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Identität und Erinnerung - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

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zweite Generation nach Auffassung Christian Schnei<strong>der</strong>s die 68er-Generation,<br />

wo sich diese Identifi kation mit den jüdischen Opfern auch ganz<br />

handfest manifestierte, etwa bei den eigenen Kin<strong>der</strong>n, die zum Beispiel<br />

häufi g jüdische Namen wie Lea, Sarah, Daniel o<strong>der</strong> David tragen: „Man<br />

wollte etwas wie<strong>der</strong>gutmachen <strong>und</strong> eine an<strong>der</strong>e Genealogie haben,<br />

einen an<strong>der</strong>en Ursprung.“ Der Soziologe <strong>und</strong> Psychotherapeut verdeutlichte<br />

die Ambivalenz dieses Verhaltens: Auf <strong>der</strong> einen Seite sei diese<br />

Gegenidenti fi zierung ein sehr wichtiger, sozialpsychologisch notwendiger<br />

Schritt <strong>der</strong> Befreiung gewesen, um die Elterngeneration in berechtigten<br />

Punkten anklagen <strong>und</strong> sich selbst klar abgrenzen zu können. Auf<br />

<strong>der</strong> an <strong>der</strong>en Seite sei dieses Verhalten aber „kollektiv neurotisch“ geworden,<br />

indem man sich, obwohl historisch unbeteiligt, zum Opfer seiner<br />

Eltern erklärte <strong>und</strong> anschließend versucht habe, diesen Opferstatus festzuschreiben.<br />

Christian Schnei<strong>der</strong> hat mit seinem Buch erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit<br />

erregt, obwohl diese These <strong>der</strong> Opferidentifi kation nicht neu ist,<br />

worauf Gabriele von Arnim hinwies: Der Historiker Christian Meier habe<br />

bereits in seinem 1987 veröffentlichten Buch 40 Jahre nach Auschwitz<br />

formuliert, es sei eine bodenlose List <strong>der</strong> Nachgeborenen, sich mit den<br />

Opfern <strong>der</strong> Elterngeneration zu identifi zieren, da man sich so von <strong>der</strong><br />

Erbschaft <strong>der</strong> Täter freispreche – ein Gedanke, <strong>der</strong> aber damals nicht intensiv<br />

öffentlich diskutiert worden sei.<br />

<strong>Erinnerung</strong>spolitik<br />

Die ausbleibende öffentliche Debatte über diese These erklärte Christian<br />

Schnei<strong>der</strong> damit, dass die 68er-Generation die öffentliche Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> NS-Vergangenheit seinerzeit durchgesetzt <strong>und</strong> die <strong>Erinnerung</strong>spolitik<br />

in den letzten Jahrzehnten weitgehend bestimmt habe.<br />

Man müsse sich klar machen, dass öffentliche, kollektive <strong>Erinnerung</strong> hochgradig<br />

sozial codiert sei <strong>und</strong> auch von den Interessen <strong>der</strong> Beteiligten<br />

NS-Vergangenheit<br />

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