LUNZENAUER Heimatblatt
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<strong>LUNZENAUER</strong> HEIMATBLATT 2003<br />
4<br />
Aus dem Jahr 1932<br />
- Der Arbeiter-Wassersport in Lunzenau -<br />
Kreistreffen in Kriebstein<br />
Nachdem die nötigen Vorbereitungen getroffen waren, fuhren wir Lunzenauer<br />
Arbeiter-Wassersportler am Pfingstsonnabend mit einem Lastauto,<br />
auf welchem 10 Boote verladen waren, vom Vereinsbad fort, um am Kreistreffen<br />
der Wasserfahrer vom 4. Kreis im Arbeiter-Turn- und Sportbund teilzunehmen.<br />
Aus allen Teilen Sachsens hatten sich die Fahrer mit 128 Booten<br />
und 109 Zelten zusammengefunden, um Zeugnis abzulegen von dem Geist,<br />
der im Arbeitersport lebt. Ein idyllisches Zeltlager bei herrlichem Wetter hielt<br />
uns bis zum Donnerstag , den 19. Mai, beisammen, wo wir uns viel zu<br />
schnell trennen mussten.<br />
Im Paddelboot von Lunzenau bis Magdeburg<br />
Am Sonnabend, den 18.Juni, morgens um 5 Uhr sah man im Bad des Arbeiter-Wassersport-Vereins,<br />
dass 6 Genossen 3 Holzboote mit dem notwendigen<br />
Proviant und sonstigen Gepäck zu Wasser brachten, um eine größere<br />
Wanderfahrt anzutreten. Nachdem wir mit der nötigen Vorsicht und günstigem<br />
Wasser 12 Wehre überwunden hatten, erreichten wir gegen 7 Uhr<br />
abends das Bootshaus des Brudervereins „Saxonia“ -Wurzen, wo zur<br />
ersten Übernachtung die selbst gebauten Zelte ihren Zweck voll ausfüllten.<br />
–Nach einer herrlichen Tagesfahrt wurde bei Eintritt der Dunkelheit auf einer<br />
einsam gelegenen Waldwiese kurz vor Feßnitz das zweite Nachtlager<br />
aufgeschlagen. Um den zur Neige gegangenen Proviant zu erneuern,<br />
musste in Feßnitz am Montag früh kurze Rast gehalten werden. Da um die<br />
Mittagszeit gerade Dessau erreicht war, wurde im Bad der Freien Schwimmer<br />
die nötige Mittagsrast gehalten, damit der knurrende Magen zu seinem<br />
Recht kommen konnte. Frisch gestärkt konnte nun das 21. und letzte Wehr<br />
überwunden werden, um nach einer 2stündigen Fahrt mit frohem Mut bei<br />
Roßlau in die Elbe einzufahren. Lange sollte die frohe Stimmung nicht<br />
anhalten, denn 6 Kilometer im strömenden Gewitterregen, welcher uns<br />
überraschte, zu fahren, bedeutet nicht gerade einen Genuss! Ein erhebendes<br />
Gefühl war es, als uns auf weiter Wasserfläche von einem entgegenkommenden<br />
Motorboot der F-Wimpel grüßte und wir mit den uns verbundenen<br />
Genossen den Bundesgruß tauschen konnten. Aber trotz der kleinen<br />
Abkühlung erreichten wir gegen 6 Uhr abends die dritte Etappe: den<br />
Bruderverein Afen (Elbe). Am Dienstag nachmittag gegen 2 Uhr kamen wir<br />
in froher Stimmung an unser erstes großes Ziel: Magdeburg, wo uns die<br />
Freien Schwimmer Magdeburg-Altstadt einen herzlichen Empfang zuteil<br />
ließen, so dass am Mittwoch früh das Beladen der Boote besorgt werden<br />
konnte. Um das Praktische mit dem Finanziell-Nützlichen zu verbinden und<br />
die Reisespesen auf ein Minimum herabzudrücken, holten wir unsere<br />
