Zunder #4 - Red Pepper
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Zunder #4 - Red Pepper
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die kolumne von<br />
thomas loest<br />
die SmarteSte verSuchung Seit eS hirnScanner giBt<br />
Ich bin Psychologe – und kein Hirnforscher. Also sind für mich die aktuellen Verknüpfungen der Neurowissenschaften mit der<br />
Ökonomie hoch spannend – liegt die Psychologie, wie so oft, doch genau mittendrin. Wirtschaftswissenschaftler untersuchen seit<br />
jeher das Kaufverhalten von Menschen. Und Neurowissenschaftler sind den Geheimnissen des menschlichen Gehirns auf der<br />
Spur. Seit einiger Zeit hat sich an den Schnittstellen dieser Disziplinen ein neues Gebiet hervorgetan: Neuromarketing.<br />
Neuromarketing – was war das noch gleich? Ach ja, ein<br />
Werkzeug, das uns erklärt, ob und vor allen Dingen warum<br />
wir Menschen so handeln, wie wir handeln. Und noch besser:<br />
Es erklärt uns, wie wir andere Menschen dazu bringen, genau<br />
das zu tun, was wir wollen – zum Beispiel unsere Produkte zu<br />
kaufen. So vielversprechend klingt es, wenn man die ersten<br />
Zeilen von Martin Lindstroms Bestseller »Buyology – Warum<br />
wir kaufen, was wir kaufen« überfliegt. Der selbsternannte<br />
Neuromarketing-Guru hat nach eigenen Angaben die größte<br />
Neuromarketing-Studie der Welt durchgeführt. Und haut in<br />
seinem Buch entsprechend ordentlich auf den Putz. Man muss<br />
die Konsumenten nur in einen handelsüblichen Hirnscanner<br />
schieben und schon kennt man ihre geheimsten Wünsche und<br />
Vorlieben. Dieses Fazit könnte zumindest manch ahnungsloser<br />
Marketingentscheider nach der Lektüre ziehen. Dass Lindstrom<br />
es bei der Interpretation seiner Daten oft nicht so genau nimmt<br />
und dass die Schlüsse, die er aus Einzelergebnissen auf die<br />
Allgemeinheit überträgt, zum Teil schlicht unhaltbar sind, wird<br />
dem geneigten Leser ohne entsprechenden wissenschaftlichen<br />
Hintergrund wohl nicht sofort auffallen.<br />
Auf Kritik stößt der Neuromarketinghype auch bei renommierten<br />
Hirnforschern, die diese Entwicklung scharf beobachten.<br />
Ich traf den Bremer Hirnforscher Gerhard Roth auf dem<br />
Neuromarketingkongress in München. Er hatte gerade einen<br />
Vortrag über die »Persönlichkeitsunterschiede aus Sicht des<br />
Gehirns« gehalten. Auf den Hype angesprochen, meinte er zu<br />
mir, dass Neuromarketing an sich nicht falsch sei, sondern dass<br />
einfach zu viel versprochen werde. Es würden zwangsläufig zu<br />
große, nicht erfüllbare Erwartungen geweckt. Zack! Und schon<br />
hatte ich einen Interviewtermin für die aktuelle <strong>Zunder</strong>-Ausgabe<br />
angebahnt. Denn das ist ja das spannende an der so jungen<br />
und aufstrebenden Neuroökonomie, deren Teil das Neuromarketing<br />
ist: die Kontroverse. Auf der einen Seite seriöse Wissenschaftler,<br />
auf der anderen Seite vertriebsstarke Marktschreier,<br />
die auf den fahrenden Neuronenzug aufspringen und ihn sogar<br />
beschleunigen.<br />
Der casus cnactus an der ganzen Sache: Teilweise haben<br />
die Neuromarketer ja recht. Viele neurowissenschaftliche Stu-<br />
dien belegen, dass wir die Letzten sind, die über die Gründe<br />
für unser Handeln Auskunft geben können. So fanden zum<br />
Beispiel Wissenschaftler an der UCLA, Kalifornien, in einer<br />
aktuellen Studie heraus, dass eine Verhaltensvorhersage mittels<br />
