Kapitel 1-3 - EMPA Media Technology
Kapitel 1-3 - EMPA Media Technology
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Bild<br />
Farbe<br />
Reproduktion<br />
Klaus Simon, <strong>EMPA</strong> St. Gallen
<strong>Kapitel</strong> 1<br />
Motivation<br />
Diese Vorlesung definiert Medien als Kommunikationsmittel zur Verbreitung von Wissen<br />
durch Zeichen, Bilder, Druck oder Film an ein grosses Publikum. Medien in diesem Sinne<br />
hatten im Laufe der Geschichte einen signifikanten Einfluss auf die jeweilige Gesellschaft.<br />
Erinnert sei hier an die Erfindung der Schrift, die Rolle des Buchdrucks bei der Entwicklung<br />
der modernen Naturwissenschaften oder die Prägung des modernen Lebens durch<br />
Film und Fernsehen. Gegenwärtig erleben wir eine neue Revolution in der Medientechnologie,<br />
nämlich die des<br />
elektronischen Publizierens als Massenphänomen.<br />
Der zentrale Gegenstand dieser Technik ist das<br />
Digitalbild.<br />
Diese Vorlesung beschäftigt sich mit den naturwissenschaftlichen und algorithmischen<br />
Grundlagen des Digitalbildes. Dabei orientiert sie sich an den folgenden Hypothesen<br />
bezüglich einer gegenwärtig im Entstehen begriffenen Mediengesellschaft:<br />
• Das Publizieren, das traditionell stark arbeitsteilig organisiert war, entwickelt sich<br />
durch Techniken wie Latex, Desktop Publishing oder Webdesign zurück zu einer<br />
Autorenkompetenz.<br />
• Dadurch wird das elektronische Publizieren zu einem allgemeinen Kulturgut.<br />
• Bereits heute ist erkennbar, dass der Kampf um die Aufmerksamkeit der Mitmenschen<br />
eines der prägenden Merkmale einer zukünftigen Gesellschaft sein wird.<br />
• Der in den Medien deutlich erkennbare Trend hinzu mehr Farbe und anspruchsvollerem<br />
Design ist typisch für diese Entwicklung.<br />
• Die Bedeutung von Visualisierungstechniken und Design wird stark ansteigen.<br />
3
4 <strong>Kapitel</strong> 1. Motivation<br />
erfassen — wiedergeben — wahrnehmen<br />
Abbildung 1.1: sich-ein-Bild-machen<br />
Abbildung 1.2: etwas unklar
5<br />
Abbildung 1.3: Farben als Lockmittel<br />
Die zentralen Gegenstände der Vorlesung ergeben sich aus Abbildung 1.1. Hier ist die<br />
technische Seite des<br />
“sich ein Bild machen”<br />
veranschaulicht. Die erste Themengruppe der Vorlesung beschäftigt sich mit dem visuellen<br />
System des Menschen bzw. mit den damit verbundenen Wahrnehmungsphänomenen. Etwa<br />
70–80 % der menschlichen Wahrnehmung erfolgt über seinen Gesichtssinn. Diese Bedeutung<br />
ist in Redewendungen wie<br />
“ein Bild sagt mehr als 1000 Worte”<br />
auch Teil der Alltagskultur.<br />
Das menschliche Auge unterscheidet primär Helligskeitsunterschiede, ist darüber hinaus<br />
aber auch in der Lage, Unterschiede in der Wellenlängenzusammensetzung zu unterscheiden,<br />
d.h. es erkennt<br />
Farbe.<br />
Die Wichtigkeit dieser Fähigkeit für den Menschen erkennt man an der positiven Bedeutung<br />
sprachlicher Ausdrücke wie<br />
bzw. der negativen Bedeutung von<br />
“farbenfroh” oder “Farbe bekennen”<br />
“grau in grau”.<br />
An der Farbenpracht der Natur lässt sich die Bedeutung der Farbe in der Evolutionsgeschichte<br />
ablesen. Andererseits liefert die Tatsache, dass etwa Katzen oder Hunde keinen<br />
Farbsinn haben, einen Hinweis darauf, dass das Farbsehen aus neurobiologischer Sicht ein
6 <strong>Kapitel</strong> 1. Motivation<br />
Abbildung 1.4: ein “farbloses” <strong>EMPA</strong>-Gebäude<br />
höchst komplexer Vorgang ist. In der Tat stellen Farben ein zugleich faszinierendes wie<br />
verwirrendes Thema dar. Es überrascht deshalb nicht sonderlich, dass dieser Gegenstand<br />
in der Vorlesung breiten Raum einnimmt.<br />
Unser drittes Zentralthema ist die technische Erfassung, Darstellung und Wiedergabe<br />
von Bildern, in der Tradition der Medientechnik als Reproduktion bezeichnet. Wir beschränken<br />
uns dabei auf digitale Techniken. Insbesondere sehen wir dabei das Drucken<br />
als eine Komponente des elektronischen Publizierens, was aus der Sicht der traditionellen<br />
Medientechnik nicht selbstverständlich ist.<br />
Abschliessend ist festzuhalten, dass die Gegenstände der Vorlesung verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen<br />
angehören. In Abbildung 1.5 ist der interdisziplinäre Charakter der<br />
Medientechnik an Hand einiger zentraler Begriffe angedeutet.<br />
Ursprung Wirkung Bezeichnung Disziplin<br />
Lichtquelle sichtbare Strahlung Farbreiz Physik<br />
Auge visuelle Wahrnehmung Farbvalenz Physiologie<br />
Gehirn Sinneseindruck Farbempfindung Psychologie<br />
Abbildung 1.5: Aspekte der Interdisziplinarität in der Medientechnik
<strong>Kapitel</strong> 2<br />
Licht<br />
Physiologisch versteht man unter Licht die durch das Auge vermittelte Helligkeits- bzw.<br />
Farbempfindung. Aus physikalischer Sicht ist Licht eine elektromagnetische Strahlung.<br />
Umgangssprachlich versteht man unter Licht die sichtbare Strahlung, die pragmatisch etwa<br />
den Wellenlängenbereich zwischen 380 und 780 nm charakterisiert. Im erweiterten Sinne<br />
bezeichnet Licht auch Infrarot-, Ultraviolett- und Röntgenstrahlung, siehe Abbildung 2.1.<br />
Das Licht hat sowohl<br />
• wellenhafte (in Interferenz- bzw. Beugungsexperimenten)<br />
als auch<br />
• korpuskulare (beim Photo- oder Compton-Effekt)<br />
Eigenschaften. Dieser in der klassischen Physik widersprüchliche Sachverhalt ist auch als<br />
Welle-Teilchen-Dualismus<br />
bekannt und wurde physikalisch erstmals in der<br />
Quantenelektrodynamik QED<br />
einheitlich beschrieben.<br />
Im engeren Sinne handelt es sich bei elektromagnetischer Strahlung um eine Überlagerung<br />
elektromagnetischer Wellen, oder genauer um elektromagnetische Felder, die sich<br />
im Vakuum oder in einem nicht absorbierenden Medium ausbreiten. An jedem Ort führen<br />
sowohl das elektrische wie das magnetische Feld Schwingungen der Frequenz ν und der<br />
Wellenlänge λ aus. Gemäss QED ist das elektromagnetische Feld quantisiert. Die einzelnen<br />
Teilchen (Quanten) heissen Photonen. Ein einzelnes Photon hat eine Energie 1 ν · h.<br />
Da andererseits die Frequenz ν mit der Wellenlänge λ durch die Lichtgeschwindigkeit 2 c<br />
mittels<br />
c = ν · λ<br />
1 Planck-Konstante h = 6.6260755 · 10 −34 Js<br />
2 im Vakuum gilt c = 299792458 m/s, CGPM, 1983 Neudefinition des Meters<br />
7
8 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
Bezeichnung Frequenz (Hz) Wellenlänge (m)<br />
Niederfrequenz 3 · 10 1 –3 · 10 4 10 7 –10 4<br />
Radiowellen 3 · 10 4 –2 · 10 12 10 4 –2 · 10 −4<br />
Infrarot 3 · 10 11 –4 · 10 14 10 −3 –8 · 10 −7<br />
sichtbares Licht 4 · 10 14 –7 · 10 14 8 · 10 −7 –4 · 10 −7<br />
Ultraviolett 7 · 10 14 –3 · 10 16 4 · 10 −7 –10 −8<br />
Röntgenstrahlen 3 · 10 15 –3 · 10 23 10 −7 –10 −15<br />
nm✲<br />
γ-Strahlen 8 · 10 17 –4 · 10 21 4 · 10 −10 –7 · 10 −14<br />
400 450 500 550 600 650 700 750 800<br />
Abbildung 2.1: elektromagnetisches Spektrum<br />
verknüpft ist, ist λ auch ein Mass für die Energie einer elektromagnetischen Welle. Die<br />
spektrale Strahlungsdichte oder kurz das Spektrum S(λ) einer Strahlung meint die Energieverteilung<br />
nach der Wellenlänge λ. Gilt S(λ) = c für eine Konstante c, so spricht man<br />
von einem energiegleichen Spektrum. Für eine monochromatische Strahlung gilt dagegen<br />
S(λ) = 0 für λ ≠ λ 0 , λ 0 ∈ R + . Der Energieentzug, den eine elektromagnetische Strahlung<br />
beim Durchdringen eines Mediums erleidet — bzw. die damit verbundene Intensitätsabweichung<br />
— heisst Absorption. Im eigentlichen Sinne handelt es sich um die Aufnahme<br />
von Photonen in ein Atom. Bei der Abgabe von Photonen bzw. Licht spricht man von<br />
Emission.<br />
Bemerkung. In lichttechnischen Anwendungen werden in λ stetige Funktionen wie<br />
eine spektrale Strahlungsdichte S(λ) nur selten als solche behandelt. Üblich ist eine Diskretisierung<br />
in mehr oder weniger feine Wellenlängenstufen. Die häufigsten Intervalllängen<br />
sind 10 nm, 5 nm und 1 nm. Dies ermöglicht es, Funktionen wie S(λ) in Tabellenform anzugeben.<br />
In diesem Sinne ist es folglich auch gerechtfertigt, von einer Strahlungsverteilung<br />
anstatt einer Strahlungsdichte zu sprechen. Ferner nimmt man für Strahlungsverteilungen<br />
oftmals durch Normierung noch eine weitere Vereinfachung vor. Typisch ist eine Skalierung<br />
mit S(560nm) = 100, die relative spektrale Strahlungsverteilung genannt wird. Zu<br />
beachten ist, dass dieses Vorgehen willkürlich und nirgens zwingend vorgeschrieben ist.
