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Skript des letzten Jahres (Niedrige Auflösung) - EMPA Media ...

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t e c h n i k · · · d e s · · ·<br />

k l a u s s i m o n<br />

d i g i t a l e n<br />

p u b l i z i e r e n s<br />

Theory without practice is empty,<br />

practice without theory is blind.<br />

John Dewey<br />

empa dübendorf — medientechnik


Buch zum Thema<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

motivation


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Motivation 3<br />

2 Drucken: Gestern, Heute, Morgen 7<br />

2.1 Entstehen der Schwarzen Kunst . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.2 Industrialisierung <strong>des</strong> Druckens . . . . . . . . . . . . . 9<br />

2.2.1 Papiererzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

2.2.2 Weiterentwicklung der Druckmaschinen . . . . 11<br />

2.2.3 Mechanisierung der Schreib- und Satztechnik . 14<br />

2.3 Druck wird Massenmedium . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

2.4 Entwicklung der Bildreproduktion . . . . . . . . . . . . 19<br />

2.4.1 Holzschnitte und Kupferstiche . . . . . . . . . . 19<br />

2.4.2 Steindruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

2.4.3 Fotomechanische Bildreproduktion . . . . . . . . 28<br />

2.4.4 Entwicklung der Fotografie . . . . . . . . . . . . 29<br />

2.4.5 Halftoning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

2.4.6 Der fotografische Schwarzweissprozess . . . . . 39<br />

2.4.7 Fotomechanische Rasterung . . . . . . . . . . . . 43<br />

2.4.8 Offsetdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

2.4.9 Fotosatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

2.5 Die Druckvorstufe zwischen 1970 – 90 . . . . . . . . . . 50<br />

2.6 Digitale Druckvorstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

2.6.1 Camera Ready und Wissenschaft . . . . . . . . . 52<br />

2.6.2 Desktop Publishing . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

2.6.3 Digitale Bogenmontage . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

2.7 Computer-to-Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

2.8 Cross <strong>Media</strong> Publishing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

2.9 Konventionelle Druckverfahren . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

2.9.1 Buchdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

2.9.2 Flexodruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

2.9.3 Tiefdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

2.9.4 Siebdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

2.10 Non-Impact-Printing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

1<br />

2.10.1 Elektrofotografie (Laserdruck) . . . . . . . . . . 68<br />

2.10.2 Inkjets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

2.10.3 Thermographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

2.11 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />

3 Proofing 73<br />

3.1 Proof-Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

3.2 Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Kontraktproofs . . . . . . . . 75<br />

3.3 Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

3.3.1 Rasterproof (True Proof) . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

3.3.2 Softproof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

3.3.3 Remote Proofing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

3.4 Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

3.5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

4 Typographie und Schrift 83<br />

4.1 Ursprung der lateinischen Schriften . . . . . . . . . . . 83<br />

4.2 Attribute lateinischer Druckschriften . . . . . . . . . . 85<br />

4.3 Grössenangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

4.4 Schriftnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

4.5 Klassifikation lateinischer Schriften . . . . . . . . . . . 90<br />

4.6 Seitenformat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.7 Seitenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

4.8 Der Leseprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

4.9 Textsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />

4.10 Schriftauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

4.11 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104


5 Textformatierung 105<br />

5.1 Wortaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />

5.2 Zeilenumbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

5.2.1 Die Menge aller akzeptablen Zeilenumbrüche . 109<br />

5.2.2 Zeilenumbruch als Optimierungsproblem . . . . 111<br />

5.2.3 Interaktivität und Zeilenumbruch . . . . . . . . 113<br />

5.2.4 Worttrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

5.3 Seitenumbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

5.4 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />

6 Computerfonts 121<br />

6.1 Text in digitalen Ausgabesystemen . . . . . . . . . . . . 121<br />

6.2 Bitmaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />

6.3 Outline-Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

6.4 Fonts in PostScript- bzw. PDF-Druckern . . . . . . . . . 125<br />

6.5 PostScript-Fonts auf dem Bildschirm . . . . . . . . . . . 128<br />

6.6 Fontformate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130<br />

6.7 Type1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

6.8 TrueType . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

6.9 Andere Formate <strong>des</strong> Desktop Publishings . . . . . . . . 133<br />

6.10 Kodierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />

6.10.1 Morsekode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

6.10.2 Baudot- und Murraykode . . . . . . . . . . . . . . 136<br />

6.10.3 Ascii, Latin-1 und Unicode . . . . . . . . . . . . . 137<br />

6.11 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />

2


K a p i t e l<br />

1<br />

Motivation<br />

Die hier präsentierte Sichtweise <strong>des</strong> Themas ≪Publizieren ≫ ist geprägt<br />

durch die berufliche Tätigkeit <strong>des</strong> Autors an der Empa 1 bzw.<br />

der Ugra 2 , die bis 2005 dort organisatorisch integriert war. Auf<br />

Grund der dadurch bedingten Konzentration auf branchenweite<br />

Veränderungen bzw. Vorgänge ist es naheliegend das Thema ≪Publizieren<br />

≫ vor dem Hintergrund der aktuellen Workflow-Szenarien<br />

darzustellen.<br />

Da bis heute — trotz harter Konkurrenz — der Druck das dominante<br />

Medium ist, beschäftigen wir uns hier mit den typischen Techniken<br />

und Arbeitsabläufen zur Erstellung eines Druckerzeugnisses.<br />

Die Kenntnis der Verfahren und ihrer Hintergründe unterstützt einerseits<br />

die Orientierung im Publishing-Alltag und ist andererseits<br />

hilfreich bei der Bewertung aktueller Tendenzen wie dem Cross <strong>Media</strong><br />

Publishing, das sich im Wesentlichen als eine Ausweitung der<br />

Zielsysteme digitaler Layoutdaten begreifen lässt.<br />

Die Publikationstechnik vor 1990 war durch die fotomechanische<br />

Bildreproduktion geprägt. Sie zeichnete sich durch feststehende industrielle<br />

Arbeitsabläufe aus, die durch Spezialisten der Druckvorstufe<br />

ausgeführt wurden. Farbe war gerätespezifisch. Der Umgang<br />

mit Farbe beschränkte sich auf die Bedienung der entsprechenden<br />

Geräte, z.B. einer Kamera, welche in den vielen einschlägigen Ausbildungsgängen<br />

der graphischen Industrie erlernt wurde.<br />

Im digitalen Publizieren besteht das Produkt aus einer abstrakten<br />

Layoutbeschreibung. Die festgefügten Arbeitsabläufe der<br />

Druckvorstufe sind durch offene Kommunikationsstandards ersetzt<br />

1 Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt<br />

2 Verein zur Förderung wissenschaftlicher Untersuchungen in der grafischen<br />

Industrie, dem schweizer Pendant zur deutschen Fogra<br />

3<br />

Drucken: Gestern — Heute — Morgen<br />

✧ Medienmarkt im Umbruch (Cross <strong>Media</strong> Publishing)<br />

➙ Druck bis anhin dominant im Medienmarkt (ca. 70 %)<br />

➙ Druckerzeugnisse sind prototypisch fürs Publizieren<br />

✧ Druckvorstufe: Produktionskette bis zur Druckformerstellung<br />

➙ strukturell an den digitalen Fotosatz (ab 1970) angepasst<br />

✛ Reprofilme, Filmmontage, fotomechanische Kopierverfahren<br />

➙ neuinterpretiert durch Desktop Publishing (ab ca. 1990)<br />

✛ Layoutsprachen, Computer-to-Plate, elekt. Datenaustausch<br />

➙ heutige Strukturen und aktuelle Veränderungen . . .<br />

✛ haben oftmals historische Gründe oder . . .<br />

✛ sind begründet in der Funktion als Massenmedium<br />

klaus simon<br />

Bildreproduktion im Digitalen Publizieren<br />

... wie gesehen ...<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

... für bzw. mit aktuellen Industriestandards ...<br />

Mess- und<br />

Sensortechnik Software<br />

Farbmetrik<br />

klaus simon<br />

XYZ = / Empfinden<br />

Materialeigenschaften<br />

visuelle Akzeptanz<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

3<br />

motivation<br />

4<br />

motivation


m a n u e l l e r f o t o s a t z<br />

Arbeitsabläufe bei Druckerzeugnissen<br />

text — bilder — graphik<br />

|<br />

reprofilme<br />

|<br />

seitenmontage (filme)<br />

|<br />

bogenmontage (filme)<br />

|<br />

druckform<br />

|<br />

drucken<br />

|<br />

weiterverarbeitung<br />

✧ Workflow <strong>des</strong><br />

✧ aus Sicht eines<br />

text — bilder — graphik<br />

|<br />

seitenlayout (pdf)<br />

|<br />

bogenlayout (pdf)<br />

|<br />

rasterdaten (rip)<br />

|<br />

|<br />

film<br />

|<br />

CtP<br />

druckform<br />

|<br />

|<br />

drucken<br />

|<br />

weiterverarbeitung<br />

klaus simon<br />

Ziele der Vorlesung<br />

✧ Konzepte, Tools, Hintergründe im<br />

Digitalen Publizierens<br />

Autors<br />

cross media publishing<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

d e s k t o p p u b l i s h i n g<br />

5<br />

motivation<br />

6<br />

motivation<br />

4<br />

worden. Die abstrakten Farbspezifikationen der digitalen Daten<br />

sind geräteneutral. Gerätespezifische Anpassungen müssen explizit,<br />

z.B. durch ein Color Management System, vorgenommen werden.<br />

Der sichere Umgang mit digitalen Farbdaten, der zentralen<br />

Herausforderung <strong>des</strong> digitalen Publizierens, erfordert ein konzeptionelles<br />

Wissen über Farbe, Farbmessung oder Farbräume. Das<br />

operative Farbverständnis der fotomechanischen Bildreproduktion<br />

tritt in den Hintergrund.<br />

Die auf der linken Seite von Folie 5 illustrierte Gliederung einer<br />

Druckproduktion ist typisch für den digitalen Fotosatz, wie er sich<br />

seit 1970 etabliert hat. Die Eingaben bestehen aus unformatiertem<br />

Text, Bildern und Grafiken. Bilder oder fotografierte Grafiken wurden<br />

durch die ≪ Repro ≫ — auch ≪ Litho ≫ genannt — in Form von<br />

gerasterten Filmen zur Verfügung gestellt. Dabei leitet sich die Abkürzung<br />

≪ Repro ≫ aus der fotomechanischen Reproduktionstechnik<br />

ab, bzw. ≪ Litho ≫ aus der Lithographie, dem ersten erfolgreichen<br />

Druckverfahren zur Bildreproduktion mit Halbtönen. Der Text und<br />

Teile der Grafik wurden im Satz formatiert und gleichfalls als gerasterte<br />

Filme weitergereicht.<br />

Die Seitenmontage fügte dann die einzelnen Filmteile gemäss<br />

Kundenauftrag zu einer Seite zusammen. Eine typische Seitengrösse<br />

wie A4 ist wesentlich kleiner als ein üblicher Druckbogen. Der<br />

nächste Schritt bestand <strong>des</strong>halb in der Zusammenfassung von Seitenlayouts<br />

zu einem Druckbogen, der Bogenmontage. In sie flossen<br />

druckereispezifische Aspekte wie die vorgesehene Weiterverarbeitung<br />

ein. Der in der Bogenmontage erstellte Film diente dann<br />

als Kopiervorlage für die Erzeugung der Druckplatte. Der Fortdruck<br />

mit anschliessender Weiterverarbeitung schliesst die Produktionskette<br />

ab. Die Tätigkeiten bis einschliesslich der Druckformerstellung<br />

sind als Druckvorstufe bekannt. Sie wurden traditionell durch<br />

Fachpersonal in eigenständigen Abteilungen oder selbstständigen<br />

Unternehmen wahrgenommen.<br />

Die Veränderungen, die das Desktop Publishing in den 90er Jahren<br />

auslöste, siehe Folie 5 (rechts), bewirkten zwar keine grundsätzliche<br />

Änderungen in der Struktur der Arbeitsabläufe, jedoch wurden


die Zwischenresultate der Produktionskette nun in Form von digitalen<br />

Daten anstatt von Reprofilmen verwaltet. Dadurch wurde der<br />

Einsatz von Filmen immer näher an die Druckformerstellung verschoben<br />

und entfällt heute zunehmend gänzlich. Organisatorisch<br />

hat das die Konsequenz, dass ehemals typische Druckvorstufentätigkeiten<br />

wie z.B. die Layoutgestaltung heute überwiegend durch<br />

externe Personengruppen wie Werbeagenturen oder Autoren wahrgenommen<br />

werden.<br />

Der Gegenstand der Vorlesung sind die Konzepte und Arbeitsabläufe<br />

<strong>des</strong> heutigen Publizierens. Dabei wird die Sichtweise eines Autors<br />

eingenommen. Ihm soll das technische Wissen vermittelt werden,<br />

um als kompetenter Partner im Publikationsprozess auftreten<br />

zu können.<br />

5<br />

✧ Motivation<br />

Vorlesungsplanung<br />

✧ Bildreproduktion: Gestern — Heute — Morgen<br />

➙ historische Entwicklung und gesellschaftliches Umfeld<br />

➙ Desktop Publishing und Workflow<br />

➙ Druckverfahren<br />

✧ Proof und Qualitätskontrolle<br />

✧ Typographie und Schrift<br />

✧ Textformatierung<br />

✧ Computerfonts<br />

✧ Bild und Fotografie<br />

✧ Computergraphik<br />

Literatur<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ J. Böhringer et al., Mediengestaltung, Springer, 2006.<br />

✧ M. Bollwage, Typografie kompakt, Springer, 2005.<br />

✧ M. Fairchild, Color Appearance Models, Wiley 2005.<br />

✧ H. Kipphan, Handbuch der Printmedien, Springer 2001.<br />

✧ PDF Reference, 7 th Edition (Acrobat 9), Adobe 2008.<br />

✧ R. Wilhelm, R. Heckmann, Grundlagen der<br />

Dokumentenverarbeitung, Addison-Wesley 1996.<br />

✧ A. Brüggemann-Klein, Einführung in die<br />

Dokumentenverarbeitung, Teubner 1989.<br />

✧ H. Voss, PSTricks, Lehmanns Fachbuchhandlung, 2006.<br />

✧ H. Kraus, Digitales Fotografieren, Addison-Wesley 1998.<br />

✧ Böhringer, Bühler, Schlaich, Präsentieren, Springer 2007.<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

7<br />

motivation<br />

8<br />

motivation


K a p i t e l<br />

2<br />

Drucken: Gestern, Heute, Morgen<br />

Für die Beschreibung der technischen Prozesse in diesem Kapitel<br />

wurde ein historischer Zugang gewählt. Dies ist naheliegend, da gewisse<br />

Strukturen wie die Unterscheidung zwischen Text- und Bildreproduktion<br />

nicht nur technisch bedingt sind, sondern auch unterschiedliche<br />

Entwicklungsgeschichten aufweisen. Des Weiteren lassen<br />

sich die aktuellen Veränderungen <strong>des</strong> Publizierens nur anhand<br />

der historischen Gründe der gegenwärtigen Situation korrekt beurteilen.<br />

So ist das in der Motivation angesprochene Vordringen<br />

<strong>des</strong> Designs in den Produktionsprozess <strong>des</strong> Druckens lediglich eine<br />

Rückkehr zu vorindustriellen Verhältnissen. Erst die Industrialisierung<br />

<strong>des</strong> Druckens führte zu einer Abtrennung der Gestaltung.<br />

2.1 Entstehen der Schwarzen Kunst<br />

Unter Drucken versteht man die Erzeugung eines Bil<strong>des</strong> durch Anpressen<br />

eines Bedruckstoffes (Papier) an eine eingefärbte Druckform.<br />

Das Konzept ist recht einleuchtend wie man sich anhand eines<br />

Stempels verdeutlichen kann. Obwohl Johannes Gutenberg, 1<br />

(1400 ± 5 – 1468) nicht der Erste war, der mit Metalllettern druckte,<br />

2 gilt er zumin<strong>des</strong>t den Europäern als der Erfinder <strong>des</strong> Buchdrucks<br />

mit beweglichen Metalllettern. Diese Anerkennung basiert<br />

auf Gutenbergs Nachweis, dass das von ihm um 1440 erschaffene<br />

Drucksystem, die ≪nova forma scribendi ≫, den damals in Blüte<br />

stehenden Handschriften ästhetisch gleichwertig und in der Effizienz<br />

überlegen war, d.h. er war derjenige, der dem Buchdruck den<br />

1 siehe Folie 2<br />

2 in Korea wurde diese Technik schon etwa 100 Jahre früher eingesetzt<br />

7<br />

Entstehung der s c h w a r z e n K u n s t<br />

✧ Buchdruck mit beweglichen Metalllettern<br />

➙ Farbe haftet an erhöhten Stellen der Druckform<br />

➙ Bildübertragung durch Anpressen <strong>des</strong> Bedruckstoffes (Papier)<br />

✛ durch ein Gegendruckelement (Tiegel, Rollen)<br />

✧ Prinzip von Johannes Gutenberg (etwa 1440, Mainz)<br />

➙ Systemkonzept: Optimierung bekannter Einzeltechniken<br />

✛ Druckschriftensystem (Typographie, 290 Letter pro Font)<br />

✛ Buchstabenguss (Blei + Antimon + Zink, Handgiessgerät)<br />

✛ Montagesystem der Druckform (Handsatz)<br />

✛ Tiegelpresse (Fläche-Fläche, Adaption einer Weinpresse)<br />

✛ Druckerschwärze aus Wachs, Seife und Kienruss<br />

✛ mehrere Hundert Seiten pro Tag<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

J o h a n n e s G u t e n b e r g 13 9 7 ? – 14 6 8<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

drucken<br />

2<br />

drucken


frühe Pressen<br />

klaus simon<br />

aus den G u t e n b e r g - B i b e l n<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

3<br />

drucken<br />

4<br />

drucken<br />

8<br />

technologischen Durchbruch brachte.<br />

Gutenberg optimierte für sein Druckkonzept verschiedene bekannte<br />

Techniken und fügte sie zu einer neuen Einheit zusammen,<br />

die für Jahrhunderte die vorherrschende Drucktechnik bleiben sollte.<br />

Sein zentraler Verdienst ist das Montagesystem für die Druckform,<br />

die aus einzelnen gegossenen Metallteilen, genannt Lettern<br />

oder Drucktypen, zusammengesetzt wurde. Die Lettern wurden aus<br />

einer Mischung aus Blei, Antimon und Zink mit Hilfe eines speziellen<br />

Handgussgerätes angefertigt. Die leichte Produzierbarkeit der<br />

Lettern war eine entscheidende Voraussetzung für Gutenbergs Erfolg.<br />

Die funktionsgerechte Druckpresse, rechts in Folie 5, war wohl<br />

eine umgebaute Weinpresse. In heutigen Bezeichnungen ist es eine<br />

Tiegelpresse. Sowohl die Druckform als auch das Gegendruckelement<br />

sind flach. Auch dieses Konzept blieb jahrhundertelang unverändert.<br />

Gutenbergs Druckerschwärze bestand aus Wachs, Seife und<br />

Kienruss.<br />

Ein Blick auf Gutenbergs Meisterwerk, die 42zeilige Bibel bzw.<br />

<strong>des</strong> Johannes Evangeliums (Folie 4) offenbart jedoch noch weitere<br />

nichttechnische Aspekte, die in der heutigen industrialisierten Medienwelt<br />

leicht übersehen werden. Gutenberg verstand sein Schaffen<br />

als Kunst, noch heute spricht man von der<br />

S c h w a r z e n K u n s t .<br />

Er wollte nicht einfach einen Text produzieren, sondern er versuchte<br />

die Kalligrafie technisch nachzuahmen indem er pro Schriftart etwa<br />

290 einzelne Lettern anfertigte, d.h. jeder Buchstabe war in mehr<br />

als 10 verschiedenen Formen verfügbar. Das Resultat ist auch heute<br />

noch bemerkenswert. Bis anhin gilt die 42zeilige Bibel als eine<br />

Meisterleistung der Typographie. Der damit verbundene Aufwand<br />

war seinerzeit selbstverständlich, denn Bücher waren Luxusobjekte,<br />

die nur dann konkurrenzfähig waren, wenn sie die ästhetischen<br />

Erwartungen erfüllten oder übertrafen. So erklären sich auch die<br />

farbigen Initialen und Verzierungen, die nachträglich von Illuminatoren<br />

bzw. Rubrikatoren hinzugefügt wurden.


Die bereits vor Gutenberg praktizierte Trennung in Textsatz<br />

und Bildreproduktion ist bis heute in den Arbeitsabläufen der grafischen<br />

Industrie verankert. Der künstlerische Anspruch <strong>des</strong> Druckgewerbes<br />

hat erst in der Industrialisierung der Drucktechnik gelitten<br />

und erlebt erst heute durch die zunehmende Bedeutung <strong>des</strong><br />

Kommunikations<strong>des</strong>igns im Produktionsprozess ein spätes Comeback.<br />

2.2 Industrialisierung <strong>des</strong> Druckens<br />

Gutenbergs Druckkonzept blieb für etwa 350 Jahre mehr oder weniger<br />

unverändert. Erst die um 1800 spürbar werdende Industrialisierung<br />

führte zu einem anderen Druckverständnis. Zunächst war<br />

der Druck nur in Form von graduellen technischen Innovationen an<br />

diesem Prozess beteiligt. Typisch ist etwa die Columbia-Presse von<br />

1817, die mit ihrer gusseisernen Konstruktion mit Kniehebelmechanik<br />

höhere Druckkräfte übertragen konnte, siehe Folie 5. Mit der zunehmenden<br />

Etablierung der Industriegesellschaft als Zivilisationsform<br />

wurde er jedoch mehr und mehr durch seine gesellschaftliche<br />

Funktion geprägt. Offensichtliche Beispiele für die wechselseitige<br />

Abhängigkeit von Industriegesellschaft und Druck sind das Entstehen<br />

der Massenpresse, der Werbung und <strong>des</strong> Verpackungsdrucks.<br />

Die Signifikanz dieser Verbindung kann man an der ökonomischen<br />

Bedeutung der Druckindustrie ablesen. In westlich orientierten Gesellschaften<br />

beträgt der Beitrag <strong>des</strong> Drucks zum Bruttosozialprodukt<br />

etwa 6 – 7 %.<br />

2.2.1 Papiererzeugung<br />

Eine Voraussetzung der Industrialisierung <strong>des</strong> Drucks war eine<br />

verbesserte Papierproduktion. Unter Papier versteht man dünne<br />

Schichten aus verfilzten Pflanzenfasern, insbesondere als Schreibunterlage<br />

oder Bedruckstoff. Die von Natur aus relativ raue Oberfläche<br />

wird heutzutage im professionellen Bereich oftmals mit Kreide<br />

9<br />

✧ handwerkliche Erzeugung<br />

Handpressen<br />

◭ Gutenberg-Presse<br />

Nachbau<br />

➙ bis Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

Columbia-Presse ◮<br />

1817, Gusseisen<br />

Kniehebelmechanik<br />

➙ aus Bast, Hanf, Lumpen (Hadern)<br />

✧ 1799 Langsiebmaschine, Robert<br />

✧ Rohstoffverknappung d. Industrialisier.<br />

➙ Holz wird neues Grundmaterial<br />

✧ 1844 Holzschliff (Holzbrei)<br />

✧ ab 1850: Papier aus Zellstoff<br />

➙ chem. Aufspaltung der Holzfasern<br />

✛ Sulfatzellstoff (mit Natron, 85 %)<br />

✛ Sulfitzellstoff (höherwertiger)<br />

klaus simon<br />

Papierherstellung<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

5<br />

drucken<br />

6<br />

drucken


moderne Langsiebmaschine (Voith)<br />

klaus simon<br />

Industrialisierung <strong>des</strong> Druckens<br />

✧ Tiegelpressen: Fläche/Fläche-Prinzip<br />

➙ um 1800 Ganzmetallkonstruktionen<br />

➙ um 1850 neue Konzepte aus den USA<br />

✛ Tiegel und Fundament vertikal<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✛ integrierte Einfärbung der Druckform (von Schnellpresse)<br />

➙ 1914 automatisierte Papierzuführung (Gilke)<br />

✛ Patentübernahme durch Heidelberg (Heidelberger Tiegel)<br />

✧ 1811/12 Erfindung Schnellpresse: Fläche/Zylinder-Prinzip<br />

➙ Maschinendruck steigert Effizienz<br />

➙ integrierte Farbzuführung<br />

✧ 1859 Rotationsdruckmaschine: Zylinder/Zylinder-Prinzip<br />

➙ mit halbrunden Stereotypienplatten<br />

➙ 1866 erste Zeitungsrotationsmaschinen<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

7<br />

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8<br />

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10<br />

oder Kaolin beschichtet. Diese gestrichenen Papiere sind dann sehr<br />

glatt und weiss.<br />

Die Erfindung <strong>des</strong> Papiers erfolgte vor etwa 2000 Jahren in China.<br />

Dem kaiserlichen Hofbeamten Tsai Lun wird insbesondere für 105<br />

n.Chr. die Erfindung <strong>des</strong> Schöpfsiebes zugerechnet. Um 600 n.Chr.<br />

gelangte die Kenntnis der Papierherstellung dann nach Arabien<br />

und Japan, Europa folgte im 12. Jahrhundert. Die erste deutsche<br />

Papiermühle mit handwerklicher Produktion war die Gleismühle,<br />

die 1390 in Nürnberg errichtet wurde.<br />

Die Industrialisierung der Papierherstellung begann mit der<br />

Langsiebpapiermaschine <strong>des</strong> französischen Mechanikers Nicolas<br />

Louis Robert (1761 – 1828) im Jahre 1799. Auf ihrem rotierenden<br />

Drahtsieb konnten Papierlängen bis zu einer Länge von 15 m<br />

erreicht werden. Ein Problem war jedoch das Grundmaterial. In historischen<br />

Zeiten verwendete man Bast, Baumrinde, Hanf, Stroh<br />

und vor allem Lumpen, auch Hadern genannt. Der Bedarf an hochwertigem<br />

Papier wuchs jedoch schnell, in Deutschland von 1840 bis<br />

1850 von 20’000 auf 50’000 Tonnen pro Jahr, für die man etwa 1 Million<br />

Zentner Lumpen benötigte. In Folge <strong>des</strong>sen wurden Lumpen zu<br />

einem Rohstoff, um den international konkurriert wurde. Vor diesem<br />

Hintergrund ist es selbstverständlich, dass sich die Aufmerksamkeit<br />

der Papierproduzenten dem mengenmässig bedeutendsten<br />

Naturprodukt zuwandte, dem Holz.<br />

Holz ist zur Papierherstellung nicht ohne weiteres verwendbar,<br />

sondern muss mechanisch und /oder chemisch aufbereitet werden.<br />

Ein naheliegen<strong>des</strong> Konzept war der Holzschliff, die mechanische<br />

Zerreibung von Holz zu einem Faserbrei. Ein funktionstüchtiges<br />

Konzept stellte 1844 der Sachse Friedrich Gottlob Keller (1816<br />

– 1895) vor. Der Holzschliff konnte einen Teil der eingesetzten<br />

Lumpen substituieren, speziell bei anspruchslosen Papiersorten wie<br />

Pappe. Den industriellen Durchbruch erlebte das Konzept allerdings<br />

erst auf der Weltausstellung 1867, als das Heidenheimer Unternehmen<br />

J. M. Voith leistungsfähige Schleifmaschinen präsentierte.<br />

Holz besteht zu einem relativen hohen Anteil aus dem Faser-


kitt Lignin, einem phenolischem Makromolekül, das im eigentlichen<br />

Sinne für die Verholzung von Pflanzenzellen verantwortlich ist. Da<br />

man in der Papierherstellung an dem reinen Fasermaterial interessiert<br />

ist, war es nahe liegend, das Lignin auf chemischem Wege<br />

zu entfernen. Der resultierende Zellstoff hat gegenüber Holzschliff<br />

einen höheren Anteil von Fasern, die zudem länger und geschmeidiger<br />

sind sowie einen höheren Weissgrad besitzen.<br />

Die Engländer Charles Watt und Hugh Burgess erhielten 1853<br />

ein Patent auf die Erzeugung von Natronzellstoff (Sulfatzellstoff ).<br />

Dabei werden Holzschnitzel mehrere Stunden in Natronlauge gekocht.<br />

Etwa 85 % <strong>des</strong> heute weltweit erzeugten Zellstoffes ist Natronzellstoff.<br />

Der restliche Anteil ist Sulfitzellstoff, der als qualitativ<br />

höherwertig gilt. Bei seiner Herstellung wird das Natron durch Säure<br />

ersetzt. Dieses Verfahren wurde um 1865 unabhängig in Schweden,<br />

Deutschland (Alexander und Richard Mitscherlich) und<br />

den USA (Benjamin Chew Tilghman) entwickelt. Trotz der mit<br />

der Zellstoffgewinnung verbundenen Umweltbelastung wuchs die<br />

Papiererzeugung schnell zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig<br />

heran. So betrug um 1900 die deutsche Papierproduktion bereits<br />

674’000 Tonnen, bei stark steigender Tendenz.<br />

2.2.2 Weiterentwicklung der Druckmaschinen<br />

Aus heutiger Sicht ordnet man dem 19. Jahrhundert vor allem die<br />

Entwicklung der dampfbetriebenen Rotationsdruckmaschinen zu,<br />

welche eng mit den Bedürfnissen <strong>des</strong> Zeitungswesens verbunden<br />

sind. Im Buch- oder Akzidenzdruck hat die klassische Tiegelpresse,<br />

Fundament und Gegendruckelement (Tiegel) sind Planflächen, jedoch<br />

bis weit ins 20. Jahrhundert ihre Vormachtstellung behaupten<br />

können. Das Konzept wurde dabei zwar gewahrt, aber an die industriellen<br />

Anforderungen angepasst. Die Industrialisierung brachte<br />

zunächst einmal eine höhere Verfügbarkeit von Stahl, die seit etwa<br />

1800 einen sichtbaren Einfluss auf die Konstruktion handbetriebener<br />

Tiegelpressen ausübte. Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts wurden<br />

diese Handdruckpressen in den USA zu automatischen Druck-<br />

11<br />

H e i d e l b e r g e r T i e g e l 1914 –1984<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

F r i e d r i c h K o e n i g ( 17 74 – 18 3 3 )<br />

erste Zylinderdruckmaschine 1812<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

9<br />

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10<br />

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Schnellpresse L o n d o n T i m e s (1814)<br />

klaus simon<br />

halbrunde Stereoplatte<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

11<br />

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12<br />

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12<br />

maschinen weiterentwickelt. Den Systemen Gordon, Liberty, Boston,<br />

und Gally war gemeinsam, dass das Fundament und Tiegel<br />

vertikal angeordnet waren. Funktionell zeichneten sie sich durch eine<br />

höhere Druckleistung, eine kompaktere Bauart sowie einer integrierten<br />

Farbzuführung aus, welche aus dem Schnellpressendruck<br />

übernommen wurde.<br />

Der letzte entscheidende Durchbruch, der automatische Papierbogenanleger,<br />

gelang 1913 dem Kölner Buchdrucker Gilke, der das<br />

Patent für seinen Propellergreifer umgehend der heutigen Heidelberger<br />

Druckmaschinen AG überliess. Nicht zuletzt diese Neuerung<br />

machte den Original Heidelberger Tiegel, der zwischen 1914<br />

und 1984 160’000 mal produziert wurde, zur erfolgreichsten Buchdruckmaschine<br />

der Welt.<br />

Die heute vorherrschende Drucktechnik ist der Rollenoffset. Das<br />

Attribut Rollen steht dabei für das Druckprinzip mit Zylindern als<br />

Fundament und Gegendruckelement. Die Anfänge dieser Technik<br />

gehen zurück auf Friedrich Koenig (1774 – 1833), der 1811 /12<br />

eine dampfbetriebene Druckmaschine nach dem Fläche-Zylinder-<br />

Prinzip entwickelte. Der Zylinder diente als Gegendruckelement.<br />

Da der erste prominente Kunde und Geldgeber, John Walter, der<br />

Verleger der Londoner Times, vor allem Wert auf die Druckgeschwindigkeit<br />

legte, wurde das Konzept als Schnellpresse bekannt.<br />

Ausser einer höheren Druckleistung verfügte die Maschine über<br />

eine integrierte Farbzuführung und eine verbesserte Papierzuführung.<br />

Mit ihr war es möglich, die Times in einigen Stunden zu produzieren.<br />

Die von Friedrich Koenig im Anschluss gegründete Unternehmung<br />

Koenig & Bauer im Kloster Oberzell bei Würzburg<br />

existiert bis heute und gilt als die Wiege <strong>des</strong> internationalen Druckmaschinenbaus.<br />

Die nächste konsequente Verbesserung <strong>des</strong> Druckkonzepts war<br />

die gänzliche Abkehr von der Flachform, d.h. nicht nur das Gegendruckelement<br />

zylinderförmig zu gestalten, sondern auch das Fundament.<br />

Die entscheidende Voraussetzung war dazu die Verfügbarkeit<br />

von gleichfalls zylinderförmigen Druckformen. Die im Rahmen <strong>des</strong><br />

Bleisatzes offensichtliche Lösung war die Verwendung von keilför-


migen Typen, die zu einer Rundform zusammengesetzt werden. Obwohl<br />

dem Engländer William Nicholson bereits 1790 ein entsprechen<strong>des</strong><br />

Patent erteilt worden war, 3 gelang die Verwirklichung der<br />

Keiltypenrotation erst 1846 durch Sir Rowland Hill. 4 In der Folgezeit<br />

wurden verschiedene Rotationsdruckmaschinen entwickelt,<br />

erwähnt seien Applegath (1846, im Auftrag der Times), R. Hoe<br />

(1846) und Hippolythe Marinoni (1847, Schön- und Widerdruck<br />

in einem Arbeitsgang). Das Problem dieser Maschinen war, dass die<br />

keilförmigen Typen zwar die Lösbarkeit <strong>des</strong> Satzproblemes nachgewiesen<br />

hatten, praktisch aber keine überzeugende Lösung waren.<br />

Die Suche nach effizient herstellbaren runden Druckformen führte<br />

zur Stereotypie. Mit dem Erfolg <strong>des</strong> Buchdrucks in den vorangegangenen<br />

Jahrhunderten hatte sich auch ein Bedarf an praktikablen<br />

Nachdruckverfahren ergeben. Dabei hatte sich zur Abformung<br />

von Schrift- und Bildelementen die Gussplattenkopie bewährt.<br />

Insbesondere der Edinburgher Goldschmied William Ged<br />

(1690 – 1747) hatte vorgeschlagen, die gesetzte Druckform in Gips<br />

zu drücken und das so gewonnene Negativ mit Blei auszugiessen.<br />

Diese Art der Druckplattenerzeugung erhielt später von dem Pariser<br />

Schriftgiesser Firmin Didot 5 den Namen Stereotypie. Die<br />

Gipsstereotypie wurde dann Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts weiterentwickelt.<br />

Das Rundbiegen einer Stereoplatte war eine technisch offensichtliche<br />

Lösung für Rotationsdruckmaschinen.<br />

Im Auftrag <strong>des</strong> New York Herald entwickelte Charles Craske<br />

1854 halbrunde Stereotypieplatten. Eine darauf abgestimmte<br />

Rotationsdruckmaschine wurde 1859 von dem Erfinder William H.<br />

Bullock vorgestellt. Sein Maschinenkonzept erwies sich in der Folge<br />

als wegweisend. Aber auch die Times experimentierte seit 1856<br />

mit dieser Technik und beauftragte 1866 J. Calverley mit dem Bau<br />

einer entsprechenden Zeitungsrotationsmaschine.<br />

Dem innovativen Konzept dieser Maschine folgten schnell auch<br />

3 seine Druckmaschine wurde ocenbar nie gebaut<br />

4 Sein Patent datiert auf das Jahr 1835, eine entsprechende Maschine wurde<br />

aber erst 11 Jahre später fertig gestellt.<br />

5 der unter Napoleon die Kaiserliche Schriftgiesserei leitete<br />

13<br />

Zeitungsrotationsmaschine M A N 1873<br />

klaus simon<br />

Mechanisierung der Schreib- und Satztechnik<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Handsatz nach Gutenberg wird zum Engpass der Presse<br />

✧ 1867 – 72 erste funktionierende Schreibmaschinen<br />

➙ Christopher Latham Sholes (1819 – 1890) und Partner<br />

➙ 1873 Serienreife bei Remington, Durchbruch 1880 – 1890<br />

✧ 1886 Ottmar Mergenthaler: Linotype (bis 1970)<br />

➙ Durchbruch der Mechanisierung <strong>des</strong> Bleisatzes<br />

➙ Tastatureingabe stellt Gussform zusammen<br />

✛ Adaption der Schreibmaschine<br />

➙ automatischer Guss einer Textzeile<br />

✧ 1897 Tolbert Lanston (1844 – 1913): Monotype<br />

➙ Tastatureingabe erzeugt Lochstreifen<br />

➙ Lochstreifen steuert Typengiessmaschine<br />

➙ hohe Qualität und Funktionalität<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

13<br />

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14<br />

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Bleisatz: Drucktypen und Winkelhacken<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

C . L . S h o l e s ( 1819 – 18 9 0 ) mit Tochter<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

15<br />

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16<br />

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14<br />

die deutschen Konkurrenten mit Eigenentwicklungen, so MAN Roland<br />

1873 und Koenig & Bauer 1875. Mit diesen neuen Maschinen<br />

waren die technischen Voraussetzungen für die Massenpresse endgültig<br />

gegeben.<br />

2.2.3 Mechanisierung der Schreib- und Satztechnik<br />

Durch die Fortschritte der Druckmaschinen hatte sich ein neuer<br />

Engpass in der Druckproduktion herausgebildet, die Satztechnik.<br />

Trotz intensiven Bemühungen hatte sich der seit Gutenbergs Zeiten<br />

im Wesentlichen unveränderte Handsatz der Mechanisierung<br />

verweigert. Der Handsatz war eine mühselige Angelegenheit, zunächst<br />

mussten die Typen in Winkelhaken 6 aufgereiht werden. Es<br />

folgten das Ausschliessen, das Einfüllen von Trennstreifen (Spatien)<br />

zum Zwecke <strong>des</strong> Randausgleiches, und das Einpassen der Zeile<br />

in die Druckform. Nach dem Druck mussten die Lettern wieder in<br />

die Setzkästen eingeordnet werden. Die Konsequenz der misslungenen<br />

Rationalisierung der Satztechnik war ein Beschäftigungsverhältnis<br />

von 1 : 6 zwischen Druckern und Schriftsetzern. Insbesondere<br />

im Zeitungsbereich wurde die Situation Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

als so dringlich empfunden, dass man mit Wettbewerben und<br />

Preisausschreibungen das Interesse der Erfinder auf dieses Problem<br />

zu lenken versuchte.<br />

Die entscheidende Innovation, die schliesslich zur Mechanisierung<br />

der Satztechnik führte, erfolgte jedoch nicht in der Druckbranche,<br />

sondern in der Bürokommunikation, nämlich die Entwicklung<br />

einer funktionsfähigen Schreibmaschine. Die in der Industrialisierung<br />

entstandenen Grossunternehmen waren hierarchisch strukturiert<br />

und in viele Teilbereiche gegliedert. Die Kommunikation erfolgte<br />

primär schriftlich und wurde in Akten dokumentiert und somit<br />

wurde in der Büroorganisation die Entwicklung einer effizienten<br />

Schreibmaschine in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

dringlich.<br />

6 siehe Folie 15


Das Thema Schreibmaschine war allerdings in Erfinderkreisen<br />

nicht neu, ganz im Gegenteil, es wurde seit Jahrzehnten intensiv bearbeitet<br />

und diskutiert. So regte 1867 ein einschlägiger Artikel im<br />

Scientific American den amerikanischen Zollangestellten Christopher<br />

Latham Sholes (1819 – 1890) an, sich mit dem Thema<br />

auseinander zu setzen. In den Jahren 1867 – 1872 baute Sholes mit<br />

einer Gruppe von Gleichgesinnten etwa 25 – 30 Modelle, von denen<br />

die <strong>letzten</strong> durchaus über die Attribute moderner Schreibmaschinen<br />

verfügten. Sholes und seine Geldgeber benötigten jedoch noch<br />

einen potenten Industriepartner, der ihren Prototypen zur Serienreife<br />

verhalf und das Marketing übernahm.<br />

Sie fanden ihn in der Waffenfabrik Remington, die nach dem Ende<br />

<strong>des</strong> amerikanischen Bürgerkrieges eine Diversifizierungsstrategie<br />

verfolgte. Remington optimierte das Maschinenkonzept, übernahm<br />

die Produktion und im Laufe der 70er Jahre auch den Vertrieb.<br />

Auf Grund <strong>des</strong> hohen Preises von 125 $ und einer noch nicht<br />

völlig ausgereiften Technik startete der Absatz eher bescheiden.<br />

Der Durchbruch geschah dann in den 80er Jahren. Zwischen 1880<br />

und 1890 stieg der Absatz von 700 auf 65’000 Maschinen pro Jahr,<br />

und in den folgenden Jahren explodierte der Markt. Schnell wurde<br />

die Schreibmaschine zur Ikone der modernen Büroorganisation<br />

mit dem für den Schriftsatz angenehmen Nebeneffekt, dass handgeschriebene<br />

Manuskriptvorlagen rasch der Vergangenheit angehörten.<br />

Eine Schreibmaschine und eine Schriftsatzmaschine haben eine<br />

ähnliche Funktion, und die Fortschritte bei der Schreibmaschine<br />

blieben <strong>des</strong>halb vom Schriftsatz nicht lange unbemerkt. In den<br />

Jahren 1876/77 machten einschlägig Interessierte den jungen deutschen<br />

Feinmechaniker Ottmar Mergenthaler (1854 – 1899) mit<br />

dem Problem <strong>des</strong> Setzens bekannt, indem sie ihn mit dem Bau einer<br />

Schreibmaschinenadaption für Stereotypieanwendungen beauftragten.<br />

Mergenthaler war als Achtzehnjähriger in die USA immigriert<br />

und arbeitete nun in einer Werkstatt, die unter anderem<br />

Prototypen anfertigte, die nach amerikanischem Recht für eine Patentanmeldung<br />

notwendig waren. 1883 machte er sich in Baltimore<br />

15<br />

Remington-Schreibmaschinen 1880 und 1897<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

O . M e r g e n t h a l e r (1854 – 99) und L i n o t y p e<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

17<br />

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18<br />

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M o n o t y p e<br />

klaus simon<br />

Druck wird Massenmedium<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ überregionale Märkte erfordern Massenkommunikation<br />

✧ primäre Nachfrage für Druckerzeugnisse<br />

➙ Träger von Wissen, Bildung und Unterhaltung<br />

✛ allgemeine Schulpflicht, Technische Hochschulen, ETH 1855<br />

➙ Öffentlichkeit als staatliches Organisationsprinzip<br />

✛ Informations- und Meinungsmarkt (politische Partizipation)<br />

➣ Presse, Pressezensur, Medienkratie<br />

➙ Werbung wird grösster Druckmarkt<br />

✛ Anzeigen, Kommunikations<strong>des</strong>ign, Verpackungen<br />

✧ neue Berufsbilder und Organsisationsformen<br />

➙ Journalisten, Fotografen, Designer<br />

➙ Bürokommunikation, Marketing, Vertrieb<br />

➙ Tendenz: Arbeitsteilige Organisation<br />

✧ Medienkonzerne nicht auf den Druck beschränkt<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

19<br />

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20<br />

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16<br />

selbständig und stellte im Folgejahr einen Prototyp einer neuen revolutionären<br />

Setzmaschine vor.<br />

Die Eingabe erfolgte wie bei einer Schreibmaschine über eine<br />

Tastatur. Damit stellte man aus einer Menge von Matrizen die<br />

Gussform einer Zeile zusammen. Die Zeile selbst wurde dann mit<br />

Blei ausgegossen. Noch im selben Jahr wurde die National Typography<br />

Company gegründet, welche am 3. Juli 1886 bei der New<br />

York Tribune die erste Blower-Maschine in Betrieb nahm. Mergenthaler<br />

gründete 1886 die Mergenthaler Printing Co., die<br />

sich 1890 mit der National Typography Co. zur Mergenthaler<br />

Linotype Co. verband. Mit diversen Verbesserungen, insbesondere<br />

der Integration eines fremden Patentes zum automatischen Randausgleich,<br />

erreichte Mergenthalers Technik 1889 mit der Linotype<br />

Simplex ihre endgültige Gestalt, die fast ein Jahrhundert<br />

mehr oder weniger unverändert bestand. Eine Effizienzsteigerung<br />

um den Faktor 5 gegenüber dem Handsatz sicherte der Linotype<br />

eine explosionsartige Verbreitung. Bemerkenswert ist, dass das rasante<br />

Branchenwachstum die Rationalisierungseffekte vollständig<br />

kompensierte und die Gesamtzahl der beschäftigten Schriftsetzer<br />

sogar noch anstieg. So verzehnfachte sich etwa die Auflage amerikanischer<br />

Zeitungen von 3.6 Millionen auf 33 Millionen pro Tag.<br />

Eine von der Linotype unabhängige Entwicklung führte zur Monotype.<br />

Der Name deutet daraufhin, dass hier jeder Letter einzeln<br />

gegossen wurde. Die Maschine wurde von dem Juristen und Erfinder<br />

Tolbert Lanston (1844 – 1913) in einem langjährigen Verbesserungsprozess<br />

entwickelt und seit 1897 in Serie gebaut. Interessant<br />

ist die Trennung von Satz und Giessvorgang. Die Ausgabe<br />

der Satzmaschine ist ein Lochstreifen, der dann die Steuerung der<br />

Giessmaschine übernimmt. Dies erlaubt, unter anderem, Korrekturen<br />

am Lochstreifen vorzunehmen oder Teile <strong>des</strong>selben zu ersetzen.<br />

Während die Linotype vor allem im Zeitungssatz Verbreitung fand,<br />

wurde die Monotype bei Zeitschriften und Büchern mit ihrer höheren<br />

Funktionalität bzw. Qualität bevorzugt. Die Monotype erreichte<br />

aber nur etwa 20 % <strong>des</strong> Absatzes der Linotype.


2.3 Druck wird Massenmedium<br />

Eisenbahn und Telegraphie, die beiden spektakulärsten Errungenschaften<br />

der ersten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts, schufen neue überregionale<br />

Märkte, sowohl für Waren als auch für Informationen,<br />

Meinungen oder Politik. Um diese Märkte bedienen zu können, benötigte<br />

man neue Arten der Kommunikation, eben eine Massenkommunikation.<br />

Durch die enormen Rationalisierungen der Drucktechnik waren<br />

Druckerzeugnisse ausreichend billig geworden, um diese Aufgabe<br />

zu erfüllen. Man denke etwa an das Entstehen <strong>des</strong> Versandhandels<br />

per Katalog. Die Druckindustrie wurde zum ersten Massenmedium,<br />

wobei Medien als Kommunikationsmittel zur Verbreitung<br />

von Wissen durch Zeichen, Bilder, Druck, Film, TV usw. an ein<br />

grösseres Publikum verstanden werden. Bezüglich der Tendenzen<br />

zum Unternehmenswachstums bzw. zur -organisation unterschieden<br />

sich die Druckunternehmen nicht vom restlichen Marktgeschehen,<br />

d.h. auch die Druckindustrie wurde bald von Grossunternehmen<br />

wie Pressekonzernen und überregionalen Verlagshäusern dominiert.<br />

Das Selbstverständnis dieser Druckunternehmungen als<br />

Medienkonzerne erlaubte ihnen später die zwangslose Integration<br />

anderer Medien wie Film oder TV.<br />

Die erste offensichtliche Ursache für die wachsende Nachfrage<br />

nach Druckerzeugnissen im 19. Jahrhundert war die Funktion <strong>des</strong><br />

Drucks als Träger von Wissen, Bildung und Kommunikation. Die<br />

allgemeine Schulpflicht hatte die Nachfrage nach Literatur erhöht<br />

und das Zielpublikum erweitert. Die technische Entwicklung stützte<br />

sich auf die Fachkompetenz der Facharbeiter, Techniker und Ingenieure.<br />

Technische Universitäten wurden eingerichtet, um die industrielle<br />

Nachfrage zu decken. 7 Noch heute sind Lehrbücher ein gewichtiger<br />

Teil <strong>des</strong> Buchmarktes. Dazu kam ein allgemeines Interesse<br />

an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, wie es sich beispielsweise<br />

in einem Konversationslexikon ausdrückte. Ein solches enthielt das<br />

7 die ETH, siehe Folie 21 (unten), wurde 1855 gegründet<br />

17<br />

Bildung und Wissenschaft<br />

Öffentlichkeit<br />

klaus simon<br />

klaus simon<br />

ETH seit 1855<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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21<br />

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22<br />

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D a i l y T e l e g r a p h O f f i c e 1 8 8 2 ( F l e e t S t r e e t )<br />

klaus simon<br />

Litfaßsäule, seit 1855 in Berlin<br />

klaus simon<br />

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24<br />

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18<br />

Wissen, das der Bildungsbürger für eine angeregte Salonunterhaltung<br />

benötigte.<br />

Die Presse verdankt ihre Entstehung dem Organisationsprinzip<br />

moderner Staaten, nämlich der Öffentlichkeit. Die zunehmende Partizipation<br />

<strong>des</strong> Bürgers an der Politik verlangte nach einer permanenten,<br />

aktuellen, billigen und umfassenden Information über das<br />

politische bzw. gesellschaftliche Geschehen.<br />

Die Bedeutung <strong>des</strong> Öffentlichkeitsprinzips sieht man z.B. daran,<br />

dass deutsche Gesetze erst durch Veröffentlichung, sprich durch<br />

den Abdruck im Bun<strong>des</strong>anzeiger, Gültigkeit erlangen. Die gesellschaftliche<br />

Relevanz der Presse kann man an den staatlichen Versuchen<br />

abzählen, sie zu kontrollieren. Begriffe wie Pressezensur,<br />

Propaganda, Medienkratie oder Pressefreiheit beleuchten die gesellschaftliche<br />

Funktion der Presse.<br />

Das dritte und wichtigste neue Betätigungsfeld war die Werbung.<br />

Überregional vertriebene Produkte müssen dem potentiellen Kunden<br />

bekannt gemacht werden. So stiegen etwa die Werbeausgaben<br />

in den USA zwischen 1867 bis 1916 /1917 von 50 Millionen Dollar<br />

auf 1.5 Milliarden Dollar. Heute sind mehr als 60 % aller Drucksachen<br />

direkt oder indirekt mit Werbung verbunden.<br />

Die Industrialisierung brachte neue Berufsbilder und Organisationsformen<br />

hervor, die bis heute erhalten geblieben sind. So erfüllt<br />

ein Journalist offenbar die Bedürfnisse der Presse und ein Graphik-<br />

Designer diejenigen der Werbung. Bezüglich der Organisationsformen<br />

ist besonders die Bürokommunikation zu erwähnen. In gewissem<br />

Sinne kann sie als kleine Massenkommunikation verstanden<br />

werden. Es wundert denn auch nicht, dass die technischen Entwicklungen<br />

der Bürokommunikation, wie z.B. die Schreibmaschine, siehe<br />

Abschnitt 2.2.3, einen Einfluss auf entsprechende Drucktechniken<br />

ausübten. Bemerkenswerterweise erleben wir heutzutage mit<br />

dem Desktop Publishing eine ganz analoge Entwicklung.


2.4 Entwicklung der Bildreproduktion<br />

Im vorangegangenen Abschnitt haben wir die Mutation eines<br />

Kunsthandwerks zum industriellen Massenmedium skizziert. Dabei<br />

haben wir uns im Wesentlichen auf die Verbreitung von Schrift<br />

konzentriert. Unser eigentliches Thema, die Bildreproduktion, haben<br />

wir also bisher ausgeklammert. Dies hat sowohl funktionale als<br />

auch historische Gründe.<br />

Obwohl Bilddarstellungen bereits seit Gutenberg als Holzschnitt<br />

oder Kupferstich im Buchdruck präsent waren, nahm die<br />

Entwicklung der Schriftreproduktion und die Bildwiedergabe gerade<br />

im 19. Jahrhundert doch sehr verschiedene Wege. Die Schriftreproduktionstechnik<br />

war primär ein Optimierungsprozess der vorhandenen<br />

Technik, ausgerichtet auf das gesellschaftliche Bedürfnis<br />

von schnell verfügbarer, billiger Information. Man beachte, dass der<br />

Buchdruck bis in die 60er Jahre <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts die vorherrschende<br />

Drucktechnik blieb. Dagegen war die Bildreproduktion im<br />

19. Jahrhundert durch die Entdeckung neuer innovativer Techniken<br />

geprägt, speziell von der Entwicklung <strong>des</strong> Steindrucks und der<br />

Fotografie.<br />

Ihr Durchbruch zum Massenmedium erfolgte zwischen 1880 –<br />

1890 durch die Integration der fotomechanischen Bildwiedergabe in<br />

den Buchdruck, bekannt als Halftoning. Im 20. Jahrhundert richtete<br />

sich die Drucktechnik dann zunehmend an der Bildreproduktion<br />

aus. Seit etwa 1970 ist der Offsetdruck, hervorgegangen aus dem<br />

Steindruck, die dominante Drucktechnik. Parallel dazu erlebte der<br />

Fotosatz seinen Aufstieg, mit der Konsequenz, dass eine aus Sicht<br />

der Drucktechnik eigenständige Schriftreproduktion entfiel, d.h. gedruckt<br />

wurden nur noch Bilder. Auch die Digitalisierung der Drucktechnik<br />

hat an diesem Zustand nichts geändert.<br />

2.4.1 Holzschnitte und Kupferstiche<br />

Eine der Veränderungen, die das ausklingende europäische Mittelalter<br />

kennzeichneten, war das zunehmende Interesse an Bildung.<br />

19<br />

Werbung<br />

Holzschnitte<br />

klaus simon<br />

✧ entstehender Büchermarkt im Spätmittelalter<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ Universitäten: Salerno 1050, Bologna 1119, Paris 1150<br />

➙ öffentliche Schulen in Städten um 1400<br />

➙ Stadtbibliotheken: Nürnberg 1429, Regensburg 1430, Ulm 1439<br />

✧ Trennung von Text und Bild<br />

➙ Zünfte für Scriptoren (Schreiber) u. Illuminatoren (Graphiker)<br />

✧ Illustrationen für Analphabeten (Massenmarkt)<br />

✧ Holzschnitte: erhabene Druckformen aus Hartholz<br />

➙ Produktion von Spielkarten, nach 1377<br />

➙ Einzelblattdrucke ab 1418 nachgewiesen<br />

➙ neue Kunstform durch Integration in Buchdruck<br />

➙ technische Beschränkungen (keine Halbtöne)<br />

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technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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Kartenspiele (15. Jahrhundert)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Buxheimer Christopherus und Biblia Pauperum<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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20<br />

Dies äusserte sich zunächst in der Gründung von Universitäten (Salerno<br />

1050, Bologna 1119, Paris 1150). Ab etwa 1400 entstanden in<br />

den deutschen Städten auch öffentliche Schulen. Das Interesse an<br />

Bildung führte zum Entstehen eines Buchmarktes.<br />

Aus Bologna sind beispielsweise Gesetze aus dem Jahre 1259<br />

bekannt, die sich auf das Verleihen und Vervielfältigen von juristischen<br />

Handschriften beziehen. Aus juristischen Handbüchern<br />

der Städte entwickelten sich dann die Stadtbibliotheken (Nürnberg<br />

1429, Regensburg 1430, Ulm 1439).<br />

Die steigende Nachfrage nach Büchern wurde in Zünften befriedigt,<br />

die sich auf die gewerbliche Herstellung von Handschriften<br />

spezialisierten. Äusserst aufschlussreich ist die Unterscheidung<br />

zwischen Scriptoren (Schreibern) und Illuminatoren (Graphikern),<br />

so beispielsweise in den Gründungsurkunden der Libraries Gilden<br />

1454 in Gent und Brügge dokumentiert. Dies zeigt, dass die<br />

vorgängig angesprochene Trennung von Schrift und Bildreproduktionstechniken<br />

auf mittelalterliche Traditionen zurückgeht, und zur<br />

Zeit <strong>des</strong> aufkeimenden Buchdrucks bereits voll etabliert war. Die<br />

Trennung hatte in<strong>des</strong>sen nicht nur produktionstechnische Gründe.<br />

Zumin<strong>des</strong>t teilweise hatte man verschiedene Zielgruppen. Die<br />

weitaus überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bestand nämlich<br />

aus Analphabeten. Aber zum Verständnis von Bildern musste man<br />

nicht der Schrift kundig sein und das Sprichwort behauptet sowieso:<br />

≪Ein Bild sagt mehr als tausend Worte ≫.<br />

In Folge <strong>des</strong>sen existierte für Bilddarstellungen ein separater<br />

Teilmarkt, zunächst für Einzelbilder, später auch für Bilderbücher<br />

(Blockbücher). Typisch hierfür waren christliche Motive, wobei Texten<br />

allenfalls eine Hilfsfunktion zukam. Genau wie bei der Schriftreproduktion<br />

versuchte man auch im Bereich der Illustration die<br />

wachsende Nachfrage durch Optimierung der Arbeitstechniken, hin<br />

zu einer mechanischen Vervielfältigung, zu befriedigen.<br />

Die erste Technik, die sich im Kontext der gewerblichen Buchproduktion<br />

durchsetzen konnte, war der Holzschnitt. Hierbei wird<br />

eine Druckform aus Hartholz eingefärbt, mit Papier bedeckt und<br />

dann mit einem Falzbein abgerieben. Die Druckform ist wie beim


Bleisatz erhaben, d.h. die nicht druckenden Teile wurden mit einem<br />

Grabstichel ausgehoben. Der Holzschnitt kam als eine offensichtliche<br />

Fortführung von Stempeltechniken, die z.B. als Siegel von Beginn<br />

an in der Kulturgeschichte der Menschheit vertreten waren,<br />

aufgefasst werden.<br />

Der konkrete Anlass, der den Holzschnitt grossflächig populär<br />

machte, war wohl die Produktion von Spielkarten, die sich gegen<br />

Ende <strong>des</strong> 14. Jahrhundert explosionsartig ausbreitete. 8 Als frühe<br />

Massenartikel verlangten Spielkarten nach einer standardisierten,<br />

effizienten Produktionstechnik, die der Holzschnitt liefern konnte.<br />

Die dazu benötigten kunsthandwerklichen Fähigkeiten im Bereich<br />

<strong>des</strong> Holzschnitzens waren im spätmittelalterlichen Europa weit verbreitet,<br />

z.B. als Modellstecherei für Zuckerwaren. In der Folge erweiterten<br />

die Spielkartenproduzenten ihr Angebot mit Heiligenbildern,<br />

zunächst im Spielkartenformat, die dann an einschlägigen<br />

Wallfahrtsorten vertrieben wurden. Heisst es doch 1395 in Bologna<br />

von einem Federico di Germaniae: Er stellt ≪Cartas fi gurates et<br />

picas ad imagines et figurasa sanetorum ≫ her. 9 Dass dies kein Einzelfall<br />

war, belegt etwa die Besteuerung von Holzschnitten zur Produktion<br />

von Spielkarten und Heiligenbildern im Florenz <strong>des</strong> <strong>Jahres</strong><br />

1430.<br />

Zu den frühesten datierten Einzelblattholzschnitten gehören<br />

• Maria mit dem Kinde, 1418, und der<br />

• Buxheimer Christopherus, 1423.<br />

Fügte man solche Einzelblattsammlungen zusammen, so erhielt<br />

man zwanglos ein Buch. Die in der Frühzeit <strong>des</strong> Holzschnittes verwendeten<br />

wasserlöslichen Tinten neigten zum Durchschlagen, so<br />

dass die Rückseite eines Druckes nicht weitergenutzt werden konnte.<br />

Man klebte also die einseitig bedruckten Seiten an den Rückseiten<br />

aneinander. Die so erzeugten Bildbände, mit thematisch zusammenhängenden<br />

Bildfolgen, sogenannte Blockbücher, etablierten<br />

sich parallel zum Textbuch.<br />

8 1377 aus dem arabischen Raum nach Italien importiert<br />

9 aus Hans Jürgen Wolf [12, S.783]<br />

21<br />

Schedelsche Weltchronik, 1493: Totentanz<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

A b e n d m a h l — Albrecht Dürer (1471 – 1528)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

29<br />

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30<br />

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Kupferstich<br />

✧ um 1400 entwickelte Bilddrucktechnik<br />

➙ wohl aus Kopiertechniken von Gravuren (Niellos)<br />

➙ ältester datierter Kupferstich 1446 (Geisselung Christi)<br />

➙ von 1600 – 1800 vorherrschende Illustrationstechnik<br />

✧ Vertiefungen der Kupferplatte farbführend und druckend<br />

➙ grösseren Farbübertrag, feinere Strukturen<br />

✧ als künstlerisch höherwertige Alternative verstanden<br />

✧ komplexere Drucktechnik<br />

➙ Fläche/Zylinder-Druck, dünnflüssige Farben, rauhes Papier, . . .<br />

✧ einer der Wurzeln der modernen Bildreproduktion (Tiefdruck)<br />

➙ permanent verbesserte Techniken der Halbtonwiedergabe<br />

✛ Ätzung von Kupferplatten führten zur Fotografie<br />

klaus simon<br />

Kupferstichpresse und Schrotblatt<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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22<br />

Zu grosser Blüte gelangte der Holzschnitt jedoch erst durch seine<br />

Integration in Gutenbergs Drucktechnik. Die erste bekannte<br />

Vereinigung <strong>des</strong> neuen Typendrucks mit dem Holztafeldruck gelang<br />

Albrecht Pfister 1461 in Bamberg mit der Fabelsammlung<br />

Bonders Edelstein. Im vorausgedruckten Text wurde der Platz<br />

für den nachträglich eingefügten Holzschnitt ausgespart. Im Jahre<br />

1472 realisierte Günter Zainer dann den gleichzeitigen Druck<br />

von Text und Illustration in einem Arbeitsgang. Bereits in der 1493<br />

in Nürnberg erschienenen Weltchronik von Hartmann Schedel<br />

(1440 – 1514) war der Holzschnitt fest etabliert. Sie enthält 1809<br />

Holzschnitte nach Entwürfen von W. Pleydenwurff und M. Wolgemuts.<br />

Der Holzschnitt entwickelte sich schnell zu einer neuen<br />

Kunstform. Bedeutende Werke schufen Albrecht Dürer (1471 –<br />

1528), Tizian (Tiziano Vecellio, 1488 – 1576), Lucas Cranach<br />

der Ältere (1472 – 1553) oder Lucas van Leyden (1494 – 1533).<br />

Als historisch bedeutender erwies sich allerdings die zweite Bildreproduktionstechnik,<br />

die sich gleichfalls in der Zeit <strong>des</strong> entstehenden<br />

Buchdrucks ausbreitete, nämlich der Kupferstich. Seine Ursprünge<br />

werden im Allgemeinen in Ritzzeichnungen und Ätztechniken<br />

gesehen, etwa im Kontext der Goldschmiedekunst. 10 Im Besonderen<br />

vermutet man einen Zusammenhang mit Kopier- und Ätztechniken<br />

für Gravuren, die seit der Antike für Waffen oder Kunstgegenstände<br />

üblich waren, bekannt als Niellos. Als Bildreproduktionstechnik<br />

tritt der Kupferstich etwa um 1400 in Erscheinung und<br />

zwar in Form der noch recht simplen Schrotblätter, so bezeichnet auf<br />

Grund der schrotkornähnlichen Punktformen. Der älteste datierte<br />

Kupferstich, die<br />

Geisselung Christi von Peter Zanndio,<br />

stammt aus dem Jahre 1446.<br />

Obwohl der Kupferstich im Vergleich zum Holzschnitt schnell als<br />

künstlerisch höherwertiges Verfahren überzeugte, konnten seine<br />

speziellen technischen Probleme nicht so schnell ausgeräumt werden.<br />

Trotz <strong>des</strong> grossen Interesses, das die einschlägigen Kunstwer-<br />

10 Auch Gutenberg werden entsprechende Beziehungen nachgesagt.


ke von Albrecht Dürer und seiner Kollegen bewiesen, konnte der<br />

Kupferstich den Holzschnitt erst ca. um 1600 verdrängen.<br />

Die Technik <strong>des</strong> Kupferstichs ist im gewissen Sinne dem Buchdruck<br />

entgegengesetzt. Die druckenden Teile sind nicht die erhabenen<br />

Stellen der Druckform sondern die durch Stich oder Ätzung<br />

erzeugten Vertiefungen. Beim Druck werden dann die Vertiefungen<br />

mit dünnflüssiger Druckfarbe gefüllt. Die nicht druckenden Teile<br />

müssen sorgfältig gereinigt werden.<br />

Die Technik <strong>des</strong> Kupferstiches hat Vor- und Nachteile. Der hohe,<br />

deckende Farbübertrag im Zusammenhang mit den feineren,<br />

flexibleren Bearbeitungsmöglichkeiten einer Metallplatte, führten<br />

schnell zu einer künstlerischen Bevorzugung <strong>des</strong> Kupferstiches. Andererseits<br />

erfordert der Kupferstich eine anspruchsvollere Drucktechnik.<br />

Verfahrensbedingt ist ein höherer Anpressdruck erforderlich,<br />

der von Beginn an den Flächen-Zylinder-Druck erforderte. 11<br />

Um den Farbübertrag zu gewährleisten, benötigt man dünnflüssige<br />

Farben sowie aufgerautes, saugfähiges Spezialpapier. Auf Grund<br />

solcher Probleme sind die häufig negativen Erfahrungsberichte im<br />

Umgang mit der neuen Technik, gegen Ende <strong>des</strong> 15. Jahrhunderts,<br />

nur allzu erklärlich.<br />

Trotz der verfahrenstechnischen Anlaufschwierigkeiten war der<br />

Kupferstich ab etwa 1600 die vorherrschende Bildreproduktionstechnik,<br />

speziell im künstlerisch anspruchsvollen Bereich oder auch<br />

im Musiknotensatz. Aus heutiger Sicht sind insbesondere die folgenden<br />

Aspekte erwähnenswert:<br />

1. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Techniken entwickelt,<br />

die auf eine verbesserte Halbtonwiedergabe ausgerichtet waren,<br />

z.B. die Radierung oder Schabkunst. Bei der Radierung<br />

wird die Kupferplatte zunächst mit einer säurefesten Harz-<br />

Asphalt-Schicht versehen. In diese werden die gewünschten<br />

Strukturen gezeichnet oder geritzt, worauf die Platte mit Säure<br />

übergossen wird. Die Zeichnung wird dann an den freigelegten<br />

Stellen in das Kupfer geätzt. Die Schabkunst, auch Schabmanier<br />

oder Mezzotinto genannt, wurde 1642 von Ludwig von<br />

11 Der Zylinder, wie die ganze Presse, war dabei aus Holz.<br />

23<br />

Albrecht Dürer (1471 – 1528)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Radierung: Zauberey, 1626, M. Herr/M. Merian d.Ä.<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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A q u a t i n t a (links) und M e z z o t i n t o (rechts)<br />

klaus simon<br />

Lithographie und Steindruck<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ nach 1796 von Alois Senefelder (1771 – 1834) entwickelt<br />

➙ hohe künstlerische Bedeutung (sehr aufwendig)<br />

✧ Druck auf plan geschliffenen Kalksteinen (Flachdruck)<br />

➙ Solnhofener Schiefer: 98 % Calciumcarbonat CACO3<br />

✧ physikalisch-chemisches Funktionsprinzip<br />

➙ Druckbild wird mit Fetttusche oder Ölkreide gezeichnet<br />

➙ chemische Reaktion zu fettsaurem Kalk (hydrophob)<br />

✧ zeichnungsfreie Flächen hydrophil (wasseranziehend)<br />

➙ verstärkt durch Beschichtung mit Gummiarabicum<br />

➙ vor Einfärbung befeuchtet: verhindert Farbannahme<br />

✧ erstes Druckverfahren mit echter Halftoning-Simulation<br />

➙ abhängig von Korngrösse: 3000 Körner/cm ≈ 55 l/cm<br />

➙ Dotgrösse: Menge der an der Kornspitze haftenden Fetts<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

35<br />

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24<br />

Siegen eingeführt. Hier wird die Platte zunächst gleichmässig<br />

aufgeraut, so dass der Abdruck eine gleichmässig schwarze Fläche<br />

ergeben würde. An der Stelle, die später wieder heller erscheinen<br />

soll, wird die Platte dann wieder glattgeschabt. Bei<br />

der Aquatinta lässt man die Säure durch ungeschmolzenen Metallstaub<br />

hindurch wirken.<br />

2. Aus historischen Gründen ist besonders auf die verwendeten<br />

Ätztechniken hinzuweisen. Sie führten schliesslich zur Fotografie<br />

und zur fotomechanischen Bildreproduktion.<br />

3. Nicht zuletzt hat der Kupferstich einen modernen Nachfolger<br />

gefunden, den Tiefdruck, siehe Seite 66, der bis heute bei illustrierten<br />

Grossauflagen fest etabliert ist.<br />

2.4.2 Steindruck<br />

Um 1800 entstand ein neues Druckverfahren, der Steindruck<br />

oder Lithographie, in Konkurrenz zu dem etablierten Buchdruck<br />

bzw. dem Kupferstich. Im Gegensatz zu den beiden letztgenannten<br />

Verfahren erfolgt beim Steindruck die Differenzierung zwischen<br />

druckenden und nicht druckenden Teilen der Druckform<br />

nicht durch eine mechanische Höher- oder Tieferlegung sondern<br />

durch unterschiedliche chemische Oberflächeneigenschaften. Durch<br />

Aufbringung von Fetten oder Ölen, werden farbanziehende bzw.<br />

-abstossende Gebiete auf der Druckform separiert. Dieses Verfahren<br />

hatte vor allem gegenüber dem Kupferstich deutliche Vorteile:<br />

• Die Druckform konnte gezeichnet werden und enthielt keine<br />

aufwendige Metallbearbeitung.<br />

• Die Druckgeschwindigkeit im Fortdruck war gegenüber dem<br />

Kupferstich etwa dreimal höher.<br />

• Der Steindruck ermöglichte erstmals eine echte Halbtonwiedergabe.


