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305 Abs. 1 InsO - ZIS - Universität Mannheim

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RA Prof. Dr. Georg Streit, HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK Vorlesung Insolvenz und Sanierung FS 2013 XI./1<br />

Prinzregentenstr. 48, 80538 München, Tel: 089 – 540 31 227<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Mannheim</strong><br />

Fakultät für Rechtswissenschaft<br />

Vorlesung Insolvenz und Sanierung<br />

XI. Restschuldbefreiung und besondere Verfahren<br />

Frühjahrssemester 2013<br />

Diese Arbeitsunterlage ist unvollständig ohne den begleitenden mündlichen Vortrag.<br />

Vortrag und Arbeitsunterlage sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Rechtsanwalt Prof. Dr. Georg Streit, München


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Nachforderungsrecht und Restschuldbefreiung<br />

• Grundsatz: Freies Nachforderungsrecht der Insolvenzgläubiger nach<br />

Verfahrensaufhebung, § 201 <strong>InsO</strong> (Tabelleneintrag = VT)<br />

• Ausnahme: Restschuldbefreiung, vgl. § 201 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>InsO</strong><br />

• Umfangreiche Spezialregelungen zur Restschuldbefreiung für natürliche<br />

Personen in §§ 286 ff. <strong>InsO</strong>


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Gründe für die gesetzliche Regelung der<br />

Restschuldbefreiung<br />

Die Restschuldbefreiung soll die „soziale Komponente“ des neuen<br />

Insolvenzrechts sein, vgl. § 1 S. 2 <strong>InsO</strong>:<br />

• Vorbild: „Discharge“ gem. US-Bankruptcy Code mit Ermöglichung eines<br />

„Fresh Start“ für Unternehmer und Verbraucher (Restschuldbefreiung ist nicht<br />

auf Verbraucherinsolvenzverfahren beschränkt)<br />

• Ziel: Vermeidung des Abdriftens überschuldeter Personen in die Illegalität.<br />

Möglichkeit für redliche Schuldner, legal dem Leben an der<br />

Pfändbarkeitsgrenze zu entgehen, Minderung von Arbeitslosigkeit,<br />

Erhöhung von Sozialversicherungseinnahmen, Zurückdrängung von<br />

Schwarzarbeit, soziale Gerechtigkeit<br />

• Beseitigung von Ungleichheiten: Freie Nachforderung bei juristischen<br />

Personen formell gegeben, praktisch Auflösung und Löschung (vgl. z.B. § 262<br />

<strong>Abs</strong>. 1 Nr. 3 AktG, § 60 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 4 GmbHG, § 394 <strong>Abs</strong>. 1 S. 2 FamFG),<br />

demgegenüber ohne Restschuldbefreiung „lebenslange<br />

Schuldknechtschaft“ bei gescheiterten Unternehmungen von<br />

Personengesellschaften (Ausnahme „GmbH & Co. KG, AG & Co. KG etc.) und<br />

Einzelkaufleuten<br />

• Zur Reform des Verbraucherinsolvenzrechts („Zweite Stufe der<br />

Insolvenzrechtsreform“) vgl. S. 18 dieses Vorlesungsteils


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Restschuldbefreiung, Voraussetzungen (I)<br />

• Eröffnung des Insolvenzverfahrens (keine Restschuldbefreiung bei<br />

Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrags mangels Masse gem.<br />

§ 26 <strong>InsO</strong>).<br />

• Eröffnungsmöglichkeit auch bei Massearmut durch Kostenstundung gem.<br />

§ 4 a <strong>InsO</strong> (auch zur Verhinderung von Massearmut nach Verfahrenseröffnung),<br />

bei Masseunzulänglichkeit ist Restschuldbefreiung möglich,<br />

vgl. § 289 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>InsO</strong><br />

• Persönliche Voraussetzung: Restschuldbefreiung steht nur natürlichen<br />

Personen offen, § 286 <strong>InsO</strong><br />

• Bei Gesellschaften/juristischen Personen: Haftungsbefreiung eventuell über<br />