2.1. Strahlungsgrössen 9<br />
2.1 Strahlungsgrössen<br />
Man unterscheidet in der Optik grundsätzlich zwischen<br />
und<br />
• strahlungsphysikalischen (radiometrischen) Grössen<br />
• photometrischen (lichttechnischen) Grössen.<br />
Die photometrischen Grössen wurden aus praktischen Erwägungen heraus geschaffen,<br />
grösstenteils noch im 19-ten Jahrhundert. Das System dieser Grössen bezieht sich auf<br />
die Eigenschaften des menschlichen Auges. Dies ist nicht unproblematisch, da man damit<br />
fiktive (sprich genormte) Aspekte in ein physikalisches Einheitensystem einführt. Zudem<br />
sind die photometrischen Basiseinheiten wie Candela nicht mit der gleichen Genauigkeit<br />
messbar wie Länge, Masse, Zeit usw. Andererseits ist das photometrische System insbesondere<br />
in der Farbmetrik weit verbreitet.<br />
Abbildung 2.2: zur Definition des Steradianten<br />
In der Strahlungsphysik interessiert<br />
man sich für die Strahlung, die<br />
von einer als punktförmig angenommenen<br />
Strahlungsquelle in einen bestimmten<br />
Raumwinkel Ω abgegeben<br />
wird. Um eine Masseinheit für Ω zu<br />
definieren, stellt man sich vor, dass<br />
um die Strahlungsquelle eine Kugel<br />
mit Radius r existiert. Der Raumwinkel<br />
Ω spannt dann auf der Oberfläche<br />
der Kugel eine bestimmte Fläche A<br />
auf. Das Verhältnis dieser Fläche A<br />
zu r 2 dient dann als Mass für Ω. Die Einheit wird im SI-System in sr angegeben und als<br />
Steradiant bezeichnet, folglich gilt<br />
Ω = A · sr. (2.1)<br />
r2 Da die Oberfläche der Einheitskugel gleich 4π ist, wird durch (2.1) der Raumwinkel des<br />
vollen Raums auf Ω = 4π sr festgelegt. Die Fläche A wird im Allgemeinen durch Integration<br />
bestimmt.<br />
Die Basiseinheit der Lichttechnik war seit Anbeginn die Lichtstärke. Die ersten Versuche<br />
zu ihrer Definition reichen zurück bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Aus den<br />
technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit resultiert auch der noch heute übliche Einheitsname<br />
Candela (Kerze). Von der 16. Generalkonferenz für Mass und Gewicht (CYPM)<br />
wurde sie 1979 neu definiert als:<br />
• Die Candela cd ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlquelle,<br />
die monochromatische Strahlung der Frequenz 540 · 10 12 Hz aussendet und deren<br />
Strahlstärke in diese Richtung 1/683 W · sr −1 beträgt.
10 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
Daraus leiten sich andere bekannte Einheiten wie<br />
oder<br />
cd · sr def<br />
= lm (Lumen) (2.2)<br />
lm · m −2<br />
def<br />
= lx (Lux) (2.3)<br />
ab. Die Lichttechnik beschäftigt sich mit der Wahrnehmung von Licht durch den Menschen.<br />
Das menschliche Auge ist aber für optische Strahlung verschiedener Wellenlänge unterschiedlich<br />
empfindlich. Diese Empfindlichkeit ist zudem noch für das Tages- bzw. Nachtsehen<br />
verschieden. Ferner variiert die Empfindlichkeit von Mensch zu Mensch, verändert<br />
sich mit dem Alter, schwankt mit dem Vitaminhaushalt, Ermüdung usw. Um angesichts<br />
dieser Umstände die Augenempfindlichkeit in geordneter Weise in ein Messsystem einfliessen<br />
zu lassen, hat die CIE 3 eine “mittlere Augenempfindlichkeit” festgelegt, den sogenannten<br />
• spektralen Hellempfindlichkeitsgrad V (λ)<br />
für das Tagsehen (photopisches Sehen, helladaptiertes Auge), siehe Abbildung 2.3. Die<br />
Funktion V (λ) wird üblicherweise in Tabellenform angegeben, üblicherweise in 10-nm-<br />
Schritten, seltener in 5-nm- oder gar in 1-nm-Stufen. Genügt diese Genauigkeit nicht,<br />
so wird zwischen den Stützstellen interpoliert. Ausser den Werten V (λ) existieren auch<br />
Tabellen für den<br />
• spektralen Hellempfindlichkeitsgrad V ′ (λ)<br />
angepasst an das Nachtsehen (skotopisches Sehen, dunkeladapiertes Auge). Diese Wellenlängenunterschiede<br />
in der maximalen Sensitivität äussern sich im sogenannten Purkinjeshift-Effekt:<br />
Ein bei Tageslicht blauer Gegenstand erscheint bei starker Abdunkelung heller<br />
als ein bei Tageslicht gleich heller roter.<br />
Berechnen wir mit X e eine radiometrische Grösse 4 und X v ihre photometrische Entsprechung<br />
5 , dann sind sie durch<br />
∫∞<br />
X v = K m<br />
X e (λ) · V (λ) dλ bzw. X ′ v = K ′ m<br />
∫ ∞<br />
X e (λ) · V ′ (λ) dλ (2.4)<br />
0<br />
0<br />
miteinander verbunden. Die Konstanten K m sind K ′ m sind zu<br />
K m = 683 cd · sr · W −1 bzw. K ′ m = 1700 cd · sr · W −1 (2.5)<br />
festgelegt 6 . In Abbildung 2.4 sind die wichtigsten radio- bzw. photometrischen Grössen<br />
aufgelistet.<br />
Es sei noch auf einige Fakten hingewiesen, welche die Einordnung der vorangegangenen<br />
Definitionen erleichtern mögen:<br />
3 CIE: Commission Internationale de l’Eclairage, Internationale Beleuchtungskommission.<br />
4 e für energetisch<br />
5 v für visuell<br />
6 Der höhere Wert für K m ′ drückt die höhere Hellempfindlichkeit des dunkeladaptierten Auges aus.
2.1. Strahlungsgrössen 11<br />
λ V (λ) V ′ (λ)<br />
380 0.0000 0.000589<br />
390 0.0001 0.002209<br />
400 0.0004 0.00929<br />
410 0.0012 0.03484<br />
420 0.0040 0.0966<br />
430 0.0116 0.1998<br />
440 0.023 0.3281<br />
450 0.038 0.455<br />
460 0.060 0.567<br />
470 0.091 0.676<br />
480 0.139 0.793<br />
490 0.208 0.904<br />
500 0.323 0.982<br />
510 0.503 0.997<br />
520 0.710 0.935<br />
530 0.862 0.811<br />
540 0.954 0.650<br />
550 0.995 0.481<br />
560 0.995 0.3288<br />
570 0.952 0.2076<br />
580 0.870 0.1212<br />
λ V (λ) V ′ (λ)<br />
590 0.757 0.0655<br />
600 0.631 0.03315<br />
610 0.503 0.01593<br />
620 0.381 0.00737<br />
630 0.265 0.003335<br />
640 0.175 0.0001497<br />
650 0.107 0.000677<br />
660 0.061 0.0003129<br />
670 0.032 0.0001480<br />
680 0.017 0.0000715<br />
690 0.0082 0.00003533<br />
700 0.0041 0.00001780<br />
710 0.0021 0.00000914<br />
720 0.00105 0.00000478<br />
730 0.00052 0.000002546<br />
730 0.00052 0.000002546<br />
740 0.00025 0.000001379<br />
750 0.00012 0.000000760<br />
760 0.00006 0.000000425<br />
770 0.00003 0.000000241<br />
780 0.000015 0.000000139<br />
0.8<br />
1 V(λ)<br />
V’(λ)<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0<br />
400 500 600 700<br />
Abbildung 2.3: spektrale Hellempfindlichkeitskurven V und V ′
12 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
Radiometrie Photometrie<br />
Grösse Einheit Grösse Einheit<br />
Strahlungsleistung Φe.<br />
Die in der Zeiteinheit ausgesandte,<br />
übertragene oder empfange Strahlungsenergie.<br />
W (Watt)<br />
Der Lichtstrom Φv<br />
ist die Strahlungsleistung einer Lichtquelle<br />
mittels der Bewertung gemäss<br />
der Empfindlichkeitskurve V (λ).<br />
lm (Lumen)<br />
Strahlstärke Ie.<br />
Quotient aus Strahlungsleistung d Φe,<br />
die eine Strahlungsquelle in eine gegebene<br />
Richtung der Grösse d Ω aussendet<br />
und dem Raumwinkelelement d Ω,<br />
also Ie = d Φe/d Ω.<br />
Lichtstärke Iy.<br />
Quotient aus Lichtstrom dΦv und dem<br />
W · sr −1 Raumwinkelelement dΩ um das der<br />
Lichtstrom gesandt wird, d.h. Iv =<br />
d Φv/d Ω.<br />
cd (Candela)<br />
Bestrahlungstärke Ee.<br />
Quotient aus Strahlungsleistung dΦe,<br />
die ein Flächenelement einer Oberfläche<br />
empfängt und der Grösse dA dieses<br />
Elements Ee<br />
def<br />
= d Φe/d A.<br />
Beleuchtungstärke Ev.<br />
Quotient aus dem Lichtstrom dΦ, der<br />
W · m −2 auf ein den Punkt enthaltenes Flächenelement<br />
fällt, und dem Inhalt dA dieses<br />
Elementes E = d Φ/d A.<br />
lx (Lux)<br />
Abbildung 2.4: radiometrische und photometrische Messgrössen
2.2. Strahlungsquellen 13<br />
• Zum Lesen genügt dem Menschen eine Beleuchtungsstärke von 500 lx.<br />
• 500 lx werden allgemein an Arbeitsplätzen benötigt bzw. 1000 lx für Präzisionsarbeiten.<br />
• Das Mondlicht erzeugt etwa 0.2 lx, was zum Farbsehen nicht mehr ausreicht.<br />
• Tageslicht liefert im Winter etwa 6000 lx, im Sommer dagegen 70’000 lx.<br />
• Die Leuchtdichte der Sonne beträgt ausserhalb der Atmosphäre etwa 225·10 7 cd·m −2 ,<br />
bei klarer Atmosphäre auf Meereshöhe etwa 150 · 10 7 cd · m −2 .<br />
Trifft Strahlung auf Materie, so wird sie entweder reflektiert, durchgelassen oder absorbiert.<br />
In welchem Umfang das jeweils stattfindet, hängt von einer Reihe von Parametern<br />
ab, insbesondere aber von der Wellenlänge und den Materialeigenschaften der jeweiligen<br />
Materie. Sei Φ E (λ) die einfallende Strahlungsleistung sowie Φ R (λ), Φ T (λ), Φ A (λ), die<br />
der reflektierten, durchgelassenen bzw. absorbierten Strahlung der Wellenlänge λ, dann<br />
bezeichnet<br />
ϱ(λ)<br />
def<br />
= Φ R(λ)<br />
Φ E (λ)<br />
den spektralen Reflexionsgrad,<br />
τ(λ)<br />
α(λ)<br />
def<br />
= Φ T (λ)<br />
Φ E (λ)<br />
def<br />
= Φ M(λ)<br />
Φ E (λ)<br />
den spektralen Transmissionsgrad und<br />
den spektralen Absorptionsgrad.<br />
Das Verhältnis von τ(λ) zu α(λ) hängt dabei im Allgemeinen von der betrachteten<br />
Schichtdicke des Materials ab. Aus der Energieerhaltung folgt unmittelbar<br />
0 ≤ ϱ(λ) + τ(λ) + α(λ) ≤ 1. (2.6)<br />
Die Emission von Photonen können wir auf analoge Weise definieren. Der spektrale<br />
Emissionsgrad<br />
ε(λ) def<br />
= L(λ)<br />
(2.7)<br />
L s (λ)<br />
ist der Quotient der emittierten spektralen Lichtdichte zu der von einem “schwarzen<br />
Strahler” ausgehenden, siehe Seite 14.<br />
2.2 Strahlungsquellen<br />
Farbsehen ist die Fähigkeit des Auges Unterschiede in der Wellenlängenzusammensetzung<br />
einer Strahlung wahrzunehmen. Gemäss dieser Erkenntnis kann es eigentlich nicht<br />
verwundern, wenn unterschiedliche Lichtquellen zu unterschiedlichen visuellen Interpretationen<br />
führen. In Abbildung 2.5 ist dasselbe Bild unter drei verschiedenen Beleuchtungen<br />
zu sehen. Die jeweilige Strahlungsquelle ist deshalb das erste Glied einer jeden Wiedergabekette<br />
für visuelle Information.
