Zeit gibt es bisher nur theoretische Ansätze, aber noch keine Nachweise<br />
durch praktische Versuche. Vorgeschlagen werden unter anderem Plattierung, also das Aufbringen einer<br />
Silberfolie, Weissieden (Anreicherung der Oberfläche durch Wegätzen des Kupferanteils einer Silber-Kupfer-<br />
Legierung) oder Feuerversilberung mittels Quecksilber-Amalgamierung (z.B. Moesta/Franke 1995). Keltische<br />
Prägestempel sind ebenfalls bekannt, zum Beispiel vom Mont Vully (FR) (Kaenel/Auberson 1996). Die<br />
Herstellung solcher Stempel ist aber wiederum noch kaum erprobt.<br />
Abb.7-9: Links: Bruchstück einer Tüpfelplatte aus Rheinau. Die Stege sind durch Hitzeeinwirkung blasig geworden. Mitte:<br />
Röntgenaufnahme desselben Stückes. Die Metallrückstände im Ton entlang der Ränder zeichnen sich dunkel ab. Rechts:<br />
Elektronenmikroskopische Aufnahme des Abdruckes einer Getreidespelze im Bruch einer Tüpfelplatte aus Rheinau.<br />
Analyse der Originalfunde aus Rheinau<br />
Schon bei einer Betrachtung von Auge sowie unter dem Binokular sind<br />
ringförmige Ablagerungen, „Brauen“ an der Wandung in den Vertiefungen der<br />
Tüpfelplatten sichtbar. Die Stege zwischen den Vertiefungen sind oft blasig oder<br />
verglast, waren also offensichtlich einer höheren Temperatur ausgesetzt als die<br />
Unterseite der Platten, was auf ein Beheizen von oben schliessen lässt.<br />
Metallrückstände konnten mit diesen Mitteln nur wenige beobachtet werden. Im<br />
Bruch sind ausserdem Negativabdrücke von verbrannter, organischer Magerung<br />
zu sehen. Eine erste Abklärung am IPNA bestätigte, dass es sich um<br />
Getreidespelzen handelt. Eine detaillierte Untersuchung folgt noch. Bei einigen<br />
der subaeraten <strong>Münzen</strong> ist die Silberschicht noch intakt, bei anderen ist sie<br />
stellenweise abgeplatzt und lässt deutlich den darunterliegenden, korrodierten<br />
Buntmetallkern erkennen.<br />
Abb.10-11: Oben: Subaerate Münze aus Rheinau. Deutlich ist die teilweise abgeplatzte<br />
Silberschicht und der darunterliegende Buntmetallkern zu sehen. Unten: 3D-Darstellung<br />
anhand der neutronentomographischen Daten und Schnittbild derselben Münze (Testmünze<br />
003). Die Silberschicht setzt sich optisch durch den helleren Grauwert vom dunkleren Kern ab.
4<br />
Keltischen Münzmeistern auf der Spur<br />
2009 konnten im Paul-Scherrer-Institut (PSI) während mehrerer Tage 14 Tüpfelplattenfragmente mit<br />
Röntgenradiographie und –tomographie und 21 subaerate <strong>Münzen</strong> mit Neutronentomographie untersucht<br />
werden. Entlang der beobachteten Brauen in den Tüpfelplatten zeigten sich durch das Röntgen klare<br />
Metallrückstände, die teils wenig in den Ton eingedrungen sind. Dank der Neutronentechnologie können auch<br />
Metallobjekte detailliert untersucht werden, da Neutronen im Gegensatz zu Röntgenstrahlen Metalle relativ<br />
leicht durchdringen. So kann die innere Struktur der <strong>Münzen</strong> zerstörungsfrei betrachtet werden, der virtuelle<br />
dreidimensionale Datensatz ist dabei beliebig dreh- und schneidbar. Untersucht wurden vor allem <strong>Münzen</strong>, die<br />
aufgrund des Typs eine Herstellung in Rheinau vermuten lassen. Erste Auswertungen der Schnittbilder ergaben<br />
klare Unterschiede in der Art der Silberschicht wie auch in der Struktur des Kerns. Dies können Hinweise auf<br />