Insolvenzplan, § 227 <strong>InsO</strong><br />

à § 227 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong>: Ist nichts anderes im Plan bestimmt, so wird der<br />

Schuldner mit der im gestaltenden Teil des Plans vorgesehenen<br />

Befriedigung der Insolvenzgläubiger von den übrigen Verbindlichkeiten<br />

befreit, ebenso gem. <strong>Abs</strong>. 2 bei Personengesellschaften bzgl. der Haftung<br />

der Gesellschafter (§§ 128, 161 <strong>Abs</strong>. 2 HGB, akzessorische<br />

Gesellschafterhaftung bei der GbR)


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Restschuldbefreiung, Voraussetzungen (II)<br />

• Fristgemäßer Schuldnerantrag auf Restschuldbefreiung (bei Eigenantrag<br />

frühestens mit Antragstellung, spätestens zwei Wochen nach Belehrung<br />

über Möglichkeit der Restschuldbefreiung, die mit Antragstellung erteilt<br />

werden soll, vgl. §§ 20 <strong>Abs</strong>. 2, 287 <strong>Abs</strong>. 1 S. 2 <strong>InsO</strong>)<br />

• Dem Antrag beizufügende Abtretungserklärung bzgl. der pfändbaren<br />

Bezüge aus Dienstverhältnissen (bzw. Äquivalent bei Selbständigkeit), vgl.<br />

§ 287 <strong>Abs</strong>. 2 S.1 <strong>InsO</strong> Ú Abtretungsempfänger: Treuhänder


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Einzelheiten:<br />

Abtretung der pfändbaren Bezüge,<br />

§ 287 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong> (I)<br />

• Laufzeit der Abtretungserklärung: 6 Jahre nach Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens, § 287 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong><br />

• Abtretungsempfänger: Treuhänder, Vorschlagsrecht § 288 <strong>InsO</strong><br />

(Schuldner und Gläubiger), Rechtsstellung: § 292 <strong>InsO</strong> (Aufgabe:<br />

informiert Drittschuldner = Arbeitgeber, sammelt Gelder ein und kehrt<br />

diese an die Insolvenzgläubiger aus, ggf. Überwachung der Erfüllung<br />

der Schuldnerobliegenheiten)<br />

• Praxisproblem: geringer Mindestumfang der Treuhändervergütung<br />

im Verbraucherinsolvenzverfahren gem. §§ 304, 311 ff. <strong>InsO</strong> von<br />

EUR 600,00 (Hintergrund: „Flut“ solcher Fälle aufgrund § 4a <strong>InsO</strong>)


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Abtretung der pfändbaren Bezüge,<br />

§ 287 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong> (II)<br />

• Hinweispflicht des Schuldners bzgl. Vorausabtretungen, § 287 <strong>Abs</strong>. 2 S.<br />

2 <strong>InsO</strong>, Wirksamkeit von Vorausabtretungen nur max. 2 Jahre nach Ende<br />

des Monats der Verfahrenseröffnung, § 114 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong>. Dies hat<br />

Auswirkungen auf die Vergabe von Verbraucherkrediten unter Sicherungsabtretung<br />

der pfändbaren Bezüge aus Arbeitsverhältnissen<br />

• Unwirksamkeit von Abtretungsverboten, § 287 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>InsO</strong><br />

• Einschränkung des Aufrechnungsrechts des Arbeitgebers gem. §§ 294<br />

<strong>Abs</strong>. 3, 114 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong> (nur im Zeitraum des § 114 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong>, also nur<br />

2 Jahre)<br />

• Vor Verfahrenseröffnung erfolgte Pfändungen der Bezüge sind nach<br />

Verfahrenseröffnung nur noch max. 1 ½ Monate wirksam, vgl. § 114 <strong>Abs</strong>.<br />

3 <strong>InsO</strong><br />

à Von den sechs Jahren der Laufzeit der Abtretung werden den<br />

Insolvenzgläubigern zumindest vier Jahre gesichert


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Entscheidung des Insolvenzgerichts, § 289 <strong>InsO</strong> (I)<br />

