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Katastrophenmedizin neu - deNIS

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<strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

Leitfaden für die ärztliche Versorgung<br />

im Katastrophenfall


<strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastrophenfall


Schutzkommission<br />

beim<br />

Bundesminister des Innern<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

Leitfaden für die ärztliche Versorgung<br />

im Katastrophenfall<br />

3. ergänzte Auflage 2003<br />

Berlin 2003


<strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastrophenfall<br />

Herausgeber:<br />

Bundesministerium des Innern<br />

Alt Moabit 101<br />

10559 Berlin<br />

Redaktion:<br />

Dr. med. Johann Wilhelm Weidringer<br />

Chirurg, Geschäftsführender Arzt<br />

Bayerische Landesärztekammer<br />

Mühlbaurstr. 16<br />

81677 München<br />

Direktor und Professor Dr. rer. nat. Wolfgang Weiss<br />

Geschäftsführer der Schutzkommission beim Bundesminister<br />

des Inneren<br />

c/o Bundesamt für Strahlenschutz – Institut für Strahlenhygiene<br />

Ingolstädter Landstr. 1<br />

85764 Oberschleißheim/Neuherberg<br />

Mit Beiträgen von:<br />

Prof. Dr. B. Domres, Prof. Dr. A. Ekkernkamp, Dr. N. Felgenhauer,<br />

Dr. E.-J. Finke, Prof. Dr. R. E. Fock, Dr. H. Haller, Dr. W.<br />

Kirchinger, Prof. Dr. J. Knobloch, Dr. G. Matthes, Dipl. Päd. H. F.<br />

Peter, Prof. Dr. E. Pfenninger, Prof. Dr. E. Rebentisch, Prof. Dr. J.<br />

Schüttler, Prof. Dr. P. Sefrin, Dipl. Chem. Dr. R. Spörri, Dr. H.<br />

Strauss, Dr. N. Vogt, Dipl. Theol. F. Waterstraat, Dr. J. W.<br />

Weidringer, Prof. Dr. W. Weiss, Prof. Dr. Th. Zilker; Arbeitskreis<br />

Notfallmedizin und Rettungswesen e.V. München (Basis-Layout<br />

des Einsatzablauf-Flussdiagramms, S. 244)<br />

Bildquellennachweis:<br />

Alle Abbildungen des Deckumschlages © dpa<br />

Das vorliegende Werk konnte nur Dank des Engagements bei<br />

Organisation und Textverarbeitung von v.a. Frau Sybille Ryska<br />

und Frau Ursula Seifert fertig gestellt werden.<br />

ISBN 3-00-007967-X<br />

01. - 30.000: 2001<br />

31. - 60.000: 2002<br />

61. - 90.000: 2003<br />

4


Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten<br />

Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des<br />

Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und<br />

Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung<br />

auf anderen Wegen und der Speicherung sowie<br />

Verarbeitung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei<br />

nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung<br />

dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im<br />

Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen<br />

des Urheberrechtsgesetzes vom 09.06.1965, BGBl I, S. 1237,<br />

zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetztes vom 16.07.1998,<br />

BGBl. I, S. 1827 zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig.<br />

Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen<br />

des Urheberrechtsgesetzes.<br />

Die in den einzelnen Kapiteln ausgeführten Überlegungen stellen<br />

keine Meinungsäußerung des Herausgebers oder der Redaktion<br />

dar, sondern entsprechen denjenigen des jeweiligen<br />

Autors.<br />

© Bundesministerium des Innern, Berlin 2003<br />

Printed in Germany<br />

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen<br />

u.s.w. in diesem Werk berechtigt auch ohne<br />

besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche<br />

Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung<br />

als frei zu betrachten wären und daher von jedermann<br />

benutzt werden dürften.<br />

Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen<br />

und Applikationsformen kann weder vom Herausgeber noch<br />

von der Redaktion noch von den Autoren eine Gewähr übernommen<br />

werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen<br />

Anwender im Einzelfall, z. B. anhand weiterer Literaturstellen<br />

sowie anhand des gegebenen Standes von Wissenschaft und<br />

Technik, auf ihre Richtigkeit überprüft werden.<br />

Mit den in diesem Werk verwandten Personen- und Berufsbezeichnungen<br />

sind, auch wenn sie nur in einer Form auftreten,<br />

grundsätzlich gleichwertig beide Geschlechter gemeint.<br />

Herstellung, Satz, Druck und Bindearbeiten:<br />

Offizin Hildburghausen GmbH<br />

Gedruckt auf chlorfreiem Papier<br />

5


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Geleitworte<br />

Bundesministerin für Gesundheit und<br />

Bundesminister des Innern.<br />

Deutsche Gesellschaft für <strong>Katastrophenmedizin</strong> e.V...........8/9<br />

2. Vorwort<br />

A. Scharmann, W. Weiss ................................................11<br />

3. Ethik und Recht der <strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

E. Rebentisch ..................................................................13<br />

4. Aspekte zur <strong>Katastrophenmedizin</strong> und<br />

Definitionen ihrer Inhalte und Aufgabe<br />

J. W. Weidringer ..............................................................25<br />

Allgemeine Aspekte zu Katastrophensituationen<br />

5. Der Mensch in der Katastrophe:<br />

Psychologisch-seelsorgerliche Aspekte<br />

F. Waterstraat ..................................................................31<br />

6. Lebensrettende Sofortmaßnahmen unter<br />

Katastrophenbedingungen<br />

P. Sefrin ..........................................................................45<br />

Spezielle medizinische Maßnahmen<br />

7. Therapie des Volumenmangelschocks<br />

E. Pfenninger, N. Vogt ....................................................63<br />

8. Schmerzbehandlung und Anästhesie unter<br />

Katastrophenbedingungen<br />

E. Pfenninger ..................................................................70<br />

9. Chirurgische Maßnahmen im Katastrophenfall bei<br />

Patienten mit Kombinationstraumen/Versorgungsstrategien<br />

bei polytraumatisierten Patienten<br />

A. Ekkernkamp, G. Matthes ............................................79<br />

10. Maßnahmen bei thermischen Schädigungen<br />

im Katastrophenfall<br />

H. Haller ..........................................................................90<br />

Spezielle Schädigungsmechanismen<br />

11. Ärztliche Maßnahmen bei Strahlenunfällen und<br />

Strahlenkatastrophen<br />

W. Kirchinger ................................................................117<br />

6


12. Management von Gefahrgutunfällen und<br />

Massenvergiftungen<br />

Th. Zilker, N. Felgenhauer, R. Spörri..............................144<br />

13. Seuchenhygiene und -bekämpfung<br />

J. Knobloch, E.-J. Finke, B. Domres. ............................180<br />

Aspekte zum Management in Katastrophensituationen<br />

14. Katastrophenmanagement im Krankenhaus –<br />

Empfehlungen für den Ärztlichen Dienst<br />

H. Strauss, J. Schüttler. ................................................227<br />

Anhang<br />

– Einsatzablauf-Flussdiagramm ......................................244<br />

– Übersicht Regionaler Strahlenschutzzentren<br />

[aus Kapitel 11]. ............................................................257<br />

– Schwerbrandverletzte: Liste der am Vermittlungsverfahren<br />

der Zentralen Anlaufstelle (ZA)<br />

Schwerbrandverletzte beteiligten Krankenhäuser;<br />

Bettennachweis; Übersichtskarte. ................................260<br />

– Übersicht zu Gift-Informationszentren in der<br />

Bundesrepublik Deutschland [aus Kapitel 12] ..............270<br />

– Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen<br />

[aus Kapitel 12]..............................................................273<br />

– Poison Severity Score (PSS) [aus Kapitel 12] ..............274<br />

– Meldeformulare [vgl. Kapitel 13]<br />

zum Infektionsschutzgesetz (IfSG) ................................279<br />

Statistiken/Übersichten. ........................................................283<br />

Autorenverzeichnis. ................................................................295<br />

Stichwortverzeichnis. ............................................................301<br />

Varia ......................................................................................317<br />

15. Großschadenslagen durch biologische Agenzien<br />

R. Fock ..........................................................................346<br />

7


Geleitwort<br />

Ramstein, Eschede, Brühl, der Sturm Lothar, Enschede und<br />

Kaprun sind konkrete Beispiele dafür, dass wir trotz des wissenschaftlichen<br />

und technologischen Fortschritts und trotz vielfältiger<br />

Präventivmaßnahmen vor Katastrophen nicht gefeit sind. Naturereignisse,<br />

technische Katastrophen und nicht zuletzt die Terroranschläge<br />

des 11. September 2001 in den USA führen uns die<br />

menschliche Verwundbarkeit vor Augen.<br />

Den Betroffenen einer Katastrophe die bestmögliche Hilfe zu<br />

gewähren, muss Ziel aller Gefahrenabwehrmaßnahmen sein. Der<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong> kommt hierbei die wichtige Funktion der<br />

medizinischen Versorgung der Betroffenen zu, einer Versorgung,<br />

die auch bei einer Vielzahl Verletzter unter schwierigsten Rahmenbedingungen<br />

effizient sein muss. Das stellt hohe und spezielle<br />

Anforderungen an Wissen und Können des medizinischen<br />

Personals, insbesondere auch an das der behandelnden Ärzte.<br />

Das erforderliche Wissen in diesen Fällen ist niemals so breit<br />

gefächert präsent, wie es von der Sache her erforderlich wäre.<br />

Dies hängt erheblich damit zusammen, dass – glücklicherweise<br />

und dank wirksamer Präventivmaßnahmen – Katastrophen mit<br />

einer großen Anzahl Verletzter sehr selten sind.<br />

Der vorliegende Leitfaden für die ärztliche Versorgung soll einen<br />

Beitrag zur Aktualisierung und Verbreiterung der ärztlichen<br />

Wissensbasis in der <strong>Katastrophenmedizin</strong> leisten. Er gibt in<br />

kompakter Form und unter Berücksichtigung des aktuellen Erkenntnisstands<br />

Ratschläge und Hinweise zur Entscheidungsfindung<br />

sowie zur jeweils notwendigen Behandlung.<br />

Der <strong>neu</strong>e Leitfaden hat eine überwältigende Resonanz gefunden,<br />

die kurzfristig eine weitere Neuauflage erforderlich machte.<br />

Damit wird ein weiterer wichtiger Beitrag geleistet, um möglichst<br />

viele Ärzte in die Lage zu versetzen, in einer Notsituation<br />

angemessen reagieren zu können. Der Schutzkommission beim<br />

Bundesminister des Innern und den engagierten Verfassern sei<br />

dafür gedankt, dass sie sich dieser anspruchsvollen humanitären<br />

Aufgabe ehrenamtlich angenommen haben.<br />

Otto Schily Ulla Schmid<br />

Bundesminister des Innern Bundesministerin<br />

für Gesundheit und<br />

Soziale Sicherung<br />

8


Geleitwort<br />

Die zurückliegenden Jahre waren geprägt von einer Zunahme von<br />

Naturkatastrophen und Großschadensfällen, die jedem vor Augen<br />

führen, dass trotz hoher Technisierung und Etablierung von Rettungsdiensten<br />

diese nicht ausreichen, um die Folgen derartiger<br />

Geschehen zu verringern oder sie zu verhindern. Das Jahr 1999<br />

hat mit seinen Schäden die zweithöchste Schadenslast der<br />

Geschichte ausgelöst. Bei weltweit 326 Ereignissen im Jahr 1999<br />

kamen über 105.000 Menschen ums Leben. Dies ist der Grund,<br />

weshalb eine Befassung mit der Prävention von Katastrophen und<br />

der Bewältigung ihrer Folgen unbedingt erforderlich scheint. Die<br />

Zunahme der Großschadensfälle erfordert nicht nur technische<br />

Vorbereitungen zur Hilfeleistung, sondern auch im medizinischen<br />

Bereich sind besondere Vorgehensweisen, die sich von der üblichen<br />

Patientenversorgung unterscheiden, notwendig. Eine Katastrophe<br />

ist ein Schadensereignis, das durch eine Überforderung<br />

der initial zu seiner Bewältigung verfügbaren Infrastruktur gekennzeichnet<br />

ist. Gewohnte und bei der Notfallmedizin bewährte<br />

Versorgungsverfahren sind angesichts der Vielzahl Behandlungsbedürftiger<br />

nicht adäquat. Nur durch gezielt und frühzeitig ergriffene,<br />

der Situation und den verfügbaren Möglichkeiten angepasste<br />

Rettungs- und Hilfsmaßnahmen besteht die Chance, die Schadensfolgen<br />

im Hinblick auf ein Überleben und eine Minderung der<br />

körperlichen Verletzungs- bzw. Erkrankungsfolgen geringer zu<br />

halten.<br />

Der Bereich <strong>Katastrophenmedizin</strong> wird im Rahmen der Ausbildung<br />

von Ärzten in Deutschland nur randständig gestreift, so<br />

dass der einzelne Arzt über seine spezifische Fachrichtung hinaus<br />

in diesem Bereich nach Abschluss seines Studiums keine<br />

ausreichenden Kenntnisse und Erfahrungen hat. Selbst im<br />

Rettungsdienst tätige Notärzte haben erhebliche Schwierigkeiten,<br />

ihr ärztliches Handeln von einer „Individualmedizin“ auf<br />

eine „Massenmedizin“ umzustellen. Aus diesem Grunde ist es<br />

nicht nur berechtigt, sondern dringend notwendig, das Anliegen<br />

der <strong>Katastrophenmedizin</strong> einem breiteren interessierten Leserkreis<br />

– auch über die ärztliche Zielgruppe hinaus – näher zu bringen.<br />

Dem Bundesministerium des Innern, insbesondere der Schutzkommission,<br />

ist zu danken, dass sie die Initiative ergriffen hat<br />

und namhafte Referenten zur Darlegung der speziellen Problematik<br />

der Versorgung differenter Katastrophen gewinnen konnte.<br />

Die Auswahl der Autoren bürgt dafür, dass aktuelle und<br />

nachvollziehbare Informationen und Hilfestellungen vermittelt<br />

9


werden, nachdem viele dieser Autoren auch Mitglieder der<br />

Deutschen Gesellschaft für <strong>Katastrophenmedizin</strong> e.V. sind und<br />

meist praktische Erfahrungen in der Bewältigung von Großschadensfällen<br />

besitzen.<br />

Katastrophen machen es auch im medizinischen Bereich erforderlich,<br />

den Anspruch des einzelnen Betroffenen ernst zu nehmen,<br />

auch unter den beschränkten Verhältnissen eine möglichst<br />

optimale Hilfe zu erhalten. Andererseits gilt es zu beachten,<br />

dass jeder in die Lage kommen kann, bei Eintritt eines derartigen<br />

Geschehens Hilfe leisten zu müssen, denn die routinemäßig<br />

vorgehaltenen Rettungsmittel mit dem Personal des Rettungsdienstes<br />

werden zur Versorgung der Vielzahl der Betroffenen<br />

nicht ausreichen. Für die Ersthelfenden – auch Ärzte – besteht<br />

eine enorme physische und psychische Belastung, auf die zumindest<br />

eine mentale Vorbereitung erforderlich ist.<br />

Aus diesem Grund können die einzelnen Kapitel des Leitfadens<br />

u.a. dem Arzt eine konkrete Hilfestellung für seine Aufgabe unter<br />

den besonderen Bedingungen der Katastrophe offerieren. Dies<br />

ist auch der Grund, weshalb die Deutsche Gesellschaft für<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong> e. V. das Anliegen des Leitfadens uneingeschränkt<br />

unterstützt und wünscht, dass durch eine weite Verbreitung<br />

dieses Buches eine möglichst große Zahl v. a. von Ärzten<br />

mit dem Inhalt vertraut gemacht wird. Aus diesem Grunde<br />

wünschen wir dem Leitfaden eine hohe Streuung unter der<br />

deutschen Ärzteschaft und allen weiteren Interessierten, um im<br />

konkreten Falle dem humanitären Anspruch gerecht werden zu<br />

können.<br />

Prof. Dr. P. Sefrin<br />

Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft<br />

für <strong>Katastrophenmedizin</strong> e.V.<br />

10


Vorwort<br />

Die Schutzkommission beim Bundesminister des Innern hat<br />

erstmals im Jahr 1982 mit dem „Leitfaden für die ärztliche Versorgung<br />

im Katastrophenfall“ ein „Vademekum für Ärzte“ vorgelegt,<br />

das letztlich in Katastrophenfällen dazu beitragen soll, „das<br />

ärztlich Notwendige zu tun oder zu veranlassen“. Dieser Leitfaden<br />

erfreute sich mit einer Gesamtauflage von etwa 150.000<br />

Exemplaren großer Beliebtheit und wurde inzwischen viermal in<br />

überarbeiteter Form aufgelegt. Die 2001 vorgelegte Neuauflage<br />

2001 war erforderlich geworden, weil nach nahezu 20 Jahren<br />

seit der Erstveröffentlichung die Einschätzung der Gefahrenpotentiale<br />

einerseits sowie die Inhalte und die Organisation der<br />

ärztlichen Versorgung in Deutschland andererseits sich so sehr<br />

verändert hatten, dass eine weitere Überarbeitung dem Anliegen<br />

eines „Vademekums“ nicht mehr gerecht geworden wäre.<br />

Schon nach kurzer Zeit war der Leitfaden vergriffen und es wurden<br />

Neuauflagen 2002 sowie 2003 notwendig.<br />

Die Neuauflage 2003 des „Leitfadens“ berücksichtigt die Forschungsergebnisse<br />

der letzten Jahre ebenso wie die praktischen<br />

Erfahrungen aus Großschadensereignissen und die nicht<br />

minder wichtigen planerisch-organisatorischen Vorkehrungen<br />

der Einheiten der Gefahrenabwehr. All diese Faktoren sind wesentlich<br />

für die erfolgreiche ärztliche Versorgung in Großschadensereignissen,<br />

in Katastrophensituationen und im Verteidigungsfall.<br />

Die Schutzkommission hat sich in den letzten Jahren wiederholt<br />

mit den Konsequenzen der Veränderungen der sicherheitspolitischen<br />

Lage in Europa, der mit dem <strong>neu</strong>en Zivilschutzgesetz veränderten<br />

gesetzlichen Lage in der Bundesrepublik, den Risiken<br />

einer zunehmend technisierten Gesellschaft und den Möglichkeiten<br />

und Notwendigkeiten zur Gefahrenabwehr und zum<br />

Schutz der Bevölkerung befasst. Zu nennen sind hier insbesondere<br />

die Gefahrenberichte (1996 sowie 2001) 1 und der „Medizinbericht“<br />

2 aus dem Jahr 1999. Die Ergebnisse dieser Beratungen<br />

sind ebenfalls in die Neufassung des „Leitfadens“<br />

eingeflossen. Die Neuauflage setzt entsprechend dieser Analysen<br />

<strong>neu</strong>e inhaltliche Schwerpunkte. So wurde z.B. die nach<br />

1 Mögliche Gefahren für die Bevölkerung bei Großkatastrophen und im Verteidigungsfall<br />

(„Gefahrenbericht“); Schutzkommission beim BMI, Oktober 1996, 47 Seiten, 2. Gefahrenbericht,<br />

Oktober 2001, 80 Seiten<br />

2 Untersuchungen der gesetzlichen Regelungen zum Schutz und zur Rettung von Menschenleben<br />

sowie zur Wahrung und Wiederherstellung der Gesundheit bei Großschadensereignissen.<br />

Schutzkommission beim BMI, Mai 1999, 36 Seiten<br />

11


Tschernobyl erfolgte Fokussierung auf Fragen des Strahlenschutzes<br />

relativiert. Neu sind die Ausführungen zur Stressbewältigung<br />

in und nach belastenden Einsätzen, die die Erkenntnisse<br />

aus Großschadensereignissen der letzten Jahren<br />

berücksichtigen.<br />

Der Terroranschlag in New York City, USA, am 11. September 2001,<br />

hat die Notwendigkeit der Beschäftigung hinsichtlich Prävention<br />

und Umgang mit Katastrophenereignissen in tragischer Weise deutlich<br />

werden lassen.<br />

Die Zielrichtung und die Zielgruppe des „Leitfadens“ sind unverändert<br />

geblieben. Der Leitfaden ist auch dazu bestimmt, am Ort<br />

des Geschehens zu Rate gezogen zu werden. Insofern hat die<br />

bisherige Veröffentlichungsform als „Hand-“ bzw. „Taschenbuch“<br />

auch im Zeitalter des Internets und der PC gestützten Informationsvermittlung<br />

nach wie vor ihre Berechtigung und<br />

Bedeutung. Zielgruppen des Leitfadens sind auf der einen Seite<br />

v. a. Ärzte, die nicht über hinreichende Erfahrungen in der <strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

verfügen, auf der anderen Seite in der <strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

erfahrene Ärzte, die sich in Fragen außerhalb<br />

ihres Spezialgebiets vertieft orientieren wollen. Hinweise zur<br />

Verbesserung des gegenwärtigen „Leitfadens“ nimmt die<br />

Schutzkommission jederzeit gerne entgegen.<br />

Die Schutzkommission hofft, dass dieser <strong>neu</strong>e „Leitfaden“ dazu<br />

beiträgt, bei Großschadensereignissen, in Katastrophensituationen<br />

und auch im Verteidigungsfall das Leben und die Gesundheit<br />

möglichst vieler Menschen zu retten und zu sichern.<br />

Giessen und München, im Januar 2003<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. A. Scharmann Prof. Dr. W. Weiss<br />

Vorsitzender der Schutzkommission Geschäftsführer<br />

der Schutzkommission<br />

12


3. Ethik und Recht der<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

E. Rebentisch<br />

1. Ethik<br />

Eine nur dem Menschen gegebene Tugend ist es, dem in Not<br />

geratenen Nächsten selbstlos und nach besten Kräften helfend<br />

zur Seite zu stehen. Im Laufe der Jahrhunderte sind Tausende<br />

von Menschen dem Beispiel des Samariters gefolgt, viele von<br />

ihnen haben dabei ihre eigene Gesundheit oder ihr Leben aufs<br />

Spiel gesetzt. Humanitäres Gedankengut hat die Bereitschaft<br />

zur Hilfeleistung in der Not auch über Zeiten menschlichen Versagens<br />

hinweg gefördert und ihr inzwischen weltweite Geltung<br />

verschafft. Zeigt sich dies in vielen Staaten der Welt bereits im<br />

Notfallgeschehen des Alltages, so findet sie ihren sichtbarsten<br />

Ausdruck in der Hilfeleistung bei Großschäden aller Art, die unversehens<br />

das Leben und die Gesundheit vieler Menschen<br />

bedrohen und darüber hinaus die Existenzgrundlagen der Bevölkerung<br />

des betroffenen Raumes schädigen oder vernichten.<br />

Genügen die zur Verfügung stehenden Kräfte und Mittel nicht<br />

zur Bewältigung des Unheils, hat die Gemeinschaft umfangreiche<br />

und allgemeine Hilfe zu leisten.<br />

Rettung und Hilfe für die betroffenen Menschen stehen bei jedem<br />

solcher Ereignisse im Vordergrund, gleichgültig, ob es sich um ein<br />

besonders schweres Unfallgeschehen oder um eine Katastrophe<br />

handelt. Deshalb muss es für Ärzte und ihre berufenen Helfer<br />

mehr noch als für andere Menschen eine Selbstverständlichkeit<br />

sein, ihr Wissen und Können sowie ihre Erfahrungen zur Rettung<br />

von Leben und zur Wiederherstellung der Gesundheit einzusetzen.<br />

Da jedoch dem Handeln medizinischer Laien und auch bestausgebildeter<br />

Angehöriger eines Heilhilfs- oder medizinischen<br />

Assistenzberufes gesetzliche Grenzen auferlegt sind, muss der<br />

Arzt die ihm vorbehaltenen Maßnahmen ergreifen und unterstützt<br />

von Helfern die zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Ist<br />

zwar in der Bundesrepublik Deutschland Hilfeleistung eine<br />

gesetzliche Pflicht, so erlegt darüber hinaus die ärztliche Berufsordnung<br />

jedem in Deutschland tätigen Arzt ein Gelöbnis auf, in<br />

dem er sich verpflichtet, bei der Ausübung seiner ärztlichen<br />

Pflicht keinen Unterschied zu machen, weder nach Religion,<br />

Nationalität und Rasse, noch nach Parteizugehörigkeit oder<br />

sozialer Stellung.<br />

13


Grundpfeiler ärztlichen Handelns sind Humanitas und Ethik. In<br />

diesem Sinne schrieb Hans Eberhard Bock (1): „Ärztliche Ethik<br />

hat eine einzige Richtung, dem Patienten zu nützen, aber niemals<br />

zu schaden. So grenzenlos die Motivation der Hilfsbereitschaft<br />

in der Medizin auch sein mag, das Helfenkönnen wird<br />

immer Grenzen haben. Kenntnisse und Bekennermut gehören<br />

zur ärztlichen Ethik. Wenn sie fehlen oder durch Gefälligkeit,<br />

Bequemlichkeit oder Ungerechtigkeit gefährdet werden, erzeugen<br />

sie Vertrauensschwund.“<br />

Bezog sich diese Feststellung zunächst auf das ärztliche<br />

Handeln in Klinik und Praxis, so kommt ihr in der Notfall- und<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong> eine noch weit höhere Bedeutung zu. In<br />

beiden Fällen geht es um die Bewältigung überraschend entstandener<br />

oder bestehender Gefahren für das Leben oder die<br />

Gesundheit von Menschen. Die Notfallmedizin befasst sich<br />

überwiegend mit einzelnen oder einer begrenzten Anzahl<br />

Patienten. <strong>Katastrophenmedizin</strong>ischen Anforderungen genügen<br />

zu wollen ist jedoch der Ausdruck für die ethisch begründete<br />

Bereitschaft und Verpflichtung des Arztes, Verletzten, Kranken<br />

oder anderweitig gesundheitlich Geschädigten auch dann nach<br />

besten Kräften zu helfen, wenn die Zahl der Opfer es nicht<br />

erlaubt, jeden Betroffenen so bald und so umfassend zu behandeln,<br />

wie dies der Eid des Hippokrates dem Arzt auferlegt. Der<br />

Arzt hat zu jeder Zeit, gegebenenfalls auch gegen Versuche von<br />

Nicht-Ärzten zur Einflussnahme auf sein Handeln, die Pflicht,<br />

Leben zu retten, Leiden zu lindern und die Gesundheit wieder<br />

herzustellen. Er hat dabei stets die Würde des Patienten zu<br />

beachten und muss selbst vertrauenswürdig sein.<br />

Wenn auch das Leitprinzip allen ärztlichen Handelns der Schutz<br />

menschlichen Lebens ist, bleibt dennoch das medizinisch<br />

Machbare die Grundlage allen ärztlich sinnvollen Tuns. Dies gilt<br />

ganz besonders in der Notfall- und <strong>Katastrophenmedizin</strong>, wo es<br />

trotz aller Zeitnot in jedem Einzelfall abzuwägen gilt, ob das<br />

Unterlassen oder Hinausschieben einer medizinischen Maßnahme<br />

im Interesse des Patienten sinnvoller ist als ein wenig aussichtsreiches<br />

Handeln. Die härteste Bewährungsprobe für den<br />

Arzt bildet stets die Konfrontation mit einem Massenanfall verletzter,<br />

vergifteter oder von anderen Gesundheitsschädigungen<br />

betroffener Menschen, weil die frühzeitige, umfassende medizinische<br />

Versorgung eines jeden Einzelnen nicht mehr gewährleistet<br />

ist (2). Die Plötzlichkeit und Unvorhersehbarkeit solcher<br />

Ereignisse setzt den personellen und materiellen Möglichkeiten<br />

zur Hilfeleistung deutliche Grenzen. Dennoch ist medizinische<br />

Hilfe im Interesse der betroffenen Menschen unverzichtbar, und<br />

14


dazu bedarf es im Interesse des Grundsatzes „größtmöglicher<br />

Nutzen für möglichst viele“ des Verzichtes auf das im Alltag übliche<br />

individuelle Arzt-Patienten-Verhältnis. Eine große Zahl<br />

gleichzeitig hilfebedürftiger und hilfesuchender Menschen<br />

zwingt – wenigstens vorübergehend – zur Anwendung des Sichtungsverfahrens,<br />

das weder durch ein Handeln nach dem Motto<br />

„wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ noch durch die Anwendung<br />

eines verschiedentlich erwogenen Losverfahrens ersetzt werden<br />

kann. Gründel (3) sieht im Verzicht auf die Sichtung angesichts<br />

eines Massenanfalles nichts anderes als die Flucht aus<br />

der Verantwortung.<br />

Diese Verantwortung für alle der möglichst zügigen und zugleich<br />

umfassenden Bewältigung dienenden Maßnahmen am Schadens-<br />

und Behandlungsort sowie für den Weg zur weiterführenden<br />

Behandlung kann nur ein Arzt, aber durchaus nicht jeder,<br />

tragen. Das Idealbild eines Sichtungs- oder Leitenden Notarztes<br />

verkörpert eine Ärztin oder ein Arzt, deren Persönlichkeit über<br />

Wissen, Können und Erfahrung in der Notfallmedizin aller medizinischen<br />

Fachgebiete hinaus geprägt ist durch Charakterstärke,<br />

Zuverlässigkeit, Entscheidungskraft, Handlungswille und<br />

Mut zur Verantwortung. Vorbildliche Menschen beeindrucken<br />

alle Mitarbeiter und spornen sie zu besten Leistungen an. Die<br />

Patienten fühlen sich geborgen. Darüber hinaus wirken sie mit<br />

ihrer Durchsetzungskraft regulierend und ordnend auf den Gesamtablauf<br />

der Hilfeleistung ein.<br />

Ausschlaggebend für das ärztliche Handeln ist allein das<br />

Streben nach bestmöglicher Hilfe für möglichst viele Schadensopfer<br />

unter gewissenhafter Abwägung der medizinischen Heilungschancen.<br />

Nicht die Forderung nach bevorzugter Behandlung<br />

oder lautstarkes Klagen geben den Ausschlag für eine<br />

sofortige Behandlung, sondern allein die Aussicht auf Sicherung<br />

des Überlebens.<br />

Nichts zeigt besser die Schwere der Verantwortung des Arztes<br />

für Leben und Tod als der Entschluss zur Anwendung des Sichtungsverfahrens.<br />

Doch wenn er die Entscheidung zur Auswahl<br />

im Sinne des Motivs der Rettung und Wiederherstellung der<br />

Gesundheit möglichst vieler Menschen treffen muss, ist dies<br />

kein Verstoß gegen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit oder<br />

die Menschenwürde.(3)<br />

15


2. Allgemeine Rechtsfragen der <strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

Der im letzten Satz des vorstehenden Kapitels herausgestellte<br />

Begriff „Menschenwürde“ bildet die Brücke zur Betrachtung der<br />

gesetzlichen und rechtlichen Gegebenheiten in der Bundesrepublik<br />

Deutschland.<br />

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG)<br />

bekennt sich in Artikel 1 zum Schutz der Menschenwürde und<br />

zur Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, diese zu achten und<br />

zu schützen.<br />

Artikel 2 Abs.2 GG gewährt das Grundrecht auf Leben und körperliche<br />

Unversehrtheit und verpflichtet damit indirekt die staatliche<br />

Gewalt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, entsprechende<br />

Vorkehrungen zu treffen, damit der Einzelne dieses Recht<br />

tatsächlich in Anspruch nehmen kann.<br />

Artikel 11 Abs. 2 und Artikel 13 Abs. 3 GG beschreiben gesetzlich<br />

mögliche Einschränkungen der Freizügigkeit und der Unverletzlichkeit<br />

der Wohnung, wenn dies die Abwehr einer drohenden<br />

Allgemeingefahr, u.a. die Bekämpfung von Seuchengefahr,<br />

Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen,<br />

erfordert.<br />

Artikel 19 Abs. 2 GG garantiert, dass auch durch den Gesetzgeber<br />

in keinem Fall ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt<br />

angetastet werden darf.<br />

Überträgt der Artikel 30 GG den Ländern die Erfüllung der staatlichen<br />

Aufgaben – also auch des Katastrophenschutzes –,<br />

soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft, so sind<br />

gemäß Artikel 73 GG die auswärtigen Angelegenheiten und die<br />

Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung<br />

Aufgaben des Bundes.<br />

Schließlich bestimmt der Artikel 35 GG über die gegenseitige<br />

Amtshilfe der Behörden des Bundes und der Länder und befasst<br />

sich im Einzelnen mit der Zusammenarbeit bei der Bewältigung<br />

einer Naturkatastrophe oder eines besonders schweren Unglücksfalles.<br />

Über die ethisch begründete Pflicht jedes Menschen zur Hilfeleistung<br />

hinausgehend hat der Gesetzgeber im § 323 c des<br />

Strafgesetzbuches (StGB) bestimmt:<br />

„Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe<br />

leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach<br />

zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und<br />

ohne Verletzungen anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit<br />

Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“<br />

Dieser § 323 c StGB hat für den Arzt insofern größere Bedeutung<br />

als für andere Bürger, weil von ihm auf Grund seiner Kennt-<br />

16


nisse und Erfahrungen eine weitergehendere Hilfe für einen physisch<br />

oder psychisch zu Schaden gekommenen Menschen<br />

erwartet wird, als dies einem Laien gemeinhin möglich ist.<br />

Haben sich die Bundesländer im Rahmen der ihnen gemäß Art.<br />

35 GG übertragenen Zuständigkeit für die Gesetzgebung im<br />

Katastrophenschutz zunächst darauf beschränkt, den Einsatz<br />

freiwilliger Hilfskräfte, vorwiegend abgestützt auf die staatlich<br />

anerkannten Hilfsorganisationen, vorzusehen, haben sie im<br />

Weiteren in ihren von Land zu Land unterschiedlich formulierten<br />

Gesetzen die Möglichkeit zur zwangs- und zeitweisen Heranziehung<br />

von Angehörigen bestimmter Altersgruppen zum Katastrophenschutz<br />

geschaffen. Darüber hinaus haben die meisten<br />

Bundesländer die Heranziehbarkeit bestimmter Fachkräfte,<br />

darunter Ärzte und Angehörige der medizinischen Hilfs- und Assistenzberufe,<br />

in den Katastrophenschutzgesetzen und Durchführungsbestimmungen<br />

verankert. Den Angehörigen der Gesundheitsberufe<br />

sind Melde-, Aus- und Fortbildungspflichten<br />

sowie die Pflicht zur Teilnahme an Übungen auferlegt, denen<br />

allerdings die derzeit geltenden Berufsgesetze der Heilberufe<br />

nicht ausreichend folgen. So beschränkt sich die Fortbildungspflicht<br />

(§ 4 der [Muster-]Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen<br />

und Ärzte [MBO-Ä 1997]) auf die jeweils ausgeübte<br />

Berufstätigkeit und die Heilberufs- und Kammergesetze der<br />

Bundesländer verpflichten lediglich die niedergelassenen Ärzte,<br />

soweit sie am Ärztlichen Notfalldienst teilnehmen, sich hierfür<br />

fortzubilden. Ähnliches gilt für Angehörige der Heilhilfs- und<br />

Assistenzberufe.<br />

Da zu schweren Schäden und großen Zahlen an Opfern führende<br />

Großschadensereignisse und Katastrophen in der Regel überraschend<br />

eintreten und demgemäß dringendst des Einsatzes von<br />

Rettungs- und Hilfskräften bedürfen, ist offenbar geworden,<br />

dass die Kräfte der freiwilligen Hilfsorganisationen aus strukturellen<br />

Gründen nicht innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung stehen<br />

können. Den in dieser kritischen Phase höchsten Gefahren<br />

ausgesetzten schwer- oder lebensbedrohlich Verletzten dennoch<br />

frühzeitig helfen zu können, haben inzwischen die meisten<br />

Bundesländer eine gesetzliche Brücke zwischen ihren Rettungsdienst-<br />

und Katastrophenschutzgesetzen geschlagen. Damit ist<br />

der in kürzester Zeit notwendige Einsatz von Leitenden Notärzten,<br />

Notärzten und Rettungsdienstpersonal am Großschadensort<br />

gesichert. Dies ist um so logischer, als viele Großschadensereignisse<br />

zunächst nicht in ihrem wahren Ausmaß erkannt<br />

werden und der Rettungsdienst zugleich mit Feuerwehr und<br />

Polizei alarmiert wird, so dass stets innerhalb von Minuten fachlich<br />

qualifizierte Helfer am Schadensort verfügbar sind.<br />

17


3. Die Rechtsstellung des Arztes im Katastrophenfall<br />

Das heute weitgehend flächendeckende Netz des Notarzt- und<br />

Rettungsdienstes ist zwar eine gute Grundlage für die medizinische<br />

Hilfeleistung bei Katastrophen, doch muss sich auch jeder<br />

andere Arzt bewusst sein, dass er bei möglicher Nähe zum<br />

Schadensgeschehen zu Hilfe eilen oder in seiner Praxis Verletzten<br />

helfen muss oder von der Katastrophenschutzbehörde zur<br />

Hilfeleistung herangezogen werden kann. In der Notssituation<br />

gilt dabei keine Rücksicht auf ein Fachgebiet, eine spezielle<br />

Qualifikation oder Erfahrung.<br />

Im Allgemeinen muss der Arzt, der eine Behandlung übernimmt,<br />

der er nach seinen Kenntnissen und Erfahrungen nicht gewachsen<br />

ist, bei einem Behandlungsfehler mit dem Vorwurf rechnen,<br />

er hätte diese Aufgabe nicht übernehmen dürfen. Ein solches<br />

Übernahmeverschulden scheidet aber für denjenigen aus, der in<br />

einem Katastrophenfall auf Grund einer allgemeinen Hilfeleistungspflicht<br />

an der medizinischen Versorgung teilnimmt, ohne<br />

spezifische notfallmedizinische Kenntnisse und Erfahrungen zu<br />

besitzen oder der zu einem solchen Einsatz durch Anordnung<br />

der dafür zuständigen Behörde herangezogen wird. (4)<br />

Im Not- und Katastrophenfall ist es dem Arzt im Gegensatz zu<br />

seiner Regeltätigkeit nicht erlaubt, die Behandlung eines Hilfebedürftigen<br />

abzulehnen.<br />

Der Arzt und ebenso seine Mitarbeiter haben sich stets bewusst<br />

zu sein, dass alle Bundes- und Landes-Gesetze auch im Katastrophenfall<br />

unverändert Bestand haben, sofern dies nicht gesetzlich<br />

anders bestimmt ist. So hat z.B. kein Nicht-Arzt das<br />

Recht, einem Arzt bei der Ausführung der von ihm im weitesten<br />

Sinne als notwendig empfundenen medizinischen Handlungen<br />

und Entscheidungen dreinzureden oder ihm Weisungen erteilen<br />

zu wollen.<br />

Das Recht der freien Arztwahl ist im Rahmen der Katastrophenhilfe<br />

angesichts der herrschenden Situation praktisch nicht<br />

zu wahren, da dem die Dringlichkeit der Hilfeleistung, die Zahl<br />

der Hilfebedürftigen und vor allem die Ungewissheit im Wege<br />

stehen, welcher Arzt zuerst dem Hilfebedürftigen zu Hilfe<br />

kommt, und welcher ihm möglicherweise vor dem Abtransport<br />

weitere Hilfe zuteil werden lässt.<br />

Eine beabsichtigte Behandlung setzt jedoch auch in einer Notsituation<br />

eine entsprechende Befähigung des Arztes sowie die<br />

18


Aufklärung und Einwilligung des Patienten voraus. Das Selbstbestimmungsrecht<br />

des Patienten, eine Behandlungsmaßnahme<br />

abzulehnen, bleibt unangetastet, so dass dem Patienten keine<br />

solche aufgenötigt werden darf. In einem solchen Fall ist selbst<br />

bei Vorliegen eines bedrohlichen Gesundheitsschadens der<br />

Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung nicht erfüllt. Ist andererseits<br />

die Einwilligung zu einer unaufschiebbar notwendigen<br />

Behandlung nicht zu erlangen, weil z.B. der Patient<br />

bewusstlos ist, so kann nach dem Prinzip der mutmaßlichen<br />

Einwilligung davon ausgegangen werden, dass die Einwilligung<br />

vorliegt (§§ 223 ff StGB und § 823 BGB). Problematisch kann es<br />

bei einem Kind werden, dessen Eltern nicht erreichbar sind, weil<br />

der Arzt im lebensbedrohlichen Extremfall ebenfalls vom Prinzip<br />

der mutmaßlichen Einwilligung ausgehen wird.<br />

Trotz der außergewöhnlichen Situation eines Massenanfalles<br />

Hilfebedürftiger gelten folgende Pflichten des Arztes unverändert<br />

fort:<br />

a) Im Sinne der Sorgfaltspflicht hat der Arzt die anerkannten<br />

Regeln der ärztlichen Kunst zu beachten und jede Schädigung<br />

des Patienten zu vermeiden. Er darf keine Behandlungsanweisung<br />

erteilen, ohne den Patienten gesehen und<br />

ihn der Situation entsprechend über Art und Risiko der<br />

beabsichtigten Maßnahmen aufgeklärt zu haben.<br />

b) Der Arzt trägt die Verantwortung für den Patienten, bis er<br />

– einen Leichtverletzten mit weiteren Anweisungen aus der<br />

Behandlung oder zum Hausarzt entlässt,<br />

– einen krankenhauspflichtigen Patienten nach Herstellung<br />

der Transportfähigkeit und Entscheidung über Transportart,<br />

-fahrweise und Begleitung zu einem für die Weiterbehandlung<br />

geeigneten Krankenhaus bringen lässt.<br />

c) Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses. Die Berufsordnung<br />

verpflichtet den Arzt, den nächstbehandelnden Arzt<br />

alsbald so eingehend wie möglich über die von ihm erhobenen<br />

Befunde und seine Maßnahmen zu informieren und<br />

dabei das Berufsgeheimnis zu wahren.<br />

Die äußeren Umstände der Hilfeleistung bei Katastrophen<br />

können – müssen aber nicht – den Arzt zwingen, die durch<br />

den § 203 StGB mit Strafe bedrohte Nichtbefolgung der<br />

Pflicht zur Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses zu<br />

durchbrechen. Dieser Fall kann im Sinne des rechtfertigenden<br />

Notstandes (§ 34 StGB) im Interesse der Patienten<br />

gegeben sein, wenn z.B. nach einem Massenanfall Verletzter<br />

Befund und Behandlungsmaßnahmen auf einer „Anhängekarte<br />

für Verletzte“ offen weitergegeben werden müssen.<br />

Ebenso kann es notwendig sein, Angehörige eines Patien-<br />

19


ten, insbesondere eines Kindes oder Jugendlichen, über den<br />

Gesundheitsschaden und die getroffenen Maßnahmen zu<br />

informieren. In beiden Fällen ist anzunehmen, dass dies im<br />

Interesse des Schadensopfers liegt.<br />

Feststellungen, die sich jedoch nicht auf die akute Gesundheitsschädigung<br />

beziehen, darf der Arzt nicht oder nur nach<br />

Einwilligung des Patienten weitergeben. Beim Bewußtlosen<br />

kann allerdings die Weitergabe therapeutisch bedeutsamer<br />

Befunde im Sinne des rechtfertigenden Notstandes (§ 34<br />

StBG) angezeigt sein, um wiederum im Interesse des<br />

Patienten möglichen zusätzlichen Schäden vorzubeugen.<br />

Die berufsmäßigen Hilfskräfte des Arztes sind wie er gemäß<br />

§ 203 StGB der Wahrung des Berufsgeheimnisses unterworfen.<br />

Ob und inwieweit der Arzt sie gemäß der ärztlichen<br />

Berufsordnung vor dem Einsatz belehren kann, wird von der<br />

Situation abhängen.<br />

Nichtberufliche, freiwillige Helfer sind dem § 203 StGB nicht<br />

unterworfen. Bei Angehörigen einer Hilfsorganisation ist jedoch<br />

davon auszugehen, dass sie über die Grundsätze der<br />

Schweigepflicht belehrt sind.<br />

Strafrechtlich sieht sich der Arzt in der Katastrophenhilfe Handlungspflichten<br />

gegenüber, denen er häufig nur teilweise wird nachkommen<br />

können. Sein Verhalten hat sich dann nach den<br />

Grundsätzen des rechtfertigenden Notstandes bzw. der rechtfertigenden<br />

Pflichtenkollision (§ 34 StBG) zu richten. Hat eine Handlungspflicht<br />

eine höhere Bedeutung als eine andere, ist zunächst<br />

die Höherrangige, z.B. eine Notamputation zur Verhinderung des<br />

Verblutungstodes vor der Behandlung einer offenen Schädelwunde,<br />

zu erfüllen. Der Rang der Pflichten richtet sich nach der Dringlichkeit<br />

der Behandlung, gemessen am Grad der Gefahr und an den<br />

Erfolgsaussichten für den Patienten. Maßgebend sind die medizinischen<br />

Kriterien. So hat der in Lebensgefahr Schwebende Vorrang<br />

vor einem Verletzten, der zwar auch dringend der Behandlung<br />

bedarf, dessen Leben aber nicht akut gefährdet ist. Leichtverletzte<br />

müssen erforderlichenfalls warten oder können von nichtärztlichen<br />

Mitwirkenden versorgt werden.<br />

Das Recht kann nichts Unmögliches verlangen, sondern nur die<br />

Wahrung möglichst vieler Aussichten auf Rettung von Leben<br />

und Gesundheit. Sieht sich der Arzt mehreren gleichgelagerten<br />

Handlungspflichten gegenüber, so ist er gerechtfertigt, wenn er<br />

das ihm Mögliche leistet. Er muss aber sein Bemühen stets darauf<br />

richten, möglichst vielen zu helfen und diejenigen vorziehen,<br />

deren Behandlung nach medizinischen Kriterien am ehesten<br />

Erfolg verspricht.<br />

20


Die beim Massenfall unverzichtbare Anwendung der Sichtung<br />

aller Schadensopfer ist eine spezifisch ärztliche Aufgabe, da sie<br />

eine besondere Form der Ausübung der Heilkunde ist, um in<br />

kürzest möglicher Zeit eine Diagnose zu stellen und therapeutische<br />

Entscheidungen zu treffen. Der verantwortliche Arzt wird<br />

sich je nach Zahl der Schadensopfer und der Art und Schwere<br />

der Gesundheitsschäden auf Mithelfende abstützen müssen.<br />

Delegieren auf nichtärztliche Mitarbeiter kann er nur die<br />

Durchführung ärztlich angeordneter Maßnahmen.<br />

Schätzt der Arzt in der bedrängten Situation eines Massenanfalles,<br />

und infolge des Zwanges zu schnellen Entscheidungen die<br />

Dringlichkeit der Behandlung eines Verletzten falsch ein, kommt<br />

ein den Vorsatz bzw. die Schuld ausschließender Irrtum in<br />

Betracht. Das Maß der Sorgfalt bestimmt sich nach den konkreten<br />

Umständen, unter denen der Arzt zu handeln hat. Dies ist in der<br />

Katastrophensituation wesentlich anders als im Regelfall. Zu berücksichtigen<br />

ist auch ein Mangel an technischen Geräten sowie<br />

ein Nachlassen der Leistungsfähigkeit durch Übermüdung und<br />

Überanstrengung infolge langdauernden Einsatzes.<br />

Gleiches gilt auch für nichtärztliche Helfer. Daher ist bei einer<br />

Fehlhandlung zunächst davon auszugehen, dass gemäß Art. 34<br />

GG und § 839 BGB zunächst die öffentliche Hand haftet. Ein<br />

Rückgriff auf den Verursacher des Schadens ist allerdings bei<br />

grob fahrlässigem und vorsätzlichem Handeln möglich.<br />

Ist ein Arzt bei der Hilfe für Schadensopfer anwesend, so<br />

kommt ihm die Verantwortung für die Maßnahmen zu, die die in<br />

seinem Einflussbereich tätigen nichtärztlichen Helfer ergreifen.<br />

Im Interesse der Erhaltung des Lebens und der Wiederherstellung<br />

der Gesundheit muss er fehlerhaftes Handeln verhindern<br />

und erforderliche Anweisungen geben.<br />

Wirken mehrere Ärzte bei der Hilfeleistung zusammen, haben<br />

sie ihrer Berufspflicht (§ 29 Abs. 1 MBO-Ä / § 29 Abs. 1 MBO-Ä)<br />

folgend kollegial zusammenzuarbeiten. Wird jedoch bei einem<br />

größeren Schadensereignis, insbesondere einem Massenanfall,<br />

ein „Leitender Notarzt/Arzt“ oder „Ärztlicher Einsatzleiter“ tätig,<br />

so hat jeder mitwirkende Arzt im Interesse des zügigen Ablaufes<br />

der Hilfemaßnahmen und insbesondere aller Patienten dessen<br />

Weisungen zu folgen. Ist kein verantwortlicher Arzt im Voraus<br />

bestimmt, soll der organisatorisch und fachlich erfahrenste Arzt<br />

die Leitung der medizinischen Hilfeleistung und die Einsatzverantwortung<br />

übernehmen. Die Anweisungen des verantwortlichen<br />

Arztes sind verbindlich, eigenmächtiges Abweichen gefährdet<br />

den Ablauf der Hilfsmaßnahmen.<br />

21


Besondere Bedeutung kommt der ärztlichen Verantwortung in<br />

einer Verletztensammelstelle und einem Verbandplatz zu. Die<br />

Bewältigung eines Massenanfalles Hilfebedürftiger ist ohne umfassende<br />

ärztliche Verantwortung nicht denkbar. Sie erstreckt sich<br />

über den gesamten Schadensraum und reicht bis zur Entscheidung<br />

über die weitere Behandlung und den Abtransport der<br />

Patienten. Nicht selten muss das mit der ärztlichen Verantwortung<br />

verbundene Weisungsrecht auch bei Rettungs- und Erstmaßnahmen<br />

an der Schadensstelle ausgeübt werden, um im Interesse<br />

der Hilfebedürftigen Störungen des Hilfeablaufes zu verhindern.<br />

Eine von dem verantwortlichen Arzt erteilte Weisung entbindet<br />

die davon betroffenen Ärzte nicht von ihrer eigenen ärztlichen<br />

Verantwortung (§ 2 Abs. 1–3 MBO-Ä). Wesentlich ist, dass der<br />

Arzt bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen von Nichtärzten<br />

unterworfen werden darf (§ 2 Abs. 4 MBO-Ä). Dieser Begriff<br />

„Ärztliche Tätigkeit“ umfasst<br />

– die zuvor erläuterte Verantwortung für das Handeln nichtärztlicher<br />

Helfer am Hilfebedürftigen,<br />

– die Regelung der Zuführung aller Hilfebedürftigen und Hilfesuchenden<br />

zum Arzt,<br />

– die ärztliche Befragung, Untersuchung und Behandlung sowie<br />

– die Entscheidung über das weitere medizinische Verfahren im<br />

Einzelfall bis hin zur Bestimmung über den Abtransport hinsichtlich<br />

Zeitpunkt, Fahrtziel, Transportmittel, Art der Beladung<br />

und Transportbegleitung.<br />

4. Rechtsstellung der nichtärztlichen Kräfte<br />

in der Katastrophenhilfe<br />

Bei einer Katastrophe mit einem Massenanfall hilfebedürftiger<br />

Menschen kann wegen der stets begrenzten Zahl verfügbarer Ärzte<br />

nicht jeder Betroffene alsbald durch einen Arzt behandelt werden.<br />

Die Erste Hilfe und auch die Behandlung leicht geschädigter<br />

Menschen muss daher häufig erfahrenen Angehörigen des<br />

Rettungsdienstes, eines Heilhilfsberufes, einer Hilfsorganisation<br />

oder auch nicht organisierten freiwilligen Helfern überlassen werden.<br />

Eine gesetzlich geregelte Sonderstellung unter den nichtärztlichen<br />

Helfern nehmen die berufsmäßigen oder freiwilligen Mitglieder des<br />

Rettungsdienstes ein, soweit sie auf Grund ihrer Ausbildung,<br />

Einsatzerfahrung und Prüfung die zum Führen der Bezeichnung<br />

„Rettungsassistent“ oder „Rettungssanitäter“ qualifiziert sind.<br />

Dies gilt auch, unter der Voraussetzung kontinuierlicher Erhaltung<br />

erworbener Fähigkeit, für ehemalige, anerkannte Angehörige des<br />

22


Rettungsdienstes, die freiwillig zur Hilfeleistung in Notfällen oder<br />

dem Katastrophenschutz zur Verfügung stehen. Häufig wirken<br />

diese innerhalb der vielerorts frühzeitig verfügbaren und bewährten<br />

„Schnelleinsatzgruppen“ (SEG) mit.<br />

Da im rettungsdienstlichen Einsatz nicht selten der Fall eintritt,<br />

dass innerhalb der gebotenen Frist für ärztliches Handeln kein<br />

Notarzt zur Verfügung steht, ist den aktiven Rettungsassistenten<br />

eine „Notkompetenz“ zugestanden, die sie ermächtigt,<br />

bestimmte, grundsätzlich dem Arzt vorbehaltene Maßnahmen<br />

zu ergreifen. Sie übernehmen damit gegenüber dem Hilfebedürftigen<br />

eine Garantenstellung. Diese „Notkompetenz“ erhält<br />

eine zusätzliche Bedeutung, da ihre Inanspruchnahme bei<br />

einem Massenanfall Hilfebedürftiger häufig unvermeidbar ist,<br />

weil die Zahl der anwesenden Notärzte und Ärzte zu gering ist.<br />

Bestrebungen, diese Notkompetenz bei bestimmten medizinischen<br />

Gegebenheiten in eine „Regelkompetenz“ umzuwandeln,<br />

sind aus arztrechtlichen Gründen sehr kritisch zu betrachten. An<br />

den Grundsätzen für die katastrophenmedizinische Hilfe würde<br />

damit allerdings nicht gerüttelt.<br />

Die Gesamtverantwortung für alle ärztlichen Maßnahmen und<br />

die Steuerung des Hilfeablaufes trägt stets der erfahrenste Arzt,<br />

meistens der Notarzt bzw. Leitende Notarzt. Diese Rechtslage<br />

entspricht der gesetzlichen Verantwortung des niedergelassenen<br />

und des Krankenhaus-Arztes von einer ersten Konsultation<br />

und Untersuchung bis zur Entlassung aus der Behandlung und<br />

Information des nächstbehandelnden Arztes.<br />

Ist am Ort eines Schadensereignisses ein Notarzt oder grundsätzlich<br />

auch ein anderer Arzt anwesend, trägt dieser die rechtliche<br />

Verantwortung für alle ärztlichen Maßnahmen. Erteilt<br />

allerdings während der Hilfeleistung ein erfahrener Rettungsassistent<br />

oder –sanitäter einem weniger erfahrenen Arzt/Notarzt<br />

einen Rat, so wird dieser ihn im Interesse des Patienten nach<br />

sorgfältiger Abwägung ebenso annehmen, wie im klinischen<br />

Bereich seit eh und je junge Ärzte gern dem Rat einer erfahrenen<br />

Krankenschwester und insbesondere einer Hebamme folgen.<br />

Ein solcher Rat begründet allerdings niemals ein Weisungsrecht<br />

des Assistenten gegenüber dem Arzt und entlastet den<br />

Arzt nicht von seiner gesetzlichen Verantwortung, wenn es<br />

durch die Befolgung desselben zu einem Schaden für den<br />

Patienten kommt.<br />

Die in der gesetzlichen Regelung über die Erlaubnis zur Ausübung<br />

der Heilkunde enthaltenen Einschränkungen für alle<br />

23


Nichtärzte verlieren ihre Geltung, sobald die für Hilfebedürftige<br />

erforderliche ärztliche Hilfe nicht zur Verfügung steht. In diesem<br />

Falle ist jeder Helfer zur Hilfeleistung im notwendigen Umfang<br />

und entsprechend seinen persönlichen Fähigkeiten berechtigt<br />

und verpflichtet. Zu einer solchen Situation kann der plötzliche<br />

Ausbruch einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung<br />

oder auch das Auffinden eines Unfall- oder Katastrophenopfers<br />

führen, wobei der Helfer keine Möglichkeit hat, sein Handeln mit<br />

einem Arzt oder einem erfahreneren Helfer abzustimmen. Da ein<br />

Unterlassen der Hilfe unzulässig ist, muss er in eigener Verantwortung<br />

handeln. Eine Haftbarkeit für Fehler ist in diesem Fall<br />

auf die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie auf die<br />

unter den konkreten Umständen mögliche Sorgfalt beschränkt.<br />

Katastrophenhelfer sollen nur diejenigen Maßnahmen durchführen,<br />

deren Anwendung dem Gesundheitsinteresse der Hilfebedürftigen<br />

dient, und die unter Beachtung der begrenzten<br />

medizinischen Befähigung des Helfers vertretbar sind. Sie dürfen<br />

einer geeigneten Wahrung der ärztlichen Gesamtverantwortung<br />

für Hilfebedürftige und einer nachfolgenden ärztlichen Behandlung<br />

nicht im Wege stehen. Richtet ein Helfer zusätzlichen<br />

Schaden an einem Betroffenen an, kann ihm vorsätzliches oder<br />

grob fahrlässiges Handeln zum Vorwurf gemacht werden.<br />

Handelt der Helfer im Auftrage anderer, so haftet z.B. eine<br />

Hilfsorganisation im Sinne des § 831 BGB mit Entlastungsmöglichkeit,<br />

bei Vorliegen eines eigenen Organisationsverschuldens<br />

jedoch nach § 823 BGB ohne Entlastungsmöglichkeit.<br />

Beauftragt ein Arzt einen ihm zugeteilten Helfer mit der Durchführung<br />

einer ärztlichen Maßnahme, so haftet er bei falschen<br />

Anweisungen nach § 823 BGB, bei fehlsamem Verhalten des<br />

Mitarbeiters nach § 831 BGB mit Entlastungsmöglichkeit.<br />

Literatur:<br />

(1) H.E. Bock „Ärztliche Ethik am Krankenbett“ Dtsch. Ärzteblatt<br />

79 (1982), 49–55<br />

(2) F. Böckle „Ethik ärztlichen Handelns in der Katastrophe“<br />

Bayer. ÄBl. 38 (1983) 690–694<br />

(3) J. Gründel: „Ethik ärztlichen Handelns bei Katastrophen –<br />

Moraltheologische Überlegungen“<br />

In: G.Heberer, K.Peter, E.Ungeheuer (Hrsg.) „<strong>Katastrophenmedizin</strong>“,<br />