eine unterschiedliche Zusammensetzung des Kerns, auf eine unterschiedliche Verarbeitung des Rohlings sowie<br />
auf unterschiedliche Versilberungstechniken sein. Eine zu Vergleichszwecken mitanalysierte Münze vom<br />
Oppidum auf dem Münsterhügel in Basel zeigt einen von den Rheinauer Stücken deutlich abweichenden<br />
Aufbau.<br />
Dank der Resultate der PSI-Untersuchungen sind nun auch gezielte Metallanalysen möglich. Die<br />
Metallrückstände in den Tüpfelplatten werden mittels Mikroröntgenfluoreszenz-Analysen (RFA) durch das<br />
Schweizerische Nationalmuseum (SNM) untersucht. Erste Resultate sprechen für Silber-Kupfer-Legierungen mit<br />
geringem Bleigehalt. Ausgewählte Münzkerne werden ausserdem mittels Röntgenfluoreszenzspektroskopie (XRF)<br />
an gezielten Bohrproben (und wenn möglich Dünnschliffen) am SNM und an der ETH Zürich analysiert.<br />
Vorversuche<br />
Als erstes erfolgten Versuche zur Tüpfelplatten-Herstellung. Dazu wurde selbst abgebauter Ton aus Benken ZH<br />
und Rafz ZH verwendet. Geologisch sind dies diesselben Schichten, wie sie in Rheinau anstehen. Der Ton<br />
wurde mit unterschiedlichen Materialien wie Sand, Holzkohle, Schamotte oder Getreidespelzen gemagert. Für<br />
die Vertiefungen wurden verschieden grosse Stempel aus Ton und Holz getestet. Die Platten wurden schliesslich<br />
entweder nur getrocknet oder vorgebrannt in ersten Schmelzversuchen verwendet. Dabei wurden verschiedene<br />
Ofensysteme getestet, einerseits Rekonstruktionen nach Befunden aus Bibracte<br />
und Sévaz und andererseits eigene Konstruktionen. Diese ersten Versuche<br />
dienen dazu, das Spektrum der verwendeten Tüpfelplatten und weiteren<br />
Hilfmittel einzugrenzen, ebenso ein geeignetes Schmelzverfahren zu finden<br />
und sich die entsprechende Technik anzueignen. Auf dieser Basis können dann<br />
die reproduzierbaren Experimente stattfinden.<br />
Daneben fanden die ersten Laborexperimente an der ETH statt. In einigen der<br />
experimentell hergestellten Tüpfelplatten wurden verschiedene Testlegierungen<br />
im Induktionsofen unter Schutzgasatmosphäre (1 bar Argon) aufgeschmolzen.<br />
Abb.14: Tüpfelplatte nach einem<br />
der ersten Schmelzversuche. Im<br />
Bereich der verglasten Stege sind<br />
die Rohlinge wie erwünscht zu<br />
Kügelchen geschmolzen.<br />
Abb.12-13: Links: Herstellung einer<br />
Tüpfelplatte. Rechts: Tüpfelplatte mit<br />
noch glühenden Münzrohlingen direkt<br />
nach dem Schmelzvorgang.<br />
Erste Ergebnisse<br />
Die ersten Versuche deuten daraufhin, dass die Tüpfelplatten von Rheinau<br />
stark organisch gemagert waren. Die besten Resultate erzielten wir durch die<br />
Beimengung von Pferdemist. Ein Aufschmelzen des Buntmetalls in den<br />
Tüpfelplatten unter einer Schicht glühender Holzkohle mit einer zusätzlichen<br />
Luftzufuhr durch zwei Blasebälge ist problemlos möglich. Bewährt hat sich<br />
dabei die Verwendung von selbst erzeugtem Metallgranulat. Durch die<br />
reduzierende Atmosphäre bilden sich daraus annähernd kugelförmige
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Keltischen Münzmeistern auf der Spur<br />
Rohlinge. Dies wäre bei einem Guss nicht der Fall. Die gelungenen Rohlinge lassen sich leicht aus den<br />
Vertiefungen herauslösen, ohne dass ein Zerbrechen der Tüpfelplatten nötig wäre. Dadurch können die Platten<br />
auch mehrmals verwendet werden. Das Schmelzen der Schrötlinge ist somit einfacher als das Giessen in die<br />