• Das Insolvenzgericht hört die Insolvenzgläubiger und den Insolvenzverwalter<br />

zu dem Antrag auf Restschuldbefreiung im Schlusstermin und<br />

entscheidet durch Beschluss, vgl. § 289 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong><br />

• Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss gem. § 291<br />

<strong>InsO</strong> für den Fall ordnungsgemäßer Wohlverhaltensperiode mit Bestimmung<br />

des Treuhänders<br />

• Rechtsmittel: Sofortige Beschwerde (ggf. Rechtsbeschwerde zum BGH, vgl.<br />

§ 289 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong>, §§ 6, 7 <strong>InsO</strong>, §§ 567 ff., 574 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 1, <strong>Abs</strong>. 2 Nr. 1 und<br />

2 ZPO)


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Entscheidung des Insolvenzgerichts, § 289 <strong>InsO</strong> (II)<br />

• Ausnahme: Versagung der Restschuldbefreiung, § 290 <strong>InsO</strong> unter<br />

anderem in folgenden Fällen:<br />

• Verurteilung wegen Insolvenzstraftaten der §§ 283 bis 283d StGB<br />

(Rechtskraft); auch ohne Zusammenhang mit dem konkreten<br />

Insolvenzverfahren; nicht erfasst ist Insolvenzverschleppung gem.<br />

§ 15a <strong>Abs</strong>. 4, 5 <strong>InsO</strong><br />

• vorsätzliche/grob fahrlässige falsche schriftliche Angaben des<br />

Schuldners in den letzten drei Jahren zur Kredit-<br />

/Leistungserlangung<br />

• Restschuldbefreiung erteilt/versagt innerhalb der letzten 10<br />

Jahre<br />

• Gläubigerschädigung, Mitwirkungspflichtverletzung, falsche<br />

Angaben in Verzeichnissen gem. § <strong>305</strong> <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 3 <strong>InsO</strong>


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Wohlverhaltensperiode (I)<br />

• Während der Wohlverhaltensperiode (sechs Jahre ab Verfahrensaufhebung<br />

und Ankündigung der Restschuldbefreiung, vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2008,<br />

Az. IX ZB 249/07) vereinnahmt der Treuhänder (geeignete Person, z.B.<br />

Rechtsanwalt, Steuerberater, Schuldnerberater etc.) die pfändbaren Bezüge<br />

(Arbeitseinkommen bzw. Äquivalent bei Selbstständigkeit) und darüber hinaus<br />

gehende Zahlungen an den Schuldner (z.B. den hälftigen Wert von<br />

Erbschaften, vgl. § 295 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 2 <strong>InsO</strong>)<br />

• Auskehrung von Geldern (nach Abzug der Kosten) durch den Treuhänder an<br />

die Insolvenzgläubiger aufgrund des Schlussverzeichnisses, § 292 <strong>Abs</strong>. 1 S.<br />

2 <strong>InsO</strong> (Rückfluss von 10 % bzw. 15 % an den Schuldner als Anreiz, § 292<br />

<strong>Abs</strong>. 1 S. 4 <strong>InsO</strong>). Gem. BGH, Z<strong>InsO</strong> 2005, 597, sind Masseschulden auch in<br />

der Wohlverhaltensperiode vorab zu befriedigen<br />

• Überwachung der Obliegenheitserfüllung des Schuldners im Auftrag der<br />

Gläubigerversammlung bei entsprechender Vergütung, § 292 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong>


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Wohlverhaltensperiode (II)<br />

• Besonders wichtig sind die Obliegenheiten des Schuldners während der<br />

Wohlverhaltensperiode. Obliegenheitsverletzungen führen gem. § 296<br />

<strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong> zur Versagung der Restschuldbefreiung bei entsprechendem<br />

Gläubigerantrag, wenn die Befriedigung der Insolvenzgläubiger (schuldhaft,<br />

insoweit Vermutung) verletzt wurde. Obliegenheiten sind gem. § 295 <strong>InsO</strong>:<br />