Fahrräder, welche mit der Bahn bis hierher gesandt worden waren, ab und<br />
am Donnerstag gings nun mit vollgepackten Rädern auf die Landstraße, um<br />
abends 7:30 Uhr Leipzig (über Bernburg-Halle) zu erreichen, wo bei den<br />
Freien Wasserfahrern das letzte Nachtlager bezogen werden konnte. Freitag<br />
gegen Abend landeten wir dann frohen Mutes wieder in Lunzenau. Mit<br />
einem „Frei Heil“ beendeten wir diese interessante und lehrreiche Fahrt.<br />
Diese und noch viele andere Fahrten zeigen, dass man auch mit wenig Geld<br />
und ohne große Aufmachung Sportler sein kann. Darum werdet Mitglied<br />
des Arbeiter-Wassersport-Vereins Lunzenau, denn nur dieser bietet euch<br />
einen derartig schönen, volkstümlichen Sport.<br />
Foto: Stadtarchiv Lunzenau<br />
Geschichten & Begebenheiten<br />
Hinrichtung einer Kindesmörderin<br />
in Rochsburg im Jahre 1711<br />
Der Burkersdorfer Gemeindelade nacherzählt von Otto Stöbe<br />
Wenn eine uneheliche Mutter, die sich von Gott und aller Welt verlassen<br />
wähnt, aus ihrer verzweifelten Lage keinen anderen Ausweg sieht, als ihr<br />
neugeborenes Kind zu töten, so wird sie vom heute geltendem Strafgesetz<br />
mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren Gefängnis bedroht. In früheren<br />
Jahrhunderten hatte sie die Todesstrafe verwirkt, manchmal sogar eine<br />
besonders verschärfte und entehrende Form der Hinrichtung, wie ein Fall<br />
beweist, der sich vor 222 Jahren in unserer Nähe zutrug.<br />
Im November des Jahres 1710 wurde Elise Lindnerin, die ledige Tochter<br />
eines Bauern im Rochsburger Anteil von Chursdorf, angeklagt und nach<br />
„peinlicher Befragung“ (Folterung) überführt, dass sie ihr heimlich geborenes<br />
Kind getötet und „hernach dasselbe, als es todt gewesen, in ihrer Schürze in<br />
eine Grube bei dem sogenannten Höllteiche getragen, in Werk gewickelt und<br />
daselbst liegen lassen“. Ein Hirte hatte sie dabei beobachtet.<br />
Die Besitzer der Herrschaft Rochsburg hatten von alters her, außer der<br />
niederen Gerichtsbarkeit, auch die höhere Inne, also die über Hand und Hals.<br />
Doch war es mit dem Erstarten der Macht der Landesherren, hier der Kurfürsten<br />
von Sachsen, üblich geworden, bei schweren Verbrechen das Urteil des<br />
Leipziger Schöppenstuhles, der von der juristischen Fakultät der Universität<br />
gebildet wurde, einzuholen. Das geschah auch diesmal. Anfang 1711 erging<br />
das Urteil, welches verfügte, dass die Elise Lindnerin „wegen ihrer, an ihrem<br />
leiblichen Kinde begangenen und bekannten (d.h. eingestandenen) Mord-<br />
Tat, zusammt einem Hunde, Hahn, Schlangen Katzen, anstatt eines Affen, in<br />
einen Sack gesteckt, ins Wasser geworfen und darinnen ertränkt“ werde. Die<br />
besonders grausame Form der Todesstrafe, die man Säckung nennt, wird<br />
von Geschichtsforschern für ein Überbleibsel uralter heidnischer Gebräuche<br />
angesehen, wonach bei germanischen Völkern Menschenopfer gewöhnlich<br />
von Tieropfern begleitet waren, „indem sie für gewiss glaubten, dass die<br />
