Lesen - Golf Dornseif
Lesen - Golf Dornseif
Lesen - Golf Dornseif
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Unter den verblüfften Empfängern chinesischer Orden waren auch zwei Berliner Schuljungen „im<br />
Vorbeigehen“, was den Prinzen offensichtlich amüsierte. Viel Heiterkeit löste noch ein Scherzartikel<br />
aus, der zum Besuch des Prinzen in Berlin reißenden Absatz bei den Straßenhändlern fand: Die<br />
Puppe eines Chinesen mit traurig herabhängendem Schnauzbart. Zog man aber an einem Bändchen<br />
aus Papier, so schnellte der Schnurrbart in die Höhe und erweckte einen stolzen Charakter als Stimmungsbild.<br />
Die Figur zeigte als Aufdruck die Worte: „Prinz Chun vor und nach dem Kotau!“<br />
Am 29. September verließ der Prinz mit seinem Gefolge in einem Sonderzug die Hauptstadt des<br />
Deutschen Reichs in bester Laune. Zuvor lernte er noch zahlreiche einflussreiche deutsche<br />
Unternehmer kennen, Fabrikanten und Kaufleute von Rang. Einen Tag vor der Heimreise überreichten<br />
einige prominente Missionare Prinz Chun eine Bibel in chinesischer Sprache als Andenken,<br />
was vielfach als Taktlosigkeit registriert wurde.<br />
Der sozialdemokratische VORWÄRTS kommentierte bissig: „Was könnte der Prinz von einer Religion<br />
erhoffen, die, obwohl seit mehr als einem Jahrtausend die Staatsreligion der europäischen Mächte,<br />
diese gleichwohl nicht abhält, Eroberungskriege im Hunnenstil gegen Nationen zu führen, die diesen<br />
christlichen Mächten nie etwas zuleide getan haben?“<br />
Li Hongzhangs Berliner Visite und Kanzler Bismarck<br />
Im Jahr 1862 entstand in China die sogenannte Selbststärkungsbewegung, in der ein Politiker namens<br />
Li Hongzhang wesentlich den Ton angab. Jene Organisation wollte aus Leibeskräften die<br />
moderne Waffentechnik Europas übernehmen sowie schlagkräftige Kriegsschiffe ankaufen. Nachdem<br />
jedoch China im Chinesisch-Japanischen Krieg 1894/1895 eine beschämende Niederlage erlitten<br />
hatte, die mit dem Friedensvertrag von Shimonoseki endete, wurde China gezwungen, die Halbinsel<br />
Liadong an die Söhne Nippons abzutreten.<br />
Nun drohten die Japaner übermütig zu werden, so dass Russland ernste Besorgnis äußerte.<br />
Unterstützt von Deutschland und Frankreich erhoben die Russen Einspruch gegen den japanischen<br />
Machtzuwachs. Der Vertrag von Shimonoseki hatte Nebenwirkungen: Die Großmächte wollten<br />
ebenfalls in China „mehr mitreden“.