• Angemessene Erwerbstätigkeit bzw. entsprechende Bemühungen<br />

• Herausgabe von (vorweggenommenen) Erbschaften zur Hälfte ihres Wertes<br />

• Anzeigepflichten bzgl. Wohnsitzwechsel und Erbschaften etc., Auskunftspflicht<br />

• Leistung von Zahlungen nur an den Treuhänder<br />

Ú Schutz der Zahlungen aufgrund der Abtretungserklärung in der<br />

Wohlverhaltensperiode auch gem. § 294 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong>: Keine Zwangsvollstreckung<br />

für einzelne Insolvenzgläubiger während der Laufzeit der<br />

Abtretungserklärung


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Endgültige Entscheidung über die<br />

Restschuldbefreiung, § 300 <strong>InsO</strong><br />

• Das Gericht entscheidet über die zu Beginn der Wohlverhaltensperiode<br />

gem. § 291 <strong>InsO</strong> angekündigte Restschuldbefreiung gem. § 300 <strong>InsO</strong><br />

durch Beschluss (Rechtsmittel: sofortige Beschwerde)<br />

• Die Restschuldbefreiung wird erteilt, wenn die Wohlverhaltensperiode<br />

ohne vorzeitige Versagung oder sonstiges Verfahrensende verstrichen ist<br />

und keine Versagungsgründe vorliegen<br />

• Versagungsgründe sind:<br />

• Verstoß gegen Obliegenheiten, § 296 <strong>InsO</strong> (z.B. keine Ausübung/Bemühung<br />

um angemessene Erwerbstätigkeit)<br />

• Insolvenzstraftaten, § 297 <strong>InsO</strong><br />

• Mangelnde Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders, § 298 <strong>Abs</strong>. 1<br />

<strong>InsO</strong> (vgl. aber den dortigen Verweis auf § 4a <strong>InsO</strong>: Kostenstundung)


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Wirkung der Restschuldbefreiung, § 301 <strong>InsO</strong><br />

• Forderungen der Insolvenzgläubiger verlieren ihre Erfüllbarkeit,<br />

vgl. § 301 <strong>Abs</strong>. 1, 3 <strong>InsO</strong> (Naturalobligationen)<br />

• Auch nicht angemeldete Insolvenzforderungen werden von der<br />

Restschuldbefreiung erfasst, vgl. § 301 <strong>Abs</strong>. 1 S. 2 <strong>InsO</strong><br />

• Auch Regressforderungen von Bürgen und Mitschuldnern etc. erlöschen,<br />

§ 301 <strong>Abs</strong>. 2 S. 2 <strong>InsO</strong>, während Mitschuldner und Bürgen den Gläubigern<br />

weiterhin haften, § 301 <strong>Abs</strong>. 2 S. 1 <strong>InsO</strong><br />

• Gegen Vollstreckungsmaßnahmen von Insolvenzgläubigern (vollstreckbare<br />

Ausfertigungen der Insolvenztabelle, gem. § 201 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong>) ist die<br />

Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO das richtige Rechtsmittel<br />

des Schuldners (Wirkung des § 301 <strong>InsO</strong> ist neue Einwendung gegen den<br />

titulierten Anspruch)<br />

• Zu nicht erfassten Forderungen vgl. § 302 <strong>InsO</strong>, insbesondere<br />

Verbindlichkeiten aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen, sofern<br />

unter entsprechender Angabe gem. § 174 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong> zur Tabelle<br />

angemeldet; Nachmeldung des Charakters aus vorsätzlich unerlaubter<br />

Handlung möglich (BGH Z<strong>InsO</strong> 2008, 325)


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„Verbraucherinsolvenzverfahren“<br />

§§ 304 ff. <strong>InsO</strong> sehen ein vereinfachtes Insolvenzverfahren (mit zwei<br />

Vorstufen) vor:<br />

• Gesetzliche Bezeichnung Verbraucherinsolvenzverfahren ist<br />

missverständlich, vgl. § 304 <strong>Abs</strong>. 1 S. 2 <strong>InsO</strong> (vereinfachtes Verfahren<br />

auch bei selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit wenn wirtschaftliche<br />