Verlag J.F. Bergmann, München, 1984<br />

(4) W. Weissauer: „Juristische Aspekte der <strong>Katastrophenmedizin</strong>“<br />

In: G.Heberer, K.Peter, E.Ungeheuer (Hrsg.) „<strong>Katastrophenmedizin</strong>“,<br />

Verlag J.F. Bergmann, München, 1984<br />

24


4. Aspekte zur <strong>Katastrophenmedizin</strong> und<br />

Definitionen ihrer Inhalte und Aufgaben<br />

J. W. Weidringer<br />

Die <strong>Katastrophenmedizin</strong> widmet sich einer Teilaufgabe im<br />

Gesamtkonzept des Schutzes der Bevölkerung vor unversehens<br />

eintretenden Großschäden und Katastrophen, die örtlich oder<br />

räumlich derart nachhaltige Schäden verursachen, dass die Lebensgrundlagen<br />

zahlreicher Menschen gefährdet oder zerstört<br />

sind. Katastrophenschutz umfasst Hilfe für die Menschen und<br />

Tiere sowie Verhinderung und Bekämpfung infrastruktureller<br />

Schäden. Ziel dieses Katastrophenschutzes ist es, so bald und<br />

umfassend wie möglich die vor einer Katastrophe bestehenden<br />

Lebens- und Umweltgegebenheiten wieder herzustellen.<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong> zu betreiben ist der Ausdruck für die<br />

ethisch begründete Bereitschaft und Verpflichtung des Arztes,<br />

Verletzten, Kranken oder anderweitig gesundheitlich Geschädigten<br />

auch dann nach besten Kräften zu helfen, wenn die Zahl<br />

der Opfer es nicht erlaubt, jeden Betroffenen so bald und so<br />

umfassend zu behandeln, wie dies der Eid des Hippokrates<br />

dem Arzt auferlegt. Der Arzt hat zu jeder Zeit, gegebenenfalls<br />

auch im Widerstreit gegen Versuche von Nicht-Ärzten zur<br />

Einflussnahme auf sein Handeln, die Pflicht, Leben zu retten,<br />

Leiden zu lindern und die Gesundheit wieder herzustellen.<br />

Die Grundlagen des katastrophenmedizinischen Handelns<br />

sind unabänderlich<br />

– umfassende allgemeine oder spezielle Kenntnisse der<br />

Diagnostik und der Therapie entsprechend dem aktuellen<br />

Stand der medizinischen Wissenschaften,<br />

– Beherrschung der Grundsätze und Verfahren der dem einzelnen<br />

Schadensopfer gewidmeten Notfallmedizin sowie des<br />

Handelns bei einem Massenanfall verletzter oder anderweitig<br />

geschädigter Menschen<br />

– Kenntnis der dem Schutz vor Katastrophen und Großschadensereignissen<br />

dienenden Gesetze und Vorschriften<br />

sowie<br />

– Kenntnis der für den Erfolg jeder Hilfeleistung unabdingbar<br />

erforderlichen organisatorischen Grundsätze des Hilfeansatzes<br />

sowie der allgemeinen und speziell medizinischen<br />

Verfahrensweise.<br />

25


Die Approbation verpflichtet den Arzt zum vollen Einsatz seiner<br />

Kenntnisse und Erfahrungen sowie der ihm zur Verfügung stehenden<br />

Hilfsmittel. Sie fordert von ihm Einordnung in organisiertes<br />

Handeln, entlässt ihn aber zu keiner Zeit aus seiner Eigenverantwortung.<br />

Eine Katastrophe ist ein Schadensereignis,<br />

– das mit den örtlich oder überörtlich verfügbaren Kräften und<br />

Mitteln einer Region in einem überschaubaren Zeitraum nicht<br />

bewältigt werden kann,<br />

– bei dem unterschiedliche, definierte Hilfeleistungen von<br />

außerhalb erforderlich werden, so dass<br />

– besondere behördliche Verfahrensregelungen in Kraft treten<br />

müssen.<br />

Sofern ein Katastrophenereignis bereits primär Leib und Leben<br />

von Menschen gefährdet hat, ist für eine Katastrophe im medizinischen<br />

Sinne das typische Charakteristikum das Missverhältnis<br />

von Behandlungsnotwendigkeiten gegenüber Behandlungsmöglichkeiten<br />

und der daraus resultierenden Erfordernis,<br />

Versorgungs-Prioritäten zu setzen, also zu sichten.<br />

Ziel für die Hilfeleistenden ist in einer Katastrophe immer, einerseits<br />

möglichst vielen Angehörigen der sozialen Gemeinschaft<br />

das Überleben zu ermöglichen, andererseits für die Überlebenden<br />

individualmedizinische Versorgungsmöglichkeiten – wenn<br />

schon nicht aufrecht zu erhalten, so doch möglichst zügig wieder<br />

herzustellen.<br />

Häufig kann ein Schadensereignis zum Beispiel wegen unzureichender<br />

Informationen nicht primär als Katastrophe klassifiziert<br />

werden oder es liegt eine Dynamik zugrunde, die einen<br />

zunächst räumlich, organisatorisch, funktionell zunächst überschaubaren<br />

Massenanfall von Verletzten zu einem Großschadensereignis<br />

und eventuell zur Katastrophe werden lässt.<br />

Typischerweise kann in einer derartigen Situation die Gefährdung<br />

der Gesundheit von Betroffenen, besser: Überlebenden,<br />

mit den Möglichkeiten der Einsatzkräfte einer Region, eines<br />

Großraumes, auch in einer Anfangsphase des Großschadensereignisses<br />

nur scheinbar beherrscht werden.<br />

Lediglich als Orientierungshilfe sollen hier die Definitionen der<br />

DIN 13050 „Begriffe im Rettungswesen“ dienen:<br />

26


Großschadensfall:<br />

Ein Notfall im Rettungsdienst mit einer größeren Anzahl von<br />

Verletzten, Erkrankten oder anderen Geschädigten und Betroffenen<br />

mit Versorgungserfordernissen oberhalb der regulären<br />

Vorhaltung durch den Rettungsdienst. (zit. nach DIN 13050,<br />

1997, Beuth-Verlag, Berlin)<br />

Katastrophe:<br />

Ein Schadensereignis mit einer Zerstörung der örtlichen Infrastruktur.<br />

Es kann mit den Mitteln und Einsatzstrukturen des<br />

Rettungsdienstes alleine nicht bewältigt werden. (zit. nach DIN<br />

13050, 3.2, Entwurf der Neufassung der Richtlinie aus 04 /<br />

2000, Beuth-Verlag, Berlin)<br />

In einer von der Schutzkommission beim Bundesminister einberufenen<br />

Konsensuskonferenz an der Akademie für Notfallplanung<br />

und Zivilschutz am 15. März 2002 wurde von (Leitenden)<br />

Notärzten, Repräsentanten verschiedener Organisationen<br />

und Institutionen (auch aus einigen Ländern Europas) folgende<br />

gemeinsame Grundlage für die Anwendung von Sichtungskategorien<br />

bei Großschadensereignissen und Katastrophen<br />

erarbeitet:<br />

Sichtungskategorie Beschreibung Konsequenz<br />

I akute, vitale Bedrohung Sofortbehandlung<br />

II schwerverletzt / erkrankt aufgeschobene<br />

Behandlungsdringlichkeit<br />

III leicht verletzt / erkrankt spätere (ambulante)<br />

Behandlung<br />

IV ohne Überlebenschance betreuende (abwartende)<br />

Behandlung<br />

Tote Kennzeichnung<br />

Meist findet hierbei das sog. „Ampel-Schema“ für die vier Sichtungsgruppen<br />

Verwendung:<br />

rot = Sichtungsgruppe I<br />

gelb = Sichtungsgruppe II<br />

grün = Sichtungsgruppe III<br />

grau oder blau oder schwarz = Sichtungsgruppe IV<br />

(je nach verwendeter Grundfarbe des Dokumentationssystems)<br />

27


Zur Dokumentation des Sichtungsergebnisses von Verletzten<br />

und Kranken sowie zur Registrierung von Personen in einem<br />

Schadensgebiet gibt es bekanntlich in Deutschland viele verschiedene<br />

Verletzten-Anhänge-Karten bzw. Registrierungssysteme.<br />

Grundsätzliche Anforderungen an eine sog. Verletzten-Anhänge-Karte<br />

sind:<br />

– höchstmögliche Materialstabilität, auch bei extremen Temperaturen<br />

und Wettereinflüssen<br />

– optimale Beschreibbarkeit mit handelsüblichen Stiften<br />

– gute Erkennbarkeit des Sichtungsergebnisses – bei Bedarf<br />

auch aus größerer Entfernung –<br />

– gute „Befestigungs-“ bzw. Umhängemöglichkeit an den zu<br />

sichtenden Personen<br />

Sofern beim Sichtungsvorgang prinzipiell ein erstes, nur orientierendes<br />

Sichtungsverfahren vom veranwortlichen Arzt eingeplant<br />

wird, kann auch eine erste Dokumentation eines Sichtungsergebnisses<br />

mittels eines – entsprechend dem „Ampelschema“ –<br />

farbigen Armbandes erfolgen mit Verwendung einer Verletzten-<br />

Anhänge-Karte im zweiten Durchgang.<br />

Wenn auch das Eintreten eines Spannungs- oder Verteidigungsfalles<br />

im Sinne des Grundgesetzes entsprechend den<br />

derzeitigen politischen Rahmenbedingungen als extrem unwahrscheinlich<br />

gelten kann, ist im Interesse der Bevölkerung zu<br />

bedenken, dass in diesem Fall die im Rahmen des Leitfadens<br />

näher ausgeführten Handlungsempfehlungen für Katastrophenfälle<br />

sicherlich analog Gültigkeit haben.<br />

Für Redaktion und Autoren dieses Leitfadens ist es ein tiefes<br />

Anliegen, primär Ärztinnen und Ärzten, aber auch all denen, die<br />

bei Katastrophenereignissen Mitbürgern zu Hilfe kommen –<br />

seien es interessierte Laienhelfer oder Einsatzkräfte – gleich<br />

welcher Profession und Arbeitsebene, Informationen an die<br />

Hand zu geben zum Nutzen (möglicher) Schadensopfer.<br />

28


Allgemeine Aspekte zu<br />

Katastrophensituationen


5. Der Mensch in der Katastrophe:<br />

Psychologisch-seelsorgerliche Aspekte<br />

F. Waterstraat<br />

1. Vorbemerkungen<br />

Der Begriff der Katastrophe ist gegenwärtig sowohl politisch als<br />

auch im individuellen Verständnis von Menschen unterschiedlich<br />

definiert. Für Organisationen und Behörden mit Sicherheitsaufgaben<br />

mag die Katastrophe bei einem Massenanfall von<br />

Verletzten beginnen, für den Einzelnen kann der Verlust eines vertrauten<br />

Menschen oder seines Arbeitsplatzes eine persönliche<br />

Katastrophe sein. Dazu kommt, dass wir in unserer Gesellschaft<br />

offenbar sehr weitgehend verlernt haben, mit menschlicher<br />

Begrenztheit und Endlichkeit umzugehen und dem Wahn erlegen<br />

sind, dass Unglücke größeren oder größten Ausmaßes grundsätzlich<br />

andere treffen.<br />

Im hier zur Debatte stehenden Sinn meint Katastrophe ein Geschehen,<br />

das auf verschiedenen Ebenen (z.B. intellektuell, emotional,<br />

körperlich, logistisch, technisch) die gängigen menschlichen<br />

Lebens- und Krisenbewältigungsmuster extrem fordert<br />

oder überfordert.<br />

Es gibt individuell deutlich divergierende Reaktionsmuster auf<br />

ein solches Ereignis – von kopfloser Panik und völliger Erstarrung<br />

bis hin zu kaltblütigem, zielgerichtetem Handeln, wobei<br />

natürlich letzteres äußerst selten ist. Dennoch lassen sich,<br />

abhängig von der jeweiligen Zusammensetzung der betroffenen<br />

Personengruppe, bestimmte Wahrscheinlichkeitsaussagen über<br />

die potenziell anzutreffenden Verhaltensweisen in der Katastrophe<br />

machen, woraus dann möglichst sinnvolle Präventionsund<br />

Begleitangebote ableitbar sind.<br />

Zu einer umfassenden Anthropologie im Sinn einer ganzheitlichen<br />

Betrachtung des Phänomens der Katastrophe und des<br />

von ihm betroffenen Menschen gehört eine Analyse der nichttechnischen,<br />

nicht rein physiologischen, also der psychologischen<br />

oder seelsorgerlichen Komponenten dieses Geschehens.<br />

Und es gehört dazu, nicht bei der Analyse stehen zu bleiben,<br />

sondern genauso, wie dies z.B. einsatztaktisch für logistische<br />

Fragen geplant wird, taktische Konsequenzen für den psychologischen<br />

Sektor zu entwickeln.<br />

Dabei müssen sowohl Helfer als auch Betroffene in den Blick<br />

31


kommen; diese Duplizität ist auch der Hintergrund der folgenden<br />

Darstellung unter den Aspekten Prävention, Einsatzbegleitung<br />

und Nachsorge.<br />

Zentral für die Akzeptanz der Psychologie und Theologie als<br />

Gesprächspartner in der Diskussion über Bewältigung von<br />

Katastrophen wird u.a. sein, ob man die mittlerweile klinisch<br />

belegten Folgen unbearbeiteter Traumata wie des Post<br />

Traumatic Stress Disorder (PTSD)-Syndroms [Reaktion nach<br />

schweren belastenden Erlebnissen] zur Kenntnis nimmt oder sie<br />

als Schwäche und Spinnerei abtut.<br />

Derzeit wird in England eine erregte Debatte über die möglichen<br />

PTSDs englischer und amerikanischer Golf- und Falklandkriegsteilnehmer<br />

geführt, und das englische Verteidigungsministerium<br />

sieht sich mit einer hohen Schadensersatzforderung<br />

konfrontiert.<br />

Also: Es geht bei der gesamten psychologischen Problematik<br />

nicht um vermutete, sondern um empirisch erfassbare Problemfelder<br />

und deren Lösungsmöglichkeiten. In diesen Kontext<br />

gehört auch die Frage, wie man Einsatzende definiert. Ist der<br />

Einsatz beendet, wenn die Technik sich „frei“ meldet, oder ist er<br />

dann zu Ende, wenn die in der Gesellschaft Verantwortlichen<br />

und Zuständigen ihr Möglichstes für Helfer und Betroffene<br />

getan haben, um auch die seelischen Wunden und möglichen<br />

Spätfolgen zu versorgen und zu begleiten?<br />

Psychologische Einsatzbegleitung ist nur interdisziplinär denkbar<br />

und sinnvoll.<br />

Mediziner, Psychologen, Theologen, Soziologen, Pädagogen<br />

und andere müssen hier zusammenwirken, allein schon deshalb,<br />

weil das mögliche katastrophale Geschehen ja in einer<br />

ebenfalls hochkomplexen und manchmal disparaten Gesellschaft<br />

stattfindet.<br />

Die folgende Darstellung verzichtet auf konkrete Bezugnahmen<br />

zu Katastrophen der jüngsten Vergangenheit, da es um eine<br />

möglichst breit angelegte Exemplifizierung gehen soll. Außerdem<br />

sind die in diesen jeweiligen Großschadensereignissen aufgetretenen<br />

besonderen Probleme und deren Lösungsversuche<br />

in der einschlägigen Literatur (siehe Verzeichnis am Ende)<br />

zugänglich.<br />

32


2. Inhaltliche Konkretisierungen<br />

2.1. Stressoren im Großschadensfall und in der Katastrophe<br />

Dass eine Katastrophe belastend ist, ist deutlich – aber warum<br />

ist sie das? Dieser Frage geht die Darstellung der möglichen<br />

Stressoren einer Großschadensstelle nach. Ein weiterer Aspekt<br />

dieser Darstellung ist, dass eine Analyse im Vorfeld eines solchen<br />

Ereignisses es im Sinne eines psychologischen Planspiels<br />

ermöglichen kann, sich auf das, was kommt, auch emotional<br />

einzustellen. Natürlich wird die Realität immer anders aussehen<br />

als die Übung im Lehrsaal oder die Phantasie des einzelnen<br />

Helfers, der sich für sich selbst oder im Kreise der Kollegen und<br />

Kameraden mit der hoffentlich nie eintretenden Alarmsituation<br />

der Katastrophe befasst.<br />

Aber: So, wie das Planspiel zur Rettung oder zur Bergung oder<br />

zur Dekontamination sinnvoll ist, ist es auch das zur Psychologie<br />

der Katastrophe, gerade in einer Gesellschaft, die den Tod<br />

versucht, aus ihrem Blickfeld zu drängen.<br />

Leitfragen für die Behandlung der hier genannten Stressoren könnten<br />

sein:<br />

– Welche Vorbereitungsmöglichkeiten gibt es?<br />

– Wie kann man in der Einsatzsituation selbst reagieren?<br />

– Was für mögliche Nach- und/oder Langzeitwirkungen könnten<br />

aus diesen Stressfaktoren resultieren und welche Bewältigungs-<br />

und/oder Begleitangebote gibt es?<br />

Stressoren:<br />

Größe und Unüberschaubarkeit einer Einsatzstelle; schlechte<br />

Sichtverhältnisse durch Nebel, Rauch, Dunkelheit; Orientierungsprobleme<br />

in unbekannten Objekten oder Gegenden; Kommunikationsprobleme<br />

durch „Salat“ im Funkverkehr, sprachgrenzenüberschreitende<br />

Einsätze, Aufregung, Lärm; nächtliche<br />

Einsätze mit geringer Vorwarnzeit; extreme Temperaturen; langandauernde<br />

Einsätze; Verkehrsberuhigung auf Zufahrtswegen;<br />

Versagen oder Ungenügen der eingesetzten Technik; Bedienungsfehler;<br />

Umgang mit Gefahrgut; Anblick von Verletzten,<br />

Verstümmelten,Toten, insbesondere von Kindern oder bekannten<br />

Personen; Personen in Zwangslagen, deren Befreiung lange<br />

dauert oder nicht gelingt; Gerüche, Schreie; Verletzung oder Tod<br />

von Helfern; Behinderung durch Gaffer oder Sensationsjournalismus;<br />

Kompetenzgerangel der beteiligten Organisationen<br />

oder innerhalb einer Organisation; mitgebrachte eigene akute<br />

oder chronische Probleme, die verhindern, dass man den Kopf<br />

frei hat für das aktuelle Ereignis; Zwang, Verletzte zu verlassen<br />

(Sichtung) oder den einen sterben lassen zu müssen, um den<br />

33


anderen retten zu können; Eskalation der Lage; Auslandseinsätze<br />

mit längerer Vorlaufzeit bis zum Eintreffen am<br />

Schadensort und daraus resultierenden frustrierenden Erfahrungen<br />

(nur noch Bergung von Toten, katastrophale hygienische<br />

Bedingungen, anderes Verständnis von individuellem Leid u.a.).<br />

Stress-Symptomatik:<br />

Etwas Entscheidendes vorweg: Die im folgenden genannten<br />

Reaktionen sind normal. Niemand, der auf ein seine bisherigen<br />

Lebensbewältigungsmechanismen völlig überforderndes Ereignis<br />

„stresshaft“ reagiert, ist psychisch oder physisch krank. Die<br />

aufgezählten Symptome und Verhaltensweisen sind normale<br />

Reaktionen auf ein abnormales Ereignis. Allerdings kann dieser<br />

Mensch krank werden – dann, wenn man ihm nicht hilft, dieses<br />

abnormale Erlebnis qualifiziert zu verarbeiten.<br />

Menschen werden hier unterschiedlich reagieren, abhängig von<br />

ihrem Lebensalter, ihrer bisherigen Lebenseinstellung – besonders<br />

zu menschlichen Grundfragen, wie denen nach Sterben,<br />

Tod und einer möglichen Überwindung des Todes, wie sie von<br />

vielen Religionen geglaubt werden.<br />

Reaktionsweisen von Helfern und Betroffenen werden divergieren,<br />

weil sie eine jeweils andere Rolle in dem Geschehen spielen.<br />

Aber es wird auch Vergleichbares geben; um beiden gerecht<br />

zu werden, sollten die jeweiligen Symptomatiken nicht in<br />

dem Sinn gelesen werden, dass sie ausschließlich für Helfer<br />

oder Betroffene gelten.<br />

Leitfragen im Umgang mit der folgenden Darstellung könnten<br />

die gleichen wie die unter 2.1.) genannten sein.<br />

2.2.1. akute Symptome:<br />

2.2.1.1. körperlicher Art:<br />

Zunahme von Puls und Atmung; Veränderung der Gesichtsfarbe;<br />

Veränderung des Tonfalls; Verschlechterung der Artikulation;<br />

Shrug-Bewegungen; starkes Schwitzen; Muskelzittern;<br />

Herzrasen; Übelkeit; Magenschmerzen; Gefühl „unendlicher“<br />

Müdigkeit und Erschöpfung bis hin zum physischen Zusammenbruch.<br />

2.2.1.2. emotionaler Art:<br />

Trauer und überflutendes Mitleid aufgrund des Geschehens, vor<br />

allem beim Miterleben entsetzlicher Schicksale Einzelner oder<br />

ganzer Gruppen; Schuldgefühle, wenn die eingesetzte Hilfe<br />

nicht ausgereicht hat; Aggression gegen die Situation als solche,<br />

gegen Führungskräfte, gegen das Schicksal, Gott oder „die<br />

Gesellschaft“; Gefühl genereller Überforderung und Hilflosigkeit;<br />

34


Panik; psychische Zusammenbrüche; von Seiten der Betroffenen<br />

Aggressionen gegen Helfer; Sorge um das Schicksal mitbetroffener<br />

Freunde oder Angehöriger – mit der Möglichkeit,<br />

dass sehr fordernd und /oder aggressiv nach Hilfe und Auskunft<br />

verlangt wird; Angst und Unsicherheit im Blick auf die eigenen<br />

erlittenen Verletzungen oder materiellen Verluste.<br />

2.2.1.3. mentaler Art:<br />

Die abrupt und für die eigene Standfestigkeit bedrohlich aufbrechende<br />

Frage nach dem Sinn oder der Sinnlosigkeit des gerade<br />

erlebten Geschehens; die – möglicherweise – unvorbereitet<br />

erlebte Konfrontation mit menschlicher Verwundbarkeit und die<br />

daraus entstehende Frage nach der eigenen Verwundbarkeit<br />

und Endlichkeit; eine quälende Suche nach Erklärungen für das<br />

als hoch belastend erlebte Geschehen; ein „Abschalten“ aller<br />

intellektuellen Systeme in der Situation als Symptom kompletter<br />

Überforderung.<br />

2.2.1.4. verhaltensbezogen:<br />

Übertriebene Härte sich und anderen gegenüber als Ausdruck<br />

einer „Flucht nach vorn“, um die Situation, egal wie, zu überstehen;<br />

Rückzug in die Passivität bis hin zur Regression auf kindliche<br />

Verhaltensschemata: der Helfer oder der noch standfeste<br />

Kamerad soll die als chaotisch empfundene Lage „irgendwie“<br />

regeln; Verlust des Gefahrenbewusstseins; völliger Verlust der<br />

Kontrolle über sich selbst oder die Situation bei Todesangst;<br />

Recours auf religiöse Rituale (Beten, Rezitieren biblischer oder<br />

Gesangbuchtexte, Verlangen nach einem Pfarrer); Zurückweisung<br />

vorschneller Entmündigung durch voreilige Helfer.<br />

2.2.2. chronische Symptome:<br />

2.2.2.1. körperlicher Art:<br />

Unwohlsein; das Gefühl, sich in seiner Haut nicht wohl zu<br />

fühlen; Bluthochdruck; ein generell gestörtes Essverhalten;<br />

Alpträume und Schlafstörungen; andauernde Müdigkeit und<br />

Erschöpfung.<br />

2.2.2.2. emotionaler Art:<br />

Traurigkeit und Deprimiertsein; Blockierung emotionaler Lebendigkeit;<br />

quälende, nicht nachlassende Schuldgefühle; Angstzustände<br />

und Phobien; Befürchtungen, was die Zukunft bringen<br />

könnte; Furcht vor ähnlichen, vergleichbaren Einsätzen; Aggressivität<br />

als Grundstimmung des Alltags.<br />

2.2.2.3. mentaler Art:<br />

Ein Umgetriebensein von der Sinnfrage eigenen und fremden<br />

35


Lebens und Leidens, ohne dass eine Antwort gefunden würde –<br />

bis hin zur Vergiftung des eigenen Lebens durch wiederkehrende<br />

unbeantwortete Fragen; Verlust bisheriger Glaubens- oder<br />

Lebensgewissheiten; Flucht in den Zynismus oder Stoizismus.<br />

2.2.2.4. verhaltensbezogen:<br />

Veränderung des Konsumverhaltens bis hin zur Ausbildung von<br />

Süchten; eine verringerte Frustrationstoleranz gegenüber vielfältigen<br />

Anforderungen des beruflichen und privaten Lebens;<br />

Propagierung übertriebener psychischer und physischer Härte<br />

sich selbst und anderen gegenüber; Vernachlässigung sozialer<br />

Kontakte und Bindungen bis hin zu privater und beruflicher<br />

Isolation; im Extremfall Ausbildung eines praesuizidalen Syndroms;<br />

Suizid.<br />

2.2.3. PTSD (Post Traumatic Stress Disorder):<br />

Die unter 2.2) dargestellte Stress-Symptomatik kann in das<br />

Vollbild eines PTSD münden.<br />

Einzelne Symptome einer Stress-Reaktion, auch einer chronischen,<br />

können auf den Beginn eines PTSD verweisen – aber sie<br />

müssen es nicht. Um zu verhindern, dass jede stresshafte<br />

Reaktion auf ein belastendes oder katastrophenähnliches oder<br />

katastrophales Ereignis von vornherein als PTSD eingestuft wird,<br />

haben wir hier eine allgemein gehaltene Beschreibung von<br />

Stress-Symptomen akuter und chronischer Art gegeben, an die<br />

wir jetzt eine kurze Darstellung von Symptomen einer posttraumatischen<br />

Belastungsstörung anschließen.<br />

PTSD-Symptome:<br />

Wiederholtes Erleben des traumatisierenden Ereignisses in willentlich<br />

kaum oder gar nicht steuerbaren Erinnerungen in Form<br />

von Nachhallerinnerungen, Tagträumen (Flashbacks) oder Alpträumen;<br />

dabei können optische, akustische, sensorische,<br />

olfaktorische oder emotionale Erinnerungen mit heftiger Realität<br />

auftreten und akut das Bewusstsein des Betroffenen regelrecht<br />

in Besitz nehmen, so dass z.B. konzentriertes Arbeiten an komplexeren<br />

Prozessen unmöglich wird; bei der Konfrontation mit<br />

Zeiten oder Menschen oder Gegenständen, die das traumatische<br />

Ereignis gewissermaßen symbolisieren, kann es zu intensivem<br />

psychischen Leid kommen, da das Erlebte wieder frisch<br />

präsent wird, wie eine <strong>neu</strong> aufbrechende alte Wunde; die Gefühlslage<br />

des Betroffenen liegt auf einer emotionalen Null-Linie,<br />

er fühlt sich wie betäubt, stumpf, kalt – und zwar dauerhaft.<br />

Bestehende, früher emotional hoch besetzte Bindungen interessieren<br />

nicht mehr, <strong>neu</strong>e Kontakte werden nicht geknüpft. Ein<br />

anfangs schleichender und daher kaum bemerkter Rückzug<br />

36


eginnt und kann in Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber<br />

enden (verminderte Reagibilität); der Betroffene versucht,<br />

Aktivitäten, Situationen, Stichworte, Orte, die an das Trauma<br />

erinnern, möglichst zu vermeiden (Wechsel der Fahrtroute zur<br />

Arbeit, wenn sie an der Unglücksstelle vorbeiführt; Abbruch von<br />

Gesprächen über den Tod o.ä.); selten kann es zu emotionalen<br />

Ausbrüchen (Panikattacken, Aggressionsschüben) bei plötzlicher<br />

Wiedererinnerung an das Ereignis kommen; eine anhaltende<br />

vegetative Übererregbarkeit und Wachsamkeitssteigerung,<br />

verbunden mit Schreckhaftigkeit und Schlafstörungen kann<br />

dazukommen; weitere Symptome können schwere Schuldgefühle<br />

wegen des Überlebens anderer oder wegen notwendiger<br />

Handlungen sein, die den einen gerettet haben, aber den anderen<br />

sich selbst überlassen mussten; Ausbildung schwerer<br />

Süchte und eine partielle zeitliche und räumliche Orientierungslosigkeit<br />

können sich aufbauen.<br />

Das Wichtigste im Blick auf die genannten Symptome ist, dass<br />

sie mit einer zeitlichen Verzögerung von Wochen oder Monaten<br />

oder im Einzelfall sogar Jahren auftreten können. Dann einen<br />

qualifizierten Berater zu finden, der die vorliegende psychischphysische<br />

Befindlichkeit mit einem vielleicht schon länger<br />

zurückliegenden Ereignis in Verbindung bringt, ist die entscheidende<br />

Aufgabe. Dazu gehört auch, sich selbst deutlich zu<br />

machen, dass tatsächlich Monate nach dem Einsatz so etwas<br />

wie eine seelische Zeitbombe in mir hochgehen kann.<br />

3. Methoden zur mentalen und psychischen Bewältigung<br />

von Einsätzen im Katastrophenfall<br />

Wir folgen dabei den oben formulierten Leitfragen und versuchen,<br />

sowohl für die akute Lage, als auch für die Zeit nach dem<br />

Einsatz Handlungsmuster aufzuzeigen.<br />

– Welche Vorbereitungsmöglichkeiten gibt es ?<br />

– Wie kann man in der Einsatzsituation selbst reagieren ?<br />

– Welche Angebote / Maßnahmen zur Einsatznachsorge und<br />

weiteren Begleitung gibt es ?<br />

Welche Vorbereitungsmöglichkeiten gibt es?<br />

Eine intensive Fachausbildung und ein qualifiziertes Training der<br />

Einsatzkräfte sind Stress-Bewältigung pur; wer sein Gerät und<br />

sein Material und sich v. a. selbst richtig einsetzen kann, verringert<br />

einen erheblichen Belastungsfaktor – egal, ob er hauptoder<br />

ehrenamtlich tätig wird.<br />

37


Genauso wichtig unter dem Aspekt der Fürsorgepflicht des<br />

Staates gegenüber seinen Helfern in Unglückssituationen und<br />

unter dem Aspekt der Fürsorgepflicht des Einzelnen sich selbst<br />

gegenüber ist die Information über die möglichen psychophysischen<br />

Folgen extremer Einsätze.<br />

Noch einmal: Genauso wichtig<br />

Wer weiß, worauf er sich einlässt, kann dieses bewusst tun, wird<br />

möglichen schädlichen Einflüssen bewusst begegnen können<br />

und so mit geringerer Wahrscheinlichkeit ein Opfer seiner Hilfsbereitschaft<br />

und der Gleichgültigkeit der Gesellschaft. Dazu<br />

gehört auch das Informieren der Helfer über bestehende Hilfsund<br />

Begleitangebote in ihrem beruflichen, organisationsbezogenen<br />

und gesellschaftlichen Kontext (Notfallseelsorge, niedergelassene<br />

Psychologen, Psychiater, Psychotherapeuten,<br />

Beratungsstellen, psychosoziale Dienste).<br />

Mens sana in corpore sano: (Nur, wenn der Körper gesund ist,<br />

ist auch der Geist/die Seele gesund.) Sport ist ein Mosaikstein<br />

im Präventivkonzept. Wer körperlich fit ist, steckt auch seelische<br />

Belastungen besser weg als der ohnehin schon angegriffene<br />

Mensch.<br />

Wer sich in ein professionelles oder ehrenamtliches Handlungsfeld<br />

begibt, in dem er damit rechnen muss, dramatische<br />

und extreme Erfahrungen zu machen, sollte sich frühzeitig mit<br />

eigenen Ängsten, Schwachpunkten und ungeklärten Konflikten<br />

auseinandersetzen, um zu verhindern, dass ein möglicherweise<br />

katastrophales Einsatzerlebnis der „Zünder“ für eine seit langem<br />

tickende „innere Bombe“ wird. Natürlich kann eine solche emotionale<br />

Crashsituation auch bei der besten Prävention passieren,<br />

nur ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer – ebenso,<br />

wie die des Eintretens komplizierter Spät- oder Langzeitfolgen.<br />

Hier wäre auch einmal nach dem Realitätsgehalt von Übungslagen<br />

und der Ernsthaftigkeit der anschließenden Kritik zu fragen.<br />

Und: Selbstverständlich gehört die psychologisch-seelsorgerliche<br />

Komponente in Übungen zur Großschadensthematik integriert.<br />

In die Ausbildung gehört demnach auch eine Anleitung zur<br />

Selbstreflexion, die nicht nur die traditionelle technisch-taktische<br />

Manöverkritik, sondern eben auch die individuelle psychische<br />

Seite in den Blick nimmt.<br />

Und es gehört das offene Gespräch über dieses Thema in die<br />

Aus- oder Fortbildung. Immer noch gibt es die These, dass<br />

harte Männer und Frauen die psychische Seite ihrer Helfertätigkeit<br />

bitte mit sich selbst abmachen. In einem offenen<br />

Austausch über das Problemfeld wird deutlich werden, dass die<br />

38


seelsorgerlich-psychologische Begleitung von Helfern und<br />

Betroffenen ein Angebot und keine Pflichtveranstaltung ist. Wird<br />

sie letzteres, verfehlt sie sich selbst.<br />

Und noch etwas sollte klar werden: Nicht wenige Helfer stufen<br />

Großschadenslagen als belastend oder extrem belastend ein –<br />

so dass eigentlich niemand, der Gesprächsbedarf hat, sich mit<br />

seinen offenen Fragen alleine herumzuschlagen bräuchte.<br />

Last, but not least:<br />

Wer an der Einsatzstelle qualifiziert auf die psychischen<br />

Bedürfnisse von Helfern und Betroffenen eingehen möchte,<br />

muss sich die Struktur und Inhalte dieses Begleitangebotes vorher<br />

überlegt haben. Niemand baut z.B. ein Notfallseelsorgesystem,<br />

das einer Katastrophe gewachsen ist, im Moment<br />

der Katastrophe auf. Inhalte und Arbeitsformen eines solchen<br />

Systems sind zwischen allen beteiligten „Anbietern“ (Kirchen,<br />

Psychologen, Soziologen, Medizinern, Ehrenamtlichen verschiedener<br />

Organisationen) und potenziellen „Abnehmern“<br />

(Helfern und Betroffenen [die natürlich vorher nicht bekannt<br />

sind]) eng abzustimmen.<br />

Dabei müssen u.a. folgende Punkte geklärt werden:<br />

Alarmierung der Notfallseelsorge (im Folgenden abgekürzt als<br />

NFS; dieser Begriff wird hier extensiv und nicht auf rein kirchliche<br />

Systeme beschränkt aufgefasst): Über Handy oder/und<br />

Funkmeldeempfänger?; Festlegung von Alarmstichworten; Klärung<br />

der von der NFS wahrzunehmenden Aufgaben in den drei<br />

Bereichen Prävention, Einsatzbegleitung, Einsatznachsorge;<br />

Ausbildung(sstandards) der NFS festlegen und für die „Abnehmer“<br />

transparent machen; Ausrüstung beschaffen unter den<br />

Aspekten der Beachtung der Unfallverhütungsvorschrift (UVV)<br />

und der klaren Identifizierbarkeit gerade an einer Großschadensstelle;<br />

Bereitschaftssystem aufbauen, Alarmfolge regeln,<br />

Telefonlisten anlegen; Mobilität sicherstellen, abstimmen mit<br />

Feuerwehreinsatzleitung/Leitstelle, Versicherungsfragen klar<br />

regeln, Beauftragungen schriftlich fixieren; Supervision sicherstellen.<br />

Wie kann man in der Einsatzsituation selbst reagieren?<br />

In der Einsatzsituation selbst bieten sich u.a. folgende Verhaltensweisen<br />

an, um selbst „standfest“ zu bleiben oder es wieder<br />

zu werden oder anderen dabei zu helfen:<br />

Auf der Fahrt/dem Flug zum Einsatzort sich seiner selbst vergewissern:<br />

Was ist die Basis, auf der ich stehe? Was ist das<br />

Fundament meines Lebens? Glücklich, wer hier vor dem Einsatz<br />

sich und seine Welt reflektiert und einen „Anker der Seele“<br />

(Hebräerbrief) gefunden hat!<br />

39


Sich auf die eigenen Kompetenzen besinnen, diese durchgehen<br />

und aktivieren; sich nicht kopfüber ins Geschehen stürzen oder<br />

sich von anderen kopfüber hineinzerren lassen; versuchen,<br />

einen Überblick zu gewinnen und – je nach eigener Funktion –<br />

Abschnitte bilden, einteilen, delegieren, Prioritäten setzen –<br />

egal, ob als technischer oder medizinischer oder seelsorgerlicher<br />

Helfer vor Ort; Einrichten von Rückzugsräumen für<br />

erschöpfte Helfer, wo das Angebot eines Gespräches besteht;<br />

solche Rückzugsgelegenheiten sind auch zu schaffen für unverletzte<br />

Betroffene und Angehörige, bei beiden ist für eine konsequente<br />

Abschirmung vor den Medien zu sorgen; Betreuung von<br />

Schwerverletzten und Sterbenden als oberste Priorität der NFS<br />

ansehen und für Personal und wenn möglich, Räume sorgen<br />

(„Raum“ kann hier bereits ein etwas abgeschirmter Platz<br />

draußen oder am Rand der Schadensstelle sein); mit Angehörigen<br />

rechnen, die möglicherweise in großer Zahl und sehr fordernd<br />

auftreten: also für eine entsprechende Informationspolitik<br />

und natürlich Begleitung sorgen, indem z.B. eine oder mehrere<br />

Anlaufstellen aufgebaut werden, die personell und logistisch<br />

angemessen ausgestattet sind; tief durchatmen, bewusst ausatmen;<br />

sich in aller Härte deutlich machen, dass man nicht<br />

selbst hier Opfer ist: Mitleid ja – Identifikation nein! eigene<br />

Grenzen bewusst akzeptieren, wir sind nicht Gott und auch<br />

keine Mischung aus Alexander dem Großen, Henri Dunant und<br />

Ferdinand Sauerbruch; sich gelegentlich selbst beobachten:<br />

Wie rede ich, in welchem Tonfall? Wie sind meine Bewegungen?<br />

Gebe ich noch sinnvolle Anordnungen oder kann ich empfangene<br />

Anordnungen noch sinnvoll umsetzen?<br />

Wenn ich hier in den kritischen Bereich komme:<br />

Pausen machen, nicht bis zum eigenen Kollaps durcharbeiten.<br />

Ein kollabierter Helfer vermehrt nur die Probleme an der<br />

Einsatzstelle; in diesen Pausen versuchen, so weit das möglich<br />

ist, emotional und räumlich aus der Situation auszusteigen, um<br />

dann wieder <strong>neu</strong> anzufangen; sich ablösen lassen, niemand ist<br />

unersetzbar; wenn man definitiv überfordert ist und die o.g.<br />

Maßnahmen nicht greifen, sich bei der nächsten zuständigen<br />

Führungskraft abmelden, wenn dieses irgendwie realisierbar ist;<br />

auf Flüssigkeits-, Kohlehydrat- und Mineralstoffzufuhr achten;<br />

wenn einem nach Weinen zumute ist, dann weine man; vielleicht<br />

geht es einem danach so, dass man sich wieder in die Arbeit der<br />

anderen Helfer integrieren kann; erst recht ist es völlig in<br />

Ordnung, wenn einem als Begleiter eines Unfallopfers, das in<br />

einer sehr schlimmen Lage ist, selbst die Tränen kommen –<br />

solange es gelingt, nicht völlig aufgelöst zu sein und möglicherweise<br />

mehr als das Opfer Trost zu brauchen. Aber ein „Mitweinen“<br />

ist u.E. möglich und kann für beide Seiten hilfreich sein;<br />

40


den Kollegen im Blick haben und kleine Freundlichkeiten und<br />

Ermunterungen einbringen: ein anerkennender Blick, ein zustimmendes<br />

Kopfnicken, ein gutes Wort, ein Händedruck oder ein<br />

Schulterklopfen sind wie frisches Wasser in der Wüste; als Führungskraft<br />

die eigenen Leute nicht sich selbst überlassen, sondern<br />

das begründete Gefühl geben, jetzt und hinterher für sie da<br />

zu sein; eigene und fremde „Maulhelden“ und Wichtigtuer<br />

freundlich, aber bestimmt zurechtweisen und zur Not unmittelbaren<br />

Zwang anwenden (lassen).<br />

Welche Angebote/Maßnahmen zur Einsatznachsorge und weiteren<br />

Begleitung gibt es?<br />

Nach dem Einsatz ist der Einsatz solange nicht abgeschlossen,<br />

wie die Begleitung und Betreuung derjenigen, die sich dieses<br />

wünschen, nicht abgeschlossen ist.<br />

Hier gibt es mittlerweile ein erfreuliches Spektrum von<br />

Methoden und Institutionen, die sich der Helfer und Betroffenen<br />

annehmen. Eine Auswahl soll im Folgenden dargestellt werden:<br />

Methoden der Einsatznachsorge:<br />

Ein bewusstes menschliches Interesse am Kollegen, dass ihn<br />

nicht nur sieht, sondern versucht, ihn wahrzunehmen; eine offene<br />

Gesprächsatmosphäre, die von gegenseitigem Respekt, aktivem<br />

Zuhören und gegenseitiger Offenheit geprägt ist, so dass<br />

man das Gefühl hat, sagen zu dürfen, wie es einem gerade geht;<br />

dazu gehört die Schaffung und Pflege eines Klimas, in dem<br />

Befindlichkeitsäußerungen nicht vordergründig sanktioniert und<br />

objektiviert, sondern als individuelle Meinung akzeptiert bleiben;<br />

Autarkie ist sicherlich wünschenswert, aber gerade in dem hier<br />

verhandelten Grenzbereich menschlichen Lebens kann man<br />

wohl kaum alles alleine bewältigen – und muss es auch nicht;<br />

diese Einsicht sollte in den Köpfen von Helfern und Betroffenen<br />

einer Katastrophe dazu führen, dass man Austausch und<br />

Gespräch sucht.<br />

Dieses Gespräch kann informellen Charakter haben, wenn es in<br />

direkter zeitlicher Nähe zum Einsatz stattfindet (Defusing) und<br />

dient dann der Klärung der aktuellen Befindlichkeit und der<br />

Information über weitergehende Gesprächs- und Bearbeitungsangebote,<br />

spricht damit eine überschaubare Gruppe von Helfern<br />

an. Stärker strukturiert läuft dagegen das geregelte Einsatznachgespräch<br />

ab, das an verschiedenen Formen der Gesprächsführung<br />

(z.B. dem Debriefing) orientiert werden kann. Wir verzichten<br />

hier auf eine weitergehende Klassifizierung der Arten der<br />

Gesprächsführung, nennen aber einige Regeln und Grundsätze,<br />

die uns unabdingbar für den Erfolg eines solchen Gespräches<br />

erscheinen:<br />

41


Die Teilnahme ist freiwillig; Disziplinarvorgesetzte sollten zurückhaltend<br />

mit ihrem eigenen Teilnahmewunsch sein; absolute<br />

Vertraulichkeit des gesamten Gespräches ist zu vereinbaren; es<br />

gibt einen als kompetent ausgewiesenen Gesprächsleiter; nur<br />

die Teilnehmer des betreffenden Einsatzes nehmen teil; die<br />

ideale Teilnehmerzahl liegt bei 8–10; die anberaumte Zeit sollte<br />

bei 3–4 Stunden liegen mit der Option weiterer Gespräche für<br />

die Gruppe oder für Einzelne; Störungsfreiheit (kein Handy, kein<br />

Funkmeldeempfänger, kein Funkgerät, keine Außenkontakte<br />

etc.) ist sicherzustellen.<br />

Dieses geregelte Einsatznachgespräch sollte 24–72 Stunden<br />

nach „Einsatzende“ stattfinden; alle bemühen sich um eine<br />

freundliche, offene Atmosphäre, die den Anderen in seinen vielleicht<br />

von den meinen völlig abweichenden Empfindungen ernst<br />

nimmt; es wird nicht über allgemeine Probleme oder über technischtaktische<br />

Fragen des zur Debatte stehenden Einsatzes<br />

gesprochen, sondern über die im weitesten Sinn psychologisch<br />

oder seelsorgerlich zu behandelnde Seite. Die klassische<br />

Manöverkritik erfolgt vorher, und es ist eine der Aufgaben der<br />

Gesprächsleitung, die Teilnehmer hier beim Thema zu halten<br />

und einen Wechsel zu der sehr viel einfacher und mit weniger<br />

emotionaler Beteiligung zu besprechenden Technik zu verhindern;<br />

Redebeiträge sollten schwerpunktartig daher auch „per<br />

ich/du/Sie“ und nicht „per man“ erfolgen; Störungen haben<br />

Vorrang – vor einem glatten, diskursiven Gesprächsverlauf.<br />

Es geht darum, in einer Gruppe bewegende emotionale Fragen<br />

zu besprechen und nicht um Statements mit möglichst hohem<br />

allgemeinen objektiven Informationsgehalt; es gibt natürlich keinen<br />

Redezwang, jeder ist sein eigener „Chairman“/„Vorgesetzter“;<br />

sollte nur ein Helfer ein solches Gespräch wünschen, ist<br />

ihm ohne hochgezogene Augenbraue, sondern selbstverständlich<br />

die Möglichkeit dazu zu geben.<br />

Nota bene: Nicht nur die direkt am Einsatzgeschehen beteiligt<br />

gewesenen Helfer müssen in den Blick der Nachsorge kommen,<br />

sondern auch deren Verwandte und nähere Bezugspersonen,<br />

denn viele Helfer nehmen die Belastungen und manchmal extremen<br />

Erfahrungen mit nach Hause. Das heißt, dass Einsatznachsorge<br />

breit gefächert sein muss im Sinn psychologischer,<br />

psychiatrischer, theologisch-seelsorgerlicher, familienbezogener,<br />

finanzieller, beruflicher und juristischer Begleitung, wenn sie<br />

gewünscht wird (vgl. die Komponenten einer umfassenden<br />

Begleitung nach dem Critical Stress Incident Management<br />

(CISM), siehe Literaturverzeichnis).<br />

42


Institutionen und Gruppen, die sich mit Einsatznachsorge und<br />

dem gesamten Thema der Psychologie der Katastrophe<br />

befassen:<br />

Arbeitsgemeinschaften der Notärzte, Rettungsdienst, Feuerwehren<br />

und die Bundesanstalt des Technischen Hilfswerkes,<br />

Polizei, Bundeswehr, Bundesgrenzschutz (besonders deren<br />

höhere Ausbildungsstätten), Akademie für Notfallplanung und<br />

Zivilschutz im Bundesverwaltungsamt, die Deutsche Gesellschaft<br />

für <strong>Katastrophenmedizin</strong> (DGKM e.V.); kirchenleitende<br />

Organe und Personen und besondere kirchliche Dienste z. B. in<br />

Polizei, Feuerwehr, Militär; jeder Ortspfarrer verfügt über die entsprechenden<br />