Um die Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts hatte der Steindruck eine grosse<br />

künstlerische Bedeutung erreicht, speziell bei Plakaten. Auch heute<br />

ist die Lithographie noch eine etablierte künstlerische Ausdrucksform.<br />

Als Erfinder <strong>des</strong> Steindrucks gilt Alois Senefelder (1771 –<br />

1834). Wie bei anderen Drucktechniken auch meint die Bezeichnung<br />

≪Erfinder ≫ nicht, dass Senefelder jeden einzelnen Schritt selbst<br />

kreiert hat, sondern dass er die Idee <strong>des</strong><br />

D r u c k e n s m i t S t e i n e n<br />

zu einer praxistauglichen Gesamttechnologie zusammengefasst hat.<br />

Im Kontext der Lithographie sind speziell die Erfolge der aufkeimenden<br />

Chemie gegen Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts zu würdigen und<br />

die für Spruchtafeln oder Grabinschriften seit Jahrhunderten üblichen<br />

Steinätzungen.<br />

Alois Senefelder familiäres Umfeld war durch den Beruf <strong>des</strong><br />

Vaters als Schauspieler geprägt. Er wuchs in München auf, wo sein<br />

Vater seit 1778 am Hoftheater beschäftigt war. Auf Wunsch seiner<br />

Eltern begann er in Ingolstadt ein Jurastudium. Zusätzlich verfasste<br />

er Gedichte und kleine Theaterstücke. Gewisse Anfangserfolge<br />

verleiteten ihn dazu, ein Leben als Schriftsteller anzustreben. Als<br />

sein Vater 1794 überraschend stirbt, und er seine Familie mit unterstützen<br />

muss, gelingt es ihm nicht mehr, seinen vertraglichen<br />

Verpflichtungen nachzukommen und er verliert die Unterstützung<br />

seiner Verleger.<br />

Senefelder möchte aber nach wie vor publizieren. Er nimmt bei<br />

Johann Michael Mettenleiter Unterricht im Kupferstechen und<br />

beschliesst seine eigene Druckerei zu gründen. Da seine Situation<br />

primär durch Geldmangel gekennzeichnet war, suchte er nach einem<br />

Verfahren, das möglichst billig realisiert werden konnte. In<br />

den Jahren 1796 /97 reiften die Konzepte. Die ersten Druckversuche<br />

fanden im privaten Kontext statt. So unterstützte ihn der befreundete<br />

Hofmusiker Franz Gleissner mit einem Auftrag für selbstkomponierte<br />

Lieder. In der Folge wurde Gleissner auch sein Teilhaber.<br />

Das entscheidende Ereignis war jedoch das Zusammentref-<br />

25<br />

A l o i s S e n e f e l d e r<br />

klaus simon<br />

frühe Steindruckpresse<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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38<br />

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A woman sitting by a window 1802 (Henry Fuseli)<br />

Steindruck im 20. Jahrhundert<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

s p e c i m e n s o f p o l y a u t o g r a p h y 1 8 0 3<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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26<br />

fen mit Johann André, einem Musikalienhändler und Druckereibesitzer<br />

aus Offenbach am Main. Interessiert an der neuen Art <strong>des</strong><br />

Musiknotensatzes, besuchte er 1799 Senefelder in seiner Werkstatt<br />

und liess sich die Technik erklären. Er erkannte das Potenzial<br />

und machte ein Finanzierungsangebot. Ein Handgeld von 2000 Gulden<br />

beseitigten Senefelders akute Finanznöte und Andrés Verbindungen<br />

sicherten ihm Patente in London, Paris und Wien, die er<br />

unmittelbar an André weiterreichte. Mit der zunehmenden Popularität<br />

<strong>des</strong> Verfahrens erfährt Senefelder auch in der bayrischen<br />

Heimat Unterstützung. Nach seiner Rückkehr aus Österreich ist<br />

ihm die Staatsregierung bei der Gründung einer neuen Druckerei<br />

behilflich und finanziert ein litographisches Institut. Im Jahre 1809<br />

wird Senefelder in den Staatsdienst übernommen.<br />

Funktionsprinzip<br />

Kommen wir zurück zum technischen Funktionsprinzip <strong>des</strong> Steindrucks,<br />

das in der weiterentwickelten Form <strong>des</strong> Offsetdrucks seine<br />

Bedeutung bis in die aktuelle Drucktechnik wahren konnte. Die<br />

Druckform besteht aus einem plangeschliffenen Kalkstein. Die Erfahrung<br />

zeigte, das der Solnhofer Schiefer 12 aus dem Altmühltal im<br />

fränkischen Jura sich besonders eignet. Er besteht zu etwa 98 % aus<br />

Calciumcarbonat CaCO3, der Rest sind verschiedene Verunreinigungen.<br />

Das zu druckende Bild wird nun auf den Stein gezeichnet,<br />

wozu man Fetttusche oder Ölkreide benutzt. Die Zeichenfarbe verbindet<br />

sich mit dem Kalk zu fettsaurem Kalk, der einerseits wasserabstossend<br />

(hydrophob) andererseits fettanziehend (oleophil) wirkt.<br />

Nun möchte man bei den zeichnungsfreien Teilen das genau gegensätzliche<br />

Verhalten erreichen. Dazu genügt es eigentlich, sie mit<br />

Wasser zu befeuchten. Um den Effekt zu verstärken und haltbarer<br />

zu machen, werden die zeichnungsfreien Teile zunächst mit einem<br />

Gemisch aus Wasser, Salpetersäure und Gummiarabicum leicht geätzt<br />

und anschliessend mit einer dünnen Schicht aus Gummiarabicum,<br />

einer stark wasseranziehenden Substanz, überzogen.<br />

12 auch bekannt für seine Fossilienfunde


Bei jedem Druckvorgang wird die Druckform vor dem Einfärben<br />

mit Wasser gefeuchtet. Dadurch wird verhindert, dass sich anschliessend<br />

die fetthaltige Druckfarbe an den zeichnungsfreien Teilen<br />

anlagern kann. Die Zeichnung selbst reagiert genau gegensätzlich,<br />

hier bleibt die Druckfarbe haften. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass die verwendete Druckfarbe relativ zähflüssig ist. Sie wird<br />

gleichmässig auf eine Rolle aufgebracht, die über die Druckform abgerollt<br />

wird. Nur dort wo ein Haftkontakt zustande kommt, findet<br />

auch eine Farbübertragung statt, in dem der Farbfilm auf der Rolle<br />

aufgespalten und abgerissen wird.<br />

Der Halbtoneffekt <strong>des</strong> Steindrucks beruht auf der Körnigkeit <strong>des</strong><br />

Steins, je feiner die Kornbildung <strong>des</strong> Steins, <strong>des</strong>to feiner das Halftoning.<br />

Diesbezüglich ist der Steindruck als eine Art amplitudenmodulierte<br />

Rasterung zu verstehen. Ein Korn entspricht einer Rasterzelle.<br />

Die Grösse <strong>des</strong> zugehörigen Zentraldots ergibt sich aus<br />

der Menge <strong>des</strong> Fetts, das an der Kornspitze haften bleibt, variierbar<br />

durch den ausgeübten Druck beim Zeichnen oder den Härtegrad der<br />

verwendeten Fettkreide.<br />

Alois Senefelder war sich der Schwächen seiner Technologie<br />

durchaus bewusst. Er sah ihre natürliche Anwendung im Bereich<br />

der Gebrauchsgraphik wie Musiknoten, Formulare, Landkarten,<br />

Tabellen oder Zirkularien. Bis zu seinem Tode suchte er das Konzept<br />

zu optimieren und die Lithographie zur vorherrschenden allgemeinen<br />

Drucktechnik zu machen. Erwähnenswert sind diesbezüglich<br />

sein<br />

L e h r b u c h d e r S t e i n d r u c k e r e i<br />

von 1818, seine frühen Versuche mit Steindruckschnellpressen und<br />

die ersten Mehrfarbenlithographien aus dem Jahre 1826. Schlussendlich<br />

hat sich das chemische Flachdruckprinzip als überlegen erwiesen.<br />

Bis zu seinem technologischen Durchbruch vergingen jedoch<br />

noch mehr als ein Jahrhundert.<br />

Rückblickend erscheint die Lithographie als Kunstform. Dieses<br />

Verständnis wurde bereits von der Familie André propagiert. Ins-<br />

27<br />

Lithographien<br />

klaus simon<br />

Entwicklung der Fotografie<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ 1727 Johann H. Schulze (1687–1744): lichtempfindliche Silbersalze<br />

✧ 1802 Thomas Wedgewood (1771-1805): Silbersalzfotos (Papier)<br />

✧ 1822 Nicéphore Niépce (1765-1833): lichtbeständige Heliographie<br />

✧ 1829 Zusammenarbeit Niépce und Louis Daguerre (1787-1851)<br />

➙ 1835-37 Entwicklung der Daguerreotypie<br />

✛ Positivfoto mit Silberjodid, Fixierung: heisse Kochsalzlösung<br />

✧ 1835 William Fox Talbot (1800-77): erste Negative auf Papier<br />

✧ 1839 Patente für Talbot und Daguerre, Veröffentlichungen<br />

➙ erstes analytisch berechnetes Objektiv (Voigtländer, Wien)<br />

✧ 1851 Frederick Archer (1813-62): nasses Kollodium-Verfahren<br />

✧ 1871 R. Maddox (1820-1902): Bromsilber-Gelatine-Trockenplatte<br />

✧ 1888 George Eastman (1854-1932): Rollfilmkamera Kodak Nr.1<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

41<br />

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42<br />

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J o h a n n H . S c h u l z e und K a r l W . S c h e e l e<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Joseph N. Niépce und Thomas Wedgewood<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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28<br />

besondere Philip André 13 publizierte bereits 1803 den Kunstband<br />

S p e c i m e n s o f Po l y a u t o g r a p h y,<br />

wofür er eine illustre Schar bekannter Graphiker engagierte. Ein<br />

bedeutender Fürsprecher der neuen Kunstform war u.a. Johann<br />

Wolfgang von Goethe (1749 – 1832). In der zweiten Hälfte <strong>des</strong><br />

19. Jahrhunderts erlebte die Lithographie dann einen bedeutenden<br />

Aufschwung im Kontext der Plakatwerbung. Bedeutende Vertreter<br />

sind etwa Eugène Delacroix (1798 – 1863) oder Henri de<br />

Toulouse-Lautrec (1864 – 1901). Noch heute gelten die ≪ Moulin<br />

Rouge ≫ - Plakate <strong>des</strong> Letzteren als ein Synonym für die Farblithographie.<br />

Als Konsequenz der zunehmenden kommerziellen Bedeutung<br />

wurden um 1850 dann auch praxistaugliche Steindruckschnellpressen<br />

entwickelt: 1846 Nicolle (Paris), 1851 Georg Sigl<br />

(Wien), 1860 Alexander Dupuy (Paris).<br />

2.4.3 Fotomechanische Bildreproduktion<br />

Eine der auffällligsten Entwicklungen <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts ist<br />

zweifellos die Fotografie. Die Geschwindigkeit mit der sie sich<br />

zu einem Massenphänomen entwickelte, dokumentiert die qualitative<br />

Überlegenheit dieser Reproduktionstechnik. Drucktechnische<br />

Verfahren erreichen auch heute nicht die Qualitätsstandards<br />

der analogen Fotografie. Dem gedruckten Bild verblieb zum Ende<br />

<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts gegenüber dem Konkurrenten Fotografie nur<br />

eine wirkliche Stärke, nämlich die massenhafte Vervielfältigung.<br />

Dementsprechend war die Entwicklung <strong>des</strong> Drucks in den nächsten<br />

100 Jahren durch die Übernahme fotografischer Techniken in die<br />

Druckformherstellung geprägt. Am Ende dieser Entwicklung stand<br />

der konventionelle Fotosatz, wo auch Texte als Bilder behandelt<br />

werden.<br />

13 ein in London lebender Bruder von Johann


2.4.4 Entwicklung der Fotografie<br />

Das Aufzeichnungsgerät der Fotografie ist die Kamera, die in der<br />

Camera Obscura (Lochkamera) ihre historischen Wurzeln hat. Die<br />

Camera Obscura war bereits im Altertum bekannt. Sie wurde im 18.<br />

Jahrhundert durch neue wissenschaftliche Errungenschaften verbessert,<br />

blieb aber ein eher seltenes Werkzeug für Forscher und<br />

Künstler. Der Einstieg in die Fotografie gelang 1727 dem deutschen<br />

Arzt und Universalgelehrten Johann Heinrich Schulze (1687 –<br />

1744) durch den Nachweis der Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen.<br />

Diese ersten Hinweise auf lichtempfindliche Materialien wurden<br />

1777 von dem bedeutenden deutsch-schwedischen Chemiker<br />

Karl Wilhelm Scheele (1742 – 1786) bestätigt und ausgeweitet.<br />

Der nächste Schritt zum Foto war die Verbindung der Silbersalze<br />

mit Papier als Trägermaterial. Erste diesbezügliche Experimente<br />

wurden um 1802 von Thomas Wedgewood, einem Spross<br />

der gleichnamigen Steingutdynastie, dem die Arbeiten von Schulze<br />

und Scheele bekannt waren, berichtet. Er tränkte Papier mit Silbersalz<br />

und belichtete es mit einer Camera Obscura. Es entstanden<br />

erste Fotos, die jedoch noch nicht lichtbeständig waren und folglich<br />

nach ein paar Minuten im Tagslicht wieder zerfielen.<br />

Unabhängig von Wedgewood beschäftigte sich auch der begüterte<br />

Amateurwissenschaftler Joseph Nicéphor Niépce (1765 – 1833)<br />

seit 1793 in Paris mit derselben Problematik. Er berichtet 1816 von<br />

ähnlichen Versuchen Fotos zu erzeugen, aber auch seine Bilder waren<br />

sehr schwach und nicht dauerhaft. Niépce war mit diesem Teilerfolg<br />

nicht zufrieden und versuchte, das erzeugte Bild dauerhaft<br />

zu machen. Dabei stiess er etwa um 1810 auf die Lichtempfindlichkeit<br />

bestimmter Asphaltlacke. Konkret benutzte er eine Mischung<br />

aus Asphalt und Lavendelöl, die bei Lichteinwirkung dauerhaft aushärtet<br />

und dann sowohl ätzresistent als auch nicht mehr in Lavendelöl<br />

lösbar ist. Die nicht belichteten Anteile bleiben dagegen lösbar.<br />

Niépce verwendete diese Erkenntnisse 1826 /27 zur ersten fotomechanischen<br />

Herstellung einer Druckform. Dazu kopierte er mittels<br />

Belichtung einen Kupferstich, der durch Ölung an den nicht<br />

29<br />

Kardinal d’Amboise und Fotogravur (Heliographie, rechts)<br />

klaus simon<br />

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Louis Jacques Mandé Daguerre (1787–1851)<br />

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frühste bekannte Daguerrotypie<br />

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Daguerrotypie: Zürscher Post ca. 1840<br />

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30<br />

bedruckten Stellen transparent gemacht wurde, auf eine mit lichtempfindlichem<br />

Asphalt überzogene Zinnplatte. Nach einer Belichtungszeit<br />

von mehreren Stunden wurden die unbelichteten Teile<br />

ausgewaschen und tiefgeätzt. Die so entstandene erste Fotografie<br />

zeigt das Porträt <strong>des</strong> Kardinals d’Amboise, siehe Folie 45. Da Niépce<br />

selbst von Heliographie sprach, wurde diese Bezeichnung bzw.<br />

Heliogravur später häufig als Gattungsbegriff für fotomechanische<br />

Gravuren benutzt. Nicéphoe Niépce starb 1833 ohne wesentliche<br />

weitere Fortschritte zu erreichen.<br />

Allerdings vereinbarte Niépce 1829 einen Forschungsvertrag mit<br />

Louis Jacques Mandé Daguerre (1787 – 1851), der später von seinem<br />

Sohn Isidor fortgesetzt wurde. Der Bühnenmaler Daguerre<br />

gründete 1822 das Diorama, ein Illusionsschauspiel für das Theater,<br />

das unter anderem die Möglichkeiten der Camera Obscura nutzt.<br />

Das gemeinsame Ziel von Niépce und Daguerre war die einfache<br />

und dauerhafte Fixierung der mit der Lochkamera aufgenommenen<br />

Bilder.<br />

Daguerre entdeckte zuerst, dass eine polierte Silberfläche durch<br />

das Bedampfen mit Jod, es entsteht eine Silberjodidschicht, lichtempfindlich<br />

wird. Der nächste Schritt <strong>des</strong> Verfahrens, das später<br />

nach ihm Daguerrotypie benannt wird, ist die Unterscheidung in<br />

ein latentes Bild und <strong>des</strong>sen Entwicklung.<br />

Daguerre erkannte nämlich, dass es nicht nötig war, das Bild so<br />

lange zu belichten, bis es klar erkennbar war. Auch ein nur kurz belichtetes,<br />

noch nicht erkennbares Bild, genannt latentes Bild, konnte<br />

durch eine zusätzliche chemische Reaktion, die Entwicklung,<br />

sichtbar gemacht werden. Konkret benutzte Daguerre Quecksilberdämpfe,<br />

die zusammen mit dem durch die Belichtung freigesetzten<br />

Silber ein Amalgam bilden. Der dritte entscheidende Schritt, die Fixierung<br />

<strong>des</strong> erzeugten Bil<strong>des</strong>, liess sich durch das Auswaschen <strong>des</strong><br />

Bil<strong>des</strong> mit heisser Kochsalzlösung erreichen.<br />

Daguerres Verfahren erwies sich als durchaus praktikabel. Die<br />

Belichtungszeiten hatten sich von etwa 10 Stunden bei Niépce auf<br />

ca. 15 Minuten reduziert. Später ersetzte man Jod durch Brom, was<br />

eine Reduzierung auf etwa 2 Minuten erlaubte.


1839 publiziert Daguerre das Verfahren, nach finanziellen Zusagen<br />

der französischen Regierung. Da es sich um die erste Veröffentlichung<br />

eines funktionierenden Verfahrens handelt, betrachtet man<br />

Daguerre und Niépce als die Erfinder der Fotografie.<br />

Obwohl die Daguerrotypie ein grosses Interesse an der Fotografie<br />

14 bzw. der Fototechnik auslöste und auch ein kommerzieller Erfolg<br />

war, war sie doch nur eine von mehreren parallelen Entwicklungen,<br />

die sich zur gleichen Zeit mit demselben Problem beschäftigten.<br />

Die vielleicht relevanteste Konkurrenzentwicklung war die von<br />

William Henry Fox Talbot (1800 – 1877), einem reichen englischen<br />

Privatgelehrten mit Interesse an Physik und Chemie. Er experimentierte<br />

seit 1834 mit Silberchlorid-Papier. 1835 entwickelte<br />

er das erste Negativ, von dem er mehrere Positivabzüge herstellen<br />

konnte. Dazu wird das Papier <strong>des</strong> Negativs durch Wachsen transparent<br />

gemacht.<br />

Die Kalotypien oder auch Talbotypien genannten Fotos waren in<br />

der Anfangszeit nicht so brillant wie die Daguerrotypien, benötigten<br />

aber wesentlich kleinere Belichtungszeiten. Als Talbot 1839<br />

von den Aktivitäten Daguerres in Paris hörte, startete er mit der<br />

Unterstützung Michael Faradays seinerseits in London eine Veröffentlichungskampagne,<br />

um seine Prioritätsansprüche zu sichern.<br />

In dem Publikationsgerangel <strong>des</strong> <strong>Jahres</strong> 1839 gingen noch einige<br />

andere relevante Beiträge verloren. Zu erwähnen sind insbesondere<br />

das Verfahren von Hippolyte Bayard (1801 – 1877), nach welchem<br />

bereits 1826 Papierpositive erzeugt worden sein sollen, und dasjenige<br />

<strong>des</strong> Astronomen und Physiker François Arago (1786 – 1853),<br />

das ebenfalls 1839 publiziert wurde.<br />

Das grosse Publikumsinteresse, das im Jahre 1839 geweckt wurde,<br />

führte zu einer schnellen Weiterentwicklung der Technologie,<br />

speziell bezüglich der eingesetzten Materialien, der Kamera und<br />

nicht zuletzt in der Farbforschung.<br />

14 Ein sehr empfehlenswertes Buch zum Thema ist ≪Kunst und Magie der Daguerreotypie<br />

(Collection W.+T. Bosshard) ≫ [7]. Bemerkenswert ist vor allem die<br />

aussergewöhnliche Bildreproduktion.<br />

31<br />

William Fox Talbot (1800 – 1877) and erste Kalotypie<br />

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Frederick Scott Archer (1813–1857) und Nassplattenkamera<br />

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50<br />

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Beispiele Kollodium-Fotografie<br />

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R. L. Maddox (1820 –1902) u. Trockenplattensystem Eastman<br />

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32<br />

Frederick Scott Archer (1813 – 1857) beschrieb 1851 das<br />

nasse Kollodium-Verfahren, 15 das die Lichtempfindlichkeit wesentlich<br />

verbesserte. Spätestens mit Richard Leach Maddoxs (1820<br />

– 1902) Erfindung der Bromsilber-Gelatine-Trockenplatte 1871 wird<br />

die Fotografie eine professionelle Praxis. Die Trockenplatten hielten<br />

sich mehrere Monate und mussten nicht mehr wie beim Kollodium-<br />

Verfahren vor Ort chemisch behandelt werden. Zudem markiert die<br />

Trockenplatte den Einstieg in die Industrialisierung der Fotografie.<br />

Den entscheidenden Beitrag dazu lieferte jedoch erst George<br />

Eastman (1854 – 1932). Er gründete 1881 mit einem Partner in Rochester<br />

im Staat New York eine Fabrik für Fotobedarf, die zunächst<br />

vor allem Trockenplatten herstellte. Auf Grund <strong>des</strong> harten Konkurrenzdrucks<br />

war man aber bald gezwungen, die Produktpalette zu<br />

diversifizieren.<br />

Eastman fasste die Idee, den Rollfilm, mit dem seit der Jahrhundertmitte<br />

experimentiert wurde, zum Markterfolg zu führen.<br />

Seine 1884 abgeschlossene Entwicklung hatte drei Lagen, nämlich<br />

eine wasserunlösliche Gelatineschicht mit den lichtempfindlichen<br />

Substanzen, eine wasserlösliche Gelatineschicht und eine als Träger<br />

dienende Papierschicht. Zur Positivkopie löste man die mittlere<br />

Schicht im Wasser auf und trennte so die bildtragende Gelatineschicht<br />

von dem Papierträger. Die Bildschicht wurde dann auf eine<br />

Glasplatte aufgespannt. Die Nachteile bisheriger Papiernegative, in<br />

erster Linie die schlechte Qualität, entfielen.<br />

Zunächst sah das Vermarktungskonzept vor, dass der Fotograf die<br />

etwas diffizile Trennung von Bild- und Trägerschicht vornimmt, was<br />

aber nicht zu dem erhofften kommerziellen Erfolg führte. Eastman<br />

entschloss sich <strong>des</strong>halb, diese Arbeiten in seiner Firma durchzuführen.<br />

In der geänderten Produktphilosophie belichtete also der Fotograf<br />

nur noch die Bilder, alle übrigen Arbeiten überlässt er Anderen.<br />

Eastman erkannte das revolutionäre Potenzial <strong>des</strong><br />

Yo u p r e s s t h e b u t t o n , w e d o t h e r e s t !<br />

15 in Äther aufgelöste Baumwolle


und entwickelte eine einfache handliche Kamera für den Massenmarkt.<br />

Die 1888 für 25 $ auf den Markt gebrachte Kodak Nr.1 veränderte<br />

den Fotomarkt. Die Fotografie wurde zum Massenmarkt und<br />

Eastman Kodak 16 damit zum Weltkonzern.<br />

2.4.5 Halftoning<br />

Im Gegensatz zu einem Bildschirm, der durch seine variable Pixelhelligkeit<br />

charakterisiert ist, besitzt ein Druckpunkt auf Papier eine<br />

mehr oder weniger konstante Farbvalenz, die als Funktion der Umgebungsbeleuchtung<br />

zu verstehen ist. Diese Konstanz hinderte die<br />

Drucktechnik jahrhundertelang daran Bilder in abgestuften Grautönen,<br />

sogenannten Halbtönen, zu produzieren. Angetrieben durch<br />

die Entwicklung der Fotografie vor 150 Jahren, wurde dann Ende<br />

<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts die Rastertechnik entwickelt, siehe etwa<br />

Fox Talbot [9], Georg Meisenbach [1] oder Louis und Max Levy<br />

[4], die konzeptionell so noch heute angewendet wird. Aus heutiger<br />

Sicht war die industrielle Rastertechnik ein entscheidender Schritt<br />

auf dem Weg zur modernen Medienlandschaft und kann durchaus<br />

als früher Triumph der Digitaltechnik verstanden werden.<br />

Rasterzellen<br />

Die konstante Helligkeit von Druckpunkten (Dots) auf Papier macht<br />

eine physikalische Farbmischung unmöglich. Dass wir trotzdem<br />

Halbtöne auf Papier wahrnehmen können, basiert auf dem beschränkten<br />

Ortsauflösevermögen <strong>des</strong> Auges. Das räumliche Auflösevermögen<br />

<strong>des</strong> Auges wird üblicherweise als minimaler Winkel<br />

beschrieben unter dem Details noch unterschieden werden können.<br />

Der Wert beträgt ca. 1 Bogenminute und wird als physiologischer<br />

Grenzwinkel bezeichnet. 17 Unterhalb dieser Grenze werden<br />

16 wie sich die Firma später nannte<br />

17 In der Augenoptik wird er beispielsweise durch den Landolt-Ring, siehe Folie<br />

58, bestimmt. Der Prüfkandidat muss die Lage der Lücke — oben, rechts,<br />

unten oder links — zu 75% korrekt erkennen, wobei die Lücke in einem Sehwinkel<br />

von 1 Bogenminute präsentiert wird.<br />

33<br />

G e o r g e E a s t m a n ( 1 8 5 4 – 1 9 3 2 )<br />

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Kodak Nr. 1 (1888) und Kodak Nr. 2<br />

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54<br />

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Kodak Nr. 4 und Headquarter 1892<br />

✻<br />

Pixelintensität<br />

✛<br />

Halftoning<br />

auf Papier simuliert durch<br />

Flächenbedeckung der Rasterzelle<br />

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56<br />

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34<br />

Details nicht mehr als solche erkannt, sondern verschmelzen mit ihrer<br />

Nachbarschaft in einem Zapfen bzw. Stäbchen zu einem Gesamtreiz.<br />

Diese ≪Farbmischung ≫ auf Rezeptorebene ist die Grundlage<br />

der Rastertechnik. Produziert werden Druckpunkte die unterhalb<br />

oder wenigstens in der Nähe <strong>des</strong> physiologischen Grenzwinkels liegen.<br />

Dabei resultiert der Helligkeitseindruck eines gerade auflösbaren<br />

Flächenelements aus dem Verhältnis <strong>des</strong> bedruckten zum unbedruckten<br />

Flächenanteil.<br />

Der physiologische Grenzwinkel beschreibt einen Sehwinkel. Für<br />

den Umgang mit Dotgrössen auf Papier ist das eine eher unpraktische<br />

Masseinheit. Zur Spezifikation von Radien oder Rasterweiten<br />

sind Längenangaben besser geeignet. Um den physiologischen<br />

Grenzwinkel entsprechend auszudrücken zu können, bezieht man<br />

sich auf einen Betrachtungsabstand r. Ein Kreis mit Radius r hat<br />

einen Umfang von 2π r. Derselbe Kreis enthält andererseits<br />

360 · 60 = 21600<br />

Bogenminuten. Folglich entspricht dem Winkel 1 Bogenminute gerade<br />

die Länge:<br />

2π r<br />

21600<br />

Betrachten wir nun eine typische Lesedistanz von r = 40 cm, so erhalten<br />

wir eine Auflösegrenze von:<br />

1<br />

cm oder<br />

86<br />

1<br />

inch oder 0.12 mm<br />

218<br />

Um nun die Helligkeitskomponente eines Bildpixels auf Papier darzustellen,<br />

ordnet man dem Pixel zunächst einen bestimmten Flächenbereich<br />

zu, genannt Rasterzelle. Gemäss den vorangegangen<br />

Überlegungen sollte dabei der Durchmesser der Rasterzelle für den<br />

anvisierten Betrachtungsabstand den physiologischen Grenzwinkel<br />

nicht überschreiten.<br />

In der heutigen digitalen Medientechnik bestehen Rasterzellen<br />

aus einzel adressierbaren Druckpunkten, wobei die englische Bezeichung<br />

Dots zumin<strong>des</strong>t gleich populär ist.


In der einfachsten Form kann man mit einer Rasterzelle eine<br />

r×r - Matrix mit den Dots als Matrixelemente verbinden. Eine solche<br />

Zelle kann dann r 2 +1 verschiedene Graustufen darstellen, je<br />

nachdem wieviele der r 2 maximal möglichen Druckpunkte realisiert<br />

werden. 18 Wenn man annimmt, dass ein Dot seine Matrixposition<br />

exakt ausfüllt, dann entspricht die so spezifizierte Graustufe gerade<br />

dem bedruckten Flächenanteil der Rasterzelle. Die verschiedenen<br />

Rasterverfahren unterscheiden sich in der Art und Weise wie<br />

die Dots in der Rasterzelle angeordnet werden und in der Form und<br />

Anordnung der Rasterzellen, was wir im Folgenden genauer ausführen<br />

werden.<br />

Amplitudenmodulation<br />

Die traditionelle Rastertechnik ist die Amplitudenmodulation (AM).<br />

Hier sind alle gedruckten Dots im Zentrum der Rasterzelle in einer<br />

jeweils spezifischen Rasterpunktform konzentriert. Es sind verschiedene<br />

Rasterpunktformen wie Kreise, Quadrate oder Linien gebräuchlich.<br />

Aus naheliegenden Gründen kann man z.B. im Gelddruck<br />

besonders ungewöhnliche Formen beobachten. Die verschiedenen<br />

Graustufen variieren die Grösse der Rasterpunktform, was<br />

dem Verfahren seinen Namen verlieh. Obwohl die Amplitudenmodulation<br />

für eine feste Dotauflösung nicht die beste Bildqualität erzeugt,<br />

ist sie in ihren digitalen Varianten in vielen Druckbereichen<br />

auch heute noch das vorherrschende Rasterverfahren.<br />

In der Amplitudenmodulation sind die Rasterzellen auf den Gitterpunkten<br />

eines imaginären Gitters, dem Raster, platziert. Die<br />

Feinheit <strong>des</strong> Gitters ist dabei durch den Durchmesser der Rasterzelle<br />

definiert und unterliegt bezüglich <strong>des</strong> physiologischen<br />

Grenzwinkles den gleichen Beschränkungen. Sie wird in Linien pro<br />

cm ( l/cm) bzw. in Linien pro inch (lpi) angegeben. In der Druckindustrie<br />

sind die folgenden Feinheiten üblich:<br />

• 40–50 l/cm bei Zeitungen (Tendenz steigend)<br />

18 die ≪+1≫ -te Graustufe entspricht ≪keine Dots in der Rasterzelle ≫<br />

35<br />

Problemstellung<br />

✧ konstante Helligkeit von Papier bzw. Druckpunkten<br />

➙ macht physikalische Farbmischung unmöglich<br />

✧ Helligkeitswahrnehmung bei Druckbildern<br />

➙ durch beschränktes Auflösevermögen <strong>des</strong> Auges<br />

✧ unterhalb <strong>des</strong> physiologischen Grenzwinkels (1 Bogenminute)<br />

➙ werden Einzelheiten nicht mehr separat erkannt<br />

➙ sondern ergeben mit ihrer Nachbarschaft einen Gesamtreiz<br />

✧ Wahrnehmung ausreichend kleiner Druckpunkte (Dots)<br />

➙ erfolgt zusammen mit dem umgebenden Papierweiss<br />

➙ Farbmischung in den Rezeptorzellen der Netzhaut<br />

klaus simon<br />

Aufösungsvermögen im Halftoning<br />

✧ physiologischer Grenzwinkel: 1 Bogenminute<br />

✧ ein Kreis enthält<br />

✧ bei Betrachtungsabstand r<br />

360 · 60 = 21600 Bogenminuten<br />

Kreisumfang: 2 π r<br />

✧ bei einer üblichen Lesedistanz von 40 cm<br />

➙ entspricht einer Bogenminute<br />

1<br />

cm oder<br />

86<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

inch oder 0.12 mm<br />

218<br />

klaus simon<br />

•<br />

Landolt-Ring<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

57<br />

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58<br />

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Rasterzelle<br />

✧ realisiert einen Bildpixel (Farbvalenz, Grauwert)<br />

➙ “≤ 1/86 ≈ 0.12 mm breit” bei Lesedistanz 40 cm<br />

✧ in der Digitaltechnik aus Dots (Druckpunkten) aufgebaut<br />

➙ z.B. als r ×r -Matrix mit r 2 + 1 realisierbaren Graustufen<br />

➙ Graustufe = bedruckter Flächenanteil der Rasterzelle<br />

✧ Halftoning-Algorithmen<br />

➙ zur Verteilung der Dots innerhalb der Rasterzelle<br />

➙ extreme Verfahren<br />

✛ Amplitudenmodulation: konzentriert im Zentrum<br />

✛ Frequenzmodulation: zufällig verteilt in der Zelle<br />

klaus simon<br />

Amplitudenmodulation<br />

✻ ✁ ✁✕<br />

❆❆❑<br />

✧ Grössenvariation der Rasterpunktform<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ konventionelle Rastertechnik (bis heute weitverbreitet)<br />

✛ nach 1880 als photomechanisches Verfahren entwickelt<br />

➙ digitale Simulation: alle Dots im Zentrum<br />

✧ Bildmagazine: 80 Linien pro cm (l/cm)<br />

➙ entspricht 200 Linien pro inch (lpi)<br />

✧ normaler Buchdruck: 60 l/cm (150 lpi)<br />

✧ Zeitungsdruck: 40–50 l/cm (120lpi)<br />

➙ erreicht nicht die <strong>Auflösung</strong>sgrenze<br />

klaus simon<br />

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59<br />

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60<br />

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36<br />

• 60 l/cm ≈ 152 lpi im normalen Buchdruck<br />

• 80–150 l/cm ≈ 203–381 lpi für den hochqualitativen Druck von<br />

Bildern, speziell bei künstlerischem Hintergrund<br />

Wie wir vorgängig hergeleitet haben, entspricht dem physioligischem<br />

Grenzwinkel bei einer Lesedistanz von 40 cm eine Gitterfeinheit<br />

von 86 l/cm. Unter normalen Betrachtungsbedingungen wird<br />

aber bereits ein Wert von 60 l/cm für pragmatisch ausreichend erachtet.<br />

Im Zeitungsdruck mit 40–50 l/cm ist die Gitterstuktur jedoch<br />

noch leicht erkennbar. Hier werden <strong>des</strong>halb gegenwärtig auch grosse<br />

Anstrengungen unternommen die Gitterfeinheit anzuheben.<br />

Farbdarstellung und Moiré-Effekte<br />

In der Rastertechnik wird grundsätzlich für jede der benutzten Prozessfarben<br />

Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz ein eigenes Raster<br />

erstellt, die übereinander gedruckt werden. Auf die farbmetrischen<br />

Aspekte dieses Vorgehens wird in dieser Vorlesung nicht eingegangen.<br />

Hier betrachten wir jediglich die prozesstechnischen Implikationen<br />

<strong>des</strong> Übereinanderdrucks, nämlich Moiré-Effekte und Strategien<br />

um sie zu vermeiden.<br />

Bei der Überlagerung periodischer Strukturen mit gleicher oder<br />

ähnlicher Periode entstehen Interferenzmuster mit einer grösseren<br />

Periode. Bei Gitterstrukturen spricht man von einem Moiré-Bild<br />

oder kurz Moiré. Repräsentativ ist die Überlagerung von parallelen<br />

Linienmuster der Periode p. Sind die beiden Muster um einen<br />

kleinen Winkel ϕ gegeneinander verdreht, so entstehen helle und<br />

dunkle Moiré-Streifen, wobei die Mitten der hellen Moiré-Streifen<br />

durch die Schnittpunkte der Mitten der dunklen Mustersteifen verlaufen.<br />

Die Periode S der Moiré-Streifen ist durch<br />

S =<br />

p<br />

2 sin ϕ<br />

2


gegeben. Entsprechend führen kleine Winkel ϕ zu einer grossen<br />

Sichtbarkeit der Moiré-Effekte. Dagegen sind sie in einem Winkelbereich<br />

zwischen 30 ◦ und 45 ◦ stark reduziert. Moiré-Muster dieser<br />

Art entstehen auch unter wesentlich allgemeineren Bedingungen.<br />

Sie werden beispielsweise in der Messtechnik angewandt, um durch<br />

Messung von S die Periode p zu bestimmen.<br />

Beim Druckvorgang treten zwei Arten von Moiré-Effekten auf.<br />

Zum einen als Überlagerung der Rasterstruktur mit periodischen<br />

Teilen <strong>des</strong> Bildinhaltes, wie z.B. einem kariertem Jackett. Dies ist<br />

ein allgemeines Problem der digitalen Medientechnik. Populäre Lösungsansätze<br />

manipulieren den Bildinhalt, etwa in der Form von<br />

Weichzeichnen oder dem Einkodieren von Rauschen. Diese Techniken<br />

liegen ausserhalb unseres Themas. Wir gehen <strong>des</strong>halb hier<br />

nicht weiter darauf ein, sondern verweisen auf die einschlägige Literatur.<br />

Die zweite Art der Moiré-Bildung resultiert aus der Überlagerung<br />

der verschiedenen Farbraster in der Amplitudenmodulation.<br />

Der exakte Übereinanderdruck ist auf Grund unvermeidbarer<br />

Produktionsschwankungen nicht realisierbar und kleine Abweichungen<br />

führen zu grossen visuellen Störungen. Der Ausweg zur<br />

Reduktion der Moiré-Bildungen besteht <strong>des</strong>halb in einer deutlichen<br />

Verdrehung der Gitter zueinander. Da es 4 Prozessfarben in 90 ◦ einzuteilen<br />

gilt, kann eine wünschenswerte Winkeldifferenz von mehr<br />

als 35 ◦ nicht zwischen allen Farben eingehalten werden. Die üblichen<br />

Rasterwinkel aus DIN 165447<br />

Gelb 0 ◦ , Cyan 15 ◦ , Magenta 75 ◦ und Schwarz 45 ◦<br />

stellen jedoch einen erfahrungsgemäss guten Kompromiss dar. In<br />

der Zuteilung der Farben auf die Winkel wurde zusätzlich zur<br />

Moiré-Problematik auch der Oblique-Effekt 19 berücksichtigt, indem<br />

die visuell unauffälligste Farbe Gelb mit dem besten auflösbaren<br />

Winkel 0 ◦ bzw. die am besten sichtbare Farbe mit dem am schlechtesten<br />

auflösbaren Rasterwinkel 45 ◦ kombiniert wurden. Die Moiré-<br />

19 Das <strong>Auflösung</strong>smögen <strong>des</strong> Menschen für Linienmuster hängt vom Winkel<br />

der Linien zur Verbindungsgeraden der Augen ab. Senkrecht oder waagerecht<br />

ist es am grössten, bei 45 ◦ am geringsten.<br />

37<br />

✧ Interferenzmuster bei<br />

Moiré-Effekte<br />

➙ Überlagerung periodischer Strukturen<br />

➙ mit gleicher oder ähnlicher Periode<br />

✧ typisch: helle und dunkle Moiré-Steifen<br />

➙ bei Verdrehung identischer Raster<br />

✛ mit Periode p um einen Winkel ϕ<br />

➙ Abstand der Moiré-Steifen<br />

S = p/(2 sin ϕ<br />

2 )<br />

➙ ϕ klein ⇒ Moiré-Periode gross<br />

✛ minimale Sichtbarkeit bei ϕ ≈ 35 ◦<br />

➣ Farbrasterwinkel als Kompromiss<br />

Farbdarstellung<br />

klaus simon<br />

✧ separates Raster für jede Prozessfarbe (CMYK)<br />

✧ Übereinanderdruck der Farbraster<br />

➙ führt zu ungewollten Moiré-Bildungen<br />

✧ Minimierung der Moiré-Sichtbarkeit<br />

➙ durch Drehung der Rastergitter gegeneinander<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ zusätzlich: Zuordnung der Farben gemäss Oblique-Effekt<br />

✧ Rasterwinkel nach DIN 16547<br />

➙ Yellow 0 ◦<br />

➙ Cyan 15 ◦<br />

➙ Magenta 75 ◦<br />

➙ Schwarz 45 ◦<br />

klaus simon<br />

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61<br />

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62<br />

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Moiré-Effekte bei Farbraster<br />

klaus simon<br />

Frequenzmodulierte Rasterung<br />

✧ ≪zufällige ≫ Verteilung der Dots in einer Rasterzelle<br />

➙ Helligkeit entspricht ≪Dots pro Fläche ≫<br />

➙ kein Rastergitter<br />

✧ Vorteil<br />

➙ bessere Detailschärfe bei gleicher Dotauflösung<br />

➙ unempfindlich bei Farbregisterschwankungen<br />

✛ z.B. infolge variierender Papierqualität<br />

➙ keine Moiré-Effekte<br />

✧ Nachteil<br />

➙ verlangt fehlerfreie Doterzeugung<br />

✛ was nicht selbstverständlich ist<br />

✛ grosse Tonwertzunahme<br />

klaus simon<br />

✧ Yellow 0 ◦<br />

✧ Cyan 15 ◦<br />

✧ Magenta 75 ◦<br />

✧ Schwarz 45 ◦<br />

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technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

63<br />

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38<br />

Bildung kann auf diese Weise zwar nicht gänzlich vermieden werden,<br />

wird aber in der Häufigkeit <strong>des</strong> Auftretens und in der visuellen<br />

Auffälligkeit deutlich reduziert.<br />

Frequenzmodulierte Rasterung<br />

Bereits in den 70er Jahren wurden erste Konzepte zur frequenzmodulierten<br />

Rasterung (FM) vorgeschlagen. Obwohl dieses Verfahren<br />

bei gleicher Dot-<strong>Auflösung</strong> eine wesentlich bessere Detailschärfe<br />

bietet, wurde es eigentlich erst in den 90er Jahren populär, vermutlich<br />

nicht zuletzt auf Grund steigender Rechnerleistung.<br />

Die FM-Rasterung verteilt im Gegensatz zur AM-Methode die<br />

Dots mehr oder weniger zufällig in der Rasterzelle. Man spricht <strong>des</strong>halb<br />

auch von stochastischer Rasterung. Der Tonwert einer Rasterzelle<br />

ist also durch die Häufigkeit der Druckpunkte bestimmt und<br />

nicht durch den Durchmesser einer Rasterpunktform. Da durch die<br />

zufällige Verteilung der Dots die Rasterzelle als solche nicht mehr<br />

erkennbar ist, verschiebt sich die Sichtbarkeitsgrenze in Richtung<br />

der Dot-<strong>Auflösung</strong>. Damit ist FM-Rasterung insbesondere für Ausgabegeräte<br />

mit einer geringen Dot-<strong>Auflösung</strong>, wie z.B. Ink-Jets, interessant.<br />

Ausser der höheren Detailgenauigkeit haben FM-Raster aber<br />

noch einige weitere prinzipielle Vorteile. Dies ist zunächst die<br />

Unempfindlichkeit gegenüber Moiré-Effekten im Mehrfarbendruck.<br />

Die zufällige Dot-Verteilung bildet im Allgemeinen keine periodischen<br />

Strukturen, die beim Übereinanderdruck der Farbraster<br />

interferieren könnten. Es sind <strong>des</strong>halb auch keine speziellen<br />

Massnahmen zur Moiré-Vermeidung, wie die Verdrehung der Farbraster,<br />

bei der AM-Rasterung nötig. Gleichfalls wirken sich Abweichungen<br />

bei der Platzierung der Farbraster, etwa als Folge von variierender<br />

Papierqualität während <strong>des</strong> Drucks, weniger störend aus.<br />

Aber es gibt auch Nachteile. Die zentrale Voraussetzung der<br />

FM-Rasterung ist die physikalisch fehlerfreie Produzierbarkeit eines<br />

einzelnen Druckpunktes. Dies ist z.B. bei Laserdruckern keine<br />

Selbstverständlichkeit. Im Offsetdruck kommt es bei grossen Auflagen<br />

zu einer mechanischen Abnutzung der Druckplatten. Einzelne


Dots sind dafür empfindlicher als Dot-Cluster. Nicht zuletzt beobachtet<br />

man für FM eine stärkere Tonwertzunahme, d.h. eine grössere<br />

Abweichung zwischen angestrebter und produzierter Flächenbedeckung<br />

als bei der AM-Rasterung.<br />

2.4.6 Der fotografische Schwarzweissprozess<br />

In den vorangegangenen Abschnitten wurde dargelegt, dass der<br />

zentrale Schritt der fotomechanischen Reproduktion in der Erzeugung<br />

von Filmen als Kopiervorlagen für die Druckformherstellung<br />

liegt. Bevor wir uns im Folgenden mit der Organisation dieser Produktionstechnik<br />

befassen, möchten wir hier auf die bisher nur vereinzelt<br />

angesprochenen Aspekte der Filmtechnik eingehen. Dabei<br />

beschränken wir uns auf den Schwarzweissprozess, da nur dieser in<br />

der Bildreproduktion eingesetzt wird.<br />

Moderne Filme bestehen aus vier Schichten. Eine etwa 2 µm dicke<br />

äussere Schutzschicht bedeckt die 10mal dickere lichtempfindliche<br />

fotografische Schicht. Darunter liegt eine ca. 150 µm erreichende<br />

Lichthofschutzschicht. Der Name bezieht sich auf eine spezielle<br />

Funktion, nämlich der Unterdrückung der Totalreflexion an der<br />

Rückseite der Trägerfolie, welche den Abschluss bildet.<br />

Die fotografische Schicht ist eine lichtempfindliche Emulsion, 20<br />

die normalerweise aus Gelatine mit eingebetteten Silberhalogenidkriställchen<br />

(Körner) besteht. Das Silberhalogenid besteht überwiegend<br />

aus Silberbromid (A gBr) mit geringen Zusätzen aus Silberchlorid<br />

(A gCI) und Silberiodid (A gI). Die Eigenschaften der fotografischen<br />

Schicht werden entscheidend durch Grösse, Art und<br />

Form der Silberhalogenidkörner bestimmt. Mit zunehmender Korngrösse<br />

nimmt die Empfindlichkeit der Emulsion zu, das Auflösevermögen<br />

für Details nimmt dagegen ab. Bei der Filmauswahl wird<br />

<strong>des</strong>halb im Allgemeinen versucht, die benötigte Empfindlichkeit mit<br />

der kleinstmöglichen Korngrösse zu erreichen.<br />

20 Es ist üblich von Emulsion zu sprechen, auch wenn dies technisch nicht ganz<br />

korrekt ist.<br />

39<br />

Vergleich AM-FM-Rasterung<br />

klaus simon<br />

fotografischer Schwarzweissprozess<br />

FM-Raster<br />

✧ bessere Detailauflösung<br />

✧ bei gleicher Rasterweite<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Film: Schutzschicht, fotografische Schicht, Lichtschutz, Trägerfolie<br />

✧ fotografische Schicht: lichtempfindliche Emulsion auf einem Träger<br />

➙ Silberhalogenidkriställchen in Gelatine als Bindemittel<br />

➙ Silberbromid Ag Br (überwieg.), Silberchlorid Ag CI, Silberiodid Ag I<br />

➙ Korngrösse: <strong>Auflösung</strong> E Sensibilität<br />

✧ Belichtung erzeugt ein latentes Bild<br />

➙ führt zu Entwicklungskeimen (Silberatomgruppen)<br />

➙ bewirken lokal unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten<br />

✧ Entwicklung: Visualisierung <strong>des</strong> latenten Bil<strong>des</strong> (Redoxprozess)<br />

➙ Entwicklersubstanz reduziert Silberhalogenid zu Silber<br />

➙ entstehen<strong>des</strong> Silber färbt Bild schwarz<br />

➙ Fixierung: Abbruch bei maximalem Kontrast nach ca. 5.3 Minuten<br />

✧ Sensitometrie: Abhängigkeit B e l i c h t u n g - S c h w ä r z u n g<br />

➙ Gradation: Schwärzungskurve bzw. deren mittlere Steigung<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

65<br />

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66<br />

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Schwärzungskurve<br />

zu kurze Entwicklungszeit optimal entwickelt zu lange Entwicklungszeit<br />

optische Dichte D<br />

optische Dichte D<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

belichtet<br />

✻<br />

✻ ✻ ✻ ✻<br />

maximaler<br />

Bildkontrast<br />

❄ ❄ ❄ ❄ ❄<br />

unbelichtet<br />

Entwicklungszeit in s<br />

10 1 10 2 10 3 10 4 10 5<br />

klaus simon<br />

Belichtung und Dichte<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

γ ≫ 1 Original<br />

γ ≪ 1<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

x<br />

y<br />

Arbeitsbereich<br />

10 1 10 2 10 3 10 4<br />

klaus simon<br />

γ def<br />

= y<br />

x<br />

Belichtung in lx·s<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

67<br />

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68<br />

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40<br />

Der fotografische Prozess beginnt mit der Belichtung der Emulsion<br />

in der Kamera bzw. dem Kopiergerät, wobei ein latentes Bild<br />

entsteht. Die Bezeichnung latent drückt aus, dass das Bild zu diesem<br />

Zeitpunkt noch nicht sichtbar ist. Statt<strong>des</strong>sen haben sich an<br />

den belichteten Stellen Silberatome aus den Silberhalogenidkristallen<br />

gelöst, die sich zu so genannten Entwicklungskeimen gruppieren.<br />

Die Anzahl dieser Entwicklungskeime ist dabei proportional zu<br />

der eingefallenen Lichtmenge, so dass ihre lokal unterschiedliche<br />

Verteilung die Bildinformation repräsentiert.<br />

Die Visualisierung <strong>des</strong> latenten Bil<strong>des</strong> erfolgt durch einen chemischen<br />

Redoxprozess. In der fotografischen Entwicklung wirkt eine<br />

Entwicklersubstanz als Reduktions- und das Silberhalogenid<br />

als Oxidationsmittel. Als Reaktionsprodukt entstehen metallische<br />

Silber- und Bromionen, wobei das Silber für die Bildschwärzung verantwortlich<br />

ist. Die in der Belichtung entstandenen Entwicklungskeime<br />

haben eine katalytische Wirkung und lassen die Redoxreaktion<br />

in ihrer Umgebung beschleunigt ablaufen. Dadurch werden die<br />

bildgebenden Konzentrationsunterschiede <strong>des</strong> metallischen Silbers<br />

zunächst verstärkt. Bleibt die Entwicklungsreaktion ungestört, so<br />

läuft sie weiter bis das gesamte Silberhalogenid aufgebraucht ist,<br />

auch an den Stellen die anfangs unbelichtet waren. Damit von dem<br />

aufgenommenen Bild mehr übrig bleibt als eine schwarze Fläche,<br />

muss die Entwicklungsreaktion nach einer gewissen Zeit gestoppt<br />

werden. Empirische Untersuchungen zeigen, dass 5.3 Minuten ein<br />

oftmals geeigneter Stoppzeitpunkt ist. Der Kontrast zwischen belichteten<br />

und unbelichteten Bildstellen ist dann maximal, siehe Folie<br />

67.<br />

Der Abbruch der Entwicklungsreaktion heisst Fixierung und erfolgt<br />

gleichfalls chemisch. Im Fixierbad, einer wässrigen Lösung<br />

eines Fixiermittels, wird das noch vorhandene Silberhalogenid zusammen<br />

mit anderen nicht benötigten Silberverbindungen zunächst<br />

in wasserlösliche Silberkomplexe umgewandelt und dann ausgewaschen.<br />

Häufig benutzte Fixiermittel sind etwa Natriumthiosulfat<br />

oder Ammoniumthiosulfat.<br />

Die Sensitometrie beschreibt den Zusammenhang zwischen der


Belichtung und der dadurch erzeugten Schwärzung der Fotoemulsion.<br />

Obwohl dieser Zusammenhang wellenlängenabhängig<br />

ist, wird im Kontext von Filmen darauf verzichtet, die Aussagen<br />

diesbezüglich aufzuschlüsseln. Das Mass der Schwärzung ist die optische<br />

Dichte D oder kurz Dichte genannt. Sie ist definiert als der<br />

negative dekadische Logarithmus <strong>des</strong> Transmissionsgra<strong>des</strong> τ, also:<br />

D = −log 10 τ<br />

Der Transmissionsgrad τ ist dabei durch das Verhältnis<br />

τ = Φ′<br />

Φ<br />

<strong>des</strong> den Film durchdringenden Lichtstroms Φ ′ zum auftreffenden<br />

Lichtstrom Φ bestimmt. Ein D = 1 steht also für eine Abschwächung<br />

auf ein Zehntel bzw. D = 2 auf ein Hundertstel <strong>des</strong> ursprünglichen<br />

Lichtstroms.<br />

Der erste uns interessierende Zusammenhang besteht zwischen<br />

der Entwicklungszeit t und der erreichten Dichte. In Folie 67 sind<br />

die entsprechenden Kurven für einen belichteten und einen unbelichteten<br />

Film angegeben. Bei t = 0 liegt in beiden Fällen keine<br />

Schwärzung vor. Für t = ∞ ist in beiden Fällen das gesamte Silberhalogenid<br />

verbraucht und die Schwärzung hat den Maximalwert<br />

Dmax erreicht. Dazwischen zeigt die Kurve für den unbelichteten<br />

Film einen wesentlich kleineren Anstieg. Der für die Fototechnik<br />

bedeutende Zeitpunkt ist dann erreicht, wenn die Differenz beider<br />

Kurven maximal wird. Das ist der optimale Zeitpunkt für die Fixierung.<br />

Der typische Wert für Dmax liegt bei Negativfilmen bei 2–3.<br />

Der zweite für uns wichtige Zusammenhang ist die Gradationsoder<br />

Schwärzungskurve. Sie beschreibt die nach der Entwicklung<br />

erreichte Schwärzung als Funktion der Belichtung H, wobei sich H<br />

aus dem Produkt — bei nicht konstantem E kann ein entsprechen<strong>des</strong><br />

Integral benutzt werden — der Beleuchtungsstärke E und der<br />

Belichtungszeit t berechnet:<br />

H = E · t<br />

41<br />

Dunkelkammer<br />

Fotoentwicklung<br />

klaus simon<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

69<br />

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70<br />

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Trocknung nach der Fixierung<br />

klaus simon<br />

fotomechanische Rasterung . . .<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ . . . durch Übertragung eines Fotos auf eine Druckform<br />

✧ frühe Ansätze bei Niépce und Talbot (Ätzverfahren)<br />

✧ 1854 Paul Pretsch (1808 – 73): Photo-Galvanographie<br />

➙ galvan. Abformung v. Gelatinebilder, textile Gewebe zur Rasterung<br />

✧ 1864 Joseph Wilson Swan (1828 – 1914): chromierte Gelatinebilder<br />

➙ Auswaschung wasserlöslicher Teile<br />

✧ 1857 M. Bertcholds: Glasrasterkopien auf Metallplatten<br />

✧ 1882 Georg Meisenbach: autotypische Raster mit Kameras<br />

➙ etabliert fotomech. Reprotechnik, wiss. Grundlagen noch offen<br />

✧ ab 1970 konventioneller Fotosatz (Endstufe der Technik)<br />

➙ Druckform als fotografische Kopierschicht ( ⇒ Offsetdruck)<br />

➙ Reprokameras erzeugen gerasterte Kopiervorlage<br />

➙ Diskretisierung zu Dots mit Lith-Filmen (AM-Raster)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