Vertiefungen und bringt schönere Ergebnisse, es ist deshalb das wahrscheinlichere Verfahren. Das Spurenbild an<br />
den Tüpfelplatten zeigt sich sehr ähnlich wie bei den Originalen, die Stege sind ebenfalls leicht verglast, die<br />
Unterseite ist unversehrt. Ein Beheizen von oben hat sich also ebenfalls bestätigt. Die Tüpfelplatten müssen<br />
ausserdem nicht zwingend vorgebrannt, sondern nur gut getrocknet werden.<br />
Nächste Schritte<br />
Die Bestandteile der verschiedenen Testlegierungen für die Experimente werden<br />
abgewogen und vorlegiert. Neben Standardlegierungen, die sich leichter mit<br />
anderen Ergebnissen aus der Literatur vergleichen lassen, werden wir eine<br />
Legierung verwenden, die bis hin zu den Spurenelementen möglichst genau<br />
Münzkernen aus Rheinau entspricht (nach den Ergebnissen der Metallanalysen).<br />
Im Sommer 2010 werden im Feld Experimente zur Schrötlingsherstellung<br />
durchgeführt. Verschiedene Parameter wie Metalllegierung, Schmelzen von<br />
vorlegiertem Metallgranulat oder unlegierten Bestandteilen, Zusammensetzung<br />
der Tüpfelplatte, gebrannte oder ungebrannte Tüpfelplatten, ein einfaches oder<br />
mehrfaches Verwenden einer Tüpfelplatte usw. werden dabei verändert. Der<br />
Schmelzprozess soll immer gleich verlaufen. Parallel dazu werden nochmals<br />
Schmelzexperimente unter Laborbedingungen an der ETH durchgeführt.<br />
Wenn die Experimente zur Schrötlingsherstellung abgeschlossen sind, sollen,<br />
wenn möglich noch im selben Jahr, in einem zweiten Teil die Versilberung und<br />
die Prägung der Münzrohlinge erfolgen. Die Analysen der von uns hergestellten<br />
Tüpfelplatten und <strong>Münzen</strong> und der Vergleich mit den Originalen ist für 2011,<br />
die Publikation der Ergebnisse für 2012 geplant.<br />
Abb.15: Granulieren einer<br />
Buntmetalllegierung<br />
Zurzeit sind folgende Institutionen am Projekt beteiligt:<br />
Kantonsarchäologie Zürich<br />
PSI – Paul Scherrer Institut, Villigen<br />
ETH Zürich, Departement Materialwissenschaften, Abteilung Metal Physics and Technology<br />
zzwancor Tonwerk Rafz<br />
SNM – Schweizerisches Nationalmuseum, Abteilung Konservierung und Restaurierung, Affoltern a. A.<br />
IPNA – Institut für prähistorische und naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Basel<br />
Münzkabinett Winterthur<br />
IFS – Inventar Fundmünzen Schweiz<br />
Universität Zürich, Abteilung für Ur- und Frühgeschichte<br />
Die Arbeit an diesem Projekt wurde bisher fast ausschliesslich ehrenamtlich geleistet. Die aufgeführten<br />
Institutionen haben uns mit Fachwissen und Objektanalysen unterstützt. Im Falle des PSI konnten die Analysen<br />
im Rahmen von Forschungsgeldern finanziert werden. Zur Zeit werden verschiedene Anträge um<br />
Sponsorengelder eingereicht.<br />
Publikationen / Vorträge<br />
Virtuelle Schnitte durch keltische <strong>Münzen</strong>. Neutronen-Mikrotomografie gewährt Einblick ins Innere<br />
eisenzeitlicher <strong>Münzen</strong>. In: PSI Jahresbericht 2009, 30 - 31<br />
Vortrag an der EXAR-Tagung vom 10. Oktober 2009 in Unteruhldingen (D) (EXAR – Europäische Vereinigung<br />
zur Förderung der experimentellen Archäologie)<br />
Vortrag an der GV der AEAS (Arbeitsgemeinschaft Experimentelle Archäologie Schweiz), 27. März 2010<br />
Tag der offenen Tür auf dem EMPA-Versuchsgelände in Dübendorf, 5. Juni 2010 (Poster, Ausstellung mit<br />