Adressen oder Telefonnummern.<br />

4. Fazit und Perspektive<br />

Das in dem vorliegenden Beitrag behandelte Thema ist hochkomplex,<br />

da es den Menschen in extremis betrifft. Deshalb wäre<br />

es schädlich, es nur einer Fakultät oder Gruppe zu überlassen;<br />

interdisziplinäres Arbeiten ist unerlässlich. Dabei sollten die<br />

Diskussionskategorien der Beteiligten im Vorfeld sauber<br />

getrennt und geklärt werden – denn nur dann kann ein erklärter<br />

Atheist sinnvoll mit einem Pfarrer der Notfallseelsorge zusammenarbeiten<br />

und umgekehrt.<br />

Wünschenswert zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint eine bundesweite<br />

Vernetzung der zahlreichen guten Initiativen zur psychologischen<br />

Begleitung von Menschen in Katastrophensituationen, um<br />

einer Zerfaserung, Zerredung und regionalen „Neuerfindung des<br />

Rades“ vorzubeugen – und einer drohenden Kommerzialisierung<br />

dieses Handlungsfeldes.<br />

Bei knappen öffentlichen und privaten finanziellen Ressourcen<br />

sollte verstärkt nach Sponsoring-Möglichkeiten gesucht werden;<br />

erfolgversprechende Anfänge gibt es, und große Konzerne sind<br />

nach unseren Erfahrungen durchaus ansprechbar, wenn man<br />

ihnen mit dieser Thematik Beteiligungschancen an gesellschaftsdiakonischen<br />

Aufgaben eröffnet.<br />

Die psychologische Begleitung von Menschen in Notlagen ist<br />

sicherlich ein Thema, das zunehmend bedeutsam werden wird<br />

in einer technischer und vernetzter werdenden Welt mit ihren für<br />

den Einzelnen immer weniger durchschaubaren Strukturen.<br />

Helfen wir mit, den Einzelnen darin nicht alleine zu lassen – mit<br />

seiner körperlichen Not nicht und auch nicht mit der seelischen.<br />

43


5. Literaturverzeichnis:<br />

1.Hüls, E.; Oestern, H.-J. (Hrsg.):<br />

Die ICE-Katastrophe von Eschede. Erfahrungen und Lehren.<br />

Eine interdisziplinäre Analyse.<br />

Springer, Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona, London<br />

1999<br />

2.Jatzko, H. u. a.: Das durchstoßene Herz – Ramstein 1988.<br />

Beispiel einer Katastrophen-Nachsorge. Stumpf & Kossendey,<br />

Edewecht 1995<br />

3.Beiträge aus der Ev. Militärseelsorge I / 1995, Hrsg.:<br />

Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr (siehe besonders<br />

S. 50–71), Bonn<br />

4.Kalaine, S.: History of CISM.<br />

In: Air Medical Journal, 11/12, 1999, S. 36, Mosby, St. Louis<br />

5.Sefrin, P. (Hrsg.): Handbuch für den Leitenden Notarzt.<br />

Organisation, Strategie, Recht. Leitfaden für Einsatz und<br />

Fortbildung.<br />

ecomed, Landsberg 1991 (seitdem fortl. Ergänzungslieferungen<br />

u.a. zur Thematik der psychologischen Bewältigung<br />

belastender Einsätze)<br />

6. Müller-Lange, I. (HRSG.): Handbuch Notfallseelsorge, Stumpf<br />

und Kossendey, Edewecht, Wien 2001<br />

44


6. Lebensrettende Sofortmaßnahmen<br />

unter Katastrophenbedingungen<br />

P. Sefrin<br />

Auch unter den Bedingungen eines Großschadensereignisses,<br />

besonders, wenn keine umfängliche Individualmedizin realisiert werden<br />

kann, ist eine Therapie, in deren Mittelpunkt die Sicherung der<br />

Vitalfunktionen steht, stets unabdingbar. Sie wird sich auf wenige<br />

lebensrettende Sofortmaßnahmen beschränken und mit einfachen<br />

Mitteln in unmittelbarer Nähe zum Schadensort von jedem Arzt und<br />

auch qualifizierten Helfer durchgeführt werden können und müssen.<br />

Ohne weitreichende differenzialdiagnostische Überlegungen werden<br />

die Maßnahmen im Sinne einer rein symptomatischen Therapie zeitkritisch<br />

durchgeführt werden müssen. Ziel der Maßnahmen ist es,<br />

die bedrohten, gestörten oder ausgefallenen Vitalfunktionen Atmung<br />

und Kreislauf solange zu ersetzen oder zu überbrücken, bis eine professionelle<br />

Hilfe unter Einsatz weitergehender Therapiemöglichkeiten<br />

die Behandlung übernimmt. Nachdem hierzu keine verbindlichen<br />

zeitlichen Vorgaben gemacht werden können, sollen in der Folge<br />

auch nur einfache Hilfsmittel in die Versorgung mit einbezogen werden.<br />

1. Diagnostik der vitalen Funktionsstörungen<br />

Bevor therapeutische Maßnahmen ergriffen werden, muss in der<br />

Kürze der Zeit, sofern keine Gefährdung für Helfer und Patient<br />

besteht, eine Überprüfung von Bewusstsein, Atmung und<br />

Kreislauf erfolgen:<br />

Prüfung der Bewusstseinslage<br />

Der Patient wird zunächst laut angesprochen. Reagiert er hierauf<br />

nicht, wird durch vorsichtiges Schütteln an den Schultern ein<br />

taktiler Reiz gesetzt. Bei Fehlen einer adäquaten Reaktion muss<br />

von einer Bewusstlosigkeit ausgegangen werden.<br />

Prüfung der Atmung<br />

Bei dem bewusstlosen Patienten, der auf dem Rücken liegt, kommt<br />

es durch das Zurückfallen des Zungengrundes zu einer Verlegung<br />

der Atemwege. Zur Prüfung der Atmung muss deshalb zunächst<br />

der Kopf vorsichtig nackenwärts überstreckt werden. Dazu wird<br />

eine Hand auf die Stirn und die andere unter das Kinn gelegt. Diese<br />

Bewegung sollte insbesondere bei Traumapatienten nicht ruckartig<br />

erfolgen. Die Prüfung der Atembewegungen wird durch eine visuel-<br />

45


le Kontrolle der Thoraxbewegungen erfolgen. Unter den Bedingungen<br />

eines Großschadensereignisses wird es schwierig sein,<br />

durch Hören ein Atemgeräusch oder durch Fühlen einen Luftstrom<br />

zu identifizieren. Bei Zweifel wird sofort die Pulskontrolle angeschlossen.<br />

Prüfung des Kreislaufs<br />

Die Möglichkeit der Beurteilung des Kreislaufs beschränkt sich unter<br />

den Bedingungen der <strong>Katastrophenmedizin</strong> auf die Betastungen<br />

des Pulses. Bei Verdacht auf Kreislaufstillstand, ebenso wie bei<br />

Fehlen eines Pulses an den Extremitäten, wird hierzu die vorsichtige<br />

Palpation der Arteria carotis genutzt. Zur Prüfung des Carotispulses<br />

werden Zeige- und Mittelfinger auf den Schildknorpel gelegt, um<br />

dann anschließend seitlich in die Halsgrube abzugleiten. Hierfür sollten<br />

nicht mehr als 10 Sekunden verwandt werden. Ebenso wie bei<br />

der Atemkontrolle kann die sichere Idendifikation schwierig sein,<br />

weshalb im Zweifelsfall mit entsprechenden Hilfsmaßnahmen<br />

begonnen werden sollte.<br />

2. Konsequenzen aus der Prüfung der Vitalfunktionen<br />

2.1. Bewusstlosigkeit bei erhaltener Atmung und Kreislauf<br />

Zum Freihalten der Atemwege wird ohne Verwendung von<br />

Hilfsmitteln die stabile Seitenlage angewandt. Das Wesen dieser<br />

speziellen Lagerung besteht darin, den Kopf des Patienten zu<br />

überstrecken und ihn in dieser Position zu stabilisieren.<br />

Durchführung:<br />

Der Helfer kniet neben dem Patienten und schiebt den ihm<br />

zugewandten Arm ausgestreckt unter den Rücken. Das auf der<br />

gleichen Seite (zum Helfer) befindliche Bein wird aufgestellt und<br />

damit angewinkelt. Der andere Arm des Patienten wird sodann<br />

vor dem Brustkorb abgewinkelt. Der Helfer fasst den Patienten<br />

an der gegenseitigen Schulter und an der Hüfte und dreht ihn zu<br />

sich herüber. Nach der Drehung wird der untenliegende Arm<br />

herausgezogen und im Ellenbogengelenk abgewinkelt. Die andere<br />

Hand des Patienten wird zur Aufrechterhaltung der Überstreckung<br />

des Kopfes flach unter die Wange geschoben. Die<br />

Überstreckung des Kopfes erfolgt dazu mit beiden Händen:<br />

eine Hand auf der Stirn an der Haaransatzgrenze, die andere am<br />

Unterkiefer.<br />

Wenn eine notfallmedizinische Grundausstattung vorhanden ist,<br />

können zum Freihalten der Atemwege Luftbrücken wie Guedelund<br />

Wendl-Tuben zum Einsatz kommen. Eine Intubation erfordert<br />

nachfolgend eine Beatmung und bindet damit in der Regel<br />

46


Personal, so dass die sicherste Form des Freihaltens der Atemwege<br />

unter den Bedingungen der Notfallmedizin bei einer Katastrophe<br />

unter dem Blickwinkel der personellen Verfügbarkeit in<br />

seinem Stellenwert anders beurteilt werden muss. Aus diesem<br />

Grunde haben die einfachen Luftbrücken eine größere Bedeutung<br />

als in der Individual-Notfallmedizin.<br />

Guedel-Tubus (Oropharyngeal-Tubus)<br />

Der Tubus verhindert – nach Auswahl der richtigen Größe – das<br />

Zurückfallen des Zungengrundes bei tiefer Bewusstlosigkeit.<br />

Damit wird personelle Kapazität freigesetzt, die bei der Verwendung<br />

des Esmarch‘schen Handgriffes als Alternative zum<br />

Freihalten der Atemwege gebunden würde. Der Tubus schützt<br />

nicht vor Aspiration.<br />

Durchführung – Esmarch’scher Handgriff: 4 Finger jeder Hand<br />

umfassen den Unterkieferwinkel, die beiden Daumen kommen<br />

auf die Spitze des Unterkiefers zu liegen. Beide Hände drehen<br />

den Kopf nackenwärts im Sinne einer Dorsalflexion. So wird die<br />

Zunge passiv nach vorne gezogen, was noch durch das<br />

Anheben des Unterkiefers verstärkt wird.<br />

Durchführung – Guedel-Tubus: Abmessen der richtigen Größe<br />

durch Orientierung an der Entfernung zwischen Ohr und<br />

Mundwinkel. Den Mund des Patienten mit dem Esmarch’schen<br />

Handgriff öffnen, Guedel-Tubus mit der Wölbung zur Zunge und<br />

Öffnung gaumenwärts durch den Mund einführen bis er am harten<br />

Gaumen anstößt. Danach Tubus um 180° drehen, so dass er<br />

mit der Spitze hinter den Zungengrund zu liegen kommt.<br />

Wendl-Tubus (Nasopharyngeal-Tubus)<br />

Nach Einführung durch die Nase kommt die Tubusspitze im<br />

Hypopharynx zu liegen und hat keinen Kontakt zum Zungengrund.<br />

Der Vorteil im Gegensatz zum Guedel-Tubus besteht<br />

darin, dass er auch bei nicht tief bewusstlosen Patienten ohne<br />

Auslösung eines Erbrechensreizes verwendet werden kann.<br />

Durchführung: Auswahl der richtigen Größe durch Abmessen<br />

des Abstandes Naseneingang – Ohrläppchen. Den vorher angefeuchteten<br />

Wendl-Tubus durch den unteren Nasengang einführen<br />

und in Richtung Rachenwand vorschieben. Unterkiefer<br />

leicht anheben, bis die ringförmige Scheibe des Tubus am<br />

Naseneingang zu liegen kommt.<br />

Die richtige Lage der Tuben (Luftbrücken) kann an einer hör- und<br />

fühlbaren Atemluftströmung am Tubusende erkannt werden. Ist<br />

der Tubus zu groß gewählt, kann bei einer notwendigen Beat-<br />

47


mung eine gastrale Insufflation (Magen-Aufblähung) die Folge<br />

sein und eine ausreichende Spontanatmung ist nicht gesichert.<br />

Zum Freimachen der Atemwege als Voraussetzung für eine ausreichende<br />

Spontanatmung kann ohne Verwendung von Hilfsmitteln<br />

eine digitale Ausräumung des Mund- und Rachenraumes<br />

notwendig werden (Abb. 1 a – b).<br />

Durchführung: Mit dem Esmarch’schen Handgriff wird der Mund<br />

geöffnet und mit der Hand offengehalten und der Kopf vorsichtig<br />

zur Seite gedreht. Mit der anderen Hand wird nach Umwickeln<br />

von Zeige- und Mittelfinger z.B. mit einem Taschentuch der<br />

Mundraum ausgetastet und evtl. vorhandene Fremdkörper mit<br />

einer wischenden Bewegung entfernt. Bei der Reinigung des<br />

Mund- und Rachenraumes hält eine Hand den Mund in der<br />

beschriebenen Weise geöffnet auch als „Beiß-Schutz“, während<br />

mit den Fingern der anderen Hand die Säuberung durchgeführt<br />

wird.<br />

Als Alternative kommt insbesondere bei Flüssigkeiten im<br />

Mundraum bei Vorhandensein eines Absauggerätes die<br />

Absaugung in Frage. Die Geräte sind entweder manuell oder<br />

maschinell betrieben. Das Absaugen ist effektiver als die digitale<br />

Reinigung.<br />

Durchführung: Es reicht normalerweise, den Absaugkatheter in<br />

der Länge, die dem Abstand zwischen Ohrläppchen und Nasenspitze<br />

entspricht, einzuführen. Grundsätzlich wird über den<br />

Mund abgesaugt; muss über die Nase abgesaugt werden, so<br />

darf der Sog erst einsetzen, wenn die Katheterspitze im Rachenraum<br />

angelangt ist, sonst wird sich die Spitze an der<br />

Nasenschleimhaut festsaugen und kann bei einer gewaltsamen<br />

Bewegung zu einer Blutung führen. Während des Absaugvorganges<br />

soll die Spitze ständig hin und her bewegt werden,<br />

da sie sonst entweder verstopft oder sich festsaugt.<br />

2.2. Bewusstlosigkeit mit erhaltenem Kreislauf ohne Atmung<br />

Bei einem Atemstillstand muss eine Beatmung durchgeführt werden.<br />

Das Optimum wäre, wenn die Beatmung mit Sauerstoff<br />

erfolgen könnte, der in Katastrophensituationen allerdings nur in<br />

wenigen Fällen primär zur Verfügung stehen wird. Wenn aus den<br />

Beständen des Sanitäts- oder Rettungsdienstes Sauerstoff verfügbar<br />

ist, sollte als dringliche Forderung dieser mit den verfügbaren<br />

Hilfsmitteln zum Einsatz kommen.<br />

Die einfachste Form der Beatmung ohne Hilfsmittel ist die Atemspende,<br />

die als Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung<br />

48


erfolgen kann. Es gibt keine ausschließliche Bevorzugung einer<br />

der beiden Methoden. Trotzdem scheint die Mund-zu-Nase-<br />

Beatmung einfacher in der Anwendung zu sein, da die Nase mit<br />

dem Mund besser abzudichten ist und bei Insufflation der<br />

Spitzendruck reduziert wird. Bei einer Beatmung mit einem zu<br />

hohen Druck und/oder Volumen kommt es zu einer gastralen<br />

Insufflation mit der Gefahr der Regurgitation. Wichtig für die<br />

Effektivität der Beatmung ist eine ausreichende Überstreckung<br />

des Kopfes. Auf Selbstschutz z.B. durch sog. „Atemhilfen“ ist zu<br />

achten (s.u.).<br />

Durchführung – Mund-zu-Nase-Beatmung (Abb. 2 a – b):<br />

Der Helfer kniet seitlich am Kopf des Patienten. Die eine Hand liegt<br />

flach auf der Stirn an der Haaransatzgrenze, die andere unter dem<br />

Kinn. Beide drehen den Kopf vorsichtig nackenwärts. Der Mund<br />

kann zusätzlich durch den Daumen, der zwischen Unterlippe und<br />

Kinn liegt verschlossen werden, wenn das Vorschieben des<br />

Unterkiefers nicht ausreichen sollte. Der Mund des Helfers verschliesst<br />

beide Nasenöffnungen durch seine Lippen und bläst die<br />

Ausatemluft in den Patienten hinein, bis es zu einer deutlichen<br />

Exkursion des Thorax kommt. Die Insufflation erfolgt langsam und<br />

gleichmässig über einen Zeitraum von 1,5 bis 2 Sekunden, um zu<br />

hohe Drücke zu vermeiden. Anschließend wird der Kontakt zum<br />

Patienten aufgegeben und der Kopf des Helfers zur Thoraxseite<br />

gedreht, um den Erfolg der Insufflation (= Senkung des Brustkorbs)<br />

zu kontrollieren. Die nachfolgende Inspiration beginnt erst,<br />

wenn der Patient wieder vollständig ausgeatmet hat.<br />

Durchführung – Mund-zu-Mund-Beatmung:<br />

Bei der Mund-zu-Mund-Beatmung verschliessen Daumen und<br />

Zeigefinger der auf der Stirn liegenden Hand die Nase unter<br />

andauernder Überstreckung des Halses. Der Helfer beatmet den<br />

Patienten über seinen leicht geöffneten Mund. Die Insufflation und<br />

die Kontrolle sind identisch wie bei der Mund-zu-Nase-Beatmung.<br />

Nachdem häufig der Durchführung der Atemspende hygienische<br />

und ästhetische Gründe entgegenstehen, ist zumindest<br />

eine Alternative zu erwägen, wobei wieder zwischen dem<br />

Vorhandensein von Hilfsmitteln und deren Fehlen unterschieden<br />

werden muss.<br />

Um den direkten Kontakt des Helfers mit dem Patienten zu vermeiden<br />

und damit die Bereitschaft zur Beatmung zu steigern,<br />

existieren Kunststofffolien mit einem einseitig durchlässigen<br />

Vlies oder einer ventilartigen Öffnung (Beatmungstuch), die eine<br />

Insufflation zum Patienten ermöglichen. Durch die Abdeckung<br />

kann der Widerwillen gegen den Kontakt gemindert werden. Der<br />

49


Nachteil dieser Tücher besteht darin, dass sie leicht verrutschen<br />

und deshalb ständig <strong>neu</strong> ausgerichtet werden müssen.<br />

Sofern vorhanden, kann auch eine Beutel-Masken-Beatmung<br />

durchgeführt werden. In diesem Falle wird dem Patienten zumindest<br />

21% Sauerstoff im Gegensatz zur Atemspende mit<br />

17% O 2 zugeleitet. Der Anteil kann allerdings gesteigert werden,<br />

wenn an dem Beutel Sauerstoff angeschlossen wird, sofern eine<br />

entsprechende Quelle am Notfallort verfügbar ist. Das Optimum<br />

stellt natürlich die Verwendung eines Sauerstoffreservoirs am<br />

Beutel dar.<br />

Durchführung – Beutel-Masken Beatmung (Abb. 3 a – b):<br />

Zunächst muss die für den Patienten richtige Maskengröße<br />

gewählt werden. Zur Beatmung kniet der Helfer am Kopfende<br />

des Patienten, wobei dessen Kopf sich zwischen den beiden<br />

Oberschenkeln des Helfers befindet. Nach Überstrecken des<br />

Kopfes halten Daumen und Zeigefinger die Maske der richtigen<br />

Größe fest auf das Gesicht des zu Beatmenden gedrückt (C-<br />

Griff), während Mittel- und Ringfinger den Unterkiefer umfassen<br />

und diesen nach vorne oben ziehen und gleichzeitig den Kopf<br />

nach hinten strecken (modifizierter Eschmarch’scher Handgriff).<br />

Dabei ist wichtig, die Maske dicht auf Mund und Nase aufzusetzen,<br />

wobei die Basis der Maske unterhalb der Unterlippe zu liegen<br />

kommt und die Spitze mit der Nasenwurzel abschließt. 10<br />

% des Drucks bei der Masken Beatmung erfolgen mit Daumen<br />

und Zeigefinger von oben, während 90% auf das Anheben des<br />

Unterkiefers und das Überstrecken des Kopfes gerichtet sind.<br />

Die linke Hand übernimmt die Maske, die rechte beatmet (bei<br />

Rechtshändern) durch Zusammendrücken des jeweiligen Beutels,<br />

wobei dieser auf dem Oberschenkel des Helfers liegen<br />

kann (Erleichterung der Kompression).<br />

Die größte Schwierigkeit liegt bekanntlich im Abdichten der<br />

Maske und der Kontrolle des Insufflationsvolumens (Beobachtung<br />

der Thoraxexkursion). Sollte eine Masken Beatmung nicht<br />

gelingen, ist die Atemspende durchzuführen.<br />

2.3. Bewusstlosigkeit ohne Atmung und ohne Kreislauf<br />

Bei einem Patienten mit Atem- und Kreislaufstillstand erhebt sich<br />

die Grundsatzfrage, ob eine kardiopulmonale Reanimation aufgrund<br />

der personellen Bindung unter den besonderen Bedingungen<br />

des Großschadensereignisses mit den personellen Diskrepanzen<br />

überhaupt durchgeführt werden kann. Für eine<br />

effektive Wiederbelebung werden für die Basismaßnahmen mindestens<br />

2 Helfer benötigt. Sollten die Basismaßnahmen um<br />

medikamentöse und elektrische Maßnahmen erweitert werden,<br />

so sind insgesamt 3 Helfer erforderlich.<br />

50


Die Basisreanimation setzt sich aus der Beatmung und der äußeren<br />

Herzdruckmassage (HDM) zusammen. Mit der Herzdruckmassage<br />

wird eine minimale künstliche Kreislaufzirkulation<br />

erzeugt, wobei es für die Praxis unerheblich ist, welcher pathophysiologische<br />

Mechanismus hierfür verantwortlich ist.<br />

Durchführung – kardiopulmonale Reanimation (Abb. 4):<br />

Der Helfer kniet seitlich möglichst nahe am Brustkorb des<br />

Verletzten. Der Patient muss flach auf einer harten, unnachgiebigen<br />

Unterlage liegen. Am effektivsten ist die Durchführung der<br />

HDM auf dem Boden. Zur Auffindung des Druckpunktes muss<br />

der Oberkörper frei gemacht werden: mit dem Finger am unteren<br />

Rippenbogenrand entlangfahren bis zur Schwertfortsatzspitze<br />

oder bis zur Stelle, wo Rippen und Brustbein sich vereinen.<br />

Mit dem Zeigefinger die Schwertfortsatzspitze oder mit<br />

dem Mittelfinger die Vereinigungsstelle markieren. Im ersteren<br />

Fall Zeige- und Mittelfinger der anderen Hand kopfwärts daneben<br />

legen, um den Handballen der ersten Hand auf das<br />

Brustbein aufzusetzen. Im 2. Fall lediglich den Zeigefinger der<br />

anderen Hand daneben legen und den Ballen der Hand in<br />

Richtung Kopf aufsetzen. Die so gefundene Stelle auf dem<br />

Brustbein entspricht dem unteren Drittel, das die beste Voraussetzung<br />

für eine effektive Kompression bietet. Die 2. Hand wird<br />

gekreuzt mit dem Handballen auf dem Ballen der ersten Hand<br />

gesetzt. Eine Alternative ist das Eingreifen der 2. Hand in die<br />

Fingergrundgelenke der 1. Hand, wobei die Finger nach oben<br />

gezogen werden. Es sollte der Kontakt zum Thorax nur durch<br />

den Handballen und nicht durch die gesamte Hand hergestellt<br />

werden. Die Körperhaltung des Helfers garantiert, dass das<br />

Gewicht des Oberkörpers über die im Ellenbogen gestreckten<br />

Arme direkt auf den Thorax übertragen wird. Die Drucktiefe<br />

beträgt 4–5 cm beim Erwachsenen. Der Druck muss senkrecht<br />

auf das Brustbein auftreffen. Nach der Kompression muss das<br />

Sternum vollständig entlastet werden, ohne dabei den Handballen<br />

abzuheben. Die Frequenz der HDM beträgt bei<br />

Erwachsenen ca. 100/min.<br />

Das Zusammenwirken der Beatmung und der Herzdruckmassage<br />

ist je nach Anzahl der verfügbaren Helfer different.<br />

Man beginnt mit 2 Insufflationen, um dann 15 mal zu massieren.<br />

Der Wechsel zwischen Beatmung und HDM wird in der Folge im<br />

Rhythmus 2 :15 erfolgen. Sowohl bei der – weniger suffizienten<br />

– 1-Helfer-Methode wie auch bei der 2-Helfer-Methode.<br />

51


2.4. Bewusstsein erhalten, Kreislauf insuffizient<br />

Bei Störung des Kreislaufs unter den Bedingungen des Großschadensereignisses<br />

liegt als Ursache meist ein Volumenverlust<br />

vor. Als nächstes denkbar ist ausnahmsweise auch eine akute<br />

Dekompensation einer bestehenden Herzinsuffizienz. Obwohl<br />

die adäquate Therapie eines Volumenmangels in dem intravenösen<br />

Ersatz der Flüssigkeit besteht, bedeutet eine derartige<br />

Infusionstherapie eine erhebliche zeitliche und personelle Belastung,<br />

weshalb vordergründig lediglich die Lagerungstherapie<br />

infrage kommt. Durch eine Kopf-Tief-Lage in einem Winkel von<br />

ca. 15° kann evtl. mit dem verbliebenen Volumen eine zerebrale<br />

Perfusion verbessert werden. Das zusätzliche Anheben der<br />

Beine (nicht bei Vorliegen von Frakturen der unteren Extremitäten)<br />

kann eine körpereigene Volumenauffüllung bewirken<br />

(Autotransfusion).<br />

Bei einer Infusionstherapie spielt unter Katastrophenbedingungen<br />

die Auswahl der Infusionslösung (kristalloide oder kolloide)<br />

keine entscheidende Rolle.<br />

2.5. Bewusstsein erhalten, Atmung insuffizient<br />

Bei einer isolierten Atemstörung wird sich die Hilfe im Bereich der<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong> auf eine adäquate Lagerung beschränken.<br />

Der Einsatz von Hilfsmitteln beschränkt sich, wenn überhaupt, auf<br />

die Gabe von Sauerstoff per inhalationem. Das in der Notfallmedizin<br />

verwendete Verfahren der manuellen oder automatischen<br />

Beatmung (nach Intubation) ist ein zeit- und personalaufwändiges<br />

Verfahren, das auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Die Applikation<br />

von Medikamenten bleibt Sonderfällen vorbehalten.<br />

Sollten sowohl ausreichende Personal- wie Materialreserven<br />

verfügbar sein, ist eine der wesentlichen lebensrettenden Maßnahmen<br />

die manuelle Beutelbeatmung. Es gelingt damit nicht<br />

nur eine suffiziente Beatmung mit Umgebungsluft mit einem<br />

Sauerstoffanteil von 21% (FiO 2 0,21), sondern bei Verfügbarkeit<br />

von O2 dem Patienten das in dieser Situation wesentliche Notfallmedikament<br />

zu applizieren. Bei einer Beutel-Masken-Beatmung<br />

mit einem O 2-Flow von 6–10 l/min. lässt sich die FiO 2 auf<br />

0,45 steigern. Dies setzt allerdings eine gewisse Routine bei der<br />

Verwendung einer Beatmungsmaske (s.o.) voraus.<br />

Sofern es vom Kreislauf her tolerabel ist, wird der Patient mit<br />

Atemstörung Oberkörper hochgelagert, um die Atmung zu erleichtern.<br />

Die Beine sollen nur bei Hypertonie tiefer gelagert sein.<br />

Die Form der O 2-Applikation hängt von den verfügbaren Applikationssystemen<br />

ab.<br />

52


2.6. Erweiterte Reanimation bei Kreislaufstillstand<br />

Bei Verfügbarkeit einer elektrischen und medikamentösen Ausstattung<br />

und einer ausreichenden Personalkapazität (neben Arzt<br />

ggf. Rettungsassistent und 2 Helfer) und dem Fehlen konkurrierender<br />

anderer Versorgungsmaßnahmen können die Basismaßnahmen<br />

durch weitere ergänzt werden (advanced life support/ ALS).<br />

Nach der Diagnose eines Kammerflimmerns oder einer pulslosen<br />

ventrikulären Tachykardie mit einem Notfall-EKG ist die<br />

Therapie der Wahl die Defibrillation. Voraussetzung für eine<br />

erfolgreiche Defibrillation ist eine ausreichende Versorgung des<br />

Myokards mit Sauerstoff.<br />

Durchführung – Defibrillation (Abb. 5):<br />

Die beiden Elektroden (Paddels) werden so platziert, dass eine<br />

größtmögliche Myokardmasse vom Strom durchflossen wird, ein<br />

Paddel rechts parasternal unterhalb der Clavicula, das andere<br />

Paddel links im 5. Interkostalraum in der vorderen Axillarlinie<br />

(Herzspitze). Vorher die Paddels mit Elektrodengel bestreichen, um<br />

den Übergangswiderstand zu reduzieren. Wichtig ist, dass die<br />

gesamte Fläche der Paddels der Thoraxwand aufliegt und bei<br />

Abgabe der Strommenge die Paddels fest aufgepresst werden.<br />

Beginn der Defibrillation mit einer Energiemenge von 200 Joule.<br />

Unmittelbar nach dem Stromstoß Kondensator <strong>neu</strong> laden, um<br />

bei Erfolglosigkeit sofort er<strong>neu</strong>t (ohne interponierte Basismaßnahmen)<br />

mit 200 Joule defibrillieren zu können. Ab der 3.<br />

Defibrillation wird mit 360 Joule defibrilliert. Nach der ersten<br />

„3er-Serie“ werden bei Erfolglosigkeit (Fortbestehen eines Kammerflimmerns<br />

auf dem EKG) die Basismaßnahmen wieder aufgenommen.<br />

Es wird in der Folge nur in „3er Serien“ mit 360<br />

Joule defibrilliert.<br />

Als Alternative kommt bei beobachtetem oder unter Monitorkontrolle<br />

aufgetretenem Kreislaufstillstand der präkordiale<br />

Faustschlag in Frage. Dabei wird versucht, mechanische Energie<br />

in eine geordnete Erregung umzuwandeln.<br />

Durchführung: Aus ca. 30 cm Höhe wird mit der Handkante ein<br />

kräftiger Schlag auf das Brustbein ausgeübt, anschließend<br />

sofort Puls fühlen.<br />

Bei anderen Formen des Kreislaufstillstandes beschränken sich<br />

die erweiterten Maßnahmen neben den Basismaßnahmen auf<br />

die Gabe von Adrenalin (z.B. Suprarenin®).<br />

Schwierigkeiten bereitet unter den Bedingungen des Kreislaufstillstandes<br />

die Art der Medikamentenapplikation. Zunächst dürfte<br />

aus zeitlichen Gründen der Weg der ersten Wahl (i.v.-Gabe)<br />

verwehrt sein. Aus diesem Grunde empfiehlt sich als primärer<br />

53


Zugangsweg die endobronchiale (e.b.) Applikation. Adrenalin<br />

wird nach Verdünnung mit 9 ml NaCl 0,9 % über den Endobronchialtubus<br />

verabreicht. Die Wirkung setzt durch rasche<br />

Resorption ebenso schnell ein wie bei der intravenösen Gabe.<br />

Durchführung – endobronchiale Medikamentenapplikation:<br />

Die dreifache Menge (3 mg) Adrenalin wird auf 10 ml NaCl 0,9 %<br />

verdünnt und in einer 20 ml-Spritze mit 10 ml Luft aufgezogen.<br />

Das Gemisch wird über einen als Applikationshilfe abgeschnittenen<br />

Absaugkatheter (z.B. CH 9) tief endobronchial verabreicht.<br />

Nach der Instillation wird zweimal mit großem Atemzugvolumen<br />

beatmet, um eine ausreichende Verteilung und<br />

Resorption zu erreichen.<br />

Voraussetzung hierfür ist die endobronchiale Intubation, was<br />

nicht nur einer gewissen Routine, sondern besonders im Katastrophenfall<br />

eines unbedingt notwendigen Instrumentariums<br />

bedarf. Allerdings ist eine Intubation unter den Bedingungen<br />

des Kreislaufstillstandes wesentlich einfacher als bei sonstigen<br />

Notfallsituationen, da „optimalere“ Bedingungen durch vollkommene<br />

Erschlaffung der Muskulatur und der Stimmbänder<br />

(„Kadaverstellung“) vorliegen. Nach erfolgreicher Platzierung<br />

des Tubus ist nicht nur die e.b.-Medikation möglich, sondern<br />

auch eine sichere Oxygenierung ohne die Gefahr einer<br />

Regurgitation und Aspiration durch eine gastrale Insufflation.<br />

Durchführung – Intubation (Abb. 6 a – e):<br />

Wichtig für die Intubation ist die richtige Lagerung des Kopfes.<br />

Der Patient liegt flach auf dem Rücken. Nachdem die Verbindung<br />

zwischen Mund und Larynxeingang keine gerade Linie<br />

ist, muss der Nacken leicht gebeugt und der Kopf im Atlanto-<br />

Okzipitalgelenk überstreckt werden (Reklination). Anschließend<br />

wird der Oberkiefer mit einem Finger der rechten Hand herangezogen<br />

und mit den anderen Fingern und dem Daumen die beiden<br />

Zahnreihen gespreizt. Das Laryngoskop wird mit der linken<br />

Hand gehalten. Der Spatel des Laryngoskops wird seitlich über<br />

den rechten Mundwinkel zwischen die beiden Zahnleisten eingeführt.<br />

Dabei ist unbedingt die Traumatisierung des Ober- und<br />

Unterkiefers zu vermeiden. Der Spatel wird auf die Zunge aufgelegt<br />

und in der Tangentialebene vorgeschoben. Die Zungenmasse<br />

wird durch leichten Zug nach oben, jedoch ohne Hebelbewegungen<br />

abgedrückt. Die Spatelspitze kommt dann zwischen<br />

Zungengrund und Epiglottis zu liegen. Nach Erscheinen des<br />

Kehldeckels im Gesichtsfeld leichtes Anheben des Spatels ohne<br />

Kippbewegungen sowie weiteres vorsichtiges Verschieben. Die<br />

Kehldeckelspitze verschwindet am oberen Gesichtsfeldrand. Durch<br />

54


Anheben des gesamten Spatels (nicht Kippen) wird die Stimmbandebene<br />

gut sichtbar. Der Tubus wird sodann unter Sicht zwischen<br />

den beiden Stimmbändern vorgeschoben. Nach Kontrolle<br />

der seitengleichen Belüftung der Lunge und Einlegen eines Guedel-<br />

Tubus als Beißschutz wird der Tubus (z.B. mit einer Binde) befestigt.<br />

Unstrittig ist der intravenöse Applikationsweg das Verfahren der<br />

ersten Wahl. Da die periphere Zirkulation bei Kreislaufstillstand<br />

aufgehoben ist, muss durch eine Infusion die Einspülung des<br />

Medikamentes gesichert werden.<br />

Durchführung – intravenöse Adrenalin-Applikation:<br />

1 mg Adrenalin wird mit 9 ml NaCl verdünnt und in eine 10 ml-<br />

Spritze aufgezogen. Nach Injektion Einschwemmen durch Infusion<br />

evtl. unter Druck. Wiederholung alle 2–3 Minuten bei entsprechendem<br />

Algorithmus. Nach dreimaliger erfolgloser Applikation auf 5<br />

mg steigern, aber immer als 10 ml Bolus applizieren.<br />

Andere Medikationen kommen unter den besonderen Bedingungen<br />

eines Großschadensereignisses nicht in Frage, da deren<br />

Wirksamkeit in entsprechenden Studien nicht eindeutig unter<br />

Beweis gestellt werden konnte.<br />

Sofern ein EKG und auch ausreichende materielle und personelle<br />

Ressourcen zur Verfügung stehen, kann von den einfachen zu<br />

den erweiterten lebensrettenden Sofortmaßnahmen übergegangen<br />

werden. Mit dem Notfall-EKG ist es möglich, drei verschiedene<br />

elektrische Formen eines Kreislaufstillstandes zu<br />

differenzieren, die dann zu verschiedenen therapeutischen<br />

Konsequenzen führen<br />

– Kammerflimmern und -flattern<br />

– Asystolie<br />

– Elektromechanische Entkoppelung (EMD)<br />

– pulslose elektrische Aktivität (PEA)<br />

Zu warnen ist allerdings vor einer ausschließlichen EKG-Bewertung,<br />

da das EKG-Bild leicht verzerrt werden kann (Bewegungsartefakte,<br />

Interferenzen, Diskonnektionen) und deshalb<br />

immer mit der klinischen Symptomatik korreliert werden muss<br />

(Puls). Für die Praxis wird ein Algorithmus für zwei Situationen<br />

unterschieden (Abb. 7):<br />

– Kammerflimmern/Kammertachykardie und<br />

– Nicht-Kammerflimmern/-tachykardie.<br />

2.6.1. Kammerflimmern/pulslose ventrikuläre Tachykardie:<br />

Die Defibrillation muss so früh wie möglich einsetzen. Nach Applikation<br />

eines Defibrillationsschocks und anschließend persistieren-<br />

55


dem Kammerflimmern muss dieser nochmals unmittelbar zweimal<br />

wiederholt werden. Entscheidend dabei ist die Strommenge. Die 1.<br />

und 2. Defibrillation werden mit einer Energie von 200 Joule durchgeführt,<br />

um ab dem 3. Versuch mit der Höchstdosis von 360 Joule<br />

zu defibrillieren. Neben der richtigen Platzierung der Elektroden ist<br />

zur Minderung des Hautwiderstandes die Verwendung eines<br />

Elektrodengels erforderlich. Eine Elektrode wird rechts parasternal<br />

unterhalb der Clavicula, die andere über die Herzspitze im 5. Intercostalraum<br />

in der vorderen Axillarlinie aufgesetzt. Nach der Defibrillation<br />

erscheint im EKG für wenige Sekunden eine isoelektrische<br />

Linie (Stunning). Setzt danach ein <strong>neu</strong>erliches Kammerflimmern ein,<br />

wird ohne Pulskontrolle sofort wieder defibrilliert. Ab der zweiten<br />

„3er-Serie“ wird nur noch mit 360 Joule defibrilliert. Während der<br />

Defibrillation darf kein Kontakt zum Patienten oder seiner Auflage<br />

zum Schutz des Personals bestehen. Während der Defibrillation<br />

muss dementsprechend darauf geachtet werden, dass alle<br />

Maßnahmen (auch Basismaßnahmen) am Patienten unterbrochen<br />

werden. Nach erfolgreicher Defibrillation und einem entsprechenden<br />

EKG-Bild wird die Funktion des Herzens durch die Betastung des<br />

Pulses kontrolliert. Sofern kein Puls tastbar, muss die Reanimation<br />

fortgeführt werden (Abb. 7).<br />

2.6.2. Nichtkammerflimmern/-tachykardie:<br />

Bei einem nicht durch Kammerflimmern verursachten Kreislaufstillstand<br />

ist eine Defibrillation als Erstmaßnahme nicht<br />

indiziert. Zunächst werden bis zur Verfügbarkeit des Notfallmedikamentes<br />

der Wahl – Adrenalin – Basismaßnahmen durchgeführt<br />

in Verbindung mit einem optimierten Atemwegsmanagement<br />

mit der Gabe von Sauerstoff. Adrenalin wird i.v. in einer<br />

Dosierung von 1 mg ca. alle 3 Minuten appliziert. Erst danach<br />

kann die Gabe von Atropin in einer Dosierung von 3 mg i. v. einmalig<br />

erwogen werden. Während der Reanimation sollte auch<br />

eine Suche nach möglichen Ursachen des Stillstandes erfolgen,<br />

um sie im Einzelfall kausal angehen zu können. Nach dreimaliger<br />

Applikation der Standarddosierung von 1 mg in 9 ml NaCl<br />

0,9 % als Bolus kann eine Steigerung der Dosis bis auf<br />

5 mg/Applikation erhöht werden.<br />

3. Grenzen der Reanimation<br />

Das Unterlassen einer Reanimation ist dem ärztlichen und medizinischen<br />

Hilfeverständnis wesensfremd, muss allerdings bei Großschadensfällen<br />

mit einer Diskrepanz zwischen Hilfsmöglichkeiten und<br />

–bedürfnissen akzeptiert werden. Hier kommt auch der ärztliche<br />

Helfer an die Grenze der Behandlungsmöglichkeiten. Unabhängig<br />

56


von der geringen Überlebenschance bei traumatisch bedingten<br />

Kreislaufstillständen (nach nationalen und internationalen Studienergebnissen<br />

unter 1 %), wird die Durchführung einer kardiopulmonalen<br />

Reanimation auf absehbare Zeit die Helfer binden, die an anderer<br />

Stelle durch kurzfristige Einzelmaßnahmen in der Lage wären, mehreren<br />

Geschädigten evtl. sogar lebensrettende Hilfe zu leisten.<br />

Abgesehen davon, dass z.B. die Einhelfer-Reanimation nur einen<br />

überbrückenden Kompromiss darstellt, wird bei einem späteren<br />

Hinzukommen von möglicherweise weiteren Helfern die Zeit für eine<br />

mögliche Erhöhung des Kreislaufs verstrichen sein.<br />

In der Situation des Großschadensereignisses gilt das Allesoder-Nichts-Gesetz:<br />

entweder es wird eine (optimale) Reanimation<br />

mit dem damit verbundenen Material- und Personalbedarf<br />

begonnen oder aber sie muss unterlassen werden. Eine<br />

unzureichende Reanimation bringt keinen Erfolg und bindet nur<br />

anderweitig „besser“ einsetzbare Kräfte. Wie auch unter den<br />

Bedingungen der Notfallmedizin ist der Versuch einer Reanimation<br />

der Verletzungen, die mit dem Leben nicht vereinbar<br />

sind, sinnlos. Bei Erkennbarkeit von sicheren Todeszeichen ist<br />

der Beginn einer Reanimation kontraindiziert.<br />

Literatur<br />

Bundesärztekammer (Hrsg.): Reanimation – Empfehlungen für<br />

die Wiederbelebung, 2. Aufl., Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2000<br />

Abbildungen aus:<br />

Sefrin, P.: Praxis der Notfälle – Grundsätzlich und speziell, Reihe<br />

Notfallmedizin Aktuelles Wissen Hoechst 1993 (Abdruck mit<br />

freundlicher Genehmigung der Fa. Aventis – Nachfolge Fa.<br />

Hoechst, Frankfurt) sowie Bundesärztekammer (Hrsg.): Reanimation<br />

– Empfehlungen für die Wiederbelebung, Deutscher<br />

Ärzte-Verlag, Köln 2000 (Abdruck mit freundlicher Genehmigung<br />

des Deutschen Ärzte-Verlages, Köln)<br />

57


Abb. 1a<br />

Abb. 2a<br />

Abb. 3a<br />

Abb. 4 Abb. 5<br />

58<br />

Abb. 1b<br />

Abb. 2b<br />

Abb. 3b


Abb. 6a<br />

Abb. 6b<br />

Abb. 6c<br />

Abb. 6d<br />

Abb. 6e<br />

59


Kammerflimmern<br />

ventrik. Tachykardie<br />

60<br />

Defibrillieren<br />

3x<br />

Kreislauf-Atem-Stillstand im Kindesalter<br />

(Erweiterte Maßnahmen)<br />

Algorithmus Basismaßnahmen CPR<br />

Oxygenieren, Beatmen<br />

Defibrillator/EKG-Monitor<br />

anschließen<br />

Rhythmus<br />

beurteilen<br />

Puls<br />

prüfen<br />

Asystolie<br />

EMD<br />

CPR 1min Während CPR<br />

falls nicht schon<br />

geschehen:<br />

• Intubation,<br />

Sauerstoff<br />

• Adrenalin<br />

alle 3 min<br />

• i.v.-Zugang,<br />

i.0.-Zugang<br />

• reversible Ursachen<br />

korrigieren*)<br />

• Puffer erwägen<br />

CPR 3min<br />

*) Potentielle reversible<br />

Ursachen:<br />

– Hypoxie<br />

– Hypovolämie<br />

u.a. metabolische<br />

Störungen<br />

– Hypothermie<br />

– Spannungsp<strong>neu</strong>mothorax<br />

– Tamponade<br />

– Toxische Ursache<br />

– Lungenembolie<br />

Abb. 7:<br />

Reanimations-<br />

Algorithmus gem.<br />

Empfehlung der<br />

Bundesärztekammer<br />

(2000)


Spezielle medizinische Maßnahmen


7. Therapie des Volumenmangelschocks<br />

E. Pfenninger, N. Vogt<br />

Ein effizienter Katastrophenschutz, adaptiert an die Erkenntnisse<br />

eines modernen Rettungswesens, bietet durch die frühzeitig<br />

einsetzende, vorverlegte Intensivtherapie heute auch für<br />

Patienten mit schwersten Kombinationstraumen noch durchaus<br />

eine reale Überlebenschance, wenn nur die entsprechenden<br />

Voraussetzungen und Möglichkeiten adäquat genutzt werden.<br />

Polytraumatisierte Patienten sind vor allem durch einen hämorrhagischen<br />

Schock gefährdet, der bei protrahiertem Verlauf zu<br />

irreversiblen Störungen der Mikrozirkulation und damit zum<br />

Multiorganversagen führt. Als Voraussetzung für die Versorgung<br />

eines Patienten im Volumenmangelschock erachten wir das<br />

Wissen um die pathophysiologischen Aspekte bei und nach<br />

dem Eintritt eines Schocks sowie ein hinreichend qualifiziertes<br />

Prozedere bei den therapeutischen Maßnahmen.<br />

1. Pathophysiologie des hämorrhagischen Schocks<br />

Unter einem Schock verstehen wir eine akut oder subakut einsetzende<br />

Störung, die zu einer lebensbedrohenden Minderperfusion<br />

der Gewebe und Organe führt. Dabei beeinflussen sich hämodynamische<br />

und metabolische Störungen von einem bestimmten,<br />

klinisch nicht exakt definierbaren Zeitpunkt an gegenseitig und<br />

verstärken die jeweiligen Auswirkungen auf den Organismus. Der<br />

hypovolämische Schock ist die in der <strong>Katastrophenmedizin</strong> sicher<br />

am häufigsten vorkommende Schockform.<br />

Ein ausgeprägter Verlust intravasalen Volumens durch Blutung<br />

nach innen oder außen würde ohne Kompensationsmechanismen<br />

des Organismus über einen Blutdruckabfall und eine<br />

Verminderung des Herzzeitvolumens, bedingt durch eine Reduktion<br />

des venösen Rückflusses, sehr rasch letal enden. Im Laufe<br />

der Evolution gelang es der Natur jedoch, durch adäquate Kompensationsmechanismen<br />

die Irreversibilität dieses Geschehens<br />

um ein Beträchtliches zeitlich hinauszuschieben und damit ein<br />

besseres Überleben des Organismus zu gewährleisten:<br />

– Mobilisierung der Kontraktiliätsreserve und der chronotropen<br />

Reserven des Herzens mit Steigerung der Myokardkontraktilität<br />

und Zunahme der Herzfrequenz.<br />

63


– Konstriktion der Arteriolen durch Stimulierung der Alpha-<br />

Rezeptoren mit Anstieg des peripheren Gefäßwiderstandes<br />

und Drosselung der Splanchnikus-, Nieren-, Muskel- und<br />

Hautdurchblutung sowie einer Umverteilung der Durchblutung<br />

zugunsten lebenswichtiger Organe wie Herz und Gehirn.<br />

– Konstriktion der Venen, ebenfalls durch adrenerge Stimulation.<br />

2. Symptome des Volumenmangelschocks<br />

– Blässe von Haut und Schleimhäuten, verminderte Venenfüllung,<br />

kalte, feuchte Haut, verzögerte Mikrozirkulation, Frierreaktion,<br />

Unruhe.<br />

– Tachykardie, flacher Puls, systolischer Druck um oder unter<br />

100 mmHg.<br />

– Als Verlaufskriterium kann sehr eingeschränkt der Quotient<br />

aus Pulsfrequenz und systolischem Blutdruck (Schockindex)<br />

herangezogen werden. Bei Zunahme des Wertes auf 1,0 ist<br />

ein drohender, bei Werten über 1,3 ist beim Erwachsenen ein<br />

manifester Schockzustand aufgrund des Volumenmangels<br />

anzunehmen.<br />

– Besser ist jedoch die Abschätzung des Volumenverlustes<br />

anhand des Verletzungsmusters.<br />

– Die meist flache, frequente Atmung weist auf eine eingeschränkte<br />

pulmonale Funktion hin, die häufig mit einer ausgeprägten<br />

Hypoxämie verbunden ist.<br />

Beim hypovolämischen Schock können durch die beschriebenen<br />

Mechanismen akute Volumenverluste bis zu etwa 20% des<br />

zirkulierenden Blutvolumens kompensiert werden, ohne dass<br />

der Schock in das Stadium der Dekompensation übertritt. Die<br />

Dekompensation des Schocks beginnt, wenn die Volumenverluste<br />

so groß sind, dass auch durch maximale Aktivierung<br />

der Kompensationsreaktionen kein ausreichender Perfusionsdruck<br />

für die Durchblutung der Vitalorgane mehr aufrecht erhalten<br />

werden kann.<br />

Klinisch manifestiert sich die Dekompensation als zunehmender<br />

Abfall von arteriellem Blutdruck und Herzzeitvolumen zusammen<br />

mit den biochemischen Veränderungen der Ischämie und<br />

Hypoxie der Vitalorgane. Damit tritt ein circulus vitiosus ein, in<br />

dessen Verlauf der Schock sich im Sinne eines positiven Feedbacks<br />

zunehmend selbst verstärkt mit zunehmend lebensbedrohlichem<br />

Verlauf.<br />

64


3. Therapie des Volumenmangelschocks<br />

3.1. Allgemeine Therapie des Volumenmangelschocks<br />

– Allgemeine Maßnahmen: Überprüfung der Vitalfunktionen Atmung<br />

und Herz-Kreislauf.<br />

– Bei massiver Blutung nach außen Anlegen eines Druckverbandes<br />

und Hochlagern der Extremität so weit wie möglich, bei<br />

spritzenden arteriellen Blutungen sofort, vor und während des<br />

Verbindens Kompression der zuführenden Arterie.<br />

– Großlumige venöse Zugänge so früh wie möglich.<br />

Cave: Später eventuell keine Venen mehr auffindbar !<br />

– Schocklagerung<br />

Anheben der Beine über die Herzebene um etwa 20–30 Grad,<br />

nach Lagerung auf eine Trage Kopftieflagerung ca. 10 –15 Grad.<br />

Bei bewusstlosen Patienten mit ausreichender Spontanatmung<br />

stabile Seitenlagerung, anschließend Kopftieflagerung.<br />

Cave: Steilere Lagerung führt zu einem Druck der Eingeweide<br />

auf das Zwerchfell mit der Folge einer möglichen Einschränkung<br />

der Spontanatmung.<br />

3.2. Spezifische Therapie des Volumenmangelschocks<br />

– Volumenersatz<br />

Wichtig!<br />

Möglichst frühzeitig Anlegen eines venösen Zugangs. Rasche<br />

Infusion einer Ringer-Laktatlösung (1000 –1500 ml) oder eines<br />

kolloidalen Volumenersatzmittels (1000 ml).<br />

– Sauerstoffzufuhr: 4 l O2/min<br />

– Sedierung und Analgesie<br />

– Diazepam 5 –10 mg i. v., oder Midazolam 1–5 mg i.v.<br />

– Morphin 5 mg oder Fentanyl 0,05 mg langsam i. v.<br />

– alternativ Ketamin 0,25–0,5 mg/kg KG i.v. oder S(+)Ketamin ® ‚<br />

0,125–0,5 mg/kg KG i.v.<br />

– Die Analgesie ist bereits am Unfallort wichtig zur Reduzierung<br />

der starken Stimulation der sympathikoadrenergen Reaktionen<br />

durch den Schmerz.<br />

– Cave: Atemdepression bei rascher Injektion (Beatmungsmöglichkeit<br />

muss vorhanden sein!), reduzierte Dosis wegen der<br />

Kreislaufzentralisation. Wegen der verzögerten Resorption bei<br />

i. m.–Injektion intravenöse Injektion bevorzugen;<br />

Nota bene: Medikamentengabe nach Wirkung titrieren!<br />

– Intubation und kontrollierte Beatmung bei schwerstem<br />

Schock<br />

Der Volumenersatz selbst kann grundsätzlich mit körpereigenen<br />

oder körperfremden Volumenersatzmitteln durchgeführt werden.<br />

Als körpereigen gelten Blut und dessen Bestandteile, wie<br />

65


z.B. Humanalbumin, das jedoch in Katastrophensituationen<br />

keine Rolle spielt.<br />

Als körperfremde Volumenersatzmittel kennen wir drei große<br />

Gruppen, nämlich Präparate, die auf Dextran-Basis, auf Gelatine-Basis<br />

oder Hydroxyethylstärke-Basis beruhen.<br />

An kolloidale Volumenersatzmittel werden dabei folgende<br />

Forderungen gestellt:<br />

– Physiologische Eigenschaften, die dem kolloidosmotischen<br />

Druck und der Viskosität des Plasmas möglichst nahe kommen.<br />

– Freiheit, zumindest vernachlässigbarer Grad von spezifischen,<br />

z. B. toxischen oder allergischen Nebenwirkungen<br />

– Keine über Dilutionsphänomene hinausgehende Beeinflussung<br />

der Blutgerinnung<br />

– Fehlende Infektiösität<br />

– Auch bei wiederholter Anwendung vollständiger Abbau und<br />

Ausscheidung<br />

– Das kolloidale Volumensersatzmittel sollte billig, haltbar und<br />

einfach auch in großen Mengen verfügbar sein<br />

4. Volumenersatzmittel<br />

Der ideale kolloidale Volumenersatz ist bis heute nicht verfügbar,<br />

alle Präparate können allergische Reaktionen auslösen, sie<br />

sind jedoch in Häufigkeit und Schwere unterschiedlich ausgeprägt.<br />

Bei weitem am häufigsten finden sich anaphylaktoide<br />

Reaktionen bei Gelatine-Präparaten, jedoch ist der Schweregrad<br />

der Reaktion häufig weniger stark ausgeprägt als z. B. bei<br />

Dextranen. Für Gelatine-Präparate muss in 0,12% mit Nebenwirkungen<br />

gerechnet werden. Außerdem ist als gravierender<br />

Nachteil die kurze Verweildauer im Körper sowie die geringe<br />

volumensubstituierende Wirkung anzusehen. Vorzuziehen sind<br />

deshalb sicher die beiden anderen Gruppen, nämlich Dextran<br />

und Stärkepräparate. Wenn zwar auch selten, nämlich nur in<br />

0,03%, sind die allergischen Reaktionen auf Dextran jedoch von<br />

schwerwiegendstem Charakter bis hin zum anaphylaktischen<br />

Schock mit Herzkreislaufstillstand. Dextran-induzierte allergische<br />

Reaktionen können grundsätzlich durch Haptengabe<br />

(Promit ® ) weitgehend vermieden werden, was jedoch in der<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong> auf verfahrenstechnische und logistische<br />