71<br />

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72<br />

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42<br />

Die Gradationskurve hat einen S-förmigen Verlauf, wie er für eine<br />

Ertragsfunktion typisch ist, siehe Folie 68. Sie beginnt mit einem<br />

abszissenparallelen Abschnitt, der dem Entwicklungsschleier entspricht.<br />

Der Entwicklungsschleier entsteht durch vereinzelte nicht<br />

belichtete Silberhalogenidkörner, die trotzdem entwickelt wurden.<br />

Der achsenparallele Teil endet bei der Schwellenschwärzung. Ab<br />

hier hat die Belichtung einen sichtbaren Effekt. Die Kurve geht<br />

dann langsam in einen linearen Teil über. Der lineare Abschnitt<br />

der Schwärzungskurve ist der eigentliche Arbeitsbereich <strong>des</strong> Films.<br />

Der darunterliegende Teil entspricht einer Unterbelichtung bzw. der<br />

sich nach oben anschliessende Teil einer Überbelichtung. Wie bei einer<br />

Ertragskurve typisch, existiert eine Belichtung mit maximaler<br />

Schwärzung. Wird die Belichtung über diesen Wert erhöht, erniedrigt<br />

sich die erzielte Schwärzung wieder, man spricht dann von Solarisation.<br />

Der lineare Abschnitt der Schwärzungskurve entspricht dem<br />

technisch nutzbaren Teil. Von besonderem Interesse ist die Kurvensteigung,<br />

als Gradation γ bezeichnet, denn sie ist ein Mass für<br />

die Filmempfindlichkeit. 21 Falls der betrachtete Film keinen ausgeprägten<br />

linearen Anteil besitzt, was materialabhängig möglich ist,<br />

so drückt der γ-Wert das mittlere Verhalten aus. Die Gradation beschreibt<br />

das Kontrastwiedergabeverhalten <strong>des</strong> Fotomaterials. Für<br />

γ > 1 werden die Kontraste in der Wiedergabe vergrössert, für γ < 1<br />

werden sie kleiner. Man spricht von harter oder weicher Gradation.<br />

Handelsübliche Negativfilme haben einen γ-Wert zwischen 0.6 und<br />

0.8.<br />

Ein Spezialfall sind so genannte Lithfilme, wie sie etwa in Reprokameras<br />

eingesetzt werden. Durch spezielle Sensibilisierung wird<br />

hier die Entwicklungsgeschwindigkeit für stärkere Belichtungen<br />

beschleunigt, und umgekehrt, diejenige für schwache Belichtungen<br />

abgebremst. Der resultierende Film hat eine sehr hohe Gradation,<br />

γ > 2, so dass hellgraue Töne weiss wiedergegeben werden bzw. dunkelgraue<br />

schwarz. Das wiedergegebene Bild enthält nahezu keine<br />

21 zur technischen Definition der Filmempfindlichkeit siehe [6]


Übergänge zwischen Schwarz und Weiss. Genau dieses Verhalten 22<br />

wird bei der Erzeugung eines amplitudenmodulierten Dots im konventionellen<br />

Fotosatz 23 benötigt. Seit den Anfängen der Autotypie<br />

um 1880 bis zum modernen Fotosatz stellten Lithfilme eine der zentralen<br />

Techniken der fotomechanischen Bildreproduktion dar.<br />

2.4.7 Fotomechanische Rasterung<br />

Die Idee, ein Foto in eine druckbare Form zu überführen, ist eine<br />

naheliegende Idee, die bereits von den Pionieren der Fotografie untersucht<br />

wurde. Insbesondere die bereits erwähnten Asphaltätzungen<br />

von Niépce sind hier einzuordnen. Aber auch Talbot dachte bereits<br />

an die Anwendung seiner Entdeckungen im Druckbereich, wie<br />

sein Patent [9] zur Untersuchung von fotografischen Stahlätzungen<br />

von 1852 zeigt. Motiviert durch die Fortschritte der Fotografie nach<br />

1850 standen in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts insbesondere<br />

Ätztechniken, mit und ohne expliziter Rasterung, im Zentrum<br />

<strong>des</strong> Interesses.<br />

Obwohl versucht wurde alle damaligen Druckkonzepte durch fotomechanische<br />

Techniken zu verbessern, oder sogar aus ihnen neue<br />

Druckverfahren wie den Lichtdruck 24 abzuleiten, ist das Konzept<br />

speziell für den Tiefdruck, siehe Kapitel 2.9.3, geeignet. Konsequenterweise<br />

erlebte der Tiefdruck gegen Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

einen rasanten Aufschwung.<br />

Das erste vollständige Verfahren zur fotomechanischen Druckplattenerzeugung<br />

wurde von Paul Pretsch (1808 – 1873) ausgearbeitet.<br />

Er erhielt 1854 das erste Patent auf seine Photo-<br />

Galvanographie, dem sich in den Folgejahren noch einige anschlossen.<br />

Er belichtete Gelatinebilder, die er mit einem feinen Gewebe<br />

22was als eine Art von optischem Runden verstanden werden kann<br />

23siehe Seite 50<br />

241856 von A. L. Poitvevin: Die Quellunterschiede belichteter Gelatineplatten<br />

werden durch Feuchtung zur Dicerenzierung <strong>des</strong> Farbannahmeverhaltens genutzt.<br />

Das Verfahren ist qualitativ hochwertig, erreicht aber in Folge der starken<br />

Druckplattenabnutzung nur eine geringe Auflagenhöhe.<br />

43<br />

P a u l P r e t s c h ( 1 8 0 8 – 1 8 7 3 )<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

G e o r g M e i s e n b a c h ( 1 8 4 1 – 1 9 1 2 )<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

73<br />

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74<br />

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tivkontaktraster erhält man sofort tonfnahmen,ohne<br />

zusätzliche Hilfsbelich-<br />

- bzw. Negativkontaktraster werden zur<br />

n Druckplatten, deren Belichtung mit<br />

egativfilmen erfolgt, verwendet.<br />

r werden im Kopierrahmen mit ihrer<br />

rekt auf die Schichtseite <strong>des</strong> zu belichgelegt.<br />

Das von der Vorlage modulier-<br />

tmedien (ISBN 3-540-66941-8)<br />

a<br />

Lichtintensität<br />

von Vorlage<br />

b<br />

c<br />

Hellraum<br />

Dunkelraum<br />

Prinzip einer Reprokamera<br />

Blende der<br />

Reprokamera<br />

verlaufender<br />

Halbschatten<br />

Film<br />

Kernschatten<br />

Glasrasterplatte<br />

Glasplatte<br />

optischer Kitt<br />

Lack (schwarz)<br />

Reprokameras Schnitt<br />

h<br />

klaus simon<br />

Beleuchtungsstärke<br />

Schwellwert für<br />

Schwärzung<br />

<strong>des</strong> Filmmaterials<br />

konstanter<br />

Rasterpunktabstand<br />

Größe der<br />

Rasterpunkte<br />

(bildabhängig)<br />

te Licht passiert den Kontaktraster und trifft dann auf<br />

den Film, auf dem Punkte unterschiedlicher Größe in<br />

Abhängigkeit von der Vorlagendichte erzeugt werden.<br />

Rastertonwert<br />

Der Rastertonwert j i ist nach Neugebauer [3.1-11] definiert<br />

als<br />

klaus simon<br />

l<br />

w<br />

h<br />

w Linienabstand<br />

l Linienbreite<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

75<br />

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76<br />

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44<br />

aufrasterte. Die Quellfähigkeit unbelichteter Stellen führte dann zu<br />

einem Relief, das nach einer Härtung galvanisch abgeformt wurde.<br />

Die so gewonnene Form dient als Tiefdruckplatte. Im Jahre 1856<br />

veröffentlicht er Arbeiten über Ätztechniken auf Grundlage von Daguerrotypien<br />

und über verbesserte Quellverfahren für Gelatinebilder.<br />

Ab 1857 beschäftigt er sich auch mit Hochdruckplatten. Auf<br />

der Londoner Weltausstellung 1862 präsentiert er verstählte Kupferplatten<br />

und Hochdruckformen. Unglücklicherweise erkrankte er<br />

noch im gleichen Jahr und erholte sich bis zu seinem Tode 1873<br />

nicht mehr.<br />

Einen ähnlichen Ansatz wie Pretsch verfolgte Joseph Wilson<br />

Swan in seinem Patent von 1864, nämlich der Übertragung von Gelatinebildern<br />

auf Metall, wobei er jedoch die galvanoplastische Abformung<br />

durch eine Ätzung ersetzte. Er übertrug ein Halbtondiapositiv<br />

auf chromiertes Gelatinepapier. Durch die Belichtung verliert<br />

die Gelatine einen Teil ihrer Quell- und Wasserlöslichkeit. Die Entwicklung<br />

in warmem Wasser wusch den noch löslichen Gelatineanteil<br />

aus. Das resultierende Gelatinerelief bestimmte den Grad der<br />

Ätzung auf der darunter liegenden Kupferplatte.<br />

Der interessante Effekt ist, dass tiefere Näpfchen im Tiefdruck<br />

mehr Farbe übertragen und somit implizit eine gewisse Helligkeitsmodulation<br />

<strong>des</strong> Dots realisieren. Diese Unterstützung <strong>des</strong> Halbtoneffektes<br />

war in den damaligen Zeiten mit geringen Rasterwerten<br />

ein entscheiden<strong>des</strong> Qualitätskriterium und führte schliesslich zur<br />

Entwicklung der modernen industriellen Tiefdruckverfahren. Bekannt<br />

wurde insbesondere die 1895 gegründete Rembrandt Intaglio<br />

Printing Company, der es durch strikte Geheimhaltung gelang,<br />

den Rastertiefdruck für etwa 10 Jahre zu dominieren.<br />

Neben der Übertragung der Bildinformation auf die Druckplatte,<br />

war die Umformung <strong>des</strong> Fotos in ein Rasterbild das zentrale<br />

Problem. Wie wir im Kapitel Halftoning darlegen werden, muss im<br />

Druck 25 die Helligkeitsinformation in Rasterzellen simuliert werden.<br />

Die automatische Erzeugung dieser Rasterstruktur blieb lange<br />

25 Von der beschränkten Intensitätsmodulation sei hier abgesehen. Auch der<br />

Tiefdruck ist überwiegend ein Rasterdruckverfahren.


der limitierende Faktor der fotomechanischen Bildreproduktion.<br />

Eine naheliegende Idee ist das Einbringen eines Gitternetzes in<br />

den Strahlengang der Bildaufnahme. Die auf diese Art von Talbot<br />

oder Pretsch erzeugten Raster waren jedoch noch recht grob<br />

und technisch schlecht handhabbar. Eine Verbesserung brachte M.<br />

Berchtholds französisches Patent von 1857, in dem gravierte Glasplatten<br />

zur Übertragung von Rastern auf beschichtete Metallplatten<br />

vorgeschlagen wurden. Um die Gitterstruktur zu erzeugen, wurde<br />

das eingravierte feine Liniensystem in der zweiten Hälfte der<br />

Belichtung um 90° gedreht.<br />

Die nächsten bedeutenden Fortschritte resultierten aus der Verwendung<br />

von Kameras zur Aufrasterung, die vor dem Hintergrund<br />

von substanziellen Verbesserungen im Bereich der Kameratechnik<br />

und der Fotoemulsionen zu sehen sind. Im Jahre 1880 gelang es<br />

Carl Angerer in Wien Berchtholds Konzept mittels Kameratechnik<br />

zu realisieren. Unabhängig von ihm, meldete Georg Meisenbach<br />

das gleiche Verfahren 1882 in Deutschland zum Patent<br />

(DRP 22244) an und wird <strong>des</strong>halb oftmals als Erfinder der Autotypie<br />

bezeichnet. Auf Grund <strong>des</strong> folgenden Rechtsstreites ersetzte Angerer<br />

das ursprünglich benutzte Linienraster durch ein Kreuzraster.<br />

Die Kennzeichen <strong>des</strong> Verfahrens sind mehrere Zwischenschritte.<br />

Zunächst wurde vom Original eine vergrösserte, gerasterte Negativkopie<br />

erstellt. Innerhalb einer Rasterzelle verlaufen die Halbtöne<br />

kontinuierlich vom Zentrum zum Zellenrand, d.h. sie stellen eine<br />

Art stetiger Amplitudenmodulation dar, die durch die Schattenbildung<br />

<strong>des</strong> eingeblendeten Linienrasters verursacht wird. Danach<br />

wurde das Negativ zum Positiv umkopiert. Die Kopiervorlage der<br />

Druckform war dann wieder ein verkleinertes Negativraster. Dieser<br />

komplizierte Prozess war notwendig, um eine ausreichende Feinheit<br />

<strong>des</strong> Rasters zu erreichen.<br />

2.4.8 Offsetdruck<br />

Nachdem gegen Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts die fotomechanische<br />

Bildreproduktion als Konzept gefestigt war, stellte sich natürlich die<br />

45<br />

Offsetdruck<br />

✧ indirekter Flachdruck (mit Druckzylinder)<br />

➙ Farbübertragung auf Zwischenträger (Gummituchzylinder)<br />

➙ von dort auf den Bedruckstoff übertragen<br />

➙ Weiterentwicklung der Lithograhie zum Rotationsdruck<br />

✧ 1886 Ruddiman Johnson: Z i n k d r u c k - R o t a r i e s<br />

➙ biegsame Zinkplatte mit lichtsensitiver Beschichtung<br />

✧ 1904 Ira Rubel und Caspar Hermann (unabhängig)<br />

➙ litographischer Druck mit Gummituchzylinder<br />

✛ Konzept bekannt aus Blechdruck<br />

✧ 1960 – 70 Ablösung <strong>des</strong> Hochdrucks als dominante Druckart<br />

➙ bessere Druckqualität (z.B. für Anzeigenmarkt)<br />

➙ Offsetdruckplatten sind einfacher herstellbar (Fotosatz)<br />

➙ etwa 50 % höhere Druckgeschwindigkeit<br />

➙ flexibel bei Bedruckstoffen und Farben<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Nachbildung der Offsetdruckmaschine von I r a R u b e l<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

77<br />

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78<br />

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Offsetdruckmaschine von C a s p a r H e r m a n n<br />

klaus simon<br />

Offsetdruckmaschine: <strong>EMPA</strong>-Labor<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

79<br />

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80<br />

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46<br />

Frage der optimalen drucktechnischen Umsetzung. Die verfahrenstechnisch<br />

engsten Beziehungen bestanden offenbar zur Lithographie<br />

mit ihrer chemischen Farbübertragung. Es hat <strong>des</strong>halb nicht<br />

an Versuchen gefehlt, den Flachdruck entsprechend weiterzuentwickeln.<br />

Da die technologischen Voraussetzungen <strong>des</strong> Flachdrucks allerdings<br />

nicht die besten waren, dauerte es eine Weile bis die neue<br />

Technik, der Offsetdruck, 1904 auf der Bühne erschien. Die Bedeutung<br />

<strong>des</strong> Offsetdrucks stieg in der ersten Hälfte <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts<br />

kontinuierlich an. Hand in Hand mit den grossen Fortschritten<br />

in der Fototechnik wurde der Offsetdruck nach dem 2. Weltkrieg<br />

die dominante Drucktechnik, die <strong>letzten</strong> Dämme brachen mit dem<br />

Durchbruch <strong>des</strong> digitalen Fotosatzes nach 1970. Heute repräsentiert<br />

der Offsetdruck etwa 65 – 70 % der weltweiten Wertschöpfung<br />

in der graphischen Industrie.<br />

Der Rollenoffsetdruck ist ein indirekter Flachdruck mit Gummituchzylinder<br />

für den gleichzeitigen Schön- und Widerdruck. Das Adjektiv<br />

indirekt bezieht sich dabei auf die Farbübertragung, die nicht<br />

direkt von der Druckform auf den Bedruckstoff erfolgt, sondern von<br />

der Druckform auf einen Druckzylinder, der mit einem Gummituch<br />

bezogen ist, und erst von dort auf den Bedruckstoff. Der elastische<br />

Gummi führt zu einer deutlichen Qualitätssteigerung speziell bei<br />

nicht optimalen Papiersorten.<br />

Das Konzept wurde aus dem Blechdruck übernommen, wo es allerdings<br />

mit dem Hochdruck kombiniert war. Ein frühes Patent für<br />

den Druck auf Blech mit Gummizylinder wird 1874 in England an<br />

Robert Barclay und Arthur Evans von der Firma George Mann<br />

verliehen.<br />

Der zweite wichtige Input für den Offsetdruck sind leichte, biegsame<br />

Druckformen aus Metall. Die ersten solchen Druckformen<br />

wurden 1886 von Ruddiman Johnson in Edinburgh für seine<br />

Zinkdruck-Rotaries vorgestellt. Er benutzte Zinkplatten, die mit einer<br />

lichtempfindlichen Schicht überzogen waren.<br />

In den USA wurden die Zinkplatten schnell durch Aluminiumplatten,<br />

die auch noch heute üblich sind, ersetzt. Im Jahre 1900


aut die Aluminium Plate and Press Company in New York ihre<br />

erste lithographische Bogenrotationsmaschine für den direkten<br />

Metalldruck.<br />

Als das eigentliche Geburtsjahr <strong>des</strong> Offsetdrucks gilt 1904 und<br />

wieder handelt es sich um eine unabhängige Parallelerfindung.<br />

Durch einen Fehldruck wird der Amerikaner Ira W. Rubel in<br />

Washington auf die Qualitätsvorteile der Farbübertragung mittels<br />

Gummituchzylinder aufmerksam. Er prägte die Bezeichnung Offset<br />

für die von ihm konstruierten Maschinen.<br />

Der zweite Erfinder ist der Deutsche Caspar Hermann, der in<br />

Baltimore (USA) eine kleine Druckerei betrieb. Er versuchte, die<br />

Technik <strong>des</strong> Blechdrucks auf die Lithographie zu übertragen. 1903<br />

wurde ihm ein Patent mit Hinweis auf den Blechdruck verweigert.<br />

Im folgenden Jahr offerierte er der Hariss Automatic Press Company<br />

in Ohio sein Know-how zum Bau einer ersten Bogenoffsetmaschine.<br />

Hermann erhielt 1907 ein deutsches Patent auf eine seiner<br />

Weiterentwicklungen, was ihn veranlasste nach Deutschland<br />

zurückzukehren.<br />

Auf der Suche nach einem Financier gelangte Caspar Hermann<br />

1910 an Ernst Hermann, Inhaber der Druckwalzenfabrik Felix<br />

Böttcher in Leipzig. Ernst Hermann war von dem Konzept so<br />

überzeugt, dass er auf eigene Kosten die Vogtländische Maschinenfabrik<br />

VOMAG mit dem Bau eines Prototyps beauftragte. Die<br />

Universal, eine Rollenoffsetdruckmaschine mit 8000 Bögen pro<br />

Stunde, Bahnbreite 70 cm, ist 1912 produktionsbereit. Nach einer<br />

erfolgreichen Vermarktung der Maschine auf der Bugra 1914 verhalf<br />

das Patent Hermanns der VOMAG schnell zu einer marktbeherrschenden<br />

Stellung.<br />

Im harten Konkurrenzkampf nach dem 2. Weltkrieg setzten sich<br />

die Vorteile <strong>des</strong> Offsetdrucks immer mehr durch. Er bietet eine 50 %<br />

höhere Druckgeschwindigkeit bei besserer Qualität als der Hochdruck.<br />

Ferner ist er flexibler bei Bedrucksstoffen und Farben. Die<br />

grössten Vorteile existieren jedoch bei den Druckplatten, die billiger<br />

und schneller zu produzieren sind. Die leichten Aluminiumplatten<br />

sind auch in grossen Formaten handhabbar. Die Bedeutung <strong>des</strong><br />

47<br />

Offsetdruckmaschine: MAN Roland<br />

klaus simon<br />

Offsetdruckplatten im Fotosatz<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ heute meist biegsame Aluminiumplatten (bis 0.3 mm)<br />

➙ elektrolytisch aufgerauht und oxidiert<br />

➙ Oxidationsschicht wasseranziehend (hydrophil)<br />

➙ Überzug mit bildgebender Kopierschicht<br />

✛ lichtempfindlichem Diazolack (Fotopolymer)<br />

✧ Informationsprägung: Belichtung (UV) und Entwicklung<br />

➙ zwei Wirkungsweisen<br />

✛ Negativkopie: Härten der Kopierschicht<br />

✛ Positivkopie: Zersetzen der Kopierschicht<br />

➙ Farbübertragung: unterschiedliche Oberflächeneigenschaften<br />

✛ Feuchtung und Einfärbung analog zu Steindruck<br />

➙ Abschluss: mechanische Stabilisierung (z.B. Brennen)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

81<br />

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82<br />

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Druckplattenbeschichtung (<strong>EMPA</strong>-Labor)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Gummituch und fotomechanische Plattenbelichtung<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

83<br />

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84<br />

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48<br />

Buchdrucks geht entsprechend in den 60er Jahren drastisch zurück.<br />

Moderne Offsetdruckplatten sind meist Aluminiumbleche bis etwa<br />

0.3 mm Dicke. Um die Oberfläche wasseranziehend zu machen,<br />

wird sie elektrolytisch aufgeraut (anochsiert) und anschliessend<br />

oxydiert. Das entstehende Aluminiumoxid ist stark hydrophil. Dann<br />

wird die bildgebende Kopierschicht aufgebracht, typischerweise ein<br />

lichtempfindlicher Diazolack (Fotopolymer). Zur Übertragung der<br />

Kopiervorlage benutzt man UV-Licht, das besonders fotowirksam<br />

(aktinisch) ist. Dabei unterscheidet man grundsätzlich verschiedene<br />

Vorgangsweisen:<br />

• Härten der Kopierschicht durch Licht, was zur Negativkopie<br />

führt, oder das<br />

• Zersetzen der Schicht durch Licht, was eine Positivkopie, erzeugt.<br />

Durch die fotomechanische Härtung werden die belichteten Stellen<br />

für den Entwickler unlöslich. Dagegen werden bei der Zersetzung<br />

die belichteten Teile durch den Entwickler aufgelöst. Die verbleibenden<br />

Teile der Kopierschicht sind oleophil und nehmen entsprechend<br />

die Druckfarbe auf. Der Druckvorgang verläuft dann prinzipiell<br />

gleich wie beim Steindruck, mit einem regelmässigen Wechsel<br />

von Feuchtung und Einfärbung. Nach der Entwicklung der Druckplatten<br />

kann durch eine thermische Nachbehandlung (Einbrennen)<br />

ihre mechanische Stabilität und damit ihre Standzeit erhöht werden.<br />

2.4.9 Fotosatz<br />

Die fotomechanische Bildreproduktion kann natürlich auch auf<br />

einen vorliegenden Text angewandt werden. Dazu muss man ihn lediglich<br />

fotografieren und in die übliche Verarbeitungskette einspeisen.<br />

Wenn die Textvorlage dazu jedoch zunächst einmal in konventionellem<br />

Bleisatz produziert werden muss, ist das geschilderte Vorgehen<br />

offensichtlich nicht sehr effizient. Trotzdem war die Integration<br />

von Textsatz und Bildreproduktion, z.B. für Werbegraphik, be-


eits um 1900 ein Thema. So unterbreitete W. Friese-Green 1898<br />

in London Vorschläge, den Textsatz durch Fotografie und Ätzung<br />

zu realisieren. Die daraus resultierenden Erfindungen und Patente<br />

waren kommerziell aber nicht erfolgreich.<br />

Nach dem 2. Weltkrieg verstärkten sich die Anstrengungen. Der<br />

erste bekannt gewordene Ansatz stammt von den Franzosen René<br />

Higonnet und Louis Moyround, die 1944 in London ein Patent<br />

für eine Fotosatzmaschine namens Lumitype erhielt. Es dauerte<br />

jedoch noch 12 weitere Jahre bis daraus ein marktreifes Produkt,<br />

die Photon 200, wurde. Parallel dazu adaptierten die Hersteller von<br />

traditionellen Satzmaschinen, wie Intertype, Monotype oder Linotype,<br />

ihre Produkte für den Fotosatz.<br />

Konzeptionell basierte diese Technik auf der Kathodenstrahlröhre.<br />

Im Gegensatz zu einem TV-Schirm ist der Elektronenstrahl jedoch<br />

sehr stark fokusiert. Das auf dem Schirm erzeugte Licht wird<br />

durch ein komplexes Linsensystem geleitet und belichtet schliesslich<br />

einen Film. Die erste vollelektonische Version dieses Konzeptes<br />

war die Digiset, die 1965 von Rudolf Hell vorgestellt wurde.<br />

Der wirkliche Durchbruch erfolgte allerdings erst ab 1970 mit<br />

der Einführung <strong>des</strong> Minicomputers in der Druckindustrie. Die Minicomputer<br />

waren nicht nur wesentlich günstiger als die Mainframe-<br />

Computer, sondern sie brachten auch neue funktionale Möglichkeiten<br />

wie graphikfähige Monitore, die für die Druckindustrie von grösstem<br />

Interesse waren.<br />

• Graphikfähige Monitore erlaubten erstmals die Kontrolle und<br />

Korrektur von Satz und Layout.<br />

• Die digitale Datenspeicherung erlaubte die Trennung von<br />

Texterfassung und Ausgabe.<br />

• Das Layout wurde mit Raster Image Processors (RIPs) generiert.<br />

• Die digitale Layouterzeugung erweiterte die typographischen<br />

Möglichkeiten.<br />

49<br />

Offsetdruckform<br />

Fotosatz<br />

✧ Textsatz auf Reprofilmen<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ 1898 W. Friese-Green: Satz durch Fotografie und Ätzung<br />

✧ ab 1945 verstärkte Anstrengungen (Adaption <strong>des</strong> Bleisatzes)<br />

➙ 1944 Higomet u. Moyround: Fotosatzmaschine Lumitype<br />

✧ 1970 Durchbruch mit Laser-Ausgabe und Minicomputer<br />

➙ Trennung von Texterfassung und Ausgabe<br />

➙ Editierbarkeit von Text und Layout (Graphikmonitore)<br />

➙ Layoutgenerierung mit Raster Image Processor (RIP)<br />

➙ erweiterte typografische Möglichkeiten<br />

➙ kleinformatige Belichter (Recoder, Imagesetter, A4 Format)<br />

✧ Vervollständigung der fotomechanischen Produktionskette<br />

➙ speziell im Zeitungsdruck<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

85<br />

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86<br />

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Linotype CRTronic 360<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Berthold Fotosatzgeräte TPS 6300 und TPU 6308<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

87<br />

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88<br />

drucken<br />

50<br />

• Kleinformatige Laser-Belichter, so genannte Recoder oder<br />

Imagesetter im A4-Format, erzeugten ab 1974 einfach und effizient<br />

Reprofilme 26 (Linocomp von Linotype, Lasercomp von<br />

Monotype).<br />

Die Vorteile der neuen Technik waren so gewichtig, dass die Druckindustrie<br />

schnell zu einem der wichtigsten Kunden der Minicomputerbranche<br />

wurde. Für die graphische Industrie war jedoch auch<br />

relevant, dass mit dem digitalen Fotosatz die fotomechanische Produktionskette<br />

vollständig war. Textsatz und Bildreproduktion konnten<br />

mit der gleichen Technik realisiert werden.<br />

2.5 Die Druckvorstufe zwischen 1970 – 90<br />

Als Druckvorstufe bezeichnet man alle Arbeitsschritte und -prozesse<br />

zwischen einer Eingabe in Form von Text, Graphik und Bilder<br />

bis zur fertigen Druckform, d.h. die Vorbereitung <strong>des</strong> eigentlichen<br />

Drucks. Die Druckvorstufe ist normalerweise eine spezialisierte Abteilung<br />

einer Druckerei (Verlags) oder eine eigenständige Unternehmung.<br />

Die Strukturen der heute als konventionell bezeichneten<br />

Druckvorstufe beziehen sich auf die Hochzeit <strong>des</strong> Fotosatzes zwischen<br />

1970 – 90. Ihre zentralen Merkmale sind die strikte Trennung<br />

von<br />

• Satz, zuständig für Texterfassung, Typographie und Layout,<br />

• Graphik, die für Illustrationen und Design verantwortlich war,<br />

• Repro, welche das Bildmaterial beisteuerte,<br />

sowie der Film als gemeinsames Zwischenresultat dieser Arbeitsgliederung.<br />

Die fotomechanische Produktionsweise war und ist immer<br />

noch hochwertig, basiert allerdings auf hochspezialisierten<br />

Techniken wie Reprokameras, Scanner oder Belichter, die ein entsprechend<br />

geschultes Personal erforderten. Im Folgenden interessieren<br />

wir uns vor allem für das Zusammenfügen der Einzelfilme zu<br />

26 Ein Laserstrahl belichtet direkt den Film


einer gemeinsamen Kopiervorlage, Montage genannt. Um sie von<br />

den Veränderungen in Folge <strong>des</strong> Desktop Publishings abzugrenzen,<br />

spricht man genauer von manueller Montage.<br />

Auf einem Leuchttisch wird zunächst eine Montagefolie eingespannt,<br />

siehe Folie 91. Sie ist aus Poylester, etwa 0.15 – 0.3 mm dick,<br />

glasklar, kratzfest und neigt möglichst wenig zur elektrostatischen<br />

Aufladung. Auf die Montagefolie werden dann die einzelnen Textund<br />

Bildfilme gemäss Layoutvorgabe eingepasst und mit Flüssigklebstoff<br />

oder Klebstreifen befestigt. Da die Toleranzen dieses Prozesses<br />

sehr klein sind, gehören Lupe (Fadenzähler) oder Mikroskop<br />

zu den üblichen Werkzeugen der Montage. Besondere Sorgfalt erfordern<br />

mehrfarbige Bilder, da hier Arbeitsungenauigkeiten zu Passerfehler<br />

führen, die als Moiréeffekte auffällig werden.<br />

Man unterscheidet zwischen Seitenmontage (Umbruch) und Bogenmontage,<br />

was grundsätzlich daran hängt, dass Druckbögen im<br />

Normalfall mehrere Seiten umfassen. Eine typische Druckbogengrösse<br />

ist etwa 70×100 cm, was 8 DIN-A4-Seiten entspricht. Die Unterscheidung<br />

geht aber über diese Äusserlichkeiten hinaus. Der Seitenumbruch<br />

integriert Text und Bildinformation gemäss den Layoutvorgaben<br />

<strong>des</strong> Kunden, ist also nach aussen gerichtet. Dagegen<br />

bezieht sich die Bogenmontage auf die betriebliche Weiterverarbeitung<br />

<strong>des</strong> Druckerzeugnisses, ist also primär nach innen orientiert.<br />

Zunächst muss die Lage und Orientierung der Seiten festgelegt<br />

werden, das so genannte Ausschiessschema. Dafür existieren viele<br />

Varianten, die sich in den Möglichkeiten <strong>des</strong> Zerschneidens <strong>des</strong><br />

Druckbogens sowie <strong>des</strong> maschinellen Faltens (Falzen) unterscheiden.<br />

Die Auswahl richtet sich nach dem beabsichtigten Verwendungszweck,<br />

z.B. Buch oder Magazin, und dem verfügbaren Maschinenpark<br />

in der Weiterverarbeitung. Zur Steuerung <strong>des</strong> Druckprozesses<br />

und der Weiterverarbeitung müssen verschiedene Hilfszeichen<br />

und Kontrollfelder eingefügt werden, z.B. Pass-, Schneid- und<br />

Falzmarken. Die Kontrollfelder sind kleine Testbilder in Streifenform,<br />

die zur Überprüfung <strong>des</strong> Druckprozesses mitgedruckt werden.<br />

Sie werden am Rande <strong>des</strong> Bogens platziert und später abgeschnitten.<br />

In der mechanischen Handhabung unterscheidet sich die ma-<br />

51<br />

Druckvorstufe zwischen 1970 und 1990)<br />

✧ Arbeitsorganisation zur Druckformerzeugung<br />

➙ Bereitstellung von Texten, Graphiken, Bilder<br />

✛ als Kopiervorlage (Lith-Filme)<br />

✛ hochwertige analoge Filmtechnik (für Spezialisten)<br />

✛ hochauflösende Filmbelichter (bis etwa 8000 dpi)<br />

➙ Satz: Texterfassung, Typographie, Layout<br />

➙ Graphik: Illustration und Design<br />

➙ Repro: gerasterte, separierte Bilder<br />

✛ spezialisierte Hardware: Reprokameras, Reproscanner<br />

✛ farbmetrische Prozesskontrolle<br />

➙ Montage: handwerkliches Zusammenfügen der Filme<br />

➙ in Teilbereichen digitalisiert (proprietäre Minicomputersysteme)<br />

manuelle Montage<br />

klaus simon<br />

✧ Zusammenkleben einzelner Text- bzw. Bildfilme<br />

➙ zur Kopiervorlage der Plattenbelichtung<br />

✧ Arbeitsungenauigkeiten führen zu Passerfehler<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ spezielle Werkzeuge: Leuchttisch, Montagefolien, Lupen, . . .<br />

➙ durch Experten ausgeführt<br />

✧ Seitenmontage (Umbruch): Integration Text und Bild<br />

➙ Layout gemäss Kundenvorgabe (aussenorientiert)<br />

✧ Bogenmontage: Druckplatte enthält mehrere Seiten<br />

➙ Aufbau gemäss Verwendungszweck (Buch, Broschüre)<br />

➙ Zusatzdaten zum Druckprozess bzw. Weiterverarbeitung<br />

✛ Hilfszeichen und Kontrollfelder<br />

➙ Ausschussschema: Seitenplatzierung und -ausrichtung<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

89<br />

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90<br />

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3 Druckvorstufe<br />

ndbogen und Ausschießschema<br />

Einlaufens der Bogen in die Falzmaschine kennzeich-<br />

er Ausschießen ist das korrekte Zusammenstellen Fotomontage nen und amdamit Leuchtisch Ort,Lage und (<strong>EMPA</strong>) Richtung <strong>des</strong> ersten Falz-<br />

Seiten zu einer Montage mit beispielsweise 4, 8, bruchs und aller folgenden Fa!zbrüche festlegen.<br />

der 32 Seiten zu verstehen. Zur Herstellung der Auch für das elektronische Ausschießen ist wichtig,<br />

ckform sind zwei Basis-Arbeitsmittel unentbehr- daß der Standbogen alle Maßangaben enthält.<br />

: der Standbogen und das Ausschießschema, das Der Standbogen ist Grundlage zur Drucklegung<br />

aus der späteren Falzart ergibt. Standbogen und eines Bogens und wird um die Informationen <strong>des</strong><br />

schießschema sind erst dann anzulegen, wenn Ausschießschemas ergänzt, mit dem die Verteilung<br />

her die technisch und wirtschaftlich günstigste der Druckseiten auf Vorder- und Rückseite der Bogen<br />

stellungsart ermittelt wurde.<br />

festgelegt und die Übersicht über die Anzahl der Druck-<br />

er Standbogen (Abb. 3.2-37) zeigt die Standorte formen gewonnen wird (Abb.3.2-38).<br />

druckenden Teile, die Abstände der Seiten von- Während der Standbogen die Stellung der Seiten<br />

ander, von der Bogenmitte, vom Bund (Falz) und auf den Druckbogen festlegt, zeigt das Ausschieß-<br />

den Bogenrändern. Daneben berücksichtigt er schema, wie die Gesamtzahl der Seiten eines Druck-<br />

rmationen wie die Greiferkante und zeigt, wo die produktes einzuteilen und wie oft und auf welche<br />

schiedenen Markierungen anzubringen sind, die Weise einzelne Bögen gefalzt werden müssen. Das<br />

Drucken und zur nachfolgenden Bogenverar- Ausschießschema zeigt den Weg, wie beispielsweise<br />

ung benötigt werden: z. B.Anlagemarken, Bogen- ein Druckbogen im Format 70 cm ¥ 100 cm auf das<br />

aturen,Flattermarken(s.Abb.7.2-52),Schneide- geforderte Endformat gefalzt wird. Insofern ergänzt<br />

rken und für den Druck notwendige Paßkreuze das Ausschießschema den Standbogen und ist Er-<br />

Druckkontrollstreifen. Gelegentlich muß der gebnis einer Optimierung durch mehrere Einfluß-<br />

dbogen auch Informationen über den Standort<br />

s Numerierwerkes oder einer Perforation beinhalgrößen,<br />

wie zum Beispiel:<br />

(s.auch 3.1.5,Abb.3.1-40).<br />

• Drucksachen-Umfang,<br />

ogensignaturen und Flattermarken (s.Abb.3.2-37) • Druckbogen-Format, klaus simon technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

für die Verarbeitung von Buchblöcken relative (CMYK, unent- • Papierbeschaffenheit links) · perecptual und Laufrichtung, (CMYK, rechts)<br />

rlich, um die richtige Reihenfolge der Bogen, Bo- • Druckmaschinen-Format,<br />

teile und Heftlagen herzustellen. Besonders wich- • Formate der Druckverarbeitungs-Maschinen<br />

sind die Anlagemarken, weil sie die Standbogen Richtung <strong>des</strong> mit (Schneid- Angaben und zur Falzmaschinen), Weiterverarbeitung<br />

. 3.2-37<br />

dbogen für 8 Seiten mit Angaben für<br />

eitenlage, den späteren Druck und die<br />

terverarbeitung<br />

Schnittmarke<br />

Satzspiegel<br />

seitlicher<br />

Beschnitt<br />

Schnittmarke<br />

+<br />

Falzkreuz<br />

Signatur,<br />

zugleich als<br />

Flattermarke<br />

gestaffelt<br />

und im Bund<br />

eingesetzt<br />

Seitenzahl, Pagina<br />

Greiferrrand,<br />

muß bei angeschnittenen<br />

Druckflächen<br />

zusätzlich zum<br />

Brutto-Seitenformatberücksichtigt<br />

werden<br />

Kopfbeschnitt<br />

Fußbeschnitt<br />

+<br />

seitliche<br />

Anlagemarke<br />

Rand für<br />

Rückenfräsung<br />

bei<br />

Klebebindung<br />

91<br />

drucken<br />

© Handbuch der Printmedien (ISBN 3-540-66941-8) drucken<br />

klaus simon technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

gklaus simonG gworkflow + layoutG gcolor managementG<br />

92<br />

52<br />

nuelle Bogenmontage nur unwesentlich von der Seitenmontage. Sie<br />

hat aber komplexere Inhalte und den Charakter einer Ablaufplanung.<br />

2.6 Digitale Druckvorstufe<br />

Seit etwa Mitte der 80er Jahre verstärkt sich der Einfluss der Informatik<br />

auf die Druckvorstufe. Die exklusiven, proprietären Hardund<br />

Software-Lösungen der graphischen Industrie werden zunehmend<br />

durch allgemeine Office-Lösungen ersetzt. Die Grenzen zwischen<br />

Massen- und Bürokommunikation beginnen sich aufzulösen.<br />

2.6.1 Camera Ready und Wissenschaft<br />

Die konventionelle Druckvorstufe, wie oben beschrieben, war auf<br />

eine hochqualitative Produktion ausgerichtet und damit teuer. Diese<br />

Produktionsweise benötigt entweder Kunden, z.B. aus der Werbung,<br />

welche die Fixkosten direkt übernehmen, oder Druckerzeugnisse<br />

wie Zeitschriften, wo die hohen Fixkosten auf die Gesamtauflage<br />

verteilt werden können. Nun gibt es aber Publikationsbereiche,<br />

auf die weder das eine noch das andere Szenario zutrifft. Zu diesen<br />

zählt die Wissenschaft, die zwar sowohl als Autor als auch als Leser<br />

auf das Publizieren angewiesen ist, die sich andererseits aber auch<br />

durch eine allgemeine Finanznot auszeichnet. Für diese Zielgruppe<br />

offerierte der Fotosatz auch eine Low-Budget-Alternative, die als<br />

Camera-Ready-Produktion bekannt geworden ist.<br />

Camera-Ready meint die Filmerzeugung durch Fotografie <strong>des</strong> fertigen<br />

Manuskripts mit einer Reprokamera. Auf Texterfassung und<br />

Satz wird verzichtet bzw. dem Autor überlassen. Der Druckvorstufenprozess<br />

beginnt bei Camera-Ready also unmittelbar mit der Bogenmontage.<br />

Die vorgelagerten Produktionsschritte entfallen. Die<br />

damit verbundene Kostenreduktion, war bei einer typischen Auflagenhöhe<br />

von weniger als 1000 Exemplaren bei wissenschaftlichen<br />

Monographien, überaus relevant.


elative (CMYK, links) · perecptual (CMYK, rechts)<br />

Ärgerlich dabei war der damit verbundene Qualitätsverlust <strong>des</strong><br />

Layouts. Den Autoren standen üblicherweise lediglich die Mittel der<br />

Bürokommunikation zur Verfügung, d.h. die Schreibmaschine. Mit<br />

den Möglichkeiten der Schreibmaschine liess sich ein mathematischer<br />

oder chemischer Inhalt nur unzureichend darstellen. Es ist<br />

leicht nachzuvollziehen, dass viele Wissenschaftler mit der entstandenen<br />

Situation nicht sehr glücklich waren.<br />

Einer der Unzufriedenen war der Informatiker und Mathematiker<br />

Donald E. Knuth, seinerzeit Professor an der Stanford University.<br />

1978 beschloss er die Möglichkeiten seiner Disziplin zu nutzen,<br />

um Wissenschaftlern das Niveau <strong>des</strong> mathematischen Bleisatzes<br />

zurückzugeben. Vier Jahre später präsentierte er das TEX-System.<br />

Es ist eine Markup Sprache, d.h. eine Sammlung von Satzanweisungen,<br />

die in den Quelltext hineingeschrieben werden. Die Intelligenz<br />

<strong>des</strong> Konzepts steckt im Compiler, der aus der Kombination von<br />

Steuerbefehlen und Text das gewünschte Layout erzeugt. Das Konzept<br />

von TEX kann als eine Weiterentwicklung von Textformatierungssystemen<br />

wie troff27 aufgefasst werden. Diese Systeme waren<br />

Bestandteil von Computersystemen und dienten der Programmdokumentation.<br />

Ein grosser Vorteil von TEX war die Plattformunabhängigkeit und<br />

ein Fileformat, das ausschliesslich auf dem ASCII-Zeichensatz (7-<br />

Bit) basierte. Damit konnte ein TEX-File mit jedem beliebigen Texteditor,<br />

z.B. vi oder emacs, erstellt und bearbeitet werden. Ferner<br />

konnten TEX-Files problemlos über das Internet ausgetauscht werden.<br />

Die Ausgabe erfolgte auf den gerade populär werdenden Laserdruckern<br />

und Camera-Ready war nicht länger ein Problem.<br />

Das bis heute unübertroffene Qualitätsniveau, die leichte Handhabbarkeit<br />

und die freie kostenlose Verteilung28 3.2 Digitale Druckvorstufe 557<br />

Abb. 3.2-38<br />

Anordnungsbeispiel von 16 Seiten auf dem<br />

Bogen für den Schön- und Widerdruck<br />

(durch 3-maliges Falzen entsteht 16-seitige<br />

Broschüre)<br />

Anordnungsbeispiel: 16 Seiten auf einem Druckbogen<br />

• Endformat,<br />

Vorderseite Rückseite<br />

klaus simon technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

ermöglicht innerhalb <strong>des</strong> Prinergy-Workflow die Ein-<br />

93<br />

drucken<br />

• Bindeart (Klebebindung, Faden- oder Drahtbindung der genannten Software ebenso z.B. die Fir-<br />

1<br />

heftung).<br />

Camera-Ready men Creo, gklaus Fuji, undsimonG Intergraph, Wissenschaft gworkflow Scitex und + layoutG Xerox. gcolor managementG<br />

Unternehmen, die sich für die beiden letzteren<br />

Typen von Ausschießprogrammen<br />

Varianten entscheiden, haben die Gewißheit, daß der<br />

✧<br />

Die oben genannten Anforderungen haben<br />

Filmproduktion<br />

auch die Arbeitsfluß<br />

durch Fotographie<br />

einem schlüssigen<br />

eines Manuscriptes<br />

Konzept folgt. Zudem<br />

als Ausschießprogramme bekannt gewordenen ➙ ermöglicht Soft- durch wird die Fotosatz Verantwortung für die Teilprozesse in eine<br />

ware-Tools zu erfüllen. Dabei sind diese ✧ in geringe zwei Kate- Kosten: Hand kein gelegt.Im Satz und anderen auch Fall keine muß Seitenmontage<br />

die Einführung der<br />

gorien zu unterteilen:<br />

digitalen Bogenmontage selbst realisiert und an die<br />

✧ weitverbreitet bei Konfiguration wissenschaftlichen angepaßt Publikationen<br />

werden.<br />

1. Programme, die geräteunabhängig konzipiert ➙ allgemein Kleinauflagen (≤ 1000 Exemplare)<br />

sind und auf jedem Publishing-System ange- Anforderungen an Ausschießprogramme<br />

✧ Autorenverantwortung: Texterfassung und Layout<br />

wendet werden können,<br />

Grundsätzlich haben Ausschießprogramme Anforde-<br />

2. Programme, die von den Herstellern von ➙ Problem: Druck- klassische rungen zu Schreibmaschine erfüllen, die im folgenden unzureichend exemplarisch<br />

machten vorstufensystemen TEX in- in den eigenen Workflow ✛ ersetzt durch aufgeführt Texteditoren sind. Ausschießprogramme (vi, emacs) sollten vom<br />

nerhalb kürzester Zeit zum wissenschaftlichen Publikationsstan-<br />

integriert sind.<br />

Handwerklichen her in der Lage sein (s. auch Abb.<br />

✛ Textformatiersysteme (z.B. troff unter Unix)<br />

dard. Heute benutzt man hauptsächlich LATEX, das eine Makro-<br />

3.2-39),<br />

Zur ersten Kategorie gehören z.B.die Programme ✧ 1982 Donald Im- E. Knuth: TEX (wiss. Markup Sprache)<br />

sammlung zu TEX darstellt, die für viele Routineprobleme Stanposition<br />

(DK&A), Imposition Publisher (Farrukh ➙ bis heute Sy- dominant • Standbögen bei wissenschaftlichen zu erstellen und abzuspeichern,<br />

Publikationen<br />

dardformate offeriert. Auch das vorliegende Werk stems), wurdePresswise damit rea- (Luminous), Strip It (One Vision), • die Zahl der Seiten je Platte, deren Format<br />

➙ hochwertiges Layout, public domain, PDFlatex<br />

Preps (Scenicsoft) und Impostrip (Ultimate).<br />

und Ausrichtung samt benutzerdefinierter<br />

27einer Unix-Komponente<br />

Die zweite Kategorie von Ausschießprogrammen Ränder, Bundstege und Ausschießmuster zu<br />

94<br />

28TEX und die Ableger wie LATEX sind public domain sind diejenigen, die von Herstellern wie beispielsweise<br />

Agfa, Barco, Heidelberg, Krause, Scangraphic und<br />

verarbeiten, klaus simon technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

• für jeden Standbogen mehrere Ausschießmuster<br />

drucken<br />

Screen als Teil ihres Workflowmanagements 53<br />

in einer<br />

Produktlinie samt Hardwarekonfiguration wie Server,<br />

einschließlich mehrseitiger Druck- und Teilbögen<br />

zu erstellen,<br />

Ausschießstation,RIP und Belichter oder CtP-System • den Schön- und Widerdruck sowie Umstülpen<br />

angeboten werden.<br />

und Umschlagen zu berücksichtigen,<br />

4<br />

13<br />

16<br />

1<br />

8 9 12 5<br />

6<br />

11<br />

10<br />

7<br />

2 15 14 3


D o n a l d E . K n u t h<br />

Desktop Publishing<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ in den 80ern: Entwicklung <strong>des</strong> PC (low cost-computer)<br />

➙ Durchbruch als Schreibmaschinenersatz (Office)<br />

✛ Vorteil: editierbar u. elektr. Datenaustausch (floppy disk)<br />

✛ Forderung: Seitenformatierung (Briefe, Formulare, . . . )<br />

✧ 1984 erster Office-Laserdrucker: HP Laser Jet (300 dpi, 3600 $)<br />

✧ 1984 PostScript: Layoutbeschreibung und Druckerkontrolle<br />

✧ 1985 Apple LaserWriter: t y p e s e t t e r q u a l i t y, 7000 $<br />

➙ mit PostScript-Controller von Adobe (für 2500000 $)<br />

✧ 1985 PageMaker (Aldus): erstes Desktop Publishing Programm<br />

➙ abgestimmt auf Apple LaserWriter<br />

✧ 1986 erster PostScript-fähiger Belichter (Linotype)<br />

➙ etabliert PostScript als Standard-Layout-Sprache (heute PDF)<br />

✛ Seitenmontage entfällt, Bogenmontage wird digital<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

95<br />

drucken<br />

96<br />

drucken<br />

54<br />

lisiert. Die Autorenerlöse seiner TEX-Bücher erlaubten es Donald<br />

E. Knuth sich frühzeitig aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen.<br />

2.6.2 Desktop Publishing<br />

Die Entwicklung von TEX- bzw. LATEX vollzog sich zunächst in der<br />

normalen Computerarbeitsumgebung von Wissenschaftlern. Das<br />

war im Normalfall ein Unix-Minicomputer oder ein Mainframe. Zunächst<br />

unbeachtet, entwickelte sich Anfang der 80er Jahre eine<br />

neue Computergeneration, der PC. 29 Die ersten PCs waren sehr<br />

primitiv im Verhältnis zu den ausgereiften Computersystemen von<br />

Business, Technik und Wissenschaft. Aber im Verhältnis waren sie<br />

sehr billig, billig genug, um eine Schreibmaschine zu ersetzen, und<br />

das gab den Ausschlag. Entsprechend waren die ersten PCs klar für<br />

den Office-Bereich konzipiert. Noch heute ist das Office-Paket die<br />

zentrale Windows Anwendung. Editierbare Texte und der elektronische<br />

Datenaustausch stellten für die Bürokommunikation Quantensprünge<br />

der Entwicklung dar.<br />

Die neuen Möglichkeiten für Serienbriefe, Formulare, Präsentationen<br />

oder Geschäftsberichte beschleunigten die Nachfrage nach<br />

mehr Layoutfähigkeit in der Bürokommunikation. Als sichtbares<br />

Zeichen dieser Bedürfnisse kann der erste Office-Laserdrucker, der<br />

HP Laser Jet, gewertet werden. Er kam 1984 für 3600 $ auf den<br />

Markt und hatte eine <strong>Auflösung</strong> von 300 dpi. Die Kombination von<br />

PC und hochwertigem Bürodrucker läutete für die Bürokommunikation<br />

ein neues Zeitalter ein.<br />

Jemand, der die Zeichen der Zeit erkannte und der auch gewillt<br />

war sie zu nutzen, um den Ruf seiner Firma als Technologieführer<br />

im aufstrebenden PC-Markt abzusichern, war Steve Jobs von Apple.<br />

Man arbeitete 1984 ebenfalls an einem Laserdrucker. Um den<br />

geplanten LaserWriter mit einer überlegenen Funktionalität auszustatten,<br />

kooperierte Steve Jobs mit einer kleinen Startup-Firma<br />

namens Adobe, im Dezember 1982 von den ehemaligen Xerox<br />

29 wobei wir PC als Gattungsbegric verstehen und <strong>des</strong>halb auch Apple-Produkte<br />

dazuzählen


PARC-Mitarbeiter John Warnock und Charles Geschke gegründet,<br />

die gerade ihr erstes Produkt PostScript auf den Markt gebracht<br />

hatte. PostScript war eine innovative RIP-Programmiersprache in<br />

der geräteunabhängig Layout und Graphik beschrieben werden<br />

konnten. Der LaserWriter erschien 1985 mit PostScript-Kontroller<br />

für 7000 $ und erfüllte alle in ihn gesetzten Erwartungen. Apple<br />

beanspruchte für den LaserWriter<br />

t y p e s e t t e r q u a l i t y,<br />

was einerseits dokumentiert, dass die adressierte Funktionalität im<br />

professionellen Publizieren keineswegs unbekannt war, und andererseits<br />

normale PC-User als Zielgruppe klarstellte. Um das Ziel<br />

L a y o u t f u n k t i o n a l i t ä t i m P C - U m f e l d<br />

verfügbar zu machen, benötigte man noch entsprechende Software,<br />

welche die Möglichkeiten der Programmiersprache PostScript<br />

für Office-Mitarbeiter, typischerweise Nichtprogrammierer, in einem<br />

intuitiven Frontend zur Verfügung stellte. Darauf musste man<br />

allerdings nicht lange warten. Bereits 1985 stellte eine Firma namens<br />

Aldus das erste Desktop Publishing-Programm PageMaker<br />

vor. Es folgte 1987 Quark mit QuarkXPress.<br />

Der schnell gefundene Name der neuen Technik<br />

D e s k t o p P u b l i s h i n g<br />

betont einerseits die Wurzeln in der Bürokommunikation, andererseits<br />

signalisiert er eine Abgrenzung zum Publishing, d.h. zu der<br />

etablierten Publikationstechnik, wie sie in der manuellen Druckvorstufe<br />

manifestiert war. So fehlte dem Desktop Publishing insbesondere<br />

noch ein direkter Zugang zum digitalen Fotosatz. Zwar optimierten<br />

die neuen Verfahren die Camera-Ready-Produktion, der<br />

Markt für hochqualitative Druckerzeugnisse basierte aber auf hochauflösenden<br />

Filmbelichtern und nicht auf Laserdruckern, so nützlich<br />

sie auch waren. Filmbelichter und Laserdrucker sind auf den<br />

55<br />

Steve Jobs and Steve “Woz” Wozniak<br />

klaus simon<br />

erster Laserdrucker: HP Laser Jet (1984)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

97<br />

drucken<br />

98<br />

drucken


LaserWriter (1985) und Desktop Publishing<br />

Grafik<br />

klaus simon<br />

Raster Image Processor (RIP)<br />

Text<br />

RGB-Bild<br />

ICC-CMS<br />

Gamut Mapping<br />

Farbkonvertierung<br />

Massenmarkt<br />

Psychophysik<br />

RIP<br />

Wahrnehmung<br />

spezifizierte Rasterzelle<br />

Rasterbild (Halftoning)<br />

Rasterzelle<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Simulation der Pixelhelligkeit in einer Rasterzelle<br />

mit Durchmesser < der optischen <strong>Auflösung</strong>sgrenze<br />

Farbmischung in<br />

Netzhautrezeptoren<br />

klaus simon<br />

Druckform<br />

nicht regelbar<br />

Druckbild<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

99<br />

drucken<br />

100<br />

drucken<br />

56<br />

zweiten Blick aber nicht so verschieden wie es zunächst aussehen<br />

mag. Beide Systeme basieren auf einem Raster Image Processor<br />

(RIP), der Text-, Graphik- und Bilddaten in Rasterbilder übersetzt.<br />

Das Problem bestand einfach darin, dass die etablierten Belichter-<br />

RIPs, die neue Sprache PostScript nicht verstanden.<br />

Dies war kein prinzipielles Problem, aber ein praktisches, da<br />

RIPs in der damaligen Druckvorstufe üblicherweise auf die proprietäre<br />

Seitenbeschreibungssprache <strong>des</strong> Belichterherstellers abgestimmt<br />

waren. Umso bemerkenswerter war 1986 die Entwicklung<br />

<strong>des</strong> ersten PostScript-fähigen Belichters 30 Linotronic 300 durch Linotype,<br />

und wie 100 Jahre zuvor schrieb die Firma damit Geschichte,<br />

denn PostScript setzte sich schnell als Standardformat der Layoutbeschreibung<br />

durch.<br />

Grundsätzlich hat das Desktop Publishing eine ähnliche Wirkung<br />

wie das Camera-Ready Publishing. Die Druckvorstufe reduziert sich<br />

auf die Bogenmontage mit der entsprechenden Kostenreduktion.<br />

Zudem ist es auch in der Bogenmontage nicht länger nötig, direkt<br />

mit Filmen zu arbeiten. Es genügt die eingegebene Layoutbeschreibung<br />

zu modifizieren und an eine Ganzbogenbelichtung weiterzureichen.<br />

Die indirekten Auswirkungen mögen längerfristig die gewichtigeren<br />

gewesen sein. Das Desktop Publishing hat der Druckvorstufe<br />

die Exklusivität, die sie im manuellen Fotosatz innehatte, genommen.<br />

Die hochspezialisierte proprietäre Reprotechnik <strong>des</strong> konventionellen<br />

Fotosatzes wurde durch allgemein zugängliche Bürotechnik<br />

ersetzt. Eine Tendenz, die sich bis in die Gegenwart fortsetzt.<br />

Und dies nicht nur mit Kosten- sondern auch mit Qualitätsvorteil.<br />

Die ehemals anvisierten Zielgruppen <strong>des</strong> Desktop Publishings,<br />

nämlich Agenturen, Designer, Autoren, sind im heutigen Publishing<br />

Workflow fest etabliert und ersetzen die freigestellten Tätigkeiten<br />

in der Druckvorstufe. Die permanent verbesserten Laserdrucker<br />

konkurrenzieren zunehmend mit dem klassischen Druck.<br />

Allgemein lässt sich feststellen, dass sich die Grenzen zwischen Bürokommunikation<br />

und Druck mehr und mehr auflösen.<br />

30 mit einem Apple Macintosh als Steuergerät


2.6.3 Digitale Bogenmontage<br />

Die Aufgaben der Bogenmontage im Bereich der Prozessplanung<br />

und -steuerung wurden durch das Desktop Publishing nicht in Frage<br />

gestellt und die Bogenmontage wurde zur neuen Eintrittsschwelle<br />

in den Druck. Lediglich die benutzte Technik wurde den Gegebenheiten<br />

angepasst, d.h. sie wurde digital.<br />

Die Bogenerstellung selbst ist auch eine Layoutbeschreibung. Es<br />

war evident die Technik der Seitenerstellung zu übernehmen. Damit<br />

dieses Konzept konsequent umgesetzt werden konnte, waren<br />

einige technologische Adaptionen notwendig. Zentral war die Entwicklung<br />

grossformatiger Belichter, so dass eine Bogenbeschreibung<br />

komplett in einem Schritt belichtet werden konnte (Ganzbogenbelichtung).<br />

Die zu diesem Zweck entwickelten Computer-to-<br />

Techniken standen seit Anfang der 90er Jahre zur Verfügung. 31 Der<br />

zweite wichtige Punkt war eine Erhöhung der RIP-Leistung, die<br />

aber glücklicherweise durch die allgemeine Hardware-Entwicklung<br />

geleistet wurde. In der Folge wurde die Bogenerstellung mittels<br />

Ausschiesssoftware schnell zum Standard.<br />

Das Erscheinungsbild der digitalen Bogenmontage wird zunehmend<br />

auch von Workflow-Software zur Prozesssteueurung und Auftragsabwicklung<br />

geprägt. Da bereits die manuelle Bogenmontage<br />

hier involviert war, z.B. zum Setzen von Schnitt- und Falzmarken,<br />

platzierte man die neuen Konzepte der Computerintegrierten Fertigung<br />

(CIM) am gleichen Ort. Den Traditionen der Bogenmontage<br />

folgend, integriert man dabei die zusätzlichen Daten der neuen Prozesskommunikation<br />

(Jobtickets), siehe www.cip4.org, in der Layoutbeschreibung.<br />

32<br />

Die Bogenerstellung in PostScript hatte einige Vorteile. Vor allem<br />

die Vermeidung von mechanischen Ungenauigkeiten beim Zusammenkleben<br />

von Einzelfilmen, speziell bei der Farbbildproduktion.<br />

31Wir werden im folgenden Abschnitt auf Computer-to- ... noch einmal separat<br />

eingehen.<br />

32wohl nicht zur Freude <strong>des</strong> Software Engineerings<br />

57<br />

digitale Bogenmontage<br />

✧ Bogenlayout in PostScript oder PDF (Eingabe für RIP)<br />

➙ Ausschiessen mit modifizierten Standardschemata<br />

➙ Ganzbogenbelichtung: grossformatige CtF- oder CtP-Anlagen<br />

➙ Layout bis zur Plattenerzeugung editierbar<br />

✛ Vermeidung mechanischer Fehlerquellen (Passerfehler)<br />

✧ Workflow-Software: Produktionsplanung und Ablaufsteuerung<br />

➙ Vernetzung, Weiterverarbeitung, Auftragsabwicklung<br />

➙ Konzepte aus Computerintegrierter Fertigung (CIM)<br />

✛ geschlossene Middleware-Ansätze (Komplettlösungen)<br />

✛ offene scriptprogrammierte Ablaufsteuerungen<br />

➙ Jobtickets: Austauschformat für die Prozesskommunikation<br />

✛ Print Production Format (1994, CIP-3)<br />

✛ Job Definition Format (2000, CIP-4)<br />

klaus simon<br />

digitales Ausschiessen<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

101<br />

drucken<br />

102<br />

drucken


digitales Kontrollzentrum<br />

klaus simon<br />

Computer-to-Verfahren<br />

✧ Bebilderungsstrategien für digitale Daten<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ unterschieden gemäss der Nähe zum Druckprozess<br />

✧ Computer-to-Film: Kopiervorlage für Plattenbelichter<br />

➙ geringe Belichtungsleistung erforderlich, Nassentwicklung<br />

✧ Computer-to-Plate: direkte Belichtung der Druckform<br />

➙ seit 1993 hinreichende Laserleistung, thermische Druckplatten<br />

✧ Computer-to-Press: Belichtung in der Druckmaschine<br />

➙ mechanische Positionierung entfällt, hohe Passergenauigkeit<br />

✧ Computer-to-Print: Bildaufbau ohne Druckform<br />

➙ Non Impact Printing (NIP): Elektrofotografie, Inkjets<br />

➙ keine Rüstzeiten, effiziente Weiterverarbeitung<br />

➙ Print on Demand, individualisierte Drucke, bürotauglich<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

103<br />

drucken<br />

104<br />

drucken<br />

58<br />

Dazu kam die Editierbarkeit <strong>des</strong> Layouts, praktisch bis unmittelbar<br />

vor dem Produktionstart.<br />

2.7 Computer-to-Techniken<br />

Als erstes dieser Verfahren wurde Computer-to-Film (CtF) ein<br />

Begriff. Er bezeichnet die vollständige Bebilderung von Kopiervorlagen<br />

(Ganzbogenfilme) für die Druckplattenerzeugung durch<br />

einen Computer ausgehend von einer digitalen Layoutbeschreibung<br />

(PostScript-File). Die Forderung der Vollständigkeit ergab sich als<br />

Konsequenz aus dem Desktop Publishing, wie in Abschnitt 2.6.2<br />

ausgeführt wurde. Das CtF war entsprechend keine neue Technik,<br />

sondern eine Leistungssteigerung bzw. Neuinterpretation bekannter<br />

Konzepte. In der Folge etablierte sich ≪Computer-to- ...≫ als Bezeichnung<br />

für das Umsetzungskonzept von digitalen Daten zu einem<br />

physikalischen Bild. Die verschiedenen Computer-to-Verfahren<br />

dokumentieren damit die langsame Abkehr von der fotomechanischen<br />

Bildreproduktion.<br />

Den Einstieg in diese Tendenz markiert das Computer-to-Plate<br />

(CtP). Dabei wird auf die Kopiervorlage verzichtet und die lichtempfindliche<br />