Originalobjekten, Vorträge, Schmelzvorführung, <strong>Münzen</strong> prägen für die Besucher)<br />
Vortrag für die Geschäftsleitung der zzwancor, Istighofen 22. Juni 2010<br />
Vortrag im Münzkabinett Winterthur, 07. Juli 2010
Literatur<br />
Allen, D.F. (1980) The coins of the ancient celts, Edinburgh.<br />
6<br />
Keltischen Münzmeistern auf der Spur<br />
Burkhardt, A., Stern, W., Helmig, G. (1994) Keltische <strong>Münzen</strong> aus Basel. Numismatische und metallanalytische Untersuchungen,<br />
Antiqua 25, Basel.<br />
Castelin, K. (1960) Keltische Münzformen aus Böhmen, Germania 38, Heft 1/2, 32-42.<br />
Duval et al. (1991) Les fouilles 1988-1989 dans le secteur „extra-muros“: l’atelier de bronzier (Les fouilles du Mont-Beuvray: 1988-<br />
1989) RAE 42, 275-284.<br />
Fischer, F. (1966) Das Oppidum von Altenburg-Rheinau. Ein Vorbericht. Germania 44, 286-312.<br />
Gebhard, R, Wagner, U., Raub, Ch., Lehrberger, G. (1997) Untersuchung der bei der Edelmetallproduktion verwendeten<br />
technischen Keramik: Ofenfragmente und Tüpfelplatten. In: G. Lehrberger, J. Fridrich, R. Gebhard & J. Hrala (Hrsg.), Das<br />
Prähistorische Gold in Bayern, Böhmen und Mähren. Herkunft - Technologie - Funde. Prag, S. 99-126.<br />
Gerber, Y., Burkhardt, A., Helmig, G. (2001) Tüpfelplatten vom Titelberg. Naturrwissenschaftliche, archäologische und<br />
numismatische Untersuchungen an ausgewählten Funden keltischer Tüpfelplatten, <strong>Münzen</strong> und Metallrohlingen vom Titelberg,<br />
Gemeinde Differdange, Grossherzogtum Luxemburg, in: Archäologische Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt. Jahresbericht<br />
2000, Basel, 113-123.<br />
Jansova, L. (1974) Zur Münzprägung auf dem Oppidum von Zavist. Pamatky Archeologicke, 1-33, bes. 10<br />
Kaenel, G., Auberson, A.-F. (1996) Un coin monétaire celtique au Mont Vully (canton de Fribourg). AS 9, 106-111.<br />
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Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 2, Tübingen, 129-165.<br />
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Mauvilly, M., Garcia Cristobal, E., Peiry, Ch., Serneels, V. (2001) La métallurgie du bronze au milieu de l’âge du Fer. L’atelier<br />
métallurgique de Sévaz et l’étude par expérimentation de son fonctionnement éclairent d’un jour nouveau le travail du bronze au<br />
5e s. av. J.-C., AS 2001.3, 22-29.<br />
Moesta, H., Franke, P.F. (1995) Antike Metallurgie und Münzprägung. Ein Beitrag zur Technikgeschichte. Berlin.<br />
Overbeck, G. (1987) Alkimoënnis-Kehlheim, eine neue keltische Münzstätte. BVbl 52, 245-248.<br />
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Herkunft - Technologie - Funde. Prag, S. 70-98.<br />
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Kaenel, D., Martin-Kilcher, St., Wild, D., Colloquium Turicense, Zürich 2003, Cahier d’archéologie romande 101, Lausanne, 137-<br />
154.<br />
Schreyer, St., Nagy, P. (in Vorbereitung) Monographie über das keltische Rheinau. Reihe Zürcher Archäologie.<br />
SPM IV (1999) Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter, Bd. IV, Eisenzeit. Basel.<br />
Tylecote, R.F. (1962) The method of use of early iron-age coin moulds, The Numismatic Chronicle 7, 101-109.<br />
Bildnachweis<br />
Abb.1-3, 7, 10: Kantonsarchäologie Zürich<br />
Abb.4, 6: SPM IV, 121<br />
Abb. 5: Schreyer/Hediger 1996, 182<br />
Abb. 8, 11: PSI, Villigen<br />
Abb. 9: IPNA Basel<br />
Abb. 12-15: <strong>ExperimentA</strong>