Probleme stößt. Die Anwenderprävalenz verschob sich deshalb<br />

in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren mehr<br />

und mehr zu Hydroxyethylstärkepräparaten, die je nach Mole-<br />

66


kulargewicht in ihrer Volumenwirkung dem Dextran ebenbürtig<br />

oder gar überlegen sind. Viele frühere grundlegende Untersuchungen<br />

über Hydroxyethylstärke wurden mit einer zunächst<br />

verfügbaren hochmolekularen Lösung durchgeführt, die sich<br />

durch ein Molekulargewicht von 450.000 und einem hohen<br />

Substitutionsgrad von 0,7 auszeichnete. Dabei konnte gezeigt<br />

werden, dass diese frühen Präparate zwar eine effektive, nebenwirkungsarme<br />

und kostengünstige Alternative zu Humanalbumin<br />

als Volumenersatzmittel darstellen, aber als klinisch bedeutsame,<br />

unerwünschte Eigenschaft dieser Infusionslösung wurde<br />

neben einer langdauernden Speicherung in unterschiedlichen<br />

Geweben von verschiedenen Untersuchern eine Beeinflussung<br />

des endogenen Gerinnungssystems bei Gabe von hohen Dosen<br />

festgestellt. Aus diesen Untersuchungen wurden für Hydroxyethylstärke-Applikationen<br />

empfohlene Obergrenzen von<br />

1,5 g/kg und Tag abgeleitet, die allerdings mehr einer Analogie<br />

zur Dextrananwendung entsprachen als fundierten wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen standhalten zu können.<br />

In der Folgezeit wurden Modifikationen der Hydroxyethylstärke<br />

synthetisiert, und verschiedene Untersuchungen fanden eine<br />

geringere Beeinflussung des Gerinnungssystems als mit Dextranpräparaten.<br />

Die geringere Beeinflussung des Gerinnungssystems<br />

ist insbesondere in katastrophenmedizinischer Hinsicht<br />

von besonderer Bedeutung, da bei der Erstversorgung von<br />

Katastrophenopfern Gerinnungsanalysen keinesfalls zur Verfügung<br />

stehen.<br />

Heute ist die bisher in der Literatur angegebene Grenze von 1,5<br />

g/kg und Tag Hydroxyethylstärke (HES) nicht mehr gerechtfertigt,<br />

sondern eine Dosierung von 2,5–3 g/kg und Tag durchaus<br />

zulässig und bei der Dosisempfehlung von mittelmolekularen<br />

HES-Lösungen bereits berücksichtigt. Für katastrophenmedizinische<br />

Belange bedeutet dies, dass bei gleichzeitiger Substitution<br />

von Sauerstoffträgern auf die Gabe von Humanalbumin<br />

völlig verzichtet werden kann, und dass – im Gegensatz zu<br />

Dextran-Präparaten – auch durch diese relativ große Menge an<br />

Hydroxyethylstärke keine schwerwiegenden Veränderungen<br />

des Gerinnungssystems zu befürchten sind.<br />

Insbesondere bei Kombinationsschäden, wie bei Verbrennungen<br />

und Verletzungen, ist der benötigte Volumenersatz besonders<br />

hoch. Im Falle von Kombinationsschäden bedeutet dies,<br />

dass in Katastrophensituationen Blutverluste von zwei und mehr<br />

Litern innerhalb kürzester Zeit ersetzt werden müssen. Auch bei<br />

Verwendung kolloidaler Lösungen, die zum Blutverlust im<br />

Verhältnis 1:1 angewendet werden, ist die Infusion ausreichen-<br />

67


der Mengen und damit die Stabilisierung der Kreislaufverhältnisse<br />

mitunter nicht in genügend kurzer Zeit möglich.<br />

Als Alternative zur üblichen Volumensubstitution wurde 1980 die<br />

Infusion hypertoner Kochsalzlösungen wieder entdeckt, nachdem<br />

diese nach ersten Versuchen im Jahr 1919 weitgehend in<br />

Vergessenheit geraten waren.<br />

Ausmaß und Dauer der Wirkung der hypertonen Lösung konnte<br />

durch Konzentration sowie durch Kombination mit einem kolloidalen<br />

Volumenersatzmittel erhöht werden. Es sei jedoch betont,<br />

dass eine Volumenersatztherapie mit hypertonen Lösungen nur<br />

als Überbrückungsmöglichkeit eines akuten Volumenmangels<br />

angesehen werden darf, da die Wirkung von hyperton-hyperonkotischen<br />

Lösungen nur eine sehr kurze Zeit (10–30 Minuten)<br />

anhält. Der definitive Volumenersatz muss unverzüglich mit kolloidalen<br />

Volumenersatzmitteln eingeleitet werden.<br />

4.1. Kolloidale Volumenersatzmittel<br />

Stoffgruppe Volumenwirkung Wirkdauer Allergierate<br />

Dextrane<br />

(z. B.: Macrodex ® 4,5 oder 6 %;<br />

Thomaedex ® 60 6 %) 100 – 180 % ca. 3-6 h +++<br />

Gelatine<br />

(z. B. Gelafundin ® 4%) 70 % ca. 1-3 h ++<br />

Hydroxyethylstärke<br />

Molekulargewicht 465.000<br />

(z. B. Plasmasteril ® ) 120 % ca. 8 h (+)<br />

Molekulargewicht 200.000<br />

(HAES-steril ® 6%) 100 % ca. 3-6 h (+)<br />

Molekulargewicht 40.000<br />

(z. B. Expafusin ® ) 70 % ca. 1-2 h (+)<br />

4.2. Nichtkolloidale Volumenersatzmittel<br />

Stoffgruppe Volumenwirkung Wirkdauer Bemerkungen<br />

Ringerlaktat 30 % 0,5–1 h dreifache Menge des<br />

Blutverlustes notwendig!<br />

Humanalbumin 5 % 100 % mehrere Tage In der <strong>Katastrophenmedizin</strong><br />

nicht<br />

angebracht !<br />

Gerinnungsfaktoren – Nicht sinnvoll<br />

68


4.3. Hyperton-hyperonkotische Lösung<br />

Stoffgruppe Volumenwirkung Wirkdauer Bemerkungen<br />

NaCl 7,2% / 300 – 600 % 20 – 30 min. Dosierung:<br />

Hydroxyethylstärke 4 ml/kg KG<br />

200.000 / 0,5 ®<br />

(z.B. HyperHAES®) Cave: nur einmalig<br />

anwendbar,<br />

Gefahr der<br />

Hyperosmolarität<br />

Weiterführende Literatur:<br />

1.Kilian, J.; Pfenninger, E.: Polytraumatisierte Patienten, in:<br />

Doenicke, A.; Kettler, D.; List , W. F.; Radke, J.; Tarnow, J.<br />

(Hrsg.), Anästhesiologie, Springer, Berlin, Heidelberg, New<br />

York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona, Budapest<br />

1995, S. 831–852<br />

2.Rebentisch E.: Handbuch der medizinischen Katastrophenhilfe,<br />

Reed Elsevier, Gräfelfing 1991<br />

69


8. Schmerzbehandlung und Anästhesie<br />

unter Katastrophenbedingungen<br />

E. Pfenninger<br />

1. Vorbemerkungen<br />

Die gelegentlich extrem erschwerten und begrenzten diagnostischen<br />

und therapeutischen Möglichkeiten unter Katastrophenbedingungen<br />

stellen besondere Anforderungen an Schmerzbehandlung<br />

und Anästhesie. Während in den intakten Krankenhäusern<br />

auch in Katastrophensituationen die routinemäßigen Verfahren zur<br />

Anwendung gelangen, müssen in improvisierten Versorgungseinheiten<br />

„vor Ort“ an eine suffiziente Anästhesie und Analgesie folgende<br />

Forderungen gestellt werden:<br />

– einfache Handhabung der Methodik,<br />

– rasche Wirksamkeit der eingesetzten Substanzen und ausreichende<br />

Wirkungsintensität,<br />

– geringe respiratorische und kardiozirkulatorische Nebenwirkungen,<br />

– Einsatzmöglichkeit auch bei Rettung von Verletzten.<br />

2. Analgesie<br />

Die Verfahren der Schmerzbehandlung müssen rasch verfügbar,<br />

sofort einsetzbar und schnell wirksam sein. Der Forderung nach<br />

rascher Wirksamkeit wird zwar nur die intravenöse Applikation<br />

gerecht, unter Katastrophenbedingungen und den eingeschränkten<br />

medizinischen Kapazitäten haben aber die orale Verabreichung<br />

– soweit möglich – und die intramuskuläre Injektion ebenso<br />

einen gewissen Stellenwert.<br />

Rein schematisch lassen sich die Substanzen zur Schmerzbehandlung<br />

folgendermaßen einteilen:<br />

– Analgetika ohne hypnotische und sedative Effekte („periphere“<br />

Analgetika),<br />

– Analgetika mit hypnotischem und/oder sedativem Effekt,<br />

– Inhalationsanalgetika,<br />

– Lokalanästhetika.<br />

Inhalationsanalgetika (vor allem ein Gemisch aus Sauerstoff und<br />

Lachgas) scheiden wegen des notwendigen apparativen Auf-<br />

70


wandes unter Katastrophenbedingungen a priori aus, bei intakten<br />

Krankenhausstrukturen sind sie ebenfalls zur Analgesie<br />

keine gebräuchliche Alternative. Dagegen sind Lokalanästhetika<br />

und Analgetika ohne sedativen Effekt gut brauchbar.<br />

2.1. Analgetika ohne hypnotische und sedative Effekte<br />

(nicht-steroidale, „periphere“ Analgetika)<br />

Periphere Analgetika haben zwar den Vorzug einer großen therapeutischen<br />

Breite und weisen kaum Nebenwirkungen auf,<br />

ihnen fehlt aber die gerade unter Katastrophenbedingungen so<br />

wichtige, sedierende Komponente. Im Einzelnen sind geeignet<br />

(Dosierung für Erwachsene):<br />

– Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin ® ) 0,5–1 g, max. 6 g/die<br />

– Novaminsulfon (z. B. Novalgin ® ) 0,5–1 g, max. 4 g/die<br />

– Paracetamol (z. B. benuron ® ) 1 g, max. 4 g/die<br />

– Diclofenac (z. B. Voltaren ® ) 100 mg, max. 200 mg/die.<br />

Bei abdominellen Koliken hat sich die Gabe von Novaminsulfon<br />

und einem Spasmolytikum (Butylscopolamin: z. B. Buscopan ® )<br />

besonders bewährt.<br />

2.2. Analgetika mit hypnotischem und/oder sedativem<br />

Effekt<br />

Opiate sind zwar stärkste Analgetika, jedoch auch mit ausgeprägten<br />

Nebenwirkungen verbunden. Deshalb bedarf ihre Anwendung<br />

immer einer ärztlichen Indikation. Zu den Nebenwirkungen<br />

gehören Atemdepression, Übelkeit und Erbrechen<br />

sowie Steigerung des Tonus der glatten Muskulatur (Überfüllung<br />

der Harnblase durch Sphinktertonuserhöhung!).<br />

Die gebräuchlichsten Opiate sind:<br />

– Pethidin (Dolantin ® ) 10–25 mg i.v., 25–50 mg i.m.<br />

– Morphin (Morphin ® ) 5 –10 mg i.v., 10–20 mg i.m.<br />

– Buprenorphin (Temgesic ® ) 0,15–0,3 mg i.v., 0,3–0,6 mg i.m.,<br />

0,2–0,4 mg oral<br />

– Piritramid (Dipidolor ® ) 7,5 –15 mg i.v., 10 –20 mg i.m<br />

– Fentanyl (Fentanyl ® ) 0,05 –0,1 mg i.v.<br />

In zunehmender Weise fand auch Ketamin (z. B. Ketanest ® )<br />

als kurz wirkendes Analgetikum Verwendung. Dosierung:<br />

0,5–1 mg/kg i.m. Als Nachteil muss die relativ kurze Wirkzeit<br />

von ca. 30 min angesehen werden. Seit kurzem steht das<br />

Ketamin Isomer S(+)Ketamin (Ketamin S ® ) zur Verfügung, das<br />

in einer Dosis von 0,125–0,5 mg/kg i.v. oder ggf. i.m. appliziert<br />

wird.<br />

71


2.3. Lokalanästhetika<br />

Lokalanästhetika verhindern die Depolarisation von Nervenzellmembranen,<br />

indem sie die Permeabilität für Natriumionen<br />

vermindern, und zwar an jeder erregbaren Zelle (ZNS-Exzitation,<br />

ZNS-Depression, Herzrhythmusstörungen, Kardiodepression).<br />

Ihre Wirkung bleibt lokal begrenzt, solange nicht toxische Plasmaspiegel<br />

erreicht werden. Die Wirkung der Lokalanästhetika<br />

am Natriumkanal der Axonmembran ist an das Vorliegen der<br />

ionisierten Form gebunden, die Diffusion zur Axonmembran<br />

durch die Myelin- bwz. Schwannsche Scheide an das Vorliegen<br />

der nichtionisierten, freien Base. In entzündetem oder hypoxischem<br />

Gewebe (Gewebsazidose) sind übliche Lokalanästhetika<br />

ionisiert und darum schlecht wirksam.<br />

Pharmakokinetik<br />

Die Absorption am Applikationsort kann durch Zusatz eines<br />

Vasokonstriktors wie Adrenalin (1:200.000) oder Ornipressin<br />

(maximal 2 Einheiten) wesentlich verlangsamt werden.<br />

Pharmakologische Eigenschaften gebräuchlicher Lokalanästhetika<br />

In Abhängigkeit vom Applikationsort werden unterschiedliche<br />

Blutspiegel erreicht<br />

– Blutspiegel bei interkostaler Applikation periduraler Applikation<br />

Plexusanästhesie Infiltrationsanästhesie<br />

– Bei interkostaler Applikation ist der Blutspiegel um das<br />

2,5fache höher als bei Infiltrationsanästhesie.<br />

– Die Geschwindigkeit der Elimination wird für Lokalanästhetika<br />

vom Estertyp durch die Metabolisierung durch Plasmaterasen<br />

72<br />

Handelsname Relative Relative Maximaldosis Maximaldosis Wirkungs-<br />

Toxizität Wirkungs- (mg) (mg) eintritt<br />

bezogen stärke ohne mit<br />

auf Procain Vasokon- Vasokonstriktor<br />

striktor<br />

Lidocain<br />

z.B. Xylocain ® 2 4 200 500 schnell<br />

Mepivacain 2 4 300 500 schnell<br />

z.B. Meaverin ® (5 mg/kg)<br />

z.B. Scandicain ®<br />

Prilocain 1,5 4 400 600 schnell<br />

z.B. Xylonest ®<br />

Bupivacain 8 16 150 600 langsam<br />

z.B. Carbostesin ® (2mg/kg)<br />

Ropivacain 4 12 300 langsam<br />

z.B. Naropin ® (4 mg/kg)


estimmt. Lokalanästhetika vom Amidtyp werden in der Leber<br />

metabolisiert.<br />

Nebenwirkungen<br />

– Bei Erreichen toxischer Plasmaspiegel zunächst kardiale<br />

(Tachykardie/Hypertonie/Arrhythmie) und zerebrale (Taubheit<br />

der Zunge, Ohrsausen, Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen,<br />

Tremor, Krampfanfall) Exzitation<br />

– bei noch höherem Plasmaspiegel Depression (Druckabfall<br />

durch Kardiodepression und Vasodilation, Herz-Kreislauf-<br />

Stillstand, Apnoe, Bewusstlosigkeit).<br />

Indikationen:<br />

– Analgesie: Infiltrationsanästhesie, Plexusanästhesie<br />

– Operative Eingriffe: Infiltrationsanästhesie, periphere Nervenblockaden,<br />

Plexusanästhesie, Peridural- und Spinalanästhesie<br />

(nach Ausschluss eines Volumenmangels).<br />

Mittellang wirkende Lokalanästhetika:<br />

– Lidocain (z. B. Xylocain ® ) 0,5/1/2 % max. 3 mg/kg KG<br />

mit Vasokonstriktorzusatz max. 7 mg/kg KG<br />

– Mepivacain (z. B. Scandicain ® ) 0,5/1/2 % max. 4 mg/kg KG<br />

mit Vasokonstriktorzusatz max. 7 mg/kg KG<br />

– Prilocain (z. B. Xylonest ® ) 0,5/1 % max. 5,7 mg/kg KG<br />

mit Vasokontriktorzusatz max. 8,5 mg/kg KG<br />

Langwirkende Lokalanästhestika:<br />

– Bupivacain (z. B. Carbostesin ® ) 0,25/0,5 % max. 2 mg/kg KG<br />

– Ropivacain (z. B. Naropin ® ) 0,5/1,0% max. 4 mg/kg KG<br />

Bei Überdosierung eines Lokalanästhetikums kommt es zu: AV-<br />

Block, Krämpfen, Atemlähmung, Kreislaufzusammenbruch.<br />

Ein AV-Block wird mit Adrenalin 0,05–0,1 mg, Krämpfe mit<br />

Diazepam oder Midazolam, eine Atemlähmung mit Beatmung<br />

und ein Kreislaufzusammenbruch nach den Regeln der kardiopulmonalen<br />

Wiederbelebung behandelt.<br />

3. Anästhesieverfahren<br />

In Katastrophensituationen muss davon ausgegangen werden,<br />

dass nur ein minimales Monitoring in Form von Puls-, Blutdruck-<br />

und Atmungskontrolle möglich ist, dass Patienten auch<br />

dann anästhesiert werden müssen, wenn sie noch im manifesten<br />

Schock sind, und dass diffizile pharmakokinetische<br />

73


Aspekte außer Betracht bleiben müssen. Alle Narkosen müssen<br />

unter Raumluft oder mit Raumluftbeatmung durchführbar sein,<br />

jedoch ist eine Sauerstoff-Flasche für eventuelle Zwischenfälle<br />

zwingend vorzusehen.<br />

3.1. Intravenöse Narkose<br />

Intravenöse Narkotika werden zur Narkoseeinleitung und als<br />

Komponenten der Totalen Intravenösen Anästhesie (TIVA) oder<br />

als Komponenten der Neuroleptanästhesie und ihrer Varianten<br />

verwendet. Dem Vorteil der schnellen und angenehmen Narkoseeinleitung<br />

steht als Nachteil der Verlust der Steuerbarkeit entgegen.<br />

Die Eliminationskinetik des Medikamentes ist nicht mehr<br />

zu beeinflussen.<br />

Der Wirkungseintritt wird bei einer Bolusinjektion in der Regel durch<br />

die Kreislaufzeit bestimmt. Bei reduziertem Herz-Zeit-Volumen soll<br />

die Injektionszeit angepasst werden, da sich bei zu rascher Injektion<br />

nur ein geringerer Teil des injizierten Pharmakons während der initialen<br />

Kreislaufzeit mit dem zerebralen Zielkompartiment äquilibrieren<br />

kann, während sich der Rest im „zentralen Kompartiment“ verteilt<br />

(z.B. auch Myokard). Im Verhältnis zur (langsamer einsetzenden)<br />

Sedierung kann die Nebenwirkung der kardiozirkulatorischen Depression<br />

ausgeprägt sein. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass<br />

bei Katastrophenopfern mit protrahiertem Schock ein ausgeprägter<br />

Volumenmangel besteht und somit bei Narkoseeinleitung ein<br />

Kreislaufzusammenbruch droht.<br />

Bei allen Narkosen muss für eventuelle Zwischenfälle folgendes<br />

Zubehör griffbereit vorhanden sein:<br />

– Handbeatmungsbeutel mit Beatmungsmasken<br />

– Absaugpumpe mit Absaugkatheter<br />

– Laryngoskop<br />

– Oro- und Nasopharyngealtuben (Guedel-Tuben, Wendl-Tuben)<br />

– Endotrachealtuben<br />

– Notfallmedikamente (Adrenalin 1:1.000, Diazepam oder<br />

Midazolam, Succinylcholin, Glukokortikoide: z. B. Solu-<br />

Decortin H ® 250 mg).<br />

Vor einer geplanten Narkose sollte der Patient mit einem<br />

Anxiolytikum (z. B. Tranxilium ® 10–20 mg p.o., Atosil ® 0,5 mg/kg<br />

i.m., Dormicum ® 1– 3 mg i.v.) medikamentös prämediziert werden,<br />

immer muss ein venöser Zugang sichergestellt sein. Atropin (Vagolyse)<br />

0,01 mg/kg wurde früher vor Narkoseeinleitung obligat appliziert,<br />

heute wird es nur noch bei entsprechender Indikation<br />

(Bradykardie, Kleinkinder, unerwünschte Salivation) verwendet.<br />

74


3.1.1. Narkose bei intakter medizinischer Struktur<br />

Hier kommen alle gebräuchlichen Narkoseverfahren und deren<br />

adäquates Monitoring zum Einsatz. Im Wesentlichen ist dies die<br />

totale intravenöse Anästhesie (TIVA) sowie die bilanzierte Anästhesie<br />

unter Verwendung von intravenösen und inhalativen<br />

Anästhetika. Als Beispiel für eine TIVA sei angeführt:<br />

– Disoprivan (z. B. Propofol ® ) 1–2mg/kg i.v. zur Narkoseeinleitung<br />

– Fentanyl (z. B. Fentanyl ® ) 0,1 mg i.v. bzw. Alfentanil (z. B.<br />

Rapifen ® ) 1 mg i.v.<br />

– Beatmung über Larynxmaske (bei nüchternen Patienten!)<br />

oder Beatmung nach Relaxation und Intubation<br />

– Aufrechterhaltung der Narkose mit Disoprivan 1–3 mg/kg/h<br />

und repetitiven Opiatdosen<br />

3.1.2. Narkose bei reduzierter Ausstattung<br />

Kurznarkose mit erhaltener Spontanatmung<br />

– Midazolam (z. B. Dormicum ® ) 2–5 mg langsam i.v.<br />

bzw. Disoprivan (z.B. Propofol ® ) 10–50 mg i.v.<br />

– S(+)-Ketamin (Ketanest S ® ) 0,5 –1,0 mg/kg langsam (60 sec) i.v.<br />

– bei Bedarf Nachinjektion von 0,5 mg/kg Ketamin S ® .<br />

Kurznarkose mit Intubation<br />

Vorgehen wie bei erhaltener Spontanatmung, dann nach sicherer<br />

Maskenbeatmung Präkurarisierung mit z.B. 1 mg Vecuroniumbromid<br />

(z. B. Norcuron ® ) und Muskelrelaxierung mit Succinylcholin<br />

(z.B. Lysthenon ® 1–2 mg/kg langsam (15 sec) i.v.).<br />

Nach der endotrachealen Intubation wird mit dem Beatmungsbeutel<br />

mit Luft oder Luft/Sauerstoff beatmet. Bei Bedarf wird<br />

Ketamin S ® 0,5 mg/kg und bei absoluter Notwendigkeit der<br />

er<strong>neu</strong>ten Relaxation Succinylcholin 20–40 mg (sehr langsam!)<br />

nachinjiziert (Höchstdosis Succinylcholin: 400 mg; Cave:<br />

Schwere Bradykardien, stark verlängerte Wirkung.<br />

Alternativ kann bei sicher nüchternen Patienten primär mit<br />

einem nicht depolarisierenden Muskelrelaxanz (z.B. Vecuroniumbromid<br />

0,1 mg/kg) relaxiert werden.<br />

Eine Relaxierung ohne Intubation ist wegen der Gefahr der<br />

Aspiration (nicht nüchterner Patient, fehlende Magenentleerung)<br />

unzulässig.<br />

3.2. Inhalationsanästhesie<br />

Unter Katastrophenbedingungen ist sicherlich der intravenösen<br />

Narkose der Vorzug zu geben. Trotzdem sollen hier die volatilen<br />

Inhalationsanästhetika erwähnt werden, da sie in manchen Ländern<br />

einen anderen Stellenwert als in Deutschland einnehmen.<br />

75


Inhalationsanästhetika (Lachgas, N2O und die Dämpfe der halogenierten<br />

Kohlenwasserstoffe Halothan ® , Enfluran ® und Isofluran ® )<br />

wirken am Zielorgan, dem ZNS, aber auch an peripheren Organen<br />

(Herz, <strong>neu</strong>romuskuläre Endplatte) depressorisch. Der genaue<br />

Mechanismus ist nicht bekannt. Ziel der Inhalationsanästhesie<br />

ist, einen ausreichenden Partialdruck des Narkosegases<br />

im Gehirn zu erreichen. Da dieser klinisch nicht bestimmbar ist,<br />

bezieht man die Wirkstärke auf die minimale alveoläre<br />

Konzentration (MAC). MAC ist die alveoläre Gleichgewichtskonzentration,<br />

bei der 50% der Patienten auf eine Hautinzision nicht<br />

mit einer Abwehrbewegung reagieren.<br />

Der MAC-Wert der Inhalationsanästhetika wird vermindert durch<br />

– Kombination mit anderen Inhalationsanästhetika (N2O)<br />

– Prämedikation mit Sedativa und Opiaten<br />

– Alter, Hypothermie, Schwangerschaft<br />

– Hypoxie, Anämie, Hypotension<br />

Der MAC-Wert der Inhalationsanästhetika wird erhöht durch<br />

– Alkoholabusus, Hyperthermie<br />

Tabelle: Bewertung der Inhalationsanästhetika<br />

Eigenschaft Halothan ® Enfluran ® Isofluran ® Sevofluran ® Desfluran ®<br />

Kardiodepression ++ + + + +<br />

periphere Vasodilation + ++ + +<br />

Steuerbarkeit + ++ ++ +++ ++++<br />

Muskelrelaxation (+) + + + +<br />

Atemdepression + ++ + + +<br />

proarrhythmogene Wirkung ++ (+) (+) (+) (+)<br />

Krampfpotentiale + ?<br />

klinische Erfahrung ++ + + + +<br />

Kosten + ++ +++ ++++ ++++<br />

Metabolisierungsrate 20 % 2 % 0,2 % 3 % 0,02 %<br />

Veränderungen des Partialdruckes des Anästhetikum im<br />

Narkosegasgemisch führen zu schnellen gleichgerichteten<br />

Veränderungen des Partialdruckes in den Alveolen, dem arteriellen<br />

Blut und dem Gehirngewebe; mit den meisten anderen<br />

Geweben wird während der Dauer klinischer Anästhesien kein<br />

Gleichgewicht erreicht. Die alveoläre Konzentration hängt von<br />

der Anästhetikumkonzentration, der Ventilation sowie der<br />

Resorption ab.<br />

76


3.2.1. Langdauernde Narkose mit Intubation unter Katastrophenbedingungen<br />

Zunächst Vorgehen wie 3.1.2. Nach der Intubation und aufgenommenen<br />

Beatmung wird Vecuroniumbromid (z. B. Norcuron ® )<br />

0,1 mg/kg KG i.v. injiziert. Wenn nach ca. 20 min die Muskelrelaxierung<br />

nachlässt, kann 2 mg Vecuroniumbromid nachinjiziert<br />

werden. Die Aufrechterhaltung der Narkosetiefe wird durch<br />

die Inhalation eines Lachgas/Sauerstoffgemisches (70:30 Vol%)<br />

oder einfacher eines Luft/Sauerstoffgemisches (70:30 Vol%)<br />

sowie die Zugabe eines der aufgeführten Inhalationsanästhetika<br />

in einer Konzentration von ca. 1 MAC erreicht. Bei Operationsende<br />

sollte die Muskelrelaxierung aus Sicherheitsgründen (verminderte<br />

Überwachungsmöglichkeiten!) mit 0,1 mg/kg KG<br />

Pyridostigmin (z. B. Mestinon ® ) zusammen mit 0,5 mg Atropin<br />

aufgehoben werden.<br />

3.3. Narkose beim Schädel-Hirn-Trauma<br />

Beim schweren Schädel-Hirn-Trauma darf keine Narkose in<br />

Spontanatmung durchgeführt werden, da alle Narkotika bei<br />

Hirntraumen zu einem Anstieg des arteriellen Kohlensäurepartialdruckes<br />

und damit zur Hirndrucksteigerung führen können.<br />

Ketamin kann zwar in ungünstigen Fällen auch unter kontrollierter<br />

Beatmung zu einer Hirndrucksteigerung führen, dies<br />

lässt sich aber durch Zugabe eines Benzodiazepins oder von<br />

Disoprivan (z. B. Propofol ® 1–2 mg/kg) verhindern. Die Narkose<br />

lässt sich somit wie unter 3.1.3 durchführen. Am Ende der Narkose<br />

muss unbedingt ein ausreichender Wachheitsgrad sowie<br />

eine ausreichende Spontanatmung vorhanden sein. Anderenfalls<br />

muss der Patient unter kontrollierter Beatmung einer<br />

Intensivtherapie zugeführt werden.<br />

Alternativ empfiehlt sich eine Total Intravenöse Anästhesie (TIVA):<br />

– Disoprivan (z.B. Propofol ® ) 1–2 mg/kg KG i.v.,<br />

– Fentanyl (z. B. Fentanyl ® ) 0,1–0,3 mg i.v.,<br />

bzw. Alfentanil (z.B. Rapifen ® ) 1–3 mg i.v.<br />

– dann Vorgehen wie unter Narkose mit Intubation beschrieben.<br />

3.4. Narkose in Ausnahmesituationen<br />

In besonderen Situationen (eingeklemmte Patienten, Narkose<br />

auf dem „freien Felde“, völliger Zusammenbruch der Versorgung)<br />

empfiehlt sich eine Ketamin-S ® – Mononarkose durchzuführen.<br />

Die Spontanatmung bleibt dabei erhalten, Blutdruck und Puls<br />

können palpatorisch beurteilt werden:<br />

– Ketamin-S ® 0,25–1,0 mg i.v. titriert!<br />

– Repetitionsdosis: 0,25–0,5 mg/kg<br />

– Evtl. Supplementierung mit Midazolam 1–5 mg i.v.<br />

Achtung! Erhöhte Rachenreflexe, deshalb kein Guedel-Tubus<br />

77


Weiterführende Literatur:<br />

1.Georgieff, M.; Schirmer, U.: Klinische Anästhesiologie,<br />

Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1995<br />

2.Kilian, J.; Pfenninger, E.: Polytraumatisierte Patienten, In:<br />

Doenicke, A.; Kettler, D.; List, W. F.; Radke, J.; Tarnow, J.<br />

(Hrsg.): Anästhesiologie, Springer, Berlin, Heidelberg, New<br />

York, London, Paris, Tokyo, HongKong, Barcelona, Budapest<br />

1995, S. 831–852<br />

3.Rebentisch E.: Handbuch der medizinischen Katastrophenhilfe,<br />

Reed Elsevier, Gräfelfing 1991<br />

78


9. Chirurgische Maßnahmen im<br />

Katastrophenfall bei Patienten mit<br />

Kombinationstraumen/Versorgungsstrategien<br />

bei polytraumatisierten<br />

Patienten.<br />

A. Ekkernkamp und G. Matthes<br />

1. Einleitung<br />

Im Rahmen schwerer traumatologischer Großschadensereignisse<br />

kommt es bei den Opfern meistens zu einer Mehrfachverletzung,<br />

seltener zu einer Monoverletzung. Liegen Verletzungen<br />

mehrer Körperregionen vor, von denen eine oder die<br />

Kombination akut lebensbedrohlich sind, spricht man von<br />

einem Polytrauma. Solche Verletzten sind bei der Sichtung<br />

meist der Dringlichkeitskategorie T 1 oder T 2 zuzuordnen (s.u.).<br />

Prinzipiell gelten für die präklinische Versorgung Mehrfachverletzter<br />

oder polytraumatisierter Patienten im Katastrophenfall<br />

die üblichen Versorgungsschritte:<br />

– Rettung aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich<br />

– Stabilisierung der Vitalfunktionen<br />

– Stillung lebensbedrohlicher äußerer Blutungen<br />

– Schmerzbekämpfung<br />

– Verbände und Lagerung, auch Immobilisation<br />

2. Sichtung<br />

Im Katastrophenfall stehen zu Anfang die katastrophenmedizinische<br />

Festlegung von Behandlungsprioritäten und die Organisation<br />

der Rettungsmaßnahmen.<br />

Erst dann folgt die eigentliche (chirurgische) Behandlung.<br />

Mit Beginn der Rettungsmaßnahmen werden die Verletzen gerettet,<br />

ggf. zu einer Verletztenablage oder an einen festgelegten<br />

Behandlungsplatz verbracht. Beim Massenanfall von Verletzten<br />

muss dabei jeweils wiederkehrend eine Sichtung stattfinden.<br />

Ziel der Sichtung ist die Beurteilung der Versorgungsdringlichkeit<br />

der einzelnen Verletzten. Festgelegt werden hierbei u. a.:<br />

– Reihenfolge der Behandlung<br />

– Reihenfolge des Abtransportes<br />

– Transportart (Boden / Luft)<br />

– Zielklinik<br />

79


Dazu werden die Verletzten im Katastrophenfall den Dringlichkeitskategorien<br />

T 1 bis T 4 zugeordnet. Die Verantwortung für<br />

die Sichtung gehört grundsätzlich in die Hand des katastrophenmedizinisch<br />

erfahrensten Arztes. Er ist gegenüber den<br />

anderen Ärzten und dem medizinischen Assistenzpersonal im<br />

gewissen Rahmen – in Abhängigkeit landesrechtlicher Regelungen<br />

– weisungsbefugt. Der Sichtungs-Arzt legt die Art und<br />

den Behandlungsumfang bei den einzelnen Verletzten fest. Er<br />

selbst behandelt (zunächst) nicht. Untersuchung und Dokumentation<br />

sollten nicht mehr als 2 min pro liegendem Patient dauern.<br />

Abhängig von der Zahl der Verletzten sind unter einer (!)<br />

Leitung ggf. mehrere Sichtungs-Ärzte einzusetzen, um die<br />

Behandlung der Verletzten nicht zu verzögern.<br />

2.1. Dringlichkeitskategorien<br />

Tabelle 1 zeigt die Dringlichkeitskategorien mit typischen Verletzungsmustern.<br />

Das Ergebnis der Sichtung wird vom Sichtungs-Arzt oder seinem<br />

Assistenzpersonal auf einem Dokumentationssystem, z.B.<br />

einer Verletztenanhängekarte festgehalten, die gut sichtbar am<br />

Verletzten befestigt wird. Auf dieser Karte werden neben den<br />

erhebbaren persönlichen Daten die Dringlichkeitskategorie, orientierende<br />

Diagnosen und erste durchgeführte Maßnahmen<br />

dokumentiert.<br />

3. Untersuchung und Erstversorgung<br />

Jeder Verletzte muss eine orientierende Untersuchung erhalten.<br />

Ziel der Erstuntersuchung, gerade bei polytraumatisierten<br />

Patienten, ist es, die Leitverletzung zu erkennen. Bei den ärztlichen<br />

Erstmaßnahmen an Schwerstverletzten sind aufwändige<br />

Versorgungen von Extremitätenverletzungen oder geringeren<br />

Verletzungen aufgrund des hier relativ zu hohen Zeitverlustes<br />

lebensgefährdend für viele weitere Verletzte und daher zu unterlassen.<br />

Es gilt der Leitsatz „life before limb“. Im Folgenden werden<br />

einzelne Untersuchungsschritte, Besonderheiten und Erstmaßnahmen<br />

dargestellt.<br />

3.1. Neurologischer Status, Kopf und Wirbelsäule<br />

Die Bewusstseinslage wird auch bei traumatologischen Notfällen<br />

am besten anhand der Glasgow-Coma-Scale (GCS) eingeschätzt<br />

(Tabelle 2).<br />

80


Kategorie Dringlichkeit Verletzungen (Beispiele) Transportpriorität<br />

der Behandlung<br />

T1 Erste Behandlungs- Störung der Atmung Zunächst nicht<br />

priorität: Schwere Blutung transportfähig,<br />

Lebensrettende Schock nach Stabilisierung<br />

Sofortmaßnahmen Schwere Verbrennungen jedoch<br />

Transportpriorität I<br />

T2 Zweite Behandlungs- Offene Schädel- Transportpriorität I<br />

priorität: Versorgung Hirn-Verletzungen nach ärztlichen<br />

aus vitaler Indikation Rückenmarks- Sofortmaßnahmen<br />

oder zur Vermeidung verletzungen<br />

bleibender Schäden mit Lähmung<br />

innerhalb einer 6-8 Verletzungen des<br />

Stundengrenze Gastrointestinal-<br />

Traktes<br />

Verletzungen großer<br />

Extremitäten/Arterien<br />

ohne schwere Blutung<br />

Offene Extremitätenfrakturen<br />

Aufgeschobene Frakturen/Luxationen Transportpriorität II<br />

Behandlungspriorität: SHT ohne Zeichen einer nach ärztlichen<br />

Operative Versorgung Hirndrucksteigerung Sofortmaßnahmen<br />

innerhalb der ersten Größere Weichteilver-<br />

6-24h nach dem letzungen<br />

Schadensereignis Größere, jedoch<br />

nicht akut lebensbedrohliche<br />

Verbrennungen<br />

Amputationspflichtige<br />

Extremitätenverletzungen<br />

T3 Leichtverletzte Unkomplizierte Wunden Spättransport<br />

Kleinflächige<br />

Verbrennungen<br />

I – II Grades<br />

T4 aktuell nicht Aktuell nicht überlebbare<br />

behandelbare Verletzungen, z. B.<br />

Schwerstverletzte reanimationspflichtiges<br />

Polytrauma<br />

Tabelle 1: Dringlichkeitskategorien/typische Verletzungsmuster<br />

Die Zustandsbewertung des Verletzten kann bekanntlich zwischen<br />

3 und 15 Punkten erreichen. Es erfolgt ergänzend eine<br />

Beurteilung der Pupillen, wobei auf Pupillenweite, Isocorie und<br />

Lichtreaktion geachtet wird.<br />

Schließlich werden äußere Verletzungen beurteilt. Schwere<br />

Kopfverletzungen, gerade bei Hochrasanztraumen, gehen oftmals<br />

mit Verletzungen der Halswirbelsäule einher. Bei ansprechbaren<br />

Verletzten ist die periphere Motorik und Sensibilität zum<br />

81


Augenöffnen Spontan 4 Punkte<br />

Auf Ansprechen 3 Punkte<br />

Auf Schmerzreiz 2 Punkte<br />

Nicht 1 Punkte<br />

Verbale Orientiert, beantwortet Fragen 5 Punkte<br />

Reaktion Desorientiert, beantwortet Fragen 4 Punkte<br />

Inadäquate verbale Antwort 3 Punkte<br />

Unverständliche Laute 2 Punkte<br />

Keine verbale Reaktion 1 Punkt<br />

Körpermotorik Bewegung auf Befehl 5 Punkte<br />

Gezielte Schmerzabwehr 5 Punkte<br />

Massenbewegung auf Schmerz 4 Punkte<br />

Beugesynergien auf Schmerz 3 Punkte<br />

Strecksynergien auf Schmerz 2 Punkte<br />

Keine 1 Punkt<br />

Tabelle 2: Glasgow-Coma-Scale<br />

Ausschluss einer Wirbelsäulenverletzung mit Rückenmarksbeteiligung<br />

orientierend zu überprüfen.<br />

Weiterhin sind Schmerzäußerungen im Wirbelsäulenbereich zu<br />

erfragen. Prädilektionsstellen für Wirbelsäulenverletzungen sind<br />

neben der Halswirbelsäule der thorakolumbale Übergang und<br />

die untere Lendenwirbelsäule.<br />

3.1.1. Besonderheiten<br />

Bei ausgeprägten Gesichtsverletzungen ist, soweit in Katastrophensituationen<br />

möglich, auf orale Blutungen oder ausgeschlagene<br />

Gebissanteile zu achten, die eine Aspirationsgefahr<br />

darstellen. Bei schweren Gesichtsverbrennungen ist<br />

ein Inhalationstrauma diagnostisch zu bedenken. Im Rahmen<br />

von Explosionsunfällen können Blutungen aus dem äußeren<br />

Gehörgang auf eine Trommelfellverletzung hinweisen.<br />

3.1.2. Erstversorgung bei Patienten mit Bewusstlosigkeit,<br />

Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen<br />

Die Atemwege müssen sicher freigehalten werden. Bei GCS-<br />

Werten von ≤ 8 muss eine Intubation durchgeführt werden. Hierbei<br />

ist der einfachsten Intubationsart, in den meisten Fällen der<br />

orotrachealen Intubation, der Vorzug zu geben. Sollten schwerste<br />

Gesichtsverletzungen eine orotracheale Intubation unmöglich<br />

machen, ist eine Notfalltracheotomie indiziert.<br />

Defektwunden am Kopf, auch mit freiliegendem Gehirn, werden<br />

lediglich mit sterilen Kompressen abgedeckt. Beim geringsten<br />

Verdacht auf eine Halswirbelsäulenverletzung sollte eine die HWS<br />

stabilisierende Fixation angelegt werden. Bei allen Wirbelsäulenverletzungen<br />

ist eine achsenstabile Lagerung notwendig.<br />

82


Zur Rettung werden unter individualnotfallmedizinischen Gegebenheiten<br />

6 Helfer(!) benötigt. Es sollten, soweit möglich, spezielle<br />

Hilfsmittel, wie Schaufeltrage und Vakuummatratze, eingesetzt<br />

werden.<br />

3.2. Thoraxtrauma<br />

Prellmarken und eine Instabilität des Thorax sind Zeichen einer<br />

Rippen(serien)fraktur. Ein weiterer Hinweis auf eine schwere<br />

Thoraxverletzung ist das Auftreten von paradoxer Atmung. Klinische<br />

Zeichen eines P<strong>neu</strong>mothorax sind Atemnot, fehlende<br />

Atemgeräusche und hypersonorer Klopfschall auf der betroffenen<br />

Seite, Kreislaufdepression und Halsvenenstauung.<br />

3.2.1. Besonderheiten<br />

Bei Kindern können aufgrund des elastischen Skeletts schwere<br />

intrathorakale Verletzungen auch ohne begleitende Rippenfraktur<br />

auftreten. Zusätzliche klinische Zeichen sind (auch) hier<br />

gedämpfte Herzgeräusche und Kreislaufdepression. Bei Hochrasanztraumen<br />

(u.a. spezielle Schussverletzungen, Sturz aus<br />

großer Höhe) kann es zu Verletzungen der thorakalen Aorta<br />

kommen.<br />

3.2.2 Erstversorgung von Thoraxverletzungen<br />

Da Thoraxverletzungen sehr häufig mit einer ausgeprägten<br />

Lungenkontusion vergesellschaftet sind, sollte – ressourcenabhängig<br />

– die Indikation zur Intubation großzügig gestellt werden.<br />

Hierbei ist eine Beatmung mit PEEP durchzuführen. Bei Beatmung<br />

besteht die Gefahr, dass sich ein zuvor übersehener P<strong>neu</strong>mothorax<br />

in einen kreislaufwirksamen Spannungsp<strong>neu</strong>mothorax<br />

mit Mediastinalverschiebung umwandelt. Daher ist auch nach<br />

Intubation eine regelmäßige klinische Kontrolle nötig.<br />

Beim Vorliegen eines P<strong>neu</strong>mothorax muss umgehend eine<br />

Entlastung vorgenommen und eine Thoraxdrainage gelegt werden.<br />

Eintrittspunkt ist der 4. oder 5. ICR in der vorderen Axillarlinie,<br />

niemals jedoch unterhalb der Mamille. Die auf Dauer effektive<br />

Drainage sollte einen Durchmesser von mindestens 24 Ch<br />

aufweisen, da kleinere Drainagen durch Blutkoagel verlegt werden<br />

können. Sollte in Ausnahmesituationen keine entsprechende<br />

Drainage vorhanden sein, so kann z.B. ein Absaugschlauch<br />

oder ein Tubus behelfsmäßig benutzt werden. Bei offenen Thoraxverletzungen<br />

ist das alleinige sterile Abkleben obsolet!<br />

Es muss in jedem Falle eine Drainage gelegt werden, um die<br />

Entwicklung eines Spannungsp<strong>neu</strong>mothorax, z.B. nach sterilem<br />

Abdecken während eines Transportes, zu vermeiden.<br />

83


Beim Spannungsp<strong>neu</strong>mothorax kann initial auch eine großlumige<br />

Plastik-Kanüle eingebracht werden, an der gegebenenfalls<br />

ein abgeschnittener Fingerling als Auslassventil dient. Im<br />

weiteren Verlauf sollte die Plastik-Kanüle jedoch durch eine<br />

Drainage ersetzt werden.<br />

3.3. Blutung, Gefäßverletzung, Schock<br />

Bei Mehrfachverletzungen kommt es oft zu Verletzungen großer<br />

Gefäße, stark durchbluteter Organe oder großer Röhrenknochen.<br />

Dies kann zu massiven Blutungen in Körperhöhlen<br />

hinein oder zu äußeren Blutungen führen. Orientierende Zeichen<br />

eines Volumenmangelschocks sind (mit Einschränkungen) ein<br />

systolischer Blutdruck unter 100 mm Hg bei einer Herzfrequenz<br />

von ≥ 120 beim Erwachsenen.<br />

3.3.1. Behandlung von Blutungen, Gefäßverletzungen und<br />

Schock<br />

Periphere arterielle Blutungen werden durch Druckverbände versorgt.<br />

Der Einsatz von Gefäßklemmen kann in Katastrophensituationen<br />

nicht immer vermieden werden. Bei einer peripheren<br />

Blutung ist das Abbinden einer ganzen Extremität abzulehnen. (Es<br />

kann zu einer Ischämie noch durchbluteter Abschnitte kommen,<br />

weiterhin können Nerven geschädigt werden). Ist eine Blutung<br />

durch einen Druckverband nicht zu beherrschen, muss möglichst<br />

eine Hilfskraft die Blutung manuell abdrücken. Jeder Patient mit<br />

starkem Blutverlust und Gefahr der Entstehung eines Volumenmangelschocks<br />

oder einem schon manifesten Schock muss<br />

umgehend mit mehreren großlumigen peripheren Venenzugängen<br />

versorgt werden. Ausführungen zur Volumensubstitution finden<br />

sich im Kapitel 7 (Pfenninger / Vogt: Therapie des Volumenmangelschocks).<br />

3.4. Abdomenverletzungen und Beckentrauma<br />

Ein gespanntes Abdomen mit äußeren Verletzungszeichen, insbesondere<br />

bei zusätzlicher Schocksymptomatik, gibt Hinweise<br />

auf das Vorliegen einer intraabdominellen Verletzung.<br />

Instabile Beckenfrakturen sind bedingt durch die begleitende Zerreißung<br />

des pelvinen Venenplexus häufig mit hohem Blutverlust vergesellschaftet.<br />

Die Stabilität des Beckens wird durch beidhändige<br />

Kompression überprüft.<br />

3.4.1. Besonderheiten<br />

Insbesondere Prellmarken in der Flankenregion oder im Oberbauchbereich<br />

sind Hinweise auf ein stumpfes Trauma, das zu<br />

schweren inneren Verletzungen (Milzruptur, Pankreasverletzung)<br />

führen kann. Instabile Beckenverletzungen gehen häufig mit<br />

Verletzungen der ableitenden Harnwege einher.<br />

84


3.4.2. Erstversorgung von Abdomen- und Beckenverletzungen<br />

Bei Verdacht auf eine innere Blutung steht die Schockbehandlung<br />

im Vordergrund. Wunden werden steril abgedeckt. Bei Pfählungsverletzungen<br />

werden Fremdkörper in situ belassen.<br />

Bei instabilen Beckenverletzungen muss ein schonender Transport<br />

mit der Vakuummatratze angestrebt werden.<br />

3.5. Extremitätenverletzungen<br />

Extremitätenfrakturen und Luxationen gehören zu den häufigsten<br />

Unfallverletzungen. Dislozierte Frakturen großer Röhrenknochen<br />

(Femur) können zu erheblichem Blutverlust führen.<br />

Pralle Schwellungen der umgebenden Weichteile weisen auf ein<br />

mögliches Kompartment-Syndrom hin.<br />

3.5.1. Erstversorgung von Extremitätenverletzungen<br />

Die Extremitätendurchblutung ist anhand der tastbaren peripheren<br />

Pulse zu kontrollieren. Jede Fraktur oder Luxation muss<br />

bereits am Unfallort so gut wie möglich reponiert werden. Dies<br />

gelingt meistens durch dosierten Zug an der Extremität. Nach<br />

Reposition ist eine Lagerungsschiene anzulegen bzw. eine Vakuummatratze<br />

zu verwenden. Bei der Verwendung von Luftkammer-<br />

oder Vakuumschienen muss beachtet werden, dass<br />

ein zu festes Anlegen der Schiene eine Ischämie der Extremität<br />

bedingen kann. Daher ist nach jeder Reposition und Schienung<br />

er<strong>neu</strong>t die Durchblutung zu kontrollieren. Im Fall eines eingeklemmten<br />