Druckplatte direkt durch ein digital gesteuertes Lasersystem<br />

belichtet. Die dafür nötigen hochleistungsfähigen Laser<br />

stehen seit etwa 1993 zur Verfügung. In der Anfangszeit wurde eine<br />

konventionelle Entwicklung eingesetzt, die jedoch bald durch thermische<br />

Platten verdrängt wurde. Thermische Platten arbeiten im<br />

Infrarotbereich und nutzen die Schwellwertcharakteristik gewisser<br />

Polymere. Sobald die thermische Energiezufuhr einen bestimmten<br />

Schwellwert erreicht, wird die Oberflächenstruktur vollständig umgewandelt.<br />

Da Unter- oder Überbelichtung keinen zusätzlichen Effekt<br />

haben, ist das Verfahren sehr stabil. Die CtP-Verfahren enthalten<br />

einen Prozessschritt weniger als CtF und sind dadurch sowohl<br />

weniger fehleranfällig als auch zeiteffizienter, was zum Beispiel<br />

für den Zeitungsdruck von Relevanz ist. CtP-Konzepte exi-


stieren für den Offsetdruck, den Flexodruck 33 und für den Siebdruck<br />

34 , teils unter speziellen Bezeichnungen. Obwohl gegenwärtig<br />

CtF-Systeme noch eingesetzt werden, dominieren CtP-Anlagen<br />

deutlich das Marktgeschehen.<br />

Wird die Erzeugung der Druckform in die Druckmaschine selbst<br />

verlegt, so spricht man nicht länger von Computer-to-Plate sondern<br />

von Computer-to-Press. Die Farbübertragung im Fortdruck erfolgt<br />

jedoch immer noch mittels einer Druckform. Innerhalb der Kategorie<br />

unterscheiden sich die Verfahren durch die Art und Weise wie<br />

die Druckplatte erzeugt wird. Wird lediglich die Plattenbelichtung<br />

in die Presse verlegt, so spricht man von einer einmal beschreibbaren<br />

Druckform. Die Plattenerzeugung in der Druckmaschine ist<br />

einfach ein weiterer Optimierungsschritt. Die mechanische Positionierung<br />

entfällt, es wird eine höhere Passergenauigkeit erreicht und<br />

die Umrüstzeiten werden verkürzt.<br />

Die ideale Lösung für den Computer-to-Press-Ansatz ist eine wiederbeschreibbare<br />

Druckform. Dieses Ziel ist technologisch evident<br />

und wurde in den vergangenen Jahren intensiv erforscht. Es wurden<br />

mehrere Technologien vorgeschlagen und patentiert. Das erste<br />

marktreife Produkt, die DICOweb, wurde bei MAN Roland entwickelt,<br />

siehe Folie 107.<br />

Die konsequente Extrapolation der vorgängig dargestellten Bebilderungsstrategien<br />

digitaler Daten sind die Computer-to-Print-<br />

Technologien, in erster Linie die Elektrofotografie (Laserdrucker)<br />

und Inkjets. Zur Abgrenzung von Druckverfahren mit Druckform<br />

spricht man auch von Non Impact Printing (NIP), was aber nicht allzu<br />

wörtlich zu verstehen ist. Auf Grund ihrer relativ langsamen Produktionsgeschwindigkeiten<br />

konkurrenzieren NIP-Verfahren nicht<br />

den klassischen Druck im Bereich von Massenerzeugnissen. Bei<br />

Einzelanfertigungen oder Kleinserien, dem Akzidenzdruck, haben<br />

sie jedoch entscheidende Vorteile. So haben sie technologiebedingt<br />

keine Umrüstzeiten. Zudem kann ein Druckerzeugnis direkt in der<br />

korrekten Seitenabfolge produziert werden, was die Weiterverarbei-<br />

33 siehe Seite 65<br />

34 siehe Seite 66<br />

59<br />

Computer-to-Film: Linotronic 300 und Quicksetter<br />

klaus simon<br />

Computer-to-Plate (Heidelberg)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

105<br />

drucken<br />

106<br />

drucken


Computer-to-Press: DICOweb (MAN Roland)<br />

klaus simon<br />

Auswirkungen <strong>des</strong> Desktop Publishing<br />

✧ Reduktion der Druckvorstufe auf die Bogenmontage<br />

✧ technische Produktionssituation: RIP<br />

✧ Trennung von Layout und Druck<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ Drucken wird nachgeordnete Dienstleistung im Publizieren<br />

➙ konkuriert mit Office-Druckern<br />

➙ Fotodruckern (Fine Art Printing)<br />

➙ Print on Demand, Webdienste (Poster)<br />

✧ Layout kann unabhängig vom Druck vermarktet werden<br />

➙ Cross <strong>Media</strong> Publishing<br />

➙ als Datenbank-Applikation<br />

✛ Sammeln, Erzeugen, Speichern, Weitergabe von Daten<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

107<br />

drucken<br />

108<br />

drucken<br />

60<br />

tung stark vereinfacht. Speziell werden dadurch Print-on-Demand<br />

und individualisierte Drucke unterstützt. Dazu kommen die billigen<br />

Anschaffungs- und Produktionskosten, die hohe Verfügbarkeit als<br />

Office-Geräte und die permanenten Qualitätssteigerungen. Insbesondere<br />

Inkjets zählen bereits heute zu den qualitativ besten Bildreproduktionsverfahren<br />

überhaupt, was auch im klassischen Druck<br />

für Proof-Zwecke genutzt wird.<br />

2.8 Cross <strong>Media</strong> Publishing<br />

Mit dem Desktop Publishing wurde in einem gewissen Sinne die<br />

postindustrielle Phase der Medienproduktion eingeläutet. Wie im<br />

Abschnitt 2.3 ausgeführt wurde, sind die traditionellen Strukturen<br />

der Druckindustrie in hohem Masse durch ihre Funktion als Massenmedium<br />

in der Industriegesellschaft bestimmt. Um dieser Rolle<br />

gerecht zu werden, mussten die gesamten Arbeitsabläufe dem Ziel<br />

Kostenoptimierung untergeordnet werden. Die Konsequenz war eine<br />

hochgradig arbeitsteilige Produktionsweise, in der viele Spezialisten<br />

in genau definierten Organisationsstrukturen auf geplante Art<br />

und Weise zusammenarbeiten. Ein Ausdruck dieser strukturierten<br />

Arbeitsabläufe sind die vielen Berufsbilder der graphischen Industrie<br />

bzw. die zugehörigen Berufsschulen, Fachhochschulen und spezialisierten<br />

Universitäten. 35 Als die Printmedien später um Film<br />

oder TV ergänzt wurden, änderte das an der prinzipiellen Situation<br />

nichts, denn auch die neuen Medien waren industriell organisiert<br />

und erweiterten lediglich das Szenarium.<br />

Das Desktop Publishing stellt nun eine Abkehr von der arbeitsteiligen<br />

industriellen Arbeitsweise dar. Direkt offensichtlich ist die<br />

Reintegration von Text-, Graphik- und Bildbearbeitung. Dabei ist<br />

es kein Zufall, dass die entsprechenden Tätigkeiten von Designern<br />

und Autoren übernommen wurden, denn dies beseitigt eine weitere<br />

industrielle Spaltung, nämlich die in Gestaltung und Produktion.<br />

Auch die zunehmende Konkurrenz <strong>des</strong> klassischen Drucks durch<br />

35 wie bespielsweise das Rochester Institute of Technology (RIT)


moderne Office-Drucker lässt sich mühelos in diesen Trend zur<br />

Reintegration industrieller Arbeitsabläufe einfügen.<br />

Der langfristig vermutlich wichtigste dieser Aspekte ist der Trend<br />

zur medienneutralen Gestaltung. Die Nutzung einer Layoutbeschreibung<br />

in PostScript ist potentiell nicht auf den Druck beschränkt,<br />

sondern kann prinzipiell genauso im Internet oder auf<br />

einer CD-ROM präsentiert werden.<br />

Das Konzept, denselben Inhalt in verschiedenen Medien zu publizieren,<br />

ist unter dem Schlagwort<br />

C r o s s M e d i a P u b l i s h i n g<br />

bekannt geworden. Die ersten Anschübe gehen vielleicht auf den<br />

Anfang der 90er Jahre zurück, als das graphikfähig gewordene Internet<br />

populär wurde. Dann entdeckten mehr und mehr Publisher,<br />

dass die CD-ROM, ursprünglich erdacht für technische Zwecke innerhalb<br />

der Informatik, auch Qualitäten im Umgang mit Endkunden<br />

hat. So wurde es in den 90ern durchaus üblich, ein Kiosk-<br />

Magazin mit einer CD-ROM aufzuwerten, was einerseits als eine<br />

Demonstration <strong>des</strong> Cross <strong>Media</strong> Publishing-Konzepts zu verstehen<br />

ist, andererseits aber auch die Anerkennung <strong>des</strong> PCs als neues Massenmedium<br />

durch die klassischen Printmedien ausdrückt.<br />

Damit man bei einem Informationsträger von einem Medium reden<br />

kann, müssen seine Datenformate allgemein verständlich sein.<br />

In anderen Worten, eine Nachricht in einer Fremdsprache, die man<br />

nicht spricht, ist keine oder eine nicht akzeptierte Fremdwährung<br />

ist kein Zahlungsmittel, auch wenn der entsprechende Wert potentiell<br />

sehr hoch sein mag. Kommunikation benötigt also Standards.<br />

Im Bereich <strong>des</strong> medienneutralen Publizierens hat sich das<br />

Po r t a b l e D o c u m e n t Fo r m a t ( P D F ) ,<br />

1993 von Adobe als Datenformat für Präsentationszwecke eingeführt,<br />

als Standard durchgesetzt. Es handelt sich dabei um eine<br />

Art vorverarbeitetes PostScript, abgeleitet aus dem Speicherformat<br />

für Illustrator-Graphiken. Es wurde populär durch die Freigabe<br />

<strong>des</strong> Acrobat-Readers, der Lese- und Präsentationskomponente<br />

61<br />

Archivierung<br />

Publizieren als Autorenkompetenz<br />

✧ hoher Ausbildungsbedarf bei Autoren, Journalisten, Wissenschaftler<br />

➙ Integration ehemals separierter Tätigkeiten<br />

➙ zentral limitierender Faktor<br />

✛ elearning bis anhin kein Erfolg (einfach zu aufwendig)<br />

➙ Tools sind noch auf die ehemalige Druckvorstufe ausgerichtet<br />

✛ zu komplex für gelegentliche Anwendung<br />

➙ Ausbildungssystem der grafischen Industrie veraltet<br />

✛ noch arbeitsteilige Weltsicht<br />

➙ CMYK ist nicht kundenorientiert<br />

➙ Parallelen zum Musikmarkt erkennbar<br />

✛ Selbstverlag kann durchaus die Regel werden<br />

klaus simon<br />

Cross <strong>Media</strong> Architektur<br />

Publishing System<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Druck Web<br />

Datenbank<br />

Rechteverwaltung<br />

Datenverwaltung<br />

Layoutgenerierung<br />

Eingabekontrolle<br />

Design - Film - Foto - Autoren - Journalisten - Agenturen<br />

klaus simon<br />

Softwaretools<br />

Layoutsprachen<br />

elektronischer Datenaustausch<br />

Workflow Management<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

109<br />

drucken<br />

110<br />

drucken


Cross <strong>Media</strong> Publishing<br />

✧ Informationsverwaltung als Datenbankanwendung<br />

➙ Informatik (Entwicklerkompetenz)<br />

➙ Softwareengineering<br />

✧ Herausforderungen<br />

➙ Rollenverständnis der Publikationsbranche<br />

➙ generiertes Layout<br />

➙ Datenformate und Datenkonvertierung<br />

➙ Veränderungen der Informatiktechnik<br />

✛ HDTV, Fernseher mit 3.80 m Bildschirmdiagonale<br />

➙ elektronischer Download von visuellen Daten<br />

➙ selektive Informationsaufbereitung<br />

✛ spezialisierte Suchmaschinen<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Portable Document Format (PDF) — PDF/X — PDF/A<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

111<br />

drucken<br />

112<br />

drucken<br />

62<br />

<strong>des</strong> Systems. Heute ist PDF im Bereich <strong>des</strong> Cross <strong>Media</strong> Publishing<br />

konkurrenzlos. Verschiedene ISO-Arbeitsgruppen haben die<br />

internationale Standardisierung in Teilbereichen übernommen, z.B.<br />

PDF/A (Dokumentation) oder PDF/X (Druck). Als Druckstandard<br />

verdrängt PDF zunehmend PostScript. So enthalten die neuesten<br />

reinen PDF-RIPs 36 von Adobe funktionale Erweiterungen im Bereich<br />

ICC-Profile, Jobtickets oder Transparency deren Übernahme<br />

in PostScript nicht beabsichtigt ist.<br />

Auch im Cross <strong>Media</strong> Publishing gibt es Grossunternehmen, die<br />

einen Grossteil ihrer Energien auf die Organisation ihrer Tätigkeiten<br />

verwenden müssen, z.B. Zeitungsverlage. Lag das Schwergewicht<br />

früher auf der perfekten Synchronisation der unternehmensweit<br />

geplanten Arbeitsabläufe, so steht heute die Verwaltung digitaler<br />

Daten im Vordergrund. Dementsprechend bekommen Datenbanken<br />

einen hohen Stellenwert. Die Situation ist vergleichbar zu<br />

derjenigen im Bankenbereich einige Jahrzehnte zuvor. Der einzelne<br />

Mitarbeiter stimmt seine Tätigkeiten mit der Datenbank ab. Die<br />

Synchronisation der Abläufe, das Managen der Termine, die Abrechnung<br />

der Aufträge usw. geschieht durch die Transaktionsverwaltung<br />

der Datenbank.<br />

Ein wichtiger Aspekt dieses Szenariums betrifft die Arbeitsweise<br />

mit Desktop Publishing Software. Die meisten Programme verstehen<br />

sich als interaktiv, d.h. das Resultat wird in einer direkten Interaktion<br />

mit dem Programm in einem grafischen Editor Schritt für<br />

Schritt zusammengestellt. Der Vorteil besteht darin, dass der Designer<br />

eine unmittelbare visuelle Kontrolle über das Entstehen <strong>des</strong><br />

Layouts hat. Dieses Vorgehen ist aber für ein datenbankgestütztes<br />

Arbeiten nur bedingt geeignet. Effizienter wäre ein generiertes Layout.<br />

Eine typische Situation ist die heute typische Personalisierung<br />

von Anzeigen. Soll etwa eine allgemeine Anzeige eines Konzerns für<br />

einen individuellen Händler angepasst werden, so geschieht dies am<br />

einfachsten durch die Datenbank selbst, indem die Daten an ein<br />

Programm übergeben werden, das die Anzeige automatisch erzeugt,<br />

sprich generiert. Da diese Situation für viele Fälle repräsentativ ist,<br />

36 PDF Print Engine


man denke etwa an Preislisten oder Kataloge, ist zu erwarten, dass<br />

der Bedarf an generiertem Layout stark zunehmen wird.<br />

Die allgemeine Konsequenz <strong>des</strong> Cross <strong>Media</strong> Publishing ist ein<br />

anderes Rollenverständnis von Druckbetrieben. Die Medien bleiben<br />

in ihrer gesellschaftlichen Rolle zunächst einmal mehr oder weniger<br />

bestehen. Die in der Industrialisierung entstandene Identifizierung<br />

von Druckindustrie und Medienbranche gerät aber mehr und mehr<br />

ins Wanken. Dabei ist der Grund für diese veränderte Sichtweise<br />

nicht eine reduzierte kommerzielle Bedeutung <strong>des</strong> Drucks, sondern<br />

der postindustrielle Charakter der medienneutralen Produktionsweise.<br />

2.9 Konventionelle Druckverfahren<br />

Das klassische Drucken mit Druckform hat bisher wenig von seiner<br />

ökonomischen Bedeutung eingebüsst. In den westlich geprägten<br />

Ländern trägt die Druckindustrie ca. 6 – 7 % zum Bruttosozialprodukt<br />

bei. Der weltweite Umsatz der Medienbranche beträgt ca. 700<br />

Milliarden Euro wovon 2/3 auf die Druckindustrie entfällt. 37 In diesem<br />

Abschnitt wollen wir die kommerziell wichtigsten Druckverfahren<br />

im Überblick darstellen.<br />

Gemeinsam ist allen hier vorgestellten Verfahren das Benutzen<br />

einer Druckform zur Bildübertragung. Aber bereits beim Anpressen<br />

bzw. der dadurch bedingten Farbübertragung unterscheiden sie sich<br />

erheblich. Die Farbübertragung, oder genauer die Farbschichtspaltung,<br />

ist ein hoch komplexer Vorgang, der von vielen Parametern<br />

wie der Oberflächenrauigkeit, der Luftfeuchtigkeit, der Saugfähigkeit<br />

<strong>des</strong> Papiers, der Viskosität der Farbe, dem Anpressdruck usw.<br />

abhängt. Noch heute sind einige Aspekte wissenschaftlich nicht<br />

vollständig verstanden.<br />

• Auf den Hochdruck sind wir bereits auf Grund seiner historischen<br />

Bedeutung eingegangen. Die druckenden Formelemente<br />

37 weitere Daten findet man z.B. in [2] oder www.heidelberg.com<br />

63<br />

Druckverfahren mit Druckform<br />

✧ Einfärben und Anpressen der Druckform<br />

✧ flächenpartielle Farbübertragung (Farbschichtspaltung)<br />

➙ komplexer Vorgang, abhängig von . . .<br />

✛ Oberflächenrauhigkeit, Saugfähigkeit <strong>des</strong> Papiers,<br />

Luftfeuchtigkeit, Farbviskosität, Anpressdruck,<br />

Druckgeschwindigkeit, . . .<br />

➙ bis heute ein aktuelles Forschungsthema<br />

✧ Hochdruck: druckende Formelemente herausragend<br />

➙ Buchdruck, Flexodruck<br />

✧ Flachdruck: ebene Druckform<br />

➙ Lithographie, Offsetdruck<br />

✧ Tiefdruck: druckende Teile eingraviert<br />

✧ Siebdruck: Schablone als Druckform<br />

Buchdruck<br />

klaus simon<br />

✧ ältestes Hochdruckverfahren, 400 Jahre dominant<br />

➙ heute nur noch Nischenbedeutung<br />

✧ drei Druckvarianten<br />

➙ Tiegelpressen: Fläche/Fläche<br />

✛ als Handpressen prototypisch vor 1800<br />

➙ Schnellpressen: Fläche/Zylinder<br />

✛ qualitativ hochwertig, aber langsam<br />

➙ Rotationsdruck: Zylinder/Zylinder<br />

✛ bes. im Zeitungsdruck, halbrunde Stereos<br />

✧ Kennzeichen<br />

➙ zähflüssige Druckfarbe, hoher Anpressdruck<br />

➙ aufwendige Druckform, geringe Druckgeschwind.<br />

➙ charakteristisches Druckbild mit Quetschränder<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

113<br />

drucken<br />

114<br />

drucken


Flexodruck<br />

✧ Hochdruckvariante, insbesondere im Verpackungsdruck<br />

➙ Name in den 50er Jahren eingeführt (früher Anilindruck)<br />

✧ Kennzeichnung: weich- oder hartelastische Druckformen<br />

➙ heute meist auf Fotopolymer-, früher Gummibasis<br />

✛ abgestimmt auf die jeweilige Anwendung<br />

➙ spezielle Farbzuführungssysteme mit Rasterwalze und Rakel<br />

✛ erlauben dünnflüssige Farben u. geringe Anpressdrücke<br />

➙ geeignet für unterschiedlichste Bedruckstoffe<br />

✛ Gewebe, Folien, Rauhpappen, saugend oder nicht, . . .<br />

✧ prinzipiell geringere Qualität als im Offsetdruck<br />

➙ jedoch grosse Fortschritte durch CtP<br />

➙ andererseits: Abnutzungserscheinungen im Fortdruck<br />

✧ stark wachsende Bedeutung in den <strong>letzten</strong> Jahren<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Flexodruckmaschine (Gallus, St. Gallen) und Anwendung<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

115<br />

drucken<br />

116<br />

drucken<br />

64<br />

sind hier erhaben. Ökonomische Relevanz hat heute die Variante<br />

<strong>des</strong> Flexodrucks, speziell für Verpackungen, mit einem<br />

Marktanteil von etwa 15 % bei steigender Tendenz.<br />

• Bei einer ebenen Druckform spricht man von Flachdruck.<br />

Auf die Technik der bedeutenden Verfahren, der Lithographie<br />

und <strong>des</strong> Offsetdrucks, sind wir bereits ausführlich im Abschnitt<br />

2.4.8 eingegangen. Der wertmässige Anteil <strong>des</strong> Offsetdrucks<br />

liegt bei ca. 65 – 70 %, was die klare Führung bedeutet.<br />

• Beim Tiefdruck sind die druckenden Teile eingraviert. Dieses<br />

Verfahren hat einen stabilen Marktanteil von etwa 10 bis 12 %,<br />

der hauptsächlich auf illustrierte Massenauflagen zurückgeht.<br />

• Der Siebdruck ist durch eine Druckform in der Art einer Schablone,<br />

durch deren Löcher die Farbe auf den Bedrucksstoff gedrückt<br />

wird, charakterisiert. Sein Anteil am Umsatz der graphischen<br />

Industrie bleibt unter 5 %. Der Siebdruck wird aber<br />

auch in anderen Industrien genutzt. Den restlichen Marktanteil<br />

von 7 – 8 % liefern digitale druckformlose Verfahren.<br />

2.9.1 Buchdruck<br />

Der Buch- oder Hochdruck ist, wie im Abschnitt 2.1 beschrieben,<br />

das älteste Druckverfahren. Seit Gutenberg war es das dominante<br />

Druckverfahren, bis es im <strong>letzten</strong> Jahrhundert durch den Offsetdruck<br />

verdrängt wurde. Heute hat der Buchdruck nur noch Nischenbedeutung.<br />

Historisch gesehen, gibt es drei bedeutende Varianten.<br />

• Zunächst die Tiegelpressen mit flacher Druckform und flachem<br />

Gegendruckelement. Handbetriebene Tiegelpressen waren in<br />

der vorindustriellen Zeit ein Synonym für den Druck an sich.<br />

• Die Schnellpressen mit flacher Druckform und Gegendruckzylinder<br />

läuteten dann die Industrialisierung <strong>des</strong> Druckes ein.<br />

Diese Variante ist auch für hochqualitative Drucke geeignet, allerdings<br />

nur bei geringer Druckleistung.


• Der Rotationsdruck mit Druckform und Gegendruckelement<br />

als Zylinder wurde auch für den Hochdruck realisiert, z.B. für<br />

den Zeitungsdruck. Die Herstellung der halbrunden gegossenen<br />

Stereos war jedoch kompliziert und lieferte nicht die beste Qualität.<br />

Typisch für den Buchdruck ist die Verwendung zähflüssiger Farbe<br />

in Kombination mit einem hohen Anpressdruck. Dies begrenzt die<br />

mögliche Druckgeschwindigkeit. Ein weiteres Problem <strong>des</strong> Buchdruckes<br />

ist die aufwendige Herstellung der Druckform. Der Hochdruck<br />

lässt sich an seinen Quetschrändern im Druckbild erkennen.<br />

Die Farbe konzentriert sich am Rande der Buchstaben.<br />

2.9.2 Flexodruck<br />

Dass der Hochdruck nicht gänzlich seine ökonomische Bedeutung<br />

verloren hat, liegt am Flexodruck, früher auch als Anilin- oder Gummistempeldruck<br />

bezeichnet. Der Flexodruck wird vorwiegend im<br />

Verpackungsdruck, z.B. bei Plastikfolien oder Etiketten verwendet.<br />

Sein Kennzeichen sind weich- oder hartelastische Druckformen. Sie<br />

wurden früher aus Gummi gefertigt. Heute benutzt man eher Fotopolymerplatten,<br />

die an den druckenden Stellen mit Licht gehärtet<br />

werden. Die nicht belichteten Teile bleiben wasserlöslich und werden<br />

ausgewaschen.<br />

Ein weiteres Charakteristikum ist die Verwendung von dünnflüssigen<br />

Farben, die durch die Verdunstung enthaltener Lösungsmittel<br />

schnell abtrocknen. Diese speziellen Farben erfordern ein spezielles<br />

indirektes Einfärbungssystem über eine Rasterwalze. Diese<br />

Walze besitzt viele kleine Löcher, Näpfchen genannt, die zunächst<br />

die dünnflüssige Druckfarbe aufnehmen. Von den Näpfchen wird die<br />

Farbe dann sehr kontrolliert auf die erhabenen Teile der Druckform<br />

übertragen und von dort weiter zu dem jeweiligen Bedruckstoff.<br />

Dieses Konzept der Farbübertragung benötigt nur geringe Anpressdrücke<br />

und ist flexibel auf unterschiedlichste Bedruckstoffe<br />

wie Gewebe, Folien, Raupappen usw. abstimmbar. Die Qualität <strong>des</strong><br />

65<br />

Tiefdruck<br />

✧ historisch aus Kupferstich hervorgegangen<br />

✧ Farbe in Vertiefungen (Näpfchen) der Druckform<br />

➙ hoher Anpressdruck drückt Papier in die Näpfchen<br />

➙ verschiedene Näpfchentiefe ⇒ Helligkeitsmodulation<br />

✧ Einfärbung: Flutung der Druckform mit Farbe<br />

➙ Farbentfernung an den nichtdruckenden Teilen (Stege)<br />

✛ mittels Rakel und Wischer (Rakeltiefdruck)<br />

➙ dünnflüssige Farbe ⇒ explizite Trocknung notwendig<br />

✧ Druckform: meist direkt auf Druckzylinder<br />

➙ Erstellung: Ätzung, (Laser-) Gravur<br />

✧ etwa 10-15 % <strong>des</strong> Druckmarktes: Massenauflagen ≥ 500000<br />

➙ Zeitschriften, Kataloge, Wertpapiere, Verpackungen, . . .<br />

✧ hochqualitativ, sehr teuer, höchst effizient<br />

klaus simon<br />

Druckformen im Tiefdruck<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

117<br />

drucken<br />

118<br />

drucken


Siebdruck<br />

✧ Druckform: Sieb + aufgebrachte Schablone<br />

➙ heute meist fotomechanisch erstellt (Diazolacke)<br />

✛ Härtung der Nichtbildstellen durch UV-Licht<br />

✛ Säuberung der Bildstellen durch Auswaschen<br />

✧ Farbübertragung: Durchdrücken der Farbe durch das Sieb<br />

➙ als Flutwelle vor einem Rakel<br />

➙ hoher Farbauftrag 20-100µm (Offset 0.5-2µm)<br />

✧ Gewebefeinheit 10-200 Fäden/cm ≈ (3-4)×Rasterfeinheit<br />

➙ etwa 9 bis 16 Helligkeitsstufen erreichbar<br />

✧ vielseitig einsetzbar (grösste Farbauswahl)<br />

➙ Plakate, Textilien, Verkehrsschilder, Leiterbahnen<br />

klaus simon<br />

Druckform Siebdruck<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

119<br />

drucken<br />

120<br />

drucken<br />

66<br />

Flexodrucks ist prinzipiell geringer als beim Offsetdruck. Der Flexodruck<br />

hat in dieser Hinsicht allerdings stark von den Fortschritten<br />

im Computer-to-Plate-Bereich profitiert, so dass heute Rasterweiten<br />

von 60 Linien pro cm durchaus üblich sind.<br />

2.9.3 Tiefdruck<br />

Der Tiefdruck ist aus dem Kupferstich entstanden. Der Name kennzeichnet,<br />

dass die druckenden Elemente der Druckform ihre Vertiefungen<br />

(Näpfchen) sind. Die nicht druckenden Teile (Stege) liegen<br />

auf einem konstanten höheren Niveau. Die Einfärbung der Druckform<br />

geschieht durch Flutung, d.h. der Druckzylinder, in den die<br />

Druckform eingraviert ist, wird gänzlich in dünnflüssige Farbe getaucht.<br />

Die auf den Stegen unerwünschte Farbe wird durch ein<br />

Rakel 38 , einem dünnen Stahllineal wieder abgestreift. Ein hoher<br />

Anpressdruck und Adhäsionskräfte bewirken die Farbübertragung.<br />

Dabei zeigt sich eine gewisse Helligkeitsmodulation. Tiefe Näpfchen<br />

übertragen mehr Farbe und erzeugen somit einen gesättigteren Dot.<br />

Die Verwendung dünnflüssiger Farbe bedingt im Mehrfarbendruck<br />

eine explizite Trocknung zwischen den einzelnen Farbdrucken.<br />

Das Besondere <strong>des</strong> modernen Rakeltiefdruckes sind die Druckformen,<br />

die in der Regel in die Druckzylinder eingraviert sind. Die<br />

Gravur erfolgt heute zunehmend durch Einbrennung der Näpfchen<br />

in den Zylinder mit leistungsstarken Lasern, was in den <strong>letzten</strong> Jahren<br />

sowohl die Produktionszeit als auch die Kosten deutlich gesenkt<br />

hat. Aber auch mit der direkten Lasergravur bleibt der Tiefdruck eine<br />

teure Angelegenheit.<br />

2.9.4 Siebdruck<br />

Der Siebdruck ist ein Verfahren, das nur teilweise der graphischen<br />

Industrie zugeordnet werden kann. Typische Anwendungen sind<br />

grossformatige Werbeplakate, Verpackungen, gedruckte Schaltungen<br />

oder bedruckte Textilien (T-Shirts). Die Farbübertragung erfolgt<br />

38 oder auch Rakelmesser genannt


durch das Durchdrücken von Farbe durch ein Sieb, meist ein feines<br />

Gewebe aus Kunststoff oder Metallfäden. Man bezeichnet den Siebdruck<br />

<strong>des</strong>halb auch als Durchdruckverfahren. Dabei wird ein sehr<br />

hoher Farbauftrag von 20 bis 100 µm erreicht, 39 was den Siebdruck<br />

auch ausserhalb der graphischen Industrie interessant macht. Zudem<br />

verfügt der Siebdruck über die grösste Auswahl an Farben.<br />

Die nicht druckenden Elemente <strong>des</strong> Siebes werden durch eine<br />

Schablone abgedeckt. Die Schablone wird fotomechanisch direkt auf<br />

dem Sieb erzeugt. Zunächst wird das Sieb mit einem Diazolack beschichtet.<br />

Mit UV-Licht werden dann die Nichtbildstellen gehärtet<br />

und anschliessend die Bildstellen durch Auswaschung wieder freigelegt.<br />

Die üblichen Rasterfeinheiten sind etwa 3 bis 4 mal gröber<br />

als die zu Grunde liegende Gewebefeinheit, so dass ca. 9 bis 16 Helligkeitsstufen<br />

realisiert werden können.<br />

2.10 Non-Impact-Printing<br />

Druckverfahren, die ohne feste Druckformen arbeiten und grundsätzlich<br />

von Druckseite zu Druckseite ein unterschiedliches Druckbild<br />

erzeugen können, bezeichnen wir als NIP-Verfahren, wobei NIP für<br />

Non-Impact-Printing steht. Non-Impact ist dabei weniger als berührungslos<br />

zu verstehen — spätestens der physikalische Bildaufbau<br />

basiert auf Kontakt — sondern als Abgrenzung vom konventionellen<br />

Druck mit Druckform. Die Ursprünge der NIP-Techniken liegen<br />

sicher im Office-Bereich, aber auf Grund der dynamischen Marktentwicklung<br />

sind in den <strong>letzten</strong> Jahren die Grenzen zum professionellen<br />

Druck immer mehr verwischt worden.<br />

Im Folgenden werden wir auf die Elektrofotografie (Laserdruck),<br />

Inkjets und die Thermografie eingehen. Die ersten beiden Verfahren<br />

bestimmen das Marktgeschehen, das letzte hat eine gewisse Bedeutung<br />

im Kontext der Fotografie und von Proofsystemen. Über die<br />

drei genannten Verfahren hinaus, existieren jedoch noch eine Reihe<br />

39 Im Ocsetdruck werden etwa 0.5 bis 2 µm erzielt.<br />

67<br />

Siebdrucken<br />

klaus simon<br />

Non-Impact-Druckverfahren (NIP)<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Bildreproduktion ohne Druckform (Computer-to-Print)<br />

➙ je<strong>des</strong> Bild wird individuell erzeugt<br />

➙ grosse Marktdynamik<br />

✧ Arten<br />

➙ Elektrofotografie: Bebilderung mit fotoelektrischen Effekten<br />

➙ Ionografie: direkte Ladungstransporte mit Ionen<br />

➙ Magnetografie: bildabhängige magnetische Muster<br />

➙ Inkjet: direkter Bildaufbau durch ein Düsensystem<br />

➙ Fotografie: Belichtung von beschichteten Papieren<br />

➙ X-Grafie: permanent neue Technologievorschläge<br />

✧ grosser Einfluss auf die Druckindustrie<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

121<br />

drucken<br />

122<br />

drucken


afie<br />

as weitestverbreitete<br />

. Es geht zurück auf<br />

arlson,die 1939 zum<br />

schließlich patentiert<br />

rsicht zu Technologie<br />

rafie gegeben,insbeührliche<br />

Erläuterung<br />

ikalischen Effekte. In<br />

nitten wurden schon<br />

iele für die NIP-Techgeben;<br />

Drucksysteme<br />

.3.1,4.1.3,4.5.1 und 5.1<br />

fotografie<br />

Elektrografie<br />

✧ Bebilderung: Erzeugung eines nichtsichtbaren latenten Bil<strong>des</strong><br />

➙ auf einer Trommel mit fotoleitender Oberfläche<br />

➙ partielle Entladung <strong>des</strong> homogenen Ladungsbil<strong>des</strong> (Laser, LED)<br />

➙ Bildeinfärbung: Pudertoner (3-6µm) o. Flüssigt. (1-2µm)<br />

✧ Tonerübertragung: direkt auf Papier oder über Zwischenträger<br />

➙ durch Druckkontrakt und elektrostatische Aufladung (Corona)<br />

➙ Tonerfixierung: Verankerung auf Papier durch Schmelzen<br />

✛ keine Trocknung für die Weiterverarbeitung erforderlich<br />

➙ mechanische und elektrische Reinigung der Trommel<br />

➙ zunehmende Bedeutung im Akzidenzdruck (≤ 10000 Expl.)<br />

➙ geringe <strong>Auflösung</strong> und Druckgeschwindigkeit<br />

1<br />

Bebilderung<br />

CoronaaufladungLicht-<br />

5<br />

entladung<br />

Reinigung<br />

+<br />

(Konditio-<br />

+<br />

nierung) Bürste<br />

+<br />

-<br />

Absaugung<br />

klaus simon<br />

Bebilderung Laserdruck<br />

Licht<br />

(Laser oder<br />

LED-Array)<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Fotoleiter latentes,<br />

elektrostatisches Bild<br />

Abb. 5.2-1 Prinzip der Elektrofotografie<br />

Elektrofotografie darofotografischenDrukunterteilen:<br />

• Beschichtung mit Arsentriselenid (As2Se3) oder<br />

ähnlichen selenhaltigen Verbindungen;<br />

• organische Fotoleiter (OPC: Organic Photo Con-<br />

-<br />

+ +++++++<br />

+<br />

+<br />

-<br />

+ + + +<br />

+<br />

-<br />

++ ++<br />

+<br />

++<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+ +<br />

--<br />

- - -<br />

--<br />

-<br />

---<br />

+<br />

+<br />

+ -<br />

-<br />

+<br />

2<br />

Einfärbung<br />

(Entwicklungseinheit)<br />

elektrostat. Kräfte<br />

halten den Toner<br />

Auslage<br />

4<br />

Corona (+)<br />

Papier<br />

3<br />

Anlage<br />

Tonerfixierung Tonerübertrag direkt auf Papier<br />

(Wärme, Druck) (oder indirekt über Zwischenträger)<br />

- -<br />

--<br />

- -<br />

-<br />

-<br />

-<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

123<br />

drucken<br />

124<br />

drucken<br />

68<br />

anderer, z.B. die Ionographie oder die Magnetographie, auf die wir<br />

jedoch nicht näher eingehen werden.<br />

2.10.1 Elektrofotografie (Laserdruck)<br />

Der Name Laserdruck wird allgemein für das Drucken nach dem<br />

elektrofotografischen Verfahren verwendet. Die Funktion <strong>des</strong> Lasers<br />

kann dabei durchaus von LEDs übernommen werden. Der elektrofotografische<br />

Bildaufbau basiert üblicherweise auf einer Trommel, die<br />

mit einer fotoleitenden Oberfläche beschichtet ist. Zunächst wird die<br />

Trommel gleichmässig negativ elektrostatisch aufgeladen. Mit einem<br />

Laserstrahl und einem rotierenden Spiegel wird die Trommel<br />

nun gezielt an den einzelnen Dots belichtet. Durch diese Belichtung<br />

wird sie punktuell leitend und verliert ihre Spannung. Gesamthaft<br />

entsteht ein latentes Ladungsbild.<br />

Die Entwicklung <strong>des</strong> latenten Bil<strong>des</strong> geschieht durch Zuführung<br />

von Tonerpartikeln. Diese ca. 3 bis 6 µm durchmessenden Teilchen<br />

sind negativ aufgeladen und lagern sich an den nicht negativen Stellen<br />

der Trommeloberfläche an. Der nächste Schritt ist die Tonerübertragung<br />

auf Papier, der allerdings noch ein Transportband vorausgehen<br />

kann. Beim Mehrfarbendruck hat jede Druckfarbe ihre eigene<br />

Trommel. Ein Transportband sammelt dann die Tonerpartikel<br />

der hintereinander angeordneten Farbtrommeln, bevor sie gemeinsam<br />

auf das Papier übertragen werden. Dazu wird auf der Papierrückseite<br />

eine starke, dem Tonerpartikel entgegengesetzte Spannung<br />

aufgebaut, die zudem durch Druckkontakt unterstützt wird.<br />

Es folgt die Fixierung <strong>des</strong> Toners auf dem Papier. Dazu wird der<br />

Toner erhitzt und geschmolzen. Durch diesen speziellen Prozessschritt<br />

entfällt insbesondere die Trocknung, was für die direkte Weiterverarbeitung<br />

<strong>des</strong> Drucks von Bedeutung ist. Der letzte Prozessschritt<br />

ist die mechanische und elektrische Reinigung der Trommel,<br />

worauf die nächste Seite gedruckt werden kann.<br />

Die Qualität von Laserdruckern hat sich in den <strong>letzten</strong> Jahren<br />

deutlich verbessert. Trotz der nur mittelmässigen Druckgeschwindigkeit,<br />

ist der Laserdruck auf Grund der fehlenden Rüstzeiten und


seiner Flexibilität auch im professionellen Bereich, bis zu vielleicht<br />

10’000 Exemplaren, konkurrenzfähig.<br />

2.10.2 Inkjets<br />

Tintenstrahldrucker oder Inkjets erzeugen durch Aufsprühen von<br />

Tinte unmittelbar ein Bild auf Papier. Dazu wird der Sprühkopf entlang<br />

der einzelnen Dots bewegt und bei Bedarf aktiviert. Es wird<br />

kein Zwischen- oder Transferbild erzeugt. Obwohl die Technik hohe<br />

Anforderungen an Tinten und Papier stellt, sind ausgezeichnete<br />

Qualitäten, selbst mit preiswerten Geräten, erzielbar. Die dünnflüssigen<br />

Tinten führen zu geringen Farbaufträgen, Farbschichten<br />

< 1 µm sind dem Offsetdruck vergleichbar. Da Inkjets nur eine relativ<br />

einfache Steuerlogik benötigen, ist es möglich, die Kontrollsoftware<br />

weitgehend auf dem PC zu belassen, was die kommerzielle<br />

Konkurrenzfähigkeit, besonders im Low-End-Bereich weiter erhöht.<br />

Nachteilig sind die gegenwärtig noch hohen Kosten für die<br />

Verbrauchsmaterialien, eine gewisse mechanische Fehleranfälligkeit<br />

der Geräte und eine bescheidene Druckgeschwindigkeit. Es<br />

sind verschiedene Arten der Tropfenerzeugung und -führung üblich.<br />

• Bei den Continuous Inkjets wird ein stetiger Strom feinster<br />

Tröpfchen erzeugt. Die Entscheidung, ob eines dieser Tröpfchen<br />

den aktuell adressierten Dot erreicht oder nicht, wird durch<br />

eine entsprechende elektrische Aufladung <strong>des</strong> Tröpfchens vollzogen.<br />

Aufgeladene Tröpfchen werden vor dem Verlassen <strong>des</strong><br />

Sprühkopfes elektrisch abgelenkt, aufgefangen und recycelt.<br />

Dagegen erreichen ungeladene Tröpfchen das Papier. Ein einzelner<br />

Dot wird aus bis zu 30 einzelnen Tröpfchen zusammengesetzt,<br />

was eine entsprechende Helligkeitsmodulations <strong>des</strong><br />

Dots erlaubt.<br />

• Wenn nur die benötigten Tröpfchen erzeugt werden, spricht<br />

man von Drop on Demand. Die beiden Hauptvarianten sind<br />

Thermal Inkjets, auch als Bubble Jets bekannt, und Piezo Inkjets.<br />

Bei der ersten Variante werden die Tröpfchen in der Dü-<br />

69<br />

professionelle Laserdruckmaschine: NexPress 2100<br />

Inkjets<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Bilderzeugung durch Besprühen von Papier (Bedruckstoff)<br />

✧ im Allgemeinen Spezialfarben und -papiere erforderlich<br />

✧ Helligkeitsmodulation möglich durch<br />

➙ Sammlung von Tropfen auf einem Pixel (bis etwa 30)<br />

➙ Variation der Tropfenvolumen (ca. 10 Graustufen)<br />

✧ Continus Inkjet: stetiger Strom kleinster Farbtröpfchen<br />

➙ werden bildabhängig elektrisch aufgeladen (oder nicht)<br />

✛ geladene Tropfen werden abgelenkt und recycelt<br />

✧ Drop on Demand: nur benötigte Tropfen werden erzeugt<br />

➙ Termal Inkjet (Bubble-Jet): Verdampfen der Farbe<br />

➙ Piezo Inkjet: piezo-elektrische Volumenvariation der Düsenkammer<br />

✛ erlaubt höhere Druckfrequenzen<br />

✧ dünnflüssige Farben: Schichtdicken ≤ 1 µm ( ≈ Offsetdruck)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

125<br />

drucken<br />

126<br />

drucken


Beispiele Inkjet: IRIS and HP<br />

746 5 Druckverfahren ohne Druckform (NIP-Verfahren)<br />

746 5 Druckverfahren ohne Druckform (NIP-Verfahren)<br />

746 5 Druckverfahren ohne Druckform (NIP-Verfahren)<br />

a<br />

Übersicht Inkjets<br />

Bebilderungssignal<br />

TropfenPiezoLadungs-<br />

Bebilderungssignal<br />

ablenkungTropfenschwingerPiezoelektrodeLadungs- (Deflektor)<br />

TropfenPiezoablenkungschwingerLadungselektrode<br />

(Deflektor) ablenkungschwingerelektrode<br />

(Deflektor)<br />

a<br />

Farbe Farbe<br />

Düse<br />

Düse<br />

Düse<br />

Pumpe Pumpe<br />

Pumpe<br />

TropfenfängerTropfenfängerTropfen-<br />

Papier<br />

Papier<br />

fänger<br />

Abb. 5.5-2 Abb. Funktionsweisen 5.5-2 Funktionsweisen der Ink der Jet-Technologien.<br />

Ink Jet-Technologien.<br />

a Continuous a a Continuous Ink Jet; Farbe Ink Jet;<br />

b Drop on b Drop Demand on Demand Ink Jet/Thermal Ink Jet/Thermal Ink Jet; Ink Jet;<br />

c Drop on c Drop Demand on Demand Ink Jet/Piezo Ink Jet/Piezo Ink Jet; Ink Jet;<br />

dAbb. Elektrostatischer 5.5-2 d Elektrostatischer Funktionsweisen Ink JetInk<br />

Jet der Ink Jet-Technologien.<br />

a Continuous Ink Jet;<br />

b Drop on Demand Ink Jet/Thermal Ink Jet;<br />

c Drop on Demand Ink Jet/Piezo Ink Jet;<br />

d Elektrostatischer Ink Jet<br />

Papier<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Blase<br />

Blase<br />

Düse<br />

Düse<br />

Blase<br />

Farbe<br />

Farbe<br />

Wärmequelle Farbe<br />

(Heizwiderstand)<br />

Wärmequelle<br />

Bebilderungs-<br />

(Heizwiderstand)<br />

b Wärmequelle signalBebilderungs- Papier<br />

b<br />

signal<br />

(Heizwiderstand)<br />

Papier<br />

Bebilderungs-<br />

b<br />

signal Papier<br />

Bebilderungs- Papier<br />

BebilderungssignalsignalPiezoPiezokeramikkeramikBebilderungssignalPiezokeramik<br />

Farbe Farbe<br />

Papier<br />

127<br />

drucken<br />

Düse<br />

Papier<br />

Papier<br />

Düse<br />

c c Farbe<br />

elektrisches Feld<br />

Schaltelement<br />

Schaltelement<br />

E<br />

klaus simon technik (Veränderung der<br />

(Veränderung<br />

<strong>des</strong> digitalen<br />

der<br />

publizierens<br />

c Oberflächenkräfte)<br />

Oberflächenkräfte)<br />

Düse 128<br />

drucken<br />

Farbe<br />

Farbe<br />

Schaltelement<br />

(Veränderung der<br />

Oberflächenkräfte)<br />

elektrisches Feld<br />

E<br />

70<br />

senkammer erhitzt und lokal verdampft. Beim zweiten Verfahren<br />

wird das Herausschleudern <strong>des</strong> Tröpfchens durch eine piezoelektrische<br />

Verformung der Düsenkammer verursacht. Auch<br />

bei Drop on Demand-Verfahren kann die Dotgrösse durch eine<br />

Mengensteuerung in der Düsenkammer oder durch Überlagerung<br />

mehrerer Tröpfchen in einem gewissen Rahmen variiert<br />

werden, wobei etwa 10 Grauabstufungen erreichbar sind.<br />

Der Prozess der Helligkeitsmodulation der Dots wird unterstützt<br />

durch eine zunehmende Anzahl der gleichzeitig verwendbaren Tinten.<br />

Besonders für helle Farben werden Spezialfarben z.B. Lightcyan<br />

eingesetzt, die das Halftoning stark unterstützen. Im Gegensatz<br />

zur Elektrofotografie sind Inkjets auch gut für frequenzmodulierte<br />

Raster geeignet. Alles in allem kompensieren diese technische Möglichkeiten<br />

die nicht allzu hohe <strong>Auflösung</strong>, so dass Inkjets ein ausgesprochen<br />

gutes Preis-Leistungs-Verhältnis besitzen.<br />

2.10.3 Thermographie<br />

Thermographische Druckverfahren haben eine gewisse Ähnlichkeit<br />

zur Schreibmaschine. Anstatt ein Farbband mit einem Kugelkopf<br />

oder Typenrad aus Papier zu drücken, wird eine Farbfolie mit einem<br />

Laser oder Heizkopf auf das Papier oder einen Zwischenträger<br />

übertragen.<br />

• Beim Thermotransferverfahren wird eine Wachs- oder Resinschicht<br />

zum Schmelzen gebracht und durch leichtes Andrücken<br />

auf den Bedruckstoff übertragen. Die erzeugte Farbschichtdicke<br />

ist konstant, die Dot-Grösse ist in einem beschränkten<br />

Umfang variabel.<br />

• Bei der Thermosublimation wird die Farbe dagegen verdampft<br />

und diffundiert dann ins Papier. Der Verdampfungsprozess<br />

kann durch die Heizleistung relativ gut gesteuert werden, so<br />

dass eine fein abgestufte Helligkeitsmodulation der Dots resultiert.<br />

Dabei bleibt die Dotgrösse weitgehend konstant. Die Helligkeitsmodulation<br />

resultiert aus der Materialdichte der über-


tragenen Farben. Damit der Prozess in der geschilderten Art<br />

funktioniert, muss sowohl die Oberfläche <strong>des</strong> Bedruckstoffes<br />

speziell auf die Aufnahme der diffundierenden Farben vorbe-<br />

reitet als auch die Farbträgerfolie in mehreren Schichten sorgfältig<br />

präpariert werden.<br />

Thermographische Drucker werden insbesondere für Prüfzwecke<br />

dann das Ablösen eines Tropfens.<br />

eingesetzt. In diesem Kontext erfolgt die Farbübertragung zunächst<br />

Farben<br />

auf einen Zwischenträger, der die einzelnen Farben einsammelt. Der<br />

Übertrag auf das Papier erfolgt dann mit einem Laminator. Ein weiteres<br />

Einsatzgebiet ist die Ausgabe von Fotos, etwa für Ausweise<br />

oder Kreditkarten. Handelsübliche Geräte mit 600 dpi <strong>Auflösung</strong><br />

und 100 Grauwerten pro Dot genügen hier höchsten Qualitätsanforderungen.<br />

2.11 Literaturverzeichnis<br />

[1] G. Meisenbach. Deutsches Patent DRP 22 244, 1882.<br />

trisches Feld anliegt und durch bildabhängige Veränderung<br />

im Ink Jet-Düsensystem sich entweder ein<br />

Kräftegleichgewicht einstellen kann oder die Oberflächenspannungsverhältnisse<br />

zwischen Farbe und<br />

Austrittsdüse so verändert werden,daß sich durch die<br />

Feldkräfte ein Farbtropfen ablöst. Über das elektrische<br />

Feld ist gewissermaßen die Entnahme von Farbe<br />

aus den Düsen vorbereitet, ein Steuerimpuls (z. B. 1st<br />

elektrisches Signal oder Wärmezufuhr) veranlaßt nucleation<br />

a<br />

[2] Heidelberger Druckmaschinen AG. 100 Jahre Offsetdruck.<br />

Pressemitteilung, siehe www.heidelberg.com, 2004. werden können.<br />

[3] Helmut Kipphan. Handbuch der Printmedien. Springer, Berlin,<br />

2000.<br />

[4] L. Levy and M. Levy. Screen for Photomechanical einzelnen Bildpunktes Printing.<br />

verbunden.<br />

U.S. Patent 492333, 1893.<br />

[5] Hermann Meyn. Massenmedien in Deutschland. UVK Verlagsgesellschaft<br />

mbH (UTB), Konstanz, 2004.<br />

[6] H. Paul, editor. Lexikon der Optik. Spektrum Akademischer<br />

Verlag, 1999.<br />

[7] René Perret. Kunst und Magie der Daguerreotypie, Collection<br />

W.+T. Bosshard. BEA+Poly-Verlags AG, Brugg, ISBN 3-<br />

905177-52-8, 2006.<br />

level-1<br />

drop<br />

5.5 Ink Jet<br />

Dot-Bildung bei Inkjets<br />

level-2<br />

drop<br />

level-3<br />

drop<br />

In Abb.5.5-1 ist auch zusammenfassend angegeben,in<br />

welchen Phasen (flüssig oder fest) die Farbe für Ink<br />

Jet-Verfahren zum Einsatz kommt.Bei den eingesetzten<br />

Farben handelt es sich meist um flüssige Farben.<br />

Zudem sind einige Drop on Demand Ink Jet-Systeme<br />

für den Einsatz von Hot-Melt-Farben ausgestattet.<br />

In Abb.5.1-16 ist eine Übersicht zu den Farbenfür Ink<br />

Jet gegeben. Dort sind auch Angaben über die Zusammensetzung<br />

der Farben und die damit verbundenen<br />

Trocknungsvorgänge gemacht. Des weiteren ist erläutert,<br />

welche Farbschicktdicken sich beim einfarbigen<br />

Druck mit Ink Jet-Systemen in Abhängigkeit von der<br />

b<br />

Pixel-Rasterzelle<br />

Art der Farbe ergeben. Hierzu ist insbesondere zu bemerken,daß<br />

bei Einsatz von flüssigen Farben sich sehr<br />

z. B. max.<br />

33 Tropfen<br />

geringe Schichtdicken auftragen lassen (kleine Tropfenvolumina),<br />

was die Grundlage für qualitativ sehr<br />

c<br />

hochwertige Drucke vor allem bei Farbbildern ist.<br />

Farbdrucke höchster Qualität lassen sich durch die<br />

Verwendung speziell beschichteter Papiere erzeugen,<br />

die ein Zerfließen der Farbe vermeiden und zudem<br />

Abb. 5.5-3 Grauwerterzeugung bei Ink Jet-Verfahren.<br />

a Sammeln von Tropfen durch hochfrequente Erzeugung (Thermal<br />

Ink Jet; HP);<br />

b Tropfenbildung aus Einzeltropfen (Hochgeschwindigkeitsfotogra-<br />

ein gutes Wegschlagverhalten und gute Trocknungsfie, XAAR);<br />

ergebnisse bieten.<br />

c Bildpunkte unterschiedlicher Graustufen, erzeugt durch Sammeln<br />

Eine weitere Qualitätssteigerung ist vor allem dann<br />

möglich,wenn Ink Jet-Systeme zum Einsatz kommen,<br />

bei denen mehrere Grauwerte pro Bildpunkt erzeugt<br />

von mehreren Tropfen pro Bildpunkt [5.5-1]<br />

auch vom Saugverhalten <strong>des</strong> Papiers, was bei der folgenden<br />

Betrachtung aber außer acht gelassen werden<br />

Grauwerterzeugung bei Ink Jet-Verfahren<br />

soll). Unterschiedliche Tropfenvolumina lassen sich auf<br />

Entsprechend Abb.5.1-6c wird bei der Dichtemodula- verschiedene Weise erzeugen, bei Drop on Demandtion<br />

zur Erzeugung eines Bildpunktes eine unter- Verfahren z.B. durch gezielte Ansteuerung <strong>des</strong> einzelschiedliche<br />

Farbschichtdicke auf die Papieroberfläche nen Ink Jet-Kanals,so daß unterschiedliche Farbmengen<br />

aufgetragen. Die dort gegebene Darstellung ist ideali- aus der Düse herausgeschleudert werden. Dies kann<br />

siert, im allgemeinen ist mit der Schichtdickener- über die Intensität <strong>des</strong> Steuerimpulses erfolgen, aber<br />

höhung auch eine Veränderung <strong>des</strong> Durchmessers <strong>des</strong> auch durch die Art der Ansteuerung der Einzeldüse<br />

(z.B. Überlagerung eines hochfrequenten Signals, das<br />

Beim Ink Jet-Verfahren hängt die Größe <strong>des</strong> Bild- mehrere Tröpfchen für einen Bildpunkt generiert).<br />

punktes vom Volumen <strong>des</strong> einzelnen Tropfens ab, der Größere Tropfen zum Aufbau von Grauwerten las-<br />

auf das Papier geschleudert/übertragen wird (natürlich sen sich aber auch erzeugen,indem sich kurz vor dem<br />

© Handbuch der Printmedien (ISBN 3-540-66941-8)<br />

71<br />

747<br />

Thermografie<br />

Strahlachse<br />

a<br />

b<br />

d 0<br />

l<br />

Düse Strahl Tropfenbildung (x df)<br />

Abb. 5.5-6 Tropfenbildung bei Continuous Ink Jet.<br />

a Einschnürung <strong>des</strong> Farbstrahls zur Tropfenbildung;<br />

b Hochgeschwindigkeitsaufnahme eines Tropfenstroms mit Satellitentropfen,<br />

die sich während <strong>des</strong> Fluges mit dem nachfolgenden<br />

Haupttropfen vereinigen [5.5-1]<br />

klaus simon<br />

Abb. 5.5-7<br />

Hochgeschwindigkeits-Ink Jet-System für<br />

den Rollendruck.<br />

a Anlage mit vier Druckköpfen (240 dpi,<br />

Kopfbreite ca. 108 mm (4,25”), Bahngeschwindigkeit<br />

bis ca. 2 m/s);<br />

b Ink Jet-Köpfe mit Düsensystem<br />

(System 3600, Scitex Digital Printing)<br />

✧ Speicherung der Farbe auf einer Trägerschicht (Folie)<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Farbübertragung durch Wärme (auf Papier ohne Zwischenträger)<br />

✧ Wärmezufuhr: Laser oder Schreibkopf mit Heizelementena<br />

✧ Thermotransfer: Schmelzen der Farbschicht<br />

➙ Übertragung der flüssigen Farbe durch leichtes Andrücken<br />

✛ Farbe: Wachs oder Resin (spezielles Polymer)<br />

✛ Farbschichtdicke konstant, Dot-Fläche variable<br />

✧ Thermosublimation: Verdampfen (Sublimation) der Farbe<br />

➙ Farbe dringt über Diffusion ins Papier ein<br />

© Handbuch der Printmedien (ISBN 3-540-66941-8)<br />

✛ erfordert spezielle Oberflächeneigenschaften<br />

➙ diffundiere Farbmenge steuerbar (Helligkeitsmodulation)<br />

✛ über Temperatur und/oder Heizdauer<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

d<br />

l<br />

x<br />

5.5<br />

Bevor sich die einzelnen Tropfen vom Str<br />

nen, werden sie entsprechend Abb. 5.5-5 ü<br />

Ladeelektrode bildabhängig elektrisch aufge<br />

einem nachfolgenden elektrischen Feld (Pla<br />

densator, Deflektor) werden die geladenen T<br />

abgelenkt und einer Fangeinrichtung zugef<br />

ungeladenen Tropfen gelangen auf das Papi<br />

Wie in Abb.5.5-6bgezeigt,entstehen im Tr<br />

dungsprozeß sogenannte Satellitentropfen,di<br />

korrekter Auslegung <strong>des</strong> Systems mit dem Ha<br />

fen vereinigen.Die Qualität <strong>des</strong> Druckes häng<br />

Qualität und der Kontinuität <strong>des</strong> erzeugten<br />

stroms ab.<br />

In Abb. 5.5-5 sind typische Angaben (He<br />

nologie) für Frequenzen (ca. 1 MHz) und<br />

größen (ca. 4 pl) gegeben. (Ein Tropfenvolu<br />

4Picolitern,also 4¥ 10 –12dm3 , entspricht ein<br />

valenten Kugeldurchmesser von 20 µm.)<br />

In Abb. 5.5-7 ist ein Realisierungsbeispie<br />

Continuous Ink Jet-Verfahren für die indust<br />

wendung als Hochgeschwindigkeitsdrucksy<br />

zeigt.<br />

Das System 129 ist entsprechend Abb.5.5-7 au<br />

zwei hintereinander liegenden Modulen zu<br />

aufdrucken Rollenmaterial aufgebaut (Teilbild b). D<br />

ne Ink Jet-Kopf hat eine Breite von ca. 108<br />

b<br />

130<br />

drucken


Druckkopf<br />

(Thermokopf) Bebilderungs-<br />

Farbträgerfolie<br />

Übertragener<br />

Bildpunkt<br />

Bedruckstoff ungeschmolzen Farbe<br />

Druckkontakt<br />

(nip)<br />

signalWärmequellewärmeempfindliche<br />

768 5 Druckverfahren ohne Druckform (NIP-Verfahren) Farbschicht<br />

geschmolzen<br />

a<br />

übertragene<br />

Farbe<br />

Farbträgerband<br />

Farbträgerfolie<br />

Druckkopf<br />

Druckkopf (Thermokopf)<br />

BebilderungsDrucksignalkontakt<br />

(nip)<br />

Wärmequelle<br />

Übertragener<br />

Bildpunkt<br />

Bedruckstoff<br />

Bedruckstoff ungeschmolzen Farbe<br />

a<br />

Dot-Bildung Thermographie<br />

+<br />

geschmolzen<br />

wärmeempfindliche<br />

Farbschicht<br />

+<br />

Thermokopf<br />

Farbträgerband<br />

Wärmeeinwirkung<br />

Trägerschicht<br />

Thermokopf<br />

in Diffusionsschicht<br />

eingedrungene Farbe<br />

aFarbträgerband<br />

Wärmeeinwirkung<br />

Bebilderungssignal<br />

Trägerschicht<br />

Farbstoffschicht<br />

Farbdampf<br />

Bebilderungssignal<br />

Diffusionsschicht<br />

Spezialpapier<br />

Trägerschicht<br />

Farbstoffschicht<br />

Farbdampf<br />

b<br />

Farbträgerband<br />

übertragene Multipass-<br />

Farbe Bewegung für<br />

Mehrfarbendruck<br />

Bedruck-<br />

Druckkopf<br />

stoff<br />

Druckkopf<br />

Gegendruckwalze<br />

Farbträgerband<br />

Trägerschicht<br />

in Diffusionsschicht<br />

eingedrungene Farbe<br />

a<br />

b<br />

Abb. 5.6-5<br />

Diffusionsschicht<br />

Spezialpapier<br />

c b<br />

b<br />

Multipass-<br />

Bewegung für<br />

Mehrfarbendruck<br />

+<br />

+<br />

+<br />

Gegendruck- Bedruckstoff<br />

walze<br />

Farbträgerband<br />

Thermosublimation (oder D2T2: Dye Diffusion Thermal Transfer).<br />

a Prinzip zur Bildpunktentstehung (Anmerkung: Thermosystem kann<br />

in direktem Kontakt mit dem Farbträgerband stehen, z. B. mit Thermoschreibköpfen,<br />

oder berührungslos bei Einsatz von thermischen<br />

Laserlichtquellen);<br />

b bPrinzip<br />

zum Mehrfarbendruck mit den Farben Cyan, Magenta und<br />

Gelb (Tektronix)<br />

Druckkopf<br />

Abb. 5.6-4 Thermotransfer.<br />

Abb. 5.6-5<br />

131<br />

a Prinzip der Farbübertragung beim Thermotransfer;<br />

klaus Thermosublimation simon technik (oder D2T2: <strong>des</strong>Dye digitalen Diffusion publizierens<br />

Thermal Transfer). drucken<br />

a Prinzip zur Bildpunktentstehung (Anmerkung: Thermosystem kann<br />

b Thermotransfer zum Drucken mit seitenbreiter Bebilderungseinheit; sionseffekte in direktem Kontakt gegeben mit dem Farbträgerband (Dye Diffusion stehen, z. Thermal B. mit TherTrans- c Anordnungsbeispiel zur Ausführung <strong>des</strong> Übertragungssystems<br />

Bedruckstoff fer,moschreibköpfen, D2T2). Je oder nach berührungslos Wärmeenergie, bei Einsatz die von thermischen dem Bildpunkt<br />

[5.6-1]<br />

zugeführt Laserlichtquellen); wird, wird eine unterschiedliche Menge<br />

b Prinzip zum Mehrfarbendruck mit den Farben Cyan, Magenta und<br />

c b Beispiele<br />

+<br />

Thermographische Farbe Gelb (Tektronix) Drucker<br />

(Farbmittel/Dyes in der Farbschicht) auf das<br />

In Abb.5.6-5 ist das Prinzip der Thermosublimation Substrat übertragen. Der Bedruckstoff erfordert, wie<br />

dargestellt. Abb. 5.6-4 Bei Thermotransfer. der Thermosublimation erfolgt ein bereits in Abb.5.6-2 erläutert,eine spezielle Beschich-<br />

a Prinzip der Farbübertragung beim Thermotransfer;<br />

lokales bVerdampfen Thermotransfer zum der Drucken Farbe mit seitenbreiter durch die Bebilderungseinheit; Wärmezutung,sionseffekte in die gegeben die Farbe (Dye durch Diffusion Diffusion Thermal eindringt. Trans- Pro<br />

fuhr, und c Anordnungsbeispiel ein Sublimationsprozeß zur Ausführung <strong>des</strong> wird Übertragungssystems ausgelöst. Bildpunkt fer, D2T2). Je lassen nach Wärmeenergie, sich demnach die je dem nach Bildpunkt diffundierter<br />

Physikalisch [5.6-1] definiert ist Sublimation der Übergang Farbmenge zugeführt wird, mehrere wird eine Grauwerte unterschiedliche darstellen, Menge gesteuert<br />

von der festen Phase direkt in die gasförmige Phase<br />

ohne die In Zwischenstufe Abb.5.6-5 ist das flüssig; Prinzip dies der Thermosublimation<br />

ist bei der soge-<br />

dargestellt. Bei der Thermosublimation erfolgt ein<br />

nannten Thermosublimation nicht unbedingt der<br />

lokales Verdampfen der Farbe durch die Wärmezu-<br />

Fall, die fuhr, bessere und ein bzw. Sublimationsprozeß meist zutreffendere wird Beschrei- ausgelöst.<br />

bung für Physikalisch den ablaufenden definiert ist Prozeß Sublimation ist über der Übergang Diffu-<br />

über Farbe Temperatur (Farbmittel/Dyes und/oder in der Zeitdauer Farbschicht) <strong>des</strong> auf Heizsignals. das<br />

Im Substrat Gegensatz übertragen. zum Der zuvor Bedruckstoff erläuterten erfordert, Thermotransfer wie<br />

bereits in Abb.5.6-2 erläutert,eine spezielle Beschich-<br />

mit variabler Punktgröße bleibt hier der Bildpunkttung,<br />

in die die Farbe durch Diffusion eindringt. Pro<br />

durchmesser Bildpunkt lassen annähernd sich demnach gleich je nach groß, diffundierter aber die Farbdichte<br />

Farbmenge verändert mehrere sich. Grauwerte darstellen, gesteuert<br />

von der festen Phase direkt in die gasförmige Phase über Temperatur und/oder Zeitdauer <strong>des</strong> Heizsignals.<br />

ohne die Zwischenstufe flüssig; dies ist bei der soge- Im Gegensatz zum zuvor © Handbuch erläuterten der Printmedien Thermotransfer<br />

(ISBN 3-540-66941-8)<br />

nannten Thermosublimation nicht unbedingt der mit variabler Punktgröße bleibt hier der Bildpunkt-<br />

Fall, die bessere bzw. meist zutreffendere Beschreidurchmesser annähernd gleich groß, aber die Farbbung<br />

für den ablaufenden Prozeß ist über Diffudichte verändert sich.<br />

klaus simon<br />

© Handbuch der Printmedien (ISBN 3-540-66941-8)<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

132<br />

drucken<br />

72<br />

[8] R. Stöber. Deutsche Pressegeschichte. UVK Verlagsgesellschaft<br />

mbH (UTB), Konstanz, 2005, 2. Auflage.<br />

[9] W. Talbot. Improvements in the Art of Engraving. British Patent<br />

Specification No. 565, 1852.<br />

[10] W. König and W. Weber. Propyläen Technikgeschichte. Ullstein,<br />

Frankfurt am Main, 1990.<br />

[11] E. Webster. Print Unchained. Fifty Years of Digital Printing,<br />

1950–2000 and Beyond. DRA, West Dover, Vermont, USA,<br />

2000.<br />

[12] H. Wolf. Geschichte der Druckverfahren. Historia, Elchingen,<br />

1992.