14 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
Abbildung 2.5: der Einfluss der Lichtquelle<br />
2.2.1 Wärmestrahlung und kaltes Licht<br />
Im Alltag erleben wir, dass heisse Körper Licht aussenden und zwar je heisser desto heller.<br />
Bei dieser Strahlungsart stammt die Energie aus dem Wärmehaushalt des Körpers, wir<br />
sprechen deshalb von Temperatur- oder Wärmestrahlung. Schliessen wir uns Gerthesen 7<br />
an,<br />
Die ganze Wärmelehre lässt sich in einem kurzen Satz zusammenfassen:<br />
Wärme ist ungeordnete Molekülbewegung.<br />
dann kann man exakter sagen, dass Wärmestrahlung ihre Ursache auf der Molekülebene<br />
hat.<br />
Davon zu unterscheiden ist Strahlung, deren Energie aus inneratomaren Vorgängen 8<br />
stammt. Man spricht dann von Lumineszenzstrahler oder kaltem Licht. Die Lumineszenzstrahler<br />
sind in der Lichttechnik weit verbreitet, ein Beispiel ist etwa der Kathodenstrahlbildschirm.<br />
Ihr Spektrum ist meist auf wenige Wellenlängen konzentriert, den sogenannten<br />
Spektrallinien oder -bänder.<br />
Der Idealfall eines Temperaturstrahlers ist der schwarze Strahler. Er besitzt den Absorptionsgrad<br />
α(λ) = 1, d.h. er absorbiert die gesamte auf ihn einfallende Strahlung über<br />
alle Wellenlängen. Infolgedessen ist die durch ihn ausgesandte elektromagnetische Strahlung<br />
in ihrer Intensität und spektralen Energieverteilung ausschliesslich durch die Temperatur<br />
bestimmt. Der schwarze Strahler genügt insbesondere dem Planckschen Strahlungsgesetz<br />
9 , welches die Abhängigkeit der spektralen Strahlungsdichte L e (λ, τ) des schwarzen<br />
Strahlers von der Temperatur T und der Wellenlänge λ beschreibt:<br />
mit<br />
L e (λ, τ) = c 1<br />
λ 5 ·<br />
1<br />
exp( c 2<br />
λ · τ ) − 1 ·<br />
1<br />
sr · π<br />
(2.8)<br />
c 1 = 3.741832 · 10 −16 W · m 2 (1. Plancksche Strahlungskonstante) (2.9)<br />
7 siehe [8, S. 207]<br />
8 welche ihrerseits etwa durch Gasentladungen, chemischen Reaktionen, Bestrahlung mit ultravioletter<br />
oder Korpuskularstrahlung induziert sein können<br />
9 von M. Planck im Jahre 1900 abgeleitet mit fundamentaler Bedeutung in der Physik
2.2. Strahlungsquellen 15<br />
12<br />
10<br />
L e, T=1000K<br />
L e, T=1250K<br />
L e, T=1500K<br />
L e, T=1750K<br />
L e, T=2000K<br />
8<br />
L e<br />
(λ,τ)<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
0 1 2 3 4 5 6<br />
λ [µm]<br />
Abbildung 2.6: Isothermen des schwarzen Strahlers
16 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
und<br />
Abbildung 2.7: Wolframspektren<br />
c 2 = 1.438786 · 10 −2 m · K (2. Plancksche Strahlungskonstante) (2.10)<br />
Für experimentelle Zwecke lässt sich der schwarze Strahler durch einen Hohlraumstrahler 10<br />
verwirklichen.<br />
Viele Wärmestrahler lassen sich durch den schwarzen Strahler annähern, siehe Abbildung<br />
2.7. Von besonderer Bedeutung ist in unserem Kontext die Sonne, siehe Abbildung<br />
2.8, da das Sehvermögen des Menschen daran angepasst ist. So stimmt der sichtbare<br />
Wellenlängenbereich mit dem Strahlenmaxima eines schwarzen Strahlers der Temperatur<br />
6000 ◦ K recht gut überein 11 . Ferner definiert das Spektrum eines solchen Strahlers unser<br />
Weiss-Empfinden.<br />
Der einfache Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Strahlungsdichte eines<br />
schwarzen Strahlers erlaubt es auch bestimmte Farben durch den Temperaturwert des<br />
schwarzen Strahlers zu charakterisieren. Wie wir in den folgenden <strong>Kapitel</strong>n sehen werden,<br />
ist eine Farbe eine Funktion eines gegebenen Spektrums. Da nach dem Planckschen Strahlungsgesetz<br />
jede Temperatur (in Kelvin) gerade ein Spektrum definiert, entspricht jedem<br />
Temperaturwert auch ein Farbwert. Die zugehörige Funktion heisst Planckscher Kurvenzug,<br />
siehe Abbildung 2.9. Da sie injektiv ist, existiert auch die Umkehrfunktion, bekannt<br />
als Farbtemperatur.<br />
10 ein von aussen beheizter, sich im thermischen Gleichgewicht befindlicher Hohlkörper, mit einer kleinen<br />
Öffnung für Messwerte<br />
11 Die Temperatur der Sonnenoberfläche beträgt etwa 5785 ◦ .
2.2. Strahlungsquellen 17<br />
Abbildung 2.8: Sonnenlichtspektren<br />
0 5000 10000<br />
in Kelvin<br />
✲<br />
Abbildung 2.9: Visualisierung des Planckschen Kurvenzugs
18 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
Lichtquelle<br />
Kerze<br />
Sonnenlicht bei Sonnenuntergang<br />
Glühlampe 40 W<br />
Glühlampe 100 W<br />
Halogenglühlampe<br />
Mondlicht<br />
mittleres Sonnenlicht<br />
Xenonlampe<br />
mittleres Taglicht<br />
Tageslicht am Nordhimmel<br />
Farbtemperatur<br />
1900 K<br />
2000 K<br />
2800 K<br />
2900 K<br />
3300 K<br />
4100 K<br />
5000 K<br />
6000 K<br />
6500 K<br />
7500 K<br />
Abbildung 2.10: Farbtemperaturen einiger Lichtquellen<br />
Aber auch andere Lichtquellen können Spektren besitzen, deren entsprechende Farben<br />
(mehr oder weniger) den Farben des schwarzen Strahlers entsprechen. Somit sind<br />
auch diese Farben durch Temperaturen des schwarzen Strahlers beschreibar, siehe Abbildung<br />
2.10. Bei grösseren Abweichungen kann man immerhin noch die beste Näherung an<br />
eine Farbtemperatur bestimmen und spricht dann von der ähnlichsten Farbtemperatur.<br />
2.2.2 Normlichtarten<br />
Lichttechnische Anwendungen brauchen, wie die Technik im Allgemeinen, kontrollierte<br />
Rahmenbedingungen, um die Wiederholbarkeit ihrer Resultate sicherzustellen. Da das<br />
Spektrum des Sonnenlichtes realtiv starken Schwankungen unterliegt, ist man in der Farbmetrik<br />
auf künstliche Lichtquellen angewiesen. Andererseits sind viele künstliche Lichtquellen,<br />
z.B. die Natriumdampflampe, die monochromatisch strahlt, für Farbbeurteilung<br />
völlig ungeeignet. Die CIE hat deshalb für farbmetrische Anwendungen eine Anzahl von<br />
Normlichtarten empfohlen, deren Strahlungsfunktionen vorgegeben und tabelliert sind.<br />
Normlichtart A. Sie entspricht der Strahlung eines schwarzen Strahlers für die Temperatur<br />
2865 K und wird im sichtbaren Bereich des Spektrums hinreichend gut durch<br />
eine Wolfram-Glühlampe der Temperatur 2856 K approximiert.<br />
Normlichtart D 65 . Die CIE hat 1963 eine Serie von “Tageslichtarten” definiert, die alle<br />
mit D beginnen. Die technisch wichtigste ist D 65 mit einer ähnlichsten Farbtemperatur<br />
von 6504 K. Ihre Strahlungsfunktion ist nicht an einer technischen Strahlungsquelle<br />
orientiert, sondern wurde rein abstrakt definiert. Ausser D 65 ist besonders in<br />
der graphischen Industrie auch D 50 (ähnlichste Farbtemperatur 5003 K) verbreitet.<br />
Normlichtart C. Modifiziert man die Normlichtart A durch einen speziellen Filter, den<br />
Davis-Gibson-Filter, so erhält man die Tageslichtart C (ähnlichste Farbtemperatur<br />
