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LUNZENAUER Heimatblatt

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<strong>LUNZENAUER</strong> HEIMATBLATT 2003<br />

Ich wurde am 25.11.1936 in Lunzenau geboren, besuchte die<br />

Grundschule von 1943 bis 1951 und wurde 1951 konfirmiert.<br />

Ich erinnere mich an den Durchmarsch der Amerikaner und<br />

später die Besetzung durch sowjetische Soldaten im Juni<br />

1945, was wir alles von unserm Fenster am Markt beobachten<br />

konnten. Ich besuchte die Oberschule in Rochlitz 1951 bis<br />

1955, mit dem Abitur als Abschluss. 1955 begann ich in Leipzig<br />

Medizin zu studieren, arbeitete im Sommer 1956 als Praktikant<br />

im Krankenhaus Penig und 1957 als Famulus im Kreiskrankenhaus<br />

Rochlitz, entschied mich jedoch im Frühjahr<br />

1960 die DDR zu verlassen und siedelte nach München über.<br />

Dort beendete ich das Medizinstudium und legte das Staatsexamen im Dezember<br />

1961 ab und arbeitete für 6 Monate im Krankenhaus „Am Biederstein“ als Medizinalassistent.<br />

Doch es zog mich in die Welt.<br />

Im März 1962 bestand ich das amerikanische medizinische Examen ECFMG und im<br />

Sommer begann ich meine 1 jährige Arbeit als Intern (ähnlich dem Medizinalassistent)<br />

in einem Krankenhaus in Denver/Colorado. Das war eine schwierige Zeit: lange<br />

Arbeitsstunden, oft Tag und Nacht; mangelnde Sprachkenntnisse; andersartige<br />

Methoden und Medikamente; andere Kultur usw. Doch meine amerikanischen Kollegen<br />

waren sehr hilfreich und ich lernte in der Zeit viel. Schon als junger Arzt konnte<br />

man die neuesten diagnostischen und therapeutischen Verfahren anwenden. So<br />

begann ich eine Facharztausbildung in Innerer Medizin, musste aber wegen des<br />

Ablaufs meines Besuchervisums 1964 in die BRD zurückkehren. Ich arbeitete am<br />

Evangelischen Krankenhaus in Bergisch Gladbach und im Krankenhaus Schwabing<br />

in München, war aber enttäuscht, dass ich meine in den USA gewonnenen Erkenntnisse<br />

nicht anwenden konnte. Der Arbeits- und Verantwortungsbereich waren sehr<br />

begrenzt. 1965 arbeitete ich für mehrere Monate als Praxisvertreter in der Münchner<br />

Gegend und heiratete im Sept. 1965 eine Münchnerin - mit einer nachfolgenden<br />

kirchlichen Hochzeit im Oktober in Lunzenau, so dass meine Eltern, mein Bruder und<br />

andere Verwandte und Freunde aus der Heimat teilnehmen konnten. Anfang 1966<br />

wanderten wir in die USA aus und fuhren mit allem Besitz in einem VW-Käfer an die<br />

Westküste nach Seattle (Staat Washington), was unsere neue Heimat werden sollte.<br />

In Seattle nahm ich meine Facharztausbildung wieder auf, arbeitete bis 1968 im<br />

Providence-Hospital, danach bis 1970 in den Krankenhäusern der University of<br />

Washington, wo ich die Gelegenheit erhielt als eine Spezialistenausbildung in Kardiologie<br />

zu absolvieren. Es war eine aufregende Zeit mit viel Neuerungen auf diesem<br />

Gebiet; ich veröffentlichte mehrere medizinische Artikel und hatte die Gelegenheit,<br />

als “Clinical Assistent Professor” bei der Ausbildung von Studenten und Assistenten<br />

zu helfen. Das war auch weiterhin möglich, nachdem ich mich als Kardiologe in<br />

Seattle niederließ, mit Tätigkeit als konsultierender Arzt in verschiedenen Krankenhäusern<br />

und in meiner Privatpraxis. Voraussetzung war, dass ich amerikanischer<br />

Staatsbürger wurde und entsprechende Facharzt und Spezialistenprüfungen ablegte.<br />

Die Praxis wuchs, ich war stark beschäftigt und manchmal wurde der häufige Dienst<br />

fast zu viel. 1967 wurden unsere Zwillingssöhne Peter und Thomas geboren. Im<br />

folgenden Jahr besuchten wir alle Lunzenau und die beiden wurden in der Evangelischen<br />

Kirche getauft. Leider war mein Vater im Jahr vorher verstorben. - Unsere<br />

Tochter Anja wurde 1970 in Seattle geboren, alle 3 Kinder sind amerikanische sowie<br />

deutsche Staatsbürger. Über die Jahre pflegten wir unsere Verbindungen mit<br />

Lunzenau und besuchten , trotz schwieriger Visums- und anderer Bestimmungen,<br />

die Heimat oft, d.h. ca. alle 2 Jahre.<br />

Seattle ist eine schöne und freundliche Stadt im Pazifischen Nordwesten der USA.<br />