K a p i t e l<br />

Proofing<br />

3<br />

Im Allgemeinen versteht man unter einem Proof 1 oder Prüfdruck<br />

eine visuelle Qualitätskontrolle und /oder eine entsprechende Dokumentation.<br />

Durch die Digitalisierung der Arbeitsabläufe in der Medienbranche<br />

erweitert sich das Verständnis <strong>des</strong> Begriffs. So ist eine<br />

Layoutbeschreibung in PDF eine abstrakte Datensammlung und als<br />

solche visuell nicht vorhanden. In automatisierten Abläufen haben<br />

Kontrollen dieser abstrakten Daten, besonders im Eingangsbereich,<br />

dann auch eher den Charakter einer Syntaxanalyse als den eines<br />

Prüfdrucks. In verteilt-organisierten Produktionen übernimmt der<br />

Proof zunehmend die Rolle der Prozesssynchronisation. In der Digitalfotografie<br />

stellt sich durch den Wegfall der Analogfilme das Problem<br />

der Dokumentation.<br />

Für das Verständnis <strong>des</strong> klassischen<br />

G u t - z u m - D r u c k<br />

ist es wichtig, sowohl die Beziehung<br />

K u n d e - D r u c k e r e i<br />

als auch die technischen Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Drucks zu berücksichtigen.<br />

Ein Probedruck auf einer Produktionsmaschine ist<br />

in der Mehrzahl der Fälle ausgeschlossen. Der Prüfdruck erfolgt im<br />

Normalfall auf speziellen Proofdruckern, für die ein eigenständiger<br />

1 Der Gebrauch der Worte ≪Proof ≫ bzw. ≪Proofing ≫ ist ein wenig ungewöhnlich<br />

wie aus dem folgenden Zitat von Gary G. Field [1, p. 325] zu entnehmen ist:<br />

Proof is a noun of which prove is the verb form; therefore, this activity should be<br />

called color proving rather color proofing. The term ≪proofing ≫ has, however,<br />

achieved wi<strong>des</strong>pread usage in the printing industry.<br />

73<br />

Proof<br />

✧ allgemein: visuelle Qualitätskontrolle und Dokumentation<br />

➙ Visualisierung abstrakter Spezifikationen (PDF-Viewer)<br />

➙ wachsende Bedeutung im digitalen Workflow<br />

✛ z.B. Fotografie: Dokumentation abstrakter Bilddaten<br />

✧ ≪Gut zum Druck ≫: visuelle Sollvereinbarung ≪Kunde-Druck ≫<br />

➙ Simulation <strong>des</strong> nachfolgenden Drucks<br />

➙ Hauptzweck: Farbverbindlichkeit<br />

✛ Druckqualität stark schwankend<br />

➣ Druckprozess bis heute nicht automatisch regelbar<br />

➣ neue Herausforderungen: z.B. im Verpackungsdruck<br />

✧ eigenständiger Technologiemarkt (integrierte Systeme)<br />

➙ heute stark mit Digitaldruck und CMS korreliert<br />

Proof-Arten<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Prefly-Check: Kontrolle <strong>des</strong> Datenformats (PDF-Parser)<br />

➙ signifikant wegen wachsender Datenkomplexität (PDF/X3)<br />

✛ fehlende Fonts, schadhafte Dateien, Versionskontrolle<br />

✧ Stand- oder Formproof: Druckvorstufe<br />

➙ Layout-Check nach Montage (Text-Bild-Integration)<br />

➙ traditionell: Ozalid-Kopie (Blue Print), heute: Laserdrucker<br />

✧ Farb- oder Kontraktproof: farbverbindliche Freigabe<br />

➙ zunehmend auch als Eingangskontrolle für Fotografien<br />

➙ State-of-the-Art: hochwertige Inkjets (Tendenz Softproof)<br />

✧ Rasterproof: Farbproof mit Halftoningkontrolle<br />

➙ Andruck oder hochwertige Simulation<br />

✛ z.B. Kunstdrucke, Werbeverpackungen (Tiefdruck)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

proof<br />

2<br />

proof


Ozaliddrucker und Blaupausen<br />

klaus simon<br />

Constraints <strong>des</strong> Proofings<br />

✧ möglichst billig (Proof: kein zusätzlicher Nutzeffekt)<br />

✧ hohe Genauigkeit (insbesondere: Wiederholbarkeit)<br />

✧ Proof-Gamut muss Print-Gamut enthalten<br />

✧ speziell bei Inkjets<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ korrekte Wahl <strong>des</strong> Papiers (keine optischen Aufheller)<br />

➙ stabiles Zeitverhalten der Tinten bzw. Farbstoffe<br />

✛ zwischen 30 Minuten und 2–3 Monaten<br />

✧ ausreichend hohe <strong>Auflösung</strong>, speziell im Rasterproof<br />

➙ Art <strong>des</strong> Farbauftrags kompatibel mit Druck?<br />

✧ identische Dateninterpretation durch Print- und Proof-RIP<br />

➙ Versionsnummern bei PostScript und PDF-Interpretation<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

3<br />

proof<br />

4<br />

proof<br />

74<br />

Technologiemarkt existiert. Der Proof ist <strong>des</strong>halb im Allgemeinen<br />

eine Simulation, die mehr und mehr auf Digitaldruck und Color Management<br />

basiert.<br />

Bei einer Simulation stellt sich naturgemäss die Frage der Verbindlichkeit,<br />

vor allem der Farbverbindlichkeit. Druckmaschinen<br />

sind bis heute nur bedingt farbmetrisch regelbar. Die Simulation<br />

bezieht sich in Folge <strong>des</strong>sen normalerweise auf gemittelte<br />

Prozessparameter, wie sie etwa in der ISO / DIN-Norm 2 12647 dokumentiert<br />

sind 3 und nicht auf konkrete Maschinenparameter. Das<br />

Gut-zum-Druck ist demgemäss nicht nur als technische Simulation<br />

<strong>des</strong> nachfolgenden Drucks zu verstehen, sondern auch als<br />

Soll-Vereinbarung zwischen Kunde und Druckerei. Der rechtliche<br />

Aspekt <strong>des</strong> Vorgangs ist von zentraler Bedeutung.<br />

3.1 Proof-Arten<br />

Preflight-Checks dienen der Kontrolle von Datenformaten. Heute<br />

handelt es sich in erster Linie um PDF-Parser. Wichtige Anliegen<br />

sind z.B. die Versionskontrolle und die Verifikation bestimmter Unterformate.<br />

So ist es keinesfalls selbstverständlich, dass ein korrektes<br />

PDF-File auch druckbar ist. Die Druckbarkeit wird im ISO-<br />

Standard PDF/X spezifiziert und kann durch einschlägige Programme<br />

wie der Altona Test Suite 4 überprüft werden. Verifikationssoftware<br />

dieser Art ist eine zwingende Notwendigkeit, die sich aus der<br />

stetig wachsenden Automatisierung der Arbeitsabläufe ergibt.<br />

Aus der konventionellen Druckvorstufe sind Stand- oder Formproofs<br />

bekannt. Es handelte sich um Layout-Checks nach der Montage,<br />

wo vor allem die Text-Bild-Integration verifiziert wurde. Traditionell<br />

benutzte man dazu eine fotomechanische Ozalid-Kopie, die<br />

2 ISO 12647: Graphic technology — Process control for the production of halftone<br />

colour separations, proof and production prints<br />

3 aus Sicht <strong>des</strong> Color Management sprechen wir hier von Standardprofilen<br />

4 beziehbar über BVDM, ECI, FOGRA oder Ugra


verfahrensbedingt eine blaue Farbe hat. Die Bezeichnung<br />

B l a u p a u s e bzw. B l u e P r i n t<br />

ist daraus abgeleitet. Im modernen Workflow musste die Blaupause<br />

jedoch dem Laserdrucker weichen.<br />

Das Gut-zum-Druck ist ein Kontrakt- oder Farb-Proof. Sein Ziel<br />

ist die farbverbindliche Freigabe eines geplanten Druckerzeugnisses.<br />

Der Kontrakt-Proof ist also Teil einer rechtlichen Vereinbarung<br />

zwischen Kunde und Druckerei. Zur Sicherstellung der Rechtsverbindlichkeit<br />

sind gewisse Regeln einzuhalten, auf die wir im Anschluss<br />

zurückkommen werden.<br />

Für anspruchsvolle, teure Produktionen, z.B. im Tiefdruck, kommen<br />

auch Rasterproofs zum Einsatz. Hier interessiert man sich<br />

nicht nur für den Farbeindruck sondern auch für die zu Grunde liegende<br />

Halftoningstruktur. Da eine Rastersimulation technisch komplex<br />

ist, sind im Rasterproof trotz der hohen Kosten auch ganz konventionelle<br />

Andrucke nicht ungewöhnlich.<br />

3.2 Rahmenbedingungen <strong>des</strong> Kontraktproofs<br />

Als Simulation eines Druckprozesses unterliegt der Farbproof einer<br />

Reihe von Anforderungen, die auch teilweise standardisiert sind. Ihre<br />

Einhaltung ist die Voraussetzung für die Akzeptanz <strong>des</strong> Proofs.<br />

Die Anforderungen sind teils technischer Natur wie die Definition<br />

von Fehlertoleranzen. Andererseits gibt es organisatorische Festlegungen<br />

wie die Regelung der Abnahme. In den <strong>letzten</strong> Jahren beobachtete<br />

man eine gewisse Verunsicherung, da durch die vordringende<br />

Computer-to-Plate-Technologie gut etablierte Verfahrensweisen<br />

in Frage gestellt wurden und die neuen digitalen Proofkonzepte<br />

noch keine ausreichende Glaubwürdigkeit besassen. Zwischenzeitlich<br />

hat sich zwar die Lage rund um den Digitalproof entspannt,<br />

aber die Diskussion um Glaubwürdigkeit und Rechtsverbindlichkeit<br />

hat sich lediglich der nächsten Proofgeneration, dem Proofen<br />

am Monitor (Softproof), zugewandt.<br />

75<br />

rechtsverbindlicher Kontraktproof<br />

✧ ICC-Drucksimulation nach geltenden Branchenstandards<br />

➙ insbesondere ISO/DIN 12647: Druckdaten, Proof und Druck<br />

CMYKprint<br />

absolut absolut<br />

✲ ✲<br />

º º º<br />

PCS<br />

º º º<br />

IT 8/7.1-Vermessung Proofer-Profil<br />

➙ mittlerer Fehler ≤ 4 ∆E, maximaler Fehler ≤ 12 ∆E<br />

➙ notwendige Prüfzeile mit organisatorischen Angaben<br />

✛ welche Profile, wann, wo, wer, . . .<br />

➙ Mitdrucks <strong>des</strong> Ugra/FORGA Medienkeils CMYK<br />

✛ korrekte Einrichtung <strong>des</strong> Proofsystems<br />

Abmusterung<br />

✧ visuelle Proof-Begutachtung<br />

➙ speziell im Akzidenzdruck<br />

✛ Prospekte, Kataloge, . . .<br />

✧ Ziel: Druckfreigabe<br />

➙ “Gut zum Druck”<br />

➙ problematische Vorlagen, . . .<br />

klaus simon<br />

✧ ISO 3664: Abmusterungs- und Messbedingungen<br />

➙ blendfreier Arbeitsplatz (besser Kabine)<br />

➙ farblich neutral, Lichtart D50<br />

➙ Beleuchtungsstärke Proof: 2000 lx ± 500 lx<br />

➙ Auflichtvorlage ist mit Schwarz zu hinterlegen<br />

klaus simon<br />

CMYKproof<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

5<br />

proof<br />

6<br />

proof


Abmusterungskabine<br />

klaus simon<br />

Andruckmaschinen (Pressproof)<br />

✧ bis in die 70er Jahre die Standardtechnik<br />

✧ meist spezialisierte Druckmaschinen<br />

➙ mit kleiner Druckgeschwindigkeit<br />

➙ aber kürzerer Umrüstzeit<br />

✧ teuerste Proofart<br />

✧ beste Übereinstimmung mit Auflagendruck<br />

✧ Auflagenpapier verwendbar (auch doppelseitig)<br />

✧ benutzt originale Druckplatten und -farben<br />

✧ umsatzmässig geringste Bedeutung<br />

➙ hauptsächlich bei Sonderfällen<br />

✛ Tiefdruck: grosse, teure Massenauflagen<br />

klaus simon<br />

Gretag<br />

Macbeth<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

7<br />

proof<br />

8<br />

proof<br />

76<br />

Die Frage der notwendigen technischen Voraussetzungen <strong>des</strong><br />

Proofens wurde primär durch das Eindringen von Inkjets der mittleren<br />

und unteren Preiskategorie in den professionellen Proofmarkt<br />

aufgeworfen. Da ein Prüfdruck keinen direkten Zusatznutzen hat,<br />

ist es ein natürliches Optimierungsziel, ihn so kostengünstig wie<br />

möglich zu erstellen. Die erste offensichtliche Anforderung an einen<br />

Prüfdrucker ist Genauigkeit, speziell eine hohe Wiederholgenauigkeit.<br />

Damit eine farbmetrisch korrekte Simulation möglich ist, muss<br />

der Gamut <strong>des</strong> Proofers den Gamut <strong>des</strong> simulierten Druckprozesses<br />

enthalten. Da ein Prüfdruck als Dokument verwendet wird, muss<br />

er ein stabiles Zeitverhalten bezüglich Farben oder Tinten aufweisen.<br />

Spätestens 30 Minuten nach dem Druck sollten sich die Farben<br />

stabilisiert haben und es auch für zwei bis drei Monate, in einer vor<br />

direkter Sonneneinstrahlung geschützten Umgebung, bleiben. Bei<br />

der Wahl <strong>des</strong> Papiers ist zu beachten, dass für den Prüfdruck keine<br />

aufgehellten Papiere zulässig sind. Da speziell für Inkjets die beiden<br />

<strong>letzten</strong> Anforderungen keine Selbstverständlichkeiten sind, ist<br />

es sinnvoll, bei der Auswahl eines Prüfdruckers auf eine unabhängige<br />

Zertifizierung zu achten.<br />

Seit Einführung <strong>des</strong> Color Management hat sich das Proofen<br />

stark an dieser Technik orientiert. Dies ist sehr naheliegend, da die<br />

zugehörige Gerätecharaktersierung, genannt Profil, genau die Daten<br />

zur Verfügung stellt, die zur Simulation <strong>des</strong> Druckers benötigt<br />

werden. Ein gegebenes CMYK-Ausgabefile wird mit dem Profil <strong>des</strong><br />

vorgesehenen Druckers zurücktransferiert in den Profil Connection<br />

Space 5 PCS und von da aus erfolgt eine normale Druckausgabe<br />

mit dem Profil <strong>des</strong> Proofers. Für beide Transformationen benutzt<br />

man den Modus absoluter Rendering Intent, was einer echten physikalischen<br />

Simulation entspricht. In Folge wird auch das Weiss <strong>des</strong><br />

Ausgangsdruckers simuliert und nicht einfach mit dem Papier <strong>des</strong><br />

Proofs identifiziert. Dieser Umgang mit dem Weisspunkt wird zwar<br />

in der graphischen Industrie kontrovers diskutiert, es ist jedoch keine<br />

technische Frage, sondern eine Diskussion um das Verständnis<br />

eines Proofs an sich.<br />

5 einem geräteneuralen Farbraum wie X Y Z oder CIELAB


Der Kontraktproof wird hauptsächlich im Akzidenzdruck eingesetzt.<br />

Aus den in Kapitel Bilddarstellung ausgeführten Gründen<br />

wird im Normalfall nicht eine individuelle Druckmaschine simuliert,<br />

sondern standardisierte Durchschnittswerte, etwa gemäss<br />

dem vorgängig bereits erwähnten Offsetdruck nach ISO 12647.<br />

Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass das Proofen mit ICC-<br />

Profilen zwar weit verbreitet, aber nicht exklusiv ist. Nach wie vor<br />

existieren integrierte Proofsysteme mit proprietärer Technologie.<br />

Die Rechtsverbindlichkeit eines Proofs erfordert, dass er nach geltenden<br />

Branchenstandards durchgeführt wird. In erster Linie ist<br />

hier wieder die ISO/DIN-Norm 12647 zu nennen, wo insbesondere<br />

die Standardprofile für die Simulation <strong>des</strong> Offsetdrucks festgelegt<br />

sind. Ferner erwartet man eine minimale Simulationsgenauigkeit,<br />

d.h. eine mittlere Fehlerabweichung ≤ 4∆ E und einen maximalen<br />

Fehler ≤ 12∆ E. Auf Grund verbesserter Toleranzen im Offsetdruck<br />

ist in näherer Zukunft mit einer Revision dieser Zahlen nach unten<br />

zu rechnen.<br />

Als Dokument benötigt der Proof entsprechende organisatorische<br />

Angaben. In einer diesbezüglichen Prüfzeile sollten die verwendeten<br />

Profile, das Datum, der Ort, die Ausführenden usw. festgehalten<br />

werden. Schliesslich sollte ein visuelles Testchart mitgedruckt<br />

werden, um die farbmetrische Korrektheit zu verifizieren.<br />

Der Ugra/FOGRA Medienkeil CMYK, hat sich für diesen Zweck als<br />

sehr geeignet erwiesen.<br />

Zweck dieser Bemühungen ist die visuelle Abnahme <strong>des</strong> Prüfdrucks<br />

durch den Kunden. Das Ziel der Abmusterung ist die Druckfreigabe,<br />

das schon angesprochene Gut-zum-Druck. Die Situation<br />

stellt sich speziell im Akzidenzdruck, bei Prospekten, Katalogen<br />

oder problematischen Vorlagen. Die technischen Umstände der Abmusterung<br />

sind in der ISO-Norm 3664 festgelegt. Zunächst benötigt<br />

man einen blendfreien Arbeitsplatz, besser eine spezielle Abmusterungskabine,<br />

wie in Tafel 6. Das Licht sollte farblich neutral,<br />

idealerweise D50, sein. Die Beleuchtungsstärke sollte 2000±500 lx<br />

betragen. Um das Durchscheinen <strong>des</strong> Widerdrucks zu verhindern,<br />

sind Auflichtvorlagen mit Schwarz zu hinterlegen.<br />

77<br />

Proof-Druckmaschine<br />

klaus simon<br />

fotomechanischer Proof<br />

✧ Belichtung von fotosensitiven Schichten oder Folien<br />

➙ direkt ab Film, vor der Druckplattenproduktion<br />

✧ Kombination der Schichten<br />

➙ Ursprung: Overlay-Technik (Übereinanderplatzieren)<br />

➙ später: Belichtung erzeugt Klebeschicht für Toner<br />

Vandercook<br />

proof press<br />

1903 – 1975<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✛ Zusammenfügen Farbschichten-Substrat durch Laminieren<br />

✧ gute Übereinstimmung mit Normaldruck (hohe Akzeptanz)<br />

➙ grosser Farbraum, feinabstufbar<br />

➙ hohe Detailgenauigkeit (z.B. bei AM-Raster bis ca. 100 lpi)<br />

✧ Nachteile: glänzende Oberfläche, relativ hohe Kosten<br />

✧ stark abnehmende Bedeutung durch Technologiewandel<br />

➙ Filmerzeugung entfällt durch Computer-to-Plate<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

9<br />

proof<br />

10<br />

proof


fotomechanischer Proof<br />

Digitalproof<br />

klaus simon<br />

✧ Continuous Inkjet: hohe Akzeptanz im Farbproof<br />

➙ galt lange als Synonym für Digitalproof<br />

Cromalin-Druck, duPont<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ <strong>Auflösung</strong>: 300–400 dpi (ungenaue Graphikwiedergabe)<br />

➙ grosser Gamut in feinen Abstufungen<br />

➙ aufwendige Technik, relativ teuer in Wartung und Verbrauch<br />

✧ Drop-on-Demand-Inkjets: grosse Fortschritte in den <strong>letzten</strong> Jahren<br />

➙ <strong>Auflösung</strong> bis etwa 1500 dpi<br />

➙ Druckkosten niedrig (Tendenz fallend, grosse Marktdynamik)<br />

➙ heutige High-End-Geräte als Farbproofer akzeptiert<br />

✛ z.B. Agfa Sherpa, Grossformatplotter 120–160 cm<br />

➙ Low-Cost (≤ 5 kFr): mit ICC-CMS zunehmende Bedeutung<br />

✛ noch nicht gänzlich akzeptiert<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

11<br />

proof<br />

12<br />

proof<br />

78<br />

3.3 Technik<br />

Bis in die 70er Jahre war der Andruck, der Probedruck auf einer<br />

tatsächlichen Druckerpresse, die Standardtechnik <strong>des</strong> Proofs. Allerdings<br />

benutzte man meist spezielle Andruckmaschinen, die sich<br />

durch kurze Einrichtungszeiten bei geringer Druckgeschwindigkeit<br />

auszeichneten. Der Andruck ist die teuerste Proofart, bietet aber<br />

auch die beste Übereinstimmung mit dem Auflagendruck. Er kann<br />

mit den originalen Druckplatten, -farben und -papier 6 durchgeführt<br />

werden. Die wirtschaftliche Bedeutung <strong>des</strong> Andrucks ist heutzutage<br />

eher gering. Für Sonderfälle, z.B. teuere Massenauflagen im Tiefdruck<br />

wie Modekataloge, wird er in<strong>des</strong>sen noch eingesetzt.<br />

Im Fotosatz entwickelte sich aus der eingesetzten Filmtechnologie<br />

auch eine entsprechende fotomechanische Prooftechnik, bekannt<br />

als Analogproof. Ziel dieser Entwicklung war eine Überprüfung<br />

<strong>des</strong> Montagefilms und zwar bevor er zur Druckplattenproduktion<br />

benutzt wird. Dazu wurden mit dem Montagefilm dünne Folien<br />

mit fotosensitiven Schichten belichtet. Diese wurden zunächst<br />

im Nassverfahren entwickelt und die einzelnen Farbauszüge übereinander<br />

platziert (Overlay-Technik). Die Verfahren, die man aus<br />

heutiger Sicht mit dem Analogproof verbindet, ergaben sich aus der<br />

Aufgabe der Nassentwicklung und / oder durch das Zusammenfügen<br />

der Farbauszüge bzw. <strong>des</strong> Substrats durch Laminierung. Verfahren<br />

ohne Nassentwicklung benutzten eine fotosensitive Klebschicht.<br />

Durch die Belichtung geht an den entsprechenden Stellen die klebende<br />

Wirkung verloren. Ein anschliessend aufgebrachter Toner<br />

haftet nur an den unbelichteten Stellen. 7 Alternativ zu Toner kamen<br />

auch Farbfolien zum Einfärben der belichteten Klebschichten<br />

zum Einsatz. Dazu werden sie vollflächig an die teilweise klebenden<br />

Proof-Folie angepresst und bleiben beim Ablösen nur an den klebenden<br />

Teilen haften. Die so entstandenen Farbauszüge wurden dann<br />

nacheinander auflaminiert.<br />

6 auch doppelseitig<br />

7 ein typisches Verfahren ist etwa der Cromalin-Farbproof von DuPont


Der Analogproof war als Technik gut akzeptiert. Er bot einen<br />

grossen Farbraum, der fein abstufbar war, so dass Druckfarbräume<br />

gut simuliert werden konnten. Bis etwa 100 lpi war auch die Wiedergabe<br />

von Rasterstrukturen gut. Nachteilig war die stark glänzende<br />

Oberfläche und die relativ hohen Kosten. Dass diese Technologie<br />

heute ihre ehemals grosse Bedeutung eingebüsst hat, geht<br />

auf eine externe Ursache zurück, nämlich den Übergang zur digitalen<br />

Druckplattenproduktion (Computer-to-Plate). Wenn keine Filme<br />

mehr erzeugt werden, können sie auch nicht mehr für Belichtungen<br />

eingesetzt werden.<br />

Ein CtP-Workflow benötigt also eine neue Prooftechnik, den Digitalproof.<br />

Potenzielle Kandidaten sind die Druckverfahren ohne<br />

Druckformen, insbesondere also der Laserdruck, Inkjets und die<br />

Thermographie. Da Laserdrucker jedoch technologiebedingt Qualitätsschwankungen<br />

aufweisen, sind sie für rechtsverbindliche Farbproofs<br />

ungeeignet. 8<br />

Hauptsächlich werden Inkjets im Farbproof eingesetzt. Hier hat<br />

man eine hohe Marktdynamik. Prinzipiell geeignet sind auch die<br />

thermographischen Drucker. Sie sind im Kontraktproof allerdings<br />

seltener anzutreffen. Die ersten digitalen Proofdrucker, die eine hohe<br />

Akzeptanz erreichten, waren Continuous Inkjets. Lange Zeit galten<br />

sie als synonym für den Digitalproof. Continuous Inkjets haben<br />

einen grossen, fein abgestuften Gamut, der auch die Simulation<br />

von Sonderfarben erlaubt. Dagegen ist die <strong>Auflösung</strong> mit ca. 400 dpi<br />

eher gering mit einer entsprechend ungenauen Graphikwiedergabe.<br />

In Anschaffung, Wartung und Verbrauch war diese aufwändige<br />

Technik sehr teuer.<br />

Die heute im Digitalproof eingesetzte Technologie sind Drop-on-<br />

Demand-Inkjets. Hier hat es in den <strong>letzten</strong> Jahren die grössten<br />

Fortschritte gegeben. High-End-Geräte dieser Art erreichen <strong>Auflösung</strong>en<br />

bis etwa 1500 dpi. Als Grossformatplotter der Dimension<br />

120×160 cm kann er auch grössere Druckbögen simulieren. Die<br />

Farbverbindlichkeit genügt höchsten Ansprüchen, entsprechend<br />

8 dominieren aber andererseits den weniger anspruchsvollen Design-Proof, auf<br />

Grund ihrer höheren Druckgeschwindigkeit<br />

79<br />

HP-Plotter als Digitalproofer<br />

klaus simon<br />

Rasterproofsysteme (True Proof)<br />

✧ Güte von Verläufen, Moiré-Effekte, . . .<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ Interferenz mit Bildmotiven: Stoffmuster in Modekatalogen<br />

✧ Analyse von Dots, Rasterwinkeln, Rasterfrequenz<br />

➙ Voraussetzung: hohe <strong>Auflösung</strong> und gleiche RIPs<br />

✧ 3 Arten digitaler Rasterproofsysteme<br />

➙ Thermosublimations- oder Thermotransferdrucker<br />

✛ erweiterte Farbproofer (in Europa nicht etabliert)<br />

➙ Nebenprodukt aus CtP-Anlagen: Folien anstatt Druckplatte<br />

✛ übertragbar auf verschiedene Trägermaterialien<br />

✛ hohe Kosten (Anschaffung ca. 50 kFr, Verbrauch)<br />

➙ Softwaresimulation <strong>des</strong> Rasters auf Inkjet<br />

✛ Problem: mangelnde <strong>Auflösung</strong> (nur bei AM sinnvoll)<br />

➣ Spezialtinten simulieren nur Farbverhalten<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

13<br />

proof<br />

14<br />

proof


Softproof<br />

✧ Proofing am Monitor: work in progress<br />

✧ Konzept naheliegend: Erweiterung von PDF-Viewer<br />

➙ prinzipiell möglich durch ICC-CMS<br />

➙ als Farbproof allgemein noch nicht akzeptiert<br />

✛ inkompatible Abmusterungen (Monitor, Druck)<br />

✛ Rasterstrukturen nur durch Zoomen visualisierbar<br />

✛ Dokumentation unklar (digitale Unterschrift)<br />

➙ Vorteile<br />

✛ geringe Kosten (keine zusätzliche Hardware)<br />

✛ partizipiert am Fortschritt der Informatik (Grafikkarten)<br />

➣ z.B. erweiterte Berücksichtigung der Viewing Conditions<br />

✛ einfache und effiziente Realisierung<br />

Softproof<br />

klaus simon<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

15<br />

proof<br />

16<br />

proof<br />

80<br />

unbestritten ist die Akzeptanz dieser Technologie. Allerdings bewegt<br />

sich der Markt weg von dem hochpreisigen Segment und das<br />

Preis-Leistungs-Verhältnis hat sich in letzter Zeit bemerkenswert<br />

entwickelt. Auch im Low-Cost-Bereich lässt sich mit ICC-Profilen<br />

problemlos ein Proof erstellen. Die Akzeptanz ist aber hier weder<br />

allgemein gegeben noch gerechtfertigt.<br />

3.3.1 Rasterproof (True Proof)<br />

Bei anspruchsvollen Produktionen kann es angemessen sein auch<br />

die Rasterstruktur zu überprüfen. Grundsätzlich lassen sich z.B.<br />

Moiré-Effekte, verursacht durch Interferenzen mit Bildmotiven,<br />

nicht ausschliessen. Typisch für solche Probleme sind Stoffmuster<br />

in Modekatalogen. Die Voraussetzung zur Analyse von Dots, Rasterwinkel<br />

und Rasterfrequenz ist eine ausreichend hohe <strong>Auflösung</strong><br />

und identische Rasteralgorithmen, d.h. im Allgemeinen identische<br />

RIPs. Da die Forderung nach einer hohen <strong>Auflösung</strong> durchaus nicht<br />

trivial ist, konnte sich der Andruck in diesem Segment eine gewisse<br />

Bedeutung erhalten, besonders in Kontext von teuren Tiefdruckproduktionen.<br />

Bei den eigentlichen Simulationsverfahren sind drei Technologien<br />

verbreitet. Die erste sind die Thermotransfer- oder Thermosublimationsdrucker.<br />

Der zweite Ansatz kann als Übertragung <strong>des</strong> Analogproofs<br />

auf Computer-to-Plate verstanden werden. Anstatt der<br />

Druckplatte werden auf der CtP-Maschine Farbauszüge auf Folie<br />

erzeugt, die mit einem externen Laminator zusammengefügt werden.<br />

Schliesslich kommen auch beim Rasterproof Inkjets zum Einsatz.<br />

Auf Grund der nicht immer ausreichenden <strong>Auflösung</strong> ist dies<br />

allenfalls für AM-Raster empfehlenswert.<br />

3.3.2 Softproof<br />

Im heutigen Arbeitsablauf der graphischen Industrie ist der Monitor<br />

das zentrale Werkzeug. Es ist <strong>des</strong>halb natürlich, den Monitor<br />

auch zum Proof einzusetzen, wobei man dann vom Softproof<br />

spricht. Durch Techniken wie dem ICC-Color Management ist der


Softproof konzeptionell durchaus möglich und wird als Design-<br />

Proof auch heute schon praktiziert. Als rechtsverbindlicher Farbproof<br />

ist er jedoch noch nicht akzeptiert. Dies liegt an verschiedenen<br />

Gründen. So weisen Monitore Farbschwankungen über den gesamten<br />

Bildschirmbereich auf. Dann erreicht die handelsübliche Farbmesstechnik<br />

9 bei Monitoren 10 nicht die Selbstverständlichkeit wie<br />

bei Körperfarben. 11 Desweiteren existieren organisatorische Probleme<br />

wie inkompatible Abmusterungsempfehlungen für Monitor und<br />

Druck bzw. wie dokumentiert man rechtsverbindlich ein Monitorbild.<br />

Schliesslich besitzt ein Monitor im Allgemeinen 12 nicht die<br />

<strong>Auflösung</strong> für eine korrekte Rastersimulation.<br />

Dagegen stehen die Vorteile. Zunächst die geringen Kosten, da<br />

keine zusätzliche Hardware benötigt wird. Die Leistungsfähigkeit<br />

von Graphikkarten wurde in den <strong>letzten</strong> Jahren enorm gesteigert.<br />

Dieses Potenzial kann genutzt werden, um visuelle Simulation im<br />

Druckbereich auf ein neues Leistungsniveau zu heben, z.B. für<br />

einen online-Einbezug der tatsächlich vorhandenen Betrachtungsumgebung.<br />

Nicht zuletzt ist der Softproof einfach und bequem.<br />

3.3.3 Remote Proofing<br />

In der Medienbranche existiert speziell im Anzeigenmarkt ein<br />

Trend zum verteilten Produzieren. Es ist nicht untypisch, dass ein<br />

Modehaus dieselbe Anzeige europaweit in vielleicht 100 verschiedenen<br />

Zeitungen oder Magazinen schaltet. Selbstverständlich wird<br />

erwartet, dass die Anzeigen überall gleich aussehen. Durch diese<br />

Forderung entsteht für das Proofen eine neue Herausforderung, das<br />

sogenannte Remote Proofing. Das verteilte Proofen ist als Technologie<br />

noch im Entstehen begriffen. Verschiedene Aspekte lassen sich<br />

jedoch bereits identifizieren. So werden grundsätzlich keine neuen<br />

9Relativmessgeräte 10Selbstleuchter 11Das EyeOne unterstützt aus diesem Grund keine Spot-Messungen bei Monitoren.<br />

12High-End-Monitore ausgenommen<br />

81<br />

Remote Proofing<br />

✧ Verteiltes Proofen im weltweiten Mediennetzwerk<br />

➙ duch Arbeitssituation induziertes Bedürfnis<br />

✧ Basis: Softproof und Internet Print Protocol (IPP)<br />

✧ State-of-the-Art: work in progress<br />

✧ Erwartungen: neues Proof-Verständnis<br />

➙ Ausschöpfung der Computerinfrastruktur<br />

➙ zeitnäher (Kamera an der Druckmaschine)<br />

➙ erweiterte Simulationsmöglichkeiten<br />

✛ Materialeigenschaften, 3-D-Präsentationen, . . .<br />

➙ Kostensenkungen (Zeit, Transportkosten, Softproof, . . . )<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

17<br />

proof


Techniken benötigt, sondern die vorhandenen werden stärker integriert,<br />

speziell der Softproof und der Datenaustausch per Internet.<br />

Der Proof wird zeitnäher agieren, vielleicht mit einer Kamera an<br />

der Druckmaschine. Die Computerinfrastruktur wird für erweiterte<br />

Simulationen genutzt werden.<br />

3.4 Tendenzen<br />

Das Proof-Szenario ist in Bewegung. Der allgemein hohe Kostendruck<br />

erzwingt Veränderungen in Richtung Low-Cost-Inkjets und<br />

Softproof. Das Remote Proofing wird die gewohnten Arbeitsabläufe<br />

in Frage stellen. Erweiterte Simulationsverfahren stellen das traditionelle<br />

Verständnis <strong>des</strong> Proofs in Frage. In Folge der allgemeinen<br />

Veränderungen durch das Desktop Publishing verschwindet die Unterscheidung<br />

zwischen Design- und Farbproof.<br />

3.5 Literaturverzeichnis<br />

[1] G. Field. Color and Its Reproduction. GATF Press, Pittsburgh,<br />

1999, Second Edition.<br />

[2] P. Green. Understanding Digital Color. GATF Press, Pittsburgh,<br />

1999, Second Edition.<br />

[3] J. Homann. Digitales Colormanagement. Daten, Proofs und<br />

Druck nach DIN / ISO 12647. Springer, Berlin, 2006, 3. Auflage.<br />

[4] M. Dätwyler, E. Widmer, and K. Simon. Evaluating a Digital<br />

Proofing Device. Acta Graphica: Journal for Printing Science<br />

and Graphic Communication, pages 49–66, 2003.<br />

82


K a p i t e l<br />

4<br />

Typographie und Schrift<br />

Die Gestaltung eines Druckerzeugnisses bezeichnet man als ≪Typographie<br />

≫. 1 Die zentralen Elemente der Formgebung sind dabei die<br />

Wahl und Variation von Schriften, sowie die Anordnung von Text,<br />

Bildern, Zeichen, Farbe usw. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen<br />

Mikro- und Makrotypographie. Erstere beschäftigt sich mit<br />

dem Entwurf von Zeichen und Schriften. Letztere bezieht sich auf<br />

das Gesamtkonzept eines Werkes, welches im Allgemeinen durch<br />

den Verwendungszweck dominiert wird. So benutzt man für informierende<br />

Werke wie Plakate, Flyer, Formulare oder Lexika eher<br />

einen stark strukturierten Stil, wohingegen ein Roman normalerweise<br />

auf einen gleichmässigen Lesefluss ausgerichtet ist. In der<br />

Typographie war und ist es üblich Regeln für ≪gute Typographie ≫<br />

zu definieren. Diesbezüglich ist zu beachten, dass diese Regel zum<br />

einen historischen Mo<strong>des</strong>chwankungen und zum zweiten technischen<br />

Beschränkungen unterliegen. 2<br />

4.1 Ursprung der lateinischen Schriften<br />

Die Schrift entstand offenbar als visuelles Kodierungssystem für<br />

gesprochene Sprache. Entsprechend erscheinen Bildersprachen, basierend<br />

auf Abstraktionen von Gegenstandsdarstellungen, als der<br />

ursprünglichste Sprachtyp. Beispiele sind etwa die ägyptischen Hieroglyphen<br />

oder die chinesischen Schriftzeichen. Da man in solchen<br />

1 abgeleitet von den Typen, den einzelnen Druckbuchstaben im Bleisatz<br />

2 Was durchaus auch korreliert vorkommen kann: So bevorzugte man in der<br />

Frühzeit <strong>des</strong> Digitaldrucks den Flattersatz, wohl weil es die einzige damals funktionierende<br />

Variante war.<br />

83<br />

Typographie (Buchdruckerkunst)<br />

✧ Gestaltung von Drucksachen durch . . .<br />

➙ Wahl und Variation der Schriften<br />

➙ Anordnung von Fliesstext, Bildern, Linien, Farbe, . . .<br />

✧ Mikrotypographie: Gestaltung von Schriften und Zeichen<br />

✧ Makrotypographie: Gesamtkonzept eines Werkes . . .<br />

. . . orientiert am Verwendungszweck<br />

➙ informieren<strong>des</strong> Lesen (Lexika, Flyer, Geschäftsbericht)<br />

➙ gleichmässiger Lesefluss (Roman, Dissertation)<br />

✧ “gute Typographie”<br />

➙ unterliegt historischen Moden und<br />

➙ technischen Beschränkungen<br />

➙ basiert auf Wahrnehmungspsychologie<br />

klaus simon<br />

Mikro- versus Makrotypographie<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

schriften<br />

2<br />

schriften


Geschichte der lateinischen Schriften<br />

✧ Ursprung: visuelle Kodierung gesprochener Sprache<br />

✧ Bilderschriften (Ideogramme): Hieroglyphen, chin. Schriftzeichen<br />

✧ 3000 v.Chr. babylonische Keilschrift (Silbenschrift, ca. 600 Zeichen)<br />

✧ 1400 v.Chr. Konsonantenschrift der Phönizier, 22 Zeichen<br />

➙ Grundlage der europäischen Schriften<br />

✧ 1000 v.Chr. griechisches Alphabet (Erweiterung um: a, e, i, o, u)<br />

➙ übern. durch Römer (≪capitalis monumentalis≫, Grossbuchsta-<br />

ben)<br />

✧ 800 n.Chr. karolingische Minuskel (moderne Kleinbuchstaben)<br />

➙ Zielsetzung: verbesserte Les- und Schreibarkeit<br />

✧ 1000? n.Chr. gotische Schriften (Frakturschriften, in Schreibstuben)<br />

✧ Renaissance: zurück zur römisch-karolingischen Antiqua<br />

➙ Einbezug der arabischen Ziffern (Dezimalsystem)<br />

✧ Industrialisierung: vielfältige neue Schriftarten<br />

klaus simon<br />

Hieroglyphen und chinesische Schriftzeichen<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

3<br />

schriften<br />

4<br />

schriften<br />

84<br />

Schriftsystemen tendenziell sehr viele einzelne Zeichen benötigt, bestand<br />

ein erster wichtiger Optimierungsschritt in der Reduktion der<br />

Sprachelemente, wobei die ehemaligen Bildsymbole nun durch Worte,<br />

Folgen von Zeichen, ersetzt wurden.<br />

Das erste solche System war die sumerische Keilschrift, die ca.<br />

3000 v. Chr. entstanden ist. Ihre etwa 600 Schriftzeichen werden mit<br />

den Silben der gesprochenen Sprache identifiziert, weshalb man sie<br />

auch als Phonogramme bezeichnet. Ein modernes solches System ist<br />

das Japanische.<br />

Um 1400 v.Chr. erfolgte dann in Phönizien die weitere Reduzierung<br />

der Schriftzeichen, indem man die Silben durch Folgen von<br />

Konsonaten ersetzte. Die verbliebenen 22 Schriftzeichen stellen den<br />

Ursprung der europäischen Alphabete dar.<br />

Etwa um 1000 v.Chr. übernahmen die Griechen das phönizische<br />

Alphabet und ergänzten es um die Vokale ≪ a,e,i,o und u ≫. Diese<br />

Schriftzeichen sind z.B. noch heute in der Mathematik gebräuchlich.<br />

Die Römer entwickelten die griechische Schrift weiter. Speziell<br />

für in Stein gehauene Inschriften benutzte man die Capitalis monumentalis,<br />

auf welche sich die Grossbuchstaben der heutigen lateinischen<br />

Schriften zurückführen lassen.<br />

Die entsprechenden Kleinbuchstaben haben ihren Ursprung in<br />

der karolingischen Minuskel. Sie wurde 800 v.Chr. von Alcuin von<br />

York im Auftrag von Karl dem Grossen kreiert, der damit eine<br />

Standardisierung der Kirchenliteratur anstrebte. Zielsetzung war<br />

im Besonderen eine verbesserte Les- und Schreibbarkeit.<br />

In den Jahrhunderten nach Ende <strong>des</strong> Frankenreiches verwandelten<br />

sich in den europäischen Schreibstuben die Rundungen der karolingischen<br />

Minuskel in länglich eckige Formen. Diese gotischen<br />

Schriften besassen auch zahlreiche Varianten, wie z.B. die Kursiv,<br />

die dem jeweiligen Schreibzweck angepasst waren.<br />

In der Renaissance erfolgte dann, nicht zuletzt durch die aufkeimende<br />

Wissenschaft, eine Rückbesinnung auf die römische Antike.<br />

Entsprechend versuchte man die klassischen Schriften zu kopieren.<br />

Dabei verband man fälschlicherweise die Grossbuchstaben der Ca-


pitalis monumentalis 3 mit den Kleinbuchstaben der karolingischen<br />

Minuskel. 4 Diese Schriften nennt man bis heute Antiqua.<br />

Mit der zunehmenden Bedeutung <strong>des</strong> Kommunikations<strong>des</strong>ign in<br />

der Industrialisierung mit dem permanenten Zwang sich von anderen<br />

zu unterscheiden, entstanden im 19. und 20. Jahrhundert viele<br />

neue Schrifttypen und -formen.<br />

4.2 Attribute lateinischer Druckschriften<br />

Grundsätzlich kann man zwischen stilistischen und funktionalen<br />

Attributen unterscheiden. 5 Die stilistischen Merkmale definieren<br />

den Charakter einer Schrift bzw. einer Schriftfamilie. Im Gestaltungsprozess<br />

führt dies etwa zur Festlegung der Grundschrift eines<br />

Dokumentes, in diesem <strong>Skript</strong> z.B. zu New Century Schoolbook.<br />

In einer konkreten Schreibsituation bestimmen dann die funktionale<br />

Attribute, wie z.B. die Schriftgrösse, die Auswahl unter den tatsächlich<br />

vorhandenen Varianten der Schriftfamilie.<br />

Als erstes stilistisches Attribut sei die allgemeine Form der<br />

Schriftzeichen angesprochen. Die kann<br />

• rund ≪w≫,<br />

• spitz ≪w ≫ oder etwa<br />

• gebrochen ≪w≫ sein.<br />

Ein zentrales Stilelement ist das Vorhandensein bzw. das Fehlen<br />

von Serifen, speziell ausgeprägte Schmuckenden von Strichen in<br />

Form von zusätzlichen Zierlinien, Häckchen oder Verbreiterungen.<br />

Der Buchstabe ≪ T ≫ hat Serifen, bei ≪ T ≫ fehlen sie. Ein weiteres<br />

auffälliges Merkmal sind Strichdickenunterschiede innerhalb<br />

eines Buchstabens wie in ≪ N ≫, im Gegensatz zu ≪ N ≫ mit visuell<br />

gleichen Strichdicken. Man unterscheidet demgemäss Grund-<br />

3 die in Inschriften ja noch vorhanden war<br />

4 in der die antiken Texte überwiegend verfügbar waren<br />

5 Aber wie häufig im Leben gibt es auch hier Grenzfälle.<br />

85<br />

Keilschrift und phönizisches Alphabet<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Capitalis Monumentalis und karolingische Minuskel<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

5<br />

schriften<br />

6<br />

schriften


Attribute lateinischer Druckschriften<br />

✧ stilistische Attribute zur Charakterisierung der Schriftfamilie<br />

➙ Zeichenform: rund ≪w ≫, spitz ≪w ≫ oder gebrochen ≪w≫<br />

➙ mit ≪T≫ oder ohne ≪T≫ Serifen (Zierenden)<br />

➙ Strichdickenkontraste zwischen Grund- u. Haarstrich: ≪N≫ zu ≪N≫<br />

➙ visuell gleiche Buchstabenabstände (Proportionalschriften)<br />

✧ funktionale Attribute: Auswahl innerhalb einer Schriftfamilie<br />

➙ Schriftgrösse (Kegelgrösse): Höhe eines Druckstempels<br />

➙ Laufweite: Verhältnis ≪Breite / Höhe≫ (für H oder n etwa 4/5)<br />

✛ Masse: eng, schmall, normal, breit<br />

➙ Neigung: 0 ◦ allgemein, etwa 12 ◦ für kursiv<br />

➙ Strichdicke (Fette): mager, normal, halbfett (medium), fett (bold)<br />

klaus simon<br />

Beispiele Schriftattribute<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

7<br />

schriften<br />

8<br />

schriften<br />

86<br />

und Haarstriche. Als letztes der hier angesprochenen Merkmale sei<br />

auf den Buchstabenabstand innerhalb eines Wortes hingewiesen.<br />

Im Allgemeinen wird ein visuell gleich aussehender Abstand angestrebt,<br />

technisch als Proportionalschrift bezeichnet. Konventionelle<br />

Schreibmaschinen bzw. Matrixdrucker der frühen Informatik verfügten<br />

noch nicht über die aufwendigen Techniken für einen visuellen<br />

Abstandsausgleich und begnügten sich <strong>des</strong>halb notgedrungen<br />

mit gleichbreiten Buchstaben. Das daraus resultierende charakteristische<br />

Schriftbild wurde mit zunehmenden Gebrauch zu einem<br />

Synonym für Computercode. Diese Identifizierung hat in der Folgezeit<br />

dann dazu geführt, dass diese Typewriter-Schriften bis heute<br />

überlebt haben, obwohl die zu Grunde liegenden drucktechnischen<br />

Beschränkungen längst überwunden sind.<br />

Die funktionalen Attribute sind auf die eine oder andere Art mit<br />

der Geometrie der Schriftzeichen verknüpft. Betrachten wir zunächst<br />

die Schrifthöhe. Sie wird üblicherweise in Druckerpunkten<br />

≪ p ≫ oder heute eher ≪ pt ≫ angegeben. Auf die geometrische Interpretation<br />

dieser Angabe werden wir im folgenden Abschnitt genauer<br />

eingehen. Hier sei vor allem darauf hingewiesen, dass die<br />

Schrifthöhe nicht etwa der visuellen Höhe eines ≪J≫ entspricht, sondern<br />

ein wenig grösser ist. Traditionell identifizierte man nämlich<br />

die Schriftgrösse mit der Höhe der entsprechenden Druckstempel<br />

im Bleisatz, die sogenannte Kegelgrösse, und die war naturgemäss<br />

grösser als die darzustellenden Zeichen.<br />

In fortlaufenden Texten sind Druckbuchstaben an einer virtuellen<br />

Grundline ausgerichtet. Die meisten Zeichen wie ≪K, a, e ≫ oder<br />

≪ u ≫ setzen unmittelbar auf der Grundlinie auf. Der Abstand um<br />

den Zeichen wie ≪g, p, ... , y ≫ die Grundlinie unterschreiten heisst<br />

Unterlänge. Die Mittellänge oder x-Höhe ist die Distanz der Grundlinie<br />

zur Verbindungslinie der Oberkante von Zeichen wie ≪ a, e,<br />

g, x ≫ oder ≪z≫. 6 Die Oberkante der Grossbuchstaben definiert die<br />

Versalhöhe. Sie wird häufig mit der Höhe <strong>des</strong> Buchstabens ≪ H ≫<br />

identifiziert, weshalb man auch von H-Höhe spricht. Die Höhe eines<br />

6 man beachte, dass die Oberkante von ≪o≫ oftmals ein wenig darüber hin-<br />

ausragt


≪k≫, die k-Höhe, meint oftmals das gleiche wie die H-Höhe. Speziell<br />

bei der Schriftgruppe der Renaissance-Antiqua, z.B. bei Garamond<br />

oder Palatino, kann die k-Höhe jedoch auf Grund der Serifenform<br />

ein wenig grösser ausfallen. Schliesslich versteht man unter der<br />

Oberlänge die Differenz aus Versalhöhe und Mittellänge. Oberlänge<br />

haben die Buchstaben ≪b, f, h, k, l, t ≫.<br />

Ein weiterer funktionaler Parameter ist offenbar die Zeichenbreite,<br />

zu der auch der Leerraum zum Vorgänger (Vorbreite) bzw. Nachfolger<br />

(Nachbreite) gehören. Da die Zeichenbreite aber von Zeichen<br />

zu Zeichen variiert, ist sie für die Schriftspezifikation nur bedingt<br />

geeignet. Man betrachtet ersatzweise die Laufweite einer Schrift,<br />

die man in Begriffen wie eng, schmal, normal, breit oder extrabreit<br />

beschreibt. Dabei versteht man im Allgemeinen unter ≪normal ≫ ein<br />

Breiten / Höhen-Verhältnis von 4/5 bei den Buchstaben ≪ H ≫ oder<br />

≪n≫. Im Einzelfall ist es jedoch dem jeweiligen Schrift<strong>des</strong>igner überlassen<br />

eine Bezeichnung wie ≪breit ≫ zu konkretisieren. Im Desktop<br />

Publishing kann die Laufweite einer gegebenen Schrift durch Manipulation<br />

<strong>des</strong> mittleren Zwischenraums zwischen Buchstaben verändert<br />

werden. Wird er erhöht spricht man von sperren oder spationieren,<br />

wohingegen unterschneiden die entsprechende Reduktion<br />

meint.<br />

Der nächste routinemässig betrachtete Parameter ist die Strichdicke.<br />

Hier unterscheidet man gleichfalls verbal zwischen mager,<br />

normal, halbfett (medium) und fett (bold). Dabei wird eine Strichdicke<br />

von etwa 15 % der Versalhöhe als normal interpretiert.<br />

Schliesslich kann eine Schrift geneigt sein, was dann mit Ausdrücken<br />

wie italic, kursiv oder slanted gekennzeichnet wird. Im Allgemeinen<br />

beträgt dann der Neigungswinkel ca. 12 ◦ .<br />

4.3 Grössenangaben<br />

Die Grössenangaben einer Schrift werden seit dem 18. Jarhundert<br />

in Druckerpunkten angegeben. Die Interpretation hat sich jedoch<br />

im Laufe der Zeit mehrfach geändert und ist auch heute nicht allgemein<br />

verbindlich.<br />

87<br />

Zeichenlängen<br />

klaus simon<br />

Schrifthöhe = Kegelhöhe<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

9<br />

schriften<br />

10<br />

schriften


Grössenangaben<br />

✧ gemäss dem Bun<strong>des</strong>verband Druck<br />

➙ Didot-Punkt 1 p = 0.375 mm (Europa)<br />

➙ Pica-Punkt 1 pt = 0.351 mm (Amerika)<br />

➙ DTP-Punkt 1 pt = 0.35277 mm (Desktop Publishing)<br />

✧ Schriftgrade: vorhandene Schriftgrössen, in pt-Grössenklassen<br />

➙ sollte über eine spezifische Laufweite verfügen<br />

✧ Konsultationsgrössen: 5 bis 8 pt<br />

➙ Fussnoten, Randbemerkungen, Lexika, Telefonbücher<br />

✧ Lesegrössen: 9 bis 12 pt<br />

➙ Mengensatz, Bücher, Dokumente<br />

➙ Kinderbücher: 12 bis 20 pt<br />

✧ Schaugrössen: ≥ 14 pt<br />

➙ Überschriften, Titel, Plakate<br />

klaus simon<br />

Interpretation von ≪Schrift ≫<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Alphabet: Zeichensystem zur Repräsentation gesprochener Sprache<br />

✧ Zeichensatz einer Schrift: nicht nur Versalien und Gemeine<br />

➙ Ligaturen, Satzzeichen, Sonderzeichen (math., chem., kommerz.:<br />

+, =, $, %, &), Ziffern (arabische, <strong>Media</strong>l- 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 )<br />

✧ Schriftart (Schriftschnitt, Typeface): stilisch ähnlich geformte Zeichen<br />

✧ Schriftfamilie: stilitisch aufeinander abgestimmte Schriftarten<br />

➙ meist in mehreren Schriftgraden (Granitur)<br />

➙ Varianten zum Hervorheben (Auszeichnungsschriften)<br />

✛ kursiv (Italic, Oblique), Kapitälchen, Initialen<br />

✧ Font: technische Realisierung eines Schriftschnittes<br />

klaus simon<br />

<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

11<br />

schriften<br />

12<br />

schriften<br />

88<br />

Der Pariser Schriftgiesser Pierre Simon Fournier definierte<br />

1737 einen Druckpunkt als den 864-ten Teil eines englischen Fusses<br />

(304.8 mm), so dass galt:<br />

1pt = 0.35277mm<br />

Der bekannte Didot-Punkt p wurde 1785 von François Ambrois<br />

Didot und seinem Sohn Firmin festgelegt, indem man das englische<br />

durch das französisches Fuss (324.9 mm) ersetzte, was<br />

1p = 0.376mm<br />

bedingte.<br />

Die Festlegungen in Folie 11 entsprechen den aktuellen Empfehlungen<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verban<strong>des</strong> Druck. Faktisch haben diese Normen<br />

heute allerdings ihre Relevanz verloren, denn seit dem Siegeszug<br />

<strong>des</strong> Desktop Publishings wird ein Druckerpunkt durch den Industriestandard<br />

PostScript als<br />

1pt = 1<br />

inch = 0.35277mm<br />

72<br />

definiert, was mit Fourniers Festlegung übereinstimmt.<br />

Die tägliche Praxis ist jedoch von den sogenannten Schriftgraden<br />

dominiert. Es handelt sich dabei um diejenigen Punktgrössen in der<br />

eine Schrift wirklich vorhanden ist, d.h. im traditionellen Bleisatz<br />

als Metalllettern oder heute als Datensatz im Computer. Obwohl im<br />

Desktop Publishing beliebige Skalierungen einer Schrift realisierbar<br />

sind, beherrschen nach wie vor die althergebrachten Schriftgrade<br />

das Publizieren. Und auch nur diese werden normalerweise von<br />

Schrift<strong>des</strong>igner individuell entworfen, d.h. visuell abgestimmt.<br />

Als Konsultationsgrössen bezeichnet man die Schriftgrade 5, 6,<br />

7 und 8 pt. Sie werden für Fussnoten, Randnotizen, Lexika, Telefonbücher<br />

und in vergleichbaren Situationen verwendet. Die Lesegrössen<br />

9 – 12 pt sind die Standardgrössen <strong>des</strong> Publizierens. Eine<br />

Ausnahme bilden Kinderbücher. Für sie sind 12 pt eher die untere<br />

Grenze. Bei Schulanfängern können auch 20 pt eine angemessene<br />

Grösse sein. Schaugrössen nennt man Grade ≥ 14 pt. Mit ihnen<br />

werden Überschriften, Titel oder Plakate realisiert.