6800 K), die vor der Einführung von D 65 sehr polulär war.
2.2. Strahlungsquellen 19<br />
140 A(λ)<br />
C(λ)<br />
120<br />
D50(λ)<br />
D65(λ)<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
400 450 500 550 600 650 700<br />
140<br />
120<br />
F(λ)<br />
D65(λ)<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
400 450 500 550 600 650 700<br />
Abbildung 2.11: Spektren von Normlichtarten
20 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
1<br />
0.8<br />
B(λ)<br />
G(λ)<br />
R(λ)<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0<br />
400 450 500 550 600 650 700<br />
Abbildung 2.12: Spektren von typischen Leuchtstoffen für Kathodenstrahlröhren (roter,<br />
blauer und grüner Phosphor)<br />
Normlichtarten F . Eine Serie von 12 fluoreszierenden Lichtquellen. F 8 stellt einen fluoreszierenden<br />
D 50 -Simulator mit ähnlichster Farbtemperatur 4000 K dar.<br />
Weitere Normlichtarten, die jedoch in unserem Kontext nur geringe Bedeutung haben,<br />
sind<br />
• E, das energiegleiche Spektrum mit einem Spektralwert von 100 für jede Wellenlänge,<br />
• B Sonnenlicht,<br />
• G Vakuumglühlampenlicht,<br />
• P Petroleum- bzw. Kerzenlicht oder<br />
• Xe Licht der Xeon-Hochdruck-Kurzbogenlampe.<br />
2.2.3 Reflexion<br />
Unter Reflexion versteht man die Rückstrahlung des Lichtes beim Auftreffen auf der<br />
Grenzfläche zweier verschiedener Medien. Ein nicht selbst strahlender Körper wird dadurch<br />
erst sichtbar. Der Reflexionsgrad ist abhängig von der Wellenlänge, was erklärt,<br />
dass verschiedene Materialien im Allgemeinen ein unterschiedliches Reflexionsverhalten<br />
besitzten. Man unterscheidet insbesondere:<br />
Diffuse Reflexion oder auch Remission. Sie ist typisch für matte Oberflächen wie Pappe.<br />
Zum einen resultiert die diffuse Reflexion aus der Rauhheit 12 der Oberfläche, wo-<br />
12 mit einer Rauhtiefe in der Grössenordnung der Wellenlänge
2.2. Strahlungsquellen 21<br />
durch das einfallende Licht unabhängig von der Beleuchtungsrichtung in alle Richtungen<br />
reflektiert wird. Zum andern dringt ein Teil des Lichtes in den Körper ein,<br />
wird dort in den oberflächennahen Schichten gestreut und tritt schliesslich wieder in<br />
die Umgebung aus. Dieser Anteil ist für die Eigenfarbe der Oberfläche verantwortlich<br />
und wird auf Grund der vielfachen Streuung ebenfalls diffus in alle Richtungen<br />
abgegeben. Ein vollkommen diffuser Strahler, der in alle Richtungen gleichmässig<br />
strahlt, heisst Lambertscher Strahler 13 . Ebenfalls nennt man eine mattweisse Fläche,<br />
die vollkommen diffus reflektiert, eine Lambertsche Fläche.<br />
einfallender Strahl<br />
Normale<br />
❅<br />
❅❅❅❅❅❘<br />
θ 1 θ 2<br />
✒<br />
Grenzschicht<br />
Einfallspunkt<br />
Abbildung 2.13: regelmässige Reflexion<br />
reflektierter Strahl<br />
Gerichtete Reflexion oder auch Spiegelung. Sie ist typisch für glänzende Oberflächen.<br />
Das einfallende Licht wird nach dem Reflexionsgesetz gerichtet reflektiert. Der reflektierte<br />
und der einfallende Strahl bilden mit der Normalen zur Grenzfläche im<br />
Einfallspunkt gleiche Winkel θ 1 = θ 2 , siehe Abbildung 2.13. Diese Reflexionsart ist<br />
charakteristisch für glatte Metallflächen.<br />
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es einen stetigen Übergang aus mehr oder weniger<br />
glatten Oberflächen. Für eine vollständige Beschreibung muss für jeden Einfallswinkel<br />
angegeben werden, welcher Anteil der Strahlung in welchem Ausfallswinkel reflektiert<br />
wird. Solche bidirectional reflectance distribution functions (BRDF) sind jedoch nur in<br />
aufwendigen Messungen zu ermitteln 14 .<br />
Die BRDF ist jedoch ausschliesslich phänomenologisch, d.h. sie beschreibt ein Verhalten,<br />
ohne dafür eine Erklärung zu liefern. Da überraschenderweise die Wechselwirkung<br />
13 nach dem elsässischen Universalgelehrten Johann Heinrich Lambert (1728–1777), dem Begründer<br />
der Photometrie<br />
14 Die Konstrukteure von Tarnkappenbombern (Stealth) suchen Materialien mit BRDF gleich null in<br />
allen Richtungen.<br />
Abbildung 2.14: Reflexionsarten
22 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
von Licht mit Materie oft gar nicht an der Grenzfläche stattfindet, sondern in der Materie<br />
selber, sind Reflexionsmodelle auch nur schwierig zu entwicklen. Das zu Grunde liegende<br />
Phänomen der “Streuung unter der Oberfläche” ist typisch für organische Substanzen und<br />
bei Kunststoffen. Die Dicke der Interaktionsschicht reicht von nur wenigen Mikrometern<br />
bei Lacken 15 bis zu einigen Millimetern bei menschlicher Haut oder Marmor.<br />
15 Dieser Spezialfall wird häufig mit dem Kubelka-Munk-Modell [5] beschrieben.
2.2. Strahlungsquellen 23<br />
Tabellen<br />
λ V (λ) V ′ (λ)<br />
380 0.0000 0.000589<br />
390 0.0001 0.002209<br />
400 0.0004 0.00929<br />
410 0.0012 0.03484<br />
420 0.0040 0.0966<br />
430 0.0116 0.1998<br />
440 0.023 0.3281<br />
450 0.038 0.455<br />
460 0.060 0.567<br />
470 0.091 0.676<br />
480 0.139 0.793<br />
490 0.208 0.904<br />
500 0.323 0.982<br />
510 0.503 0.997<br />
520 0.710 0.935<br />
530 0.862 0.811<br />
540 0.954 0.650<br />
550 0.995 0.481<br />
560 0.995 0.3288<br />
570 0.952 0.2076<br />
580 0.870 0.1212<br />
λ V (λ) V ′ (λ)<br />
590 0.757 0.0655<br />
600 0.631 0.03315<br />
610 0.503 0.01593<br />
620 0.381 0.00737<br />
630 0.265 0.003335<br />
640 0.175 0.0001497<br />
650 0.107 0.000677<br />
660 0.061 0.0003129<br />
670 0.032 0.0001480<br />
680 0.017 0.0000715<br />
690 0.0082 0.00003533<br />
700 0.0041 0.00001780<br />
710 0.0021 0.00000914<br />
720 0.00105 0.00000478<br />
730 0.00052 0.000002546<br />
740 0.00025 0.000001379<br />
750 0.00012 0.000000760<br />
760 0.00006 0.000000425<br />
770 0.00003 0.000000241<br />
780 0.000015 0.000000139<br />
Abbildung 2.15: spektrale Hellempfindlichkeitskurven V und V ′
24 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
λ A(λ) B(λ) C(λ)<br />
380 0.045345 0.103646 0.152693<br />
385 0.050435 0.124237 0.184712<br />
390 0.055941 0.144827 0.219323<br />
395 0.061771 0.167407 0.255275<br />
400 0.068064 0.191098 0.292893<br />
405 0.074727 0.215713 0.332269<br />
410 0.081806 0.241070 0.372941<br />
415 0.089256 0.266981 0.414261<br />
420 0.097122 0.292430 0.453914<br />
425 0.105451 0.316352 0.489543<br />
430 0.114150 0.338238 0.520081<br />
435 0.123265 0.357718 0.544836<br />
440 0.132797 0.373866 0.562188<br />
445 0.142745 0.386082 0.571210<br />
450 0.153109 0.395151 0.573755<br />
455 0.163844 0.401999 0.571904<br />
460 0.174949 0.408569 0.569591<br />
465 0.186470 0.416805 0.570516<br />
470 0.198362 0.425689 0.572830<br />
475 0.210624 0.433787 0.574172<br />
480 0.223209 0.440496 0.573293<br />
485 0.236165 0.445262 0.568758<br />
490 0.249445 0.442347 0.558486<br />
495 0.263048 0.442856 0.540903<br />
500 0.276976 0.435869 0.518693<br />
505 0.291181 0.427401 0.495003<br />
510 0.305664 0.419674 0.473348<br />
515 0.320424 0.414816 0.457200<br />
520 0.335462 0.414122 0.448362<br />
525 0.350685 0.418425 0.447807<br />
530 0.366139 0.426615 0.453452<br />
535 0.381825 0.437072 0.462428<br />
540 0.397696 0.448362 0.472423<br />
545 0.413705 0.458819 0.480983<br />
550 0.429900 0.467333 0.486767<br />
555 0.446234 0.472885 0.488941<br />
560 0.462706 0.475662 0.487229<br />
565 0.479271 0.476217 0.481723<br />
570 0.495928 0.474736 0.473348<br />
575 0.512678 0.471497 0.463400<br />
λ A(λ) B(λ) C(λ)<br />
580 0.529521 0.467333 0.452526<br />
585 0.546363 0.463030 0.441560<br />
590 0.563252 0.459004 0.431242<br />
595 0.580187 0.455488 0.422080<br />
600 0.597076 0.453452 0.415047<br />
605 0.614011 0.453822 0.411022<br />
610 0.630900 0.455765 0.409032<br />
615 0.647742 0.458356 0.408060<br />
620 0.664538 0.461318 0.407644<br />
625 0.681288 0.464372 0.407459<br />
630 0.697946 0.467333 0.407181<br />
635 0.714510 0.469924 0.406533<br />
640 0.730983 0.472885 0.406256<br />
645 0.747363 0.476818 0.407135<br />
650 0.763604 0.480751 0.408107<br />
655 0.779706 0.483944 0.408107<br />
660 0.795669 0.485841 0.406718<br />
665 0.811494 0.486211 0.403572<br />
670 0.827179 0.485378 0.399315<br />
675 0.842680 0.483759 0.394688<br />
680 0.857996 0.480751 0.388673<br />
685 0.873126 0.475847 0.380391<br />
690 0.888071 0.470109 0.371090<br />
695 0.902832 0.464464 0.362021<br />
700 0.917361 0.458542 0.353045<br />
705 0.931705 0.452064 0.344068<br />