Das Wetter und der Pflanzenwuchs sind dem in Mitteldeutschland sehr ähnlich,<br />

außer dass es im Winter für lange Zeiten regnet und nur selten schneit. Seattle hat ca.<br />

500 000 Einwohner und ist zwischen dem Puget Sound, einer Meeresbucht des Pazifischen<br />

Ozeans, und dem Lake Washington eingezwängt und muss deshalb mit<br />

Wolkenkratzern in die Höhe wachsen. Als wir 1966 ankamen hatte Seattle noch einen<br />

provinziellen Charakter, doch hat es sich seitdem zu einem kulturellen, wissenschaft-<br />

8<br />

Häuslicher Alten- und Krankenpflegedienst<br />

Carmen Bauer<br />

Burgstädter Straße 3<br />

09328 Lunzenau<br />

Telefon: 03 73 83 / 6 12 30<br />

Funk: 01 72 / 3 70 87 36<br />

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Lunzenauer in aller Welt<br />

Wolfgang Kluge berichtet:<br />

lich - technischen und medizinischen Zentrum entwickelt. Durch Boeing, Microsoft<br />

und andere Unternehmen, die sich in umliegenden Gemeinden angesiedelt haben, ist<br />

die Metropolitan Area stark angewachsen, mit einer Gesamtbevölkerung von ca. 2<br />

Millionen. Der Verkehr ist zum Alptraum geworden und ich vermeide mit Wagen ins<br />

Zentrum zu fahren.<br />

Soweit es die Arbeit erlaubte machten wir Ausflüge in die schöne Umgebung Seattles,<br />

mit vielen Seen, dem Meer und hohen Gebirgen, und besuchten die interessanten<br />

Gebiete im Westen der USA und Kanadas. Oft reisten wir auch nach Mexiko und<br />

Europa. - Wir hatten uns ein größeres Haus in Shoreline im Norden Seattles zugelegt<br />

und ein kleines Urlaubsgrundstück auf der Olympischen Halbinsel. - Unser<br />

Freundeskreis schloss Deutsche sowie Amerikaner ein. Die Kinder besuchten öffentliche<br />

Schulen, später verschiedene Colleges und Universitäten.<br />

Die Wende kam unerwartet. Für mich war es besonders aufregend im Dezember<br />

1989 an einer Montagsdemonstration in Leipzig teilzunehmen, in Berlin zu einer<br />

Kundgebung der Humboldtuniversität zu sprechen und die Veränderungen in<br />

Lunzenau zu beobachten. Im September 1990 weilte ich hier, weil meine Mutter<br />

erkrankte und verstarb; so erlebte ich auch den Tag der Deutschen Einheit in Lunzenau.<br />

Ich hätte nie geglaubt, dass dieses Ereignis zu meiner Lebzeit eintritt. Es inspirierte<br />

mich so stark, dass ich einen Abendkurs über “Die Geschichte der DDR und Die<br />

deutsche Wiedervereinigung” für 1 Jahr an der Universität in Seattle unterrichtete.<br />

Später wurde ich nochmals selbst zum Student und durch Abendkurse absolvierte<br />

ich ein Studium der Politwissenschaften, ein Gebiet das mich schon immer interessierte.<br />

Seit meiner Pensionierung 1996 bin ich viel gereist, teils mit Ärztedelegationen<br />

(mehrmals in Länder des Nahen Ostens), teils als Tourist. Ich arbeitete auch mehrere<br />

Monate als Volontierarzt in der Karibik. Ich bin in einer sozial und politisch<br />

progressiven Ärzteorganisation tätig (Physicians for Social Responsibility, ähnlich<br />

dem IPPNW in Deutschland). Mir macht es auch viel Freude in einem Chor zu singen<br />

( 1995 gaben wir ein Konzert in Eisenach, als Teil einer Europa Tour), unser letztes<br />

Konzert in Seattle ist das Brahms Requiem (in Deutsch). Ich genieße das rege Musikleben<br />

in Seattle, z. B. wird in Seattle schon seit vielen Jahren der Wagner Ring in<br />

Deutsch und Englisch aufgeführt. Im Sommer bin ich oft mit dem Kajak unterwegs,<br />

um die herrlichen Küsten- und Seenlandschaften zu erforschen. Nach wie vor zieht<br />

es mich auch wieder nach Lunzenau, wo mein Bruder wohnt. Die Heimat kann man<br />

nicht vergessen, auch wenn man schon 40 Jahre im Ausland wohnt.<br />

Wolfgang Kluge, wohnhaft Seattle, USA

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