4.4 Schriftnotation<br />

Der deutsche Spachgebrauch von ≪Schrift ≫ ist recht allgemein und<br />

kann im Kontext der Typographie verschiedene Bedeutungen haben.<br />

Vorgängig wurden diese verschiedenen Interpretationen bereits<br />

teilweise benutzt, ohne dies jedoch explizit herauszustellen.<br />

Dies soll an dieser Stelle nachgeholt werden.<br />

Die erste Bedeutung war ≪Schrift ≫ als Zeichensystem zur visuellen<br />

Repäsentation gesprochener Sprache. 7 Bei Buchstabenschriften<br />

wird ≪Schrift ≫ auch häufig mit dem jeweiligen Alphabet gleichgesetzt,<br />

so etwa im Ausdruck ≪lateinische Schriften ≫. Eine Schriftart,<br />

fachspezifisch auch Schriftschnitt bzw. Typeface, ist ein Zeichensystem,<br />

<strong>des</strong>sen Zeichen stilistisch ähnlich 8 und untereinander konsistent<br />

gestaltet sind.<br />

Zu beachten ist, dass der Anwendungsbereich einer typographischen<br />

Schriftart heute weit über die ursprüngliche Visualisierung<br />

der Lautsprache hinausgehen kann. Man denke etwa an die mathematischen<br />

Zeichensätze. Im Allgemeinen enthalten Schriftschnitte<br />

wesentlich mehr Zeichen als Gross- (Versalien) und Kleinbuchstaben<br />

(Gemeine). Zunächst sei auf Ligaturen hingewiesen. Dabei handelt<br />

es sich um als Einzelzeichen ausgeformte Buchstabenkombinationen<br />

wie ≪fi≫, das ≪fi ≫ ersetzt. Der Sinn dieser Ersetzung ist<br />

eine verbesserte Satzqualität. 9 Die nächste Gruppe bilden die Satzzeichen<br />

wie der Punkt am Satzende oder die Anführungszeichen zur<br />

Kennzeichnung wörtlicher Rede. Da eine moderne Schriftart für den<br />

internationalen Markt entworfen wird, sind die Satzzeichen typischerweise<br />

in verschiedenen länderspezifischen Ausformungen vorhanden.<br />

Dazu gesellen sich Sonderzeichen aus Kommerz und Mathematik<br />

wie ≪%, &, $, =, +, - ≫ usw. Nicht zu vergessen sind Ziffern,<br />

wobei seit der Renaissance arabische Ziffern üblich sind.<br />

7 was im Englischen auch Script genannt wird<br />

8 im Sinne von Abschnitt 4.2<br />

9 im Bleisatz auch produktionstechnisch bedingt, was sich im Desktop Publishing<br />

aber überlebt hat<br />

89<br />

Zeichensatz ≪Barbedor ≫<br />

hex 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 A B C D E F<br />

”0x ` ´ ˆ ˜ ¨ ˝ ˚ ˇ ˘ ¯ ˙ ¸ ˛ ‚ ‹ ›<br />

”1x “ ” „ « » – — ı j c fi fl e f<br />

”2x ! " # $ % & ’ ( ) * + , - . /<br />

”3x 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 : ; < = > ?<br />

”4x @ A B C D E F G H I J K L M N O<br />

”5x P Q R S T U V W X Y Z [ \ ] ^ _<br />

”6x ‘ a b c d e f g h i j k l m n o<br />

”7x p q r s t u v w x y z { | } ~ -<br />

klaus simon<br />

Zeichensatz ≪Helvetica≫<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

hex 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 A B C D E F<br />

”0x ` ´ ˆ ˜ ¨ ˝ ˚ ˇ ˘ ¯ ˙ ¸ ˛ ‚ ‹ ›<br />

”1x “ ” „ « » – — ı ff fi fl ffi ffl<br />

”2x ! " # $ % & ’ ( ) * + , - . /<br />

”3x 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 : ; < = > ?<br />

”4x @ A B C D E F G H I J K L M N O<br />

”5x P Q R S T U V W X Y Z [ \ ] ^ _<br />

”6x ‘ a b c d e f g h i j k l m n o<br />

”7x p q r s t u v w x y z { | } ~ -<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

13<br />

schriften<br />

14<br />

schriften


Schriftfamilie Franklin Gothic<br />

klaus simon<br />

Schlagzeilengestaltung<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

15<br />

schriften<br />

16<br />

schriften<br />

90<br />

Oftmals meint eine ≪Schrift ≫, wie in Abschnitt 4.2, eine Schriftfamilie,<br />

also eine Menge von aufeinander bezogenen Einzelschriften.<br />

Sie liegt meist in einer festen Anzahl von Schriftgraden vor, die<br />

dann zusammen die Granitur der Familie bilden. Im Normalfall existiert<br />

eine Grundschrift, die durch mehrere Auszeichnungsschriften<br />

ergänzt wird. Auszeichnen steht dabei für das visiuelle Hervorheben<br />

bestimmter Textteile, analog zum Betonen in der Lautsprache.<br />

Die Typographie unterscheidet verschiedene Arten der Auszeichnung.<br />

Als ≪dezent ≫ gelten Kursivschnitte. Einfache durch Neigung<br />

aus einer aufrechten Grundschrift abgeleitete Kursivschnitte nennt<br />

man Oblique. Der Ausdruck Italic benutzt man für einen ≪echten ≫<br />

Kursivschnitt, <strong>des</strong>sen Charakter einer Schreibschrift angenähert ist<br />

und der üblicherweise exklusiv <strong>des</strong>ignt wurde.<br />

Kapitälchen (small caps) sind Versalien, die als Gemeine auf<br />

die Mittelhöhe gekürzt sind. Sie werden international gerne für<br />

Eigennamen verwendet. Darüber hinaus ist es bei Auszeichnungsschriften<br />

üblich die funktionalen Attribute der Grundschrift zu variieren.<br />

Speziell die Schriftdicke fett (bold) wird routinemässig zum<br />

Hervorheben eingesetzt, im Besonderen wenn keine Kapitälchen als<br />

eigener Schnitt ausgeführt sind. Die letzte hier angesprochene Auszeichnungsschrift<br />

sind die Initialen, vergrösserte Schmuckbuchstaben<br />

zur Einleitung eines Kapitels bzw. Abschnittes.<br />

Schliesslich kann eine ≪ Schrift ≫ auch als Font verstanden werden,<br />

was die konkrete Realisierung eines Schriftschnittes meint,<br />

materiell im Bleisatz oder als Datensatz im Computer.<br />

4.5 Klassifikation lateinischer Schriften<br />

Die Klassifikation der europäischen Schriften orientiert sich primär<br />

an der Existenz und Form der Serifen bzw. an der Strichführung,<br />

Duktus genannt. Vor allem werden variierende oder gleichmässige<br />

Strichstärken, Kontraste zwischen Grund- und Haarstrichen sowie<br />

die Symmetrieachsen bei Rundungen unterschieden. Im deutschsprachigen<br />

Raum sind insbesondere die DIN-Klassifikationen (DIN


16518, 1964,1998) verbreitet. Darüber hinaus sind aber auch andere<br />

Ordnungsvorschläge etabliert. 10<br />

Die von Gutenberg in seinen Bibeldrucken benutzte Schrift Textura<br />

zählt zu den gebrochenen Schriften. Dieser Schrifttyp war vor<br />

allem im mittelalterlichen Deutschland populär. Auch heute noch<br />

schmücken sie die Titelzeile mancher Tageszeitung. Die kantige,<br />

oftmals abgesetzte und unterbrochene Linienführung in den Rundungen<br />

ergibt sich aus den zu Grunde liegenden kalligraphischen<br />

Schreibschriften mit breiter Feder. Im engeren Sinne gruppiert man<br />

die gebrochen Schriften in<br />

• Gotisch,<br />

• Rundgotisch,<br />

• Schwabacher und<br />

• Fraktur.<br />

Das Gotische ist eng und hochstrebend, die Serifen rauten- oder<br />

würfelförmig. Beispiele sind die Schriften Wilhelm-Klingspor,<br />

Hupp-Gotisch oder Trump-Deutsch.<br />

Die nächste Untergruppe bildet das Rundgotisch, eine etwas ≪gerundete<br />

≫ Variante <strong>des</strong> Gotischen. Die würfelförmigen An- und Abstriche<br />

<strong>des</strong> Gotischen entfallen zu Gunsten einer besseren Lesbarkeit.<br />

Beispiele sind Wallau oder Weiss-Rundgotisch.<br />

Die Schwabacher Schriften stellen eine Art Italic-Variante <strong>des</strong> Gotischen<br />

dar. Sie sind breiter und offener als Gotisch, jedoch mit einem<br />

eher derben handschriftlichen Charakter. Bekannte Beispiele:<br />

Renata, Ehmcke oder Nürnberger Schwabacher.<br />

Die bekannteste gebrochene Schrift ist die Fraktur, die oftmals<br />

auch als entsprechender Gattungsbegriff benutzt wird. Sie orientiert<br />

sich stärker an der gotischen Schrift, die Strichführung ist<br />

jedoch feiner und besonders bei den Grossbuchstaben schwungvoll<br />

verspielt. Bekannte Beispiele sind Unger-Fraktur, Dürer-<br />

Fraktur oder Gilgenart.<br />

10 Ein empfehlswertes Buch zum Thema ist Sauthoff [8].<br />

91<br />

Klassifikation von Schriften<br />

✧ viele Vorschläge, z.B. DIN-Klassifizierung 16518 (1964)<br />

✧ zentrale Unterscheidungsmerkmale<br />

➙ Form und Existenz von Serifen<br />

➙ Strichführung (Duktus)<br />

➙ Strichstärkenkontraste zwischen Grund- und Haarstrichen<br />

➙ Symmetrieachse runder Buchstaben<br />

✧ gebrochene Schriften: Gotisch, Rundgotisch, Schwabacher, Fraktur<br />

✧ runde Schriften (Antiqua)<br />

➙ klassische Antiqua (Renaissance-, Barock-Antiqua)<br />

➙ klassizistische Antiqua<br />

➙ serifenlose Antiqua (lineare Schriften, Grotesk)<br />

➙ serifenbetonte Antiqua<br />

✧ Schreibschriften (handschriftliche Antiqua)<br />

Frakturschriften<br />

klaus simon<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

17<br />

schriften<br />

18<br />

schriften


Renaissance Antiqua<br />

Barock Antiqua<br />

klaus simon<br />

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technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

19<br />

schriften<br />

20<br />

schriften<br />

92<br />

Die Antagonisten der gebrochenen sind die runden Druckschriften.<br />

Dazu zählen grundsätzlich alle Antiqua-Varianten. Die historisch<br />

erste Untergruppe bildet die klassische (römische) Antiqua,<br />

die aus der handschriftlichen humanistischen Minuskel <strong>des</strong> 15.<br />

Jahrhunderts, mit schräg geschnittenen Breitfedern im Wechselzug<br />

geschrieben, abgeleitet wurde.<br />

Die venezianische Renaissance Antiqua 11 entstand um 1470 als<br />

der Buchdruck Venedig erreichte. Die Strichstärken sind fein, die<br />

Unterschiede klein. Die Übergänge zu den Serifen sind deutlich gerundet.<br />

Die waagerechten Serifen können bei Versalien eine leichte<br />

Durchbiegung nach aussen aufweisen. An den Gemeinen haben<br />

die Serifen eine Neigung nach rechts-oben, so dass eine Dreiecksform<br />

entsteht. Die gleiche Neigung besitzt der Querstrich <strong>des</strong> e. Die<br />

Symmetrieachse bei runden Buchstaben wie dem O ist nach links<br />

geneigt. Bekannte Beispiele sind Centaur, Trajanus oder Golden<br />

Type.<br />

Die französische Renaissance Antiqua unterscheidet sich von der<br />

venezianischen nur minimal. Der Querstrich im e wird gerade. Die<br />

Strichstärken variieren ein wenig mehr. Bekannte Beispiele sind<br />

Bembo, Garamond oder Palatino.<br />

Die letzte Untergruppe der klassischen Antiqua ist durch die<br />

Barock-Antiqua gegeben. Sie orientiert sich nicht mehr an Handschriften,<br />

sondern an der feinen Strichführung, welche für Texte<br />

im Kupferstich typisch waren. Die Unterschiede in der Strichführung<br />

werden deutlicher, die Serifen gerade und ihre Rundungen<br />

kleiner. Die Symmetrieachse der Rundbuchstaben wird mehr oder<br />

weniger senkrecht. Es bleibt jedoch der schräge obere Serifenansatz<br />

der Kleinbuchstaben. Zu den Barock-Antiqua zählen einige auf gute<br />

Lesbarbeit hin entworfene Schriftarten, die sich durch eine vergrösserte<br />

Mittellänge relativ zur Unter- bzw. Oberlänge auszeichnen.<br />

Der vielleicht bekannteste Vertreter dieses Schrifttyps ist die<br />

Times, die 1961 von Stanley Morrison im Auftrag der London Times<br />

entwickelt wurde. Weitere Beispiele: Baskerville, Bookman<br />

oder Imprimatur.<br />

11 früher auch Mediävalschriften genannt


Den Abschluss dieser Entwicklung stellt die klassizistische Antiqua<br />

dar. Obwohl sie als eine Art der Steigerung der Barock-Antiqua<br />

zu verstehen ist, rechnet man sie nicht zur klassischen Antiqua. Die<br />

Serifen sind lang, fein und waagerecht angesetzt. Die Ausrundungen<br />

an den Serifen sind vollständig oder nahezu vollständig verschwunden.<br />

Die Symmetrieachse bei Rundungen steht nun völlig<br />

senkrecht, die entsprechenden Buchstaben sind eher ellipsoid als<br />

kreisförmig. Gemäss einer fortschreitenden Orientierung am Kupferstich<br />

wird Präzision, Klarheit und sachliche Strenge angestrebt.<br />

Bekannte Beispiele sind Computer Modern Roman, New Century<br />

Schoolbook, Bondoni oder Walbaum.<br />

In der Industrialisierung <strong>des</strong> frühen 19. Jahrhunderts begann<br />

dann in England das Experimentieren mit neuen Schriftformen.<br />

Diese neuen Schriften waren zunächst für Zeitungsschlagzeilen und<br />

Plakate konzipiert. Sie wurden z.B. aus der klassischen Antiqua<br />

durch Variation der Schriftattribute abgeleitet, etwa indem man<br />

Grund- und Haarstrichstärke gleich wählte und auch die Serifenstärke<br />

ähnlich gross dimensionierte. Solche serifenbetonten Schriften<br />

(slab serif) wirkten bewusst repräsentativ und monumental. Typische<br />

Vetreter sind Egyptienne, Rockwell, Clarendon oder Boton.<br />

Zur gleichen Zeit, am gleichen Ort und mit der gleichen Motivation<br />

wurden auch die serifenlosen Schriften (sans serif) entwickelt. Da<br />

dieser neue Schrifttyp von vielen Zeitgenossen als grotesque empfunden<br />

wurde, erhielt er auch diesen Namen. Ausser Grotesk (gothic)<br />

ist heute aber auch die Bezeichnung lineare Schrift etabliert.<br />

Bei Grotesk-Schriften wird eine visuell gleichmässige Strichstärke<br />

angestrebt. Interessant ist, dass wegen allerlei optischen Täuschungen,<br />

denen die menschliche Wahrnehmung permanent unterliegt,<br />

die effektive geometrische Strichführung nicht ganz gleichmässig,<br />

sprich linear, ist. Bekannte Beispiele: Helvetica, Futura, Gill<br />

oder Univers.<br />

Als letzte grössere Gruppe unterscheidet man Schreibschriften,<br />

die Druckschriftversionen von lateinischen Schul- bzw. Kanzleischriften.<br />

Typisch ist hier die Simulation <strong>des</strong> handschriftlichen Cha-<br />

93<br />

Klassizistische Antiqua<br />

klaus simon<br />

Serifenbetonte linear Antiqua<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

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21<br />

schriften<br />

22<br />

schriften


Serifenlose linear Antiqua<br />

Schreibschriften<br />

klaus simon<br />

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technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

23<br />

schriften<br />

24<br />

schriften<br />

94<br />

rakters, der im Kontext von Visitenkarten oder Heiratsanzeigen<br />

häufig nachgefragt wird. Bekannte Vertreter sind Zapf Chancery,<br />

12 Künstler-Script oder Englische Schreibschrift.<br />

Eine Untergruppe der Schreibschriften stellt die handschriftlichen<br />

Antiqua dar. Hierbei handelt es sich um handschriftlich adaptierte<br />

Druckschriften. Beispiele sind etwa Post-Antiqua, Polka<br />

oder Hyperion.<br />

Schliesslich existiert ein nicht trivialer Rest, der nicht in das<br />

vorgestellte Ordnungsschema passt. Allgemein spricht man in einem<br />

solchen Fall von Varianten. Hier sind insbesondere dekorative<br />

Schriften wie Arnold Böcklin, Eckmann oder Duc de Berry sowie<br />

provozierende Schriften im Kontext von Überschriften oder Plakaten<br />

wie Beowolf, Peignot oder Broadway einzuordnen.<br />

4.6 Seitenformat<br />

Die äussere Erscheinung einer Publikation wird durch die Seitenverhältnisse<br />

<strong>des</strong> Papierformats 13 bzw. <strong>des</strong> bedruckten Flächenanteils<br />

bestimmt. Da sich die Typographie aus dem abendländischen<br />

Buchdruck entwickelt hat, handelt es sich im Normalfall bei beiden<br />

Formaten um Rechtecke. 14 Die absolute Grösse <strong>des</strong> Rechtecks,<br />

d.h. seine Fläche, wird weitgehend durch den beabsichtigten Verwendungszweck<br />

15 bzw. durch den Druckprozess vorgegeben. Die<br />

weitaus grössere Aufmerksamkeit widmet die Typographie den Seitenverhältnissen,<br />

hier beginnt die Kunst der Gestaltung.<br />

Durch das Vermessen vieler gelungener Beispiele in Kunst, Architektur<br />

oder Literatur wurde der sogenannte Goldene Schnitt<br />

1<br />

ϕ<br />

= 0.61803...<br />

12 Chancery = Kanzlei<br />

13 wobei hier ohne Abstriche auch an eine Webpage gedacht werden kann<br />

14 Bei modernen Werbedrucksachen sind aber auch unkonventionelle Abmessungen<br />

nicht ungewöhnlich.<br />

15 z.B. durch die Handhabbarkeit beim Lesen


mit<br />

ϕ = 1 + 5<br />

2<br />

= 1.61803...<br />

als allgemein bevorzugtes Verhältnis identifiziert. Manche Gestalter<br />

sehen <strong>des</strong>halb im Goldenen Schnitt ein Universalgesetz der Ästhetik.<br />

Aus der Sicht der Typographie erscheint der Goldene Schnitt<br />

als ein Ideal, an dem man sich durchaus orientieren kann aber<br />

nicht unbedingt muss. Seitenverhältnisse in der Nähe <strong>des</strong> Ideals,<br />

z.B. 5/8 = 0.625 oder 1 / 2 = 0.7071 wirken keinesfalls unharmonisch<br />

und haben durchaus ihre Anwendungen sowohl in der traditionellen<br />

wie auch in modernen Layout-Gestaltung.<br />

Als nächstes stellt sich die Frage: Hoch- oder Querformat? Die<br />

klassische Typographie war auf den Buchdruck und damit auf das<br />

Hochformat ausgerichtet. Im Kontext von Satzspiegeln werden wir<br />

im weiteren Verlauf dieses Abschnitts genauer darauf eingehen.<br />

Das Querformat mag bei einem Buch als suboptimal bezüglich<br />

<strong>des</strong> Leseprozesses empfunden werden. Andererseits hat sich das<br />

Querformat als Präsentationsform im Kontext von Overheadfolien<br />

bzw. PC-Monitoren durchgesetzt. 16 Für nachgeordnete Publikationen<br />

wie Handouts oder sonstige Ausarbeitungen ist das Querformat<br />

dann die natürliche Lösung. In Folge der zunehmenden Bedeutung<br />

der Präsentationstechniken wird man wohl auch in der Typograhie<br />

dem Querformat eine grössere Aufmerksamkeit entgegen bringen<br />

müssen.<br />

Die traditionelle Papierherstellung benutzte beim Papierschöpfen<br />

17 Rahmen im Verhältnis 3/4, was durch Halbierung der Langseite<br />

zu 2/3 führte. Die nächste Halbierung führte zurück zum Verhältnis<br />

3/4. Die Fläche <strong>des</strong> Schöpfrahmens war nicht festgelegt<br />

und richtete sich nach der Handhabbarkeit während eines langen<br />

Arbeitstages. Diese handwerklichen Verhältnisse mit einer relativ<br />

freien Wahl <strong>des</strong> Formats haben sich im professionellen Akzidenzdruck<br />

18 zumin<strong>des</strong>t teilweise erhalten.<br />

16 Durch die benötigten grossen Schriftgrade ≥ 24 pt bietet das Hochformat<br />

keine ausreichenden Zeilenlängen.<br />

17 siehe Abschnitt 2.2.1, Seite 9<br />

18 im Gegensatz zum Oece-Bereich, der weitgehend standardisiert ist<br />

95<br />

Dekorative Schriften<br />

Varianten<br />

klaus simon<br />

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technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

25<br />

schriften<br />

26<br />

schriften


Seitenverhältnisse<br />

Seitenaufbau<br />

klaus simon<br />

Goldener Schnitt<br />

Seitenverhältnis 5:8<br />

Seitenverhältnis 1:√2<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Seitenverhältnis: häufig ≪goldener Schnitt≫ (Quer- o. Hochformat)<br />

➙ im Druck sind aber durch Beschnitt freie Seitenformate möglich<br />

✧ Standardformate<br />

➙ ISO-DIN-Formate weltweit akzeptiert<br />

✛ A0 hat Fläche 1 m2 , Fläche Ai +1 = 1<br />

· Fläche Ai<br />

2<br />

✛ Seitenverhältnis 1/ 2 = 0.707<br />

➙ länderspezifische traditionelle Formate (z.B. US letter, 8.5×11 inch)<br />

✧ Seitenaufteilung<br />

➙ Gestaltungsraster: Anordnungsschema für Text und Bild<br />

➙ Satzspiegel: traditionelle Gestaltungsraster<br />

✛ Einteilung nach Konstruktionsregeln<br />

➙ technische Satzspiegel: produktionstechnische Vorgaben<br />

✛ Zeitungsdruck: maximal bedruckbare Fläche<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

27<br />

schriften<br />

28<br />

schriften<br />

96<br />

Die Möglichkeit dazu eröffnen die vielfältigen Weiterverarbeitungstechniken<br />

der Druckindustrie, d.h. wenn ein gewünschtes Format<br />

nicht vorhanden ist, kann es durch Beschneidung <strong>des</strong> Druckbogens<br />

erzeugt werden. Ein Buchautor hat in diesem Fall lediglich an<br />

jeder Aussenkante seines Seitenentwurfs eine Toleranz von 3 mm, 19<br />

den Beschnitt, vorzusehen. Restriktionen ergeben sich hier weniger<br />

durch die Reproduktionstechnik als durch organisatorische Vorgaben<br />

seitens <strong>des</strong> Verlages.<br />

Dem Geist der Industrialisierung entsprechend sind die heute<br />

hauptsächlich verwendeten Papierformate standardisiert. Das Paradigma<br />

≪Standardisierung ≫ ist für die effiziente Organisation von<br />

anonymen Massenmärkten unabdingbar. So muss z.B. in der Bürokommunikation<br />

das Papierformat nicht nur in den Laserdrucker<br />

sondern auch in den Aktenordner passen, welcher seinerseits auf<br />

den Aktenschrank abgestimmt sein sollte. Ferner sollte das Papierformat<br />

bei der Post keine Probleme verursachen, d.h. es sollte zu<br />

einem Standardbrief faltbar sein. Diesem durchgehenden gesellschaftlichen<br />

Bedarf an Standardisierung kann sich auch die Druckindustrie<br />

im Allgemeinen nicht entziehen, schliesslich wäre es nicht<br />

ungewöhnlich einen Werbeprospekt in einem Aktenordner aufzubewahren.<br />

Der international wichtigste Papierstandard ist das deutsche<br />

DIN-Format (DIN 476). Es wurde als DIN EN ISO 16 in nahezu alle<br />

Länder übernommen. Zu den wenigen länderspezifischen Papierformaten,<br />

die bis anhin überlebt haben, zählt die Grösse 8.5 × 11 inch<br />

(US Letter), das in den USA und in Kanada hauptsächlich benutzte<br />

Briefformat.<br />

Das DIN-System geht auf eine Idee <strong>des</strong> Göttinger Physikprofessors<br />

Georg Christoph Lichtenberg aus dem Jahre 1796 zurück.<br />

Er schlug ein Rechteckformat vor, das bei Halbierung der Langseite<br />

das Seitenverhältnis unverändert lässt, was mathematisch bedeutet,<br />

dass das Seitenverhältnis den Wert<br />

19 Ocsetdruck<br />

1<br />

2 ≈ 0.7071...


haben muss. Lichtenbergs Vorschlag führte allerdings erst 1922 zu<br />

einer entsprechenden Normung. Die DIN-Formate sind in die Gruppen<br />

A, B und C eingeteilt. In jeder Gruppe sind die Ausgangsgrössen<br />

durch den Index 0 gekennzeichnet. Sie sind definiert als:<br />

A0 :<br />

1<br />

4 2 × 4 2m 2 = 841 × 1188mm 2<br />

B0 : 1 × 2m 2 = 1000 × 1414mm 2<br />

C0 :<br />

1<br />

8 2 × 8 8m 2 = 917 × 1297mm 2<br />

Ausgehend von A0, B0 und C0 werden die Formate Ai, Bi bzw. Ci,<br />

i = 1,...,7, durchgesetzte Halbierung der Langseite erzeugt. Besondere<br />

Bedeutung haben DIN A4 als Briefbogenformat, DIN A6 als<br />

Postkartenformat und DIN A2 als Posterformat erlangt.<br />

4.7 Seitenaufbau<br />

Zur Gestaltung der Papierfläche überzieht man diese mit einem<br />

virtuellen Gitter. Innerhalb <strong>des</strong> Gitters definiert man typischerweise<br />

rechteckige Zellen zur Aufnahme von Text, Bildern, Farbflächen<br />

und sonstigen graphischen Elementen. Ein solches visuelles Gestaltungskonzept<br />

für eine Layoutseite nennt man ein Gestaltungsraster.<br />

Der Entwurf und die Umsetzung von Gestaltungsrastern ist<br />

die zentrale Aufgabe von Designern, weshalb umgangssprachlich<br />

wohl auch häufig von einem Design anstatt einem Gestaltungsraster<br />

gesprochen wird. Auf die vielfältigen Aspekte <strong>des</strong> Entwurfs von<br />

Gestaltungsraster, z.B. im Kontext von Werbung, Zeitschriften, Zeitungen<br />

usw. können wir leider in dieser Vorlesung nicht eingehen.<br />

Das wissenschaftliche Publizieren wird jedoch von einem speziellen<br />

Gestaltungsraster dominiert, dem aus dem traditionellen Buchdruck<br />

her bekannten Satzspiegel, und dieser soll im Folgenden genauer<br />

vorgestellt werden.<br />

Bei mehrseitigen Druckerzeugnissen bezeichnet man die Fläche,<br />

die von fortlaufenden Text- bzw. Bildmaterial belegt wird, als Satz-<br />

97<br />

DIN Formate<br />

Name Format Name Format Name Format<br />

DIN A0 1189 × 841 mm DIN B0 1414 × 1000 mm DIN C0 1297 × 917 mm<br />

DIN A1 841 × 594 mm DIN B1 1000 × 707 mm DIN C1 917 × 648 mm<br />

DIN A2 594 × 420 mm DIN B2 707 × 500 mm DIN C2 648 × 458 mm<br />

DIN A3 420 × 297 mm DIN B3 500 × 353 mm DIN C3 458 × 324 mm<br />

DIN A4 297 × 210 mm DIN B4 353 × 250 mm DIN C4 324 × 229 mm<br />

DIN A5 210 × 148 mm DIN B5 250 × 176 mm DIN C5 229 × 162 mm<br />

DIN A6 148 × 105 mm DIN B6 176 × 125 mm DIN C6 162 × 115 mm<br />

DIN A7 105 × 74 mm DIN B7 125 × 78 mm DIN C7 115 × 81 mm<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Seitenränder beim konventionellen Satzspiegel<br />

linker Aussenrand<br />

Kopfsteg Kopfsteg<br />

Fusssteg<br />

Bundsteg<br />

Bundsteg<br />

klaus simon<br />

Fusssteg<br />

rechter Aussenrand<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

29<br />

schriften<br />

30<br />

schriften


Villardsche Figur und Neunteilung<br />

klaus simon<br />

Beispiel Gestaltungsraster<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

31<br />

schriften<br />

32<br />

schriften<br />

98<br />

spiegel. Zu diesem rechnet man insbesondere Fussnoten und lebendige<br />

Kolumnentitel, d.h. Seitenüberschriften, die z.B. das aktuelle<br />

Kapitel bezeichnen. Dagegen werden die Seitenzahl (Pagnia) und<br />

Randnotizen traditionell nicht mit einbezogen. Da der Begriff Satzspiegel<br />

aus dem konventionellen Buchdruck stammt, wird er als<br />

(graues 20 ) Rechteck verstanden.<br />

Zur Spezifikation eines Satzspiegels ist seine Länge und Breite<br />

anzugeben und seine Position innerhalb der Druckseite. Letzteres<br />

geschieht durch das Festlegen der nicht bedruckten Ränder, den Stegen.<br />

Von einer Doppelseite eines Buches ausgehend unterscheidet<br />

man Kopf-, Aussen-, Bund- und Fusssteg. Zu beachten ist, dass der<br />

Bundsteg in der Mitte der Doppelseite die zweifache Freifläche ergibt.<br />

Ähnlich wie beim Seitenverhältnis existiert in der traditionellen<br />

Makrotypographie eine Jahrhunderte alte Diskussion über die<br />

harmonischste Lösung. Jan Tschichold [10] behauptet die Randverhältnisse<br />

von 2 : 3 : 4 : 6 (Bund- : Kopf- : Aussen- : Fusssteg) bei<br />

hochwertigen Schriften bis ins tiefe Mittelalter nachweisen zu können,<br />

wobei Schrift- und Papierfläche den Proportionen 2 : 3 genügen.<br />

Auch Gutenberg soll diesen Satzspiegel verwendet haben.<br />

Ein solcher Satzspiegel lässt sich auf verschiedene Arten konstruieren.<br />

Die geometrisch vielleicht einfachste ist die Neunteilung, siehe<br />

Folie 31. Dabei wird sowohl die Länge als auch die Breite der<br />

Seite in 9 gleiche Streifen eingeteilt. Der Bundsteg ergibt sich nun<br />

als das innere Neuntel der Papierbreite, zwei Neuntel bilden den<br />

äusseren Rand. Ein Neuntel der Papierhöhe ergeben den Kopf- bzw.<br />

2 Neuntel den Fusssteg. Schriftbild und Papierformat sind proportional.<br />

Ein Vorteil der Neunteilung ist, dass sie nicht nur auf das<br />

klassische Seitenverhältnis von 2 : 3 anwendbar ist, sondern eigentlich<br />

für je<strong>des</strong> Rechteck geeignet ist.<br />

Was als ästhetisch wahrgenommen wird, ist zum einen sicher abhängig<br />

von den Sehgewohnheiten und unterliegt zum zweiten sicher<br />

auch der Mode. Im Gegensatz zu den klassischen Idealen besteht<br />

heute die Tendenz die Papierseite stärker zu füllen, d.h. mit weni-<br />

20 im Gegensatz zum unbedruckten Rand, der weiss bleibt


ger Rand auszukommen. Andererseits ist das klassische Verständnis<br />

<strong>des</strong> Satzspiegels sicher auch heute noch weitverbreitet, speziell<br />

in der wissenschaftlichen Literatur. Explizit wird man als Autor mit<br />

Satzspiegel konfrontiert, wenn sie als Produktionsbedingung auftreten,<br />

als sogenannte technische Satzspiegel. Es ist klar, dass ein<br />

Journalist die Spalteneinteilung einer Zeitung oder ein Autor den<br />

Satzspiegel einer Buchreihe zu berücksichtigen hat.<br />

4.8 Der Leseprozess<br />

Überraschenderweise erfolgt der Leseprozess 21 nicht kontinuierlich,<br />

sondern in Sprüngen, Sakkaden genannt. Sie dauern ca. 20 – 30<br />

Millisekunden. Das Auge bewegt dabei die Leseposition um etwa 7 –<br />

9 Zeichen, überwiegend nach rechts, 22 in etwa 10 % der Fälle aber<br />

auch nach links. 23 Zwischen den Sakkaden ist die Leseposition weitgehend<br />

fixiert. Eine solche Fixierung hat eine Länge von 0.1 bis 0.5<br />

Sekunden, im Mittel vielleicht 0.25 Sekunden.<br />

Innerhalb einer Fixierung wird nur etwa 0.05 s für die eigentliche<br />

Worterkennung benötigt, siehe Rayner [6], 1998. Der Rest ist wohl<br />

grösstenteils der Positionierung <strong>des</strong> nächsten Sprungs zuzurechnen,<br />

wie sich aus Experimenten von Rubin und Turano [3] 1992 ablesen<br />

lässt: Präsentiert ein Computer die Wörter eines Textes sequentiell<br />

an der immer gleichen Position, eye movement free reading, dann<br />

kann der Leseprozess 24 um den Faktor 3 – 4 gesteigert werden.<br />

Im Jahre 1886 hat James McKeen Cattel [4] den Word superiority<br />

effect beschrieben, der seither vielfach bestätigt wurde (Reicher<br />

[2] 1969, Wheeler [1] 1970, Johnston and McClelland [5] 1974).<br />

Er besagt, dass der Leseprozess <strong>des</strong> Menschen als Worterkennung<br />

organisiert ist und nicht als ein Zeichenerkennungsprozess. Zum<br />

21 wir folgen im Wesentlichen Sekuler and Blake [9]<br />

22 bei lateinischen Schriften<br />

23 zur Korrektur oder am Zeilenende<br />

24 nach einer gewissen Gewöhnungsphase<br />

99<br />

sprunghaftes Lesen<br />

Leseprozess<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ erfolgt nicht kontinuierlich, sondern in ≪Sprüngen≫ und ≪Fixierungen≫<br />

✧ Sprünge (Sakkaden): Dauer etwa 20 – 35 ms, Weite 7 – 9 Zeichen<br />

➙ 90 % nach rechts, 10 % links (Korrektur, Zeilenende)<br />

✧ Fixierung: ca. 0.1 – 0.5 Sekunden, im Mittel 0.25 s<br />

✧ nur etwa 0.05 s für Zeicheninterpretation<br />

✧ Rest hauptsächlich für Planung <strong>des</strong> nächsten Sprungs<br />

➙ ≪eye movement free reading ≫ ist 3 – 4 mal schneller<br />

✧ Word superiority effect: Wort statt Zeichenerkennung<br />

➙ ≪JOIN ? = COIN ≫ einfacher als ≪J ? = C ≫<br />

➙ Lesen nicht bottom up, sondern Verifikation d. wahrsch. Fortsetzung<br />

✧ unscharfer Randbereich (ca. 4 Wörter) zur Unterstützung<br />

➙ Positionierung <strong>des</strong> nächsten Sprungziels<br />

✧ Worttrennung nicht signifikant (ausser bei sinnlosen Zeichenfolgen)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

33<br />

schriften<br />

34<br />

schriften


Textsatz<br />

✧ wechselseitige Abhängigkeit zwischen Zeilenabstand,<br />

Wortabstand, Zeilenlänge, Satzart, Schriftart, Laufweite, . . .<br />

➙ zusätzlicher Einfluss: Papierart, Rasterweite, Druckart, . . .<br />

✧ Satzarten: Blocksatz, Flattersatz (Rausatz), zentrierter Satz<br />

➙ Spaltenbreite Mehrspaltensatz: ≥ 4 mm Block-, ≥ 3 mm Flattersatz<br />

✧ ideale Zeilenlänge: 60 – 70 Zeichen (Leerzeichen mitgezählt)<br />

➙ im Blocksatz minimal 45 – 50, maximal 70 – 80 Zeichen<br />

✧ Zeilenabstand: Distanz von Schriftlinie zu Schriftlinie<br />

➙ normal: 120 % Schrifthöhe, vielfach besser 125 % oder 130 %<br />

➙ kompresser Satz: Zeilenabstand = Schrifthöhe<br />

➙ sonst: durchschossener Satz<br />

✧ normaler Zwischenwortabstand: 1 1<br />

bis der Schrifthöhe<br />

4 3<br />

➙ kleiner bei grösseren Schriftgrössen<br />

klaus simon<br />

kompresser Blocksatz<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Type faces, like people’s faces, have distinctive features indicating<br />

aspects of character. Franz jagte in einem total verwahrlosten<br />

Wagen quer durch Bayern. The quick brown fox jumps<br />

over the lazy dog. Bei jedem klugen Wort von Sokrates rief<br />

Xanthippe zynisch: Quatsch! Pack my box with five dozen liquor<br />

jugs. Er heiratete sie, weil er sie liebte. Sie liebte ihn, weil<br />

er sie heiratete. Die Hölle, das sind die anderen. Humor ist,<br />

wenn man trotzdem lacht. Man versehe mich mit Luxus. Auf<br />

alles Notwendige kann ich verzichten. Armselig der Schüler,<br />

der seinen Meister nicht übertrifft. Es gibt das Vollkommene<br />

und es gibt das Unvollkommene. Und dies ist vollkommen.<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

35<br />

schriften<br />

36<br />

schriften<br />

100<br />

Beisiel erfolgt die Unterscheidung<br />

wesentlich schneller als die von:<br />

≪JOIN ≫ von ≪COIN ≫<br />

≪J≫ und ≪C≫<br />

Allgemein kann vermutet werden, dass der Mensch die wahrscheinlichste<br />

semantische Fortsetzung verifiziert und nicht bottom up aus<br />

Zeichen Wörter zusammensetzt und aus diesen Sätzen.<br />

Der Randbereich <strong>des</strong> aktuell visierten Lesebereiches von 7 – 9 Zeichen<br />

ist für den Leseprozess nicht unbedingt nötig, siehe Rayner<br />

and Pollatsck [7] 1987, was nicht wirklich verwundert, da er nicht<br />

scharf wahrgenommen wird. Allerdings steigert ein vorhandener<br />

Randbereich von etwa 4 Wörtern die Lesegeschwindigkeit deutlich.<br />

Offenbar hilft er bei der Positionierung <strong>des</strong> folgenden Sprunges.<br />

Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass Wortzwischenräume<br />

beim Lesen keine signifikante Rolle spielen, was erklärt, warum<br />

Sprachen wie Thai oder Japanisch gänzlich darauf verzichten. Wichtig<br />

werden sie erst bei der Erkennung von sinnlosen Zeichenfolgen.<br />

4.9 Textsatz<br />

Das Ziel eines gut gesetzten Textes ist seine möglichst einfache<br />

Lesbarkeit. Obwohl die hier angesprochenen typographischen Standards<br />

für Zeilenlänge, Zeilenabständen oder Wortabständen eher<br />

der empirischen Tradition <strong>des</strong> Buchdrucks entspringen, entsprechen<br />

sie doch weitgehend den psychovisuellen Erkenntnissen <strong>des</strong><br />

vorangegangenen Kapitels. Generell muss jedoch darauf hingewiesen<br />

werden, dass die involvierten Parameter nicht nur wechselseitig<br />

voneinander sondern auch von zusätzlichen externen Faktoren wie<br />

dem Charakter der Schrift, der Papierart, dem Druckprozess usw.<br />

abhängig sind. Die im Folgenden vorgestellte Richtwerte müssen<br />

<strong>des</strong>halb im konkreten Einzelfall visuell verifiziert und wenn nötig<br />

auch angepasst werden.


Die Anordnung der Zeilen kann auf verschiedene Arten erfolgen.<br />

Der klassische Blocksatz, in dem alle Zeilen gleich lang sind, war zur<br />

Zeit <strong>des</strong> Bleisatzes eine technische Notwendigkeit. Auch heute ist er<br />

in vielen Medienprodukten die Norm. Ausgehend von der Bauhausbewegung<br />

der 20er Jahre <strong>des</strong> <strong>letzten</strong> Jahrhunderts 25 konnte sich<br />

der Flattersatz als Alternative etablieren, speziell in der Werbung.<br />

Beim linksbündigen Flattersatz beginnen die Zeilen an der gleichen<br />

horizontalen Position, der rechte Zeilenrand kann dagegen willkürlich<br />

in einer frei definierbaren Flatterzone enden. Ausser dem linksbündigen<br />

unterscheidet man auch den selteneren rechtsbündigen<br />

Flattersatz, die symmetrische Variante. Von Rausatz spricht man,<br />

wenn die Flatterzone klein ist. Im Kontext von Gedichten oder der<br />

Werbung kennt man auch<br />

• den Mittelachsensatz, symmetrisch zentriert, mit freier Zeilenlänge,<br />

• den freien Zeilenfall, ohne Einschränkungen, oder<br />

• den Figurensatz, bei dem die Textzeilen eine geometrische Form<br />

nachbilden.<br />

Wird der Textbereich in mehrere Spalten unterteilt, dann sollten<br />

im Blocksatz die Spalten min<strong>des</strong>tens 4 mm auseinander liegen. Im<br />

Flattersatz genügen minimal 3 mm, da dort durch den zusätzlichen<br />

freien Raum das Zeilenende deutlicher markiert ist.<br />

Die ideale Zeilenlänge beträgt zwischen 60 – 70 Zeilen, wobei<br />

Leerzeichen mitgerechnet werden. Werden die Zeilen länger als 70 –<br />

80 Zeichen, dann wird es beim Zeilenwechsel schwierig den neuen<br />

Zeilenanfang zu finden. Damit sich ein Blocksatz sinnvoll realisieren<br />

lässt, benötigt man minimal etwa 45 – 50 Zeichen pro Zeile. Für<br />

schmale Spalten ist er also nicht zu empfehlen.<br />

Unter dem Zeilenabstand versteht man die Distanz von Schriftlinie<br />

zu Schriftlinie. Zusätzlich unterscheidet man den Durchschuss<br />

und den optischen Zeilenabstand. Im Bleisatz bezeichnete<br />

der Durchschuss den zusätzlichen Raum zwischen Schriftzeilen,<br />

25 die in viele Bereiche <strong>des</strong> Design ausstrahlte<br />

101<br />

rechtsbündiger Flattersatz (120 % Schrifthöhe)<br />

Type faces, like people’s faces, have distinctive features<br />

indicating aspects of character. Franz jagte in einem total<br />

verwahrlosten Wagen quer durch Bayern. The quick brown fox<br />

jumps over the lazy dog. Bei jedem klugen Wort von Sokrates<br />

rief Xanthippe zynisch: Quatsch! Pack my box with five<br />

dozen liquor jugs. Er heiratete sie, weil er sie liebte. Sie liebte<br />

ihn, weil er sie heiratete. Die Hölle, das sind die anderen.<br />

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Man versehe mich mit<br />

Luxus. Auf alles Notwendige kann ich verzichten. Armselig<br />

der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft. Es gibt das<br />

Vollkommene und es gibt das Unvollkommene. Und dies ist<br />

vollkommen.<br />

klaus simon<br />

linksbündiger Rausatz (130 % Schrifthöhe)<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Type faces, like people’s faces, have distinctive features indicating<br />

aspects of character. Franz jagte in einem total verwahrlosten<br />

Wagen quer durch Bayern. The quick brown fox<br />

jumps over the lazy dog. Bei jedem klugen Wort von Sokrates<br />

rief Xanthippe zynisch: Quatsch! Pack my box with five<br />

dozen liquor jugs. Er heiratete sie, weil er sie liebte. Sie liebte<br />

ihn, weil er sie heiratete. Die Hölle, das sind die anderen. Humor<br />

ist, wenn man trotzdem lacht. Man versehe mich mit Luxus.<br />

Auf alles Notwendige kann ich verzichten. Armselig der<br />

Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft. Es gibt das Vollkommene<br />

und es gibt das Unvollkommene. Und dies ist vollkommen.<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

37<br />

schriften<br />

38<br />

schriften


Schriftauswahl<br />

✧ technische Rahmenbedingungen, z.B. Verfügbarkeit<br />

➙ gute Fernwirkung bei Grotesk (Hinweisschilder, Präsentationen)<br />

➙ Antiqua besser bei längerem Lesen<br />

➙ Schriftmischungen: verträgliche x- bzw. H-Höhen, Duktus, . . .<br />

✧ emotionale Wirkung (Assoziationsprofil)<br />

➙ Übereinstimmung Schriftcharakter-Kommunikationsinhalt<br />

✧ Kommunikationsziele<br />

➙ Zielgruppe: historische Konventionen, Modeaspekt<br />

➙ Strategie:<br />

✛ Erwartungen erfüllen oder enttäuschen<br />

✛ Orginalität oder “me too”<br />

✛ Schrift zur Identifizierung (corporate identity)<br />

klaus simon<br />

Ermittlung von Schriftprofilen<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

39<br />

schriften<br />

40<br />

schriften<br />

102<br />

der durch Blindmaterial, sogenannte Regletten (Metallstreifen) erzeugt<br />

wurde. Heute versteht man darunter die Differenz aus Zeilenabstand<br />

und Schrifthöhe. Der optische Zeilenabstand ist nun der<br />

Durchschuss + Oberlänge + Unterlänge, d.h. die Differenz zwischen<br />

der Unterkante eines ≪b≫ zur Oberkante eines darunterliegenden<br />

≪g≫’s. Der optische Zeilenabstand spielt dann eine Rolle, wenn die<br />

verwendete Schrift über stark abweichende Relationen für Ober,-<br />

Mittel-, oder Unterlängen verfügt, was z.B. bei Schmuckschriften<br />

nicht ungewöhnlich ist. Als Grundregel sollte der optische Zeilenabstand<br />

das 1.5-fache der x-Höhe nicht unterschreiten.<br />

Ist der Zeilenabstand mit der Schrifthöhe identisch, so spricht<br />

man von einem kompressen Satz, ist er grösser, so handelt es sich<br />

um einen durchschossenen Satz. Im heutigen Desktop Publishing ist<br />

der Zeilenabstand normalerweise auf 120 % der Schrifthöhe eingestellt.<br />

Dies ist gemäss dem Verständnis der klassischen Typographie<br />

relativ eng. Vielfach zeigt 125 % oder gar 130 % das visuell ansprechendere<br />

Resultat. Es gibt jedoch keine allgemein gültige Empfehlung.<br />

Tendenziell können grössere Schriftgrade enger gesetzt werden.<br />

Das Gleiche gilt für kurze Zeilenlängen.<br />

Der letzte anzusprechende Parameter ist der Wortabstand. Er beträgt<br />

im Allgemeinen 25 bis 33 % der Schrifthöhe, 26 die etwa der<br />

Breite der Zeichenfolge ≪OO ≫ entspricht. In grösseren Schriftgraden,<br />

z.B. in Überschriften, kann er aber auch kleiner gewählt werden.<br />

Abweichend von der anglo-amerikanischen Tradition wählt man<br />

speziell im deutschen Sprachraum den Wortabstand eher enger. Gemäss<br />

den Erkenntnissen <strong>des</strong> vorangegangenen Abschnittes beeinträchtigt<br />

dies nicht die Lesbarkeit. Im Besonderen ist auf die unterschiedliche<br />

Behandlung <strong>des</strong> Satzen<strong>des</strong> hinzuweisen. In der englischen<br />

Typographie wird hier ein zusätzlicher Leerraum realisiert.<br />

Auf dem europäischen Kontinent behandelt man das Satzende dagegen<br />

als normalen Wortabstand. Im Desktop Publishing kann diese<br />

Option unter dem Begriff ≪french spacing ≫ nachgefragt werden.<br />

26 in traditioneller Druckersprache: 0.33 der Kantenlänge eines Gevierts, eines<br />

Quadrates mit der Breite der Schrifthöhe


4.10 Schriftauswahl<br />

Die Vielfalt der heute eingesetzten Schriften zeigt zum einen die<br />

Signifikanz der Schriftwahl und zum anderen die Ambivalenz <strong>des</strong><br />

Themas. Allgemein verbindliche Auswahlkriterien sind nicht erkennbar<br />

und vermutlich auch nicht wünschenswert. Trotzdem soll<br />

im Folgenden versucht werden einige Aspekte anzusprechen, die in<br />

einem konkreten Fall hilfreich sein mögen.<br />

Am klarsten ist die Situation bei den technischen Rahmenbedingungen.<br />

So kann man offenbar nur diejenigen Schriften einsetzen,<br />

die auch vorhanden sind. Darüberhinaus sind hier rechtliche und<br />

organisatorische Restriktionen (z.B. corporate identity) zu berücksichtigen.<br />

Die physikalischen Umstände <strong>des</strong> Lesevorgangs haben natürlich<br />

einen grossen Einfluss auf die Frage, ob eine Schrift in einem konkreten<br />

Fall geeignet ist oder nicht. So wurden die Grotesk-Schriften<br />

vor allem für eine gute Fernwirkung bei Plakaten, Hinweisschilder<br />

oder Verkehrszeichen entwicklt. Mit ihrer einfachen, kräftigen<br />

Strichführung eigenen sie sich allerdings auch für Bildschirme oder<br />

(Beamer-) Präsenationen mit niedriger <strong>Auflösung</strong>. Für langes ermüdungsfreies<br />

Lesen haben sich dagegen die Antiqua-Schriften bewährt.<br />

Die zusätzlichen Details in Folge der Serifen erleichtern dem<br />

Auge die Diskrimierung.<br />

Aus technischer Sicht sollte man bei Schriftmischungen darauf<br />

achten, dass die Unter-, Mittel- und Oberlängen der beteiligten<br />

Schriftfamilien übereinstimmen. Im Allgemeinen sollte man aber<br />

nicht mehr als zwei Familien gleichzeitig benutzen. Etabliert ist die<br />

Kombination Grotesk-Antiqua, z.B. um Überschriften in einer anderen<br />

Schriftfamilie auszuzeichnen. Grundsätzlich kann man festhalten,<br />

dass nur deutlich unterschiedliche Schriften kombiniert werden<br />

sollten.<br />

Der nächste relevante Auswahlaspekt ist die emotionale Wirkung<br />

einer Schrift. Bedingt durch Faktoren wie Zeichenform, historische<br />

oder soziale Bezüge löst eine Schrift eine Reihe von diffusen Assoziationen<br />

aus. Diese Assoziationen mögen individuell sehr verschie-<br />

103<br />

emotionale Korrelation von Schrift und Inhalt<br />

klaus simon<br />

Kommunikationsziel?<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

41<br />

schriften<br />

42<br />

schriften


den sein, können aber einer Präferenzanalyse, wie in Folie 40 angedeutet,<br />

abgefragt werden. Auf Grund solcher Studien mag man einer<br />

Bodoni vielleicht Attribute wie ≪elegant ≫, ≪harmonisch ≫ oder<br />

≪klassisch ≫ zugestehen. Mit einer Grotesk wie Helvetica verbindet<br />

man andererseits ≪technisch-nüchtern ≫ oder ≪schmucklos-streng ≫.<br />

Dagegen vermitteln Schreibschriften wie Künstler Script im Allgemeinen<br />

den Eindruck von ≪ Kreativität ≫ und ≪ persönlicher Nähe<br />

≫.<br />

Ein zentrales Anliegen der Schriftauswahl ist es natürlich die<br />

emotionale Wirkung der Schrift auf den zu vermittelnden Inhalt<br />

abzustimmen. Die Wichtigkeit dieses Aspektes kann man den mehr<br />

oder weniger gelungenen Beispielen aus Folie 41 entnehmen.<br />

Eine Schriftauswahl ist in natürlicher Weise Teil eines Kommunikationszieles.<br />

Damit die Schrift die ihr zugedachte Funktion erfüllen<br />

kann, ist es wichtig zunächst die Zielgruppe zu betrachten.<br />

Die emotinale Wirkung einer Schrift ist in unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />

Bereichen sicher sehr verschieden. Zu beachten sind<br />

insbesondere die jeweilige Kulturgeschichte und Modeerscheinungen.<br />

So verbindet man eine Schrift wie Arnold Böcklin mit dem Jugendstil,<br />

was in einer juristischen Abhandlung vielleicht Irritationen<br />

auslöst. Der Modeaspekt erleichtert zum einen die Auswahl,<br />

führt andererseits durch Übersättigung aber auch schnell zur Langeweile.<br />

Ein Beispiel hierfür ist die Computer Modern aus TEX-<br />

LATEX. Durch den 25jährigen Erfolg dieses Satzsystems löst die<br />

Grundschrift bei so manchem altgedienten Wissenschaftler heutzutage<br />

eher negative Reaktionen aus.<br />

Ein weiter relevanter Teilaspekt <strong>des</strong> Kommunikationsziels ist die<br />

Art der Nachrichtenvermittlung; soll beispielsweise informiert, provoziert<br />

oder Aufmerksamkeit erregt werden? Die Schrift kann zur<br />

Umsetzung einer Vorgangsstrategie beitragen indem sie z.B.<br />

• Erwartungen erfüllt oder enttäuscht,<br />

• Originalität demonstriert oder<br />

• Identität stiftet.<br />

104<br />

4.11 Literaturverzeichnis<br />

[1] D. Wheeler. Processes in word recognition. Cognitive Psychology,<br />

1:59–85, 1970.<br />

[2] G. Reicher. Perceptual recognition as a function of meaningfulness<br />

of stimulus material. Journal of Experimental Psychology,<br />

81:275–280, 1969.<br />

[3] G. Rubin and K. Turano. Reading without saccadic eye movements.<br />

Vision Research, 32:895–902, 1992.<br />

[4] J. Cattel. The inertia of the eye and brain. Brain, 8:295–312,<br />

1886.<br />

[5] J. Johnston and J. McClelland. Perception of letters in words:<br />

Seek not and eye shall find. Science, 184:1192–1194, 1974.<br />

[6] K. Rayner. Eye movements in reading and information processing:<br />

20 years of research. Psychological Bulletin, 124:372–422,<br />

1998.<br />

[7] K. Rayner and A. Pollatsek. Eye movements in reading: A tutorial<br />

review. In M. Coltheart (ed.), Attention and performance,<br />

vol. 12: The psychology of reading, pages 327–362, England:<br />

Erlbaum, 1987. Hove.<br />

[8] Sauthoff, Wendt, and Willberg. Schriften erkennen. Verlag H.<br />

Schmidt, Mainz, 2007, 11. Auflage.<br />

[9] R. Sekuler and R. Blake. Perception. McGraw-Hill, 4 edition,<br />

2002.<br />

[10] Jan Tschichold. Ausgewählte Aufsätze über Fragen der Gestalt<br />

<strong>des</strong> Buches und der Typographie. Birkhäuser, Basel, 1987, 2.<br />

Auflage.


K a p i t e l<br />

Textformatierung<br />

5<br />

Die Textformatierung versteht eine Texteingabe als eine unstrukturierte<br />

Folge von Zeichen und (transparenten) Zwischenräumen.<br />

Diese Vereinfachung ist dadurch gerechtfertigt, dass es primär um<br />

die graphische Gestaltung eines Paragraphen geht, und dort lediglich<br />

die Fontauswahl variiert. Dies gilt nicht in gleicher Weise für<br />

den Seitenumbruch, obwohl die verwendeten Verfahren konzeptionell<br />

aus der Behandlung von Paragraphen abgleitet sind. Grundsätzlich<br />

lässt sich die Textformatierung in die folgenden Teilprobleme<br />

einteilen:<br />

• Im Wortaufbau werden einzelne Schrift-Zeichen zu Wörtern zusammengesetzt.<br />

• Der Zeilenumbruch gruppiert dann die Wörter zu Zeilen.<br />

• Integriert in den Zeilenumbruch ist die (automatische) Worttrennung.<br />

• Der Seitenumbruch übernimmt dann die Zuordnung von Zeilen,<br />

Tabellen, Fussnoten usw. auf die einzelnen Seiten.<br />

5.1 Wortaufbau<br />

Die Eingabe besteht zunächst aus einer Sequenz von Bits, die normalerweise<br />

mit einer Tastatur erzeugt wurde. Mit dem Anschlag der<br />

≪w≫-Taste verbindet man üblicherweise das Zeichen ≪w≫ und nicht<br />

die Bit-Folge, welche die Tastatur zum Computer sendet. Die Zuordnung<br />

von ausgewählten Zeichen zu tatsächlich erzeugten Bit-Folgen<br />

heisst Eingabekodierung und ist durch Konvention festgelegt. Wenn<br />

105<br />

Textformatierung<br />

✧ Eingabe: Folge von Zeichen und Zwischenräumen<br />

✧ Ausgabe: Layout-Spezifikation<br />

✧ Teilprobleme<br />

➙ Wortaufbau<br />

✛ Zusammensetzen von Buchstaben zu Wörtern<br />

➙ Zeilenumbruch<br />

✛ Einteilung eines Paragraphen in Zeilen<br />

➙ Worttrennung<br />

✛ Unterstützung <strong>des</strong> Zeilenumbruchs<br />

➙ Seitenumbruch<br />

✛ Einteilung von Zeilen, Tabellen, Fussnoten, . . . in Seiten<br />

(DESIGNSIZE R 10.0)<br />

(COMMENT DESIGNSIZE IS IN POINTS)<br />

(CHECKSUM O 5221106317)<br />

(FONTDIMEN<br />

(SLANT R 0.0)<br />

(SPACE R 0.278)<br />

(STRETCH R 0.167)<br />

(SHRINK R 0.067)<br />

(XHEIGHT R 0.449)<br />

(CHARACTER C U<br />

(CHARWD R 0.708)<br />

(CHARHT R 0.698999)<br />

(CHARDP R 0.004999)<br />

(COMMENT<br />

(KRN O 54 R -0.025)<br />

(KRN O 56 R -0.025)<br />

(KRN C A R -0.025)<br />

(KRN O 301 R -0.025)<br />

(KRN O 200 R -0.025)<br />

(KRN O 302 R -0.025)<br />

(KRN O 304 R -0.025)<br />

(KRN O 300 R -0.025)<br />

)<br />

)<br />

Auszug aus einem .tfm-File<br />

klaus simon<br />

Workflow Wortaufbau<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Eingabe mit Tastatur<br />

Eingabedatei als Bit-Folgen<br />

... 01011101 11101000 ...<br />

Hamburgo bounding boxes<br />

Hamburgo<br />

graphische Glyphenausgabe<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

formatierung<br />

2<br />

formatierung


Wortaufbau<br />

✧ Gruppierung der Eingabefolge zu Wörtern und Abständen<br />

✧ Eingabefolge: Bit-Stream gemäss Eingabekodierung<br />

✧ Ausgabe: geometrisch angeordnete Glyphenfolge<br />

➙ Rahmenboxen anstatt Glyphen (Font Metric Files: .afm, .tfm)<br />

✛ definieren Breite, Ober- und Unterlänge<br />

➙ Unterschnitttabellen bestimmen Boxenabstand<br />

➙ Ersetzungstabellen für Ligaturen und Tastenkombinationen<br />

✧ Wortkonstruktion<br />

➙ Zuordnung je<strong>des</strong> Glyphen zu einem Wort<br />

➙ Festlegung der relativen Glyphenposition zum Wortanfang<br />

➙ Verwaltung der effektiven Wortlänge<br />

✧ Zwischenwortabstände<br />

➙ Verwaltung von Sollwert, minimaler bzw. maximaler Abweichung<br />

Zeilenumbruch<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ gegeben: Sequenz von Worten und Zwischenräumen<br />

✧ Ziel: Einteilung in Zeilen<br />

➙ der Länge L (Blocksatz, Flattersatz)<br />

➙ der Längen L1, . . . , Lℓ (Figurensatz)<br />

➙ mit möglichst gleichmässiger Füllung<br />

✧ Vorgehensweise<br />

➙ Festlegung möglicher Zeilenenden, genannt Kerben<br />

✛ Phase 1: Wortenden<br />

✛ Phase 2 (bei Bedarf): auch Trennstellen innerhalb von Worten<br />

➙ Ausschliessen der Zeilen<br />

➙ Auswahl einer geeigneten Zeileneinteilung<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

3<br />

formatierung<br />

4<br />

formatierung<br />

106<br />

man die Tastatur wechselt, etwa von einer amerikanischen zu einer<br />

schweizerischen, dann ist für eine korrekte Funktion <strong>des</strong> Computers<br />

auch ein Wechsel der Eingabekodierung notwendig.<br />

Für den Wortaufbau muss zunächst die Eingabekodierung mit einer<br />

Ausgabekodierung verbunden werden. Die Ausgabekodierung<br />

verbindet ihrerseits Bit-folgen mit den einzelnen Zeichen (Glyphen)<br />

eines Fonts. Dabei sind mehrere Aspekte zu betrachten.<br />

• Allgemein kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Eingabekodierung<br />

mit der Ausgabekodierung übereinstimmt. Oftmals<br />

sind zusätzliche Anpassungsmassnahmen notwendig.<br />

• Mehrere Zeichen der Eingabesequenz werden durch ein gemeinsames<br />

Zeichen der Ausgabesequenz ersetzt. Dies gilt speziell<br />

bei Ligaturen, die oftmals durch ein Glyph dargestellt werden.<br />

Die Grössenbeschränkung der Eingabekodierung machen<br />

es häufig notwendig Sonderzeichen über Tastenkombinationen<br />

anzusprechen, welche dann für die Ausgabe wieder aufgelöst<br />

werden müssen.<br />

• Die ausgegebene Glyphenfolge ist nicht nur sequentiell geordnet,<br />

sondern sie enthält auch die Gruppierung in Wörter bzw.<br />

Abstände sowie geometrische Informationen über die Wortlänge<br />

bzw. die relative Lage eines Glyphen innerhalb eines Wortes.<br />

Die Informationen die zur Berechnung der Ausgabesequenz notwendig<br />

sind, findet das Layoutsystem in den Font Metric Files ( .afm-<br />

Files bei Postscript-Fonts) oder TEX Font Metric ( .tfm-Files in TEX-<br />

LATEX). In diesen Files wird ein Zeichen typischerweise durch eine<br />

Rahmenbox (Bounding-box) beschrieben. Die geometrische Form<br />

<strong>des</strong> Zeichens wird nicht dargestellt, da sie für den Wortaufbau nicht<br />

benötigt wird. Die Geometrie der Rahmenbox wird durch Breite,<br />

Ober- bzw. Unterlänge beschrieben. Damit kann das Zeichen auf der<br />

Grundlinie einer Textzeile platziert werden.<br />

Zusätzlich enthält das Font Metric File die Unterschnitttabellen<br />

(Dicktentabellen, Kerning), die festlegen, bei welcher Zeichenkombination<br />

wie vom mittleren Zeichenabstand abzuweichen ist. Auch


die nötigen Informationen für die Ligaturen sind im Font Metric File<br />

gespeichert. Das Resultat <strong>des</strong> Wortaufbaus ist also eine Folge der<br />

Rahmenboxen die teilweise ineinander geschoben sind. Für die Weiterverarbeitung<br />

wird für je<strong>des</strong> Wort seine Länge gespeichert, sowie<br />

die zu ihm gehörende Boxenfolge.<br />

Bevor wir diesen Abschnitt abschliessen können, müssen wir noch<br />

auf die Abstände zwischen Worten eingehen. Da es im Computersatz<br />

im Allgemeinen nicht üblich ist, die Länge von Worten zum<br />

Zweck <strong>des</strong> Randausgleiches einer Zeile zu manipulieren, 1 verbleibt<br />

nur die Möglichkeit die Zwischenwortabstände anzupassen. Dazu<br />

nimmt man an, dass die Abstände wie Federn elastisch sind. Genauer<br />

gesagt sieht man für jeden Abstand einen Sollwert vor, zusammen<br />

mit einer unteren bzw. oberen Schranke, welche angeben<br />

wie der Sollabstand gestaucht bzw. gedehnt werden darf. Auf diese<br />

Parameter greift dann der Zeilenumbruch zurück.<br />

Zu beachten ist auch, dass die Abstände nicht alle gleichartig<br />

sind. Ausser ≪normalen ≫ Wortabständen existieren Sonderfälle für<br />

verschieden Zwecke, etwa den Abständen nach ≪;≫ oder ≪.≫. Darüber<br />

hinaus werden z.B. in TEX spezielle Abstandsfunktionen zur<br />

Ablaufsteuerung verwendet.<br />

5.2 Zeilenumbruch<br />

Im Wortaufbau wurde die Eingabesequenz zu einer Folge von Worten<br />

und Zwischenräumen verdichtet. Die Aufgabe <strong>des</strong> Zeilenumbruchs<br />

ist es nun, diese Folge in Zeilen einzuteilen. Im Blocksatz<br />

oder Flattersatz haben die Zeilen eine festgelegte Länge L, im Gegensatz<br />

zum Figurensatz mit variablen Längen L1, L2,..., Lℓ. Konzeptionell<br />

lässt sich der Figurensatz auf analoge Weise behandeln<br />

1 Man beachte, dass Gutenberg genau umgekehrt verfahren ist. Die Wortlängenvariation<br />

zum Zecke <strong>des</strong> Randausgleichs ist durchaus in Desktop<br />

Publishing-Systemen zu finden. Sie kann konzeptionell jedoch als spezieller zusätzlicher<br />

Zwischenraum aufgefasst werden und ist damit durch den beschriebenen<br />

Ansatz abgedeckt.<br />

107<br />

Beispiel-1: Zeilenumbruch ohne Ausschliessen<br />

Kerben eines Paragraphen<br />

In olden times when wishing still helped one, there lived a<br />

king whose daughters were all beautiful; and the youngest was<br />

so beautiful that the sun itself, which has seen so much, was<br />

astonished whenever it shone in her face. Close by the king’s<br />

castle lay a great dark forest, and under an old lime-tree in<br />

the forest was a well, and when the day was very warm, the<br />

king’s child went out into the forest and sat down by the side<br />

of the cool fountain; and when she was bored she took a golden<br />

ball, and threw it up on high and caught it; and this ball was<br />

her favorite plaything.<br />

Kerben ≪|≫ als potentielle Zeilenumbrüche<br />

akzeptable Zeilenumbrüche<br />

klaus simon technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

5<br />

formatierung 1<br />

klaus simon technik <strong>des</strong> digitalen publizierens formatierung<br />

✧ sei K = { k0 < · · · < kn } die Menge aller möglichen Kerben<br />

✧ eine Teilsequenz T = ki, ki +1, . . . , k j hat als potentielle Zeile<br />

➙ die Längen: minL(T), sollL(T), maxL(T)<br />

✛ als Summe der enthaltenen Zwischenräume<br />

✛ mit Korrekturen: Trennzeichen, kein Abstand am Zeilenanfang<br />

✧ U = { ki1 < ki2 < · · · < kis } ist akzeptabler Zeilenumbruch g.d.w.<br />

➙ ki1 = 0 und kis < n<br />

➙ minL({ kih , . . . , kih+1 }) ≤ L ≤ maxL({ kih , . . . , kih+1 })<br />

für h = 1, . . . , s (voll akzeptabel)<br />

➙ minL({ kis, . . . , kn }) ≤ L (partiell akzeptabel)<br />

✧ auf Figurensatz erweiterbar (Lh statt L)<br />

✧ jeder akzeptable Zeilenumbruch ist auch ausschliessbar<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