Verletzten, bei dem eine langwierige Rettung aufgrund<br />

des Gesamtzustandes nicht möglich ist, muss ggf. eine<br />

Notamputation in Erwägung gezogen werden. Bei Amputationsverletzungen<br />

sollten replantationsfähige Amputate in dafür<br />

vorgesehenen Beuteln transportiert werden. Eine Reinigung des<br />

Amputates oder das Einlegen in eine Lösung ist kontraindiziert.<br />

Insbesondere beim Massenanfall verbietet sich zeitaufwändiges<br />

Suchen nach amputierten Gliedmaßen. Amputationsstümpfe<br />

und Wunden werden steril abgedeckt und Gefäßverletzungen<br />

nach dem o.g. Prinzip versorgt.<br />

Bei jeder Extremitätenverletzung müssen im Verlauf wiederholt<br />

Kontrollen auf das Vorliegen eines Kompartmentsyndroms erfolgen.<br />

Obwohl prinzipiell alle Extremitätenverletzungen zur Entwicklung<br />

eines Kompartmentsyndroms führen können, sind insbesondere<br />

Verletzungen der Tibia und komplexe Fußtraumen<br />

prädestinierend. Es wird allgemein das Monitoring des Kompartmentdrucks<br />

mit einer entsprechenden percutanen Messsonde<br />

empfohlen.<br />

Als kritischer Grenzwert und somit als Indikation zur operativen<br />

Dekompression gilt: RRdiast – Kompartmentdruck = 30 mmHg.<br />

85


Es ist zu beachten, dass bei der Extremitätenischämie – im<br />

Gegensatz zum stumpfen Weichteiltrauma – ein Kompartmentsyndrom<br />

erst nach einer zeitlichen Latenz auftreten kann. Auch<br />

nach Reperfusion einer zuvor ischämischen Extremität kann es<br />

zur Entwicklung eines Kompartmentsyndroms, dem sog.<br />

Reboundkompartmentsyndrom, kommen. Bei dringendem Verdacht<br />

auf ein Kompartmentsyndrom muss, um bleibende Schäden<br />

durch Muskelnekrosen und Gefäß-/Nerven-Schäden zu<br />

vermeiden, eine operative Kompartmentspaltung mit großzügiger<br />

Fasciotomie aller Muskellogen erfolgen. Der entstandene<br />

Defekt wird zunächst mit einem synthetischen Hautersatz<br />

gedeckt und später sekundär verschlossen, bzw. mit Spalthaut<br />

gedeckt.<br />

3.6. Verschüttungstraumen<br />

Bei Verschüttungen kommt es häufig zur druckbedingten<br />

Ischämie von Extremitäten oder Rumpfteilen. Dies führt zu<br />

einem Muskelzerfall mit konsekutiver Myoglobinurie. Kennzeichen<br />

sind ein dunkler oder rötlicher Urin. Es droht ein akutes<br />

Nierenversagen (Crushsyndrom). Zusätzlich kommt es häufig zu<br />

schweren Thoraxverletzungen sowie zum Kompartmentsyndrom<br />

ischämischer Extremitäten.<br />

3.6.1. Behandlung von Verschüttungstraumen<br />

Großzügige Intubation, Schocktherapie und Erzielen einer forcierten<br />

Ausscheidung sind wesentliche Voraussetzungen für<br />

eine effektive Primärtherapie; die frühzeitige Extremitätenamputation<br />

ist beim Massenanfall von Verletzten in Betracht zu ziehen.<br />

Zu Monitoring und Therapie des Kompartmentsyndroms s.<br />

Absch. 3.5.1.<br />

Die Abbildung zeigt die Algorithmen zur Pathophysiologie und<br />

Therapie des Crushsyndroms.<br />

3.7. Schuss- und Splitterverletzungen<br />

Schuss- und Splitterverletzungen sind grundsätzlich als kontaminierte<br />

Wunden anzusehen. Es kommt oft zum Verbleib von metallischen<br />

Fremdkörpern in der Wunde. Wird z.B. vor Eintritt des Geschosses<br />

in den Körper Bekleidung zerschlagen, so werden meist<br />

Textilfasern in die Wunde verschleppt. Primär ist bei solchen<br />

Verletzungen auf eine Ein- und Austrittsstelle des Geschosses zu<br />

achten, um den möglichen Verbleib des Fremdkörpers in der<br />

Wunde zu identifizieren („Steckschuss“). Insbesondere bei Schussverletzungen<br />

sind zur weiteren Beurteilung der resultierenden<br />

Wunde einige physikalische Grundkenntnisse notwendig. So kann<br />

86


Crush-Syndrom – Pathophysiologie –<br />

Aufhebung äußerer Kompression<br />

Wiedereinsetzen der Zirkulation<br />

Rhabdomyolyse<br />

Myaglobinurie<br />

Hyperphosphatämie<br />

Hyperkaliämie<br />

Hyperurikämie<br />

Ödem<br />

Hypovolämie<br />

metabol. Azidose Hämokonzetration<br />

Gerinnungsstörung<br />

Nierenversagen<br />

=<br />

Crush-Syndrom<br />

Erweiterte Primär-Therapie<br />

Crush-Verletzung<br />

Normovolämie Hypovolämie<br />

500 ml Kristalloide (K+-arm)/h<br />

je 1000 ml Kristall.: +50 mval NaHCO 3<br />

Urin-pH6,5 Ausscheid. 300ml/h<br />

+NaHCO 3<br />

+fraktion. Lasix ®<br />

Urin300ml/h<br />

pH6,5<br />

(Diamox) ® (Dopamin) ®<br />

Therapiefortführung bis<br />

Blut u. Urin myoglobinfrei<br />

– Säure-Basen-Status –<br />

Hämodialyse; [hyperbare Oxygenation]<br />

man bei Waffen mit niedriger Mündungsgeschwindigkeit ( 350 m/s)<br />

davon ausgehen, dass in der Umgebung des Schusskanals keine<br />

wesentlichen Gewebeverletzungen auftreten. Hochgeschwindigkeitsgeschosse<br />

hingegen erzeugen häufig zwar nur ein relativ kleines<br />

Einschussloch, jedoch übertragen sie im Körper ihre hohe kinetische<br />

Energie auf das den Schusskanal umgebende Gewebe. Es<br />

kommt zu explosionsartigen Höhlenbildungen (Kavitationen) mit<br />

entsprechenden Organdestruktionen. Dichtere Gewebe wie Knöpfe<br />

an der Kleidung, aber auch Knochen, können zu sog. Sekundärgeschossen<br />

werden und weitere Verletzungen bedingen.<br />

Neben Hochgeschwindigkeitsgeschossen führen auch Schrotschüsse<br />

aus nächster Nähe, sog. „Explosionsgeschosse“,<br />

„Dum-Dum-Geschosse“ oder Sprengsätze zu besonders schwerwiegenden<br />

Gewebeschäden. Zur klinischen Klassifikation von<br />

Schussverletzungen hat sich die Red Cross War Wound Classification<br />

nach Coupland bewährt (s. u.).<br />

3.7.1. Behandlung von Schuss- und Splitterverletzungen<br />

Die Erstversorgung von Schuss- und Splitterverletzungen entspricht<br />

den oben dargestellten Prinzipien zur Versorgung von<br />

Verletzungen der betroffenen Körperregion. Es ist primär immer<br />

von Wundkontamination und verbliebenen Fremdkörpern auszugehen.<br />

Auch bei Schuss- und Splitterverletzungen sollten<br />

Fremdkörper präklinisch in situ belassen werden.<br />

87


Tabelle 2: „Red Cross War Wound Classification“ nach<br />

Coupland<br />

E = Einschusswunde Maximaler Durchmesser in cm<br />

X = Ausschusswunde Maximaler Durchmesser in cm<br />

C = Kavitation C0 = Höhle fasst weniger als zwei Finger<br />

C1 = Höhle fasst mindestens zwei Finger<br />

F = Fraktur F0 = keine Fraktur<br />

F1 = einfache Fraktur<br />

F2 = komplizierte Fraktur mit Trümmerzone<br />

V = Vitale Strukturen V0 = nicht betroffen<br />

V1 = Dura, Pleura, Perito<strong>neu</strong>m eröffnet, Verletzung<br />

großer Gefäße<br />

M = Metallische M0 = keine<br />

Fremdkörper M1 = ein Fremdkörper<br />

M2 = multiple Fremdkörper<br />

Klassifikation<br />

Grad 1 E + X 10 mit C0/F0 oder F1<br />

Grad 2 E + X 10 mit C1 oder F2<br />

Grad 3 E + X 10 mit C1 oder F2<br />

4. Zielklinik und Transportmittel<br />

4.1. Wahl der Zielklinik<br />

Prinzipiell sollten schwerstverletzte und polytraumatisierte<br />

Patienten in ein Traumazentrum oder eine Klinik der Maximalversorgung<br />

(mit unfallchirurgischer und <strong>neu</strong>rochirurgischer<br />

Abteilung) verbracht werden. Ist der Verletzte jedoch sehr instabil,<br />

so muss er primär in die nächstgelegene (chirurgische) Klinik<br />

verbracht werden. Die Zielklinik muss rechtzeitig über das voraussichtliche<br />

Eintreffen, das Verletzungsmuster und die Leitverletzung<br />

informiert werden. Beim Massenanfall von Verletzten<br />

ist im Vorfeld durch die Rettungsleitstelle zu klären, welche<br />

Kliniken für die Aufnahme der Verletzten in Betracht kommen,<br />

und wieviele Patienten jeweils aufgenommen werden können.<br />

Die entsprechenden Krankenhäuser sollten frühestmöglich<br />

informiert werden, damit noch vor Eintreffen der ersten Verletzten<br />

durch Umsetzung interner Alarmierungs- und Einsatzpläne<br />

die Aufnahme ggf. mehrerer schwerstverletzter Patienten vorbereitet<br />

werden kann.<br />

4.2. Transportmittel<br />

Für einen schnellen und erschütterungsfreien Transport über<br />

weite Distanzen – je nach witterungsbedingter Verfügbarkeit –<br />

ist der Hubschrauber das geeignetste Transportmittel. Dies gilt<br />

insbesondere für Patienten mit schweren Schädelhirntraumata,<br />

Wirbelsäulen- und Beckenverletzungen sowie großflächigen<br />

88


Verbrennungen. Beim Transport mit dem Hubschrauber muss<br />

vor Abtransport die Stabilisierung des Verletzten (Intubation,<br />

Thorax-Drainage etc.) vollständig erfolgt sein.<br />

Bei kurzen Entfernungen zur Zielklinik ist ein Transport mit dem<br />

Notarztwagen, Rettungswagen, bei Großschadensereignissen<br />

auch Krankentransportwagen, indiziert. Über die Notwendigkeit<br />

einer ärztlichen Begleitung des Patiententransportes ist in Abhängigkeit<br />

von der Verletzungsschwere und den personellen<br />

Ressourcen zu entscheiden.<br />

Die Organisation der entsprechenden Transportmittel obliegt<br />

beim Massenanfall von Verletzten der Integrierten- oder Rettungs-Leitstelle.<br />

Bei der Nachforderung von Rettungsmitteln ist<br />

grundsätzlich, neben dem tatsächlichen Bedarf, der notwendige<br />

Zeitaufwand zur Bereitstellung der Transportmittel zu beachten.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Tscherne, H.; Regel, G. (Hrsg.) Trauma-Management, Springer,<br />

Berlin, Heidelberg, 2000<br />

Internet<br />

The Trauma Organisation: WWW.Trauma.org<br />

The Internet Journal of Rescue and Disaster Medicine:<br />

WWW.anes.saga-med.ac.jp/ispub/journals/ijrdm.htm<br />

89


10. Maßnahmen bei thermischen<br />

Schädigungen im Katastrophenfall<br />

H. Haller<br />

1. Allgemeines: Thermische und kombinierte Verletzungen<br />

unter Katastrophenbedingungen<br />

Die folgenden Tabellen sollen einen Eindruck über stattgehabte<br />

und typischerweise zu erwartende Einsatzbedingungen geben.<br />

Die folgenden Angaben können nur als Beispiele gelten, da<br />

wegen der Vielfalt der Möglichkeiten eine exaktere Abschätzung<br />

der Opferzahlen sowie des Schweregrades der Verletzungen<br />

nicht möglich ist. Die Kasuistiken sollen die besondere Situation<br />

einer Katastrophe beispielhaft darstellen und die Möglichkeit<br />

geben, sich auf derartige Situationen etwas einzustellen.<br />

Unabhängig von dem vorliegenden Szenario verschlechtert ein<br />

Polytrauma die Prognose entscheidend.<br />

Die nachfolgenden Darstellungen zeigen die Unkalkulierbarkeit<br />

von Brandkatastrophen unter den verschiedensten Bedingungen.<br />

2. Spezielles – Verbrennungen und Verbrühungen<br />

2.1. Prinzipielles Procedere<br />

2.1.1. Erste Hilfe:<br />

Hier gelten grundsätzlich dieselben Überlegungen wie auch bei<br />

allen anderen Vorgehensweisen der Ersten Hilfe.<br />

Die Unterbrechung der thermischen Einwirkung steht im<br />

Vordergrund. Das Ersticken der Flammen kann am wirkungsvollsten<br />

durch Auf-dem-Boden-Rollen des brennenden Opfers<br />

geschehen, die Suche nach Löschwasser verzögert oft unnötig.<br />

Flammen können wirkungsvoll durch Decken erstickt werden,<br />

wobei darauf zu achten ist, dass es sich dabei um keine<br />

Synthetics handelt, die unter thermischer Einwirkung auf dem<br />

Körper festkleben oder gar selbst brennen. Damit kann auch<br />

vermieden werden, dass Opfer eines Brandunfalles oft minutenlang<br />

als brennende Fackeln auf der Suche nach einer Löschmöglichkeit<br />

herumirren, während die thermische Schädigung<br />

weiterhin erfolgt.<br />

Zu diesen ersten Maßnahmen gehört auch das Entfernen von<br />

glimmender oder mit heißer Flüssigkeit getränkter Kleidung von<br />

der Haut. Bereits fest klebende Kleidungsteile sollten gekühlt<br />

90


Tabelle 1: Katastrophen mit Brandverletzungen (nach Literaturangaben)<br />

Katastrophe<br />

Gesamt Verletzt Hospita- Gesamt Vor Ort Krankenanwesend<br />

am<br />

Schadensort<br />

lisiert verstorben haus<br />

1958 Schule „Lady<br />

of Angels“,<br />

Chikago, USA 87 93<br />

1961 Zirkusfeuer<br />

Niteroy,<br />

Brasilien 2500 1000 160 453 340 213<br />

1978 Gasexplosion<br />

Campingplatz,<br />

Barcelona, Spanien ? 250 130 120<br />

1984 Gas Explosion<br />

Mexico City,<br />

Mexico ? 7000 2000 550 250<br />

1985 Stadion, Bradford<br />

U.K. ? 256 56 ? ?<br />

1987 Kings Cross<br />

Underground,<br />

London, U.K. ? 150 28 58 28 30<br />

1988 Ramstein,<br />

Deutschland 300000 443 146 70 34 36<br />

1988 Alpha Piper<br />

Bohrinsel, Norwegen ? 63 15 167 167<br />

1989 Gasexplosion (Zug)<br />

Ural, USSR 3000 800 460 2200 ? ?<br />

1994 Krankenhaus<br />

Petersburg,<br />

Virginia, USA 468 Betten 5 5<br />

1996 Düsseldorf Flughafenfeuer,<br />

Deutschland 2500 62 8 17 16 1<br />

1998 Pflegeheim Arlington,<br />

U.K. 32 8 8<br />

und auf der Haut belassen, ggf. umschnitten werden. Bei einer<br />

orientierenden Untersuchung stehen die Vitalfunktionen und<br />

deren Stabilisierung im Vordergrund. Dies geschieht ressourcenabhängig<br />

mit Ersthelfermethoden oder mit Mitteln der erweiterten<br />

Wiederbelebung, wobei eine Trommelfellperforation<br />

durch Explosionsunfälle eine mangelnde Ansprechbarkeit der<br />

Verunfallten vortäuschen kann.<br />

2.1.2. Kühlung<br />

Vor allem bei kleineren Verbrennungen ist eine Kühlung durch<br />

Wasser (~ 15°C) sinnvoll, sie darf aber – bei individual-notfallmedizinischer<br />

Versorgung – niemals zu Unterkühlung führen ! (15).<br />

Wasser zwischen 1 und 8 °C kann die Gewebsschäden verstärken.<br />

Kühlung durch Wasser trägt wesentlich zur Schmerzreduktion<br />

bei, da die Austrocknung von Schmerzkörperchen in<br />

oberflächlichen Verbrennungswunden verhindert wird. Spätestens<br />

bei Frösteln des ansprechbaren Patienten ist die Kühlung<br />

abzubrechen, da eine schwere Unterkühlung durch die Verduns-<br />

91


tungskälte des Wundsekretes vor allem von oberflächlichen<br />

Verbrennungen begünstigt wird und für den Patienten sehr nachteilige<br />

Folgen haben kann (6). Zur Kühlung genügt „sauberes<br />

Wasser“. Sterilität ist wünschenswert, im Notfall, v. a. im Katastrophenfall<br />

aber nicht unbedingt erforderlich, feuchte Auflagen<br />

sind für den gewünschten Effekt ausreichend (8).<br />

Die Kühlung mittels Leitungswasser soll nur bei „kleineren Verbrennungen“<br />

durchgeführt werden (15), das sind solche mit einem<br />

Gesamtausmaß unter 15% verbrannter Körperoberfläche (KOF) bei<br />

Erwachsenen unter 40 Jahren, 10% KOF bei Erwachsenen über 40<br />

Jahren und bei Kindern unter 10 Jahren (14) (1).<br />

Tabelle 2: Wasseranwendung<br />

2.1.3. Schutz vor Unterkühlung<br />

Löschen des Verletzten Ja<br />

Unterbrechen der Hitzeeinwirkung =<br />

tastbar warme Oberfläche der Verbrennung (5) Ja<br />

Kaltwasserdusche bei kleinen Verbrennungen<br />

über 10 Minuten oder mehr Ja, solange Patient nicht<br />

fröstelt; Wasser mit ~ 15°C<br />

Kaltwasserdusche bei großen Verbrennungen Nein, Gefahr der<br />

über die Unterbrechung der Hitzeeinwirkung hinaus Hypothermie<br />

Auflage von wassergetränkten Tüchern Sicher bei allen ambulanten<br />

Patienten, bei größeren<br />

Verbrennungen unter<br />

Kontrolle der<br />

Kerntemperatur (6)<br />

Kind etwa 4 Jahre alt Erwachsener<br />

Abbildung 1: Prozentuale<br />

Körperoberflächenzuordnung bei<br />

Erwachsenem und Kind<br />

92<br />

Der nächste Schritt ist der Schutz<br />

vor Unterkühlung. Dies geschieht<br />

am besten durch ein aluminiumbedampftes<br />

Wattevlies (z. B.<br />

Metalline ® ), ein zusätzlicher<br />

Schutz mit Wolldecken o.ä. kann<br />

je nach Umgebungstemperatur<br />

vor allem bei nachfolgendem<br />

Transport sinnvoll sein. Falls<br />

möglich, sollte der Patient im ggf.<br />

adäquat temperierten Transportmittel<br />

befördet werden.<br />

2.1.4. Einschätzung des Verbrennungsausmaßes<br />

Anschließend erfolgt das Einschätzen<br />

des Verbrennungsausmaßes<br />

entsprechend der Neuner-Regel<br />

nach Wallace.


Dies ist erforderlich, um Sichtungsmaßnahmen treffen zu können<br />

und die Flüssigkeitstherapie zu steuern.<br />

Eine Handfläche entspricht ca. 1 % der verbrannten Körperoberfläche<br />

des Betroffenen.<br />

Gesamtausmaß und evtl. drittgradiger Anteil bestimmen gemeinsam<br />

mit dem Alter des Patienten sowie weiteren Schädigungen<br />

am wesentlichsten die Prognose.<br />

2.1.5. Bestimmung der Verbrennungstiefe:<br />

Eine Tiefenbestimmung der Verbrennungsverletzung ist wegen<br />

der Dynamik der Verbrennung und dem damit verbundenen<br />

Tieferschreiten unzuverlässig und kann bestenfalls orientierend<br />

erfolgen; sie ist umso ungenauer, je näher sie zeitlich zum<br />

Verbrennungsunfall liegt.<br />

2.1.6. Berücksichtigung von Begleitverletzungen:<br />

Begleitverletzungen sind zu berücksichtigen, sie können den<br />

Flüssigkeitsbedarf wesentlich verändern und sind auch für die<br />

spätere Zuordnung der Versorgung zu einem speziellen Zentrum<br />

wesentlich.<br />

2.1.7. Schockbekämpfung:<br />

2.1.7.1. Flüssigkeitsgabe:<br />

Eine suffiziente Flüssigkeitsgabe ist aufgrund des, mit der<br />

Verbrennung verbundenen, hypovolämischen Schocks ab<br />

einem Verbrennungsausmaß von mehr als 15% verbrannter<br />

Körperoberfläche (KOF) beim Erwachsenen, 10% KOF bei<br />

Kindern und 5 % KOF bei Kleinkindern erforderlich.<br />

Inhalationstraumen erhöhen in der Regel den Flüssigkeitsbedarf.<br />

Die Infusionstherapie sollte so bald wie möglich begonnen werden.<br />

Beim Erwachsenen gilt als Faustregel für die erste Stunde<br />

die Infusion von 1000 ml kristalloider Lösung i.v.. Mengen von<br />

1,5 – 2,5 l sind vertretbar (4). Ringerlactat wird als ausreichend<br />

betrachtet.<br />

Die Flüssigkeitstherapie soll nach der Formel:<br />

4 x kg KGW x % verbrannte KOF = ml Ringerlactat in 24 Std.<br />

erfolgen.<br />

In den ersten 8 Stunden (4) sollen keine Kolloide verabreicht<br />

werden. Nach 18 Stunden wird zusätzlich zur Flüssigkeitstherapie<br />

auf der Basis des Erhaltungsbedarfes eine Kolloidsubstitution<br />

oder Gabe von Plasmapräparationen (4) zur Aufrechterhaltung<br />

der Organperfusion unter klinischen Bedingungen als<br />

sinnvoll angesehen.<br />

93


Da die Formeln zur Flüssigkeitssubstitution eine große Fehlerbreite<br />

aufweisen, ist die Kontrolle anhand der Vitalparameter<br />

erforderlich, bei verzögertem Abtransport ist die Überwachung<br />

der Urinausscheidung sinnvoll, wobei beim Erwachsenen etwa<br />

0,5 –1 ml / kg KGW Urinproduktion pro Stunde angestrebt wird,<br />

beim Kind etwa 1 ml / kg KGW.<br />

Die Flüssigkeitsgabe soll über einen großlumigen peripheren<br />

Zugang erfolgen, die Punktion von Venen kann auch durch verbranntes<br />

Gebiet erfolgen, die Fixation des Zuganges ist allerdings<br />

gegenüber unverbranntem Gewebe erschwert.<br />

2.1.7.2. Analgetikagabe:<br />

Diese soll – wie bereits im Kapitel 8. erwähnt – immer intravenös<br />

oder intramuskulär, niemals subcutan verabreicht werden, da<br />

eine mangelnde Resorption bei Zentralisation und unerwartete<br />

Effekte nach Beheben der Zentralisation zu erwarten sind.<br />

Präparate und Dosierungen siehe Kapitel 8 „Schmerzbehandlung<br />

und Anästhesie unter Katastrophenbedingungen“.<br />

2.1.8 Intubations- und Beatmungsindikationen:<br />

Intubations- und Beatmungsindikationen sollen ressourcenabhängig<br />

großzügig gehandhabt werden. Zu bedenken ist, dass<br />

später eine Umintubation wegen des bestehenden Ödems oft<br />

nicht möglich ist; daher sollte der Tubus, falls möglich, bereits<br />

primär einen Innendurchmesser von mehr als 7mm (Ch. 28)<br />

aufweisen, um eine spätere Bronchoskopie zu ermöglichen.<br />

Vor allem bei verzögertem Intubationsversuch besteht die<br />

Gefahr einer schwierigen Intubation mit eventuell erforderlicher<br />

Tracheotomie.<br />

Falls unter entsprechenden Bedingungen eine Intubation ohne<br />

Beatmungsmöglichkeit erforderlich ist, um die Atemwege offen<br />

zu halten, kann die Spontanatmung durch Gabe von Ketaminen<br />

aufrecht erhalten bleiben.<br />

Tabelle 3: Intubationsindikationen<br />

Als Indikationen für Intubation<br />

und Beatmung gelten<br />

Thermische und andere (Schluckbeschwerden, Speichelfluss)<br />

Verletzung der oberen Luftwege,<br />

Glottisödem, Mundbodenödem<br />

Zirkuläre oder annähernd zirkuläre Sekundäres Ödem<br />

Verbrennungen des Halses Ruß, Stridor, Rasselgeräusche<br />

Verdacht auf Inhalationstrauma: Verdacht auf Kohlenmonoxid (CO)-<br />

Brand in geschlossenen Räumen oder Cyanid (CN)-Intoxikation<br />

Acute Respiratory Distress Syndrome Schock<br />

(ARDS) – Frühtherapie<br />

94


2.1.9 Sondersituationen:<br />

2.1.9.1 Bedeutung der Kohlenmonoxid (CO) und Cyanid<br />

(HCN)-Intoxikation:<br />

Vor allem bei einem Brand in geschlossenen Räumen ist an die<br />

Möglichkeit einer CO- und CN-Intoxikation zu denken. Es ist daher<br />

erforderlich, alle betroffenen Personen zu erfassen, vor allem dann,<br />

wenn bei Schadensopfern Aggressivität oder Desorientiertheit<br />

besteht.<br />

Wenn der Verdacht auf eine CO-Intoxikation Ursache für Intubation<br />

und Beatmung ist, so ist die Beatmung mit 100% Sauerstoff<br />

durchzuführen und darf erst nach Ausschluss einer CO-Intoxikation<br />

beendet werden.<br />

Symptome der CO-Intoxikation siehe „Management von Gefahrstoffunfällen<br />

und Massenvergiftungen“, Kap. 12.<br />

Abbildung 2: Escharotomie am Thorax Abbildung 3: Escharotomie am Arm<br />

2.1.9.2 Escharotomie (Narbenspaltung), Faszienspaltung<br />

Eine Escharotomie kann bei zirkulären oder annähernd zirkulären<br />

tiefen Verbrennungen im Thoraxbereich aus vitaler Indikation erforderlich<br />

werden, um eine suffiziente Beatmung überhaupt erst zu<br />

ermöglichen oder aufrechterhalten zu können. Diese Problematik<br />

ist bedingt durch die Starre des Verbrennungsschorfes, kann aber<br />

auch durch ein späteres Ödem mit entsprechend erhöhtem Gewebsdruck<br />

sekundär erforderlich werden.<br />

Procedere: mittseitliche Schnittführungen am Thorax mit Fortführen<br />

in die Medioclavicularlinie, falls erforderlich; ein querer<br />

Schnitt am Rippenbogen ermöglicht eine Verbesserung der<br />

Bauchatmung.<br />

Bei zirkulären oder annähernd zirkulären tiefen Verbrennungen im<br />

Extremitätenbereich kann sowohl eine Narbenspaltung als auch eine<br />

Faszienspaltung aus nicht akut vitaler Indikation erforderlich werden,<br />

um eine suffiziente Durchblutung der Extremitäten sicherzustellen.<br />

Hier ist das Risiko der möglichen Komplikationen bei Gewebsdrucksteigerung<br />

und Durchblutungsstörung gegen das Risiko<br />

der Sofortoperation mit Blutungs- und Infektionsgefahr abzuwägen.<br />

Auch die voraussichtliche Dauer bis zur Durchführung der<br />

95


Escharotomie ist in diese Überlegungen einzubeziehen. Dasselbe<br />

ist auch bei Faszienspaltungen zu berücksichtigen.<br />

Prinzipielles Procedere:<br />

Spalten der Verbrennungsnekrosen, Schnittführung bei nicht<br />

sicher drittgradigen Bereichen mittseitlich, queres Kreuzen der<br />

Gelenke.<br />

Bei eventuell erforderlichen Faszienspaltungen ist die Schnittführung<br />

so anzulegen, dass dabei auch alle erforderlichen Fascienräume<br />

eröffnet werden können. An der Hand kann das<br />

Spalten des Lig. carpi transversum erforderlich werden.<br />

Als Komplikationen können Blutungen, vor allem nach Aufheben<br />

der Zentralisation und bei Thrombopenie im Rahmen des<br />

Schocks auftreten.<br />

Bei tiefen Verbrennungen können Faszienspaltungen mit Muskelbeteiligung<br />

erforderlich werden. Dies ist auch im Rahmen von<br />

Elektroverbrennungen bei Stromdurchgang möglich. Auch hier<br />

sind die bei den Narbenspaltungen genannten Komplikationen<br />

sowie die Verletzung tieferer Strukturen bei Operationen unter suboptimalen<br />

Bedingungen möglich.<br />

2.1.9.3 Durchführung von Narbenspaltungen oder Faszienspaltungen<br />

vor Ort:<br />

Narben- oder Faszienspaltungen sind dann erforderlich, wenn<br />

die Ischämiedauer durch Verzögerung der Versorgung von mehr<br />

als 1,5 Stunden voraussehbar ist.<br />

2.1.10 Versorgung der Verbrennungswunden vor Abtransport:<br />

Hier steht das Verhindern der Austrocknung oberflächlicher<br />

Verbrennungen v.a. im Gesicht und an den Händen im Vordergrund.<br />

Ein aluminiumbedampftes Vlies ist dafür regulär ausreichend.<br />

2.1.11 Dokumentation:<br />

Die möglichst exakte Dokumentation mit den jeweils zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln ist unerlässlich. Sie kann wesentliche Grundlagen<br />

für die Weiterbehandlung liefern, verlorengegangene Informationen<br />

über therapeutische Maßnahmen können den Patienten<br />

auch später vital gefährden.<br />

2.2 Sichtung bei Verbrennungen:<br />

Die Sichtung ist ein dynamischer Prozess, regelmäßige Nachevaluierung<br />

sowie Ressourcenprüfungen sind erforderlich!<br />

Zwei grundsätzlich verschiedene Sichtungsszenarien lassen<br />

sich darstellen:<br />

96


2.2.1 Sichtung bei vorhandenen Transportressourcen:<br />

Hier ist das Ziel der Sichtung die sinnvolle Verteilung der<br />

Patienten in Schwerbrandverletzten (SBV)-Zentren und Krankenhäuser,<br />

um nicht vorzeitig SBV-Zentren zu überlasten und<br />

damit erforderliche Ressourcen unnötig zu blockieren.<br />

Tabelle 4: Sichtung bei vorhandenen Transportressourcen<br />

Sichtung unter eingeschränkten Behandlungsressourcen:<br />

Minimalbehandlung Verbrennungen unter 10% KOF mit Ausnahme Gesicht,<br />

(T 3): Hände, Füße, Gelenke, Peri<strong>neu</strong>m und tiefen<br />

Verbrennungen, die späteres chirurgisches Vorgehen<br />

erfordern.<br />

Erstversorgung mit Fettgazeverband, spätere Kontrolle<br />

muss gesichert sein!<br />

Sofortbehandlung mit Verbrennungen 10 – 30 % KOF nach Erster Hilfe;<br />

Transportpriorität in Ziel ist es, die SBV-Zentren nicht primär zu überfüllen.<br />

Krankenhäuser ohne Nach Klärung der Situation Verlegung in SBV-Zentren bei<br />

SBV-Zentren geeigneter Indikation.<br />

Ausnahme: Kinder, Schwangere<br />

Sofortige Behandlung Verbrennungen > 30 % KOF, Kinder, Schwangere.<br />

mit Transportpriorität Verlegung in SBV-Zentren, hier ist sofortiges und<br />

in SBV-Zentren: energisches Vorgehen angezeigt, um das Überleben und das<br />

bestmögliche Behandlungsergebnis zu sichern. Intubation<br />

bei Verbrennungen mit schwerer Beteiligung der<br />

Atemwege, des Gesichts oder Halses, Inhalationstrauma<br />

Verbrennungen an Extremitäten mit Amputationswahrscheinlichkeit<br />

Maßnahmen: Escharotomie, Versorgung<br />

von Begleitverletzungen aus vitaler Indikation<br />

Hier ist die sinnvolle Mittelverwaltung unter dem Aspekt der<br />

Lebenserhaltung für möglichst viele Verletzte das Ziel.<br />

97


Tabelle 5: Sichtung unter eingeschränkten Transport- und Behandlungsressourcen<br />

Minimalbehandlung (T 3): Verbrennungen unter 15 % KOF mit Ausnahme<br />

Gesicht, Hände, Füße, Gelenke, Peri<strong>neu</strong>m und tiefen<br />

Verbrennungen, die späteres chirurgisches<br />

Vorgehen erfordern. Erstversorgung mit<br />

Fettgazeverband, spätere Kontrolle muss gesichert<br />

sein! Vorsicht bei: Patienten mit Verwirrtheitszustand<br />

wegen fraglicher CO-Intoxikation<br />

Sofortige Behandlung Verbrennungen > 30 % KOF, tief dermal,<br />

(T 1): (immediate surgery Inhalationstrauma , Kombinationstrauma, Kinder,<br />

and resuscitation) mit Schwangere. Intubation bei Verbrennungen mit<br />

Transportpriorität I falls schwerer Beteiligung der Atemwege, des Gesichts<br />

möglich in SBV-Zentren: oder Halses, Verbrennungen mit fraglicher<br />

Amputationswahrscheinlichkeit von Extremitäten<br />

Maßnahmen: Escharotomie möglichst in der<br />

Klinik, Versorgung von Begleitverletzungen aus<br />

vitaler Indikation<br />

Aufgeschobene Behandlung 15 – 30 % KOF tief dermaler Verbrennungen<br />

(T 2): (delayed surgery) ohne Lokalisation an Gesicht, Händen, Füßen,<br />

Transportpriorität II in Gelenken, Peri<strong>neu</strong>m können primär in periphere<br />

Krankenhäuser notfalls Krankenhäuser verlegt werden, um die SBV-Zentren<br />

auch nach der 6 anfangs nicht zu überfüllen. Verletzungen mit größter<br />

Stundengrenze: Amputationswahrscheinlichkeit von Extremitäten<br />

Schockbekämpfung, Analgesierung<br />

Probleme: Nicht erkannte sekundäre<br />

Gewebsdrucksteigerung bei<br />

mangelnden Transportressourcen<br />

Abwartende Die Einordnung zu dieser Gruppe darf nur dann<br />

Behandlung (T 4): geschehen, wenn dies durch den konzentrierten<br />

Einsatz von Behandlungsressourcen das Überleben<br />

von anderen, prognostisch günstigeren Verunfallten<br />

sichert. Sie umfasst komplexe Verletzungen,<br />

die zeit- und ressourcenaufwendig sind und in der<br />

gegebenen Situation die aussichtsreichere Versorgung<br />

anderer Patienten gefährdet. Die Einstufung in<br />

diese Gruppe ist daher besonders stark<br />

ressourcenabhängig und reevaluierunsbedürftig.<br />

98<br />

Verbrennungen > 50 %, > 60 %, > 70 % KOF etc. -<br />

ressourcenabhängig, evtl. mit zusätzlichem<br />

Kombinationstrauma oder Inhalationsverletzung,<br />

anderen behandlungsbedürftigen Grundleiden,<br />

ggf. hohem Alter. Diese Gruppe ist primär von den<br />

therapeutischen Bemühungen mit Ausnahme der<br />

Analgesierung ausgeschlossen, die Zuordnung<br />

sollte daher, falls es die Umstände erlauben, nur bei<br />

klinischer Sicherheit der ungünstigen Prognose erfolgen


Exkurs: Hypothermie<br />

Die Diagnose wird am genauesten durch die Messung der<br />

Kerntemperatur rektal, eventuell auch durch Messung der<br />

Temperatur durch Sonde im äußeren Gehörgang erstellt.<br />

Einteilung der Hypothermie:<br />

Tabelle 6: Einteilung der Hypothermie<br />

Stadien<br />

Stadium 1: 36° – 33°C<br />

Hier kommt es als Gegenregulation zu Muskelzittern und Metabolismussteigerung;<br />

Symptome dieses Stadiums sind Blutdruck und Pulsanstieg, Hyperventilation,<br />

Kältediurese;<br />

Stadium 2: 33°– 30°C<br />

Hier kommt es zu einem Versagen der Gegenregulation.<br />

Dies drückt sich aus durch eine Reduktion von Atemfrequenz und Verringerung<br />

der Atemexkursionen. Als Komplikationen können Herzrhythmusstörungen wie AV-<br />

Dissoziation und Vorhofflimmern, auftreten<br />

Stadium 3: 30° – 24°C<br />

Hier kommt es zur zunehmenden Bewusstseinstrübung. Dies äußert sich durch<br />

einen leereren Gesichtsausdruck, Erlöschen der Reflexe unter 30°C und fehlendem<br />

Muskeltonus. Es kommt zu einer Vita Minima entsprechend dem Bild des<br />

Scheintodes.<br />

Bewusstseinsverlust tritt ein. Die Muskulatur entwickelt einen Rigor.<br />

Unter ca. 23°C kommt es zur Asystolie und Apnoe, unter ~20° C ist ein<br />

isoelektrisches EEG festzustellen.<br />

Tabelle 7: Einteilung der Hypothermie nach REGA<br />

(KT = Körpertemperatur)<br />

Einteilung nach REGA<br />

(Schweizer Rettungsflugwacht)<br />

Stadium 1: KT 35 – 32 °C<br />

Patient ansprechbar mit Muskelzittern<br />

Stadium 2: KT 32 – 28°C<br />

Patient somnolent mit Muskelzittern<br />

Stadium 3: KT 28 – 24°C<br />

Patient nicht ansprechbar<br />

Stadium 4: KT 24 – 15°C<br />

Herzkreislaufstillstand<br />

99


Die Unterkühlungen im Katastrophenfall beziehen sich meist auf<br />

zwei „Spezialszenarien“:<br />

Das erste ist der Lawinenunfall, das zweite die Unterkühlung<br />

durch Unfälle in kaltem Wasser (z. B. Schiffsuntergang).<br />

Lawinenunfälle:<br />

Für die Prognose ist das Vorhandensein einer „Atemhöhle“ bei<br />

Verschütteten bei gleichzeitig freien Atemwegen entscheidend.<br />

Als Atemhöhle gilt jeder noch so kleine Hohlraum vor Mund und<br />

Nase bei gleichzeitig freien Atemwegen. Das Vorliegen einer<br />

Atemhöhle gibt immer Grund zur Hoffnung auf ein Überleben<br />

des Verschütteten. Daher muss während der Rettung von Lawinenopfern<br />

größte Sorgfalt auf die Klärung und Erhaltung einer<br />

Atemhöhle gelegt werden.<br />

Richtzeiten für die Bergrettung:<br />

Eine Rettung des Lawinenopfers innerhalb von 90 Minuten nach<br />

der Verschüttung ist anzustreben. Nach mehr als 90 Minuten sinkt<br />

die Überlebensrate drastisch, wenn nicht eine „offene“ Atemhöhle<br />

besteht. Als „offene Atemhöhle“ wird eine Verbindung zur Außenwelt<br />

definiert. In Gebäuden und größeren Hohlräumen ist naturgemäß<br />

ein längeres Überleben möglich.<br />

Allgemeines zu den notärztlichen Maßnahmen:<br />

Die Pulsoxymetrie ergibt wegen der Zentralisation bei Hypotheramie<br />

keine suffizienten Messergebnisse. Die früher gesehene Gefahr des<br />

afterdrops bei aktiver externer Erwärmung und somit auch die unbedingte<br />

Notwendigkeit der extrakorporalen Erwärmung (10) hat sich<br />

durch die positiven Erfahrungen mit der konvektiven Erwärmung<br />

auch bei Körpertemperaturen unter 30°C relativiert.<br />

Überlebenswahrscheinlichkeit:<br />

Tabelle 8: Überlebenswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von<br />

der Verschüttungsdauer<br />

Verschüttungsdauer Tod<br />

= 15 Min keine Todesfälle, außer Tod durch Begleitverletzung<br />

15 – 35 Min Tod bei Verschütteten ohne Atemhöhlen<br />

90 – 130 Min. Tod bei Verschütteten mit Atemhöhlen<br />

130 Min. Überleben nur mit sehr großen Atemhöhlen oder<br />

„offenen Atemhöhlen“<br />

Sichtungskriterien für den Notarzt:<br />

Die wesentlichen Kriterien stellen Verschüttungsdauer, Vorliegen<br />

einer Atemhöhle und Kerntemperatur dar.<br />

100


Verschüttungsdauer von unter 45 Minuten und /oder Kerntemperatur<br />

von ≥ 32 °C:<br />

Eine Hypothermie Stadium IV (REGA) kann mit Sicherheit ausgeschlossen<br />

werden. Da ein etwaiger Herzkreislaufstillstand auf<br />

akute Asphyxie zurückzuführen ist, ist die Prognose nicht infaust,<br />

und ein Reanimationsversuch durch den Notarzt kann ressourcenabhängig<br />

angezeigt sein. Bei erfolgreicher Reanimation sollte<br />

ressoucenabhängig die Transferierung in das nächste Krankenhaus<br />

mit Intensivstation erfolgen.<br />

Verschüttungsdauer länger als 45 Minuten und/oder Kerntemperatur<br />

< 32 °C:<br />

Mit Atemhöhle und freien Atemwegen:<br />

Hier besteht der Verdacht auf Hypothermie Stadium IV( REGA)<br />

mit einer Verschlechterung der Prognose. Ressourcenabhängig<br />

muss die Reanimation lückenlos bis in die Klinik und Wiedererwärmung<br />

unter Umständen mit extrakorporalem Kreislauf<br />

fortgesetzt werden.<br />

Ohne Atemhöhle und / oder mit verlegten Atemwegen:<br />

Hier ist die Prognose infaust, da der Tod durch Asphyxie mit<br />

anschließender Auskühlung erfolgt.<br />

Keine sicheren Angaben zur Atemhöhle:<br />

Ressourcenabhängig ist ebenfalls die Reanimation und der<br />

Kliniktransport zur eventuellen Reanimation unter extrakorporalen<br />

Kreislaufbedingungen. Falls das nicht möglich: alternativer<br />

Transport in das nächste Krankenhaus zur Bestimmung des<br />

Serumkalium. Serumkaliumkonzentrationen von 10mmol/l stellen<br />

ein Kriterium für Irreversibilität der obstruktiven Asphyxie<br />

dar. Wenn dieser Wert nicht überschritten wird, muss wie bei<br />

Vorhandensein einer Atemhöhle vorgegangen werden.<br />

Unterkühlung im kalten Wasser:<br />

Als „kaltes Wasser“ wird Wasser mit einer Temperatur von weniger<br />

als 21 °C definiert. Hier ist ein Reanimationsversuch bei einer<br />

Verweildauer von weniger als 60 Minuten unter Wasser sinnvoll.<br />

Die Reanimationsdauer bis zum Abbruch der Reanimation verlängert<br />

sich auf zumindest 60 Minuten unter gleichzeitiger Durchführung<br />

von erwärmenden Techniken bei Vermeidung weiteren<br />

Wärmeverlustes, Schutz vor Wind, Entfernen nasser Kleidung,<br />

Isolierung durch z.B. Plastikmaterialien und, wenn möglich,<br />

Transport in warme Umgebung und Verabreichung warmer<br />

Flüssigkeiten intravenös. Es besteht letztlich kein Unterschied in<br />

der Behandlung zwischen Süß- und Salzwasserunfällen. Bei einer<br />

Verweildauer von mehr als 60 Minuten unter kaltem Wasser ist<br />

eine Wiederbelebung sehr selten erfolgreich. Ist die Verweildauer<br />

unter Wasser nicht bekannt, ist von einer Verweildauer von weniger<br />

als 60 Minuten auszugehen.<br />

101


Grundsätzliche Therapie der Hypothermie:<br />

Die Therapie basiert auf einer Verhinderung weiteren Wärmeverlustes,<br />

bei Bedarf auch einer Beatmungstherapie, der Unterstützung<br />

der Herz-Kreislauffunktionen, auch kardiopulmonaler<br />

Wiederbelebung<br />

Hauptsäulen der Behandlung sind:<br />

– Bewegungsarme Rettung und Lagerung<br />

– Herstellen windstiller Verhältnisse<br />

– Erwärmung von zentral nach peripher (oder konvektiv)<br />

Therapie der Stadien 1 und 2 nach Danzl:<br />

Die Therapie der Stadien 1 und 2 beruht auf äußerer Erwärmung<br />

durch Decken, Raumtemperatur, Strahler, Bad.<br />

Therapie des Stadiums 3 nach Danzl:<br />

Die Therapie des Stadiums 3 beruht auf einer inneren Erwärmung<br />

durch evtl. Spülungen von Magen und Blase oder Mastdarm,<br />

auch Peritonealdialyse, üblicherweise Erwärmung durch<br />

Hämofiltration oder Herz-Lungen-Maschine – in letzter Zeit<br />

auch Anwendung von Warmluftsystemen und äußerer Erwärmung<br />

ohne Rebound.<br />

Bei Asystolie und/oder Kammerflimmern ist die Anwendung der<br />

Herz-Lungen-Maschine obligat.<br />

Die Defibrillation ist auf eine Serie zu beschränken; eine<br />

Wiederholung ist üblicherweise erst nach Wiedererwärmung<br />

über 33°C indiziert. Der Transport muss möglichst erschütterungsfrei<br />

erfolgen, ggf. unter Reanimationsbedingungen.<br />

Die Beatmung sollte mit vorgewärmtem, angefeuchteten Sauerstoff<br />

realisiert werden.<br />

Leitsatz:<br />

„Niemand ist tot, solange er nicht wiedererwärmt und<br />

tot ist“.<br />

Erfrierungen:<br />

Pathophysiologie:<br />

Der Erfrierungsschaden entsteht durch:<br />

Extra- und intrazelluläre Eisbildung, Zell-Dehydratation und -<br />

Schrumpfung, abnormale intrazelluläre Elektrolytkonzentrationen,<br />

Eiweißdenaturierung und thermalen Schock.<br />

Erfrierungsfolgen werden verschlimmert durch :<br />

Alkohol, mentale Alterationen (Drogen etc.), einen erhöhten<br />

Feuchtigkeitsgehalt der Haut (Waschen), Wind, wobei der ther-<br />

102


mische Effekt einer Windgeschwindigkeit von 72,4 km/h bei<br />

–6°C einer solchen von 3,2 km/h bei –40°C entspricht.<br />

Der Erfrierungsschaden wird durch wiederholte Auftau- / Frierphänomene<br />

potenziert.<br />

Grade der Erfrierung und Prognose:<br />

Grad 1: Anfangs Blässe und Gefühllosigkeit der Haut, später<br />

gerötet und geschwollen, spontane Regeneration ist zu erwarten.<br />

Grad 2: Nach dem Auftauen Austritt seröser Flüssigkeit und<br />

eventuell von Blut. Die Erfrierung zweiten Grades ist nach dem<br />

Wiederauftauen sehr schmerzhaft, eine Spontanheilung ist lediglich<br />

durch Regeneration aus den Hautanhangsgebilden verzögert<br />

und eventuell unvollständig zu erwarten.<br />

Grad 3: Sie führt zur Gangränbildung durch irreversible Gefäßschäden,eine<br />

sekundäre Demarkation ist die Folge, Spontanheilung<br />

ist nicht möglich.<br />

Behandlung von Erfrierungen:<br />

Allgemein:<br />

Auftauphasen zwischen zwei Gefrierphasen müssen vermieden<br />

werden (7), das heißt, dass Auftauversuche nur dann durchgeführt<br />

werden dürfen, wenn anschließend gewährleistet ist, dass<br />

es nicht kurzfristig abermals zu Erfrierungen kommt, da sich u.a.<br />

der Gewebeschaden bei Wiedergefrieren exponentiell vergrößert.<br />

Heftiges Reiben ist aufgrund der damit verbundenen mechanischen<br />

Irritation zu vermeiden, ebenso die lokale Anwendung<br />

von Schnee, da er Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt<br />

aufweisen kann.<br />

Eine Lokalbehandlung von Erfrierungen soll erst nach Erwärmung<br />

der Kerntemperatur auf über 34 °C durchgeführt werden.<br />

N. B.: Kein Rauchen, kein Alkohol!<br />

Spezielle Versorgung:<br />

Individual- notfallmedizinische Versorgung<br />

Während des Transportes sollte die Extremität vor gezielter oder<br />

zufälliger Wärmeeinwirkung geschützt werden. Der Transport<br />

sollte innerhalb von 2 Stunden durchgeführt werden, da ein Zusammenhang<br />

zwischen der Dauer der Erfrierung und der Dauer<br />

des erforderlichen Auftauvorganges besteht. Nicht durchblutete<br />

Haut kühlt mit etwa 0,5 °C pro Minute weiter ab.<br />

Bei zu lange dauerndem Auftauvorgang muss mit Zellschäden<br />

gerechnet werden. Das Auftauen unter innerklinischen Bedingungen<br />

ist anzustreben.<br />

103


Erwärmen mit Wasser von 40°– 42°C bis zur Verschieblichkeit<br />

der Haut und Erythembildung innerhalb von 30 Minuten wird<br />

derzeit unter klinischen Bedingungen favorisiert (6).<br />

Weiße Blasen sollen unter aseptischen Bedingungen punktiert<br />

werden, Blutblasen sollten belassen werden. Die Wunden sollen<br />

mit einem sterilen, falls vorhanden, hydroaktiven Verband versorgt<br />

werden.<br />

Die Mikrozirkulation soll durch Dextrane und gefäßerweiternde<br />

Medikamente verbessert werden.<br />

Gabe von Ibuprofen 400 mg p. os 2x täglich. Gabe von Antibiotika<br />

(Penicillin G) soll zumindest über 48 bis 72 Stunden durchgeführt<br />

werden.<br />

Eine Amputation soll erst nach genauer Demarkierung des<br />

nekrotischen Gewebes durchgeführt werden oder bei einer drohenden<br />

Sepsis, an die Durchführung einer Tetanusprophylaxe<br />

muss gedacht werden. Die geschädigten Extremitäten sollen<br />

vor weiteren mechanischen Belastungen geschützt werden.<br />

<strong>Katastrophenmedizin</strong>ische Versorgung:<br />

Der Schutz vor weiteren Erfrierungen ist anzustreben. Falls<br />

keine Therapie eingeleitet werden kann, ist körperliche Bewegung<br />

zur Verbesserung der Durchblutung angezeigt. Kein<br />

Alkohol, Schutz vor Wind und weiterer Kälteexposition.<br />

Ist aufgrund mangelnder Transportressourcen der Transport in<br />

der genannten Zeitspanne nicht möglich, muss, falls es die<br />

Möglichkeiten erlauben, an ein Auftauen vor Ort mit anschließendem<br />

Schutz vor Wiedergefrierphänomenen gedacht werden.<br />

104


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Philadelphia, Toronto, Sidney 1996<br />

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http://www.feuerwehr-hamburg.org/brandbetten/<br />