710 0.945817 0.445123 0.334999<br />
715 0.959698 0.437720 0.325745<br />
720 0.973348 0.429854 0.316028<br />
725 0.986813 0.421525 0.306774<br />
730 1.000000 0.413659 0.297983<br />
735 1.000000 0.413659 0.297983<br />
740 1.000000 0.413659 0.297983<br />
745 1.000000 0.413659 0.297983<br />
750 1.000000 0.413659 0.297983<br />
755 1.000000 0.413659 0.297983<br />
760 1.000000 0.413659 0.297983<br />
765 1.000000 0.413659 0.297983<br />
770 1.000000 0.413659 0.297983<br />
775 1.000000 0.413659 0.297983<br />
Abbildung 2.16: die CIE-Normlichtarten A, B, und C
2.2. Strahlungsquellen 25<br />
λ F (λ) D 65 (λ)<br />
380 0.000000 50.000000<br />
385 0.000000 52.299999<br />
390 0.000000 54.599998<br />
395 0.000000 68.699997<br />
400 0.243051 82.800003<br />
405 0.000000 87.150002<br />
410 0.246102 91.500000<br />
415 0.097401 92.449997<br />
420 0.096203 93.400002<br />
425 0.368037 90.050003<br />
430 0.637017 86.699997<br />
435 0.626603 95.800003<br />
440 0.459051 104.900002<br />
445 0.320830 110.949997<br />
450 0.256475 117.000000<br />
455 0.263880 117.400002<br />
460 0.296339 117.800003<br />
465 0.308912 116.349998<br />
470 0.308339 114.900002<br />
475 0.310210 115.400002<br />
480 0.313830 115.900002<br />
485 0.315258 112.349998<br />
490 0.313830 108.800003<br />
495 0.309960 109.099998<br />
500 0.305085 109.400002<br />
505 0.301570 108.599998<br />
510 0.304475 107.800003<br />
515 0.315184 106.300003<br />
520 0.317695 104.800003<br />
525 0.309516 106.250000<br />
530 0.359593 107.699997<br />
535 0.518761 106.050003<br />
540 0.693966 104.400002<br />
545 0.784533 104.199997<br />
550 0.803186 104.000000<br />
555 0.792184 102.000000<br />
560 0.798508 100.000000<br />
565 0.854789 98.150002<br />
570 0.931525 96.300003<br />
575 0.987479 96.050003<br />
λ F (λ) D 65 (λ)<br />
580 0.996610 95.800003<br />
585 0.948428 92.250000<br />
590 0.879458 88.699997<br />
595 0.826315 89.349998<br />
600 0.778983 90.000000<br />
605 0.721405 89.800003<br />
610 0.660000 89.599998<br />
615 0.603640 88.650002<br />
620 0.548542 87.699997<br />
625 0.488339 85.500000<br />
630 0.418983 83.300003<br />
635 0.341488 83.500000<br />
640 0.274780 83.699997<br />
645 0.234955 81.849998<br />
650 0.208881 80.000000<br />
655 0.180710 80.099998<br />
660 0.152949 80.199997<br />
665 0.131028 81.250000<br />
670 0.113695 82.300003<br />
675 0.098593 80.300003<br />
680 0.085627 78.300003<br />
685 0.075082 74.000000<br />
690 0.066508 69.699997<br />
695 0.059265 70.650002<br />
700 0.052678 71.599998<br />
705 0.000000 72.949997<br />
710 0.000000 74.300003<br />
715 0.000000 67.949997<br />
720 0.000000 61.599998<br />
725 0.000000 65.750000<br />
730 0.000000 69.900002<br />
735 0.000000 69.900002<br />
740 0.000000 69.900002<br />
745 0.000000 69.900002<br />
750 0.000000 69.900002<br />
755 0.000000 69.900002<br />
760 0.000000 69.900002<br />
765 0.000000 69.900002<br />
770 0.000000 69.900002<br />
775 0.000000 69.900002<br />
Abbildung 2.17: die CIE-Normlichtarten F und D 65
26 <strong>Kapitel</strong> 2. Licht<br />
λ R(λ) G(λ) B(λ)<br />
380 0.057931 0.021883 -0.048760<br />
385 0.005826 0.003728 0.007903<br />
390 0.001204 0.001455 0.021440<br />
395 0.000540 0.001771 0.030972<br />
400 0.001028 0.001476 0.046450<br />
405 0.000649 0.001882 0.067898<br />
410 0.000865 0.003481 0.102700<br />
415 0.001967 0.004548 0.151278<br />
420 0.003545 0.006293 0.212700<br />
425 0.005347 0.007975 0.282917<br />
430 0.005832 0.010470 0.354000<br />
435 0.006674 0.013214 0.418059<br />
440 0.007489 0.014730 0.459400<br />
445 0.008482 0.017184 0.482813<br />
450 0.007565 0.020130 0.502500<br />
455 0.007673 0.022908 0.501154<br />
460 0.007446 0.027660 0.464300<br />
465 0.010566 0.033830 0.421582<br />
470 0.016810 0.044000 0.380800<br />
475 0.011341 0.059700 0.330554<br />
480 0.006619 0.081580 0.277700<br />
485 0.007587 0.111515 0.229958<br />
490 0.012500 0.149000 0.188900<br />
495 0.019539 0.194846 0.152174<br />
500 0.011220 0.247200 0.123300<br />
505 0.005122 0.299112 0.098008<br />
510 0.014670 0.348600 0.076800<br />
515 0.027285 0.386872 0.060078<br />
520 0.007949 0.422200 0.047210<br />
525 0.007450 0.451545 0.037035<br />
530 0.009993 0.470300 0.030450<br />
535 0.023196 0.468729 0.024329<br />
540 0.080380 0.456200 0.020490<br />
545 0.021056 0.441443 0.016788<br />
550 0.012280 0.427200 0.013200<br />
555 0.035867 0.406477 0.011057<br />
560 0.012460 0.373000 0.008625<br />
565 0.016671 0.334325 0.006725<br />
570 0.013910 0.288200 0.006555<br />
575 0.011911 0.246348 0.004840<br />
λ R(λ) G(λ) B(λ)<br />
580 0.028820 0.211200 0.004303<br />
585 0.100981 0.176914 0.004480<br />
590 0.102800 0.150600 0.003878<br />
595 0.225702 0.129410 0.004720<br />
600 0.051410 0.108400 0.002474<br />
605 0.039469 0.090768 0.002581<br />
610 0.060840 0.074860 0.002130<br />
615 0.330900 0.065217 0.004349<br />
620 0.325500 0.053390 0.003388<br />
625 1.149734 0.055354 0.010921<br />
630 0.645900 0.041820 0.006136<br />
635 0.097025 0.026902 0.002018<br />
640 0.030390 0.021230 0.001263<br />
645 0.022732 0.019673 0.001652<br />
650 0.016370 0.011780 0.002494<br />
655 0.019276 0.008516 0.000842<br />
660 0.015280 0.006605 0.000483<br />
665 0.009565 0.004455 0.000729<br />
670 0.013110 0.001612 0.000722<br />
675 0.012118 0.001597 0.000532<br />
680 0.010250 0.001264 0.000576<br />
685 0.046663 0.001264 0.002560<br />
690 0.023140 0.001264 0.001289<br />
695 0.038423 0.001264 0.001632<br />
700 0.038330 0.001264 0.001866<br />
705 0.750223 0.001264 0.008367<br />
710 0.204300 0.001264 0.002788<br />
715 0.023084 0.001264 0.001704<br />
720 0.011860 0.001264 0.001128<br />
725 0.017744 0.001264 0.003022<br />
730 0.012540 0.001264 0.002210<br />
735 0.012540 0.001264 0.002210<br />
740 0.012540 0.001264 0.002210<br />
745 0.012540 0.001264 0.002210<br />
750 0.012540 0.001264 0.002210<br />
755 0.012540 0.001264 0.002210<br />
760 0.012540 0.001264 0.002210<br />
765 0.012540 0.001264 0.002210<br />
770 0.012540 0.001264 0.002210<br />
775 0.012540 0.001264 0.002210<br />
Abbildung 2.18: Spektralwerttabellen für roten, blauen und grünen Phosphor
<strong>Kapitel</strong> 3<br />
Physiologie des Sehens<br />
Die Umweltwahrnehmung des Menschen erfolgt überwiegend durch seinen Gesichtssinn,<br />
d.h. durch das Auge und das nachgeschaltete Gehirn. Zwar ist das Auge als optisches<br />
Instrument (Hornhaut, Linse) eher schlechter als eine billige Kamera, aber seine diesbezüglichen<br />
Schwächen werden durch raffinierte Regelmechanismen mehr als korrigiert,<br />
so dass der menschliche Gesichtssinn als Gesamtsystem weit ausserhalb des technisch<br />
Machbaren anzusiedeln ist.<br />
Abbildung 3.1: das menschliche Auge<br />
3.1 Das Auge<br />
Der Augapfel (Bulbus oculi) ist mehr oder weniger kugelförmig, etwa 24 mm durchmessend,<br />
siehe Abbildung 3.1. Die äussere Hülle besteht aus Lederhaut (Sklera) und Hornhaut<br />
(Cornea). Dieser durchsichtige vordere Teil des Auges leistet mit etwa 44 Dioptrien<br />
(dpt) den grössten Beitrag zur Brechkraft des Auges. Ihr Durchmesser liegt zwischen 10<br />
und 13 mm und ihr Krümmungsradius beträgt 7.8 mm. Die mittlere Schicht des Auges<br />
wird durch die Gefässhaut (Uvea) gebildet, welche ihrerseits die Iris (Regenbogenhaut),<br />
den Ziliarkörper und die Aderhaut enthält. Die Aderhaut ist stark durchblutet und dient<br />
27
28 <strong>Kapitel</strong> 3. Physiologie des Sehens<br />
<br />
Aderhaut<br />
Netzhaut<br />
Hornhaut<br />
Pupille<br />
Makula<br />
Iris<br />
✁<br />
✁ ✁✁✁<br />
Augenlinse<br />
❅<br />
Sehnerv<br />
Lederhaut<br />
Abbildung 3.2: Augenschema<br />
Abbildung 3.3: Transmission beim Auge
3.1. Das Auge 29<br />
zur Versorgung der Netzhautrezeptoren sowie zur Temperaturregulierung des Auges. Der<br />
Ziliarkörper ermöglicht zum einen die Nahakkommodation der Augenlinse, erzeugt zum<br />
anderen aber auch das Kammerwasser. Da das Auge zu einem sehr hohen Anteil aus Wasser<br />
besteht, sei hier auch kurz auf den spektralen Transmissionsgrad von Wasser hingewiesen,<br />
siehe Abbildung 3.3. Es zeigt sich, dass gerade im sichtbaren Bereich die Absorption<br />
elektromagnetischer Strahlung durch Wasser besonders gering ist, etwa zwischen 320 nm<br />
und 1400 nm, im Infraroten sowie im Ultravioletten dagegen sehr hoch.<br />
Die Iris bildet mit der Pupille die Aperturblende des Auges. Der Pupillendurchmesser<br />