Verhältnisse überschaubar und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen)<br />

• §§ 304 ff. <strong>InsO</strong> sind zwingend anzuwenden, wenn die Voraussetzungen<br />

gem. § 304 vorliegen:<br />

1. Natürliche Person und<br />

2.a) Keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit<br />

Oder (anstelle von 2.a) bei vorheriger selbständiger Tätigkeit:<br />

2.b) (1) Vermögensverhältnisse überschaubar (weniger als 20 Gläubiger) und<br />

(2) keine Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen


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Ablauf des „Verbraucherinsolvenzverfahrens“ (I)<br />

Mit dem Eröffnungsantrag hat der Schuldner gem. § <strong>305</strong> <strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong> eine<br />

Bescheinigung über einen erfolglosen außergerichtlichen Einigungsversuch mit<br />

seinen Gläubigern und einen Plan für eine gerichtliche Schuldenbereinigung (ohne<br />

vereinfachtes Insolvenzverfahren) vorzulegen (Formulare für den Antrag gem.<br />

§ <strong>305</strong> <strong>Abs</strong>. 5 <strong>InsO</strong> i.V.m. VbrInsVV). Daraus ergeben sich zwei Vorstufen des<br />

„Verbraucherinsolvenzverfahrens“, die dessen Notwendigkeit möglichst vermeiden<br />

sollen:<br />

1. Schuldenbereinigungsversuch (§§ 304, <strong>305</strong> <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 1 <strong>InsO</strong>, außergerichtlich<br />

und vor Schuldnerantrag, § <strong>305</strong> <strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong> bzw. Gläubigerantrag,<br />

§ 306 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>InsO</strong>)<br />

2. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren, § <strong>305</strong> <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 4 <strong>InsO</strong>. Bis<br />

zur Entscheidung ruht das Verfahren über den Eröffnungsantrag gem. § 306<br />

<strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong> (Dauer: möglichst nicht über 3 Monate)<br />

• § 307 <strong>InsO</strong>: Zustellung des Schuldenbereinigungsplans nebst<br />

Vermögensübersicht an die Gläubiger (Notfrist: 1 Monat für Stellungnahme)<br />

• § 308 <strong>InsO</strong>: Annahmefiktion soweit keine Einwendungen erfolgen,<br />

Wirkung: wie Vergleich gem. § 794 <strong>Abs</strong>. 1 Nr. 1 ZPO, Fiktion bzgl.<br />

Rücknahme des Eröffnungsantrags und Restschuldbefreiungsantrags


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Ablauf des „Verbraucherinsolvenzverfahrens“ (II)<br />

Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren (Fortsetzung):<br />

• § 309 <strong>InsO</strong>: Zustimmungsersetzung auf Gläubiger- oder Schuldnerantrag<br />

bei gegebenen Einwendungen wenn Kopf- und Summenmehrheit<br />

zustimmender Gläubiger (keine Zustimmungsersetzung bei<br />

Schlechterstellung des widersprechenden Gläubigers gegenüber den<br />

übrigen Gläubigern oder gegenüber der Situation bei Durchführung des<br />

Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung. Vgl. die geplante zweite Stufe<br />

der Insolvenzrechtsreform, S. 18 dieses Vorlesungsteils: Danach ggfs.<br />

Ersetzung der Zustimmung ablehnender Gläubiger durch Insolvenzgericht)<br />

Ú Gläubigerwiderspruch daher regelmäßig sinnvoll, wenn weniger als<br />

pfändungsfreies Einkommen für 6 Jahre verteilt wird)<br />

• Zulässigkeit sogenannter Nullpläne<br />

• Nicht durch Zustimmung ersetzte Einwendungen gegen den<br />

Schuldenbereinigungsplan führen gem. § 311 <strong>InsO</strong> zur Wiederaufnahme<br />

des Verfahrens über den Insolvenzeröffnungsantrag


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Vereinfachtes Insolvenzverfahren, §§ 311 ff. <strong>InsO</strong><br />