Sichtung:<br />

http://www.vnh.org/FleetMedPocketRef/Triage.html<br />

Brandkatastrophen:<br />

http://www.writer-tech.com/pages/summaries/<br />

Lawinenrettung:<br />

http://www.provincia.bz.it/avalanche/<br />

Kaltwasser und Lawinenrettung:<br />

http://hypothermia.org/protocol.htm<br />

106


107


Spezielle Schädigungsmechanismen


11. Ärztliche Maßnahmen bei<br />

Strahlenunfällen und Strahlenkatastrophen<br />

W. Kirchinger<br />

1. Einleitung<br />

Unfallereignisse mit ionisierender Strahlung führen bei den<br />

Einsatzkräften oftmals zu apokalyptischen Schreckensvorstellungen<br />

bezüglich ihrer Eigengefährdung. Somit kann es zu<br />

Handlungsweisen der beteiligten Ärzte und Rettungskräfte am<br />

Einsatzort kommen, die das Leben und die Gesundheit der verunfallten<br />

Person in drastischer Weise, aus Unkenntnis über die<br />

Bewertung der tatsächlichen Gefahrensituation und aus Furcht<br />

vor eigener Bestrahlung, gefährden.<br />

Als mögliche Unfallszenarien kommen in Frage, dass erstens<br />

der Verunfallte durch externe Bestrahlung beaufschlagt wurde<br />

(bzw. sich in einem Feld erhöhter radioaktiver Strahlung aufhält),<br />

zweitens die Möglichkeit der radioaktiven Kontamination besteht<br />

und/oder drittens eine Inkorporation durch entsprechende<br />

Nuklide stattgefunden hat. Sofern sich eine verunfallte Person<br />

aus dem Bereich alleinig erhöhter externer Bestrahlung retten<br />

lässt oder die Strahlenquelle entfernt werden kann, ist eine<br />

Weiterversorgung außerhalb dieses Gebietes unkritisch. Hat<br />

eine Kontamination und/oder Inkorporation stattgefunden, kommen<br />

zusätzliche, das Geschehen beeinflussende Faktoren mit<br />

ins Spiel.<br />

Zu unterscheiden ist der sogenannte „Kleine Strahlenunfall“ mit<br />

einer bis wenigen betroffenen Personen, und die Strahlenkatastrophe<br />

(in Friedenszeiten) mit einer großen Anzahl betroffener<br />

oder vermeintlich betroffener Personen, die ein anderes<br />

Vorgehen, auch im Hinblick auf die medizinischen Möglichkeiten,<br />

erfordert. Im Zusammenhang mit einer solchen Katastrophe<br />

wird die sogenannte Notfallstation und die mögliche<br />

Ausgabe von Jod-Tabletten an die Bevölkerung (im Falle eines<br />

größeren kerntechnischen Unfalles) im Text erläutert werden.<br />

2. Gefährdung der Einsatzkräfte<br />

Ionisierende Strahlung, die, obwohl sie seit Urzeiten Bestandteil<br />

unserer Biosphäre ist, potenziell für den Menschen gefährlich<br />

werden kann, ist eine, sofern nicht sehr hohe Dosisleistungen<br />

auftreten, für unsere Sinnesorgane nicht wahrnehmbare Noxe.<br />

117


Das heißt, der Arzt im Einsatzgeschehen ist bezüglich der<br />

Abschätzung seines eigenen Gefährdungspotenzials und somit<br />

seiner Handlungsmöglichkeiten und auch Handlungsbereitschaft<br />

auf die Hilfe von Personen angewiesen, die mit Strahlennachweisgeräten<br />

umzugehen gelernt haben. Die Einschätzung<br />

der aus den abgelesenen Werten resultierenden “Gefährlichkeit“<br />

und die eventuelle persönliche Akzeptanz eines Risikos, das<br />

auch von gesellschaftlichen Zeitvorstellungen geprägt wird,<br />

bleibt immer ein Problem jedes einzelnen, selbst, wenn Experten<br />

auf diesem Gebiet vor Ort anwesend sind.<br />

Es stellt sich also für den behandelnden Arzt und seine Helfer die<br />

Frage, ob die Versorgung und Behandlung strahlenverunfallter<br />

Personen eine Gefährdung der eigenen Gesundheit beinhaltet, die<br />

sich eventuell auch erst in späteren Jahren oder Jahrzehnten als<br />

Schadensereignis manifestiert (z.B. Leukämie, solide Tumoren).<br />

Zur Bewertung der Gefährdung durch ionisierende Strahlung dient<br />

die Dosis bzw. Dosisleistung, die in Sievert (Sv) oder in Bruchteilen<br />

eines Sieverts (z. B. 1/ 1.000 Sv = 1 m Sv bzw. Sv/h) angegeben<br />

wird.<br />

An welchen Dosiswerten kann sich der Arzt bei seinem Handeln<br />

am Unfallort orientieren?<br />

Einen Hinweis darauf kann in Analogie zur Feuerwehrdienstvorschrift<br />

9/1 (FwDV 9/1) gefunden werden.<br />

Dosisrichtwerte für das Einsatzpersonal der Feuerwehr:<br />

Einsätze zum Schutz von Sachwerten 15 mSv/Einsatz/Jahr<br />

Einsätze zur Abwehr einer Gefahr<br />

für Personen 100 mSv/Einsatz/Jahr<br />

Einsätze zur Rettung von Menschenleben 250 mSv<br />

(einmalig im<br />

Arbeitsleben)<br />

Die Einsatzkräfte der Feuerwehren in Deutschland, die normalerweise<br />

keine beruflich strahlenexponierten Personen sind, dürfen,<br />

was im Falle des Strahlenunfalls mit Personenbeteiligung entscheidend<br />

ist, einmalig im Laufe des Arbeitslebens deutlich mehr<br />

an Dosis (effektive Dosis) aufnehmen als eine beruflich strahlenexponierte<br />

Person in einem Jahr (Grenzwert 20 mSv/a, Lebensarbeitszeitdosis<br />

maximal 400 mSv). Akute beeinträchtigende<br />

deterministische Schäden treten bei dieser Dosis nicht auf, wobei<br />

im Rahmen einer eventuell durchgeführten Chromosomenanalyse<br />

Abweichungen von der Norm festgestellt werden können. Aus<br />

strahlenbiologischer Sicht werden für den Notarzt und das weitere<br />

Rettungsdienstpersonal Werte der effektiven Dosis in diesem<br />

118


Bereich als vertretbar angesehen, unter der Vorgabe, dass bei<br />

Ausschöpfung des Maximalwertes auch diese Personen nur einmalig<br />

im Berufsleben für ein solches Szenario zum Einsatz kommen<br />

dürfen.<br />

Die nachfolgende Tabelle: „Frühsymptomatik beim Menschen nach<br />

akuter kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung“ zeigt, dass am Unfallort<br />

eine suffiziente Einschätzung des Schweregrades der Einwirkung<br />

ionisierender Strahlung bzw. der weiteren Prognose des Verunfallten<br />

nur sehr eingeschränkt möglich ist, sieht man vom rasch einsetzenden<br />

Symptom des Erbrechens nach hoher Exposition einmal ab.<br />

Dies bedeutet, dass das Strahlenunfallopfer, sofern es sein Zustand<br />

zulässt und eine nicht von vorneherein klare “Bagatelleinwirkung“<br />

vorlag, immer in ein im Strahlenunfallmanagement versiertes Zentrum<br />

zu bringen ist. Dies kann ein sogenanntes Regionales Strahlenschutzzentrum<br />

(RSZ) (siehe Anhang) sein oder eine Klinik, die<br />

Erfahrung mit der Behandlung kontaminierter Personen hat (nuklearmedizinische<br />

Abteilung sollte vorhanden sein) und in der Lage ist,<br />

hämatologische Krisensituationen bis hin zur Stammzelltransplantation<br />

zu meistern.<br />

119


Frühsymptomatik beim Menschen nach akuter kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung *)<br />

120<br />

Effektive Dosis 50–300 mSv 300 –1000 mSv 1–3 Sv 3–6 Sv 6 –15 Sv mehr als 15 Sv<br />

Frühsymptome:<br />

Abgeschlagenheit nein eventuell leicht mäßig ja stark sehr schnell auftretend<br />

sehr stark<br />

Übelkeit / Erbrechen nein vereinzelt 1 bis mehrfach mehrfach stark häufig stark unstillbar<br />

(Zeit nach Exposition) (2 bis 6 Std.) (2 bis 6 Std.) (1/2 bis 2 Std.) (ab 10 min) (ab 5 min)<br />

Kopfschmerz nein nein eventuell ja ständig ständig massiv quälend<br />

Bewusstsein klar klar klar klar getrübt stark getrübt<br />

Früherythem nein nein leicht ja ausgeprägt stark ausgeprägt<br />

(Zeit nach Exposition) (12 bis 24 Std.) ( 6 Std.) ( 6 Std.) ( 6 Std.)<br />

Konjunktivale Injektionen nein nein leicht ja ausgeprägt stark ausgeprägt<br />

(Zeit nach Exposition) (48 Std.) ( 6 Std.) ( 6 Std.) ( 6 Std.)<br />

Fieber nein nein nein subfebril subfebril febril<br />

*)Quelle: modifiziert nach: Strahlenschutzkommission (SSK) Band 4: Medizinische Maßnahmen bei Kernkraftwerksunfällen.<br />

2. Auflage G. Fischer-Verlag, 1995


Die bisherigen in Deutschland stattgefundenen Strahlenunfälle<br />

haben die Einsatzkräfte mit maximal wenigen Millisievert beaufschlagt.<br />

3. Vorstellbare Unfallszenarien<br />

Es lassen sich folgende relevante Unfallszenarien vorstellen:<br />

1.Betriebsunfälle (Klinik, Forschungseinrichtung, Industrie z. B.<br />

Großbestrahlungsanlage)<br />

2.Transportunfälle (Straße, Schiene, Luft- und Seewege)<br />

3.Abstürzende Satelliten<br />

4.Kernkraftwerksunfälle unterschiedlicher Relevanz für die Umwelt<br />

5.Einsatz spezieller militärischer Waffensysteme<br />

6.Kriminelle/terroristische Aktivitäten<br />

7.Kriegerischer Einsatz von Kernwaffen<br />

4. Praktisches Vorgehen bei Strahlenunfällen<br />

4.1 Maßnahmen vor dem Eintreffen am Unfallort<br />

Ist dem Arzt und den Rettungsdienstkräften noch vor dem<br />

Eintreffen am Unfallort bekannt, dass es sich um einen Strahlenunfall<br />

handelt, sollte nachgefragt werden, ob die verunfallte<br />

Person sich voraussichtlich weiterhin in einem Strahlenfeld<br />

befindet oder durch die vorhandenen Einsatzkräfte aus der unmittelbaren<br />

Gefahrenzone gerettet werden kann. Wichtig ist, ob<br />

es sich um Bestrahlung durch eine technische Strahlenquelle (z.<br />

B. Röntgenquelle, Linearbeschleuniger etc.) handelt, bei der die<br />

Stromzufuhr abgeschaltet werden kann und somit keine<br />

Gefährdung für die Einsatzkräfte mehr besteht (keine weiteren<br />

Schutzmaßnahmen nötig, keine Kontaminationsgefahr) oder um<br />

einen Vorgang, bei dem umschlossene oder offene radioaktive<br />

Stoffe (z. B. umschlossene Iridium-192-Strahlenquelle, Technetium-99m<br />

als flüssiger offener radioaktiver Stoff usw.) ein<br />

Gefährdungspotenzial darstellen (Kontaminations- und Inkorporationsgefahr<br />

sowohl für den Verunfallten als auch die Helfer).<br />

Der Arzt hat, sofern vorhanden, ein amtliches Dosimeter (Filmkassette)<br />

sowie Stabdosimeter oder ein elektronisches, sofort<br />

ablesbares Dosimeter zu tragen. Ist zu befürchten, dass eine<br />

Kontamination auftreten kann (es besteht dann auch immer die<br />

Möglichkeit der Inkorporation), ist, sofern es die Zeit zulässt,<br />

neben den obligaten Einmalhandschuhen, mindestens chirurgischer<br />

Mundschutz, besser noch eine Staubschutzmaske,<br />

Schutzbrille, Einmaloverall mit Kapuze und Füßlinge zum Über-<br />

121


streifen sowie eventuell eine wasserabweisende Schürze als<br />

zusätzliche persönliche Schutzausrüstung für die medizinischen<br />

Einsatzkräfte zu tragen. Der Arzt und die Rettungssanitäter sollten<br />

wie bei einem Einsatz mit erhöhter Infektionsgefahr vorgehen.<br />

Schmuck jeglicher Art ist abzulegen. Ein weitreichenderer<br />

Atemschutz und das Tragen von Filtermasken (die Feuerwehreinsatzkräfte<br />

tragen gemäß FwDV 9/1 eventuell umluftunabhängigen<br />

Atemschutz sowie Chemievollschutzanzüge) ist für<br />

den Notarzt nicht durchführbar. Eine Kontamination von Ausrüstungsgegenständen<br />

(z. B. Intubationsbesteck etc.) muss bei<br />

solchen Szenarien muss prinzipiell in Kauf genommen werden.<br />

Die Rettung von Menschenleben hat bei akzeptabler Gefährdung<br />

für die Einsatzkräfte immer Vorrang vor den Möglichkeiten des<br />

Kontaminationsschutzes der Helfer und deren Gerätschaften.<br />

Zustand an der Einsatzstelle Gefährdung der Einsatzkräfte<br />

Mit Strom betriebene<br />

technische Strahlenquelle:<br />

angeschaltet ja<br />

ausgeschaltet nein<br />

Umschlossene<br />

radioaktive Stoffe (dicht):<br />

Unfallopfer im Nahbereich ja, eventuell massiv!<br />

Unfallopfer nach Rettung nein<br />

Offene radioaktive Stoffe:<br />

Unfallopfer im Nahbereich<br />

oder bei Kontakt ja, möglich<br />

Unfallopfer nach Rettung:<br />

– nicht kontaminiert nein<br />

– kontaminiert nein bis gering<br />

4.2 Lagebeurteilung<br />

Der Arzt kann sich bezüglich des Gefährdungspotenzials für<br />

sich selbst, seine Helfer und den Patienten an den Aussagen<br />

folgender Personen, sofern vor Ort, orientieren:<br />

– Strahlenschutzverantwortlicher<br />

– Strahlenschutzbevollmächtigter<br />

– Strahlenschutzbeauftragter<br />

– Laborleiter (in Labors, die mit radioaktiven Stoffen umgehen,<br />

wichtiger Ansprechpartner)<br />

– Verantwortlicher Einsatzleiter der Feuerwehr (sofern selbst<br />

fachkundig nach FwDV 9/1)<br />

– Verantwortlicher Einsatzleiter anderer Hilfsorganisationen<br />

122


– Andere fachkundige Personen (wie z.B. Sachverständige,<br />

Mitarbeiter)<br />

– Einsatzkräfte Regionaler Strahlenschutzzentren (RSZ)<br />

Strahlenmessung:<br />

Eine Gefährdungsbeurteilung ist letztlich nur durch Messung der<br />

Dosisleistung und/oder der Quantität einer eventuellen Kontamination<br />

(in der Regel ist nur ein Kontaminationsnachweis erbringbar)<br />

zu erhalten. Nach FwDV 9/1 ist die Absperrgrenze durch<br />

Dosisleistung festzulegen. Außerhalb der Absperrgrenze darf die<br />

Dosisleistung nicht mehr 25 µSv/h betragen. Kontaminationsverdächtige<br />

Bereiche sind in den Absperrbereich miteinzubeziehen.<br />

Bis zur Festlegung der Absperrgrenze halten nicht direkt am<br />

Einsatz beteiligte Kräfte zunächst einen Mindestabstand von 25 m<br />

zum Schadensobjekt unter Beachtung der Windrichtung. Dies gilt<br />

nicht für das unmittelbar am Einsatz beteiligte Rettungsdienstpersonal.<br />

Dosisrichtwerte für den Arzt und die Rettungsdienstkräfte:<br />

Der Arzt und die im Strahlenschutzeinsatz tätigen Rettungsdienstkräfte<br />

gelten nicht als beruflich strahlenexponierte Personen<br />

gemäß der Röntgenverordnung (RöV) oder der Strahlenschutzverordnung<br />

(StrlSchV). Sinngemäß wird hier die Vorgabe<br />

des § 59 (StrlSchV) „Strahlenexposition bei Personengefährdung<br />

und Hilfeleistung“ angewendet. Eine effektive Dosis von 250 mSv<br />

darf nur in Ausnahmefällen überschritten werden und ist nur bei<br />

lebensrettenden Maßnahmen überhaupt vertretbar. Die Deutsche<br />

Strahlenschutzkommission (SSK) geht in diesen Fällen bis zu<br />

Dosiswerten von 1 Sv, wobei dann deterministische Effekte auftreten<br />

werden. Voraussetzung dafür ist jedoch die Freiwilligkeit<br />

der Einsatzkräfte bei vorheriger spezifischer Aufklärung. Zusammenfassend<br />

kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass<br />

für Strahlenschutzeinsätze die Rettungskräfte Werte der effektiven<br />

Dosis von 100 mSv im Jahr und 250 mSv im Laufe des<br />

gesamten Arbeitslebens nicht überschreiten sollten.<br />

4.2.1 Unfälle in Betrieben (außer Kernkraftwerken)<br />

Die größten Aktivitäten (außerhalb von Kernkraftwerken), teilweise<br />

bis zu 100 Peta-Becquerel = 10 15 Becquerel finden sich in<br />

Deutschland in Großbestrahlungsanlagen (zur Zeit sieben reine<br />

Gammabestrahlungseinrichtungen) zu Zwecken der Sterilisation,<br />

von z. B. medizinischen Einmal-Podukten wie: OP-Handschuhen,<br />

Spritzen, Nadeln etc. (Beispiel: Firma Beiersdorf Hamburg,<br />

Firma Gammaster Allershausen) und zur Veredelung von<br />

Werkstoffen, wie der „Vernetzung“ von Kunststoffen. In einigen<br />

Nachbarstaaten werden auch Lebensmittel zum Zwecke der<br />

123


Verlängerung der Haltbarkeit bestrahlt. Solche Anlagen können<br />

bei ausgefahrenen Strahlenquellen (sie befinden sich zu<br />

Abschirmungszwecken normalerweise in einem Wasserbecken)<br />

nicht betreten werden, ohne eine für den Menschen lebensbedrohliche<br />

bis tödliche Strahlendosis zu erhalten. Hier kommt<br />

dem Eigenschutz der Hilfskräfte besondere Bedeutung zu, und<br />

ein Vorgehen wird in der Regel nur mit Personen, die mit der<br />

Anlage vertraut sind, möglich sein.<br />

Generell lässt sich bei Unfällen in ortsfesten Anlagen ein Hinweis<br />

auf die mögliche auftretende Gefährdung anhand der<br />

Metallprägeschilder für den Feuerwehreinsatz finden.<br />

Gefahrengruppe Aktivitäts Hinweise und Einsatz<br />

bereich<br />

(x-fache der<br />

Freigrenze)<br />

I ≤ 10 4 ohne besonderen Schutz<br />

II 10 4 –10 7 nur mit Strahlenschutzsonderausrüstung<br />

und unter Strahlenschutzüberwachung<br />

III > 10 7 wie II und zusätzlich<br />

unter Hinzuziehung eines<br />

Sachverständigen<br />

Strahlenwarnzeichen zur Begrenzung des Kontrollbereiches<br />

bzw. der Hinweis „Kein Zutritt – Röntgen“ geben weitere Hinweise,<br />

ab welcher räumlichen Begrenzung mit einer zusätzlichen<br />

Gefährdung gerechnet werden muss.<br />

4.2.2 Transportunfälle<br />

In Deutschland finden jährlich ca. 445.000 Transporte mit radioaktiven<br />

Stoffen statt, wobei der überwiegende Teil für Mess- und<br />

Forschungszecke sowie für medizinische Anwendungen<br />

bestimmt ist. Von 1998 bis 2000 bestand ein Stop für den<br />

Transport abgebrannter Brennelemente und verglasten hochaktiven<br />

radioaktiven Abfalls (HAW-Kokillen). Transporte dieser Art finden<br />

seit geraumer Zeit wieder statt. Diese Güter machten in der<br />

Vergangenheit etwas unter 100 Transporte pro Jahr aus.<br />

Allerdings entfielen ca. 99,5 % der insgesamt beförderten Aktivität<br />

auf abgebrannte Brennelemente. Der Arzt und das Rettungsdienstpersonal<br />

müssen davon ausgehen, dass es nach den einschlägigen<br />

Transportvorschriften außer mit Strahlenwarnzeichen<br />

124


gekennzeichneten Transporten eine gewisse Zahl von genehmigungsfreien,<br />

äußerlich nicht gekennzeichneten Transporten gibt,<br />

deren jeweilige beförderte Aktivität durchaus (im Einklang mit der<br />

gültigen Strahlenschutzgesetzgebung) im Giga-Becquerel-Bereich<br />

liegen kann. In einem solchen Fall wird zunächst ohne<br />

Einsatz eines Messgerätes kein Beteiligter an die Noxe radioaktive<br />

Strahlung denken.<br />

Neben der Befragung der Betroffenen lassen sich bei Unfällen<br />

mit vorschriftsmäßiger Kennzeichnung des radioaktiven Stoffes<br />

bzw. des Transportbehälters Kenntnisse über die Intensität der<br />

Strahlung bzw. die Aktivität des radioaktiven Materials aus<br />

Warntafeln, Gefahrzetteln und Unfallmerkblättern in den Frachtbegleitpapieren<br />

herleiten.<br />

Man unterscheidet nach den Richtlinien der Internationalen<br />

Atomenergiebehörde (IAEO-Regulations) zwischen folgenden<br />

Arten von Versandstücken und Verpackungen:<br />

a) Freigestellte Versandstücke (z. B. Verpackungen für<br />

Feuermelder, klinische Reagenzien).<br />

b) Industrieverpackungen (IP) (z. B. für Stoffe geringer spezifischer<br />

Aktivität oder für oberflächenkontaminierte Gegenstände)<br />

Man unterscheidet hier in IP-1, IP-2 und IP-3.<br />

c) Typ A-Versandstücke (z. B. für Radiopharmazeutika).<br />

Sie sollen im Falle eines „normalen“ Zwischenfalles während<br />

der Beförderung unversehrt bleiben.<br />

d) Typ B-Versandstücke (z. B. Transportbehälter für bestrahlte<br />

Brennelemente).<br />

Diese Versandstücke müssen den Auswirkungen auch<br />

schwerster Unfälle während der Beförderung widerstehen.<br />

e) Typ C-Versandstücke für die Beförderung von radioaktiven<br />

Stoffen in besonderer<br />

Form (z. B. Pu-Pellets).<br />

Die Anforderungen an diese Versandstücke sind in einigen<br />

Punkten noch höher als an Typ B-Versandstücke.<br />

Aus der Farbe des aufgebrachten Gefahrzettels und der Kategorie<br />

lässt sich ein Überblick über die Dosisleistung an der<br />

Oberfläche eines intakten Versandstückes gewinnen. Desweiteren<br />

lassen sich Aussagen über das Nuklid und dessen Menge<br />

ablesen.<br />

125


Gefahrzettel zur Kennzeichnung von Versandstücken, die radioaktive<br />

Stoffe enthalten<br />

(nach GGVS)<br />

Kategorie max. zulässige Dosisleistung<br />

an der Oberfläche Transportkennzahl<br />

I weiss 5 µSv/h –<br />

II gelb 500 µSv/h ≤ 1<br />

III gelb 2.000 µSv/h ≤ 10<br />

Im Falle der Beförderung unter „ausschließlicher Verwendung“<br />

liegt der Grenzwert für Kategorie III-Transporte bei 10 mSv/h an<br />

der Oberfläche des Versandstückes.<br />

Kennzeichnung von Versandstücken und Transportfahrzeugen<br />

mit radioaktiven Stoffen:<br />

Aus der aufgedruckten Transportkennzahl (TK) lässt sich die<br />

Dosisleistung in mSv/h in einem Meter Entfernung folgendermaßen<br />

berechnen: Dosisleistung mSv/h (1m) = TK:100<br />

126


Die Einsatzkräfte der Feuerwehren haben bei Transportunfällen<br />

gemäß FwDV 9/1 mit Strahlenschutzsonderausrüstung und<br />

unter Strahlenschutzüberwachung vorzugehen. Sind vorhandene<br />

Behälter nicht beschädigt, ist von keiner akuten Gefahr für<br />

die Helfer auszugehen. Typ-B-Behälter widerstehen den im<br />

Straßenverkehr üblichen Unfallgeschehen. Typ-A-Behälter können<br />

bei Verkehrsunfällen durch die auftretenden Kräfte beschädigt<br />

oder zerstört werden.<br />

4.2.3 Abstürzende Satelliten<br />

Die Strahlenschutzkommission beschäftigt sich in Band 26<br />

auch mit diesem Thema. Zum Zweck der Energieerzeugung auf<br />

kleinstem Raum sind verschiedene Weltraumfahrzeuge mit<br />

Plutoniumbatterien ausgerüstet. Im Falle des Wiedereintritts in<br />

die Erdatmosphäre kann radioaktives Material über weite Teile<br />

der Erdoberfläche verteilt werden. Ebenso können Reaktorteile<br />

beim missglückten Start solcher Satelliten verloren gehen und<br />

eventuell zu einer Kontamination der Umwelt beitragen. Am<br />

18.05.1968 zum Beispiel ist in der Nähe von Santa Barbara der<br />

amerikanische Satellit „Nimbus“ mit Pu-239 im Meer versunken.<br />

Ähnliches ereignete sich im Osten Brasiliens am 07.02.1983, wo<br />

der Satellit „Cosmos“ (UdSSR) mit seiner radioaktiven Fracht<br />

verloren ging.<br />

4.2.4 Unfälle in Kernkraftwerken<br />

Die Organisation der ärztlichen Versorgung bei Kernkraftwerksunfällen<br />

ist Ländersache. Sind die Auswirkungen eines Unfalles in<br />

einer kerntechnischen Anlage auf diese beschränkt, wird der alarmierte<br />

Notarzt sowie die mitwirkenden Rettungsdienstkräfte auf ein<br />

im Management von kontaminierten und/oder verletzten Personen<br />

trainiertes Personal treffen. Der Betriebsarzt einer solchen Anlage<br />

hat die Ermächtigung im Strahlenschutz zur Untersuchung beruflich<br />

strahlenexponierter Personen und steht entweder vor Ort zur<br />

Verfügung oder kann auf Grund der Alarmpläne rasch mit in das<br />

Geschehen integriert werden. Durch Absprachen der Betreiber der<br />

Kernkraftwerke mit den umliegenden Krankenhäusern ist in der<br />

Regel eine Weiterversorgung von Verletzten auch unter der Vorgabe<br />

„Strahlenunfall“ gewährleistet. Aufgrund der Erfahrungen aus der<br />

Vergangenheit ist jedoch ein Szenario vorstellbar, wo der Notarzt<br />

und die Rettungsdienstkräfte im Rahmen eines vermeintlichen oder<br />

tatsächlichen Großschadensereignisses mit eingebunden werden.<br />

Eine Möglichkeit dazu ist der Einsatz in der Notfallstation oder<br />

deren Umfeld.<br />

Die Notfallstation ist eine optionale Einrichtung zur medizinischen<br />

Sichtung und Erstversorgung von Personen, die von<br />

127


einem Kernkraftwerksunfall direkt betroffen sind. Das heißt,<br />

dass sie sich beim Durchzug der radioaktiven Wolke, die aus<br />

der Anlage freigesetzt wurde, tatsächlich in dem betroffenen<br />

Gebiet aufgehalten haben. Die Mitarbeiter der Notfallstation<br />

sind für die Betreuung von Personen vorgesehen, bei denen der<br />

Verdacht auf eine Strahlenexposition, Kontamination, Inkorporation<br />

oder Verletzung mit radioaktivem Material vorliegt.<br />

Einrichtungen wie Schulen und öffentliche Schwimmbäder, wo<br />

Räumlichkeiten vorhanden sind, die dazu dienen können, eine<br />

größere Menge Menschen innerhalb kurzer Zeit aufzunehmen<br />

und je nach Grad der Kontamination zu separieren, eignen sich<br />

als Notfallstation. Auch sind hier eine große Anzahl von<br />

Waschgelegenheiten und Umkleidemöglichkeiten vorhanden<br />

sowie die Möglichkeit, kurzfristig eine Vielzahl von Personen<br />

witterungsunabhängig zu beherbergen und einen sinnvollen Anund<br />

Abtransport zu gewährleisten. Die Notfallstation dient auch<br />

dazu, ein geordnetes Weiterleiten von Menschenströmen zu<br />

ermöglichen und die Kapazität der Krankenhäuser sinnvoll für<br />

die betroffenen Personen auszunützen, die nach strahlenschutzärztlicher<br />

Begutachtung unter Zuhilfenahme der vorhandenen<br />

messtechnischen Methoden akuter Hilfe bzw. einer<br />

Weiterversorgung durch eine Klinik bedürfen. Die Standorte der<br />

Notfallstationen sind in der Katastrophenschutzplanung der<br />

Bundesländer festgelegt.<br />

Mindestanforderungen für die Notfallstation:<br />

– Ausreichende Entfernung von der kerntechnischen Anlage<br />

– Ausreichende Parkmöglichkeit<br />

– Räumlichkeiten zum vorübergehenden Aufenthalt<br />

– Sanitäre Einrichtungen<br />

– Duschen und Waschgelegenheiten zur Dekontamination<br />

Eine Versorgung von 1.000 Personen innerhalb eines Tages<br />

erscheint realistisch. Bezüglich der personellen Ausstattung der<br />

Notfallstationen obliegt die ärztliche Leitung dem Strahlenschutzarzt.<br />

Die Anzahl weiterer ermächtigter Ärzte richtet sich<br />

nach der Zahl der Betroffenen. Es war vorgesehen, nur im<br />

Strahlenschutz ermächtigte Ärzte in dieser Notfallstation einzusetzen,<br />

wobei länderspezifisch unterschiedlich versucht wird,<br />

hier einen Stamm speziell geschulter Fachärzte auch anderer<br />

Disziplinen, wie Anästhesisten, Unfallchirurgen etc., für diese<br />

Aufgabe auf Abruf vorzuhalten.<br />

4.2.5 Einsatz spezieller militärischer Waffensysteme<br />

Durch den Einsatz von uranhaltigen Geschossen kann es zu<br />

Inkorporationen von Radionukliden kommen, entweder durch<br />

128


direkte Einwirkung oder mittels Inhalation von Stäuben und Aerosolen.<br />

Von einer direkten Gefährdung der Helfer beim Umgang<br />

mit betroffenen Personen kann nicht ausgegangen werden.<br />

4.2.6 Kriminelle/terroristische Aktivitäten<br />

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und des Zerfalls der<br />

ehemaligen UdSSR ist es mehrfach zu Vorgängen gekommen, die<br />

unter dem Schlagwort „Vagabundierende Quellen“ medienwirksam<br />

geworden sind. Beim Versuch, umschlossene radioaktive<br />

Quellen (z. B. Materialprüfungsquellen mit Cäsium-137 oder<br />

Kobalt-60) illegal in Deutschland zu verkaufen, wurden diese teilweise<br />

ohne Abschirmbehälter am Körper über mehrere Stunden<br />

transportiert und später auch Privatpersonen angeboten. Sobald<br />

die Strahlenquelle fachkundig geborgen und keine radioaktiven<br />

Stoffe ausgetreten sind, können eventuell erforderliche medizinische<br />

Maßnahmen an beteiligten Personen ohne Bedenken vom<br />

Rettungsdienstpersonal vorgenommen werden. Weder Kobalt-60<br />

noch Cäsium-137 sind in der Lage, Aktivierungen durch Kernreaktionen<br />

am Menschen oder nichtbiologischem Material zu<br />

machen, so dass eine von aussen bestrahlte Person nicht selbst<br />

zur Strahlenquelle wird. Terroristische Aktivitäten lassen alle<br />

Möglichkeiten des schädigenden Umgangs mit radioaktiven Stoffen<br />

als möglich erscheinen, wobei der involvierte Arzt sich hier auf<br />

das Fachwissen spezieller Einsatzkräfte verlassen muss.<br />

4.2.7 Militärischer Einsatz von Kernwaffen<br />

Die bewusste Herbeiführung einer solchen Katastrophe ist beim<br />

derzeitigen Stand der politischen Lage Deutschlands mit seinen<br />

direkten und auch weiter entfernten Nachbarstaaten als extrem<br />

unwahrscheinlich anzusehen und bedarf im Rahmen dieses<br />

Leitfadens keiner weiteren Ausführung.<br />

4.3 Allgemeine Grundsätze des Handelns<br />

Die nachbeschriebenen Grundsätze lassen sich teilweise beim<br />

Einsatz der Rettungsdienstkräfte, die direkt am Patienten tätig<br />

werden müssen, nur bedingt befolgen:<br />

4.3.1 Abschalten:<br />

Abschalten der Strahlenquelle (Röntgenröhre/Beschleuniger)<br />

oder Rückführung der Strahlenquelle (radioaktiver Stoff in<br />

umschlossener oder offener Form) in einen Abschirmbehälter.<br />

4.3.2 Abstand halten:<br />

Die Intensität der ionisierenden Strahlung nimmt mit zunehmendem<br />

Abstand zur Strahlenquelle ab (bei punktförmiger Gammastrahlenquelle<br />

mit dem Quadrat der Entfernung). Die akku-<br />

129


mulierte Dosis vermindert sich mit zunehmendem Abstand<br />

(Strahlenquellen nie mit der bloßen Hand anfassen; Hilfsmittel<br />

wie Ferngreifer etc. verwenden!).<br />

4.3.3 Aufenthaltsdauer verkürzen:<br />

Die Einsatzzeit bei vorhandener Strahlenexposition sollte so<br />

klein wie nötig sein. Wenn möglich, frühzeitige Ablösung des<br />

Einsatzteams am Unfallort.<br />

4.3.4. Abschirmungen nutzen:<br />

Vorhandene Abschirmungen wie Mauern, Erdwälle etc. sollten<br />

ausgenützt werden, um die Strahlenintensität zu minimieren.<br />

Eventuell sind verletzte Personen im Rahmen einer „Crash-<br />

Rettung“ aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zu entfernen.<br />

Die Errichtung von Abschirmungen ist aus Zeitgründen in der<br />

Regel nicht praktikabel.<br />

4.3.5 Kontamination vermeiden:<br />

Die Verschmutzung mit radioaktiven Isotopen ist zu vermeiden<br />

bzw. auf ein unumgänglich notwendiges Maß zu reduzieren<br />

(ähnlich überlegtes Handeln wie bei sterilem Arbeiten im OP).<br />

4.3.6 Inkorporation vermeiden:<br />

Die Aufnahme radioaktiver Stoffe über die Atemwege oder<br />

den Gastrointestinaltrakt ist zu vermeiden. Am Einsatzort darf<br />

aus diesem Grund nicht gegessen, getrunken oder geraucht<br />

werden. Die für die Einsatzkräfte der Feuerwehren vorgeschriebene<br />

Schutzausrüstung mit umluftunabhängigem<br />

Atemschutzgerät (Pressluftatmer) sind für den Einsatz des<br />

Arztes und die sonstigen Rettungskräfte in der Regel nicht<br />

geeignet, da fehlende Atemschutztauglichkeit (Untersuchung<br />

nach dem berufsgenossenschaftlicher Grundsatz G26 liegt<br />

nicht vor) und keine persönliche Erfahrung für diesen Fall vorhanden<br />

ist. Einsatzkräfte mit offenen Wunden (Rhagaden,<br />

Ekzeme, Schürfverletzungen) sind, um eine Inkorporation zu<br />

vermeiden, nicht für Strahlenschutzeinsätze geeignet. Verletzungen<br />

während der Arbeitstätigkeit sollen so bald als<br />

möglich einem Strahlenschutzarzt gezeigt werden. Auch<br />

Bagatellverletzungen sollten zum Austausch der betroffenen<br />

Person am Einsatzort führen.<br />

130


4.4 Maßnahmen am Verunfallten<br />

4.4.1 Faustformeln für den Arzt zur Abschätzung der<br />

Strahlenexposition<br />

4.4.1.1 Externe Bestrahlung<br />

Abschätzung der Gamma-Dosisleistung einer externen<br />

Punktquelle:<br />

Eine Aktivität von 4 GBq erzeugt in 1 m Abstand eine Dosisleistung<br />

von ca. 1 mSv/h<br />

Abschätzung der Beta-Dosisleistung einer externen Punktquelle:<br />

Eine Aktivität von 1 MBq erzeugt in 10 cm Abstand eine Dosisleistung<br />

von ca. 1 mSv/h<br />

Im geringen Abstand von der Quelle ist bei gleicher Quellstärke<br />

die Oberflächendosisleistung der Beta-Strahlung etwa 30 mal<br />

so groß, wie die der Gamma-Strahlung<br />

Angaben zum Hauterythem bei Teilkörperbestrahlung:<br />

Das Hauterythem ist ein nicht geeigneter Indikator im akuten<br />

Unfallgeschehen. Ein Erythem tritt bei Hautdosen über 3–5 Gy<br />

auf. Der zeitliche Verlauf ist sinusförmig. Das erste Auftreten wird<br />

einige Stunden nach der Bestrahlung sichtbar mit einem<br />

Maximum nach etwa 24 Stunden. Die Erscheinung ebbt im Laufe<br />

von zwei bis maximal 60 Tagen ab. Die zweite Hauptwelle<br />

beginnt, je nach Dosis, nach etwa 8 Tagen, und die Rötung geht<br />

innerhalb von Wochen in eine Hyperpigmentierung (bis zu möglichen<br />

Nekrosen) über. Die Intensität und die Dauer der<br />

Pigmentierung ist von der akkumulierten Strahlendosis abhängig.<br />

Nach Dosen von 10 Gy bleibt sie über mehrere Wochen<br />

sichtbar.<br />

4.4.1.2 Kontamination<br />

Abschätzung der Beta-/Gamma-Hautdosisleistung bei Kontamination:<br />

Eine Flächenkontamination von 1 Bq/cm 2 eines Beta-/Gamma-<br />

Strahlers ruft eine Beta-Hautdosisleistung von 1 µSv/h hervor.<br />

Die Gamma-Hautdosisleistung beträgt dabei etwa Einhundertstel<br />

dieses Wertes, d. h. 0,01 µSv/h<br />

1 Curie (alte Einheit) entspricht 3,7 x 10 10 Becquerel<br />

131


Richtwerte für Maßnahmen bei Kontaminationen der Haut (SSK<br />

Band 27, S. 299 und SSK Band 4 [1995] S. 16)<br />

Stufe I II III IV V<br />

Kontamination<br />

(kBq/cm 2 ) < 0,04 0,04–0,4 0,4–4 4–40 > 40<br />

Dosisleistung in < 0,1 < 0,1–0,4 0,4–4 4–40 > 40<br />

1 m Abstand 1)<br />

(µSv/h)<br />

Zählrate von ≤ 1.500 ≤ 20 20 –200 200 – 2.000 3) > 2.000 3)<br />

Kontaminations- (nicht<br />

messgeräten 2) in abgedeckt,<br />

1 m Abstand nah)<br />

(abgedeckt, Ips)<br />

Dekontaminations- nicht zu erwägen empfohlen erforderlich vorrangig<br />

maßnahmen: erforderlich erforderlich<br />

β-Hautdosis < 1 < 10 10 –100 100 –1.000 > 1.000<br />

(mSv in 24 h)<br />

γ-Dosis für < 0,02 < 0,2 0,2 – 2 2 – 20 > 20<br />

Knochenmark 4)<br />

(mSv in 24 h)<br />

1) Werte basierend auf ΓΗ = 140 (fSv/h) / (Bq/m 2 ), 1 fSv/h = 10 15 Sv/h<br />

2) gemessen für Dosisleistung der darüberliegenden Zeile; gilt<br />

grob für Contamat (Butan), Minicont und Automess AD-K<br />

3) Messbereichsgrenze bei Contamat 2.000, bei Minicont<br />

10.000 und bei AD-K 20.000 Ips<br />

4) berechnet mit Dosisleistungsfaktoren nach Henrichs et al.:<br />

Dosisfaktoren für die Kontamination der Haut und Kleidung,<br />

GSF-Bericht /85, November 1985<br />

Dekontamination am Unfallort:<br />

Alle denkbaren Dekontaminationsmaßnahmen am Unfallort sind nur<br />

dann durchführbar, wenn der Zustand des Verletzten dies zulässt.<br />

Falls es zu einer Kontamination des Verunfallten mit radioaktiven<br />

Stoffen gekommen ist, sollte eine Verringerung der Kontamination<br />

durch Entkleiden (Kleidung in einen als radioaktiven Abfall gekennzeichneten<br />

Behälter zum Zweck der späteren messtechnischen<br />

Auswertung geben) auf einem provisorischen Dekontaminationsplatz<br />

innerhalb der Absperrung erreicht werden. An Ersatzkleidung<br />

und ausreichenden Wärmeschutz ist zu denken. Kontaminierte<br />

Körperteile sind unter fließendem Wasser abzuwaschen oder falls<br />

nicht möglich, wenigstens mit feuchten Tüchern abzuwischen.<br />

Dabei ist zu beachten, dass die Kontamination nicht auf andere<br />

Körperteile verschleppt wird und das Waschwasser aufgesammelt<br />

werden sollte. Bei beginnender Hautrötung alle weiteren Dekontaminationsmaßnahmen<br />

einstellen (Weiterbehandlung in Klinik oder<br />

RSZ durch spezielle Maßnahmen).<br />

132


Achtung:<br />

Bei Dekontaminationsmaßnahmen im Bereich des Kopfes besteht<br />

immer Inkorporationsgefahr, deshalb möglichst Anlegen<br />

eines Mund- und Nasenschutzes für den Verunfallten sowie<br />

eventuell Verschließen des äußeren Gehörganges mittels wasserabweisender<br />

Tamponade. Kein kontaminiertes Wasser in die<br />

Augen gelangen lassen. Die Dekontamination von Mund, Nase<br />

und/oder Ohren muss nach der Vorstellung der Deutschen<br />

Strahlenschutzkommission von einem HNO-Arzt durchgeführt<br />

werden. Ein Rachenraumabstrich sowie eine Sch<strong>neu</strong>zprobe aus<br />

der Nase wegen späterer Ausmessung bei Verdacht auf<br />

Inkorporationsgefahr sind abzunehmen (sofern der Zustand der<br />

Verunfallten dies erlaubt!).<br />

Kontaminierte Wunden, Besonderheiten der Ersten Hilfe:<br />

Kleine, kontaminationsverdächtige Wunden an den Extremitäten<br />

durch Anlegen einer venösen Stauung dem Prozess einer<br />

„Eigendekontamination“ unterziehen und/oder mit steriler 0,9<br />

%iger Kochsalzlösung spülen. Ansonsten Wunden, wie im<br />

Rettungsdienst üblich, akut versorgen und steril abdecken. Die<br />

Primärversorgung einschließlich Anästhesie und Intubation entspricht<br />

dem sonst üblichen Standard. Es gibt keine spezifische<br />

aus Strahlenschutzüberlegungen heraus resultierende Änderung<br />

der Ablaufschemata bei lebensrettenden Maßnahmen.<br />

4.4.1.3 Inkorporation<br />

Die Abschätzung der Inkorporationsdosis ist unter Unfallbedingungen<br />

ohne nähere messtechnische Angaben (Ganzkörperzähler,<br />

Teilkörperzähler, Ausscheidungsanalysen) nicht möglich<br />

und sollte speziellen Zentren vorbehalten bleiben. Allenfalls ist<br />

bei bekanntem Gesamtinventar des radioaktiven Stoffes im Vergleich<br />

zum Jahresaktivitätszufuhrwert (JAZ-Wert) der alten<br />

Strahlenschutzverordnung von 1989 eine grobe Orientierung<br />

möglich.<br />

Abnahme von Blut für Chromosomenaberrationsanalyse:<br />

Es sollte grundsätzlich bei jedem Strahlenunfall, bei dem zu vermuten<br />

ist, dass eine hohe Dosisbelastung des Verunfallten aufgetreten<br />

ist, Blut (jeweils 20 ml) für eine eventuelle Chromosomenanalyse<br />

zum Zweck der biologischen Dosimetrie bzw.<br />

HLA-Typisierung wegen eventuell später notwendiger Knochenmarkstransplantation<br />

abgenommen werden. Dies sollte noch<br />

am Unfallort (bei sehr hohen Strahlenexpositionen) oder bei<br />

Aufnahme in der Klinik im Laufe der ersten Stunden erfolgen,<br />

um eine genügende Anzahl noch zur Teilung stimulierbarer<br />

133


Lymphozyten zu erhalten. Für einen Massenanfall von Betroffenen<br />

ist diese in der Auswertung zeitintensive Methode nicht<br />

geeignet. Ebenso nicht für verabreichte effektive Dosen von<br />

weniger als 100 mSv.<br />

Technik der Blutabnahme:<br />

Abnahme von 20 ml peripheren Blutes mittels steriler Spritze,<br />

die etwa 1 bis 2 ml Heparin enthalten muss.<br />

Heparinisiertes Blut sofort (ohne Kühlung) nach telefonischer<br />

Voranmeldung in ein dementsprechendes Zentrum<br />

zur Anfertigung der Chromosomenaberrationsanalyse bringen<br />

lassen (aktuelle Adresse über das zuständige Regionale<br />

Strahlenschutzzentrum [RSZ] erfragen !).<br />

Bezüglich wichtiger Zusatzinformationen über die stattgehabte<br />

Exposition, Strahlenart usw. muss ein kompetenter Ansprechpartner<br />

dem Zentrum, das die biologische Dosimetrie durchführt,<br />

zumindest telefonisch, zur Verfügung stehen.<br />

4.5 Übergabe der verunfallten Person<br />

Theoretisch übergeben an der Absperrgrenze die Feuerwehreinsatzkräfte<br />

bzw. sonstiges Fachpersonal den Patienten an den<br />

Rettungsdienst. Dieses Szenario bleibt die Ausnahme, da, wie<br />

konventionelle Verkehrsunfälle zeigen, ein Eingreifen des Notarztes<br />

und des Rettungsdienstpersonals in der Regel vor Ort<br />

notwendig ist (unter Beachtung eines vernünftigen Selbstschutzes).<br />

4.6 Transport kontaminationsverdächtiger Personen<br />

Vor Verlassen der strahlengefährdeten Einsatzstelle (Gefahrenbereich)<br />

sollte das Rettungsdienstpersonal, das innerhalb<br />

der Absperrgrenze tätig war und den Patienten medizinisch versorgt<br />

und transportiert hat, die Oberbekleidung, Füßlinge<br />

und/oder zumindest die Handschuhe wechseln. Die zuständige<br />

Behörde hat später über den Verbleib kontaminierter<br />

Gegenstände und Stoffe, die zunächst innerhalb des Gefahrenbereichs<br />

gesammelt werden, zu entscheiden.<br />

Wird dem Rettungsdienst der Verunfallte an der Absperrgrenze<br />

übergeben, so sollte er dort umgebettet werden, z. B. von der<br />

Schaufeltrage auf die normale Transporttrage, die mit im Einsatzfahrzeug<br />

vorhandenen Decken ausgelegt ist. Sofern personell<br />

möglich, sollten zwei Teams tätig werden, eines, das nur<br />

innerhalb der Absperrgrenze tätig ist und ein zweites, das den<br />

Verunfallten an der Absperrung übernimmt.<br />

Kontaminierte Personen getrennt von sonstigen Personen befördern!<br />

Den transportfähigen Patienten abdecken (Achtung Wärmestau!),<br />

um eine Verschleppung der eventuell nicht festhaftenden<br />

134


Kontamination zu verringern. Nach Einladen in das Fahrzeug nochmals<br />

Handschuhwechsel des Rettungsdienstpersonals. Man muss<br />

sich klar darüber sein, dass das Fahrzeuginnere und die zum Einsatz<br />

kommenden Gegenstände nicht sicher vor Kontamination geschützt<br />

werden können. Nach Rücksprache mit der Rettungsleitstelle ist ein<br />

Krankenhaus oder RSZ mit strahlenmedizinischer Behandlungsmöglichkeit<br />

als Zielpunkt vorzuziehen. Die Rettungsleitstelle hat die<br />

Einlieferung radioaktiv kontaminierter Personen dem Zielkrankenhaus<br />

mitzuteilen, um dort den benötigten Vorlauf für strahlenschutzmäßige<br />

Vorkehrungen nicht zu verzögern. Bei Ankunft im<br />

Krankenhaus oder RSZ ist dem Aufnahmeteam die Tatsache oder<br />

Vermutung der radioaktiven Kontamination bzw. Inkorporation mitzuteilen.<br />

Der erstversorgende Notarzt und das beteiligte Rettungsdienstpersonal<br />

sollten in der Anfangsphase der klinischen Versorgung<br />

mit involviert sein, um auf die <strong>neu</strong> hinzugekommenen<br />

Kollegen/innen in dieser emotional belastenden Situation eines<br />

„exotischen“ Einsatzgeschehens motivierend einwirken zu können.<br />

4.7 Maßnahmen nach dem Transport<br />

Beteiligtes Rettungsdienstpersonal, Einsatzfahrzeuge und<br />

Gerätschaften sind einer Kontaminationskontrolle zu unterziehen<br />

(Strahlenschutzphysiker, sonstige fachkundige Person) und,<br />

soweit erforderlich, zu dekontaminieren. Das weitere Vorgehen<br />

entscheidet die zuständige Behörde. Ausgegebene Personendosimeter<br />

sind sicherzustellen und zur sofortigen Auswertung<br />

(betrifft nur amtliche Dosimeter) an die entsprechende Auswertungsstelle<br />

des Bundeslandes zu schicken mit der Bitte um<br />

Eilauswertung. Auf Grund der Seltenheit von Strahlenunfällen ist<br />

es vertretbar, die betroffenen Personen des Rettungsdienstes<br />

einem ermächtigten Arzt im Strahlenschutz baldmöglichst vorzustellen.<br />

Ist zu befürchten, dass sie in Anlehnung an die Strahlenschutzverordnung<br />

für beruflich strahlenexponierte Personen<br />

mehr als 50 mSv effektive Dosis erhalten haben (StrlSchV § 63:<br />

Besondere arbeitsmedizinische Vorsorge), ist diese Untersuchung<br />

unverzüglich durchzuführen. Die in Bayern gültige<br />

„Richtlinie für den Einsatz des Rettungsdienstes an strahlengefährdeten<br />

Einsatzstellen und für den Transport radioaktiv kontaminierter<br />

Personen“ sieht dies schon ab 15 mSv effektive Dosis<br />

vor. Bei Verdacht auf Inkorporation immer einen ermächtigten<br />

Arzt im Strahlenschutz in das weitere Prozedere mit einbeziehen.<br />

Ebenso kann die zuständige Behörde ein solches Eingreifen<br />

bestimmen. Inwieweit eine Ganzkörpermessung durch<br />

entsprechend kalibrierte Messanlagen oder das Sammeln von<br />

Stuhl und Urin über mehrere Tage zum Zwecke der Ausscheidungsanalyse<br />

sinnvoll ist, entscheidet der ermächtigte Arzt und<br />

letztlich die zuständige Behörde (gleiches gilt für die biologische<br />

135


Dosimetrie, z. B. Chromosomenaberrationsanalyse). Alle beteiligten<br />

Rettungsdienstkräfte sollten namentlich vermerkt, und<br />

diese Liste mit den gesammelten Daten mindestens 30 Jahre<br />

aufgehoben werden.<br />

4.8 Situation im Krankenhaus<br />

Im Krankenhaus ist die Anwesenheit eines Strahlenschutzarztes<br />

im Team der behandelnden Ärzte sinnvoll. Das nächstgelegene<br />

Regionale Strahlenschutzzentrum sollte, sofern nicht schon von<br />

Anfang an passiert, in das weitere Prozedere mit eingebunden<br />

werden und Beratungspersonal abstellen, um eine möglichst optimale<br />

Versorgung bei der Behandlung des Verunfallten zu gewährleisten.<br />

Dekorporierungsmaßnahmen werden frühestens in<br />

der Klinik beginnen können, da hier auch die entsprechende<br />

Labordiagnostik zur Verfügung steht. In den ersten Tagen der<br />

Versorgung wird die Entscheidung über das weitere Vorgehen<br />

durch sogenannte Sequentialdiagnostik, d. h. die Feststellung des<br />

klinischen Verlaufs der Reaktion des Patienten auf die stattgefundene<br />

Bestrahlung möglich. Diese gesammelten Daten können mit<br />

dem vorhandenen Datenmaterial aus Unfallereignissen in der<br />

Datenbank des WHO-Kollaborationszentrums für Strahlenunfallmanagement<br />

der Universität Ulm verglichen werden. Anhand der<br />

Schweregradeinteilung des individuellen Strahlenschadens werden<br />

Aussagen über das bestmögliche weitere therapeutische<br />

Vorgehen sowie die prognostische Entwicklung ermöglicht.<br />

5. Anhang<br />

5.1 Definitionen<br />

Umschlossene radioaktive Stoffe:<br />

radioaktive Stoffe, die von einer festen inaktiven Hülle umschlossen<br />

sind (üblicherweise eine Edelstahlkapsel mit einer<br />

Abmessung von mind. 0,2 cm) oder in festen inaktiven Stoffen<br />

ständig so eingebettet sind, dass ein Austritt verhindert wird.<br />

(modifiziert nach der Strahlenschutzverordnung vom August 2001,<br />

Anlage 1)<br />

Offene radioaktive Stoffe:<br />

alle mit Ausnahme der umschlossenen<br />

Dosis, effektive:<br />

Effektive risikogewichtete Dosisangabe für den Menschen, wird<br />

in der Einheit mSv oder µSv angegeben. Alte entsprechende<br />

Einheit ist das rem: 1 rem = 10 mSv<br />

136


Ortsdosisleistung:<br />

Sie wird in Einheit mSv/h oder µSv/h usw. angegeben.<br />

Messgeräte der Feuerwehr zeigen in dieser Einheit an. Es gibt<br />

für diese Geräte jedoch auch Außensonden für den Alpha- bzw.<br />

Beta-Strahlennachweis, die in Impulsen/sec. anzeigen. Die<br />

Angabe Impulse pro Zeiteinheit bedarf der Interpretation.<br />

Aktivität:<br />

1 Becquerel (Bq) = 1 Zerfall pro Sekunde (Einheit der Aktivität)<br />

5.2 Regionale Strahlenschutzzentren (RSZ)<br />

Bei schweren Strahlenunfällen kann die Spezialstation für<br />

Strahlengeschädigte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik<br />

Ludwigshafen ( ) nach Vermittlung durch die Regionalen<br />

Strahlenschutzzentren in Anspruch genommen werden.<br />

137


Adressen:<br />

Allg. Krankenhaus St. Georg – Abt. Nuklearmedizin<br />

Lohmühlenstr. 5<br />

20099 Hamburg<br />

Tel.: 040/2890-2371 (-2256*)<br />

Medizinische Hochschule – Abt. Nuklearmedizin/Biophysik<br />

Carl-Neuberg-Str. 1<br />

30625 Hannover<br />

Tel.: 0511/532-3197<br />

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />

Nuklearmedizinische Klinik<br />

Leo-Brandt-Strasse<br />

52428 Jülich<br />

Tel.: 02461/61-5763<br />

Universitätskliniken des Saarlandes – Abt. für Nuklearmedizin<br />

Gebäude 50<br />

66421 Homburg/Saar<br />

Tel.: 06841/16-2201 (-3305*)<br />

Forschungszentrum Karlsruhe<br />

Medizinische Abteilung<br />

Hermann-von-Helmholtz-Platz 1<br />

76344 Karlsruhe<br />

Tel.: 07247/82-3333<br />

Städtisches Krankenhaus Schwabing<br />

Institut für Medizinische Physik<br />

Kölner Platz 1<br />

80804 München<br />

Tel.: 089/3068-2541 (-0*)<br />

Uniklinikum Greifswald<br />

Klinik für Nuklearmedizin<br />

Fleischmannstr. 42 – 44<br />

17487 Greifswald<br />

Tel.: 03834/86-6975<br />

Universitätsklinikum Benjamin Franklin<br />

Abt. für Nuklearmedizin<br />

Hindenburgdamm 30<br />

12200 Berlin<br />

Tel.: 030/8445-2171 (-3992*)<br />

138


Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“ der TU Dresden<br />

Klinik für Nuklearmedizin<br />

Fetscherstr. 74<br />

01307 Dresden<br />

Tel.: 0351/458-2226<br />

Universität Würzburg<br />

Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

Luitpoldkrankenhaus Bau 9<br />

Josef-Schneider-Str. 2<br />

97080 Würzburg<br />

Tel.: 0931/201-5877<br />

GSF-Forschungszentrum<br />

Institut für Strahlenschutz<br />

Ingolstädter Landstr. 1<br />

85764 Neuherberg<br />

Tel.: 089/3187-333<br />

Berufsgenossenschaftliche Klinik<br />

Ludwigshafen-Oggersheim<br />

(nur nach Vermittlung über ein RSZ)<br />

* außerhalb der üblichen Dienstzeit<br />

Beachte:<br />

Das System der RSZ dient in erster Linie der Versorgung von<br />

Personen im Rahmen betrieblicher Strahlenunfälle und ist nicht<br />

primär Teil der staatlichen Vorsorgemaßnahmen für den<br />

Katastrophenfall.<br />

5.3 Jodprophylaxe<br />

Beim Betrieb von Kernreaktoren werden neben einer Vielzahl von<br />

Spaltprodukten radioaktive Jodisotope erzeugt. Im Unfallgeschehen<br />

kann es unter ungünstigen Bedingungen zur Abgabe<br />

von radioaktivem Jod in die Umgebung kommen. Über die Lungen<br />

wird radioaktives Jod fast vollständig resorbiert. Als Niederschlag<br />

auf Böden und Pflanzen kann es über die Nahrungskette,<br />

insbesondere die Milch, ebenso in den menschlichen Körper<br />

gelangen. Hauptspeicherorgan ist die Schilddrüse. Das Ausmaß<br />

der Speicherung von radioaktivem Jod hängt vom Funktions-<br />

139


zustand des Organs und vom natürlichen Jodangebot in der<br />

Nahrung ab. Auf Grund der Jodmangelsituation in bestimmten<br />

Teilen Deutschlands muss mit einer massiven Speicherung des<br />

resorbierten radioaktiven Jods (für Euthyreote) gerechnet werden.<br />

Die Abgabe der Jod-Tabletten (nichtradioaktives Jod) als Möglichkeit<br />

der Reduzierung der Aufnahme von radioaktivem Jod<br />

erfolgt auf behördliche Anordnung. Der Fetus nimmt ab der<br />

13. Schwangerschaftswoche Jod in die Schilddrüse auf. Ab<br />

dem 6. bis 9. Schwangerschaftsmonat ist die fetale Schilddrüse<br />

in der Lage, erhebliche Mengen Jod zu speichern. Radioaktives<br />

Jod wird beim Erwachsenen nach Blockade der Schilddrüse mit<br />

stabilem Jod mit einer Halbwertszeit von 6 Stunden über die<br />

Nieren ausgeschieden. Am günstigsten erfolgt die Aufnahme<br />

des stabilen Jods vor Inkorporation des radioaktiven Isotops.<br />

Vom Zeitpunkt der Inhalation radioaktiven Jods bis etwa 8 Stunden<br />

später erscheint die Verabreichung nichtradioaktiven Jods<br />

sinnvoll. Im Regelfall ist eine einmalige Einnahme der Jodtabletten<br />

ausreichend (Ausnahme: behördliche Anordnung)<br />

Empfohlenes Dosierungsschema:<br />

(Tabletten sind nach Anleitung in Flüssigkeit aufzulösen)<br />

Personengruppe:<br />

13 bis 45 Jahre, auch Schwangere und Stillende:<br />

Einmalig 1 Tablette 130 mg Kaliumjodid<br />

Alter von 3 – 12 Jahren:<br />

Einmalig 1/2 Tablette<br />

Alter vom 1. – 36. Lebensmonat:<br />

Einmalig 1/4 Tablette<br />

Neugeborene (bis zum 1. Lebensmonat):<br />

Einmalig 1/8 Tablette<br />

Mögliche gesundheitliche Risiken der Jod-Blockade:<br />

– Überempfindlichkeit (Jodallergie)<br />

– Induktion einer Hypothyreose nach Wochen bis Monaten<br />

– Hyperthyreose (bei vorbestehender funktioneller Autonomie)<br />

Kontraindikation für die Jodprophylaxe:<br />

– Dermatitis herpetiformis Duhring<br />

– Echte Jodallergie<br />

Erwachsene über 45 Jahre sollten keine Jodtabletten einnehmen<br />

wegen des Risikos schwerwiegender Schilddrüsenerkrankungen.<br />

140


Möglichkeiten der Schilddrüsenblockade durch andere Medikation:<br />

alternativ:<br />

– Natrium-Perchlorat (Irenat ® ) (1. Tag) 60 Tropfen, dann alle 6<br />

Stunden 15 Tropfen über 7 Tage.<br />

6. Internet Adressen – Stand: 04 / 2002<br />

Anbieter www-Adresse<br />

Verbände und Behörden<br />

Vereinigung deutscher Strahlenschutz- ..........www.strahlenschutz.<br />

ärzte (VDSÄ) org.<br />

Internationale Atomenergiebehörde IAEA ......www.iaea.org<br />

International Radiation<br />

Protection Association ..............................http://irpa.<br />

sfrp.asso.fr/<br />

Bundesamt für Strahlenschutz (D) ............www.bfs.de<br />

Fachverband für Strahlenschutz ................www.fs.fzk.de<br />

Bundesverwaltungsamt – ..........................www.bundesverwal-<br />

Zentralstelle für Zivilschutz tungsamt.de<br />

Bayerisches Staatsministerium für ............www.bayern.de/<br />

Landesentwicklung und Umweltfragen STMLU/strahlen/<br />

Hauptabteilung für die Sicherheit ..............www.hsk.psi.ch<br />

der Kernanlagen (CH)<br />

Nationale Alarmzentrale (CH) ....................www.naz.ch<br />

Strahlenschutzkommissionen<br />

Strahlenschutzkommission SSK (D) ..........www.ssk.de<br />

Eidgenössische Kommission für ................www.hsk.psi.ch/<br />

Strahlenschutz (CH) eks.html<br />

International Commission on ....................www.icrp.org/<br />

Radiological Protection<br />

Forschungszentren und -institute<br />

GRS Gesellschaft für Anlagen und ............www.grs.de<br />

Reaktorsicherheit mbH<br />

GSF-Forschungszentrum für Umwelt ........www.gsf.de<br />

und Gesundheit Neuherberg (D)<br />

Forschungszentrum Karlsruhe (D)..............www.fzk.de/hs/<br />

Hahn-Meitner-Institut (D)............................www.hmi.de/strahlenschutz/<br />