6<br />

formatierung


ungerichter Graph<br />

Beispiel Digraph<br />

g a<br />

✧ Digraph<br />

f<br />

einfacher<br />

b<br />

Weg<br />

gerichteter Graph<br />

c<br />

e<br />

d<br />

klaus simon<br />

➙ G = (V, E)<br />

✧ Knoten<br />

➙ V = { a, b, c, d, e, f , g }<br />

✧ Kanten<br />

Beispiel Topologische Sortierung<br />

Zyklus<br />

klaus simon<br />

➙ E = { (b, a), (b, g ), . . .<br />

(b, c), (c, e), (e, f ), . . .<br />

(e, d), (d, c), (f , b) }<br />

✧ Nachbarschaftslisten<br />

➙ Γ + (b) = { a, c, g }<br />

➙ Γ − (c) = { b, d }<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

topologisch sortierter Digraph<br />

5<br />

6<br />

3<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

7<br />

2<br />

4<br />

7<br />

formatierung<br />

8<br />

formatierung<br />

108<br />

wie eine feste Zeilenlänge, weshalb wir im Folgenden auf eine gesonderte<br />

Darstellung verzichten. Gesucht ist allerdings nicht eine<br />

beliebige, sondern eine gute Lösung, was wir vorläufig als eine möglichst<br />

gleichmässige Füllung der Zeilen interpretieren wollen.<br />

Das Vorgehen ist mehrstufig und wird teilweise auch iterativ<br />

durchlaufen. 2 In einem ersten Schritt werden die potentiellen Zeilenumbrüche<br />

bestimmt, in der deutschen Literatur [2, 7] Kerben genannt.<br />

Die natürlichen Kandidaten dafür sind die Wortenden. Oftmals<br />

existiert für diese Kerbenmenge noch keine gute Lösung, so<br />

dass man gezwungen ist durch Worttrennung weitere Kerben zu generieren.<br />

Auf den Aspekt Worttrennungen im Computersatz werden<br />

wir allerdings erst später in einem separaten Abschnitt eingehen.<br />

Aufgrund der bestimmten Kerbenmenge K wird dann eine Lösung<br />

ausgewählt, was wir im Anschluss genauer ausführen werden.<br />

Das Gleiche gilt auch für das Ausschliessen, dem <strong>letzten</strong> Schritt <strong>des</strong><br />

Zeilenumbruchs. Man versteht darunter die Anpassung einer Zeile<br />

mit gegebener Dehnbarkeit an die gewünschte Zeilenlänge L.<br />

Betrachten wir nun die Menge der Kerben<br />

K = { k0, k1,..., kn } mit k1 < k2 < ··· < kn (5.1)<br />

als gegeben, wobei man sich die Zahlen ki als Abstand vom Paragraphenanfang<br />

k0 vorstellen kann. Das Paragraphenende wird durch<br />

kn repräsentiert. Um zu überprüfen, ob eine Teilsequenz<br />

T = { ki < ··· < k j } (5.2)<br />

als potentielle Zeile in Frage kommt, benötigen wir die Funktionen<br />

minL(T),maxL(T) und sollL(T), (5.3)<br />

die für die minimale, die maximale bzw. den Sollwert der Zeilenlänge<br />

steht, die durch T induziert wird. Diese drei Abbildungen lassen<br />

sich effizient aus den beteiligten Wort- bzw. Teilwortlängen zusammen<br />

mit den Dehnbarkeiten der Zwischenräume berechnen. Zu beachten<br />

ist jedoch die Zusatzlänge für ein eventuelles Trennzeichen<br />

sowie die Entfernung von Zwischenräumen am Zeilenanfang.<br />

2 im Wesentlichen folgen wir Knuth et al. [3, 7]


Mit Hilfe der Funktionen aus (5.3) lässt sich nun relativ einfach<br />

ausdrücken, wann ein Zeilenumbruch U mit ℓ Zeilen zulässig ist. Es<br />

sei ih der Index der Anfangskerbe der h-ten Zeile, 1 ≤ h ≤ ℓ. Dann<br />

charakterisieren wir U durch die zugehörigen Kerben, also<br />

U = { ki1 , ki2 ,..., kiℓ } ⊆ K. (5.4)<br />

Man beachte, dass nach Definition i1 = 0 und iℓ < n gilt. Wir nennen<br />

U genau dann akzeptabel, wenn für alle h = 1,...,ℓ gilt<br />

sowie<br />

minL({ kih ,..., kih+1 }) ≤ L ≤ maxL({ kih ,..., kih+1 }) (5.5)<br />

minL({ kiℓ ,..., kn }) ≤ L. (5.6)<br />

Bezeichnen wir eine potentielle Zeile kih ,..., kih+1 , welche der Gleichung<br />

(5.5) genügt, als voll akzeptabel bzw. eine, die (5.6) erfüllt, als<br />

partiell akzeptabel, dann können wir auch sagen, ein Umbruch ist<br />

akzeptabel, wenn alle seine Zeilen, bis auf die letzte, voll akzeptabel<br />

sind und die letzte Zeile wenigstens partiell akzeptabel ist.<br />

Der so eingeführte Begriff der Akzeptierbarkeit eines Umbruchs<br />

ist offensichtlich durch den Randausgleich motiviert. Jeder akzeptable<br />

Umbruch ist offenbar ausschliessbar. Ob die Zeile gedehnt oder<br />

gestaucht wird, hängt davon ab, ob die Solllänge der Zeile grösser<br />

oder kleiner L ist.<br />

Bemerkung. Man beachte, dass diese Notation, speziell (5.5)<br />

und (5.6) ohne Schwierigkeiten auf unterschiedliche Zeilenlängen<br />

L1,..., Lℓ übertragbar sind. Der Figurensatz ist also konzeptionell<br />

durch den beschriebenen Ansatz abgedeckt.<br />

Für den links- oder rechtsbündigen Flattersatz wird das Ausschliessen<br />

einfach weggelassen und die Zeile in der Sollänge gesetzt.<br />

Der entsprechende Rausatz kann einfach als Interpolation zwischen<br />

Block- und Flattersatz realisiert werden.<br />

5.2.1 Die Menge aller akzeptablen Zeilenumbrüche<br />

Auf dem Weg zu einem möglichst guten Zeilenumbruch interessieren<br />

wir uns als nächstes für die Menge aller akzeptablen Zeilenumbrüche.<br />

Da es sich dabei um kombinatorisch viele handelt, benötigen<br />

109<br />

Repäsentation aller akzeptablen Umbrüche . . .<br />

✧ . . . durch einen azyklischen Digraphen G = (V, E)<br />

✧ V entspricht der Menge der Kerben K = { k0, . . . , kn }<br />

✧ (ki, k j) ist genau dann eine Kante von E wenn<br />

➙ es gibt in G einen Weg von k0 nach ki und<br />

✛ ki, . . . , k j ist voll akzeptabel für k j = kn<br />

✛ ki, . . . , k j ist partiell akzeptabel für k j = kn<br />

Jeder akzeptable Zeilenumbruch entspricht einem Weg<br />

vom Paragraphenanfang k0 zum Paragraphenende kn.<br />

klaus simon<br />

Zeilenumbruch als Optimierungsproblem<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Kostenfunktion c(e) ∈ R, e ∈ E: Bewertung der Zeile bezogen auf<br />

➙ Abweichung von sollL(e) von L<br />

➙ Abweichung vom Füllgrad vorgängiger Zeilen<br />

➙ Trennungen in vorgängigen Zeilen<br />

➙ Benutzervorgaben bezüglich <strong>des</strong> Zeilenumbruchs<br />

➙ Systemparameter zur Ablaufsteuerung<br />

✧ sei h(ki) der billigste Weg von k0 nach ki, dann gilt<br />

− 0 falls Γ (k j) = ∅<br />

h(k j) =<br />

min h(ki) + c(ki, k j) | ∃ (ki, k j) ∈ E sonst<br />

✧ gesucht: ≪billigster Weg ≫ von k0 nach kn<br />

➙ für azyklische Digraphen in linearer Zeit O(|V| + |E|) lösbar<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

9<br />

formatierung<br />

10<br />

formatierung


Beispiel: Zeilenumbruch in Graphendarstellung<br />

Kerbe hinter dem<br />

jeweiligen Teilwort<br />

16<br />

side of the coolfoun- tain; and<br />

1<br />

676<br />

the<br />

in<br />

324<br />

49<br />

king’s<br />

the<br />

king’s castle lay<br />

for<br />

child<br />

golden ball, and threw it up on<br />

676<br />

5929<br />

5929<br />

25 400<br />

289<br />

est<br />

was her favor- ite play-<br />

676<br />

a<br />

was<br />

1 841<br />

Knuth, digital typography, p.107<br />

9<br />

16<br />

4<br />

2209<br />

5329<br />

><br />

1521<br />

was so<br />

1 3600 1<br />

6561<br />

25<br />

1600<br />

121<br />

9<br />

3136<br />

thing.<br />

king<br />

3600<br />

4900<br />

aston-<br />

4489<br />

4<br />

went<br />

2209<br />

was a<br />

4 1 1369<br />

4<br />

4761<br />

3249<br />

289<br />

16<br />

2601 2601 3364<br />

1<br />

1<br />

3001<br />

1<br />

klaus simon<br />

3001<br />

1<br />

81<br />

400 144<br />

out<br />

4 1<br />

1<br />

2401<br />

1444<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Beispiel-1: Zeilenumbruch ohne Ausschliessen<br />

In olden times when wishing still helped one, there lived a<br />

king whose daughters were all beautiful; and the youngest was<br />

so beautiful that the sun itself, which has seen so much, was<br />

astonished whenever it shone in her face. Close by the king’s<br />

castle lay a great dark forest, and under an old lime-tree in<br />

the forest was a well, and when the day was very warm, the<br />

king’s child went out into the forest and sat down by the side<br />

of the cool fountain; and when she was bored she took a golden<br />

ball, and threw it up on high and caught it; and this ball was<br />

her favorite plaything.<br />

linker Weg aus Folie 11<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

11<br />

formatierung<br />

12<br />

formatierung<br />

110<br />

wir eine kompakte Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten,<br />

welche wir in einem azyklischen Digraphen finden werden. Ein akzeptabler<br />

Zeilenumbruch entspricht dann einem Weg in diesem Graphen<br />

vom ersten zum <strong>letzten</strong> Knoten. Um diese Analyse unabhängig<br />

zu halten, führen wir kurz in die elementare Notation der Graphentheorie<br />

ein, soweit dies für unsere Anwendung benötigt wird. 3 Wer<br />

damit vertraut ist, mag den folgenden Paragraphen übergehen.<br />

Ein gerichteter Graph (Digraph) G = (V , E) besteht aus einer endlichen<br />

Menge V zusammen mit einer irreflexiven Relation E ⊆ V ×V .<br />

Die Menge V bezeichnen wir als die Knotenmenge und E als die<br />

Kantenmenge von G. Ein Element v ∈ V , nennen wir einen Knoten.<br />

bzw. e ∈ E ist eine Kante. Die Menge V fassen wir zur Vereinfachung<br />

als die Zahlenmenge<br />

V = {1,..., n}<br />

auf. Häufig benutzt man die Buchstaben n und m für die Beträge<br />

der Mengen V und E, also<br />

n = |V | und m = |E|.<br />

Die Kante (x, y) verbindet den Knoten x mit dem Knoten y. Unter<br />

der Nachbarschaftsliste (adjacency-list) Γ + (v) <strong>des</strong> Knotens v verstehen<br />

wir die Menge<br />

Γ + (v) = { w ∈ V | (v, w) ∈ E }.<br />

Den Betrag dieser Menge nennen wir den Grad von v, genauer den<br />

Ausgangsgrad γ + (v), also<br />

γ + (v) = |Γ + (v)|.<br />

Analog vereinbaren wir die Menge Γ − (v) und den Eingangsgrad<br />

γ − (v) durch<br />

γ − (v) = |Γ − (v)| = |{ w ∈ V | (w, v) ∈ E }|.<br />

3 bei weiterführendem Interesse kann das Thema in Even [4], Tarjan [11] oder<br />

Simon [10] vertieft werden.


Ein Knoten v mit Γ + (v) = ø heisst eine Senke bzw. eine Quelle, falls<br />

Γ − (v) = ø gilt.<br />

Wir betrachten ausschliesslich topologisch sortierte Digraphen,<br />

was äquvalent ist zu<br />

(v, w) ∈ E ⇒ v < w.<br />

Für die Strukturierung von Graphen hat sich der Begriff <strong>des</strong> Weges<br />

als unentbehrlich erwiesen. Ein Weg P = v0,..., vs von v0 nach vs<br />

— abkürzend auch (v0, vs)-Weg genannt — ist eine Folge von Knoten<br />

mit (vi, vi+1) ∈ E für 0 ≤ i ≤ s − 1. Dabei bezeichnet s die Länge<br />

<strong>des</strong> Weges. Für einen Weg P = v0,..., vs sagen wir, P verbindet v0<br />

und vs. Unter der Distanz dist(v, w) zwischen zwei Knoten v und w<br />

verstehen wir die Länge eines kürzesten Weges zwischen ihnen.<br />

Kommen wir zurück zur Menge der akzeptablen Zeilenbrüche.<br />

Um sie graphentheoretisch zu charakterisieren müssen wir zunächst<br />

einen entsprechenden Graphen G=(V , E) definieren. Als<br />

Knotenmenge V fungiert die Menge der Kerben K:<br />

V = K = { k0 < ··· < kn } (5.7)<br />

Das Tupel (ki, k j) ist genau dann eine Kante von E, wenn es in G<br />

einen Weg von k0 nach ki gibt und ki,..., k j voll akzeptabel ist für<br />

k j = kn sowie ki,..., k j zumin<strong>des</strong>t partiell akzeptabel ist für k j = kn.<br />

Offenbar entspricht nun jeder akzeptable Zeilenumbruch eindeutig<br />

einem Weg vom Paragraphenanfang k0 zum Paragraphenende kn<br />

und umgekehrt.<br />

In dem so definierten Diagraphen verlaufen die Kanten immer<br />

von einer Kerbe mit kleinerem Index zu einer mit grösserem Index,<br />

d. h. G ist azyklisch und topologisch sortiert. Diese letzte Eigenschaft<br />

beinhaltet, dass bestimmte Optimierungsprobleme effizient<br />

für G gelöst werden können. Dies wollen wir im folgenden Abschnitt<br />

ausnutzen, um einen ≪guten Zeilenumbruch ≫ zu spezifizieren.<br />

5.2.2 Zeilenumbruch als Optimierungsproblem<br />

Um zwischen den vielen Lösungen <strong>des</strong> Zeichenumbruchs, die durch<br />

G=(V , E) repräsentiert sind, unterscheiden zu können, ordnen wir<br />

111<br />

Beispiel-2: Zeilenumbruch ohne Ausschliessen<br />

In olden times when wishing still helped one, there lived a<br />

king whose daughters were all beautiful; and the youngest was<br />

so beautiful that the sun itself, which has seen so much, was<br />

astonished whenever it shone in her face. Close by the king’s<br />

castle lay a great dark forest, and under an old lime-tree in the<br />

forest was a well, and when the day was very warm, the king’s<br />

child went out into the forest and sat down by the side of the<br />

cool fountain; and when she was bored she took a golden ball,<br />

and threw it up on high and caught it; and this ball was her<br />

her favorite plaything.<br />

roter Weg aus Folie 11<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Beispiel-3: Zeilenumbruch ohne Ausschliessen<br />

In olden times when wishing still helped one, there lived a king<br />

whose daughters were all beautiful; and the youngest was so<br />

beautiful that the sun itself, which has seen so much, was astonished<br />

whenever it shone in her face. Close by the king’s castle lay<br />

a great dark forest, and under an old lime-tree in the forest was a<br />

well, and when the day was very warm, the king’s child went out<br />

into the forest and sat down by the side of the cool fountain; and<br />

when she was bored she took a golden ball, and threw it up on<br />

high and caught it; and this ball was her favorite plaything.<br />

rechter Weg aus Folie 11<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

13<br />

formatierung<br />

14<br />

formatierung


Beispiel-1: Zeilenumbruch mit Ausschliessen<br />

In olden times when wishing still helped one, there lived a<br />

king whose daughters were all beautiful; and the youngest was<br />

so beautiful that the sun itself, which has seen so much, was<br />

astonished whenever it shone in her face. Close by the king’s<br />

castle lay a great dark forest, and under an old lime-tree in<br />

the forest was a well, and when the day was very warm, the<br />

king’s child went out into the forest and sat down by the side<br />

of the cool fountain; and when she was bored she took a golden<br />

ball, and threw it up on high and caught it; and this ball was<br />

her favorite plaything.<br />

linker Weg aus Folie 11<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Beispiel-2: Zeilenumbruch mit Ausschliessen<br />

In olden times when wishing still helped one, there lived a<br />

king whose daughters were all beautiful; and the youngest was<br />

so beautiful that the sun itself, which has seen so much, was<br />

astonished whenever it shone in her face. Close by the king’s<br />

castle lay a great dark forest, and under an old lime-tree in the<br />

forest was a well, and when the day was very warm, the king’s<br />

child went out into the forest and sat down by the side of the<br />

cool fountain; and when she was bored she took a golden ball,<br />

and threw it up on high and caught it; and this ball was her<br />

favorite plaything.<br />

roter Weg aus Folie 11<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

15<br />

formatierung<br />

16<br />

formatierung<br />

112<br />

jedem durch einen (k0, kn)-Weg gegebenen Zeilenbruch ein Kostenmass<br />

zu. Dazu benötigen wir zunächst eine Kostenfunktion c(e) ∈ R,<br />

e ∈ E. Die Abbildung c(e) ist nicht in natürlicher Weise gegeben, sondern<br />

ist eine Kombination von verschiedenen Einflussfaktoren, die<br />

mit der visuellen Güte <strong>des</strong> Zeilenumbruchs mehr oder weniger korreliert<br />

sind. Zu berücksichtigen ist zunächst einmal die Abweichung<br />

von sollL(e) zu L. Dann sollte auf den Füllungsgrad der vorangehenden<br />

Zeilen geachtet werden. 4 Starke Schwankungen sind hier<br />

unerwünscht. Dann existieren typographische Regeln bezüglich der<br />

Worttrennung. So sollten nicht mehrere Zeilen mit Trennungen aufeinander<br />

folgen bzw. sollte eine Worttrennung in der vor<strong>letzten</strong> Zeile<br />

vermieden werden.<br />

Die meisten Layout-Systeme sind parametrierbar, d.h. der Zeilenumbruch<br />

lässt sich über Systemeinstellungen manipulieren. Die<br />

entsprechenden Systemparameter fliessen natürlich auch in die Kostenfunktion<br />

ein.<br />

Schliesslich wird dem Benutzer auch häufig die Möglichkeit eingeräumt,<br />

ein spezielles Umbruchverhalten direkt zu erzwingen, was<br />

sich auch über die Kostenfunktion implementieren lässt.<br />

Im Design der Kostenfunktion sind die visuellen Ziele <strong>des</strong> System<br />

definiert. Der Kreativität sind hier keine prinzipiellen Grenzen gesetzt.<br />

Die aufgeführten Einflussfaktoren sind als Beispiele zu verstehen,<br />

aber nicht als exklusive Auflistung. Im Allgemeinen erhöhen<br />

visuell störende Elemente die Kostenfunktion und visuell bevorzugte<br />

Aspekte erniedrigen sie bzw. können sogar negative Beiträge<br />

liefern. In TEX, LATEXz.B. nimmt die Kostenfunktion Werte zwischen<br />

-10000 (best möglich) und 10000 (schlechtest möglich) an.<br />

Die Zeilenumbrüche entsprechen, wie bereits ausgeführt, den<br />

(k0, kn)-Wegen in G. Die Kostenfunktion für die Kanten müssen wir<br />

also noch auf geeignete Art und Weise auf die Wege in G übertragen.<br />

Dazu folgen wir dem Ansatz, dass ein optimaler Zeilenumbruch für<br />

n Zeilen ohne die letzte Zeile einen optimalen Zeilenumbruch für die<br />

4 Die Unterschiede im Zeilenumbruch zwischen TEX und LATEX gehen zum Beispiel<br />

auf unterschiedliche Systemeinstellungen zurück.


ersten n –1 Zeilen darstellen sollte. 5 Dies induziert, dass die Kosten<br />

eines Weges als die Summe der Kosten seiner Kanten verstanden<br />

werden können. Der optimale Zeilenumbruch ist damit als ein Weg<br />

von k1 nach kn mit minimalen Kosten charakterisiert.<br />

Das Bestimmen eines solchen Weges ist ein Standardproblem der<br />

Graphentheorie. Für azyklische Diagraphen kann es effizient gelöst<br />

werden, d.h. in Zeit proportional zu O(|V | + |E|). Obwohl diese<br />

Sichtweise <strong>des</strong> Zeilenumbruchs nicht für alle Komponenten der Kostenfunktion<br />

c(e), e ∈ E, naheliegend ist, ist der Gesamtansatz im<br />

Allgemeinen visuell doch überaus überzeugend. Die grosse Popularität<br />

von TEX-LATEX basiert nicht zuletzt auf seinem bekannt guten<br />

Zeilenumbruch, welcher auf dem beschriebenen Konzept basiert.<br />

5.2.3 Interaktivität und Zeilenumbruch<br />

In den vorangegangenen Abschnitten haben wir ausgeführt, wie<br />

sich der Zeilenumbruch als kombinatorisches Problem beschreiben<br />

lässt. Darauf aufbauende Satzsysteme zeigen eine Qualität, die dem<br />

klassischen Handsatz i.A. zumin<strong>des</strong>t vergleichbar ist. 6 Trotzdem<br />

ist dieses Konzept nicht durchgängig in Textverarbeitungsprogrammen<br />

bzw. im Desktop Publishing realisiert. Der Grund dafür liegt<br />

nicht etwa in einer funktionalen Beschränkung der entsprechenden<br />

Software sondern in einem Widerspruch zu dem traditionellen Interface<strong>des</strong>ign<br />

<strong>des</strong> Desktop Publishing.<br />

Bei der klassischen Schreibmaschine besteht die Eingabe in dem<br />

Anschlagen einer Taste und die Ausgabe in Form einer Zeichenproduktion<br />

auf Papier erfolgt mehr oder weniger unmittelbar. Der Zeilenumbruch<br />

erfolgt dadurch, dass die aktuelle Schreibposition die<br />

maximale Zeilenlänge erreicht. Der Benutzer bricht den Eingabevorgang<br />

für die aktuelle Zeile kurz vor dem Zeilenumbruch ab und<br />

5 Man beachte jedoch, dass z.B. die Bewertung <strong>des</strong> Füllgra<strong>des</strong> der vorangegangenen<br />

Zeile von der Teillösung für n –1 abhängig ist, was zeigt, dass der<br />

formulierte Ansatz nicht vollständig erfüllt sein kann.<br />

6 wenn auch vielleicht nicht über die gleiche Flexibilität in Problemfällen verfügt<br />

113<br />

Beispiel-3: Zeilenumbruch mit Ausschliessen<br />

In olden times when wishing still helped one, there lived a king<br />

whose daughters were all beautiful; and the youngest was so<br />

beautiful that the sun itself, which has seen so much, was astonished<br />

whenever it shone in her face. Close by the king’s castle lay<br />

a great dark forest, and under an old lime-tree in the forest was a<br />

well, and when the day was very warm, the king’s child went out<br />

into the forest and sat down by the side of the cool fountain; and<br />

when she was bored she took a golden ball, and threw it up on<br />

high and caught it; and this ball was her favorite plaything.<br />

rechter Weg aus Folie 11<br />

klaus simon<br />

billigste Wege in azyklischen Digraphen<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ Eingabe: ein topologischer sortierter Digraph G = (V, E)<br />

mit gegebener Kostenfunktion c(e) ∈ R für e ∈ E<br />

(1) forall ki ∈ V do h(ki) ← ∞ od;<br />

(2) h(k0) ← 0;<br />

(3) forall i ← 0 to n−1 do<br />

(4) forall k j ∈ Γ + (ki) do<br />

(5) h(k j) ← min { h(k j), h(ki) + c(ki, k j) };<br />

(6) od;<br />

(7) od;<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

17<br />

formatierung<br />

18<br />

formatierung


Interaktivität und Zeilenumbruch<br />

✧ Zeilenumbruch bei Schreibmaschinen<br />

➙ Eingabe und Layout direkt verknüpft<br />

➙ Füllung der Zeile mit Worten bis zum Überlauf<br />

➙ nächste Zeile startet mit überlaufendem Wort<br />

✧ interaktive Satzprogramme sind Schreibmaschinen orientiert<br />

✧ WYSIWYG erzwingt Fixierung u. Darstellung der nächsten Zeile<br />

✧ Ausschliessen der aktuellen Zeile (Dehnen + Worttrennung)<br />

➙ nur lokale Optimierung möglich<br />

➙ bezogen auf die letzte Zeile<br />

✧ greedy-Variante <strong>des</strong> ≪billigste Wege≫-Ansatzes<br />

➙ funktionale und visuelle Einbussen<br />

klaus simon<br />

Beispiel lokal optimierter Zeilenumbruch<br />

The quick brown fox jumps over the<br />

lazy dog. Bei jedem klugen Wort von<br />

Sokrates rief Xanthippe zynisch:<br />

Quatsch! Pack my box with five dozen<br />

liquor jugs. Die Hölle, das sind die<br />

anderen. Humor ist, wenn man trotzdem<br />

lacht. Man versehe mich mit<br />

Luxus. Auf alles Notwendige kann ich<br />

verzichten. Armselig der Schüler,<br />

der seinen Meister nicht übertrifft.<br />

Es gibt das Vollkommene und es gibt<br />

das Unvollkommene. Und dies ist<br />

vollkommen. Type faces, like<br />

people's faces, have distinctive<br />

features indicating aspects of character.<br />

Franz jagte<br />

in einem total verwahrlosten Wagen<br />

quer durch Bayern. The quick brown<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

19<br />

formatierung<br />

The quick brown fox jumps over the<br />

lazy dog. Bei jedem klugen Wort von<br />

Sokrates rief Xanthippe zynisch:<br />

Quatsch! Pack my box with five dozen<br />

liquor jugs. Die Hölle, das sind die<br />

anderen. Humor ist, wenn man trotzdem<br />

lacht. Man versehe mich mit Luxus. Auf<br />

alles Notwendige kann ich verzichten.<br />

Armselig der Schüler, der seinen Meister<br />

nicht übertrifft. Es gibt das<br />

Vollkommene und es gibt das Unvollkommene.<br />

Und dies ist vollkommen. Type<br />

faces, like people's faces, have distinctive<br />

features indicating aspects<br />

of character. Franz jagte in einem<br />

total verwahrlosten Wagen quer durch<br />

Bayern. The quick brown fox jumps over<br />

the lazy dog.Bei jedem klugen Wort von<br />

Sokrates rief XanThe quick brown fox<br />

jumps over the lazy dog. Bei jedem<br />

klugen Wort von Sokrates rief Xanthippe<br />

zynisch: Quatsch! Er heiratete<br />

sie, weil er sie liebte. Sie liebte<br />

ihn, weil er sie heiratete. Die Hölle,<br />

das sind die anderen. Humor ist, wenn<br />

man trotzdem lacht. Man versehe mich<br />

mit Luxus. Auf alles Notwendige kann<br />

ich verzichten. Armselig der Schüler,<br />

der seinen Meister nicht übertrifft.<br />

Es gibt das Vollkommene und es gibt<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

20<br />

formatierung<br />

114<br />

beginnt die nächste Zeile. Alle Zeichen haben dabei die gleiche Breite.<br />

Wie im Abschnitt 2.6.2 dargelegt, entwickelte sich das Desktop<br />

Publishing als computerunterstützte Version der Schreibmaschine.<br />

In Folge <strong>des</strong>sen versuchten die Designer der ersten Textverarbeitungsprogramme<br />

das visuelle Interface so zu gestalten, dass der<br />

Eingabeprozess demjenigen der Schreibmaschine möglischst nahe<br />

kam. Dies bedeutete, dass die textuelle Eingabe und die daraus relutierende<br />

graphische Ausgabe möglichst unmittelbar und intuitiv<br />

miteinander verknüpft sein sollten. In anderen Worten, man wollte<br />

dem Benutzer den Eindruck vermitteln, dass er unmittelbar das<br />

graphische Layout manipuliert. Dieses Designprinzip ist bekannt<br />

als:<br />

Wh a t Yo u Se e Is Wh a t Yo u Ge t<br />

Andererseits wollten Desktop Publishing Systeme nicht hinter die<br />

Funktionalität der mechanischen Satzsysteme wie z.B. Linotype<br />

zurückfallen. In diesen waren Proportionalschriften und das Ausschliessen<br />

üblich. Man kombinierte diese Fähigkeiten mit dem WY-<br />

SIWYG und erhielt einen Zeilenumbruch, der innerhalb der aktuellen<br />

Zeile durch Dehnung, Stauchung bzw. Worttrennung flexibel<br />

und damit optimierbar war, der zum anderen aber Zeile für Zeile<br />

fixiert und so in das endgültige Layout übernommen wurde.<br />

Diese Beschränkung der Optimierbarkeit auf die aktuell bearbeitete<br />

Zeile, sei im Folgenden lokale Optimierung genannt, im Gegensatz<br />

zur globalen 7 Optimierung <strong>des</strong> ≪billigsten Wege ≫-Ansatzes. Da<br />

die verfügbaren Optimierungsschritte der lokalen Strategie auch im<br />

globalen Ansatz enthalten sind, liefert der lokale Ansatz im Allgemeinen<br />

nur eine suboptimale Lösung für das gleiche Problem.<br />

Im Bereich der Graphenalgorithmen nennt man den lokalen Ansatz<br />

auch eine greedy heuristic 8 bzw. aus Sicht von allgemeinen Optimierungsproblemen<br />

würde man von einem Gradienten-Abstiegs-<br />

Verfahren sprechen. Obwohl der lokale Ansatz deutlich weniger lei-<br />

7 global, da auf den ganzen Paragraphen bezogen<br />

8 siehe etwa Hu [5]


stungsfähig ist und immer mal wieder der menschlichen Mithilfe<br />

bedarf, ist er durchaus beliebt, vielleicht weil er dem Benutzer das<br />

Gefühl vermittelt, unentbehrlich zu sein.<br />

5.2.4 Worttrennung<br />

Als Teil <strong>des</strong> Zeilenumbruchs ist die automatische Worttrennung ein<br />

selbstverständlicher Teil moderner Layoutsysteme. In Sprachen wie<br />

dem Deutschen, wo Wörter praktisch beliebig zusammengesteckt<br />

werden können, ist man besonders darauf angewiesen. So sind im<br />

Deutschen etwa 5–15 Trennungen pro Seite zu erwarten. Im Folgenden<br />

beschränken wir uns auf einige Grundaspekte und gehen insbesondere<br />

auf Randaspekte wie Formveränderungen von Wörtern<br />

in Folge von Trennungen nicht ein.<br />

Die allgemeine Regel zum Trennen von Worten fordert<br />

• zusammengesetzte Worte nach Bestandteilen und<br />

• ansonsten nach Sprechsilben zu trennen.<br />

Im konkreten Fall ist diese Festlegung oftmals zu vage bzw. zu<br />

widersprüchlich um in einem automatischen System eingesetzt zu<br />

werden. Wie soll der Computer zwischen<br />

Bein-haltung und be-in-halten<br />

unterscheiden? Die Syntax ist nahezu identisch und die Unterscheidung<br />

ergibt sich aus dem semantischen Kontext, womit sich Computer<br />

bis anhin schwer tun. Existieren bei identischer Syntax mehrere<br />

unterschiedliche Interpretationen so spricht man von Homonymen.<br />

Beispiele hierfür sind:<br />

bzw.<br />

Er hat ein Ver-eins-amt. Ver-ein-samt ist er trotzdem.<br />

Stau-becken im Gegensatz zu Staub-ecken<br />

Ähnliche Probleme bereiten sinnentstellende Trennungen wie<br />

Urin-stinkt<br />

115<br />

Worttrennung<br />

✧ im Deutschen ca. 5–15 Trennungen pro Seite (i.A. nicht vermeidbar)<br />

✧ allgemeine Trennregel<br />

➙ zuammengesetzte Wörter nach Bestandteilen<br />

➙ Wörter nach Sprechsilben<br />

✧ Probleme der automatischen Anwendung<br />

➙ vage, teilweise widersprüchliche Regeln: re-cord (S) E rec-ord (V)<br />

➙ Homonyme: unterschied. Interpretationen syntakt. gleicher Wörter<br />

✛ ver-ein-samt E Vereins-amt, Stau-becken E Staub-ecken<br />

➙ sinnentstellende Trennungen (Trenner-gebnisse)<br />

✛ Bein-haltung E be-in-halten, In-stinkt (ok) E Urin-stinkt (¬ ok)<br />

✧ direkte Benutzerintervention üblich<br />

➙ explizite Kennzeichnung von optionalen Trennpositionen<br />

➙ Vermeidung falscher Trennungen durch Ausnahmewörterbuch<br />

klaus simon<br />

Trennhilfen in L AT E X<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ \usepackage[sprachen]{babel} ... \selectlanguage{sprache}<br />

➙ sprachspezifische Anpassungen, insbesondere Trennungen<br />

✧ \usepackage[T1]{fontenc} reduziert Trennprobleme<br />

✧ Ausnahmewörterbuch<br />

➙ \hypenation{erb-lich Ur-instinkt statt-fin-den}<br />

✧ lokale Trennhilfen<br />

➙ \- Trennung ausschliesslich hier<br />

➙ "- optionale Trennposition<br />

➙ "ff Trennung als ff-f<br />

✧ Trennungsvermeidung<br />

➙ \begin{sloppypar} ... \end{sloppypar} lockert Abstände<br />

➙ \spaceskip überschreibt den Zwischenwortabstand<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

21<br />

formatierung<br />

22<br />

formatierung


✧ Korrektheit<br />

Bewertung von Trennalgorithmen<br />

➙ Anteil der korrekten unter allen gefundenen Trennstellen<br />

➙ verursacht Benutzerkorrekturen<br />

✧ Vollständigkeit<br />

➙ Prozentsatz der gefundenen unter allen korrekten Trennstellen<br />

➙ Einfluss auf die Qualität <strong>des</strong> Zeilenumbruchs<br />

✧ Sprachunabhängigkeit<br />

➙ konzeptionell auf verschiedene Sprachen anwendbar<br />

➙ z.B. aus Trennungswörterbuch ableitbar<br />

➙ relevant für Mehrsprachenanwendung, Software<strong>des</strong>ign<br />

✧ Effizienz<br />

➙ Speicherplatz und Ausführungsgeschwindigkeit<br />

✧ Wörterbuchansatz<br />

klaus simon<br />

Trennungskonzepte<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

➙ Wortabgleich im Wörterbuch mit Trennpositionen<br />

➙ optimal bezüglich Korrektheit u. Vollständigkeit<br />

➙ hoher Speicherplatzbedarf (Mehrsprachigkeit)<br />

➙ hohe Laufzeiteffizienz<br />

➙ Ausgangspunkt anderer Ansätze<br />

✧ Times-Magazine-Konzept<br />

➙ Betrachtung der Buchstabensequenz b1, b2, b3, b4<br />

➙ Trennwahrscheinlichkeiten: Pn(b1, b2), Pz(b2, b3), Pv(b3, b4)<br />

➙ falls Pn · Pz · Pv ≥ S (Schwellwert) ⇒ Trennung b1b2 − b3b4<br />

➙ Verhältnis Korrektheit-Vollständigkeit durch Wahl von S<br />

➙ berechnenbar aus Wörterbuch<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

23<br />

formatierung<br />

24<br />

formatierung<br />

116<br />

wobei der Duden jedoch bemerkt, dass diese Trennung vermieden<br />

werden sollte. Es sei andererseits darauf hingewiesen, dass die<br />

Trennung der Grundform<br />

In-stinkt<br />

völlig unproblematisch ist. Da man heute nicht erwartet, dass ein<br />

Computer zwischen den vorangegangenen Versionen unterscheiden<br />

bzw. sie sogar semantisch korrekt anwenden kann, enthalten heutige<br />

Satzsysteme die Möglichkeit der direkten Benutzerintervention<br />

zur Steuerung <strong>des</strong> automatischen Worttrennungsprozess. Üblich ist<br />

die explizite Kennzeichnung von Trennpositionen — in TEX z.B. \–<br />

— sowie die Vermeidung falscher Trennungen durch das Anlegen<br />

von Ausnahmewörterbüchern.<br />

Die vorgängigen Aspekte lassen nicht erwarten, dass gegenwärtige<br />

Trennalgorithmen fehlerfrei arbeiten. Bei der Bewertung entsprechender<br />

Konzepte sollte dies explizit berücksichtigt werden.<br />

Korrektheit. Darunter versteht man den Anteil aller korrekten Lösungen<br />

relativ zu allen gefundenen Trennungen. Dieses Kriterium<br />

ist für den Benutzer besonders relevant, da es damit<br />

korreliert, wie häufig der Benutzer manuell die Compterlösung<br />

nachbessern muss. So muss man bei einer Korrektrate von 95 %<br />

und 10 Trennungen pro Seite einen Trennfehler auf jeder zweiten<br />

Seite erwarten, was z.B. bei längeren Texten wie z.B. einem<br />

Buch schon zu einer Belastung wird.<br />

Vollständigkeit steht für den Prozentsatz der gefundenen Lösungen<br />

unter allen korrekten Trennpositionen. Je höher dieser Anteil<br />

ist, <strong>des</strong>to einfacher ist der Zeilenumbruch.<br />

Sprachunabhängigkeit. Konzeptionell sollte der Trennalgorithmus<br />

auf verschiedene Sprachen anwendbar sein. Gerade im wissenschaftlichen<br />

Bereich hat sich ein Bedarf für Mehrsprachigkeit<br />

herausgebildet. In einem solchen Kontext ist es wünschenswert,<br />

dass das Trennungskonzept, wie in LATEX, direkt aus einem<br />

Wörterbuch ableitbar ist. Nicht zuletzt wird das Software<strong>des</strong>ign<br />

durch Sprachunabhängigkeit unterstützt.


Eezienz ist ein allgemeines Ziel der Softwarentwicklung. Hier geht<br />

es zum einen um den benötigten Speicherplatz, vor allem im Arbeitsspeicher<br />

<strong>des</strong> Computers und zum anderen um die Laufzeiten<br />

<strong>des</strong> Layoutprogramms. Meist konkurrieren die beiden Zielkomponenten<br />

miteinander. Konkret ist dieser Punkt mit dem<br />

Einsatz von Wörterbücher als Lösungsansatz verknüpft.<br />

Im Folgenden werden wir auf die drei bekanntesten Verfahren etwas<br />

näher eingehen. Dabei beschränken wir uns auf die Grundideen.<br />

Die zu Grunde liegende Algorithmik ist durchaus recht anspruchsvoll<br />

und damit nicht im Fokus der Vorlesung.<br />

Das Times-Magazine-Konzept betrachtet eine Buchstabensequenz<br />

b1, b2, b3 und b4. Aus einem Wörterbuch werden im Voraus die<br />

Wahrscheinlichkeiten<br />

Pv(x1, x2), Pz(x1, x2), Pn(x1, x2)<br />

bestimmt, dass vor (Pv), zwischen (Pz) bzw. nach (Pn) der Buchstabenfolge<br />

x1, x2 getrennt werden darf. Falls dann<br />

Pv(b1, b2) · Pz(b1, b2) · Pn(b1, b2) ≥ S<br />

gilt, dann wird b2-b3 als mögliche Trennposition gekennzeichnet,<br />

sonst wird nicht getrennt. Ein hoher Schwellenwert S bevorzugt<br />

die Vollständigkeit gegenüber der Korrektheit. Das Verfahren<br />

ist sprachunabhängig, da unmittelbar aus einem Wörterbruch<br />

berechenbar. Solche Ansätze sind heute im Kontext<br />

von statistischen Textanalysen bzw. Sprachübersetzungen populär.<br />

Wörterbruchansatz. Die naheliegenste Lösung ist das Nachschlagen<br />

<strong>des</strong> zu trennenden Wortes in einem Wörterbuch, in dem alle<br />

korrekten Trennstellen vermerkt sind, z.B. im Duden. Sie ist<br />

einfach, schnell ausführbar und bietet darüber hinaus auch beste<br />

Korrektheit und Vollständigkeit. Der entscheidende Nachteil<br />

ist der hohe Speicherplatzbedarf, der je nach Sprache im Bereich<br />

mehrerer Megabytes liegen kann. In den 80er Jahren als<br />

117<br />

Trennstellen im Duden<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Auszug aus dehypht.tex (deutsche Trennmuster)<br />

\patterns{%<br />

.aa6l .ab3a4s .ab3ei .abi2 .ab3it .ab1l .ab1r .ab3u .ad3o4r .alti6<br />

.ana3c .an5alg .an1e .ang8s .an1s .ap1p .ar6sc .ar6ta .ar6tei .as2z<br />

.au2f1 .au2s3 .be5erb .be3na .ber6t5r .bie6r5 .bim6s5t .brot3 .bru6s<br />

.ch6 .che6f5 .da8c .da2r .dar5in .dar5u .den6ka .de5r6en .<strong>des</strong>6pe<br />

.de8spo .de3sz .dia3s4 .dien4 .dy2s1 .ehren5 .eine6 .ei6n5eh .ei8nen<br />

.ein5sa .en6der .en6d5r .en3k4 .en8ta8 .en8tei .en4t3r .epo1 .er6ban<br />

.er6b5ei .er6bla .er6d5um .er3ei .er5er .er3in .er3o4b .erwi5s .es1p<br />

.es8t .ex1a2 .ex3em .fal6sc .fe6st5a .flu4g3 .furch8 .ga6ner .ge3n4a<br />

.her6za .he5x .hin3 .hir8sc .ho4c .hu3sa .hy5o .ibe5 .ima6ge .in1<br />

.obe8ri .ob1l .obs2 .ob6st5e .or3c .ort6s5e .ost3a .oste8r .pe4re<br />

.tages5 .tan6kl .ta8th .te6e .te8str .to6der .to8nin .to6we .um1<br />

aal5e aa6r5a a5arti aa2s1t aat2s 6aba ab3art 1abdr 6abel aben6dr<br />

1abn ab1ra ab1re 5a6brec ab1ro ab1s ab8sk abs2z 3abtei ab1ur 1abw<br />

af1au a6fentl a2f1ex af1fr af5rau af1re 1afri af6tent af6tra aft5re<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

25<br />

formatierung<br />

26<br />

formatierung


Konzept von Liang (T E X-L AT E X)<br />

✧ Inclusion-Exclusion-Ansatz<br />

➙ iterative Kennzeichnung und Ausschluss von Trennpositionen<br />

✧ Aus Wörterbuch generiert: Mustersammlung<br />

➙ Mustervergleich zur Bewertung von poteniellen Trennstellen<br />

✛ positive Kennzeichnung durch ungerade Prioritätszahl<br />

✛ Ausschluss durch gerade Prioritätszahl<br />

➙ Positionsbewertung gemäss maximaler Priorität<br />

b e i n h a l t e n<br />

1 b e<br />

n 1 h<br />

2 l 1 t<br />

l 5 t e n<br />

1 b e i n 1 h a 2 l 5 t e n<br />

Seitenumbruch<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ analog z. Zeilenumbruch, erschwert durch typographische Regeln<br />

➙ Gleitobjekte (Bilder, Graphiken), Fussnoten, Spalten<br />

➙ etablierte Design-Regeln<br />

✛ Einhaltung von Numerierungsreihenfolge (Gleitobjekte)<br />

✛ Sichtbarkeit von Gleitobjekten vom ersten Verweis<br />

✛ minimale Zeilen pro Paragraph und Seite min<strong>des</strong>tens 2<br />

➣ Schusterjunge: vereinzelte Zeile am Seitenende<br />

➣ Hurenkind: Vereinzelte Zeile am Seitenanfang<br />

✛ Kapitelanfänge nur am Anfang einer ungeraden Seite<br />

✧ automatischer Seitenumbruch nicht so erfolgreich<br />

➙ komplizierte Texte erfordern häufig manuelle Eingriffe<br />

➙ Stärke von interaktiven Systemen<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

27<br />

formatierung<br />

28<br />

formatierung<br />

118<br />

die heutigen Desktop Publishing Systeme konzipiert wurden,<br />

war dies ein Killerkriterium. Da sich seit dieser Zeit die verfüegbaren<br />

Arbeitsspeicherbereiche grob gerechnet vertausendfacht<br />

haben, ist dieses Argument jedoch nicht mehr so relevant,<br />

auch wenn die Forderung nach Mehrsprachigkeit die Situation<br />

andererseits wieder verschärft. Andere Konzepte benutzten<br />

Wörterbücher häufig als Zwischenschritt und versuchen das<br />

enthaltene Wissen in anderer Form zu komprimieren.<br />

Das Liang-Verfahren ist als Trennkonzept von TEX bekannt geworden.<br />

Es handelt sich um eine Variante <strong>des</strong> Inclusion-Exclusion-<br />

Prinzips, wie es in der Kombinatorik oft angewendet wird. Das<br />

zu trennende Wort W wird iterativ mit einer vorbereiteten Mustermenge<br />

M1,..., Ms<br />

verglichen. Den Zwischenräumen zwischen den Musterbuchstaben<br />

sind Zahlen zwischen 0 und 9 zugeordnet. Sie drücken aus<br />

mit welcher Priorität dieser Zwischenraum als Trennposition<br />

in Frage kommt (ungerader Wert) oder als solche ausgeschlossen<br />

werden muss (gerader Wert). Kommt nun ein Muster Mi<br />

als Teilwert von W vor, dann werden die Bewertungen der Zwischenräume<br />

auf W übertragen, siehe Folie 27. Da verschiedene<br />

Muster zu der Bewertung eines speziellen Zwischenraumes<br />

von W Beiträge liefern können, erhält man im Allgemeinen eine<br />

Menge sich widersprechender Bewertungen. Unter diesen<br />

wird derjenige mit der grössten Priorität ausgewählt. Der Liang-Ansatz<br />

[8] hat sich generell bewährt, auch wenn er im<br />

Deutschen nicht ganz so gut funktioniert wie im Englischen. Er<br />

scheint bezüglich Korrektheit und Vollständigkeit dem Times-<br />

Magazine-Verfahren leicht aber nicht signifikant überlegen zu<br />

sein.<br />

• Im Englischen benötigt man gegen 4500 Muster,<br />

• im Deutschen etwa 6000.<br />

Die Performance ist ausreichend, um auch grössere Texte wie<br />

Bücher in Sekundenbereich zu setzen.


5.3 Seitenumbruch<br />

Konzeptionell ist der Seitenumbruch mit dem Zeilenumbruch vergleichbar.<br />

Anstatt die Kerben nach oder innerhalb von Worten zu<br />

definieren, markieren nun die Zeilen die möglichen Umbruchstellen.<br />

Die Möglichkeiten für Streckungen bzw. Stauchungen können<br />

durch einen flexiblen Durchschuss bzw. vertikale Zwischenräume<br />

geschaffen werden.<br />

Trotz dieser Analogie ist der Seitenumbruch wesentlich anspruchsvoller<br />

als der Zeilenumbruch. Dies liegt primär an einer Reihe<br />

von zusätzlichen Restriktionen 9 denen der Seitenumbruch unterliegt.<br />

An erster Stelle sind hier Gleitobjekte wie Bilder oder Graphiken<br />

sowie Fussnoten zu nennen. Diese Objekte benötigen zusätzlichen<br />

Platz und sind oftmals sperrig. Zu einer Herausforderung für das<br />

Layout werden sie allerdings erst durch zusätzliche typographische<br />

Konventionen bezüglich ihrer Verwendung. So erwartet man, dass<br />

Fussnoten auf der Seite platziert werden, wo sie definiert sind. Ähnliches<br />

gilt für nummerierte Figuren, die vom Ort ihrer ersten Zitation<br />

sichtbar sein sollten. Ferner muss die Nummerierungsreihenfolge<br />

der Figuren eingehalten werden. Eine andere Regel fordert,<br />

dass Kapitel nur am Seitenanfang einer ungeraden Seite beginnen<br />

dürfen.<br />

Auch für die Platzierung von Paragraphen existieren Regeln, z.B.<br />

sollte eine einzelne Zeile eines Paragraphen nicht alleine auf einer<br />

Seite platziert werden. In der Sprache der Typographie bezeichnet<br />

man eine Einzelzeile am Seitenende als Schusterjunge, wohingegen<br />

ein Hurenkind eine vereinzelte Zeile am Seitenanfang meint. Bei<strong>des</strong><br />

sollte vermieden werden.<br />

Diese zusätzlichen Restriktionen lassen sich bei komplizierten<br />

Texten oftmals nicht ohne menschlichen Eingriff lösen. Hier schlägt<br />

dann die Stunde der interaktiven Layoutsysteme, die für die direkte<br />

Manipuation <strong>des</strong> Layouts ausgelegt sind. Bei automatischen Systemen<br />

wie TEX-LATEX braucht es eine gewisse Erfahrung um die<br />

9 siehe z.B. Bollwage [1] oder Böhringer et al. [6]<br />

119<br />

mit<br />

ϕ = 1 + √ 5<br />

2<br />

Beispiel Hurenkind<br />

= 1.61803 . . .<br />

als allgemein bevorzugtes Verhältnis identifiziert. Manche Gestalter<br />

sehen <strong>des</strong>halb im Goldenen Schnitt ein Universalgesetz der Ästhetik.<br />

Aus der Sicht der Typographie erscheint der Goldene Schnitt<br />

als ein Ideal, an dem man sich durchaus orientieren kann aber<br />

nicht unbedingt muss. Seitenverhältnisse in der Nähe <strong>des</strong> Ideals,<br />

z.B. 5/8 = 0.625 oder 1 / √ 2 = 0.7071 wirken keinesfalls unharmonisch<br />

und haben durchaus ihre Anwendungen sowohl in der traditionellen<br />

wie auch in modernen Layout-Gestaltung.<br />

Als nächstes stellt sich die Frage: Hoch- oder Querformat? Die<br />

klassische Typographie war auf den Buchdruck und damit auf das<br />

Hochformat ausgerichtet. Im Kontext von Satzspiegeln werden wir<br />

im weiteren Verlauf dieses Abschnitts genauer darauf eingehen.<br />

Das Querformat mag bei einem Buch als suboptimal bezüglich<br />

<strong>des</strong> Leseprozesses empfunden werden. Andererseits hat sich das<br />

Querformat als Präsentationsform im Kontext von Overheadfolien<br />

bzw. PC-Monitoren durchgesetzt. 16 Für nachgeordnete Publikationen<br />

wie Handouts oder sonstige Ausarbeitungen ist das Querformat<br />

dann die natürliche Lösung. In Folge der zunehmenden Bedeutung<br />

der Präsentationstechniken wird man wohl auch in Typograhie dem<br />

Querformats eine grössere Aufmerksamkeit entgegen bringen müssen.<br />

Die traditionelle Papierherstellung benutzte beim Papierschöpfen17<br />

Rahmen im Verhältnis 3/4, was durch Halbierung der Langseite<br />

zu 2/3 führte. Die nächste Halbierung führte zurück zum Verhältnis<br />

3/4. Die Fläche <strong>des</strong> Schöpfrahmens war nicht festgelegt<br />

und richtete sich nach der Handhabbarkeit während eines langen<br />

Arbeitstages. Diese handwerklichen Verhältnisse mit einer relativ<br />

freien Wahl <strong>des</strong> Formats haben sich im professionellen Akzidenz-<br />

16 Durch die benötigten grossen Schriftgrade ≥ 24 pt bietet das Hochformat keine<br />

ausreichenden Zeilenlängen.<br />

17 siehe Abschnitt 2.2.1, Seite 9<br />

117<br />

druck 18 zumin<strong>des</strong>t teilweise erhalten.<br />

Die Möglichkeit dazu eröffnen die vielfältigen Weiterverarbeitungstechniken<br />

der Druckindustrie, d.h. wenn ein gewünschtes Format<br />

nicht vorhanden ist, kann es durch Beschneidung <strong>des</strong> Druckbogens<br />

erzeugt werden. Ein Buchautor hat in diesem Fall lediglich an<br />

jeder Aussenkante seines Seitenentwurfs eine Toleranz von 3 mm, 19<br />

den Beschnitt, vorzusehen. Restriktionen ergeben sich hier weniger<br />

durch die Reproduktionstechnik als durch organisatorische Vorgaben<br />

seitens <strong>des</strong> Verlages.<br />

Dem Geist der Industrialisierung entsprechend sind die heute<br />

hauptsächlich verwendeten Papierformate standardisiert. Das Paradigma<br />

«Standardisierung» ist für die effiziente Organisation von<br />

anonymen Massenmärkten unabdingbar. So muss z.B. in der Bürokommunikation<br />

das Papierformat nicht nur in den Laserdrucker<br />

passen, sondern auch in den Aktenordner passen, welcher seinerseits<br />

auf den Aktenschrank abgestimmt sein sollte. Ferner sollte<br />

das Papierformat bei der Post keine Probleme verursachen, d.h. es<br />

sollte zu einem Standardbrief faltbar sein. Diesem durchgehenden<br />

gesellschaftlichen Bedarf an Standardisierung kann sich auch die<br />

Druckindustrie im Allgemeinen nicht entziehen, schliesslich wäre<br />

es nicht ungewöhnlich einen Werbeprospekt in einem Aktenordner<br />

aufzubewahren.<br />

Der international wichtigste Papierstandard ist das deutsche<br />

DIN-Format (DIN 476). Es wurde als DIN EN ISO 16 in nahezu alle<br />

Länder übernommen. Zu den wenigen länderspezifischen Papierformaten,<br />

die bis anhin überlebt haben, zählt die Grösse 8.5 × 11 inch<br />

(US Letter), das in den USA und in Kanada hauptsächlich benutzte<br />

Briefformat.<br />

Das DIN-System geht auf eine Idee <strong>des</strong> Göttinger Physikprofessors<br />

Georg Christoph Lichtenberg aus dem Jahre 1796 zurück. Er<br />

schlug ein Rechteckformat vor, das bei Halbierung der Langseite<br />

das Seitenverhältnis unverändert lässt, was mathematisch bedeu-<br />

18 im Gegensatz zum Office-Bereich, der weitgehend standardisiert ist<br />

19 Offsetdruck<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

29<br />

formatierung


L AT E X-Hilfen zum Seitenumbruch<br />

✧ \newpage identisch zu \vfill\eject erzwingt Seitenende<br />

✧ \pagebreak[num], \nopagebreak[num], num = 0,1,2,3,4<br />

➙ Empfehlung für oder gegen ein Zeilenende mit Priorität num<br />

✧ \clearpage wie \newpage aber mit Ausgabe von Gleitobjekten<br />

✧ \enlargethispage{Zusatzhöhe}, Zusatzhöhe z.B. \basellineskip<br />

➙ vergrössert die aktuelle Seitenlänge (auch negativ)<br />

➙ *-Form setzt dehnbare Abstände auf Minimalwerte<br />

✧ \begin{samepage} ... \end{samepage}<br />

➙ Seitenumbrüche nur zwischen Paragraphen<br />

✧ \renewcommand{\baselinestrech}{faktor}<br />

➙ ändert den Zeilenabstand<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

30<br />

formatierung<br />

120<br />

durchaus vorhandenen Möglichkeiten zum manuellen Eingriff auch<br />

nutzen zu können. Im wissenschaftlichen Bereich, der Lehre oder<br />

der Dokumentation lohnt sich der Aufwand oftmals trotzdem, denn<br />

die automatische Layoutgenerierung sichert die leichte Pflegbarkeit<br />

der Texte über längere Zeiträume bzw. Versionen hinweg.<br />

5.4 Literaturverzeichnis<br />

[1] M. Bollwage. Typographie kompakt. Springer, 2005.<br />

[2] A. Brüggemann-Klein. Einführung in die Dokumentenverarbeitung.<br />

Teubner, Stuttgart, 1989.<br />

[3] D. Knuth and M. Plass. Breaking Paragraphs Into Lines. Software<br />

— Practice and Experience, 11:1981, 1119–1184.<br />

[4] S. Even. Graph Algorithms. Computer Science Press, 1979.<br />

[5] T. Hu. Combinatorial Algorithms. Addision-Wesley, 1982.<br />

[6] J. Böhringer, P. Bühler, und P. Schlaich. Kompendium der Mediengestaltung<br />

für Digital- und Printmedien. Springer, 2006.<br />

[7] D. Knuth. Digital Typography. University of Chicago Press,<br />

1999.<br />

[8] F. Liang. Word Hyphenation by Computer. PhD-Thesis, Department<br />

of Computer Science, Stanford University, August 1993.<br />

[9] R. Wilhelm und R. Heckmann. Grundlagen der Dokumentenverarbeitung.<br />

Addison-Wesley, 1996.<br />

[10] K. Simon. Effiziente Algorithmen für perfekte Graphen. Teubner,<br />

Stuttgart, 1992.<br />

[11] R. Tarjan. Depth-First Search and Linear Graph Algorithms.<br />

CBMS-NSF Regional Conference Series in Applied Mathematics,<br />

1983.


K a p i t e l<br />

6<br />

Computerfonts<br />

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Realisierung von Fonts in<br />

modernen Computersystemen, vor allem mit den heute dominanten<br />

Konzepten Type1 — bekannt aus PostScript — bzw. TrueType,<br />

die entsprechende Antwort von Apple und Microsoft. Obwohl beide<br />

eng mit dem Desktop Publishing verbunden sind, so haben die zu<br />

Grunde liegenden Konzepte doch wesentlich ältere Wurzeln wie den<br />

Fotosatz der 60er bzw. 70er Jahre, NC-Werkzeugmaschinen oder<br />

frühe Plotter. 1<br />

6.1 Text in digitalen Ausgabesystemen<br />

In den Anfangsjahren der Informatik beherrschten zeichenorientierte<br />

Geräte die Ausgabemedien. Die Ausgabefläche wird dabei in<br />

gleichgrosse rechteckige Kästchen aufgeteilt, die Glyphen aus einem<br />

beschränkten Zeichensatz aufnehmen können. Typisch hierfür<br />

sind Typenraddrucker und Typewriter-Schriften. Auch die Bildschirmdarstellungen<br />

im Terminal-Stil, die bis Mitte der 80er Jahre<br />

vorherrschend waren, fallen in diese Kategorie.<br />

Die heute üblichen graphikfähigen Ausgabegeräte beruhen auf<br />

einem zweidimensionalen Raster, einem rechtwinkligen abstrakten<br />

Gitter, an <strong>des</strong>sen Kreuzungen Bildpunkte frei platziert werden können.<br />

Der Bildpunkt kann dabei ein Druckpunkt (Dot) sein oder aus<br />

einem Pixel (Picture Element) mit einer abgestuften Helligkeitsbzw.<br />

Farbdarstellung bestehen. Die Feinheit <strong>des</strong> Gitters bezeichnet<br />

man als die <strong>Auflösung</strong> <strong>des</strong> Ausgabegerätes. Sie wird häufig in<br />

Druckpunkten pro Zoll (dots per inch = dpi) bzw. Pixel per inch<br />

1 z.B. den Aristo-Plotter, der 1959 von Konrad Zuse vorgestellt wurde<br />

121<br />

Text in digitalen Ausgabesytemen<br />

✧ basiert heute auf digitalen Rastern<br />

➙ rechtwinkliges abstraktes 2D-Gitter mit gegebener <strong>Auflösung</strong><br />

➙ Realisierung der Bildpunkte auf den Gitterkreuzungen<br />

✧ komplexe Layouts mittels Vektorgraphiksystemen<br />

➙ basierend auf einer interpretierten Graphiksprache<br />

➙ Objektbeschreibung durch mathematische Kurven<br />

➙ Rasterung: Übertragung der Kurvenbeschreibung auf das Gitter<br />

✧ Text ist Teil <strong>des</strong> Graphiksystems (Glyphen als Bilder)<br />

➙ meist mit optimierter Speicherung<br />

✧ Probleme<br />

➙ unerwünschte Quantisierungseffekte bei der Rasterung (Hinting)<br />

➙ Fontspeicherung (Drucker, Computer, Layout)<br />

➙ Zeichenkodierung (Unicode), Datenformate<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

1<br />

computerfonts


Glyphenrasterung<br />

Bitmap<br />

AOutline Gitterauflösung<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

2<br />

computerfonts<br />

122<br />

(ppi) angegeben. Typische Laserdrucker im Bürobereich haben eine<br />

<strong>Auflösung</strong> von ca. 600 bis 1200 dpi, wohingegen für Bildschirme<br />

Werte von 70 bis 200 ppi üblich sind. Diese Diskrepanz zwischen<br />

Drucker- und Bildschirmauflösungen ist bis anhin eines der grössten<br />

Probleme im Bereich der Computerfonts, da die ursprünglich<br />

für den Druck entworfenen Schriften nur mit Qualitätseinbussen<br />

auf einem Monitor dargestellt werden können.<br />

Um nun ein komplexes Layout auf einem Raster realisieren zu<br />

können, benötigt man eine entsprechende Graphiksoftware. In den<br />

populären Vektorgraphiksystemen erfolgt die Objektbeschreibung<br />

durch mathematische Kurven, die mittels einer Programmiersprache<br />

spezifiziert werden. Die Überführung in eine Punktdarstellung<br />

für das jeweilige Raster erfolgt typischerweise durch einen Interpreter.<br />

2 Der Vorgang wird entsprechend als Rasterung bezeichnet. Man<br />

beachte, dass die dabei unvermeidbar auftretenden Quantisierungsfehler<br />

mit abnehmender Geräteauflösung zunehmen.<br />

Die uns in diesem Kapitel hauptsächlich interessierende Textdarstellung<br />

ist heutzutage als Teil eines Graphiksystems realisiert. Auf<br />

Grund ihrer besonderen Bedeutung ist sie jedoch oftmals speziell<br />

kodiert zusammen mit einer optimierten Rasterung.<br />

Durch dieses Szenario sind die zentralen Probleme im Umgang<br />

mit Computerfonts vorgegeben. Da sind zunächst die Rundungsfehler<br />

bei geringen Geräteauflösungen. Sie führen zu speziellen Korrekturverfahren,<br />

genannt Hinting. Das zweite relevante Problem<br />

ergibt sich aus dem Speicherort der Fonts. Die verschiedenen Ansätze<br />

Drucker, Computer oder Dokument haben weitgehende Konsequenzen<br />

auf die Organisation der Arbeitsabläufe innerhalb eines<br />

Computers und sind bis heute Gegenstand von Auseinandersetzungen<br />

innerhalb der IT-Branche. Die letzte Problemgruppe bilden Zeichensatzkodierungen,<br />

die im Zeitalter von offenen Computerstandards<br />

eine grosse praktische Bedeutung haben.<br />

2 In der Informatik unterscheidet man grundsätzlich zwischen interpretierten<br />

Programmiersprachen wie BASIC und übersetzten Sprachen wie C++. Die erstgenannten<br />

sind im Allgemeinen funktional mächtiger und einfacher zu realisieren.<br />

Der Preis dafür ist jedoch eine geringere Laufzeiteezienz.