• Das vereinfachte Insolvenzverfahren folgt den Regelungen des „normalen“<br />

Insolvenzverfahrens. Es gelten folgende Besonderheiten:<br />

• Eventuell vorläufiger Treuhänder anstelle des vorläufigen<br />

Insolvenzverwalters (§§ 306 <strong>Abs</strong>. 2, 304 <strong>Abs</strong>. 1, 21 <strong>InsO</strong>)<br />

• Kein Berichtstermin, nur Prüfungstermin, § 312 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>InsO</strong><br />

• Treuhänder, § 313 <strong>InsO</strong> anstelle des Insolvenzverwalters, Befugnisse<br />

gem. §§ 56 ff. <strong>InsO</strong> neben § 292 <strong>InsO</strong><br />

• Anfechtung durch die Insolvenzgläubiger, § 313 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong> anstelle<br />

des Insolvenzverwalters<br />

• Verwertung bei <strong>Abs</strong>onderungsrechten durch die Gläubiger, § 313<br />

<strong>Abs</strong>. 3 S. 2 <strong>InsO</strong> anstatt durch den Insolvenzverwalter (keine<br />

Kostenbeiträge!)<br />

• Keine Insolvenzpläne, keine Eigenverwaltung, § 312 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>InsO</strong><br />

• In der Regel keine Masseverwertung, statt dessen Ablösungszahlung,<br />

§ 314 <strong>Abs</strong>. 1 S. 2 <strong>InsO</strong> (mit Wirkung auf die Entscheidung über die<br />

Restschuldbefreiung, § 314 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>InsO</strong>)


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Zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform<br />

Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung<br />

der Gläubigerrechte (vgl. BR-Drucks. 467/12 vom 10.08.2012; BT-Drucks. 17/11268 vom<br />

31.10.2012; www.bmj.de; Deutscher Bundestag, erste Beratung, Plenarprotokoll 17/211 vom<br />

29.11.2012, TOP 18: Überweisung an den Rechtsausschuss und an den Finanzausschuss):<br />

• Die lange Wohlverhaltensperiode bei der Restschuldbefreiung soll abgekürzt werden<br />

• Verkürzung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs Jahren<br />

auf drei Jahre, wenn es dem Schuldner gelingt, innerhalb der ersten drei Jahre des<br />

Verfahrens mindestens 25% der Gläubigerforderungen und die Verfahrenskosten<br />

zu begleichen<br />

• Verkürzung auf fünf Jahre, wenn zumindest die Verfahrenskosten beglichen werden<br />

• Ansonsten bleibt es bei der aktuellen Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von<br />

sechs Jahren<br />

• Neuregelung soll für alle natürlichen Personen gelten, keine Beschränkung auf<br />

Existenzgründer oder Verbraucher<br />

• Umgestaltung des Einigungsversuchs im Verbraucherinsolvenzverfahren. Schuldner<br />

erhält die Möglichkeit, die Zustimmung einzelner den Schuldenbereinigungsplan<br />

ablehnender Gläubiger vom Insolvenzgericht ersetzen zu lassen. Zudem kein<br />

außergerichtlicher Einigungsversuch, wenn dieser offensichtlich aussichtslos ist<br />

• Grund der Reform: „Zweite Chance“ durch schnelleren „fresh start“; unternehmerisches<br />

Potential soll möglichst schnell wieder aktiviert werden. Zugleich „Steigerung der<br />

Effektivität“ des Verfahrens durch schnellere Abwicklung


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Nachlassinsolvenzverfahren, §§ 315 ff. <strong>InsO</strong> (I)<br />

Sonderinsolvenzverfahren (Partikularinsolvenzverfahren) über bestimmte<br />

Vermögensmasse:<br />

• Ziel: Beschränkte Erbenhaftung, vgl. §§ 1975, 2013 BGB, Gleichbehandlung<br />

der Nachlassgläubiger<br />

• Antragsfrist: Gem. § 319 <strong>InsO</strong> 2 Jahre (für Nachlassgläubiger)<br />