Paul Scherrer Institut (CH)..........................www.psi.ch/<br />

www_ash_hn/<br />

ash_home.html<br />

141


Forschungszentrum Seibersdorf (A) ..........www.arcs.ac.at/<br />

fzs/bereiche/<br />

_l/radi_d.html<br />

Radiation Effects Research Foundation ....www.rerf.or.jp/eigo/<br />

(J + USA) experhp/<br />

rerfhome.htm<br />

Viele weitere interessante Internetadressen finden sich auf der<br />

Homepage der GRS (www.grs.de) unter: Interessantes, „Links<br />

zu www-Adressen“<br />

7. Literatur<br />

1. Bayer, A. [Anleitung,1998]: Landwirtschaft, Umwelt und<br />

Kerntechnik: Was tun im Fall eines Unfalls?, Bundesamt für<br />

Strahlenschutz, Fachbereich Strahlenhygiene, Institut für<br />

Strahlenhygiene, Neuherberg: ISH-IB-8, September 1998<br />

2. Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik<br />

[Handbuch 1999]: Handbuch für Regionale Strahlenschutzzentren,<br />

Köln: Institut für Strahlenschutz, 1999<br />

3. Bundesamt für Zivilschutz [Empfehlungen,1998]: Empfehlungen<br />

für die Betreuungseinheit bei der Dekontamination<br />

von Personen. Merkblatt der Akademie für Notfallplanung<br />

und Zivilschutz, Bundesamt für Zivilschutz. Bad Neuenahr-<br />

Ahrweiler: Bundesamt für Zivilschutz, 1998<br />

4. Court, L. A.; Lallemand, J. [Bericht,1995]: L’accident radiologique,<br />

L’homme blessé, Grenoble (France): 10–12 avril<br />

1995<br />

5. Feuerwehr-Dienstvorschrift 9/1 [Dienstvorschrift, 1992]:<br />

Strahlenschutz – Rahmenvorschriften – FwDV 9/1, 1992<br />

6. Grunst, M. [Leitfaden, 1995]: Leitfaden für den Fachberater<br />

Strahlenschutz der Katastrophenschutzleitung bei kerntechnischen<br />

Notfällen. Im Anh.: Radiologische Grundlagen für<br />

Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung<br />

bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden<br />

[u.a.]. 2. Überarb. Aufl. (Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission,<br />

Bd. 13), G. Fischer, Stuttgart, Jena, New<br />

York, 1995, ISBN 3-437-11639-8<br />

7. Grunst, M. [SSK, 1994]: Strahlenschutzüberlegungen zum<br />

Messen und Bergen von radioaktiven Satellitenbruchstücken,<br />

(Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission,<br />

Band 26), Gustav Fischer, Stuttgart, Jena, New York,<br />

1994, ISBN 3-437-11629-0<br />

142


8. Gumprecht, D.; Hähnel, S. [SSK ,1996]: Der Strahlenunfall,<br />

(Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band<br />

32), Gustav Fischer, Stuttgart, Jena, Lübeck, Ulm, 1996,<br />

ISBN-3-437-25208-9<br />

9. IAEA [Document 1996]: Assessment and treatment of external<br />

and internal radionuclide<br />

contamination, Viena: IAEA-TECDOC-869, April 1996<br />

10. IAEA [Document 1988]: Medical Handling of Accidentally<br />

exposed individuals, Vienna:<br />

International Atomic Energy Agency, 1988<br />

11. International Institute for Scientific Co-operation Schloss<br />

Reisensburg [Reisensburg meeting, 1996]: Medical Aspects of<br />

Radiation Accident management, Günzburg: 26 February –<br />

March 1996<br />

12. Mettler, F. A.; Upton, A. C. [Radiation-medicine, 1995]:<br />

Medical Effects of Ionizing Radiation, Philadelphia, London,Toronto,<br />

1995, ISBN 0-7216-6646-9<br />

13. Oehler, H.; Schulz, N. [Anleitung, 1999]: Rettungsdienst in<br />

Bayern, Muenchen: Kohlhammer, Januar 1999<br />

14. Reinöhl-Kompa, S. [Veröffentlichung, 1994]: Medizinische<br />

Maßnahmen bei Strahlenunfällen, (Veröffentlichungen der<br />

Strahlenschutzkommission, Band 27), G. Fischer, Stuttgart,<br />

Jena, New York, 1994, ISBN 3-437-11633-9<br />

15. Strahlenschutzkommission beim Bundesministerium für<br />

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Durchführung<br />

der Jodblockade der Schilddrüse bei kerntechnischen Unfällen.<br />

Stellungnahme der Strahlenschutzkommission. Verabschiedet<br />

in der 140. Sitzung am 17.11.1997, veröffentlicht<br />

in Band 41 der Veröffentlichungen der SSK.<br />

16. Strahlenschutzkommission (SSK): Fachgespräch zur Jodblockade<br />

der Schilddrüse bei kerntechnischen Unfällen.<br />

13./14. Dezember 2001 (175. Sitzung)<br />

143


12. Management von Gefahrgutunfällen<br />

und Massenvergiftungen<br />

Th. Zilker, N. Felgenhauer, R. Spörri<br />

1. Charakterisierung von Gefahrstoffunfällen<br />

Gemäß einer Definition von der WHO handelt es sich bei einem<br />

Gefahrstoffunfall um ein Unfallereignis, bei dem durch das Freiwerden<br />

einer oder mehrerer toxischer Substanzen eine Gefahr<br />

für Mensch und/oder Umwelt entsteht.<br />

Im Vergleich zu anderen Großschadensereignissen zeigen<br />

Gefahrstoffunfälle einige Besonderheiten. Werden gefährliche<br />

Chemikalien freigesetzt, so können sich diese rasch ausbreiten<br />

und schnell zu einem Massenanfall von exponierten und vergifteten<br />

Personen führen. Charakteristischerweise bildet sich um<br />

das Unfallgeschehen eine toxische Gefahrenzone aus, die nur<br />

mit bestimmten Schutzmaßnahmen begangen werden darf, so<br />

dass die Handlungsfähigkeit der Rettungskräfte dadurch wesentlich<br />

eingeschränkt wird. Erschwerend kommt hinzu, dass<br />

bei manchen Chemieunfällen die Identität des Gefahrstoffes zunächst<br />

unbekannt ist. Dies gilt für Anlagenunfälle mit der Freisetzung<br />

von unbekannten Stoffen oder komplexen Stoffgemischen,<br />

für außer Kontrolle geratene chemische Reaktionen,<br />

für Lagerbrände mit komplexem bzw. unbekanntem Lagergut,<br />

für Transportunfälle mit unbekanntem oder ungenügend gekennzeichnetem<br />

Gefahrgut oder für Transportunfälle mit Chemikalien-Mischladungen.<br />

Selbst bei bekanntem Gefahrstoff ist die<br />

Giftwirkung nicht immer sofort bekannt und kann mitunter erst<br />

mit einer gewissen Verzögerung eruiert werden. In manchen<br />

Fällen wie z.B bei den Reizgasen vom Latenztyp kann die<br />

Giftwirkung zunächst auch fehlen. Dies führt häufig zu diagnostischen<br />

Schwierigkeiten, zumal auch das tatsächliche Ausmaß<br />

der Giftexposition häufig nur schwer abzuschätzen ist. Schließlich<br />

müssen für die nicht unmittelbar exponierten Personen am<br />

Rande der toxischen Gefahrenzone das gesundheitliche Risiko<br />

abgeschätzt und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen<br />

werden.<br />

Eine Auswertung von 1200 Berichten aus den Jahren 1920 bis<br />

1988 über Schadensereignisse im Bereich der Chemischen<br />

Industrie ergab, dass die Explosion mit 46% die weitaus häufigste<br />

Unfallart darstellte. Eine Leckage wurde in 34% und Brände wurden<br />

in 13% beobachtet. Bei den freigesetzten Substanzen handel-<br />

144


te es sich in 54% der Gefahrstoffunfälle um Gase, in 16% um<br />

Feststoffe und in 12% um Lösemittel. Tabelle 1 zeigt die Stoffe<br />

bzw. Stoffgruppen, die bei den oben erwähnten Schadensereignissen<br />

am häufigsten beteiligt waren. An erster Stelle stehen<br />

hierbei die Flüssiggase; dies ist eine Sammelbezeichnung für<br />

Gase, die schon bei geringem Druck und bei Raumtemperatur in<br />

den flüssigen Zustand übergeführt werden können, und deren<br />

häufigste Vertreter Propan und Butan sind. Nach den Flüssiggasen<br />

liegt das Chlor an zweiter Stelle der am häufigsten an Unfällen<br />

beteiligten Stoffe.<br />

Tabelle 1: Anteil der Stoffe bei Gefahrstoffunfällen<br />

Stoff / Stoffgruppe Anteil<br />

Flüssiggas 14%<br />

Chlor 12%<br />

Mineralöle 9%<br />

Erdgas, Methan 8%<br />

Benzine 7%<br />

Ammoniak 4%<br />

Vinylchlorid 4%<br />

Chlorwasserstoff 3%<br />

Wasserstoff 3%<br />

Schwefelsäure 2%<br />

Andere Stoffe 34%<br />

2. Identifikation des Gefahrstoffes<br />

Von entscheidender Bedeutung für das praktische Vorgehen<br />

beim Management von Gefahrstoffunfällen ist die Frage, inwieweit<br />

die frei gewordenen Gefahrstoffe ein gesundheitliches<br />

Risiko darstellen. Voraussetzung für diese Risikobeurteilung ist<br />

zunächst, dass die Identität der freigewordenen Stoffe geklärt<br />

wird. Da diese in 20-25% der Unfallereignisse zunächst unklar<br />

ist, sind bei Gefahrstoffunfällen bestimmte Maßnahmen zur<br />

Identifikation der Gefahrstoffe unerlässlich.<br />

Erste Informationen über die frei gewordenen Stoffe erhält man<br />

in der Regel vom Anlagenbetreiber oder über die in Transportfahrzeugen<br />

mitzuführenden Unfallmerkblätter.<br />

Bei Gefahrguttransporten erhält man weitere Hinweise auch<br />

über die gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung der Transportmittel.<br />

Diese müssen durch orangefarbene Warntafeln an<br />

Front- und Rückseite korrekt gekennzeichnet sein. Bei Mehr-<br />

145


kammertransporten mit verschiedener Ladung tragen die orangefarbenen<br />

Hinweistafeln an Front- und Rückseite keine Kennzeichnungen,<br />

der Inhalt der einzelnen Kammern ist in diesem<br />

Fall durch Warntafeln an der Seite beschrieben. Zur Kennzeichnung<br />

enthalten die orangefarbenen Warntafeln zwei übereinander<br />

angeordnete Zahlen. Die obere Zahl der Warntafel wird als<br />

sogenannte Kemler-Zahl bezeichnet, die die Hauptgefahren der<br />

Gefahrstoffe beschreibt (Tabelle 2). Die Kennzeichnung mit<br />

Kemler-Zahlen wird als mindestens zweistellige Kombination<br />

vorgenommen. Die untere Zeile der Warntafel trägt die sogenannte<br />

UN-Nummer (= United Nations–Nummer), die das<br />

Gefahrgut identifiziert. Die UN-Nummern sind in entsprechenden<br />

Verzeichnissen aufgelistet. Feuerwehren, Leitstellen und<br />

Giftinformationszentralen verfügen über die jeweils aktuellen<br />

Verzeichnisse.<br />

Tabelle 2: Kemler-Zahlen<br />

2 = Gas entweicht<br />

3 = entzündliche Gase und Flüssigkeiten<br />

4 = entzündliche Feststoffe<br />

5 = brandfördernd<br />

6 = giftig<br />

7 = radioaktiv<br />

8 = ätzend<br />

9= heftige spontane Reaktion<br />

X = gefährliche Reaktion mit Wasser<br />

0 = keine sonstige Gefahr<br />

Gefährliche Arbeitsstoffe sind außerdem durch Gefahrensymbole<br />

gekennzeichnet. Diese Symbole geben darüber Auskunft,<br />

ob der betreffende Stoff giftig, ätzend, gesundheitschädlich,<br />

reizend, explosionsgefährlich, brandfördernd oder leicht<br />

entzündlich ist (Abb. 1).<br />

Bei Brandereignissen sind bei bekanntem Brandgut häufig<br />

Rückschlüsse auf die entstehenden Brandgase möglich. Im Allgemeinen<br />

handelt es sich bei den Brandgasen um ein heterogenes<br />

Substanzgemisch, dessen Zusammensetzung von dem<br />

brennenden Material, von der Temperatur und von der Sauerstoffzufuhr<br />

abhängig ist. Bei normalen Bränden ist insbesondere mit<br />

den 4 Leitstoffen Kohlenmonoxid, Blausäure, Chlorwasserstoff<br />

und Formaldehyd zu rechnen. Bei speziellen Brandereignissen<br />

können in Abhängigkeit vom brennenden Material z.B. auch<br />

Nitrose Gase, Schwefeldioxid, Acrolein, Phosgen, Ammoniak<br />

oder Fluorwasserstoff entstehen (Tabelle 3).<br />

146


Abb.:1: Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen<br />

E<br />

Explosionsgefährlich<br />

F +<br />

Hochentzündlich<br />

T +<br />

Sehr giftig<br />

C<br />

Ätzend<br />

O<br />

Brandfördernd<br />

F<br />

Leicht entzündlich<br />

T<br />

Giftig<br />

X i<br />

Reizend<br />

Xn<br />

Gesundheitsschädlich<br />

N<br />

Umweltgefährlich<br />

147


Tabelle 3: Toxisch relevante Brandprodukte<br />

Brandprodukte Brandgut<br />

Kohlenmonoxid bei jedem Brandgut<br />

Cyanwasserstoff Wolle, Seide, Polyacrylnitril<br />

Chlorwasserstoff Polyvinylchlorid (PVC)<br />

Formaldehyd Zellulose, Papier,<br />

Nitrose Gase Nitrocellulose, Polyamide<br />

Schwefeldioxid Natur- und Kunstfasern<br />

Acrolein Fette, Öle, Baumwolle<br />

Isocyanate Polyurethanschaum<br />

Ammoniak Kunstharze, Wolle, Seide, Polyamide<br />

Phosgen Chlorierte Kohlenwasserstoffe<br />

Fluorwasserstoff Teflon<br />

2.1 Fachberatersysteme zur Identifikation des Gefahrstoffes<br />

– Giftinformationszentren (siehe Anhang IV)<br />

– Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystem der<br />

Chemischen Industrie (TUIS) (Tel: 0621-6043333)<br />

– Beratungssystem MEDITOX der Deutschen Rettungsflugwacht<br />

e.V. (DRF) (Tel.: 0711-701070)<br />

2.2 Analysemöglichkeiten bei unbekannten Gefahrstoffen<br />

(siehe auch Anhang III)<br />

– Standardanalytik (flächendeckend bei Feuerwehren verfügbar):<br />

Prüfröhrchen (Standard-Ausrüstung der Feuerwehren)<br />

Simultantest-Sets (parallel angeordnete Prüfröhrchen)<br />

In beschränktem Umfang sind zusätzlich Halbleitersensoren<br />

(HL), Photoionisationsdetektoren (PID) und Elektrochemische<br />

Zellen (ECZ) vorhanden. Über das in Auslieferung befindliche<br />

ABC-Erkundungsfahrzeug des Bundes werden Ionen-Mobilitätsspektrometer<br />

(IMS) und Photoionisationsdetektoren (PID)<br />

für ausgewählte Feuerwehren verfügbar.<br />

– Präzisionsanalytik (regional verfügbar, transportabel): Gaschromatographie-Massenspektroskopie-Analysatoren(GC/MS-Einheit).<br />

Verfügbar bei den Berufsfeuerwehren (BF) Hamburg, Frankfurt,<br />

Mannheim sowie beim Institut der Feuerwehr Sachsen-Anhalt.<br />

Einsatz bei Bränden, bei denen kritische Substanzen betroffen<br />

sind, wie z.B. halogenierte Verbindungen (polychlorierte Biphenyle),<br />

Holzschutzmittel, Pflanzenschutzmittel und Vorratschutzmittel.<br />

148


BF Hamburg: 040-42851-4965 (Lufttransport möglich)<br />

BF Frankfurt/Main 069-21272170<br />

BF Mannheim 0621-81081 (Lufttransport möglich)<br />

IdF Sachsen-Anhalt 0171-4466007<br />

Der Asservierung toxisch relevanter Proben kommt eine besondere<br />

Bedeutung zu. Die dann zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommenen<br />

Messungen haben dann zwar keinen Einfluss<br />

mehr auf das Akutmanagement eines Gefahrstoffunfalls, sie<br />

sind jedoch zur Beurteilung eventuell zu erwartender Langzeitschäden<br />

von großer Bedeutung.<br />

3. Beurteilung der Gefahrstoffexposition<br />

Für die Risikobeurteilung beim Management von Gefahrstoffunfällen<br />

spielt die rasche Identifikation des Gefahrstoffes sicherlich<br />

die entscheidende Rolle. Darüber hinaus ist für eine Abschätzung<br />

der gesundheitlichen Gefährdung aber auch die<br />

Beurteilung der Gefahrstoffexposition von großer Bedeutung.<br />

Hierbei geht es zunächst um die Frage, ob Personen dem Gefahrstoff<br />

überhaupt exponiert waren bzw. wie groß die Anzahl<br />

der möglicherweise exponierten Personen ist. In der Regel ist<br />

bei Gefahrstoffunfällen zunächst immer von einem Massenanfall<br />

von exponierten Personen auszugehen. Dabei ist die Anzahl der<br />

exponierten Personen auch abhängig von der Reichweite der<br />

toxischen Gefahrenzone, deren Bestimmung zu den wesentlichen<br />

Grundprinzipien des Managements von Gefahrstoffunfällen<br />

gehört. Bei der Festlegung der toxischen Gefahrenzone ist<br />

immer zu berücksichtigen, dass deren Reichweite nicht nur von<br />

der Gefahrstoffemission, sondern auch von der Wetterlage und<br />

hier insbesondere von Windrichtung und Windgeschwindigkeit<br />

abhängig ist.<br />

Des Weiteren gilt es zu klären, wie lange die Personen dem<br />

Gefahrstoff exponiert waren, zumal die Gesundheitsgefährdung<br />

eine Funktion von Konzentration und Zeit der Gefahrstoffexposition<br />

ist.<br />

Zur Beurteilung der Gefahrstoffexposition gehört auch die<br />

Frage, in welcher Art und Weise der Gefahrstoff aufgenommen<br />

worden sein kann. Bei Gefahrstoffunfällen spielt die inhalatorische<br />

Giftaufnahme sicherlich die weitaus größte Rolle. Die<br />

Giftstoffe können dabei als Gase, Dämpfe, Aerosole oder bei<br />

Brandrauch auch rußpartikelgebunden aufgenommen werden.<br />

Eine Giftaufnahme über Haut, Augen oder Intestinaltrakt ist<br />

149


ebenfalls möglich, kommt bei Gefahrstoffunfällen jedoch weit<br />

seltener vor. Orale Massenvergiftungen wären z.B. über kontaminiertes<br />

Trinkwasser möglich. In der Mehrzahl der Gefahrstoffunfälle<br />

dürfte eine kombinierte Giftexposition über Atemwege,<br />

Haut und Augen vorliegen.<br />

Für die Interpretation dieser Exposition ist es schließlich auch<br />

wichtig zu wissen, zu welchen Auswirkungen die Gefahrstoffexposition<br />

führen kann. Insbesondere muss festgestellt werden,<br />

ob die Gefahrstoffexposition nur eine Geruchsbelästigung darstellt,<br />

oder ob darüber hinaus auch mit einer Gesundheitsgefährdung<br />

zu rechnen ist. Im Falle einer Reizgasexposition ist mit einer<br />

Reizung der Atemwege zu rechnen, wobei für die Abschätzung<br />

der Gesundheitsgefährdung auch zu berücksichtigen ist, dass die<br />

individuelle Empfindlichkeit recht unterschiedlich sein kann. So<br />

können Personen mit einem Asthma bronchiale oder einer chronisch<br />

obstruktiven Lungenerkrankung bereits bei viel niedrigeren<br />

Giftkonzentrationen symptomatisch werden als dies bei gesunden<br />

Personen der Fall ist. Gut resorbierbare Gifte können systemisch<br />

wirken und z.B. zu einer zentralnervösen Beeinträchtigung führen.<br />

Werden bei einem Gefahrstoffunfall Säuren oder Laugen frei, so<br />

können neben einer Reizung der Atemwege auch Verätzungen an<br />

Haut und an Augen auftreten.<br />

Unabhängig von der Giftwirkung muss bei der Beurteilung der<br />

Gefahrstoffexposition immer auch daran gedacht werden, dass<br />

ein Großteil der Gefahrstoffe nicht nur giftig, sondern auch explosionsfähig<br />

ist, und dass bei allen Rettungsmaßnahmen ein<br />

Funkenschlag unbedingt vermieden werden muss.<br />

4. Medizinische Erstbehandlungsmaßnahmen<br />

In Abhängigkeit vom Unfallereignis sind bestimmte Schutzvorkehrungen<br />

zu treffen, damit das Einsatzpersonal bei seinen<br />

Arbeiten ausreichend geschützt und ein direkter Kontakt mit<br />

dem Gefahrstoff vermieden wird. So kann bei Chemieunfällen<br />

z.B. das Tragen von speziellen Chemikalienschutzanzügen erforderlich<br />

sein, bzw. im Rahmen der Brandbekämpfung kann<br />

der Einsatz von umluftunabhängigen Atemschutzgeräten notwendig<br />

sein. Unzureichend ausgestattetes Personal darf daher<br />

im Gefahrenbereich nicht eingesetzt werden.<br />

Es gehört zum Management von Gefahrstoffunfällen, dass<br />

alle exponierten Personen rasch den notwendigen medizinischen<br />

Erstbehandlungsmaßnahmen zugeführt werden. Hierzu<br />

gehören in laufender Reihenfolge das Entfernen aus dem<br />

150


Gefahrenbereich, das Stabilisieren der Vitalfunktionen, die<br />

Frühdekontamination, die Antidottherapie, der Transport und<br />

die Asservierung.<br />

4.1. Entfernen aus dem Gefahrenbereich<br />

An erster Stelle der Sofortbehandlungsmaßnahmen steht immer<br />

das Entfernen exponierter Personen aus dem toxischen<br />

Gefahrenbereich, wobei zu beachten ist, dass dieser Bereich<br />

nur mit entsprechenden Schutzvorkehrungen betreten werden<br />

darf. Es gibt allerdings auch Situationen, in denen ein sofortiges<br />

Evakuieren nicht unbedingt sinnvoll ist. Erstreckt sich die toxische<br />

Gefahrenzone z.B. über ein Wohngebiet, so empfiehlt es<br />

sich, die betroffenen Personen zunächst in den Häusern in<br />

Sicherheit zu bringen, Türen und Fenster zu schließen sowie<br />

Klima-und Lüftungsanlagen auszuschalten. Auf diese Weise<br />

sind die betroffenen Personen zunächst meist besser geschützt,<br />

als dies bei einem überstürzten, eventuell ungeschützten Evakuieren<br />

durch den toxischen Gefahrenbereich der Fall wäre. Zu<br />

einem späteren Zeitpunkt können die betroffenen Personen<br />

dann unter geordneten und entsprechend geschützten Bedingungen<br />

mit weitaus geringerem Risiko evakuiert werden. Die<br />

Durchführung aller Rettungsmaßnahmen obliegt der technischen<br />

Einsatzleitung. Der Arbeitsbereich der medizinischen<br />

Einsatzkräfte liegt immer außerhalb der toxischen Gefahrenzone.<br />

4.2 Stabilisieren der Vitalparameter<br />

Nach der Rettung aus dem Gefahrenbereich kommen die exponierten<br />

Personen zunächst in den vorher dafür eingerichteten<br />

Behandlungsraum, der sich immer luvseitig der toxischen Gefahrenzone<br />

befinden sollte. Hier findet zunächst die Erstuntersuchung<br />

der exponierten Personen statt mit dem Ziel, eine<br />

eventuelle Akutbedrohung der Vitalfunktionen schnell zu erfassen<br />

und mit den erforderlichen ärztlichen Sofortmaßnahmen<br />

auch behandeln zu können. Absolute Priorität bei allen ärztlichen<br />

Behandlungsmaßnahmen hat die Stabilisierung der<br />

Vitalparameter, d.h. die Sicherung einer ausreichenden Atmungs-<br />

und Kreislauffunktion.<br />

4.3 Erste Dekontamination<br />

Im Anschluss daran werden die notwendigen Maßnahmen der<br />

Dekontamination durchgeführt. Hierzu wird bei den exponierten<br />

Personen die kontaminierte Kleidung entfernt und in speziellen<br />

Schutzbehältern asserviert. Die kontaminierte Haut wird mit<br />

Wasser und Seife gereinigt. Augenverätzungen werden einer<br />

sofortigen Spültherapie mit Wasser oder besser noch mit<br />

151


Ringerlaktatlösung unterzogen. Bei all diesen Maßnahmen ist<br />

darauf zu achten, dass die bei dieser Prozedur beteiligten Einsatzkräfte<br />

mit der entsprechen Schutzausrüstung ausgestattet<br />

sind, um eine sekundäre Kontamination des Personals zu vermeiden.<br />

Zur Durchführung der Dekontamination stehen bei ausgewählten<br />

Feuerwehren Einsatzfahrzeuge „Dekontamination<br />

Personen“ zur Verfügung.<br />

4.4 Antidottherapie und symptomatische Maßnahmen<br />

Nach Beendigung der ersten Dekontamination werden die betroffenen<br />

Personen in Decken gehüllt und in den angrenzenden<br />

Behandlungsabschnitt ausgeschleust. Dort findet dann die weitere<br />

symptomatische und spezifische Therapie statt. Während sich<br />

die symptomatische Therapie an den jeweiligen Beschwerden<br />

der Patienten orientiert, wird die spezifische Therapie mit den<br />

entsprechenden Antidoten durchgeführt. Zur Standardausrüstung<br />

für das Management von Gefahrstoffunfällen gehören die<br />

Antidote Atropin, 4-DMAP, Natriumthiosulfat, Hydroxocobalamin,<br />

Sauerstoff, Glucocorticoide als Dosieraerosol und Toluidinblau.<br />

Atropin ist das Antidot zur Behandlung von Vergiftungen mit<br />

Alkylphosphaten, wozu z. B. auch die Kampfstoffe Tabun, Sarin,<br />

Soman und VX gehören. 4-DMAP und Natriumthiosulfat werden<br />

zur Behandlung der Cyanidvergiftung eingesetzt. Kommt es im<br />

Rahmen einer Brandrauchexposition zu einer Mischvergiftung mit<br />

einem hohen Cyanidanteil, so darf 4-DMAP allerdings nicht verabreicht<br />

werden, da dieses zusammen mit dem im Brandrauch<br />

befindlichen Kohlenmonoxid die Sauerstofftransportkapazität<br />

weiter verschlechtern würde. Für diese Fälle ist zur Behandlung<br />

der Cyanidvergiftung das Hydroxocobalamin vorgesehen. Die<br />

Antidottherapie der Kohlenmonoxidvergiftung besteht in der<br />

Gabe von Sauerstoff, entweder als Sauerstoffinsufflation über<br />

eine Sonde oder mittels endotrachealer Intubation und kontrollierter<br />

Beatmung mit 100% Sauerstoff. Ein Glucocorticoid<br />

Dosieraerosol wird zur Behandlung einer Vergiftung mit einem<br />

Reizgas vom Latenztyp (z.B. Nitrose Gase), benötigt. Toluidinblau<br />

schließlich ist das Antidot zur Reduktionsbehandlung von<br />

Vergiftungen mit methämoglobinbildenden Substanzen wie z.B.<br />

Anilin oder Nitriten. Die oben erwähnten Antidote werden in manchen<br />

Bundesländern für den Massenanfall vorgehalten (Telefonnummern<br />

und Adressen siehe Anhang I). Nach Apothekenbetriebsordnung<br />

sind sämtliche Apotheken gehalten, Antidote zu<br />

bevorraten (siehe Anhang II).<br />

152


In Bayern werden folgende Antidote für Massenvergiftungen<br />

vorgehalten (Tabelle 4)<br />

Tabelle 4: Antidotdepot für Massenvergiftungen<br />

Atropin 1% 40 Amp.<br />

Auxiloson DA ® 200 Stück<br />

4-DMAP 200 Amp.<br />

Natriumthiosulfat 10% 30 Inf.-Fl.<br />

Primatene Mist ® 200 Pack.<br />

Toluidinblau 100 Amp.<br />

Toxogonin ® 200 Amp.<br />

Eine Empfehlung für die Toxikologische Notfallausrüstung im<br />

Individualfall, wie sie von den Notärzten in München vorgehalten<br />

wird, findet sich im Anhang (Anhang IV)<br />

5. Transport<br />

Nach der Versorgung mit den entsprechenden symptomatischen<br />

und spezifischen Maßnahmen wird der Patient zur weiteren<br />

stationären Behandlung in ein Krankenhaus transportiert.<br />

Die Organisation des Transports erfolgt hierbei in enger Kooperation<br />

zwischen dem Leitenden Notarzt und dem Einsatzleiter<br />

Rettungsdienst. Der Leitende Notarzt bestimmt die Transportdringlichkeit<br />

des Patienten, der Einsatzleiter Rettungsdienst<br />

hingegen ist für die Bereitstellung der erforderlichen<br />

Transportmittel sowie für die Bestimmung der Transportziele<br />

zuständig.<br />

6. Asservierung<br />

Zu guter Letzt gehört auch die Asservierung zu den Erstbehandlungsmaßnahmen<br />

bei Gefahrstoffunfällen. Hierbei sollte geeignetes<br />

Material unter Vermeidung weiterer Kontamination zum<br />

Giftnachweis sichergestellt werden. Bei Gefahrstoffunfällen<br />

kommen hierbei in erster Linie Chemikalienreste, Brandrauch,<br />

Luftproben, Löschwasser, Bodenproben und kontaminierte<br />

Kleidung in Frage. Wichtig ist hierbei, dass das asservierte<br />

Material in geeigneten Behältern aufbewahrt wird, um ein<br />

Austreten der Gefahrstoffe und damit eine sekundäre Kontamination<br />

der Umgebung zu vermeiden. Eine quantitative<br />

Untersuchung dieser Asservate ist immer anzustreben, da deren<br />

Analyseergebnisse für die Beurteilung eventueller Spätschäden<br />

153


nicht nur eine medizinische, sondern auch eine rechtliche und<br />

versicherungstechnische Bedeutung haben.<br />

7. Sichtung bei Massenvergiftungen<br />

Eine internationale Einteilung in Dringlichkeitskategorien bei<br />

Massenvergiftungen ist bisher nicht erarbeitet worden. Es<br />

existiert ein sogenannter Poison Severity Score (PSS) [siehe<br />

S. 175 ff sowie S. 274 ff]. Diese Schweregradeinteilung dient<br />

vorwiegend den Giftinformationszentren zur Beurteilung bei<br />

Vergiftungen im Individualfall. (PSS siehe im Anhang VI). Für<br />

den Massenanfall von Vergiftungen werden von uns folgende<br />

Dringlichkeitskategorien in Anlehnung an die üblichen Sichtungskategorien<br />

vorgeschlagen:<br />

Kategorie Dringlichkeit Vergiftung Transportpriorität<br />

der Behandlung<br />

I Erste Dringlichkeit: Bewusstlosigkeit zunächst nicht<br />

Lebensrettende GCS 5 transportfähig nach<br />

Soformaßnahmen Störung der Stabilisierung jedoch<br />

Atmung Transportpriorität I<br />

Cyanose (nicht bei<br />

CO oder HCN)<br />

Kreislaufinsuffizienz<br />

II Zweite Dringlichkeit: Bewusstlosigkeit Transportpriorität I<br />

Versorgung aus GCS 5-10 nach ärztlichen<br />

vitaler Indikation Störung der Sofortmaßnahmen<br />

oder zur Vermeidung Atmung ohne<br />

bleibender Schäden Cyanose, starker<br />

innerhalb 1 Stunden- Husten<br />

grenze nach<br />

Entfernung aus<br />

Giftatmosphäre<br />

III Leichtverletzte Bewusstseinsein- Spättransport<br />

schränkung GCS 10,<br />

Reizerscheinungen an<br />

Haut und Augen,<br />

leichter Husten<br />

IV Abwartende Nicht durch Antidot<br />

Behandlung oder einfache<br />

Soformaßnahmen<br />

behebbarer<br />

Kreislaufstillstand<br />

V Mit Verzögerung Lungenfunktions- nach Antidottherapie<br />

auftretende Schäden störungen vom 24 Std. unter<br />

Latenztyp Beobachtung lassen<br />

154


8. Präventive Maßnahmen<br />

Neben Planung, Risikobeurteilung, technischer Gefahrenabwehr<br />

und medizinischer Erstversorgung gehören schließlich auch Maßnahmen<br />

der Prävention zum Management von Gefahrstoffunfällen.<br />

Ziel der präventiven Maßnahmen ist es, Personen am Rande des<br />

Gefahrenbereichs vor einer gesundheitsschädigenden Exposition<br />

mit dem Gefahrstoff zu schützen. Vordringlichste Maßnahme in dieser<br />

Hinsicht ist die rechtzeitige Absperrung der Gefahrenzone.<br />

Mögliche weitere Schutzmaßnahmen sind die Evakuierung gefährdeter<br />

Personen, das Schließen von Türen und Fenstern sowie das<br />

Abschalten von Lüftungs-und Klimaanlagen in den betroffenen und<br />

angrenzenden Gebäuden und das Einrichten von geeigneten<br />

Kontrollmesspunkten.<br />

Am Ende eines Einsatzes sollten dann alle Beteiligten noch einmal<br />

über das stattgehabte Unfallereignis sowie über weitere,<br />

eventuell noch zu ergreifende Verhaltensmaßnahmen unterrichtet<br />

werden. Schließlich sollte die Öffentlichkeit über die Medien<br />

ausführlich über das Unfallereignis informiert werden.<br />

9. Spezielle Vergiftungen 1,3,4,5,6,8<br />

9.1 Kohlenmonoxid (CO)<br />

Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK): 30 ppm<br />

Einsatztoleranzwert (ETW)*: 200 ppm<br />

Bei jedem Brandereignis muss mit der Bildung von Kohlenmonoxid<br />

gerechnet werden. Kohlenmonoxid entsteht hauptsächlich bei<br />

Verbrennungsprozessen unter ungenügender Sauerstoffzufuhr.<br />

Hauptursachen für schwere CO-Vergiftungen sind Autoabgase in<br />

schlecht belüfteten Garagen, schlecht ziehende Öfen, Durchlauferhitzer<br />

in nicht belüfteten Badezimmern und Schwelbrände in<br />

geschlossenen Räumen. Die wesentliche toxische Wirkung des<br />

CO beruht auf einer Bindung des CO an das 2-wertige Eisen des<br />

Hämoglobins, wobei das entstehende Kohlenmonoxid-Hämoglobin<br />

(COHb) für den Sauerstofftransport ausfällt. Eine Kohlenmonoxidkonzentration<br />

von 100 ppm = 0,01% führt zu einem<br />

COHb von ca.12%. Schwere akute Vergiftungen benötigen eine<br />

CO-Konzentration von 2000 ppm. Schwere subakute Vergiftungen<br />

werden bei einer CO-Konzentration von 500–2000 ppm<br />

beobachtet.<br />

Symptome:<br />

Die Vergiftungssymptome sind von der COHb-Konzentration<br />

abhängig.<br />

155


COHb 30%: Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit<br />

COHb 30-40%: Müdigkeit, Verwirrtheit<br />

COHb 40-60%: Bewusstlosigkeit, Hypotonie<br />

COHb 60%: rascher Tod durch Hypoxie<br />

Therapie:<br />

Entfernen aus dem toxischen Gefahrenbereich (Atemschutz).<br />

Antidottherapie mit Sauerstoff: bei leichten Vergiftungen Insufflation<br />

von Sauerstoff über eine Nasensonde, bei schweren<br />

Vergiftungen Intubation und Beatmung mit einem FiO 2 von 1,0.<br />

In Ausnahmefällen besteht bei der schweren CO-Vergiftung<br />

auch die Möglichkeit zur hyperbaren Sauerstofftherapie. Dieses<br />

Therapieverfahren ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn es auch<br />