fMRT-Scan zu 75 % zuverlässig ist. Die bewusste, mündliche<br />
Auskunft darüber, was man zu tun gedenkt, trifft dagegen<br />
zu weniger als 50 % ein. Denn wir wissen eben nicht, was<br />
wir tun werden. Genau deshalb mangelt es vielen Marktforschungsergebnissen<br />
an Glaubwürdigkeit. Deshalb fallen trotz<br />
ausführlicher Pretests immer noch 80 % der Neuprodukte im<br />
Markt durch. Deshalb schreien Marketer auch vor Begeisterung<br />
laut auf, wenn ein neuer Trend verspricht, die Aussagekraft<br />
von Tests und Befragungen zu erhöhen und zu objektivieren.<br />
Schon Henry Ford wusste: »Wenn ich die Leute gefragt hätte,<br />
was sie wollen, hätten sie geantwortet: schnellere Pferde.«<br />
Manchmal muss man seiner Zeit einfach den entscheidenden<br />
(Denk-) Schritt voraus sein. Anderes Beispiel: Sony. In der dortigen<br />
Marktforschung ist Ende der 70er Jahre ein tragbares<br />
Musikabspielgerät gnadenlos durchgefallen. Niemand konnte<br />
sich vorstellen, warum man unterwegs Musik hören sollte.<br />
Hätte das Sony-Management nicht allen Mut zusammengenommen<br />
und sämtliche Testergebnisse ignoriert, wären die<br />
80er Jahre um einen entscheidenden Protagonisten namens<br />
»Walkman« ärmer gewesen.<br />
Was lernen wir daraus? Es ist wichtiger, Kunden zu verstehen,<br />
als sie nur zu befragen. Sonst werden bloße Antworten mit<br />
echten Insights verwechselt (da sind wir dann wieder bei der<br />
Psychologie). Es kann besser sein, auf seine Intuition zu hören<br />
und seelenlose Marktforschungsstatistiken zu ignorieren. Es ist<br />
klüger, einen Hype wie Neuromarketing auf seine Essenz zu<br />
reduzieren und die Kernaussagen für sich praktisch nutzbar zu<br />
machen, als nach der eierlegenden Wollmilchsau zu suchen.<br />
Man tut gut daran, nicht jedem vermeintlichen Experten blind<br />
zu folgen, sondern sich mit profunden, professionellen<br />
Spezialisten auszutauschen. Das verstehe ich unter neurowissenschaftlicher<br />
Markenverankerung. Und was denken Sie?<br />
IsT DEsIGN<br />
GEsCHmACKsACHE?*<br />
Als der Schweizer Gestalter und<br />
Bauhaus-Protagonist Max Bill 1949 die<br />
Ausstellung »Die Gute Form« und später<br />
unter diesem Titel ein Buch präsentierte ,<br />
plädierte er für ein funktionales und<br />
zeitloses Design. Die gute Form stand bei<br />
Bill durchaus für einen auf erlernbaren<br />
gestalterischen Prinzipien beruhenden<br />
»guten Geschmack«. Die Frage nach der<br />
guten Form ist auch über 60 Jahre später<br />
schreibt, ist übrigens Geschmacksache. Wichtig ist nur, die<br />
Ob man »Geschmackssache« oder »Geschmacksache«<br />
noch zeitlos spannend, gerade für Kommunikationsdesign,<br />
denn damit müssen<br />
Designer und Auftraggeber glücklich<br />
sein – die Geschmackfrage stellt sich<br />
dabei regelmäßig. Wir haben drei hochkarätige<br />
Designer mit verschiedenen gestalterischen<br />
Herangehensweisen um ihre<br />
Meinung gebeten: Wie kann man Design<br />
beurteilen? Wie viel Raum lässt Funktionalität<br />
für Ästhetik? Welche Rolle spielen<br />
Sache entschieden durchzuziehen.<br />
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interviewcollagae<br />
1 2 3<br />
Trends und wie definieren wir überhaupt<br />
die Begriffe, mit denen wir da jonglieren?<br />
De gustibus non est disputandum? Von<br />
wegen. Feuer frei für<br />
1 Uli Mayer- Johanssen,<br />
2 Erik Wankerl und<br />
3 Fons Hickmann.<br />
*