• Insolvenzgrund: Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, § 320 S. 1 <strong>InsO</strong><br />

(drohende Zahlungsunfähigkeit bei Insolvenzantrag des Erben,<br />

Nachlasspflegers etc.)<br />

• Bei bloßer Zahlungsunfähigkeit ohne Überschuldung (reine Illiquidität trotz<br />

ausreichender Vermögenswerte) ist Nachlassverwaltung gem. § 1975 BGB<br />

möglich<br />

• Antragsberechtigung gem. § 317 <strong>InsO</strong>: Erbe, Nachlassverwalter,<br />

Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker, Nachlassgläubiger


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Nachlassinsolvenzverfahren, §§ 315 ff. <strong>InsO</strong> (II)<br />

• Erweiterung der Masseverbindlichkeiten gem. § 324 <strong>InsO</strong> auf die durch den<br />

Erbfall erforderlich gewordenen Aufwendungen (z.B. Kosten der<br />

Beerdigung werden voll aus der Nachlassinsolvenzmasse befriedigt, vgl. § 324<br />

<strong>Abs</strong>. 1 Nr. 2 <strong>InsO</strong>)<br />

• Insolvenzforderungen sind alle Nachlassverbindlichkeiten, vgl. § 325 <strong>InsO</strong>,<br />

zur Nachrangigkeit vgl. § 327 <strong>InsO</strong> (alle Forderungen die gegen den Erblasser<br />

selbst nicht eingeklagt werden können, z.B. Ansprüche aus Pflichtteilen,<br />

Vermächtnissen und Auflagen)<br />

Ú Letztlich führt das Nachlassinsolvenzverfahren zur Trennung von Nachlass<br />

(Insolvenzmasse) und Eigenvermögen des Erben einerseits sowie Nachlassgläubigern<br />

und Eigengläubigern des Erben<br />

Ú Ansprüche des Erben gegen den Erblasser leben bei Insolvenzeröffnung<br />

wieder auf, § 1976 BGB, vgl. § 326 <strong>InsO</strong><br />

• Zur Doppelinsolvenz des Erben und des Nachlasses vgl. § 331 <strong>InsO</strong><br />

(Nachlassgläubiger, denen der Erbe auch unbeschränkt haftet, sind<br />

absonderungsberechtigt)


RA Prof. Dr. Georg Streit, HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK Vorlesung Insolvenz und Sanierung FS 2013 XI./21<br />

Prinzregentenstr. 48, 80538 München, Tel: 089 – 540 31 227<br />

Insolvenzverfahren über Gesamtgut, §§ 332 ff. <strong>InsO</strong><br />

• Bei fortgesetzter Gütergemeinschaft (§§ 1483 ff. BGB) kann der überlebende<br />

Gatte seine persönliche Haftung wegen Gesamtgutsverbindlichkeiten nach<br />

§ 1489 <strong>Abs</strong>. 1 und 2 BGB auf das Gesamtgut beschränken. Es ergibt sich<br />

dann ein Insolvenzverfahren über eine Sondermasse (sog. Partikularinsolvenzverfahren).<br />

§ 332 <strong>InsO</strong> verweist insoweit auf §§ 315 ff. <strong>InsO</strong><br />

• Bei Gütergemeinschaft hat das Gesamtgut beider Ehegatten<br />

(Gesamthandsgemeinschaft), das durch einen oder beide Gatten<br />

gemeinschaftlich verwaltet wird (§§ 1421 ff. BGB, 1450 ff. BGB) eine<br />

Sonderstellung:<br />

• Es fällt nur in die Insolvenzmasse des Ehegatten, der das Gesamtgut allein<br />

verwaltet<br />

• Verwalten beide Gatten das Gesamtgut, fällt es nicht in die Insolvenzmasse<br />

des jeweils insolventen Ehegatten<br />

• Zum Ausgleich gibt es für die Gesamtgutsgläubiger im Sinne von §§ 1459 ff.<br />

BGB ein Partikularinsolvenzverfahren über das Gesamtgut als Sondermasse,<br />

vgl. § 333 f. <strong>InsO</strong>

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