geopferten Tiere ihnen bei den Göttern der Unterwelt Dienste leisten und<br />
dieselben wegen ihrer begangenen Missetaten mit ihnen aussöhnen<br />
würden“. So erklärt ums Jahr 1000 Bischof Thietmar von Merseburg den zu<br />
seiner Zeit bei den Dänen noch üblichen Brauch.<br />
Die Eltern, der zu dieser grässlichen Strafe Verurteilten, wandten sich<br />
gnadeflehend an den Kurfürsten Friedrich August, der Starke genannt, und<br />
dieser, etwas menschlicher denkend als die verzopften Leipziger Rechtslehrer,<br />
bestimmte am 10. Februar, dass die der „Elise Lindnerin wegen<br />
begangenen Kindesmordes zuerkannte Strafe der Säckung in das Schwert<br />
verwandelt“ werde.<br />
Schon 15 Tage später wurde dieses Urteil vollstreckt. Der Bericht darüber<br />
ist so anschaulich, dass er unverkürzt folgen möge:<br />
Actum Amt Rochsburg, den 25. Februar 1711. Dato ist die Erecution an der<br />
inhaftierten Elise Linderin vollstrecket worden. Anfänglich, nachdem<br />
sowohl von denen hierzu kommandierten Bürgern und Bauern, den dem<br />
Amt-Hause, Amtschösserei und Fuhrwerk geschlossen (d.h. ein Kreis<br />
gebildet) worden, wurde das Gericht von nachbeniemten Personen besetzt:<br />
1. Herr Gottlieb Göringer, Stadt- und Landrichter in Burgstädt, 2. Herr<br />
Martin Steiner, 3. Herr Ehrenfried Fischer, 4. Herr Johann Engelmann und 5.<br />
Herr Martin Fintzel, Gerichtsschöppen daselbst, und endlich von mir zu<br />
Ende unterschriebenen hierzu requirierten Notario, welche zusammen am<br />
Gerichts-Tische, nicht weit, aber hiervon hiesiger, Rath und Amtmann, Herr<br />
Johann Wunderlich auf einen besonderen Stuhl gesessen, worauf dann die<br />
arme Sünderin gewöhnlicher Maßen vorgebracht und die kommandierten<br />
Bürger und Bauern wieder abgezogen und vor hiestgem Wetter-Kreutze<br />
durch selbige ein neuer Kreis geschlossen worden: Wurde ermeldete arme<br />
Sünderin Begleitung Herrn Magister Heinrich Rauschens, Pfarrer allhier in<br />
Rochsburg, und Herrn Gottlob Ehrenreich Groschens, Diakonie in Lunzenau,<br />
an die Gerichtsstätte gebracht und die Erecution durch den Scharf-<br />
Richter in Penig, Meister Peter Otten, verrichtet, welcher ihr den Kopf auf<br />
einen Hieb abgehauen, und wurde selbige als dann in einen hierzu verfertigten<br />
Sarg gelegt und auf hiesigem Gottesacker begraben. Welches um<br />
Nachricht willen registriert worden. Geschehen ut supra (d.h. wie oben<br />
gemeldet). Johann Wunderlich, Friedrich Wilhelm Praße, Notarius Publ.<br />
Caesar. ad hoc legitime requisitus (d.h. kaiserlicher Notar, der gesetzmäßig<br />
hinzugezogen wurde).<br />
Fragt man, welche Strafe denn den Vater des getöteten Kindes, einen<br />
Tauschaer Bauernsohn, betroffen, so erfährt man aus dem Peniger Pfarrarchiv<br />
folgendes: Er war zunächst geflohen. Als er nach Jahr und Tag nach<br />
Tauscha zurückkehrte, wurde er gefangen nach Penig gebracht. Er leistete<br />
aber einen körperlichen Eid, dass er, entgegen der Aussage der Elise Lindnerin,<br />
diese nicht zur Tötung des Kindes bestimmt habe, worauf er wieder<br />
freigelassen wurde.