liegt zwischen 2 und 8 mm. Ein Pupillendurchmesser von 3 mm ergibt bei einem<br />
Gesamtbrechwert des Auges von 69 dpt auf der Netzhaut einen Zerstreuungskreis mit<br />
Durchmesser 0.01 mm. Die Abbildungstiefe des Auges beträgt etwa 0.1 bis 0.5 dpt, je<br />
nach Pupillengrösse. Dadurch kann die Pupille die natürlichen Ungenauigkeiten der Akkommodation<br />
von etwa 0.25 dpt korrigieren. Durch Variation des Pupillendurchmessers<br />
wird auch der Lichtstrom zur Netzhaut reguliert.<br />
Die Augenlinse ist hinter der Iris angeordnet. Sie trägt ein Drittel zur Gesamtbrechzahl<br />
des Auges bei, etwa 20 dpt im akkommodationslosen Zustand. Der Brechungsindex<br />
der Augenlinse nimmt zum Rand hin ab.<br />
Die innerste Schicht des Auges<br />
ist die Netzhaut (Retina), ein feines<br />
Geflecht aus Nervengewebe, das<br />
an der Aussenseite(!) lichtempfindliche<br />
Sinneszellen enthält und nach<br />
innen von transparenten Nervensträngen<br />
bedeckt ist. Die Nerven-<br />
Ganglienzellen<br />
Amakrinzelle<br />
bahnen laufen an einer Stelle zusammen,<br />
dem sogenannten blinden<br />
Bipolarzelle<br />
Fleck, dem Austrittspunkt des Sehnervs<br />
zum Gehirn hin. In der Netz-<br />
Horizontalzelle<br />
haut wird das optische Bild der Aussenwelt<br />
in ein Erregungsmuster umgesetzt.<br />
Sie verfügt über zwei ver-<br />
Zapfen<br />
schiedene Systeme von Photorezeptoren,<br />
genannt Zapfen und Stäbchen,<br />
Stäbchen<br />
welche jedoch auf den verschiedenen<br />
Verarbeitungsstufen des visuellen<br />
Systems stark gekoppelt sind. Gesamthaft<br />
existieren etwa 120 Millio-<br />
Pigmentepithelzelle<br />
nen Zapfen und etwa 5 Millionen<br />
Stäbchen. Die Verteilung von Zapfen<br />
Abbildung 3.4: Aufbau der Netzhaut und Stäbchen innerhalb der Netzhaut<br />
ist höchst unregelmässig. Die Zapfendichte<br />
steigt im zentralen Bereich der Netzhaut, der Makula (gelber Fleck), stark an<br />
und erreicht dort in der Netzhautgrube (Fovea) einen Wert von 100000 Zapfen pro<br />
mm 2 . Der Spitzenwert von etwa 190000 Zapfen pro mm 2 findet man in der Foveola, dem<br />
etwa 0.1 mm durchmessenden Gebiet des schärfsten Sehens innerhalb der Fovea. Die Fo-
30 <strong>Kapitel</strong> 3. Physiologie des Sehens<br />
veola ist gänzlich frei von Stäbchen. Die ersten Stäbchen beobachtet man etwa 0.13 mm<br />
ausserhalb der Foveola, also noch innerhalb der Fovea, die etwa 0.5 mm durchmisst. Ihre<br />
maximale Dichte wird mit etwa 160000 Stäbchen pro mm 2 im Abstand von etwa 2.5–3<br />
mm von der Foveola 1 erreicht. In der Peripherie nimmt die Stäbchendichte dann wieder<br />
ab und beträgt maximal 50000 Zellen pro mm 2 . Im Bereich der Netzhautgrube sind die<br />
Nervenzellen der Netzhaut (Horizontal-, Bipolar-, Amakrin-, und Ganglienzellen) zur Seite<br />
hin verlagert, so dass der Lichtempfang nicht durch Absorption oder Streuung gestört<br />
wird. In Sehwinkel, dem Winkel, unter dem das Auge ein Objekt subjektiv wahrnimmt,<br />
siehe Abbildung 3.5, ausgedrückt, entspricht diese Region des optimalen Sehens etwa 140 ′<br />
bei der Fovea bzw. 20 ′ bei der Foveola.<br />
Die Zapfen und Stäbchen unterscheiden<br />
sich deutlich in ihrer visuellen Funktion.<br />
Stäbchen erlauben das Sehen bei geringen<br />
Leuchtstärken, etwa kleiner als 5 ·<br />
10 −3 cd/m 2 . Man spricht dann von skoptopischem<br />
Sehen. Im Bereich zwischen 5·10 −3<br />
cd/m 2 bis 10 cd/m 2 sind beide Rezeptorarten<br />
aktiv, mesopisches Sehen. Ab 10 cd/m 2<br />
Abbildung 3.5: der Sehwinkel α<br />
sind die Stäbchen saturiert und nur die<br />
Zapfen bleiben aktiv, photonisches Sehen. Die Übergänge zwischen Nacht- und Tagsehen<br />
sind fliessend.<br />
Ausser dem Sehen bei Helladaption basiert auch das Farbsehen auf der Funktion der<br />
Zapfen. Die Zapfen unterscheiden sich nämlich in ihrer spektralen Empfindlichkeit, siehe<br />
Abbildung 3.6. Die drei Arten bezeichnet man mit<br />
• L long-wavelength,<br />
• M middle-wavelength und<br />
• S short-wavelength,<br />
je nachdem, in welchem Wellenlängenbereich das Maximum der Sensitivität liegt, nämlich<br />
• 419.0 nm für die S-Zapfen,<br />
• 530.8 nm für die M-Zapfen und<br />
• 558.4 nm für die L-Zapfen.<br />
Man beachte, dass ein rotempfindlicher Zapfen nicht ausschliesslich auf langwelliges, d.h.<br />
rotes Licht, reagiert, sondern nur besser. Bemerkenswert ist ferner die ungleiche Verteilung<br />
der L, M und S Zapfen, die näherungsweise 40:20:1 beträgt.<br />
1 also knapp ausserhalb der Makula, deren Durchmesser etwa 3–5 mm beträgt
3.1. Das Auge 31<br />
Gesamtempfindlichkeit<br />
0.6<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
S(λ)<br />
M(λ)<br />
L(λ)<br />
0<br />
400 450 500 550 600 650 700<br />
Einzelempfindlichkeit<br />
0.025<br />
0.02<br />
0.015<br />
0.01<br />
0.005<br />
S(λ)<br />
M(λ)<br />
L(λ)<br />
0<br />
400 450 500 550 600 650 700<br />
normalisierte Empfindlichkeit<br />
1 S(λ)<br />
M(λ)<br />
L(λ)<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0<br />
400 450 500 550 600 650 700<br />
Abbildung 3.6: spektrale Empfindlichkeit der Zapfen nach [1]
32 <strong>Kapitel</strong> 3. Physiologie des Sehens<br />
60<br />
✻<br />
Kontrastempfindlichkeit<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Leuchtdichte<br />
0<br />
10 −3 10 −2 10 −1 10 0 10 1 10 2 10 3 10 4 10 5 10 6<br />
✲<br />
Abbildung 3.7: zum Weber-Kontrast<br />
3.2 Sehleistung<br />
Bezüglich der Empfindlichkeit des menschlichen Auges ist zunächst die relative und die<br />
absolute Empfindlichkeit zu unterscheiden. Die letztere beträgt etwa 10 −6 lx im direkten<br />
Sehen und bei Nachtadaption. Die relative Empfindlichkeit (Kontrast) K bezieht sich auf<br />
den Leuchtdichteunterschied benachbarter Objekte. Der Kontrast ist für die Photometrie<br />
von grosser Bedeutung und wird in aufwendigen wahrnehmungspsychologischen Experimenten<br />
untersucht. Je nach Anwendungszweck werden verschiedene Kontrastdefinitionen<br />
verwendet. Der geringste physiologisch wahrnehmbare Kontrast wird als Kontrastschwelle<br />
bezeichnet. Der Kehrwert der Kontrastschwelle ist die Kontrastempfindlichkeit. Sie ist die<br />
psychophysische Entsprechung der Modulationstransferfunktion (MTF) des Auges.<br />
3.2.1 Graustufen<br />
Ein kleines Objekt der Leuchtdichte L i sei in einem grösseren Umfeld mit Leuchtdichte<br />
L u gegeben. DerWeber-Kontrast ist dann definiert durch<br />
K def<br />
= L u − L i<br />
L u<br />
.<br />
Er wird z.B. im Zusammenhang mit Sehprobentafeln eingesetzt. Die Bedeutung des<br />
Weber-Kontrasts für die Vorlesung ergibt sich jedoch aus Abbildung 3.7, wo der prototypische<br />
Verlauf der Kontrastschwelle dargestellt ist. Im mittleren Leuchtdichtebereich,<br />
etwa bei 100–100000 cd/m 2 , ist die Kontrastschwelle nahezu konstant 2 und beträgt dort<br />
etwa 1–2 %. Da dieser Bereich aber gerade Tageslichtverhältnisse beschreibt, ist er von<br />
2 dieser Sachverhalt ist auch als Weber-Fechnersche-Regel bekannt
3.2. Sehleistung 33<br />
✻<br />
Kontrastempfindlichkeit<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
1<br />
0.1 1 10 100<br />
Ortsfrequenz [Perioden/Grad]<br />
✲<br />
Abbildung 3.8: Michelson-Kontrast<br />
besonderer Bedeutung. Speziell folgt aus Abbildung 3.7, dass Menschen normalerweise<br />
nicht mehr als 50–100 Helligkeitsstufen in einem Bild wahrnehmen können 3 . Die 256<br />
Graustufen, welche die gängige Digitaltechnik zur Verfügung stellt, sind also mehr als<br />
ausreichend.<br />
3.2.2 Räumliches Auflösungsvermögen<br />
Der Michelson-Kontrast wird verwendet,<br />
wenn keine eindeutige Unterscheidung zwischen<br />
Objekt (Infeld) und Umfeld möglich<br />
ist. Typisch hierfür sind periodische Muster<br />
oder Objekte vergleichbarer Grösse. Er ist<br />
definiert als<br />
K def<br />
= L max − L min<br />
L max + L min<br />
,<br />
Abbildung 3.9: Linienmuster<br />
wobei L min (L max ) für die minimale (maximale) Leuchtdichte des Lichtreizes steht. Gemäss<br />
dieser Festlegung hat eine Einheitsfläche immer den Kontrast 0 und ein schwarz-weisses<br />
Muster (L min = 0) immer den Kontrast 1.<br />
Zur Ermittlung der Kontrastempfindlichkeit benutzt man üblicherweise hell-dunkle<br />
Linienmuster wie in Abbildung 3.9, deren Feinheit in Anzahl Perioden pro Grad des Sehwinkels<br />
angegeben wird 4 . Bei Tageslicht weist die Kontrastempfindlichkeit einen glocken-<br />