6.2 Bitmaps<br />

Da Glyphen in einem Ausgabegerät bildhafte Zeichen darstellen sollen,<br />

ist es naheliegend, die auf dem Geräteraster zu realisierenden<br />

Teilbilder unmittelbar zur Definition <strong>des</strong> Computerfonts zu benutzen.<br />

Entsprechend nennt man Fonts, die Glyphen als vordefinierte<br />

schwarz-weisse Rasterbilder spezifizieren, Bitmap-Fonts.<br />

Da diese Schriften für eine feste Schriftgrösse bzw. <strong>Auflösung</strong> optimiert<br />

sind, ist das graphische Resultat in der vorgesehenen Anwendung<br />

von hoher Qualität. Ein typisches Beispiel ist das Original<br />

TEX-System. Das Konzept eignet sich besonders bei festinstallierten<br />

Fonts wie z.B. in einem Laserdrucker, mit statischen Anforderungen<br />

bezüglich Schriftgrösse und <strong>Auflösung</strong>. 3 Speziell als Screenfonts in<br />

Betriebssystemen und im Kontext von embedded Systems werden<br />

sie auch heute noch eingesetzt.<br />

Bitmaps haben einige Vorteile. Zunächst sind sie einfach und effizient<br />

in der Anwendung, da sie ohne weitere Berechnungen direkt<br />

ins Geräteraster kopiert werden können. Dadurch entfallen die bei<br />

Vektorgraphiken unvermeidbaren Quantisierungseffekte. Da letztere<br />

verstärkt bei kleinen Geräteauflösungen vorkommen, stellen<br />

Bitmaps in diesem Bereich bis heute die qualitativ bessere Lösung<br />

dar.<br />

Dagegen steht der gewichtige Nachteil der nicht vorhandenen<br />

Skalierbarkeit. Für je<strong>des</strong> benutzte Verhältnis von Geräteauflösung<br />

und Schriftgrösse wird ein eigener Bitmap-Font benötigt. Technisch<br />

muss das keine Limitierung sein, wie das TEX-System zeigt. Das<br />

zugehörige Metafont-Programm kann jeden verlangten Bitmap-Font<br />

on-the-fly erzeugen. Aber der dafür nötige Speicherplatz wächst<br />

trotz effizienter Komprimierungsverfahren für Bitmaps schnell an<br />

und dies kann für einen Drucker oder das Betriebssystem zu einem<br />

Problem werden.<br />

3 Der historische Erfolg der Schreibmaschine zeigt beispielsweise, dass man<br />

einen Grossteil der Publikationsbedürfnisse mit einigen wenigen Schriftgrössen<br />

abdecken kann.<br />

123<br />

Bitmap-Fonts<br />

✧ Glyphen als schwarz-weisse Rasterbilder<br />

➙ optimiert für eine feste Schriftgrösse und <strong>Auflösung</strong><br />

✧ in Computersytemen vor dem Desktop Publishing vorherrschend<br />

✧ bis heute eingesetzt: OS-Screenfonts oder embedded systems<br />

✧ Vorteile<br />

➙ schnell und einfach<br />

➙ keine Quantisierungseffekte (da keine Rasterung)<br />

✧ Nachteile<br />

➙ nicht skalierbar<br />

➙ hoher Speicherplatz bei variablen Schriftgössen bzw. <strong>Auflösung</strong>en<br />

✛ trotz guter Komprimierbarkeit von Bitmap-Darstellungen<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

3<br />

computerfonts


Outline-Fonts<br />

✧ Glyphen-Repräsentation durch Vektorgraphik<br />

➙ mathematische Beschreibung der Umrisslinie<br />

✧ Vorteile<br />

➙ mathematisch transformierbar, speziell skalierbar<br />

➙ Speicherplatzbedarf unabhängig von Schriftvariation<br />

✧ Nachteile<br />

➙ zusätzlicher Rechenaufwand durch on-the-fly-Rasterung<br />

➙ grössere Quantisierungsfehler bei geringen <strong>Auflösung</strong>en<br />

➙ nur approximativer Ersatz für traditionelle Schriftschnitte (6pt=10pt)<br />

✧ Teilklasse Stroke-based fonts (komplexe Vektorgraphik)<br />

➙ beruhend auf attributierten Kurven (z.B. in Illustrator: Pinsel)<br />

✧ vor allem für asiatische Fonts, aber auch in Metafont (T E X-L AT E X)<br />

✧ Wurzeln in Plotter-Technik<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

4<br />

computerfonts<br />

124<br />

Bei in Dokumenten eingebetteten Fonts, wie beispielsweise PDF-<br />

Files, versagt schliesslich auch der Metafont-Ansatz, da hier der Erzeuger<br />

eines Dokumentes in der Regel nicht der einzige Nutzer ist,<br />

so dass zum Zeitpunkt der Dokumenterstellung nicht alle später benötigten<br />

<strong>Auflösung</strong>en bereitgestellt werden können. 4<br />

Die Problematik wird im Desktop Publishing noch verschärft, da<br />

man hier unter Skalierung auch das Drehen oder die freie Verformungen<br />

der Glyphen versteht. Diese Anwendungen sind speziell in<br />

der Werbung üblich.<br />

6.3 Outline-Schriften<br />

Um das Problem der mangelnden Skalierbarkeit bei Bitmap-Fonts<br />

zu lösen, muss man die Umrisslinien der Glyphen in Form von<br />

mathematischen Kurvenstücken beschreiben. Die Glyphen entsprechen<br />

dann erweiterten Polygonzügen, wobei zwei aufeinanderfolgende<br />

Ecken durch Geraden, Kreise, Splines oder Bézier-Kurven<br />

verbunden werden. Die üblichen Graphiksprachen wie PostScript<br />

oder SVG erlauben die Spezifikation solcher Objekte und übernehmen<br />

die approximative Punktdarstellung eines Polygonzuges zur<br />

Visualisierung im Geräteraster.<br />

Da mathematische Kurven als abstrakte Objekte beliebig transformierbar<br />

sind, kann man sie offenbar auch skalieren. Als Folge<br />

ergibt sich zudem ein geringerer Speicherbedarf, da jede Schriftgrösse<br />

dieselbe symbolische Beschreibung benutzt und symbolische<br />

Beschreibungen sind im Allgemeinen sehr effizient.<br />

Aber es gibt auch Nachteile. Zunächst der zusätzliche Rechenaufwand<br />

zur Erzeugung der Punktdarstellung, welcher allerdings<br />

im Normalfall nicht als gravierend betrachtet wird. Die Quantisierungsfehler,<br />

die bei der Rasterung der Vektorgraphik zwangsläufig<br />

auftreten, können jedoch nur bei einer ausreichenden Geräteauflösung<br />

ignoriert werden. Bei Bildschirmen mit traditionell geringen<br />

4 Es ist sicher kein Zufall, dass mit der Etablierung von PDF als Dokumentenstandard<br />

Type1 auch in der TEX-Welt populär wurde.


<strong>Auflösung</strong>en nehmen die Rundungsfehler stark zu und können zu<br />

deutlich sichtbaren Artefakten führen.<br />

Nimmt man an, dass die H-Höhe bei einem 10 pt-Font etwa 7 pt<br />

beträgt, dann wird ein Grossbuchstabe bei einer Geräteauflösung<br />

von 600 dpi mit ca. 58 Pixelzeilen dargestellt. Bei der typischen Bildschirmauflösung<br />

von 72 dpi reduziert sich dies auf 7 Pixelzeilen. Es<br />

ist klar, dass eine klassische Antiquaschrift dann nicht mehr vernünftig<br />

realisiert werden kann.<br />

Zur Minimierung dieser Probleme verfügen die beiden vorherrschenden<br />

Fontsysteme Type1 und TrueType über sogenannte Hinting-Konzepte,<br />

die bei geringen <strong>Auflösung</strong>en eine optimierte Rasterung<br />

eines Glyphen und insbesondere eine von der Textposition unabhängige<br />

Realsierung garantieren sollen.<br />

Die Outline-Fonts besitzen eine Unterklasse, die Stroke-based<br />

fonts, welche zwar auch in die Kategorie Vektorgraphik fallen, aber<br />

nicht als gefüllte Polygonzüge zu verstehen sind. Statt<strong>des</strong>sen muss<br />

man sie sich als eine Menge von Linien vorstellen, wobei Linien allerdings<br />

keine Objekte der Dicke 0 sind, sondern als ausgedehnte<br />

Objekte verstanden werden, etwa als das Resultat eines Pinselstriches.<br />

Typischerweise ist die graphische Realisierung einer solchen<br />

Linie über zugeordnete Attribute steuerbar, vergleichbar den Konturattributen<br />

aus Illustrator. Die Technik stammt wohl ursprünglich<br />

von Plottern, die notgedrungen Textdarstellungen durch Linienzeichnungen<br />

realisieren mussten. Da diese Technik asiatischen<br />

Bilderschriften sehr entgegen kommt, sind Stroke-based fonts in<br />

Asien sehr populär. Aber das ist nicht exklusiv. Auch das Fontgenerierungssystem<br />

Metafont benutzt eine Fontspezifikation basierend<br />

auf attributierten Linien.<br />

6.4 Fonts in PostScript- bzw. PDF-Druckern<br />

In modernen Betriebssystemen kommuniziert ein Anwendungsprogramm<br />

in der Regel nicht mehr direkt mit einem Drucker, sondern<br />

benutzt dafür die Dienste eines Druckertreibers bzw. diejenigen eines<br />

Spoolers. Dabei passt der Druckertreiber die Druckdaten an die<br />

125<br />

Hinting (links ohne hinting in 72 und 144 dpi gerastert)<br />

Hamburgos Hamburgos<br />

Hamburgers Hamburgers<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

5<br />

computerfonts


Fonts in PostScript-Drucker<br />

✧ PostScript enthält nur Verweise auf Fonts<br />

➙ Druckertreiber bzw. Spooler erledigen den jeweiligen Fontzugriff<br />

✧ Fontzugriff bei Anforderung<br />

➙ ≪permanente ≫ im Drucker vorhandene Fonts<br />

➙ ≪residente ≫ Fonts: gerade im Arbeitsspeicher vorhanden<br />

➙ ≪inline ≫-Fonts: im Druckjob eingebettete Fonts<br />

➙ nicht vorhandene Fonts: Ersetzung durch Courier<br />

➙ Speicherbedarf für PostScript-Fonts: 30–60 KB<br />

✛ ca. 10 % <strong>des</strong> Druckerarbeitsspeicher für Fonts<br />

✛ bei Überlauf: Fontersetzung oder VMerror<br />

➙ Fontcache: Zwischenspeicher für gerasterte Glyphen<br />

✛ gilt über den eigenen Druchauftrag hinaus<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

6<br />

computerfonts<br />

126<br />

speziellen Kenngrössen <strong>des</strong> Druckers an bzw. verwaltet der Spooler<br />

alle Druckjobs, die einen spezifischen Drucker benutzen möchten.<br />

So enthält ein PostScript-Programm keine Fontbeschreibungen sondern<br />

nur Verweise auf die benötigten Fonts. Es ist also Aufgabe <strong>des</strong><br />

Druckertreibers zu garantieren, dass die benötigten Fonts während<br />

<strong>des</strong> Druckvorgangs vorhanden sind. Er kann diese Aufgabe auf verschiedene<br />

Arten erfüllen oder, je nach der Intelligenz <strong>des</strong> Spoolers,<br />

sie auch an diesen delegieren.<br />

• Im einfachsten Fall besteht die Fontanforderung aus einem<br />

Font, der permanent im Drucker vorhanden ist. Die 35 Standardschriften<br />

aus PostScript Level 1 und 2 sind z.B. in der LATEX-<br />

Welt durch das PSNFSS-Package verfügbar. Darunter befinden<br />

sich Times, Palatino, Courier, Helvetica oder New Century<br />

Schoolbook, wobei die beiden letzteren prominent in dieser<br />

Vorlesung vertreten sind.<br />

• Ohne grössere Anstrenungen kann der Drucker auch auf residente<br />

Fonts zugreifen. Dies sind solche, die gerade im Arbeitsspeicher<br />

präsent sind. Fonts, die einmal dort abgelegt sind, bleiben<br />

gespeichert, bis sie entweder explizit gelöscht werden oder<br />

der Drucker ausgeschaltet wird. Dies eröffnet die Möglichkeit<br />

der Systemoptimierung, genannt manueller Download, indem<br />

besonders häufig benutzte Fonts explizit in den Arbeitsraum<br />

<strong>des</strong> Druckers geladen werden. Intelligente Spooler wissen dieses<br />

Konzept zu nutzen.<br />

• Stellt ein PostScript-Druckertreiber fest, dass ein Druckjob auf<br />

einen gegenwärtig nicht verfügbaren Font zugreifen möchte, so<br />

kann er diesen in den Datenstrom <strong>des</strong> Druckauftrags einbetten.<br />

Man spricht dann von inline-Fonts und der Vorgang wird als automatischer<br />

Download bezeichnet. Im Gegensatz zu PostScript<br />

ist dieses Vorgehen bei PDF keine Option, sondern ist zwingend<br />

erforderlich. Im PDF-Kontext ist die Bezeichnung ≪eingebettete<br />

Fonts ≫ jedoch üblicher.<br />

• Die letzte Realisierungsmöglichkeit ist die Substitution. Wenn


ein benötigter Font nicht gefunden wird, so wird er im Normalfall<br />

durch Courier ersetzt.<br />

Zu beachten ist auch der Speicherplatzbedarf eines PostScript-Fonts,<br />

der üblicherweise zwischen 30–60 KB beträgt. Die genaue Zahl findet<br />

man als Kommentarzeile der Fontdatei. So besagt<br />

%% VMusage 45600 55000<br />

dass der zugehörige Font beim ersten Zugriff 55000 KB im Arbeitsspeicher<br />

belegt und 45600 bei jedem weiteren. Diese Zahlen erscheinen<br />

zunächst harmlos, aber es ist zu beachten, dass der für Fonts<br />

verfügbare Speicherplatz nur etwa 10 % <strong>des</strong> gesamten Arbeitsspeicher<br />

ausmacht. Den genauen Wert findet man unter FreeVM in der<br />

PPD-Datei <strong>des</strong> Druckers. 5 Im Falle eines Überlaufs erfolgt entweder<br />

ein<br />

VMerror<br />

oder der Drucker verfügt über eine dynamische Ersetzungsstrategie.<br />

Schliesslich sollte ein Mechanismus namens Fontcache erwähnt<br />

werden. Das Rastern eines Glyphen ist eine relativ aufwendige Angelegenheit.<br />

Deshalb wird das Resultat nicht nur in die entsprechende<br />

Ausgabedatei eingetragen, sondern es wird auch zusätzlich<br />

im Fontcache zwischengespeichert. Wie bei jedem Cache ist damit<br />

die Hoffnung verbunden, zukünftige Rasterungen <strong>des</strong>selben Glyphens<br />

vermeiden zu können.<br />

Adobe hat es allerdings versäumt die Speicherung sicher zu gestalten.<br />

Sie beruht nämlich auf der sogenannten UniqueID-Number<br />

<strong>des</strong> Fonts, deren Vergabe nicht eindeutig geregelt ist. Da der Fontcache<br />

andererseits im Normalfall bei Ende <strong>des</strong> Druckjobs nicht automatisch<br />

gelöscht wird, kann es zu Konflikten mit nachfolgenden<br />

Druckaufträgen kommen. Falls der Drucker Zugriff auf eine Festplatte<br />

hat, kann es sogar effektiv schwierig sein, den Fontcache zu<br />

löschen.<br />

5 VM steht für virtual memory bzw. PPD für PostScript Printer Description<br />

127<br />

PostScript-Fonts auf dem Bildschirm<br />

✧ PostScript als Interpretersprache für Drucker o. Belichter konzipiert<br />

➙ geringere Effizienzanforderungen<br />

➙ benötigt Interpreter (weniger effizient, aber mächtiger als Compiler)<br />

✧ Ende der 80er Jahre: PostScript am Bildschirm nicht erfolgreich<br />

➙ höhere Effizienzanforderung als bei Druckern<br />

➙ leistungsfähige Graphikkarten vor allem auf Unix-Workstations<br />

✛ Preview-Systeme für T E X-L AT E X benutzten Bitmaps<br />

➙ geeigneter Interpreter im Betriebsystem nicht verfügbar<br />

➙ grössere Quantisierungsprobleme bei Bildschirmauflösungen<br />

➙ hohe Lizenzgebühren von Adobe<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

7<br />

computerfonts


Geschichte der Fontformate<br />

✧ 1985: Veröffentlichung der PostScript-Spezifikation (einschl. Type 3)<br />

✧ 1986: steigender Absatz von (verschlüsselten) Type 1-Fonts<br />

✧ 1987: Apple startet Konkurrenzentwicklung TrueType<br />

✧ 1990: Veröffentlichung der Type 1-Spezifikation<br />

➙ PostScript-Interpreter ATM (Adobe Type Manager)<br />

✧ 1991: Mac OS System 6 unterstützt TrueType<br />

✧ 1992: X Window System 5 unterstützt Type 1<br />

✧ 1992: Windows 3.1 unterstützt TrueType<br />

✧ 1993: Adobe integriert TrueType in PostScript (Type 42)<br />

✧ 1996: Microsoft und Adobe vereinbaren OpenType<br />

✧ 1999: X Window unterstützt TrueType (X Free 86)<br />

✧ 2000: Windows 2000 unterstützt OpenType und Type 1<br />

✧ 2001: Mac OS X unterstützt OpenType und Type 1<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

8<br />

computerfonts<br />

128<br />

Im Allgemeinen sollte der Normaluser jedoch keine Probleme haben,<br />

es sei denn, er entwickelt Fonts. In einem solchen Fall ist zu<br />

empfehlen auf die Spezifikation einer UniqueID-Number zu verzichten,<br />

was eine automatische Löschung <strong>des</strong> Fonts im Fontcache nach<br />

Ende <strong>des</strong> Druckauftrags nach sich zieht.<br />

6.5 PostScript-Fonts auf dem Bildschirm<br />

Wie bereits erwähnt wurde PostScript als interpretierte Programmiersprache<br />

für Drucker bzw. Belichter entworfen, d.h. PostScript<br />

wird innerhalb <strong>des</strong> Ausgabegerätes durch einen Interpreter ausgeführt.<br />

Obwohl interpretierte Programmiersprachen funktionale Vorteile<br />

haben, werden sie auf Grund ihrer geringeren Laufzeiteffizienz<br />

nicht allgemein eingesetzt. Da jedoch die physikalische Realisation<br />

eines Druckvorgangs in der Regel wesentlich länger dauert als die<br />

zugehörige Rasterung der Layoutdaten, ist das Konzept einer interpretierten<br />

Layoutsprache trotzdem sinnvoll. Dazu kommt, dass<br />

ein PostScript-Drucker als geschlossenes System mit entsprechender<br />

Hardware gut optimiert werden kann.<br />

Will man ein PostScript-Programm jedoch auf einem Computer ablaufen<br />

lassen bzw. das Resultat auf einem Bildschirm dargestellen,<br />

was auf Grund <strong>des</strong> WYSIWYG-Prinzips <strong>des</strong> Desktop Publishings<br />

unverzichtbar ist, dann sind einige technische und organisatorische<br />

Probleme zu überwinden.<br />

Offenbar muss der entsprechende Bildschirm überhaupt erst einmal<br />

graphikfähig sein. Als Massenmarkt setzte sich dieser Trend<br />

jedoch erst in der zweiten Hälfte der 80er Jahre durch, so dass der<br />

Ausbreitung von PostScript-Fonts in der IT-Branche zunächst einmal<br />

natürliche Grenzen gesetzt waren. Der zweite limitierende Faktor<br />

war die Effizienz der Programmausführung. Im Gegensatz zur<br />

Situation beim Drucken, erwartet ein Benutzer am Bildschirm eine<br />

mehr oder weniger unmittelbare Reaktion. Die dafür benötigte Prozessorleistung<br />

bei Graphikkarten war aber erst im entstehen. Und<br />

was allgemein für Graphikanwendungen galt, traf natürlich auch<br />

für Outline-Fonts zu.


So war es in der TEX-Welt bis Mitte der 90er Jahre durchaus üblich,<br />

ausschliesslich mit Bitmap-Fonts zu arbeiten, 6 nicht zuletzt<br />

um Preview-Systeme zu entlasten.<br />

Aber besonders kritisch waren die bereits angesprochen Quantisierungsprobleme<br />

bei den geringen <strong>Auflösung</strong>en im Bildschirmbereich.<br />

Obwohl die Bildschirmtechnologie in den <strong>letzten</strong> Jahren enorme<br />

Fortschritte gemacht hat, hält die Problematik bis heute an.<br />

Neben den technischen Schwierigkeiten verhinderte vor allem<br />

auch die Lizenzpolitik von Adobe eine schnelle Ausbreitung seiner<br />

Outline-Fonttechnologie. Um nämlich die Lizenzzahlungen hoch zu<br />

halten, benutzte Adobe eine geheime Kodierung für das zentrale<br />

Fontformat Type1. 7 Dadurch war ein Anbieter von Graphiksoftware<br />

gezwungen, einen entsprechenden Interpreter bei Adobe zu kaufen<br />

und in sein Produkt zu integrieren.<br />

Softwaretechnisch wäre es sinnvoller gewesen, einen PostScript-<br />

Interpreter als Betriebssystemkomponente zur Verfügung zu stellen.<br />

Dann hätte nicht nur je<strong>des</strong> Anwendungsprogramm davon profitiert,<br />

sondern man hätte auch allgemein den Umgang mit Fonts<br />

darauf abstützen können. Aber die Lizenzpolitik von Adobe wurde<br />

von den Herstellern der seinerzeit dominanten Betriebssysteme<br />

Apple, Microsoft, Sun und IBM als Sicherheitsrisiko eingestuft.<br />

Besonders Microsoft und Apple, die im Desktop Publishing stark<br />

engagiert waren, suchten eine alternative Fonttechnologie für ihre<br />

Betriebssyteme.<br />

Diese Konfliktsituation führte schliesslich dazu, dass Adobe den<br />

fehlenden PostScript-Interpreter als ergänzende Betriebssystemkomponente<br />

für seine Fonts selbst auf den Markt brachte und Apple<br />

und Microsoft gemeinsam eine alternative Fonttechnologie etablierten.<br />

Die technischen Konsequenzen dieser Auseinandersetzung<br />

sind im folgenden Abschnitt dargestellt.<br />

6 und eigentliche Vektorgraphik durch Platzhalter zu ersetzten<br />

7 nur Bitstream gelang es das Fontformat zu entschlüsseln<br />

129<br />

Type 1<br />

✧ zentrales Fontformat in PostScript bzw. PDF<br />

➙ entspricht ISO/IEC 9541-3<br />

✧ Outline-Font basierend auf kubischen Bézier-Kurven<br />

✧ reduzierte PostScript-Funktionalität<br />

➙ erlaubt kompakte zweistufige Binärkodierung<br />

➙ lange geheimgehaltene eexec-Verschlüsselung<br />

➙ geänderte Quantisierungsregel (Pixel, wenn Mittelpunkt innerhalb)<br />

✧ komplexes Hinting-System<br />

➙ Normalisierung von globalen Hauptbalkenbreiten (stems)<br />

➙ spezielle Behandlung von Überhängen (blue values)<br />

➙ individuelle Hints auf Zeichenebene<br />

➙ Auswertungsalgorithmus der Hints ist unbekannt<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

9<br />

computerfonts


P1<br />

•<br />

.<br />

0 t<br />

P2<br />

•<br />

C(t)<br />

kubische Bézier-Kurven<br />

P3<br />

•<br />

✧ Kontrollpunkte P0, . . . , Pn+1<br />

✧ Bézier-Kurve C(t) für 0 ≤ t ≤ 1<br />

P4<br />

•<br />

1<br />

C(t) =<br />

n<br />

i =0<br />

Bi,n(t) Pi<br />

✧ i -tes Bernstein-Polynom<br />

klaus simon<br />

n-ten Gra<strong>des</strong><br />

Bi,n =<br />

n!<br />

(n − i )!i ! t i (1 − t) n−i<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

10<br />

computerfonts<br />

130<br />

6.6 Fontformate<br />

Die heute populären Fontformate sind im Wesentlichen das Resultat<br />

<strong>des</strong> Erfolges von PostScript als Desktop Publishing Standard bzw.<br />

der Gegenreaktion von Apple und Microsoft. Dies wird besonders<br />

in der historischen Entwicklung deutlich.<br />

Kurz vor Einführung <strong>des</strong> neuen Fontformates TrueType in Mac<br />

OS 6 änderte Adobe seine Lizenzpolitik und legte 1990 die Spezifikation<br />

seines Type1-Formates offen. Parallel dazu lancierte Adobe<br />

mit dem Adobe Type Manager (ATM) einen plattformunabhängigen<br />

Fontrasterer für Type1. Der Kunde konnte somit auf eigene Kosten<br />

Windows bzw. Mac OS um die fehlende Betriebssystemkomponente<br />

erweitern.<br />

Mit Mac OS 6 führte Apple 1991 dann TrueType ein. Microsoft<br />

folgte 1992, man hatte wohl noch Probleme mit der 32-Bit-<br />

Architektur von TrueType. Da der Standard von Anfang an offengelegt<br />

war, verbreitete sich das neue Format schnell. In der Anfangszeit<br />

genügten viele der neuen Fonts nicht den Qualitätsansprüchen<br />

<strong>des</strong> Desktop Publishings, was dazu führte, dass der professionelle<br />

Druckbereich zunächst dem etablierten Type1 die Treue hielt. Zwischenzeitlich<br />

sind aber auch hochqualitative TrueType-Fonts eher<br />

die Regel als die Ausnahme.<br />

In der Folgezeit sahen sich die Konkurrenten dann gezwungen<br />

aufeinander zuzugehen. Zunächst integrierte Adobe 1993 TrueType<br />

als Type 42 in PostScript. Dann einigte man sich 1996 mit Microsoft<br />

auf einen gemeinsamen Standard, genannt OpenType, der<br />

als Container beide Formate unterstützt. Schliesslich integrierten<br />

Microsoft (2000) und Apple (2001) OpenType bzw. Type1 in ihre<br />

jeweiligen Betriebssysteme.<br />

Abgesehen von technischen Problemen, die diese Auseinandersetzung<br />

verursachte, resultierte für den Kunden eine deutliche Preissenkung<br />

für kommerziell gehandelte Fonts. So bietet etwa Linotype<br />

einzelne Fonts bereits zu Preisen von 30–40 Fr bzw. Fontfamilien,<br />

je nach Qualität und Ausstattung, für ein paar hundert Franken<br />

an. Aber es gibt auch deutlich billigere Bezugsquellen wie die Font-


sammlung Fontsite500 für etwa 50 Fr oder die vielen gänzlich freien<br />

Fonts in der TEX-Welt.<br />

6.7 Type1<br />

Ausgehend von der ursprünglichen PostScript-Spezifikation ist es<br />

üblich Adobe-Formate gemäss ihrer diesbezüglichen Auflistungsnummer<br />

8 zu benennen. Das zentrale Fontformate ist Type1, das<br />

lange als das Standardformat <strong>des</strong> professionellen Desktop Publishings<br />

galt. Die Type1-Spezifikation ist identisch mit dem ISO Standard<br />

ISO/IEC 9541-3.<br />

Type1, oder kürzer T1, ist ein Outline-Font, basierend auf Bézier-<br />

Kurven dritten Gra<strong>des</strong>. Zur effizienten Auswertung bzw. Speicherung<br />

wird jedoch kein allgemeines PostScript benutzt, sondern eine<br />

spezielle Teilsprache, die es erlaubt, alle Daten und Operatoren<br />

in ein oder zwei Byte zu kodieren. 9 Die resultierende Binärdarstellung<br />

wird dann durch ein spezielles Verfahren verschlüsselt.<br />

Obwohl diese eexec-Verschlüsselung zwischenzeitlich veröffentlich<br />

wurde, wird sie aus Kompatibilitätsgründen weiterhin verwendet.<br />

Gegenüber dem Standard-PostScript kommt bei Fonts auch eine<br />

geänderte Quantisierungsregel zum Einsatz. So wird bei der T1-<br />

Rasterung ein Pixel geschwärzt, wenn der Pixelmittelpunkt innerhalb<br />

der Umrisslinie liegt. Im Allgemeinen wird dagegen ein Pixel<br />

gesetzt, wenn es die zu zeichnende Figur schneidet, was verhindert,<br />

dass dünne Linien verschwinden, bei Fonts aber zu unerwünschten<br />

Verbreiterungen führen kann.<br />

Ein sehr wichtiger Teilaspekt von T1 ist das Hintingsystem. Wie<br />

bereits vorgängig ausgeführt, dient es dazu Quantisierungseffekte<br />

bei geringen Ausgabeauflösungen zu mindern. Im Allgemeinen wird<br />

versucht, das Rasterergebnis verschiedener Vorkommen <strong>des</strong> gleichen<br />

Buchstabens bzw. von gleichen Buchstabenteilen (z.B. Serifen)<br />

8 welche über das Attribut FontType abgefragt werden kann<br />

9 diese Art der Fontkodierung war bereits im digitalen Fotosatz üblich, siehe [5]<br />

131<br />

Glyphendarstellung als kubische Bézierkurven<br />

. . . .<br />

. .<br />

. . . .<br />

.<br />

.<br />

.<br />

. .<br />

. .<br />

. .<br />

.<br />

.<br />

.<br />

. .<br />

. .<br />

. .<br />

.<br />

.<br />

Stützstellen<br />

in rot dargestellt<br />

klaus simon<br />

Type 1 Hinting bei der Glyphenrasterung<br />

hstem<br />

hstem<br />

Evstem<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

vstem<br />

hstem<br />

vstem<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

11<br />

computerfonts<br />

12<br />

computerfonts


TrueType<br />

✧ von Apple als Konkurrrenz zu Type 1 entworfen<br />

➙ von Microsoft lizenziert<br />

➙ Spezifikation vollständig offengelegt<br />

✧ vor allem in betriebssystemnahen Applikationen verbreitet<br />

✧ führte allgemein zu einem Preisverfall bei Schriften<br />

✧ Technik: Outline-Font beruhend auf quadratischen B-Splines<br />

➙ bessere Unicode Unterstützung als Type 1<br />

➙ heute als Type 42 in PostScript integriert<br />

✧ komplexes Hinting<br />

➙ Mittelpunktregel für grid-fitted Outline-Font<br />

➙ Grid-Anpassung mittels spezieller Assemblersprache<br />

➙ heute auch teilweise ignoriert<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

13<br />

computerfonts<br />

132<br />

einander anzugleichen, damit der Text insgesamt regelmässiger erscheint.<br />

Die dazu in der Fontbeschreibung enthaltenen Hints sind<br />

als Sollwerte (Kennzeichnung) für erwartete Problemstellen zu verstehen.<br />

Bis heute ist jedoch unklar, wie Adobe-Rasterer diese Hints<br />

algorithmisch interpretieren.<br />

Die globalen Hints (vstems, hstems) beschreiben die vorkommenden<br />

Balkenstärken. Ähnliche Balkenstärken sollen unabhängig von<br />

ihrem Vorkommen in Glyphen ähnlich gerastert werden. Die zweite<br />

Gruppe bilden sogenannte Ausrichtungszonen (BlueValues). Zeichen<br />

wie O weichen aus optischen Gründen im Normalfal ein wenig von<br />

der Grundlinie ab. Bei geringen <strong>Auflösung</strong>en müssen die Überhänge<br />

(overshoots) aber systematisch ignoriert werden. Die dritte Gruppe<br />

bilden individuelle Hints für einzelne Glyphen. Hier werden z.B. Position<br />

und Stärke von Serifen oder Rundungen festgelegt.<br />

6.8 TrueType<br />

Wie bereits erwähnt, wurde TrueType oder kurz TT als Konkurrenz<br />

zu Type1 entworfen. Obwohl es funktional vergleichbar und vollständig<br />

offengelegt war, setzte sich TT im professionellen Desktop<br />

Publishing nur langsam durch, ganz im Gegensatz zur Situation in<br />

Betriebssystemen, wo TT schnell das vorherrschende Format war.<br />

Die Offenlegung <strong>des</strong> Formats führte schnell zu einem grossen Angebot<br />

an billigen Fonts, was auch im Desktop Publishing die Preise<br />

stark reduzierte.<br />

Technisch ist TT ein Outline-Font, der zur Kurvenbeschreibung<br />

quadratische B-Splines benutzt. Wie bei T1 folgt die Rasterung eines<br />

Pixels der Mittelpunktregel, d.h. ein Pixel wird schwarz gesetzt,<br />

falls sein Mittelpunkt innerhalb der Umrisslinie liegt. Im Gegensatz<br />

zu T1 ist TT jedoch nicht auf 256 Zeichen beschränkt, bietet also eine<br />

bessere Unicode-Unterstützung, was speziell bei asiatischen Fonts<br />

ein Argument ist. Durch den Markterfolg von TT sah sich 1993 Adobe<br />

gezwungen TrueType als Type 42 in PostScript zu übernehmen.<br />

Das Hintingsystem von TT unterscheidet sich grundsätzlich von<br />

T1. Im Wesentlichen wird für jede gegebene Ausgabeauflösung die


Umrisslinie neu berechnet. Dieser Anpassungsprozess wird in einer<br />

speziellen Assemblersprache programmiert. Da der resultierende<br />

Programmcode recht komplex ist, neigen heute viele Anwendungsprogramme<br />

dazu, ihn nur noch rudimentär auszuführen.<br />

6.9 Andere Formate <strong>des</strong> Desktop Publishings<br />

Obwohl hier nicht der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird,<br />

sollen noch zwei weitere Adobe-Formate angesprochen werden. Das<br />

erste ist Type 0, was keine eigentliche Fontbeschreibung darstellt,<br />

sondern die Möglichkeit eröffnet mehrere Fonts zu einer Gruppe zusammenzufassen.<br />

Damit umgeht Adobe die Beschränkung der T1-<br />

Fonts auf 256 Zeichen. Entsprechend kommt dieses Format vor allem<br />

bei asiatischen Fonts zum Einsatz.<br />

Kommen wir zum Type 3, der historisch gesehen als Vorläufer<br />

von T1 betrachtet werden kann. Er enthält kein Hinting und<br />

benutzt auch nicht die spezielle T1-Kodierung oder die eexec-<br />

Verschlüsselung. Andererseits lassen sich Glyphen in vielfältiger<br />

Art und Weise beschreiben, unter anderem in allgemeinem Post-<br />

Script, was dann Farbe und Schattierungen erlaubt oder Bitmaps,<br />

was speziell in TEX-LATEX benutzt wurde. Ferner können Type 3-<br />

Fonts auch zur Modifikation von T1 eingesetzt werden.<br />

Das Format, das sich im kommerziellen Umfeld als Alternative<br />

zu T1 bzw. TT anbietet, ist OpenType, im Folgenden als OT abgekürzt.<br />

Es ist eigentlich keine konzeptionelle Neuerung, sondern ein<br />

Container-Format, das sowohl T1 als auch TT aufnehmen kann. Natürlich<br />

wurde das neue Format auch für einige Verbesserungen bzw.<br />

Erweiterungen genutzt. So enthält die PostScript-Variante die Umrissbeschreibung<br />

nicht als Type1 sondern als Type 2. Dann unterstützt<br />

OT weitgehend Unicode, erlaubt also weit mehr als 256 Zeichen<br />

pro Font. Letzteres kann auch dazu verwendet werden, um<br />

eine gesamte Fontfamilie in einer einzigen OT-Datei zu speichern<br />

oder einen Font mit zusätzlichen Ligaturen oder einer zugehörigen<br />

Kapitälchenspezifikation anzureichern. Die Nutzbarkeit dieser<br />

Layout-Features hängt jedoch von der Umsetzung im jeweiligen An-<br />

133<br />

Hinting bei TrueType<br />

Originalumrissline in Cyan<br />

✧ Type 0<br />

durch Hinting veränderte Umrissline in Red<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

andere Fontformate <strong>des</strong> Desktop Publishings<br />

➙ Kombination einzelner Fonts zu einem Ganzen<br />

✧ Type 3<br />

➙ Glyphenbeschreibung in vollständigen PostScript<br />

➙ erlaubt auch Bitmaps (speziell in T E X benutzt)<br />

➙ kein Hinting<br />

✧ OpenType<br />

➙ verbesserte Unicode-Unterstützung<br />

➙ auch Fontfamilien können dargestellt werden<br />

➙ Layout-Features: verweiterte Ligaturen und Kapitälchen<br />

➙ Datei Signatur<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

14<br />

computerfonts<br />

15<br />

computerfonts


eine Kodierung K . . .<br />

✧ . . . ist eine umkehrbar eindeutige Abbildung (bijektiv)<br />

K: Zeichenmenge A → Zeichenmenge B<br />

✧ typisch: Identifizierung von A und B<br />

✧ im technischen Systemen zur<br />

➙ Darstellung oder Kommunikation von Nachrichten (Daten)<br />

basierend allgemeiner Akzeptanz oder Übereinkunft<br />

➙ Schrift<br />

✛ A Laute der gesprochenen Sprache<br />

✛ B grafische Schriftzeichen (Glyphen)<br />

➙ Computer: A Bitfolgen, B Steuer- und Schriftzeichen<br />

➙ elektronischer Datenaustausch: A und B Bitfolgen<br />

Morsekode<br />

klaus simon<br />

✧ Übermittlung von Buchstaben und Zeichen<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

durch Ein- und Ausschalten eines konstanten Signals<br />

➙ Ton-, Funk- oder Lichtsignal, Telgrafie<br />

✧ zwei Zustände (Punkt ·, Strich −) und variable Pause ()<br />

✧ variable Länge gemäss der Buchstabenhäufigkeit <strong>des</strong> Englischen<br />

✧ Mehrdeutigkeiten (ee = ·· = i ) durch Pausenlänge unterschieden<br />

✧ auch bei Störungen weitgehend anwendbar<br />

✧ 1833 Samuel Morse: erster Testbetrieb Schreibtelegraf<br />

✧ 1844 American Morse Code für Eisenbahnen und Telegrafen<br />

✧ 1865 Internationaler Morsekode<br />

durch die Internationale Fermeldeunion (ITU)<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

16<br />

computerfonts<br />

17<br />

computerfonts<br />

134<br />

wenderprogramm ab. Schliesslich wurden die Sicherungsmassnahmen<br />

aus TT übernommen und erweitert. Im Besonderen ist hier eine<br />

Datei-Signatur zu erwähnen, welche die Veränderung der Font-<br />

Datei kenntlich machen soll.<br />

6.10 Kodierung<br />

Das Wort Kodierung wird in der Literatur nicht völlig konsistent<br />

benutzt. In unserem Kontext verstehen wir darunter eine umkehrbar<br />

eindeutige Abbildung K von einer Zeichenmenge A zu einer Zeichenmenge<br />

B, d.h. die Abbildung<br />

K : A → B (6.1)<br />

wird als bijektiv angenommen. Häufig ist A oder B ein Alphabet.<br />

Die Bijektivität von K führt oftmals zur umgangssprachlichen Identifizierung<br />

von A und B. In technischen Systemen dienen Kodierungen<br />

überwiegend zur Darstellung bzw. Kommunikation von Nachrichten<br />

oder Daten. Dies erfordert, dass die benutzte Kodierung allgemein<br />

akzeptiert bzw. bekannt sein muss, d.h. Kodierungen sind<br />

typischerweise das Resultat von Standardisierungen.<br />

Ein offensichtliches Beispiel für weitverbreitete Kodierungen sind<br />

offenbar Schriften. Die Menege A aus (6.1) entspricht hier den Lauten<br />

der gesprochenen Sprache und B steht für Schriftzeichen (Glyphen)<br />

bzw. Folgen von diesen. Die Eindeutigkeit der Abbildung ist<br />

jedoch nur approximativ gegeben.<br />

Ein zweites Beispiel stellen Kodierungen dar, die Computer intern<br />

in ihren Arbeitsabläufen benutzen. Hier ist die Menge A durch<br />

Bitfolgen bestimmt. Dagegen ist die Menge B aus historischen<br />

Gründen komplizierter aufgebaut. Sie enthält sowohl abstrakte<br />

≪Steuerzeichen ≫ zur internen Ablaufsteuerung als auch Schrift- und<br />

Sonderzeichen zur Kommunikation mit dem Menschen. Man beachte<br />

in diesem Zusammenhang, dass die Sinnhaftigkeit digitaler Daten<br />

an die jeweilige Kodierung gebunden ist.


Unser drittes Beispiel, der elektronische Datenaustausch, kann<br />

durchaus als Fortsetzung <strong>des</strong> zweiten gesehen werden. Es betont jedoch<br />

im Gegensatz zu diesem den Aspekt der Allgemeinverbindlichkeit.<br />

Der Versand digitaler Daten macht nur dann Sinn, wenn der<br />

Empfänger die Kodierung versteht, d.h. in der gleicher Weise interpretiert<br />

wie der Sender. Dies illustriert die aktuellen Bemühungen<br />

zur Schaffung einer universellen Kodierung.<br />

6.10.1 Morsekode<br />

Der erste moderne Kode <strong>des</strong> Industriezeitalters ist der Morsekode,<br />

der 1833 von Samuel Morse (1791 – 1872) für den ersten praxisfähigen<br />

Schreibtelegrafen entwickelt wurde. Der erste Testbetrieb<br />

fand 4 Jahre später statt. Der ursprüngliche Kode, der nur Ziffern<br />

enthielt, wurde 1838 durch Alfred Lewis Vail, einem der Mitarbeiter<br />

Morses, auf Buchstaben erweitert. Dieser American Morse<br />

Code wurde ab 1844 bis in die 60er Jahre von amerikanischen Eisenbahnen<br />

und Telegrafenunternehmen verwendet.<br />

Im Kontext der Erstellung der Telegrafenverbindung von Hamburg<br />

nach Cuxhaven hat Friedrich Clemens Gerke 1848 verschiedene<br />

kleinere Abänderungen vorgenommen, die dann 1865 die<br />

Grundlage für die Standardisierung durch die Internationale Fernmeldeunion<br />

bildete. Die resultierende Norm ist als Internationaler<br />

Morse Kode bekannt.<br />

Die Kodeübermittlung geschieht durch das Ein- bzw. Ausschalten<br />

eines konstanten Signals. Dabei kann es sich um Tonsignale<br />

(Klopfzeichen, Pfeifentöne), Funksignale, Licht- oder Telegrafiezeichen<br />

handeln. Es wird zwischen zwei Zuständen ≪ Punkt · (kurzes<br />

Signal) ≫ und ≪Strich − (langes Signal) ≫ sowie Pausen variabler<br />

Länge unterschieden. Die Kodierungen der einzelnen Zeichen haben<br />

verschiedene Längen, ausgerichtet an der Häufigkeitsverteilung der<br />

Buchstaben im Englischen. Als Folge <strong>des</strong>sen ist der Morsekode nicht<br />

umkehrbar eindeutig. So kann etwa ≪ ee = ·· ≫ nicht von ≪·· = i ≫ unterschieden<br />

werden. Um trotzdem die Eindeutigkeit sicherzustellen,<br />

benutzt man zur Trennung von Buchstaben unterschiedliche Pau-<br />

135<br />

Morsekode (partiell)<br />

Zeichen Kodierung Zeichen Kodierung<br />

a · – p · – – ·<br />

b – · · · q – – · –<br />

c – · – · r · – ·<br />

d – ·· s · · ·<br />

e · t –<br />

f ·· – · u ·· –<br />

g – – · v · · · –<br />

h · · ·· v · – –<br />

i ·· x – ·· –<br />

j · – – – y – · – –<br />

k – · – z – – ··<br />

l · – ·· ch – – – –<br />

m – – ä · – · –<br />

n – · ö – – – ·<br />

0 – – – ü ·· – –<br />

klaus simon<br />

≪e = ·· ≫<br />

≪i = ·· ≫<br />

S a m u e l M o r s e und Morsetaste<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

18<br />

computerfonts<br />

19<br />

computerfonts


Baudot- und Murraykode<br />

✧ Optimierung der Telegrafie: Tastatur und Übertragungsrate<br />

✧ Baudotkode<br />

➙ 1870 als Teil eines Telegrafensystems von Emil Baudot entwickelt<br />

➙ später: International Telegraph Alphabet No.1 (CCITT-1)<br />

➙ 5 Tasten mit Ebenenumschaltung (5 bzw. 6-Bit-Kode)<br />

➙ enthält Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen<br />

➙ Baudrate bis zu 180 Zeichen pro Minute<br />

✧ Murraykode (1901): Vorläufer moderner Fernschreiber<br />

➙ Schreibmaschinentastatur und Lochsteifen<br />

➙ 5-Bit mit Ebenenumschaltung, Empfänger und Sender asynchron<br />

➙ Baudrate bis 1260 Buchstaben pro Minute<br />

➙ 1932 International Telegraph Alphabet No.2 (CCITT-2)<br />

klaus simon<br />

Baudot-Kodierung (CCITT-1)<br />

10000 Leerzeichen, Buchstabentabelle benutzen<br />

01000 Leerzeichen, Zahlentabelle benutzen<br />

11000 letztes Zeichen löschen<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Buchstabentabelle Zahlentabelle<br />

00100 A 01100 J 10101 T 00100 1 01100 6 10101 2 /<br />

01001 B 11100 K 00101 U 01001 8 11100 ( 00101 4<br />

01101 C 11110 L 10111 V 01101 9 11110 = 10111 ’<br />

01111 D 11010 M 10011 W 01111 0 11010 ) 10011 ?<br />

00010 E 11011 N 10010 X 00010 2 11011 £ 10010 9 /<br />

00110 É 00111 O 00001 Y 00110 1 / 00111 5 00001 3<br />

01011 F 11111 P 10110 Z 01011 5 / 11111 + 10110 :<br />

01010 G 11101 Q 10100 - 01010 7 11101 / 10100 .<br />

01110 H 11001 R 01110 4 / 11001 -<br />

00011 I 10001 S 00011 3 / 10001 7 /<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

20<br />

computerfonts<br />

21<br />

computerfonts<br />

136<br />

senlängen. Der Morsekode ist also kein reiner Binärkode. Der Vorteil<br />

dieses Vorgehens ist jedoch eine grosse Robustheit gegenüber<br />

äusseren Störungen.<br />

6.10.2 Baudot- und Murraykode<br />

Nach der Entwicklung der elektrischen Telegrafie und der Etablierung<br />

<strong>des</strong> Morseko<strong>des</strong> richtete sich das Interesse der Ingenieure und<br />

Erfinder auf die Automatisierung der Kodeeingabe bzw. -ausgabe.<br />

Die Schnittstelle zum Menschen war offenbar der zentrale Engpass<br />

auf dem Weg zu höheren Übertragungsraten. Das direkte Ziel war<br />

die Übertragung eines Buchstabens oder Zeichens als Einheit. Dazu<br />

experimentierte man man sowohl mit der Anzahl der Leitungen<br />

als auch mit der Zahl der Spannungszustände pro Leitung. Schliesslich<br />

stellten sich 5- bzw. 6-Bit-Ko<strong>des</strong> als günstigster Kompromiss<br />

heraus.<br />

Jean-Maurice Émil Baudot (1845 – 1903) entwickelte ein Telegrafiegerät,<br />

<strong>des</strong>sen Eingabe über 5 gleichzeitig zu drückende Tasten<br />

einen 5-Bit-Kode realisierte. Diese Eingabe wurde in eine Folge von<br />

Stromstössen übersetzt und gesendet. Baudot erhöhte ferner die<br />

Übertragungsleistung durch ein Multiplexsystem, um gleichzeitig<br />

mehrere Nachrichten übertragen zu können. Auf der Empfängerseite<br />

wurde das dekodierte Zeichen mit einem Typenrat auf einen<br />

Papierstreifen geschrieben. Mit diesen Optimierungen konnte eine<br />

Übertragungsleistung von 180 Zeichen pro Zeichen pro Minute erzielt<br />

werden. In Würdigung dieses Beitrags zur Entwicklung der<br />

Kommunikationstechnik spricht man noch heute von einer Baudrate.<br />

Die 1870 von Émil Baudot für seine Technik entwickelte Kodierung,<br />

wurde später als International Telegraph Alphabet No.1<br />

(CCITT-1) standardisiert. Mit den vorhandenen 5-Bit konnten konzeptionell<br />

nur 32 Zeichen dargestellt werden, praktisch sogar nur<br />

31, da man die Ruhestellung <strong>des</strong> Gerätes — keine angeschlagene<br />

Taste — nicht zur Datenübertragung nutzte. Folglich konnten nicht<br />

einmal alle Buchstaben und Ziffern repräsentiert werden. Baudot


sah <strong>des</strong>halb einen Umschaltmechanismus vor, der die Kapazität<br />

verdoppelte. Und zwar gab es zwei Darstellungen für das Leerzeichen,<br />

die als Schalter fungierten. Nach der Übertragung <strong>des</strong> entsprechenden<br />

Umschaltzeichens werden die folgenden Zeichen entweder<br />

als ≪Buchstabentabelle ≫ oder als ≪Zahlentabelle ≫ dekodiert.<br />

Donald Murray (1865 – 1945) nutzte 1901 die kurz vorher erfolgten<br />

Fortschritte in der Satztechnik um die Telegrafie weiter zu<br />

verbessern. Im Besonderen benutzte er eine Schreibmaschinentastatur,<br />

um die 5-Bit-Baudotkodierung in einen Lochstreifen zu stanzen,<br />

welcher dann vom Sender gelesen und übertragen wurde. Mit<br />

der so erreichten Effizienzsteigerung erzielte 1908 die britische Post<br />

Übertragungsraten bis zu 1280 Zeichen pro Minute. Das Murray-<br />

System wurde zum Vorläufer aller modernen Fernschreiber.<br />

Murray behielt die 5-Bit und die Ebenenumschaltung <strong>des</strong> Baudotko<strong>des</strong><br />

bei, änderte jedoch die Belegung der Zeichen und führte<br />

weitere Sonderzeichen, wie ≪ Wagenrücklauf ≫ oder ≪ Zeilenvorschub<br />

≫ ein. Dieser neue Kode 1932 wurde als Internatinal Telegraph<br />

Alphabet No.2 (CCITT-2) normiert und bildete Grundlage moderner<br />

Telexnetze.<br />

6.10.3 Ascii, Latin-1 und Unicode<br />

Vor allem durch IBM und AT&T vorangetrieben, wurde 1963 Ascii,<br />

eine Weiterentwicklung <strong>des</strong> Murrayko<strong>des</strong>, vorgestellt, eine Kodierung,<br />

die zunächst für amerikanische Fernschreiber wie den Teletype<br />

ASR33 gedacht war. Vier Jahre später erhielt er seinen Namen,<br />

als er als American Standard Code for Information Interchange<br />

10 standardisiert wurde. Da in der frühen Computertechnik<br />

Fernschreiber als Ausgabegeräte üblich waren, wurde Ascii schnell<br />

zum Standardkode für Schriftzeichen im Computer. In der Folge<br />

wurden viele andere Ausgabegeräte wie der bekannte Terminaltyp<br />

VT100 oder Drucker ausschliesslich mit Ascii-Zeichen betrieben.<br />

Von zentraler Bedeutung erwies sich jedoch der Aspekt Software.<br />

10 der US-Variante von ISO 646<br />

137<br />

Émile Baudot und Donald Murray<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Fernschreiber T100 Siemens und Colossus-Nachbau<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

22<br />

computerfonts<br />

23<br />

computerfonts


01000 Wagenrücklauf<br />

00010 Zeilenvorschub<br />

00100 Zwischenraum<br />

11111 Umschaltung Buchstaben<br />

Murray-Kodierung (CCITT-2)<br />

11011 Umschaltung Ziffern/Zeichen<br />

00000 ≪unbenutzt ≫<br />

00011 A - 11001 B ? 01110 C :<br />

01001 D ≪Wer da? ≫ 00001 E 3 01101 F ≪unbenutzt ≫<br />

11010 G ≪unbenutzt ≫ 10100 H ≪unbenutzt ≫ 00110 I 8<br />

01011 J ≪Klingel ≫ 01111 K ( 10010 L )<br />

11100 M . 01100 N , 1100 O 9<br />

10110 P 0 10111 Q 1 01010 R 4<br />

00101 S ’ 10000 T 5 00111 U 7<br />

11110 V = 10011 W 2 11101 X /<br />

10101 Y 6 10001 Z +<br />

klaus simon<br />

Ascii, Latin-1, und Unicode<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

✧ American Standard Code for Information Interchange<br />

➙ ab 1963 für amerikanische Fernschreiber entwickelt<br />

➙ Computer: Standardkode für Schriftzeichen<br />

➙ 128 Zeichen (7-Bit), 33 nicht druckbare, 95 druckbare Zeichen<br />

➙ 8-tes Bit früher als Paritycheck, später zur Kodeerweiterung<br />

➙ neuere Co<strong>des</strong> in der Regel abwärtskompatibel zu Ascii<br />

✧ Latin-1 (ISO 8859-1, 1985): Ascii-Erweiterung mit europ. Umlauten<br />

✧ Unicode: 1991 Version 1.0, heute ISO 10646<br />

➙ Versuch alle von Menschen benutzte Zeichen zu erfassen<br />

➙ zunächst als 16-Bit-Kode definiert ⇒ 65536 Zeichen<br />

➙ heute 21-Bit: 17 Planes a 65536 Zeichen ⇒ 1114112 Zeichen<br />

➙ häufigste Variante: UFT-16 bzw. UFT-8<br />

➙ viele Probleme: Sortierung, Schriften, legacy Daten<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

24<br />

computerfonts<br />

25<br />

computerfonts<br />

138<br />

Bis anhin wird Software in Ascii-Kode formuliert und als Type Character<br />

ist Ascii ein selbstverständlicher Bestandteil der grossen Programmiersprachen.<br />

Ascii ist ein 7-Bit-Kode, enthält also 128 Zeichen, und zwar 33<br />

nicht druckbare Steuerzeichen sowie 95 druckbare Zeichen. 11 Da<br />

viele Computer als kleinste adressierbare Einheit eine Folge von<br />

8-Bit, genannt Byte, benutzen, war das 8-te Bit in der üblichen<br />

Byte-Speicherung redudant. Es wurde zunächst als Sicherheitscheck<br />

(Parity-Bit) genutzt, später bot es die Möglichkeit zur Kodeerweiterung.<br />

Auf Grund der überragenden Bedeutung von Ascii,<br />

speziell in der Softwareentwicklung, versucht man bei neueren Kodierungen<br />

die unteren 7-Bit Ascii-kompatibel zu halten.<br />

1985 wurde dann der ISO Standard 8859-1, bekannt als Latin-1,<br />

veröffentlich, gefolgt von Latin-2, Latin-3, ..., usw. Allen gemeinsam<br />

ist die Erweiterung der Ascii-Kodierung um länderspezifische Sonderzeichen<br />

wie die deutschen Umlaute ä, ö, ü, Ä, Ö und Ü. Die Movivation<br />

für diese Aktivitäten war offenbar das Deskop Publishing,<br />

das daran interessiert war, möglichst jedem User eine länderspezifische<br />

Tastatur mit entsprechender Kodierung für die Textverarbeitung<br />

zur Verfügung zu stellen. Die Kehrseite der Medaille war ein<br />

Chaos beim Datenaustausch, da ein Copy-and-Paste über Länderkodierungen<br />

hinweg nicht möglich war.<br />

Den Ausweg sah man in einem neuen umfassenden Kode, der alle<br />

länderspezifischen Kodierungen umfassen sollte. Die Idee wurde<br />

von verschiedenen Stellen aufgegriffen, insbesondere von Joe<br />

Becker (Xerox) sowie von Lee Collins und Mark Davis (Apple).<br />

Sie gründeten das Unicode-Konsortium, siehe www.unicode.org,<br />

das 1991 die Version 1.0 von Unicode herausgab. Schnell schlossen<br />

sich weitere Firmen und Regierungsorganisationen an. Seit 1993<br />

sind Unicode und ISO 10646 bezüglich der Zeichenkodierung nahezu<br />

identisch. Unicode definiert zusätzlich gewisse Handhabungen<br />

wie die Sortierreihenfolge der Zeichen.<br />

Ursprünglich war Unicode als 16-Bit-Kodierung konzipiert, sollte<br />

also 65536 Zeichen enthalten. Für europäische Schriften hätte<br />

11 insbesondere Gross- und Kleinbuchstaben


dies mehr als ausgereicht, aber asiatische Schriften enthalten wesentlich<br />

mehr Zeichen. So sind heute 17 Planes à 65536 Zeichen<br />

vorgesehen, gesamthaft also 1114112, was einer 21-Bit-Kodierung<br />

entspricht. Allerdings sind die meisten dieser Zeichen gegenwärtig<br />

noch undefiniert.<br />

Im Gegensatz zu den Vorgängern ist die Repräsentation von Unicode-Zeichen<br />

nicht mehr in einer einfachen Tabellenform gegeben.<br />

Eine naheliegende 4-Byte-Kodierung wäre z.B. im europäischen<br />

Kulturraum eine Speicherplatzverschwendung. Dazu kommt<br />

das Kompatibilitätsproblem mit Ascii-Daten, was sehr relevant ist,<br />

da praktisch der gesamte weltweit verfügbare Programmkode in<br />

Ascii formuliert ist. Aus diesen Gründen existieren für Unicode<br />

verschiedene Kodierungsschemata, genannt Unicode transformation<br />

formats UTF. Die zunehmend populärer werdende Version 12 ist<br />

UTF-8, die Unicode in 1,2,3 oder 4 Byte kodiert. Der vielleicht grösste<br />

Vorteil von UTF-8 ist die Kompatibilität zu Ascii, wozu man bei<br />

Ascii-Daten lediglich das höchstwertige 8-te Bit auf 0 setzen muss.<br />

Das genaue Repräsentationsschema ist in Folie (29) dargestellt.<br />

Unicode hat sich bisher nicht als der alles ersetzende Universalkode<br />

durchsetzen können. Dies mag eine Sache der Zeit sein, aber<br />

es gibt auch ernsthafte Kritikpunkte. Im Gegensatz zu den Vorgängern<br />

ist schwierig Unicode als Font zu unterstützen. Die Universalität<br />

wird durch grosse Ineffizienz bezahlt. Durch seine Grösse<br />

ist Unicode für Menschen sehr unübersichtlicht. Es existiert keine<br />

Kompatibilität zu ISO 8859, was grosse Legacy-Probleme in der Datenarchivierung<br />

verursacht.<br />

6.11 Literaturverzeichnis<br />

[1] Adobe. PDF Reference (Version 1.6), ISBN 0-321-30474-8. Adobe<br />

Press (published by Peachpit Press), Berkely, 2005.<br />

[2] A. Brüggemann-Klein. Einführung in die Dokumentenverarbeitung.<br />

Teubner, Stuttgart, 1989.<br />

12 z.B. von Apple bzw. Linux benutzt<br />

139<br />

nicht druckbare Ascii-Zeichen<br />

dez char Abk. dez char Abk.<br />

0 null character nul 1 start of heading soh<br />

2 start of text stx 3 end of text etx<br />

4 end of transmission eot 5 enquiry enq<br />

6 acknowledgement ack 7 ring bell bel<br />

8 backspace bs 9 horizontal tabulation ht<br />

10 line feed lf 11 vertical tabulation vt<br />

12 form feed ff 13 carriage return cr<br />

14 shift-out so 15 shift-in si<br />

16 data link escape dle 17 device control dc1<br />

18 device control dc2 19 device control dc3<br />

20 device control dc4 21 negative acknowledgment nak<br />

22 synchronous idle syn 23 end of transmission block etb<br />

24 cancel can 25 end of medium em<br />

26 substitute sub 27 escape esc<br />

28 file separator fs 29 group separator gs<br />

30 record separator rs 31 unit separator us<br />

127 delete del<br />

klaus simon<br />

druckbare Ascii-Zeichen<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

dez char dez char dez char dez char dez char dez char<br />

32 48 0 64 @ 80 P 96 ‘ 112 p<br />

33 ! 49 1 65 A 81 Q 97 a 113 q<br />

34 " 50 2 66 B 82 R 98 b 114 r<br />

35 # 51 3 67 C 83 S 99 c 115 s<br />

36 $ 52 4 68 D 84 T 100 d 116 t<br />

37 % 53 5 69 E 85 U 101 e 117 u<br />

38 & 54 6 70 F 86 V 102 f 118 v<br />

39 ’ 55 7 71 G 87 W 103 g 119 w<br />

40 ( 56 8 72 H 88 X 104 h 120 x<br />

41 ) 57 9 73 I 89 Y 105 i 121 y<br />

42 * 58 : 74 J 90 Z 106 j 122 z<br />

43 + 59 ; 75 K 91 [ 107 k 123 {<br />

44 , 60 < 76 L 92 \ 108 l 124 |<br />

45 - 61 = 77 M 93 ] 109 m 125 }<br />

46 . 62 > 78 N 94 ^ 110 n 126 ~<br />

47 / 63 ? 79 O 95 _ 111 o<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

26<br />

computerfonts<br />

27<br />

computerfonts


Varianten von ISO 8859<br />

Nummer Region Bezeichnung<br />

1 westeuropäisch Latin-1<br />

2 mitteleuropäisch Latin-2<br />

3 südeuropäisch Latin-3<br />

4 nordeuropäisch Latin-4<br />

5 kyrillisch<br />

6 arabisch<br />

7 griechisch<br />

8 hebräisch<br />

9 türkisch Latin-5<br />

10 nordisch Latin-6<br />

11 thai<br />

13 baltisch Latin-7<br />

14 keltisch Latin-8<br />

15 westeuropäisch Latin-9<br />

16 südosteuropäisch Latin-10<br />

klaus simon<br />

Unicode Transformation Format URF-8<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

Eingabe Ausgabe<br />

21-Bit Byte 1 Byte 2 Byte 3 Byte 4<br />

28<br />

computerfonts<br />

00000 00000000 0xxxxxxx 0xxxxxxx<br />

00000 00000yyy yyxxxxxx 110yyyyy 10xxxxxx<br />

00000 zzzzyyyy yyxxxxxx 1110zzzz 10yyyyyy 10xxxxxx<br />

uuuuu zzzzyyyy yyxxxxxx 11110uuu 10uuzzzz 10yyyyyy 10xxxxxx<br />

klaus simon<br />

technik <strong>des</strong> digitalen publizierens<br />

29<br />

computerfonts<br />

140<br />

[3] F. Mittelbach and M. Goossens. The Latex Companion. Addison<br />

Wesley, Boston, 2004.<br />

[4] Y. Haralambous. Fonts & Encodings. O’Reilly, Cambridge, 2007.<br />

[5] P. Karow. Digital Typefaces: Description and Formats. Springer,<br />

Berlin, 1993.<br />

[6] D. Knuth. The METAFONTbook. Addison Wesley, Boston, 1986.<br />

[7] R. Wilhelm and R. Heckmann. Grundlagen der Dokumentenverarbeitung.<br />

Addison-Wesley, 1996.<br />

[8] B. Stamm. The raster tragedy at low resolution. Microsoft Typography,<br />

1998.<br />

[9] T. Merz and O. Drümmer. Die PostScript PDF-Bibel. PDFlib<br />

GmbH, München, 2002.

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