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Identität und Erinnerung - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

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die DDR als Staat zu bewerten ist. Dies zeigt sich an Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

um politische Begriffe wie „Unrechtsstaat“ 14 , aber auch bei Konzepten<br />

wie zum Beispiel „Nischengesellschaft“ 15 .<br />

Monika Gibas hält aus eigener Anschauung den Begriff „Nischengesellschaft“<br />

für völlig ungeeignet, um das Leben in <strong>der</strong> DDR zu beschreiben.<br />

Als politischer Begriff impliziere er, die DDR-Gesellschaft habe sich vor<br />

dem Staat ins Private zurückgezogen <strong>und</strong> sich vom Politischen abgeschottet:<br />

„Das stimmt so einfach nicht. Das ist ein Klischee.“ So betrachtet,<br />

sei auch die alte B<strong>und</strong>esrepublik eine Nischengesellschaft gewesen, <strong>und</strong><br />

die gegenwärtige Gesellschaft – angesichts <strong>der</strong> Rückzugstendenzen aus<br />

<strong>der</strong> Politik – ebenso. Zumindest in den Aufbaujahren <strong>der</strong> DDR habe es eine<br />

ganze Reihe von Leuten gegeben, die den neuen sozialistischen Staat mit<br />

gestalten wollten <strong>und</strong> sich politisch engagierten. Die zwei Millionen<br />

SED-Mitglie<strong>der</strong> seien nicht alles Opportunisten gewesen, wie es aus<br />

Westsicht manchmal gesagt werde: dass man in die Partei gegangen sei,<br />

um Karriere zu machen. Auf die meisten habe das nicht zugetroffen, auch<br />

nicht auf sie selbst: „Auch ich war überzeugt von dem System – bei allen<br />

Problemen, die es gab. Aber man hat ja versucht, an dieser Vision weiterzuarbeiten.“<br />

Die Vorstellung, dass mehr o<strong>der</strong> weniger alle gegen das<br />

System waren <strong>und</strong> sich in Nischen zurückzogen, sei nicht zutreffend:<br />

„So einfach war es nicht, sonst hätte das Ganze nicht vierzig Jahre gehalten.“<br />

14 So löste zum Beispiel die Äußerung von B<strong>und</strong>eskanzlerin Merkel 2009, die DDR sei ein „Unrechtsstaat“<br />

gewesen, eine heftige Kontroverse unter Politikern <strong>und</strong> Wissenschaftlern aus.<br />

15 Der Begriff <strong>der</strong> „Nischengesellschaft“ wurde von dem Diplomaten <strong>und</strong> Journalisten Günter<br />

Gaus geprägt, <strong>der</strong> seine Erfahrungen als Ständiger Vertreter <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

in Ostberlin in dem Essayband Wo Deutschland liegt. Eine Ortsbestimmung (Hamburg<br />

1983) geschil<strong>der</strong>t hatte. Mit dem Konzept wollte er verdeutlichen, dass die Normalität ostdeutschen<br />

Lebens jenseits <strong>der</strong> parteioffi ziellen Darstellung <strong>der</strong> SED lag, aber auch jenseits<br />

<strong>der</strong> in Westdeutschland dominierenden Vorstellung, die DDR sei ein totalitärer Staat ohne<br />

jegliche individuelle Handlungsspielräume <strong>der</strong> DDR-Bürger. Mit „Nischen“ sollten die<br />

Bereiche bezeichnet werden, in denen die Menschen sich Freiräume jenseits staatlichen<br />

Zwangs schufen.<br />

Teilung <strong>und</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />

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