3 Ein einfaches Beispiel dafür ist die Nichtsichtbarkeit des Sternenhimmels bei Tageslicht.<br />
4 weniger geläufig ist die Angabe “Perioden pro mm”, dann bezogen auf das Netzhautbild
34 <strong>Kapitel</strong> 3. Physiologie des Sehens<br />
förmigen Verlauf auf, siehe Abbildung 3.8. Ihr Maximum erreicht sie bei etwa 5–6 Perioden<br />
pro Grad und fällt für höhere Frequenzen steil ab. Wichtig für unsere Argumentation ist<br />
der Punkt, bei welchem die Kontrastempfindlichkeit auf den minimalen Wert 1 zurückgeht.<br />
Er liegt bei etwa 60 Perioden pro Grad, was gerade einer Periode pro Bogenminute<br />
des Sehwinkels entspricht. Bei deutlich kleineren Sehwinkeln ist das menschliche Auge<br />
normalerweise nicht mehr in der Lage zwischen entsprechend feinen Linienpaaren zu unterscheiden.<br />
Aufgrund dieser und ähnlicher Beobachtungen betrachtet man den Wert 1<br />
Bogenminute als den Normwert des Auflösungsvermögens für das menschliche Auge. Er ist<br />
auch unter dem Namen physiologischer Grenzwinkel bekannt. In der Augenoptik bewertet<br />
man die Sehschärfe, den Kehrwert des Auflösungsvermögens, wie in Abbildung 3.10<br />
angegeben.<br />
Zur experimentellen Ermittlung der Sehschärfe benutzt<br />
man in der Augenoptik den Landolt-Ring als spezielles<br />
Normsehzeichen. Bei der Sehschärfenbestimmung muss<br />
die Lage der Lücke erkannt werden. Normalsichtigkeit<br />
ist gegeben, wenn dies unter einem Sehwinkel von 1 Bogenminute<br />
für die Lücke und 5 für den gesamten Ring<br />
möglich ist.<br />
Sehschärfe Bewertung<br />
≥ 2.0 aussergewöhnlich gut<br />
1.6 sehr gut<br />
0.8 ausreichend<br />
≤ 0.4 schwachsichtig<br />
Abbildung 3.10: Sehschärfe (in Bogenminuten −1 des Sehwinkels)<br />
Das Auflösungsvermögen A min Perioden pro Bogenminute lässt sich einfach in eine<br />
Auflösung von A cm Perioden pro cm oder inch umrechnen, wenn ein bestimmter Betrachtungsabstand<br />
r zu Grunde liegt. Der Umkreis des Betrachters enthält gemäss Definition<br />
def<br />
= P<br />
{ }} {<br />
A min · 360 } {{· 60}<br />
·Perioden<br />
=21600<br />
unabhängig von Radius r. Der Umfang U des Umkreises ist durch 2 · π · r gegeben, was<br />
A cm · Perioden<br />
cm<br />
= P U = A min · 21600<br />
2 · π · r<br />
· Perioden<br />
cm<br />
(3.1)<br />
bedingt. Für einen Abstand von 40 cm, wie er beim Lesen von Büchern oder Zeitschriften<br />
üblicherweise angenommen wird, entspricht also 1 Periode pro Bogenminute in etwa 86<br />
Perioden pro cm (218 Perioden pro inch).
3.2. Sehleistung 35<br />
✻<br />
A(α)<br />
α<br />
✲<br />
Abbildung 3.11: zum Oblique-Effekt<br />
Die vorgestellten Resultate wurden an hell-dunkel Mustern gewonnen, d.h. sie beziehen<br />
sich auf die Hellempfindlichkeit. Sie gelten in dieser Art nicht für das Farbsehen. Dort ist<br />
das Auflösungsvermögen wesentlich schlechter.<br />
Schliesslich sei noch auf einen speziellen Effekt hingewiesen. Das Auflösungsvermögen<br />
des Auges A ist nämlich abhängig vom Winkel α, also A = A(α), den das Liniengitter<br />
mit der Verbindungsgerade der beiden Augen bildet, siehe Abbildung 3.11. Es ist für 0 0<br />
und 90 0 am grössten und für eine Rotation um 45 0 am kleinsten. Der Oblique-Effekt<br />
hat insbesondere in der Drucktechnik eine praktische Bedeutung, wo er in die Wahl der<br />
Rasterwinkel eingeht.<br />
Abbildung 3.12: minimal unterscheidbare Wellenlängen
36 <strong>Kapitel</strong> 3. Physiologie des Sehens<br />
3.3 Monochromatische Farbdifferenzen<br />
Die Weber-Fechnersche-Regel wurde in vielen Bereichen der Wahrnehmung bestätigt.<br />
Bezüglich der Unterscheidbarkeit der Farbvalenz von monochromatischem Licht der Wellenlänge<br />
λ wurde bereits 1884 von König und Dieterici eine Studie vorgelegt, die durch<br />
aktuellere Arbeiten nur wenig korrigiert wurde. Die Abbildung 3.12 zeigt das minimal unterscheidbare<br />
δλ für eine gegebene Wellenlänge λ gemäss [4].<br />
Abbildung 3.13: zum Simultankontrast<br />
3.3.1 Simultankontrast<br />
Ein graues Feld auf weissem Hintergrund erscheint dunkler als ein gleichgraues Feld<br />
auf schwarzem Hintergrund, siehe Abbildung 3.13. Dieser Effekt ist bekannt als Kontrastüberhöhung<br />
und kann auch durch Messung nachgewiesen werden, siehe Abbildung<br />
3.14. Die subjektiv empfundene Helligkeitsverteilung wurde rot eingezeichnet. Sie wird<br />
bestimmt indem eine Versuchsperson für verschiedene Stellen des Übergangs eine als<br />
gleichhell empfundene Referenzhelligkeit auswählt, welche ihrerseits photometrisch vermessen<br />
wird. Die subjektiv empfundene Helligkeitsveränderung ist wesentlich grösser als<br />
die objektiv gemessene. Das Minimum und das Maximum der subjektiven Fehlwahrnehmung<br />
liegen etwa 20 Winkelminuten auseinander. Eine Erklärung für diesen Effekt liefert<br />
die sogenannte Hemmung. Ein starker Lichtreiz führt nicht nur zu einer Lichtempfindung<br />
hoher Intensität, sondern hemmt (reduziert) auch die Lichtempfindlichkeit in Nachbarzellen.<br />
An Übergängen heben sich die unterschiedlichen Hemmungen der Nachbarzellen<br />
jedoch wieder auf, was die Empfindlichkeit in diesen Netzhautbereichen wieder ansteigen<br />
lässt.<br />
Die Relevanz der Kontrastüberhöhung durch Hemmung wird z.B. an einem Schwarz-<br />
Weiss-Fernseher offensichtlich. Der abgeschaltete Bildschirm ist etwa mittelgrau. Im aktiven<br />
Betrieb wird durch Elektronenstrahlen auf dem Bildschirm Licht erzeugt, d.h. der<br />
Bildschirm kann eigentlich nur heller werden als “mittelgrau”. Trotzdem können wir tiefschwarze<br />
Bildanteile sehen. Wir beobachten also<br />
“Schwarz ist Weiss mit einem helleren Rand.”<br />
was nur durch die Kontrastüberhöhung verständlich wird.
3.3. Monochromatische Farbdifferenzen 37<br />
3.3.2 Adaption<br />
Abbildung 3.14: Kontrastüberhöhung<br />
Unter Adaption verstehen wir die Anpassung der Empfindlichkeit des Auges an die Lichtintensität<br />
oder -zusammensetzung. Allgemein hat ein dauerhaft konstanter Reiz eine Reduktion<br />
der Empfindlichkeit zur Folge. Das Auge erfasst den Intensitätsbereich<br />
10 −6 − 10 5 lx,<br />
also etwa 11 Zehnerpotenzen. Da es andererseits aber Intensitätsunterschiede nur im Umfang<br />
von 2 Zehnerpotenzen erkennen kann, ist offensichtlich, dass die Adaption zu den<br />
zentralen Eigenschaften des menschlichen Sehsystems gehört. Grundsätzlich ist zwischen<br />
chromatischer Adaption und Anpassung an die Helligkeit zu unterscheiden. Die Letztere<br />
beruht auf drei verschiedenen Mechanismen.<br />
1. Durch Veränderung der Pupillenweite wird der zur Netzhaut gelangende Lichtstrom<br />
bis zu einem Faktor 16 reguliert. Zwischen 10 −2 und 10 4 lx ändert sich die Pupillenweite<br />
kontinuierlich mit der Leuchtdichte.<br />
2. Die neuronale Adaption basiert auf der Interaktion der verschiedenen Zellarten innerhalb<br />
der Netzhaut. Insbesondere wirken Stäbchen hemmend auf Zapfen ein.<br />
3. Die chemische Adaption erfolgt über die Bildung bzw. den Abbau der Photopigmente<br />
in den Rezeptoren der Netzhaut. Die Erhöhung der Intensität lässt Photopigmente<br />
zerfallen, bei Erniedrigung werden sie neu synthetisiert. Auf dieser photochemischen<br />
Reaktion basiert insbesondere die Dunkeladaption. Die Neusynthese<br />
der Zapfenpigmente und Stäbchenpigmente (Rhodopsin) dauern unterschiedlich lange.<br />
Nach rund 7 Minuten ist die Erneuerung der Zapfenpigmente abgeschlossen, die
38 <strong>Kapitel</strong> 3. Physiologie des Sehens<br />
Abbildung 3.15: Dunkeladaption<br />
Stäbchen brauchen etwa 30–35 min, siehe Abbildung 3.15. Bemerkenswert ist dort<br />
der Kohlrausch-Knick, der den Übergang vom Zapfen- zum Stäbchensehen markiert.<br />
Der umgekehrte Prozess, die Adaption an höhere Helligkeiten, verläuft dagegen mit<br />
etwa 5 Minuten sehr viel schneller.<br />
Die chromatische Adaption meint die Anpassung des Gesichtsinnes an die farblichen<br />
Gegebenheiten der Beleuchtung. Sie basiert teilweise auf einer Sensitivitätsanpassung der<br />
S, M und L-Zapfen, analog zur Hell-Dunkeladaption, beeinhaltet jedoch auch psychologische<br />
Aspekte. So sehen wir bekannte Objekte — nach einer gewissen Anpassung —<br />
immer in den gewohnten Farben, auch in verschiedenen Beleuchtungsbedingungen. Auf<br />
solche Phänomene werden wir später im Zusammenhang mit Color-Appearance-Phänomenen<br />
zurückkommen.<br />
3.3.3 Farbsehen<br />
Dreikomponententheorie<br />
Auf Grund der unterschiedlichen spektralen Empfindlichkeiten, der drei Zapfenarten S,<br />
M und L, siehe Abbildung 3.6, ist es heute offensichtlich von einer Dreikomponententheorie<br />
der Farbe auszugehen. Historisch wurde sie 1802 von Thomas Young [9] als<br />
Hypothese aufgestellt und nach 1850 von Hermann von Helmholtz [6] zu einer Theorie<br />
ausgebaut. Sie geht im wesentlichen davon aus, dass die S, M und L Zapfen blaue,<br />
grüne und rote Farbeindrücke erzeugen, welche als solche über den Sehnerv zum Gehirn<br />
transportiert und dort zu einem Gesamteindruck gemischt werden. Die aus subjektiven<br />
sinnesphysiologischen Experimenten abgeleitete Erkenntnis besagt: Durch das Mischen<br />
dreier monochromatischer Primärfarben F 1 (700 nm), F 2 (546 nm) und F 3 (435 nm)<br />
lässt sich jeder Buntton erzeugen. Der direkte Nachweis durch mikroskopische Messung<br />
der Absorptionscharakteristika einzelner Zapfen gelang erst 1959 durch die unabhängigen<br />
Forschungsgruppen George Wald und Paul Brown (Harvard University) sowie Edward<br />
MacMichol und William Marks (Johns Hopkins University). Die Dreikomponententheorie<br />
bildet die Grundlage der additiven Farbmischung, siehe <strong>Kapitel</strong> 3. Sie<br />
erklärt jedoch nicht alle Phänomene des Farbsehens und wird heute eher als Teilaspekt
3.3. Monochromatische Farbdifferenzen 39<br />
einer umfassenderen Theorie verstanden.<br />
Gegenfarbentheorie nach Hering<br />
Der Physiologe Ewald Hering [2] entwickelte ab 1864 in einer Artikelserie einen Alternativvorschlag<br />
zur Dreikomponententheorie. Dabei bezog er sich auf physiologische<br />
Beobachtungen, die durch die Dreikomponententheorie nicht erklärt wurden.<br />
• Die Buntheit einer Farbe wird als eine eigenständige Qualität empfunden.<br />
• Die Farben Rot, Gelb, Grün und Blau erscheinen als besonders rein. Sie wurden<br />
von Hering deshalb Urfarben genannt. Ihre Festlegung erfolgte durch physiologische<br />
Reihenuntersuchungen. Reines Blau, Grün und Gelb wurden als Spektralfarben<br />
definiert:<br />
– reines Blau = 468 nm<br />
– reines Grün = 504.5 nm<br />
– reines Gelb = 568 nm<br />
Reines Rot dagegen ist keine Spektralfarbe, sondern enthält gegenüber dem spektralen<br />
Rot zusätzlich etwas Violett oder, technisch ausgedrückt, ist reines Rot die<br />
Komplementärfarbe zu 510 nm. Der violette Anteil kompensiert die Gelbkomponente<br />
im spektralen Rot 5 .<br />
• Rot-Grün, bzw. Blau-Gelb bilden ein Paar von Gegenfarben. So löschen sich Blau<br />
und Gelb bzw. Rot und Grün im richtigen Additionsverhältnis in ihrer Farbwirkung<br />
aus, d.h. ihre Mischung ergibt Weiss (Grau). Empfindungsgemäss lassen sich Gegenfarben<br />
nicht mischen, bereits die Vorstellung eines Gelblichblau bzw. Rötlichgrün<br />
bereitet Probleme. Alle anderen Mischungen sind dagegen geläufig:<br />
– rot + blau = purpur<br />
– rot + gelb = orange<br />
– grün + blau = cyan<br />
– grün + gelb = grüngelb (lindgrün)<br />
Ferner enthält Orange keine Blaukomponente, oder Cyan wirkt nicht rötlich. Hering<br />
vermutete deshalb, dass sich jede Farbe in einem dreidimensionalen Koordinatensystem<br />
mit den Achsen Schwarz-Weiss (Unbunt, Helligkeit), Rot-Grün und<br />
Blau-Gelb darstellen lässt. Obwohl Herings Theorie heftige Auseinandersetzungen<br />
provozierte, gilt sie heute als grundsätzlich korrekt.<br />
5 Spektrales Rot addiert sich mit spektralem Grün zu Gelb.
40 <strong>Kapitel</strong> 3. Physiologie des Sehens<br />
blau/gelb<br />
S M L<br />
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schwarz/weiss<br />
rot/grün<br />
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Abbildung 3.16: mögliche Spektralwertkurven des Gegenfarbentheorie
3.3. Monochromatische Farbdifferenzen 41<br />
Zonentheorie<br />
Die Zonentheorie nach Johannes von Kries [7] vereinigt die Dreikomponenten- mit<br />
der Gegenfarbentheorie. Sie ist heute weitgehend akzeptiert. Nach ihr beschreibt die Dreikomponententheorie<br />
die Erfassung der Farbreize durch die S, M und Z Zapfen. Durch<br />
das sie umgebende Nervengeflecht werden die entsprechenden Signale jedoch weiterverarbeitet.<br />
Die schliesslich in drei unterscheidbaren Kanälen an das Gehirn weitergeleiteten<br />
Informationsströme entsprechen der Gegenfarbentheorie. Sie werden durch Summen- bzw.<br />
Differenzbildung aus den S, M und L-Signalen erzeugt, siehe Abbildung 3.16.<br />
Mit geigneter Gewichtung liefert die Summe S+M +L das Helligkeitssignal A entsprechend<br />
der Spektralwertkurve V (λ). Das Rot-Grün-Signal entspricht der Differenz (L−M)<br />
bzw. das Blau-Gelb-Signal entspricht der Summe (L + M − S) 6 . Diese Differenzenbildung<br />
erlaubt die formale Bestimmung von hypothetischen Spektralwertkurven für das Gegenfarbensystem,<br />
wie in Abbildung 3.16 angegeben. Betrachten wir die Blau-Gelb-Kurve. Die<br />
bläuliche Erscheinung im kurzwelligen Bereich äussert sich darin, dass das Signal hier positiv<br />
ist. Das Gelbliche entspricht dem negativen Kurvenverlauf im langwelligen Bereich. Im<br />
Nullpunkt zwischen diesen beiden Sektoren liegt eine Spektralfarbe, die gemäss dieser Interpretation<br />
weder einen bläulichen noch einen gelblichen Anteil besitzt. Sie entspricht<br />
exakt der Urfarbe Grün.<br />
6 nach Hunt [3]
42 <strong>Kapitel</strong> 3. Physiologie des Sehens<br />
λ S(λ) M(λ) L(λ)<br />
380 0.000360 0.000221 0.000179<br />
385 0.000729 0.000338 0.000415<br />
390 0.001487 0.000606 0.000893<br />
395 0.002778 0.001100 0.001690<br />
400 0.004501 0.001774 0.002726<br />
405 0.006591 0.002605 0.003945<br />
410 0.009383 0.003766 0.005533<br />
415 0.013095 0.005416 0.007643<br />
420 0.017080 0.007449 0.010050<br />
425 0.020592 0.009746 0.012488<br />
430 0.023358 0.012406 0.014893<br />
435 0.025198 0.015492 0.017205<br />
440 0.025831 0.018718 0.019180<br />
445 0.025129 0.021815 0.020640<br />
450 0.023665 0.024936 0.021862<br />
455 0.022095 0.028517 0.023380<br />
460 0.020711 0.033695 0.026303<br />
465 0.019540 0.041407 0.031702<br />
470 0.017902 0.051084 0.039913<br />
475 0.015234 0.061967 0.051034<br />
480 0.012144 0.074044 0.064951<br />
485 0.009393 0.087773 0.081841<br />
490 0.007173 0.104748 0.103244<br />
495 0.005500 0.126791 0.131089<br />
500 0.004252 0.155503 0.167484<br />
505 0.003281 0.191718 0.213959<br />
510 0.002478 0.233411 0.269568<br />
515 0.001776 0.277183 0.331625<br />
520 0.001227 0.316997 0.392975<br />
525 0.000882 0.347571 0.446875<br />
530 0.000662 0.369273 0.492693<br />
535 0.000476 0.383621 0.531225<br />
540 0.000322 0.391089 0.562873<br />
545 0.000214 0.392001 0.588075<br />
550 0.000142 0.387142 0.607818<br />
555 0.000094 0.377206 0.622910<br />
560 0.000063 0.362065 0.632895<br />
565 0.000043 0.341585 0.637137<br />
570 0.000032 0.316419 0.635543<br />
575 0.000028 0.287417 0.628100<br />
λ S(λ) M(λ) L(λ)<br />
580 0.000026 0.255411 0.614555<br />
585 0.000022 0.221423 0.594825<br />
590 0.000018 0.187233 0.569736<br />
595 0.000014 0.154635 0.540161<br />
600 0.000011 0.124709 0.506265<br />
605 0.000008 0.098280 0.468240<br />
610 0.000005 0.075870 0.427109<br />
615 0.000004 0.057719 0.383763<br />
620 0.000003 0.043249 0.337736<br />
625 0.000003 0.031762 0.289181<br />
630 0.000002 0.022909 0.242081<br />
635 0.000001 0.016373 0.200298<br />
640 0.000000 0.011623 0.163370<br />
645 0.000000 0.008138 0.130186<br />
650 0.000000 0.005644 0.101351<br />
655 0.000000 0.003927 0.077573<br />
660 0.000000 0.002750 0.058247<br />
665 0.000000 0.001904 0.042625<br />
670 0.000000 0.001308 0.030691<br />
675 0.000000 0.000911 0.022336<br />
680 0.000000 0.000645 0.016354<br />
685 0.000000 0.000450 0.011553<br />
690 0.000000 0.000302 0.007898<br />
695 0.000000 0.000192 0.005509<br />
700 0.000000 0.000120 0.003980<br />
705 0.000000 0.000085 0.002859<br />
710 0.000000 0.000075 0.002025<br />
715 0.000000 0.000075 0.001438<br />
720 0.000000 0.000068 0.001032<br />
725 0.000000 0.000040 0.000740<br />
730 0.000000 0.000000 0.000504<br />
735 0.000000 0.000000 0.000504<br />
740 0.000000 0.000000 0.000504<br />
745 0.000000 0.000000 0.000504<br />
750 0.000000 0.000000 0.000504<br />
755 0.000000 0.000000 0.000504<br />
760 0.000000 0.000000 0.000504<br />
765 0.000000 0.000000 0.000504<br />
770 0.000000 0.000000 0.000504<br />
775 0.000000 0.000000 0.000504<br />
Abbildung 3.17: Empfindlichkeit der verschieden Zapfenarten
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