frühzeitig zum Einsatz kommt. Längere Transportzeiten bis zur<br />

nächsten Druckkammer sind sinnlos. Bei der Überwachung des<br />

Patienten ist zu berücksichtigen, dass man sich auf die Pulsoxymetrie<br />

nicht verlassen darf, da diese fälschlicherweise eine<br />

zu hohe periphere Sauerstoffsättigung anzeigt.<br />

* Die Einsatztoleranzwerte (ETW) markieren für einzelne Stoffe<br />

diejenige Konzentration, unterhalb der bei einer 4-stündigen<br />

Exposition keine gesundheitliche Gefährdung, weder bei den<br />

Einsatzkräften noch bei der Bevölkerung, zu erwarten ist.<br />

9.2 Cyanwasserstoff (HCN)<br />

Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK): 10 ppm<br />

Einsatztoleranzwert (ETW): 15 ppm<br />

Cyanwasserstoff ist ein wichtiger Grundstoff in der chemischen<br />

Industrie mit einer weltweiten Jahresproduktion von 1,55 Mio.<br />

Tonnen. Hauptursache von HCN-Vergiftungen im Rahmen von<br />

Gefahrstoffunfällen sind Störfälle bei der Blausäureproduktion<br />

sowie Unfälle in Galvanisier- und Stahlhärtungsbetrieben. Das<br />

Ausgasen von Nitrilen kann ebenfalls zu HCN-Intoxikationen<br />

führen, wobei die HCN-Freisetzung bei den aliphatischen Nitrilen<br />

mit der Kettenlänge des aliphatischen Restes deutlich zunimmt.<br />

Eine große Bedeutung hat die HCN-Entwicklung im Brandrauch<br />

bei der Verbrennung und Verschwelung von stickstoffhaltigen<br />

Verbindungen. Bei der Verbrennung von Acrylfasern, polyacrylnitrilhaltigen<br />

Kunststoffen, Kunstharzen, Polyurethanschaum,<br />

Nylon, Seide, Wolle und Insektiziden muss an eine toxisch relevante<br />

HCN-Freisetzung gedacht werden. In der Regel erfolgt die<br />

HCN-Aufnahme bei Gefahrstoffunfällen auf dem inhalatorischen<br />

Weg.<br />

Symptome:<br />

Die klinischen Zeichen einer Cyanidintoxikation sind die Folge<br />

156


einer gestörten intrazellulären Sauerstoffutilisation durch das<br />

Cyanidion und damit Ausdruck einer zellulären Hypoxie. Nach<br />

der Einwirkung von Cyanverbindungen ist der Wirkungseintritt<br />

außerordentlich schnell. Bei Inhalation von Blausäure treten<br />

Symptome innerhalb von Sekunden auf; zum Tod kann es<br />

bereits innerhalb weniger Minuten kommen. Die potenziell letale<br />

Dosis von Blausäure liegt bei 100 ppm über einen Zeitraum von<br />

1 Stunde.<br />

Leichte Vergiftungen:<br />

Atemnot ohne Zyanose, thorakales Engegefühl,<br />

Angstzustände, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit<br />

Schwere Vergiftungen:<br />

Verwirrtheit, Krampfanfälle, Koma,<br />

Atemstillstand, Arrhythmien, Herz-Kreislaufstillstand<br />

Therapie:<br />

Entfernen aus dem toxischen Gefahrenbereich (Atemschutz).<br />

Stabilisieren der Vitalparameter: Beatmung mit 100% O 2, Gabe<br />

von NaHCO 3.<br />

Antidottherapie:<br />

Für die Therapie der leichten HCN-Vergiftung genügt in der<br />

Regel die alleinige Gabe von Natriumthiosulfat in einer Dosierung<br />

von 100 mg/kgKG. Bei der Antidottherapie der schweren<br />

HCN-Vergiftung hat man prinzipiell zu unterscheiden, ob HCN<br />

im Rahmen eines Brandereignisses oder bei einem Unfall ohne<br />

Brandbeteiligung freigesetzt wurde. Bei einer brandrauchbedingten<br />

HCN-Vergiftung erfolgt die Antidottherapie mit<br />

Hydroxocobalamin in einer Dosierung von 50mg/kgKG bzw. 5g<br />

Hydroxocobalamin für den Erwachsenen. Bei einer HCN-<br />

Freisetzung ohne Brandbeteiligung kommt als Antidot 4-DMAP<br />

in einer Dosierung von 3-5 mg/kgKG zur Anwendung, wobei im<br />

Anschluss an die Gabe von 4-DMAP auch noch Natriumthiosulfat<br />

gegeben werden sollte.<br />

9.3 Reizgase<br />

Reizgase entstehen bei Brandereignissen und bei chemischen<br />

Reaktionen oder werden bei Leckagen freigesetzt. In Abhängigkeit<br />

von der Wasserlöslichkeit unterscheiden wir zwischen<br />

Reizgasen vom Sofort-Typ und Reizgasen vom Latenz-Typ. Die<br />

Reizgase vom Sofort-Typ zeigen eine relativ gute Wasserlöslichkeit<br />

und werden deshalb bereits im oberen Respirationstrakt<br />

abgefangen, mit dem Ergebnis einer frühzeitigen Symptomatik<br />

im Bereich der oberen Atemwege. Reizgase vom Latenz-Typ<br />

157


sind weniger gut wasserlöslich und können deshalb bei der<br />

Inspiration auch die tieferen Abschnitte des Respirationstraktes<br />

erreichen. Die Folge ist dann ein mit einer gewissen Verzögerung<br />

einsetzender Entzündungsprozess im Bereich der tieferen<br />

Atemwege.<br />

9.3.1 Reizgase vom Sofort-Typ<br />

Die häufigsten Reizgase vom Sofort-Typ sind HCl, NH 3, Cl 2, SO 2,<br />

HF und Acrolein<br />

Symptome:<br />

Im Bereich der Atemwege führen die Reizgase vom Sofort-Typ<br />

zu Reizhusten, Dyspnoe, Bronchospastik, retrosternalem Druck<br />

und nur bei massiver Exposition kann es zum toxischen Lungenödem<br />

kommen. Am Auge verursachen die Reizgase vom<br />

Sofort-Typ Augenbrennen, Tränenfluss und Konjunktivitis.<br />

Therapie:<br />

Entfernen aus dem Gefahrenbereich, Gabe von Sauerstoff, bei<br />

Atemwegsobstruktion inhalative ß 2-Sympathomimetika, bei<br />

starkem Husten Antitussiva, nur in Ausnahmefällen sind Glucocorticoide<br />

i.v., Intubation und Beatmung erforderlich.<br />

9.3.2 Reizgase vom Latenz-Typ<br />

Die häufigsten Reizgase vom Latenz-Typ sind Nitrose Gase,<br />

Phosgen und Cadmiumoxid<br />

Symptome:<br />

Nach der Inhalation von Reizgasen vom Latenz-Typ kommt es<br />

zunächst nur zu leichten Beschwerden in Form von Reizhusten<br />

und Konjunktivitis, mitunter auch Kopfschmerzen, Schwindel<br />

und Übelkeit. Im Anschluss daran kann sich mit einer Latenz<br />

von 3–24 Stunden jedoch auch ein toxisches Lungenödem entwickeln.<br />

Nur bei massiver Exposition ist bereits frühzeitig mit<br />

einem toxischen Lungenödem zu rechnen.<br />

Therapie:<br />

Entfernen aus dem Gefahrenbereich, Gabe von Sauerstoff,<br />

Lungenödemprophylaxe mit inhalativen Glucocorticoiden, bei<br />

Bronchialobstruktion inhalative ß 2-Sympathomimetika, bei Reizhusten<br />

Antitussiva, Bettruhe. Bei toxischem Lungenödem Glucocorticoide<br />

i.v. sowie ggf. Intubation und Beatmung.<br />

158


9.4 Methämoglobinbildende Gifte<br />

Bei Gefahrstoffunfällen mit aromatischen Aminen, Nitriten und<br />

Chloraten können Methämoglobinbildende Gifte freigesetzt<br />

werden.<br />

Bei Meth-Hb Konzentrationen kleiner 20% sind noch keine<br />

Beschwerden zu erwarten.<br />

Symptome:<br />

Meth Hb 10% Keine<br />

Meth Hb 10-20% Hautzyanose<br />

Meth Hb 20-30% Kopfschmerzen, Angstgefühl, Tachykardie<br />

Meth Hb 30-50% Schwäche, Verwirrtheit, Schläfrigkeit,<br />

Tachypnoe, Tachykardie<br />

Meth Hb 50-70% Koma, Krämpfe, Arrhythmie, Azidose<br />

Meth Hb 70% tödlich<br />

Therapie:<br />

Bei Methämoglobinämie Antidot-Therapie mit Toloniumchlorid<br />

(Toluidinblau ® ) in einer Dosierung von 2–4 mg/kg KG langsam<br />

i.v.. Bei ausgeprägter Methämoglobinämie und Hämolyse frühzeitiger<br />

Blutaustausch.<br />

Bei Chloratvergiftungen frühzeitige Gabe von Ascorbinsäure.<br />

Toluidinblau ist in diesen Fällen nicht effektiv.<br />

Die periphere O 2-Sättigung mittels Pulsoxymetrie ist nicht verlässlich,<br />

wenn Meth-Hb größer 20%.<br />

Asservierung von Blut für die Meth-Hb-Bestimmung: Mischung<br />

von 1ml Vollblut mit 9 ml Aqua.<br />

10. Verätzungen<br />

Verursacht durch Transportunfälle, Produktionsfehler, Sabotageakte<br />

und kontaminierte Getränke.<br />

Symptome:<br />

Schwere Haut- und Schleimhautschäden, oft Augenverätzungen.<br />

Die Inhalation von Dämpfen führt zu Reizungen der<br />

Atemwege.<br />

Laugen verursachen tiefgreifende Zerstörungen des Gewebes<br />

(Kolliquationsnekrosen). Die lokale Ätzwirkung organischer<br />

Säuren (Ameisensäure, Essigsäure, Oxalsäure) ist geringer als<br />

die bei anorganischen Säuren (Salzsäure, Schwefelsäure,<br />

Salpetersäure). Organische Säuren können zu Hämolyse und<br />

Nierenschäden führen. Flusssäure (Fluorwasserstoffsäure) verursacht<br />

tiefgreifende Nekrosen mit starken Schmerzen.<br />

159


Therapie:<br />

Sofort benetzte Kleidung entfernen und kontaminierte Haut unter<br />

fließendem Wasser spülen oder duschen. Bei Kontamination mit<br />

Flusssäure Hautreinigung mit Polyethylenglycol 400 (Lutrol 400 ® )<br />

und anschließende Lokalbehandlung mit Calciumgluconat.<br />

Bei Augenverätzungen ist eine sofortige Spültherapie der Augen<br />

erforderlich. Feste Bestandteile und Schmutzpartikel können<br />

durch Ektropionieren des Oberlides entfernt werden.<br />

Bei einer Augenverätzung mit Zement oder ungelöschtem Kalk<br />

dürfen die Augen nicht mit Wasser gespült werden, da hierbei<br />

durch das dabei entstehende Calciumhydroxid die Ätzwirkung<br />

nur noch verstärkt wird. In diesen Fällen wird eine mechanische<br />

Reinigung der Augen sowie eine wasserfreie Spülung der<br />

Bindehaut mit Speiseöl, z.B. Oliven- oder Sonnenblumenöl empfohlen,<br />

anschließend augenärztliche Weiterbehandlung.<br />

11. Organische Lösemittel<br />

Organische Lösemittel werden bei Tranportunfällen, bei<br />

Leckagen in Raffinerien, in chemischen Reinigungen sowie in<br />

der Chemischen Industrie freigesetzt. Es handelt sich dabei<br />

um aliphatische (z.B. Benzin, Petroleum, Dieselöl) und aromatische<br />

Kohlenwasserstoffe (z.B. Benzol, Toluol, Xylol) sowie<br />

um halogenierte Kohlenwasserstoffe (z.B. Trichlorethylen,<br />

Tetrachlorethylen, Tetrachlorkohlenstoff).<br />

Symptome:<br />

Haut- und Schleimhautreizung mit Erythem und Blasenbildung,<br />

Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit, Rauschzustand,<br />

Koma, cerebrale Krampfanfälle.<br />

Therapie:<br />

Entfernen aus dem Gefahrenbereich, kontaminierte Kleidung<br />

entfernen, Haut mit Wasser, Seife und gegebenenfalls mit<br />

Polyethylenglykol (z.B. Lutrol 400 ® ) abwaschen.<br />

Nach Inhalation Gabe von Sauerstoff.<br />

Nach oraler Giftaufnahme kein Erbrechen auslösen (Aspirationsgefahr).<br />

12. Schwefelwasserstoff (H 2S)<br />

Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK): 10 ppm<br />

Einsatztoleranzwert (ETW): 30 ppm<br />

160


Enthalten in Vulkangasen, (Massenvergiftungen bei Vulkanausbruch<br />

möglich), Stallgas: (Unfälle bei Einschalten des Rührwerkes<br />

in Güllegruben) und Kloakegas, das bei Bauarbeiten in<br />

Kanalisationen frei wird. Weiteres Vorkommen in Papierfabriken,<br />

Kohlebergwerken, Schwefelminen, Gerbereien, Zuckerrübenfabriken,<br />

Flachsröstereien und Petroleumraffinerien.<br />

H 2S führt zur Blockade der inneren Atmung, ist aber auch ein<br />

Reizgas vom Soforttyp. Es kommt zu schlagartiger Bewusstlosigkeit<br />

und einem Lungenödem, das sich rasch entwickelt.<br />

Geruchsschwelle: 0,007–0,2 mg/m 3 (1mg/m 3 = 0,71 ppm), Geruch<br />

nach faulen Eiern. Ab 100 ppm: Ausschaltung des Geruchsnerves,<br />

damit im höheren Konzentrationsbereich keine Warnwirkung mehr.<br />

Ab 300–600 ppm starke Reizwirkung, 600–800 ppm führen zu<br />

Koma und Krämpfen, ab 1000 ppm rascher Exitus.<br />

Symptome:<br />

Plötzlicher Kollaps und Bewusstlosigkeit in Folge ZNS-Hypoxie,<br />

Krämpfe und Herz-, Kreislaufinsuffizienz. Wird diese Phase<br />

durch therapeutisches Eingreifen überstanden, so ist innerhalb<br />

der ersten Stunden mit einem toxischen Lungenödem zu rechnen.<br />

Die Patienten sind in der Aufwachphase extrem agitiert.<br />

Sonstige Symptome: Haut und Augenreizung, Hypersalivation,<br />

Erbrechen, Bauchkrämpfe und Durchfall.<br />

Therapie:<br />

Schnelles Entfernen aus H 2S Atmosphäre, (Selbstschutz beachten!!).<br />

Intubation und Beatmung mit 100 % Sauerstoff, inhalatorische<br />

und parenterale Gabe von Glucocorticoiden, Diuretika zur<br />

Unterstützung der Lungenödemtherapie. Die Gabe von 4-DMAP<br />

wird nicht empfohlen, da dessen Wirksamkeit bisher nicht<br />

bewiesen ist und die Sauerstofftransportkapazität durch eine<br />

Methämoglobinbildung nur noch weiter verschlechtert würde.<br />

13. Arsenwasserstoff (Arsan, früher Arsin) (ASH 3 )<br />

Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK): 0,05 ppm<br />

Einsatztoleranzwert (ETW): nicht definiert<br />

Hauptsächlich in der Industrie als Dotiergas bei der Microchipherstellung<br />

(wird in Gasflaschen angeliefert), in der metallverarbeitenden<br />

Industrie und bei der Bearbeitung von arsenhaltigen<br />

Schlämmen. Toxische Konzentrationen: MAK-Wert 0,05 ppm,<br />

toxisch ab 3,0 ppm, tödlich ab 250 ppm (nach längerer<br />

Exposition) , rasch tödlich ab 1500 ppm.<br />

161


Nachweis: Geruchsschwelle 0,5 ppm (Geruch nach Knoblauch),<br />

Draegerprüfröhrchen messen zwischen 0,05 und 3 ppm.<br />

Arsenwasserstoff führt zu Hämolyse. Ursache hierfür ist das bei<br />

der Oxidation von Arsenwasserstoff entstehende Wasserstoffperoxyd.<br />

Durch die Hämoglobinurie kommt es zum Nierenversagen.<br />

Die Hämolyse führt zu einem starken Anstieg des<br />

Bilirubins.<br />

Symptome:<br />

Symptomfreies Intervall von einigen Stunden nach Exposition,<br />

danach typische Symptomen-Trias: Hämoglobinurie (roter bis<br />

dunkelbrauner Urin), abdominelle Schmerzen und Sklerenikterus;<br />

dieser Symptomatik gehen Prodromi bestehend aus<br />

Schwindel, Kopfschmerzen, Fieber, Atemnot, allgemeiner<br />

Schwäche, abdominellen Krämpfen, Diarrhoe, Übelkeit und<br />

Erbrechen voraus.<br />

Therapie:<br />

Rettung des Geschädigten aus dem Giftbereich (Selbstschutz<br />

beachten!!). Da Giftwirkung mit Latenz auftritt, sind die Geschädigten<br />

häufig nicht mehr im kontaminierten Bereich. Sauerstoffgabe<br />

ist bei Atemnot indiziert. Zur Verhinderung des Nierenversagens<br />

mäßige Flüssigkeitszufuhr und Bicarbonatgabe zur<br />

Alkalisierung des Urins. Bluttransfusionen und in schwersten<br />

Fällen Austauschtransfusion. Chelatbildner sind wirkungslos.<br />

14. Phosphorwasserstoff (Phosphan, früher Phosphin) (PH 3 )<br />

Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK): 0,1 ppm<br />

Einsatztoleranzwert (ETW): 0,5 ppm<br />

Phosphorwasserstoff wird durch Feuchtigkeitseinwirkung aus<br />

Metallphosphiden (Al, Ca, Zn) freigesetzt. Außerdem entsteht er<br />

bei der Ungeziefervernichtung in Getreidesilos sowie beim autogenen<br />

Schweißen. Es handelt sich um ein sehr giftiges Gas mit<br />

einem karbid- oder knoblauchartigen Geruch (gute Warnwirkung).<br />

Die toxische Wirkung beruht auf einer Blockade der zellulären<br />

Atmung und betrifft in erster Linie das zentrale Nervensystem.<br />

Symptome:<br />

Nach Inhalation oder Verschlucken phosphanbildender Präparate<br />

kommt es zunächst zu Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall und<br />

Somnolenz. Bei schweren Vergiftungen werden Koma, cerebrale<br />

Krampfanfälle, Lungenödem und eine Methämoglobinaemie<br />

beobachtet.<br />

162


Therapie:<br />

Rettung aus dem Gefahrenbereich (Eigenschutz beachten),<br />

Stabilisieren der Vitalparameter.<br />

Bei Inhalation werden Sauerstoff und inhalative Glucocorticoide verabreicht.<br />

Nach oraler Aufnahme werden eine Magenspülung mit 1-1,5%iger<br />

Natriumbikarbonatlösung sowie die Gabe von Aktivkohle<br />

empfohlen. Bei einer Methämoglobinämie kann eine Antidottherapie<br />

mit Toluidinblau in einer Dosierung von 2-4 mg/kg KG<br />

i.v. angezeigt sein.<br />

15. Organophosphate, Nervenkampfstoffe (Sarin, Soman,<br />

Tabun, VX)<br />

Massenvergiftungen mit Organophosphaten können bei Unfällen<br />

während des Herstellungsprozesses oder bei unsachgemäßer<br />

Anwendung von Insektiziden auftreten. Einsatz bei<br />

kriegerischen Auseinandersetzungen erscheint möglich. Eine<br />

realistischere Gefahr besteht darin, dass Nervenkampfstoffe in<br />

die Hände von Terroristen und Erpressern gelangen (U-Bahn-<br />

Anschlag Tokio 1995).<br />

Die Wirkstoffe gelangen bei Einatmung von Dämpfen, Sprühnebel<br />

(Aerosol) und Stäuben in den Organismus, sie können<br />

aber auch leicht über die Haut resorbiert werden.<br />

Hemmung der Acetylcholinesterasen im gesamten Organismus<br />

mit Übererregung zunächst im sympatischen, dann im parasympathischen<br />

Nervensystem sowie Lähmung der motorischen<br />

Endplatte. Krampfgift für das ZNS.<br />

Symptome:<br />

Durch Übererregung der muskarinischen Rezeptoren: Enge<br />

Pupillen, Miosis, langsamer Puls, gesteigerte Sekretion der<br />

Schweiß-, Speichel- und Tränendrüsen sowie im Bereich des Bronchialsystems,<br />

Durchfälle, Erbrechen, Magen- und Darmkrämpfe.<br />

Durch Übererregung der nikotinischen Rezeptoren: Myoklonien,<br />

Fibrillieren bis Faszikulieren der Muskulatur, periphere Atemlähmung.<br />

ZNS-Symptomatik: Unruhe, Angst, Agitiertheit, Kopfschmerzen,<br />

Krampfanfall, Koma.<br />

Sympathikuswirkung: In der Initialphase kann es durch eine<br />

Entspeicherung des Adrenalins zu Mydriasis, Tachykardie und<br />

Hypertonie kommen.<br />

Besonderheit: Durch den Augenkontakt mit dem gifthaltigen<br />

Aerosol kann es, wie in Japan geschehen, zur Ausbildung einer<br />

Miosis mit stärksten Kopfschmerzen kommen, ohne dass eine<br />

systemische Giftwirkung vorliegt.<br />

163


Therapie:<br />

Möglichst vollständige Dekontamination, Kleidung entfernen,<br />

kontaminierte Haut entgiften. Antidot: Atropin in einer Dosierung<br />

von 2–10 mg i.v., Kinder 0,1 mg/kgKG. Nach einer Anfangsdosis<br />

sollte die Atropindosis biologisch titriert werden, wobei man<br />

sich nach der Pulsfrequenz und der Schweißneigung richten<br />

sollte.<br />

Während die orale Vergiftung mit Insektiziden einer hohen<br />

Atropindosierung bedarf, dürften bei den Nervenkampfstoffen<br />

bereits geringere Dosen ausreichen. Als zweites Antidot steht<br />

ein Cholinesterasereaktivator, das Obidoxim (Toxogonin ® ) zur<br />

Verfügung, das vorwiegend bei Diethylphosphorsäureester und<br />

bei den Nervenkampfstoffen – außer bei Soman – wirksam ist.<br />

Die ideale Dosierung besteht in einer Bolusgabe von 250 mg mit<br />

einer anschließenden Dauerinfusion von 750 mg in 24 Stunden.<br />

Die cerebralen Krämpfe werden mit einem Benzodiazepin, z.B.<br />

Diazepam behandelt. Die Patienten müssen in aller Regel tief<br />

sediert und über einen längeren Zeitraum beatmet werden. Die<br />

Erythrozyten- Acetylcholinesterase ist ein Marker, nach dem die<br />

Therapie gesteuert werden kann, d.h., wenn sie auf 20 % der<br />

Norm angestiegen ist, kann die Atropintherapie beendet werden.<br />

Bei der oralen Aufnahme von Alkylphosphaten im Massenanfall<br />

können 50 g Aktivkohle zur primären Giftentfernung<br />

angewandt werden. Ärztliche und sonstige Helfer benötigen<br />

einen ausreichenden Schutz, wobei Handschuhe bei Insektiziden<br />

ausreichend sind. Bei Chemiekampfstoffen dürfen die<br />

Patienten nur mit Atemschutz gerettet werden.<br />

16. Hautkampfstoffe (Alkylantienvergiftung, Lostvergiftung,<br />

Mustardgas)<br />

S S-Lost<br />

CH2CH2–Cl<br />

CH2CH2–Cl<br />

Schwerwiegende Massenvergiftungen sind beim Einsatz als<br />

Kampfstoffe (kriegerische Auseinandersetzungen oder terroristische<br />

Anschläge) zu erwarten. Da noch große Mengen<br />

Hautkampfstoffe aus den letzten Weltkriegen bei uns lagern,<br />

muss mit Arbeitsunfällen bzw. Unfällen bei zufälligem Auffinden<br />

von Munition gerechnet werden. Auch Ostseefischer sind gefährdet,<br />

da kampfstoffhaltige Munition in der Ostsee versenkt<br />

wurde.<br />

Symptome:<br />

S-Lostwirkung: Symptomloses Intervall von 30 Minuten bis 3<br />

164


Stunden, danach zunächst schwere Haut- und Schleimhauttoxizität,<br />

gefolgt von Lungentoxizität aufgrund zerstörter<br />

Schleimhaut im Respirationstrakt. Systemische Wirkung aufgrund<br />

einer Schädigung der Mitose. Schwere Blutbildungsstörung<br />

vorwiegend des weißen Blutbildes und der Thrombozyten.<br />

Bei oraler Aufnahme toxische Schädigung der Schleimhaut des<br />

Gastrointestinaltraktes mit blutigen Durchfällen.<br />

Wirkung auf der Haut: Bereits ein Tropfen, der 10 µg S-Lost enthält,<br />

führt zur Hautrötung mit nachfolgender Blasenbildung. Bei<br />

einer Ausdehnung von mehr als 25 % der KOF ist mit einem<br />

tödlichen Ausgang zu rechnen. Mit unterschiedlicher Geschwindigkeit,<br />

je nach Dosis in der Regel 3 Stunden nach Kontamination,<br />

entwickeln sich mit Flüssigkeit gefüllt Blasen, die<br />

Blasen platzen und hinterlassen eiternde tiefe Geschwüre.<br />

Wirkung auf das Auge: Am besten läßt sich die Exposition als<br />

Produkt von Giftkonzentration und Zeit der Exposition beschreiben.<br />

Ab einer Exposition von 10 mg/m 3<br />

x min treten die Wirkungen<br />

am Auge auf. Nach kurzer Latenz kommt es zu<br />

Tränenfluss, Lichtscheu, Reizerscheinungen, Blepharospasmus<br />

mit nachfolgender eitriger Konjunktivitis. Es kann zur Corneatrübung<br />

kommen, die Cornea kann perforieren. Dies führt zum<br />

Verlust der Sehkraft oder des gesamten Augapfels.<br />

Wirkung auf den Respirationstrakt: Außer dem direkten Kontakt<br />

mit flüssigem S-Lost muss das Einatmen von Dampf als kritisch<br />

betrachtet werden. Bei 10ϒC ist Lost fest. Mit zunehmender<br />

Temperatur steigt die Menge an verdampftem S-Lost stark an.<br />

Ab einer Exposition von 200 mg/m3 x min kommt es zur Wirkung<br />

auf den Respirationstrakt. Die ersten Symptome sind katarrhalische<br />

Beschwerden, Trockenheit im Hals, Hustenreiz, Heiserkeit<br />

bis Aphonie, im späteren Verlauf eitrige Bronchitis und herdförmige<br />

Bronchop<strong>neu</strong>monie. Es kommt zur Bildung von<br />

Pseudomembranen in den großen Bronchien, die zu Atemnot<br />

und Erstickung infolge Verlegung der Atemwege führen können.<br />

Therapie:<br />

Sorgfältige Dekontamination bei optimalem Selbstschutz<br />

(Schutzanzug, Schutzhandschuhe, Schutzstiefel, Atemschutzmaske).<br />

Das Lost sollte zunächst mit einem saugenden Material<br />

wie z.B. Zellstoff abgetupft werden, hierfür kann auch ein Puder<br />

Verwendung finden. Anschließend sollte mit kaltem Wasser<br />

gespült werden. 0,2 % ige Chloramin T-Lösung frühzeitig äußerlich<br />

eingesetzt, oxidiert das Lost auf der Haut und macht es<br />

unschädlich. Natriumthiosulfat in einer Dosis von 500 mg/kg KG<br />

i.v. kann, wenn innerhalb von 20 Minuten eingesetzt, die resorptive<br />

Lostwirkung aufheben. Der Einsatz von Steroiden ist<br />

165


umstritten, eine Antibiotikatherapie ist in jedem Fall indiziert, um<br />

eine sich aufpfropfende Infektion zu bekämpfen. Hautschäden<br />

sind wie Verbrennungsschäden zu behandeln.<br />

17. Lebensmittelvergiftung<br />

Diese entsteht nach Ingestion von Enterotoxinen, die von verschiedenen<br />

Bakterien in verdorbenen Lebensmitteln gebildet werden<br />

(Staphylococcus aureus, Clostridium perfringens, Clostridium<br />

botulinum) und nach dem Genuss von Lebensmitteln mit vermehrtem<br />

Befall durch grammnegative Bakterien (Salmonellen).<br />

Symptome:<br />

Staphylokokken-Enterotoxin: 2–4 Std. nach der Mahlzeit<br />

Erbrechen mit Durchfällen, selten Fieber; Kollapsneigung.<br />

Salmonellen: Inkubationszeit 8 –72 Std. Übelkeit, Erbrechen,<br />

kolikartige Bauchkrämpfe, Durchfall, häufig Fieber bis 39°C.<br />

Therapie:<br />

Gabe von Kohle, Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution,<br />

Antiemetika.<br />

Meldepflicht beachten!<br />

18. Botulismus<br />

Lebensmittelvergiftung durch Toxin von Clostridium botulinum,<br />

unter anaeroben Bedingungen bei nicht ausreichend erhitzten,<br />

in der Regel selbst hergestellten Konserven (Fisch, Fleisch,<br />

Gemüse) oder geräuchertem Fleisch. Ist das Toxin für mehr als<br />

10 Minuten auf mehr als 100 ºC erhitzt, so wird es zerstört. 7<br />

unterschiedliche Neurotoxintypen (A-G) sind bekannt. Es handelt<br />

sich um Glykoproteine bestehend aus 2 Polypeptidketten.<br />

Die schwere Kette lagert sich spezifisch an den Synapsen der<br />

Nervenzellen an. Die leichte Kette wird aufgenommen und zerstört<br />

die Transportproteine der Acetylcholinvesikel. Das Botulinus-Toxin<br />

ist eines der stärksten Gifte, das wir kennen und ist<br />

bereits im µg-Bereich wirksam. In der Kälte ist das Botulinus-<br />

Toxin über Wochen stabil. Anwendung zu Sabotagezwecken<br />

erscheint möglich, da es zum bakteriologischen Kampfstoff<br />

entwickelt wurde.<br />

Symptome:<br />

Hemmung der Acetylcholinfreisetzung an vielen cholinergen<br />

Nervenendigungen. Ausfallserscheinungen vorwiegend im Be-<br />

166


eich der Hirnnerven einschließlich des Nervus vagus (Parasympathikus).<br />

Das Neurotoxin A befällt auch die Atemmuskulatur<br />

und führt zur Atemlähmung. Das ZNS ist in aller Regel nicht<br />

beteiligt. Die Symptome treten im Allgemeinen erst nach einer<br />

Latenz von 12–24 Stunden auf, sie können u.U. über Wochen<br />

bestehen bleiben. Das Leitsymptom besteht in Sehstörungen,<br />

insbesondere Doppelsehen und Akkomodationsstörungen. Die<br />

Pupillen sind mydriatisch und reaktionslos, es entsteht eine<br />

Ptose. Im weiteren Verlauf treten Schluckbeschwerden, Speichelfluss<br />

mit Übergang in eine vollständige Mundtrockenheit,<br />

Sprechstörungen, Schlundlähmungen und ein paralytischer<br />

Ileus auf. Sensibilitätsstörungen und cerebrale Krampfanfälle<br />

werden nicht gesehen. Der Tod kann ohne Therapie innerhalb<br />

von 4 –10 Tagen auf Grund von einer Aspirationsp<strong>neu</strong>monie<br />

oder durch Atemlähmung und Bulbärparalyse auftreten. Unter<br />

symptomatischer Therapie ist die Letalität gering.<br />

Therapie:<br />

Da beim Auftreten der Symptome das Toxin bereits an und in<br />

den Nervenendigungen fixiert ist, kann es nicht mehr <strong>neu</strong>tralisiert<br />

werden. Es steht ein polyvalentes Antitoxin der Fa. Behring<br />

für die Typen A, B, E zur Verfügung, das nur bei sehr frühem<br />

Einsatz wirksam ist. Die weitere Therapie besteht in symptomatischer<br />

Therapie, wie parenteraler- oder Sondenernährung,<br />

Infektionsprophylaxe und wenn notwendig kontrollierter Beatmung.<br />

Ein therapeutischer Versuch mit Cholinesterasehemmstoffen,<br />

wie z.B. Neostigmin, kann gemacht werden. Er verbessert<br />

in der Regel nur geringfügig die Darmlähmung.<br />

167


Wichtige Adressen und Telefonnummern bei Massenanfall<br />

von Vergiftungen Stand: 12 / 2000<br />

I. Antidotdepots<br />

Berlin<br />

14050 Berlin<br />

Dezentrale Vorratshaltung bei den Berliner<br />

Aufnahmekrankenhäusern und bei der Berliner Feuerwehr<br />

Auskunft erteilt Giftnotruf Berlin<br />

Tel.: 030-19240<br />

Fax: 030-30686 721<br />

Hamburg<br />

Antidotdepot<br />

Freie Hansestadt Hamburg<br />

Feuerwehr Hamburg<br />

Wendenstr. 251<br />

20537 Hamburg<br />

Tel.: 040-42851-4221<br />

Fax: 040-42851-2209<br />

Bremen<br />

Antidotdepot Zentralkrankenhaus<br />

Sankt-Jürgen-Str.<br />

Anästhesiologie/ Apotheke<br />

28205 Bremen<br />

Tel.: 0421 497-5465/ 5959/ 5312/ 3875/ 5216<br />

Fax: 0421-497-3411/ 3331<br />

Rheinland Pfalz<br />

Gegengiftdepot der Universität Mainz<br />

Langenfeldstr. 1<br />

55131 Mainz<br />

Tel.: 06131-19240, 06131-232466<br />

Fax: 06131-176605, 06131-232468<br />

Transport mit Rettungsdienst 06131-19222 o. Feuerwehr:<br />

06131-338212<br />

Bayern<br />

Gegengiftdepot des Bayerischen Staatsministerium des Innern<br />

an der Technischen Universität München, Klinikum r.d. Isar<br />

Ismaninger Str. 22<br />

81675 München<br />

Tel.: 089-19240, 089-4140 2466<br />

Fax: 089-4140 2467<br />

Transport über Rettungsleitstelle 089-19222 od. 089-2353-112<br />

168


Gegengiftdepot des Bayrischen Staatsministerium des Innern<br />

am Städtischen Klinikum Nürnberg<br />

Prof. Ernst-Nathan-Str. 1<br />

90419 Nürnberg<br />

Tel.: 0911-398 2451<br />

Fax: 0911-398 2205<br />

Transport über Rettungsleitstelle 0911-19222<br />

Baden Württemberg<br />

Notfalldepot „Toxisches Lungenödem“<br />

Gehrenbergstr. 7<br />

88677 Markdorf (Bodensee)<br />

Tel.: 07541-19222 (Rettungsleitstelle Friedrichshafen)<br />

Fax: 07541-504105<br />

(es handelt sich hier um eine Vorhaltung von Budesonid ® ca. 150<br />

Sprays)<br />

Nota bene:<br />

Anmerkung<br />

Diese Liste wurde nach eigenen Recherchen erstellt. Dabei wurden<br />

sämtliche Bundesländer angefragt. Nur ein Teil der<br />

Bundesländer hat auf die Anfrage reagiert.<br />

II. Apotheken<br />

Grundsätzlich besteht folgende gesetzliche Regelung: Nach §<br />

15 der Apothekenbetriebsordnung ist jede Apotheke verpflichtet,<br />

eine Bevorratung von Antidoten zu gewährleisten. Zusätzlich<br />

haben sämtliche Landesapothekerkammern Notdepots<br />

angelegt, die über teure, kühl zu lagernde Medikamente, vorwiegend<br />

Immunglobuline, verfügen.<br />

Diese Regelung ist zwar auf den individuellen Notfall abgestimmt,<br />

könnte aber beim Massenanfall unter günstigen<br />

Umständen hilfreich sein.<br />

Antidote, die von jeder Apotheke nach Anlage 3 (zu § 15 Abs. 1<br />

Satz 2) der Apothekenbetriebsordnung zu bevorraten sind:<br />

1. Antidote gegen Intoxikationen und Überdosierungen mit<br />

1.1 Opiaten<br />

1.2 Cholinesterase-Hemmern<br />

1.3 Cyanid<br />

1.4 Methämoglobinbildnern<br />

2. Emetika<br />

3. Kortikoid, hochdosiert, zur Injektion<br />

4. Mittel zur Behandlung von Rauchgasvergiftungen<br />

5. Antischaum-Mittel zur Behandlung von Tensid-Intoxikationen<br />

169


6. Medizinische Kohle<br />

7. Tetanus-Impfstoff<br />

8. Tetanus-Hyperimmun-Globulin 250 I.E.<br />

Notfalldepots der Landesapothekerkammern nach Anlage 4<br />

(zu § 15 Abs. 2) der Apothekenbetriebsordnung<br />

1. Botulismus-Antitoxin vom Pferd<br />

2. Diphtherie-Antitoxin vom Pferd<br />

3. Schlangengift-Immunserum, polyvalent, Europa<br />

4. Tollwut-Impfstoff<br />

5. Tollwut-Immunglobulin<br />

6. Tetanus-Immunglobulin 2 500 I.E.<br />

7. Prothrombinkonzentrat (PPSB)<br />

8. Polyvalentes Immunglobulin<br />

9. Röteln-Immunglobulin<br />

10. Varizella-Zoster-Immunglobulin<br />

11. Hepatitis-B-Immunglobulin<br />

III. Informationsdatenbank für Chemikalien und Abrufbarkeit<br />

des Gaschromatographen<br />

MEDITOX Beratungssystem bei der Deutschen Rettungsflugwacht<br />

e.V.<br />

Tel.: 0711-701070<br />

TUIS<br />

(Internationale Informationszentrale über Chemische Stoffe,<br />

International Chemical Environment)<br />

BASF AG<br />

DU/F-Werkfeuerwehr<br />

Carl-Bosch-Str. 123<br />

67056 Ludwigshafen/Rhein<br />

Tel.: 0621-6043333<br />

Fax: 0621-60-92664<br />

Mobile GC/MS-Analysegeräte<br />

Berufsfeuerwehr Mannheim<br />

(luft- und bodengebundener Transport möglich)<br />

Tel.: 0621-81081 (Zentrale)<br />

Berufsfeuerwehr Hamburg<br />

(luft- und bodengebundener Transport möglich)<br />

Tel.: 040-42851-4965 (Lagedienstführung)<br />

170


Berufsfeuerwehr Frankfurt/Main<br />

(nur bodengebundener Transport möglich)<br />

Tel.: 069-212-72170<br />

Institut der Feuerwehr Sachsen-Anhalt<br />

(nur bodengebundener Transport möglich)<br />

Tel.: 0171-4466007<br />

IV. Giftinformationszentren in Deutschland<br />

Stand: 12 / 2000<br />

Giftinformationszentren<br />

Bei allen Vergiftungen sollte, besonders wenn eine genaue<br />

Zusammensetzung des Giftes und das weitere Vorgehen unklar<br />

sind, umgehend vom behandelnden Arzt über die Rettungsleitstelle<br />

eine Informationszentrale für Vergiftungsfälle angerufen<br />

werden.<br />

171


Es sollten folgende Angaben gemacht werden:<br />

– Alter der verunglückten Person<br />

– Art und eventuelle Konzentration des Giftes<br />

– Zeitpunkt der Giftaufnahme<br />

– eingenommene Menge des Giftes<br />

– Anzeichen der Vergiftung<br />

– bereits durchgeführte Maßnahmen<br />

Zentren mit durchgehendem 24-Stunden-Dienst (Stand 12/2000):<br />

In folgenden Krankenanstalten und Kliniken bestehen offizielle<br />

Informationszentren für Vergiftungsfälle. Diese Zentren geben<br />

Tag und Nacht telefonisch Auskunft. Von diesen Zentren erhalten<br />

Sie auch Informationen über die nächstgelegenen toxikologischen<br />

Laborzentren mit 24-Stunden-Dienst.<br />

13353 BERLIN<br />

Reanimationszentrum des Universitätsklinikums Rudolf Virchow,<br />

Humboldt-Universität Berlin, Station 43 b<br />

Augustenburgerplatz 1<br />

T-030-450-53555 oder 030-450-53565 F-030-450-55909<br />

14050 BERLIN<br />

Beratungsstelle für Vergiftungserscheinungen<br />

und Embryonaltoxikologie<br />

Spandauerdamm 130, Haus 10<br />

T-030-19240, F-030-30686-721<br />

53113 BONN<br />

Informationszentrale gegen Vergiftungen, Zentrum für<br />

Kinderheilkunde der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität<br />

Adenauerallee 119<br />

T-0228-287-3211 oder 0228-287-3355, F-0228-287-3314<br />

99098 ERFURT<br />

Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und<br />

Thüringen, c/o Klinikum Erfurt<br />

Nordhäuser Str. 74<br />

T-0361-730-730 oder T-0361-730-7311, F-0361-730-7317<br />

79106 FREIBURG<br />

Informationszentrale für Vergiftungen,<br />

Universitätskinderklinik Freiburg<br />

Mathildenstr. 1<br />

T-0761-19 240 (24 Std.-Dienst) oder<br />

0761-270-4300 (Zentrale), F-0761-270-4457<br />

172


37075 GÖTTINGEN<br />

Giftinformationszentrum-Nord der Länder Bremen,<br />

Hamburg, Niedersachsen und Schleswig Holstein (GIZ-NORD),<br />

Georg-August-Universität Göttingen<br />

Zentrum Pharmakologie u. Toxikologie<br />

Robert-Koch-Str. 40<br />

T-0551-19240 oder 0551-383-180, F-0551-3831881<br />

66421 HOMBURG / SAAR<br />

Universitätskliniken, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin<br />

im Landeskrankenhaus<br />

Robert-Koch-Str.<br />

T-06841-19 240, F-06841-16-8314<br />

55131 MAINZ<br />

Beratungsstelle bei Vergiftungen der II. Med. Klinik und Poliklinik<br />

der Johannes-Gutenberg-Universität<br />

Langenbeckstr. 1<br />

T-06131-19 240 oder 06131-232466, F-06131-176-605<br />

81675 MÜNCHEN<br />

Giftnotruf München, Toxikologische Abteilung der II. Med.<br />

Klinik, Klinikum rechts der Isar<br />

der Technischen Universität München<br />

Ismaninger Str. 22<br />

T-089-19 240, F-089-4140-2467<br />

Mobiles Gegengift-Depot:<br />

Wie Giftnotruf München oder über Berufsfeuerwehr München<br />

T.-112 (innerhalb des Ortsnetzes)<br />

90419 NÜRNBERG<br />

Toxikologische Intensivstation der II. Med. Klinik im Städt.<br />

Klinikum<br />

Professor-Ernst-Nathan-Str.1<br />

T-0911-398-2451 oder 0911-398-0 (Zentrale), F-0911-398-2205<br />

V. Toxikologische Notfallausrüstung<br />

Bei dieser sog. Toxikologischen Notfallausrüstung handelt es<br />

sich um einen Vorschlag zur Bestückung sämtlicher Notarztwagen<br />

(im Münchner Bereich ist diese Bestückung vorhanden).<br />

173


Geräte<br />

Magenschlauch 18 mm mit Trichter für Erwachsene Gasspürpumpe<br />

Magenschlauch 11 mm mit Trichter für Kinder Atem-CO-Röhrchen<br />

Satz Asservatgefäße (2 Becher,1 Sekretauffangbeutel) Blausäure-Röhrchen<br />

leere Augenwaschflasche Vergiftungstabelle<br />

1 Kleidersack (zum Asservieren gasverseuchter Kleidung) Legende<br />

(Tox. Notfallausrüstung)<br />

ALKYLPHOSPHATE-Notfallpäckchen<br />

Antidot ® Menge Gifte Dosis<br />

ATROPIN 1% Lösung ® 2x50 ml Alkylphosphate 5-100 mg i.v.<br />

TOXOGONIN ® Amp. zu 250 mg 4 Amp. Alkylphosphate 4 mg/kg KG i.v.<br />

BLAUSÄURE-Notfallpäckchen<br />

Antidot Menge Gifte Dosis<br />

4-DMAP ® , Amp. zu 250 mg 5 Amp. Zyanide 3-4 mg/kg KG i.v.<br />

NATRIUMTHIOSULFAT 10% ® 2x180 ml Zyanide 1 ml/kg KG i.v.<br />

AMPULLEN-ANTIDOTA<br />

Antidot Menge Gifte Dosis<br />

AKINETON ® 2 Amp. Neuroleptika 5 mg i.v.<br />

ANEXATE ® 2 Amp. Benzodiazepine 0,5 mg i.v.<br />

ANTICHOLIUM ® 2 Amp. Atropin 1-2 mg i.v.<br />

DIAZEPAM ® 10 Amp. Chloroquin 1-2 mg/kg KG i.v.<br />

SOLOSIN 0,42 ® 2 Inf.Fl. Reizgase 5 mg/kg KG i.v.<br />

ETHANOL 96% 50 ml Methanol 0,7 ml/kg KG i.v.<br />

Äthylenglykol<br />

NARCANTI ® 5 Amp. Opiate 0,4-0,8 mg i.v.<br />

SOLU-DECORTIN H ® 250 mg 3 Amp. Reizgase 250-750 mg i.v.<br />

TOLUIDINBLAU ®y 2 Amp. Methämoglobin- 2-4 mg/kg KG i.v.<br />

bildner<br />

SONSTIGE ANTIDOTA<br />

Antidot Menge Dosis<br />

AUXILOSON ® -Spray 5 Stück 2 Hübe alle 5 Min.<br />

KOHLE-Kompretten ® 2x50 Stück 50 Kompretten<br />

NATRIUMSULFAT 50g 1-2 EL<br />

POLYETHYLENGYLKOL ® 100 ml n. Bedarf zur äußerl. Anwendung<br />

SAB SIMPLEX ® 1 Flasche 1-2 TL<br />

SIRUP IPECACUANHAE 2 Flaschen 10-30 ml<br />

174


Poison Severity Score (PSS)<br />

ORGAN-SYSTEM OHNE -0- LEICHT -1- MITTEL -2- SCHWER -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

Gastrointestinaltrakt Erbrechen (gelegentlich) Erbrechen (anhaltend) massives Erbrechen<br />

Durchfall (gelegentlich) Durchfall (anhaltend) Blutung<br />

Schmerzen (gering) Schmerzen heftig oder anhaltend Perforation<br />

Reizung (gering) Verätzungen I° an kritischen (gefährlichen) Stellen multilokuläre zweit- und drittgradige Verätzungen<br />

geringe Ulceration im Mund Verätzungen II° schwere Dysphagie<br />

Verätzungen I° Verätzungen III° auf wenige Stellen beschränkt Endoskopie:<br />

Endoskopie: Dysphagie Transmurale Ulcerationen,<br />

Rötung Endoskopie: Läsionen, die ganze Zirkumferenz betreffend,<br />

Ödem transmuköse Ulcerationen Perforationen<br />

Respirationstrakt leichte Reizerscheinungen anhaltender Husten Manifeste respiratorische Insuffizienz<br />

Husten (gering) Bronchospastik (auf Grund von z.B. schwerer Bronchospastik;<br />

Dyspnoe (gering) Dyspnoe Obstruktion der Atemwege, Glottisödem)<br />

Bronchospastik Stridor Lungenödem, ARDS, P<strong>neu</strong>monie, P<strong>neu</strong>monitis,<br />

Thorax-Röntgen; Hypoxämie (Sauerstoff-pflichtig) P<strong>neu</strong>mothorax<br />

pathologisch ohne oder nur mit Thorax-Röntgen: Thorax-Röntgen:<br />

geringen klinischen Symptomen pathologisch mit deutlich klinischen Symptomen pathologisch mit schweren klinischen Symptomen<br />

Nervensystem Ataxie Koma mit gerichteten Reaktionen auf Schmerz tiefes Koma ohne Reaktionen auf Schmerz<br />

Somnolenz kurzanhaltende Apnoe, Bradypnoe bzw. ungezielte oder pathologische Reaktion auf Schmerz<br />

Benommenheit Verwirrtheit, Agitiertheit Atemdepression mit Ateminsuffizienz<br />

Schwindel Halluzinationen schwerste Agitiertheit<br />

Ohrgeräusch Delir häufig generalisierte Krampfanfälle<br />

Unruhe deutliche extrapyramidalmotorische Symptomatik Status epilepticus<br />

leichte extrapyramidalmotorisches deutliche cholinerge/anticholinerge Symptomatik Opisthotonus<br />

Symptomatik<br />

175


ORGAN-SYSTEM OHNE -0- LEICHT -1- MITTEL -2- SCHWER -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

Nervensystem leichte cholinerge/anticholinerge regional begrenzte Lähmungserscheinungen generalisierte Lähmungserscheinungen oder<br />

Symptomatik ohne Beeinträchtigung vitaler Funktionen<br />

Parästhesien Lähmungserscheinungen, wodurch vitale Funktionen<br />

beeinträchtigt werden<br />

leichte Störungen des Sehens Störungen des Sehens bzw. Hörens Blindheit und Taubheit<br />

bzw. Hörens<br />

Kardiovaskuläres vereinzelte Extrasystolen Sinusbradykardie (40-50 min-1 ) ausgeprägte Sinusbradykardie ( < 40 min-1 )<br />

System leicht und kurzdauerende Hypo-/ Sinustachykardie (140-180 min-1 ) ausgeprägte Sinustachykardie ( > 180 min-1 )<br />

Hypertonie gehäufte Extrasystolen lebensbedrohliche ventrikuläre Dysrhythmien<br />

Vorhofflimmern/-flattern AV-Block III°<br />

AV-Block I°-II° Asystolie<br />

verbreiteter QRS Komplex Schock<br />

verlängertes QT Intervall hypertensive Krise<br />

Repolarisationsstörungen (Ischämiezeichen) Myokardinfarkt<br />

Hypo-/Hypertonie<br />

Örtliche Reaktionen lokale Schwellung regionale Schwellung, die ganzen Extremitäten stärkste Schwellung die gesamten Extremitäten<br />

Juckreiz und auch angrenzende Teile des Stammes und angrenzende Regionen umfassend<br />

Schmerzen betreffend Schmerzen<br />

Metabolische leichte Störungen des Säure-, Basen- Störungen im Säure- Basen- und schwere Störungen im Säure-, Basen-<br />

Störungen und Wasser-, Elektrolythaushaltes: Wasser-, Elektrolythaushalt: Wasser-, Elektrolythaushalt:<br />

Azidose: HCO- 3 15 – 20 mmol/l Azidose: HCO- 3 – 10 – 14 mmol/l Azidose: HCO- 3 < 10 mmol/l<br />

pH 7,25 – 7,32 pH 7,15 – 7,24 pH < 7,15<br />

Alkalose: HCO- 3 30,0 – 40,0 mmol/l Alkalose: HCO- 3 > 40 mmol/l Alkalose: HCO- 3 > 40 mmol/l<br />

pH 7,50 – 7,59 pH 7,60 – 7,69 pH > 7,7<br />

176


ORGAN-SYSTEM OHNE -0- LEICHT -1- MITTEL -2- SCHWER -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

Metabolische K +<br />

: 3,0 – 3,4 mmol/l K+: 2,5 – 2,9 mmol/l K+: < 2,5 mmol/l<br />

Störungen 5,2 – 5,9 mmol/l 6,0 – 6,9 mmol/l > 7,0 mmol/l<br />

leichte Hypoglykämie: 50 – 70 mg/dl Hypoglykämie: 30-50 mg/dl schwere Hypoglykämie: < 30 g/dl<br />

2,8 – 3,9 mmol/l 1,7 – 2,8 mmol/l < 1,7 mmol/l<br />

kurze Hyperthermie länger andauernde Hyperthermie lebensbedrohliche Hyperthermie<br />

Leber geringer Transaminasenanstieg Anstieg der Transaminasen 5 – 50 x der Norm Transaminasenanstieg ( > 50 x der Norm)<br />

(GOT, GPT bis 2 – 5 x der Norm) ohne biochemische oder klinische Zeichen für oder biochemische Zeichen (NH3 ↑↑, Gerinnungs-<br />

Leberversagen störungen) oder klinische Zeichen für Leberversagen<br />

Niere geringgradige Proteinurie ausgeprägte Hämaturie Nierenversagen (Anurie und S-Kreatinin > 500 µmol/l)<br />

Hämaturie Niereninsuffizienz (Oligurie bzw. Polyurie und<br />

S-Kreatinin 200-500 µmol/l)<br />

Blut leichte Hämolyse Hämolyse ausgeprägte Hämolyse<br />

leichte Methämoglobinämie Methämoglobinämie (30 – 50 %) schwere Methämoglobinämie ( > 50%)<br />

(10 – 30 %) Anämie Gerinnungsstörung mit Blutung<br />

Leukopenie schwere Leukopenie<br />

Thrombozytopenie schwere Thromozytopenie<br />

Gerinnungsstörung ohne Blutung schwere Anämie<br />

Muskelsystem Muskelverspannungen Schmerzen stärkste Schmerzen<br />

leichter Muskelschmerz Rigor ausgeprägter Rigor<br />

CPK 250 – 1500 U/L Krämpfe schwerste Muskelkrämpfe oder Muskelfaszikulieren<br />

Faszikulieren Rhabdomyolysis mit Komplikationen<br />

Rhabdomyolysis CPK > 10000 IU/L<br />

CPK 1500-10000 IU/L Kompartmentsyndrom<br />

Hautreaktionen Reizerscheinungen Verätzungen II° bei 10-50 % der KOF Verätzungen II° > 50% der KOF<br />

Verätzungen I° (Rötung) (Kinder 10-30 % d. KOF) (Kinder: > 30 % der KOF)<br />

177


ORGAN-SYSTEM OHNE -0- LEICHT -1- MITTEL -2- SCHWER -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

Hautreaktionen Verätzungen II° 10% der KOF Verätzungen III° < 2% der KOF Verätzungen III° > 2% der KOF<br />

Örtliche Reaktion Reizung starke Reizung Hornhautulceration (größerflächig)<br />

am Auge Rötung Hornhautabschilferung Perforation<br />

Tränen geringe punktartige Hornhautulceration Dauerschaden<br />

leichtes Lidödem<br />

178


Literatur:<br />

1. Albrecht, K.: Intensivtherapie akuter Vergiftungen, Ullstein<br />

Mosby, Berlin, Wiesbaden 1997<br />

2. Buff, K.; Greim, H.: Abschätzung der gesundheitlichen<br />

Folgen von Großbränden. In: Bundesamt für Zivilschutz<br />

(Hrsg.): Zivilschutz-Forschung. Schriftenreihe der Schutzkommission<br />

beim Bundesminister des Innern, Band 25,<br />

Bonn, 1997<br />

3. Ellenhorn, M. J.: Ellenhorn`s Medical Toxicology: Diagnosis<br />

and Treatment of Human Poisoning, 2nd ed., Williams &<br />

Wilkins, Baltimore 1997<br />

4. Haddad, L. M.; Winchester, J. F.: Clinical management of<br />

poisoning and drug overdose, 2nd ed., W. B. Saunders<br />

Company, Philadelphia 1990<br />

5. Jaeger, A.; Vale, A.: Intoxications aigues, Elsevier, Paris,<br />

1999<br />

6. Marquardt, H.; Schäfer, S.G.: Lehrbuch der Toxikologie, BI-<br />

Wissenschafts-Verlag, Mannheim, Leipzig; Wien; Zürich,<br />

1994<br />

7. Matz, G.: Untersuchung der Praxisanforderung an die<br />

Analytik bei der Bekämpfung großer Chemieunfälle. In:<br />

Bundesamt für Zivilschutz (Hrsg.): Zivilschutz-Forschung.<br />

Schriftenreihe der Schutzkommission beim Bundesminister<br />

des Inneren, Band 30, Bonn, 1998<br />

8. Mühlendahl von, K. E. u. a.: Vergiftungen im Kindesalter, 3.<br />

Aufl., Ferdinand Enke, Stuttgart, 1995<br />

9. Organisation for Economic Co-Operation and Development.<br />

Environment Monograph No. 81. Health Aspects of Chemical<br />

Accidents. Guidance on Chemical Accident Awareness,<br />

Preparedness and Response for Health Professionals<br />

and Emergency Responders, Paris, 1994<br />

10. Persson, H. E. u.a.: Poison Severity Score. Grading of Acute<br />

Poisoning, In: J Toxicol Clin Toxicol, 1998, S. 205 –213<br />

11. Roth, L.: Chemie-Brände und Vorsorgemaßnahmen, ecomed,<br />

Landsberg / Lech,1989<br />

12. Sidell, F. R. u.a.: Medical Aspects of Chemical and Biological<br />

Warfare, Washington, D.C.: Borden Institute, Walter Reed<br />

Army Medical Center; Falls Church, Va.: Office of the<br />

Surgeon General, United States Army; Fort Sam Houston,<br />

Tex.: United States Army Medical Department Center and<br />

School; Fort Detrick, Frederick, Md.: United States Army<br />

Medical Research and Material Command; Bethesda, Md.:<br />

Uniformed Services University of Health Sciences, 1997<br />

179


13. Seuchenhygiene und –bekämpfung<br />

J. Knobloch, E.-J. Finke, B. Domres<br />

Infektionskrankheiten können infolge von Katastrophen gehäuft<br />

auftreten oder durch epidemische Ausbreitung selbst zur Katastrophe<br />

werden. Gegenwärtig müssen aus katastrophenmedizinischer<br />

Sicht etwa 50 Infektionserreger berücksichtigt werden,<br />

die im Rahmen von natürlichen Übertragungen oder durch<br />

gezielte bioterroristische, kriminelle oder militärische Kontamination<br />

Seuchen (Epidemien) verursachen können.<br />

1. Gemeinsame Leitsymptome im Seuchenfall<br />

Das gehäufte Auftreten von bestimmten gleichartigen Symptomen<br />

weist auf eine Epidemie hin. Solche bedeutsamen Leitsymptome<br />

sind<br />

– Fieber<br />

– Durchfall<br />

– Nervenschäden<br />

– Blutungsneigung<br />

Unter Berücksichtigung von epidemiologischen Gemeinsamkeiten<br />

in der betroffenen Population kann so die Differenzialdiagnose<br />

meistens rasch eingeengt werden. Üblicherweise<br />

kann bei systemischen Infektionskrankheiten mit Inkubationszeiten<br />

von 1 bis 21 Tagen gerechnet werden. Einige Infektionen<br />

können auch erst nach Jahren symptomatisch werden<br />

wie Melioidose, Histoplasmose, Malaria tertiana und Malaria<br />

quartana.<br />

1.1 Fieber<br />

Fieber ist ein vieldeutiges Symptom. Hilfreich für die Differenzialdiagnose<br />

von fieberhaften Infektionen sind zusätzliche klinische<br />

Befunde wie Hautausschläge (Exantheme), Rachenrötung, Milzvergrößerung<br />

(Splenomegalie) und Lymphknotenschwellung, orientierende<br />

Laborbefunde wie Blutbild, BSG (Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit),<br />

CRP (C-reaktives Protein) und leberspezifische<br />

Enzyme sowie Hinweise auf Läsionen in inneren Organen mit Hilfe<br />

der bildgebenden Diagnostik. Virustypische Blutbildveränderungen<br />

sind Thrombozytopenie (Verminderung der Blutplättchenkonzentration)<br />

und vermehrt aktivierte Lymphozyten. Eine Leukozytose mit<br />

Linksverschiebung (Vermehrung der weißen Blutkörperchen, insbesondere<br />

auch von jugendlichen Zellformen) weist auf eine bakte-<br />

180


ielle Allgemeininfektion hin. Hohe CRP-Werte sprechen eher für<br />

eine bakterielle, nur mäßig erhöhte eher für eine Virusinfektion. Die<br />

leberspezifischen Enzymwerte im Serum (z.B. GOT und GPT) sind<br />

bei den meisten systemischen viralen, bakteriellen, parasitären und<br />

Pilzbedingten Infektionen mäßig erhöht. Sehr hohe Werte (GPT/<br />

GOT) findet man typischerweise z.B. bei der Hepatitis A und der<br />

Hepatitis E sowie (GOT/GPT) beim viralen hämorrhagischen Fieber.<br />

Schwere Krankheiten ohne labortechnische Entzündungszeichen<br />

und ohne Splenomegalie sprechen eher für eine Vergiftung<br />

(Intoxikation), wobei die Gifte (Toxine) allerdings auch von Mikroorganismen,<br />

insbesondere Bakterien wie Clostridium sp., stammen<br />

können. Zu Beginn ähneln sich alle fieberhaften Erkrankungen,<br />

sodass insbesondere keine Prognose hinsichtlich der Sterberate<br />

der Erkrankten (Letalität) gestellt werden kann. Im Einzel- wie im<br />

Seuchenfall ist daher eine Frühdiagnose anzustreben, um insbesondere<br />

gezielt behandlungsbedürftige oder absonderungspflichtige<br />

Patienten schnellstmöglich zu identifizieren. Im Einzelnen kommen<br />

folgende fieberhafte Infektionskrankheiten als seuchenfähig<br />

infrage (alphabetisch):<br />

1.1.1 Affenpocken<br />

(Erreger: Affenpockenvirus, monkeypox virus, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) kommen im tropischen Regenwald Zentralund<br />

Westafrikas vor. Eine direkte Übertragung von Mensch zu<br />

Mensch auf dem Luftweg ist möglich. Typisch ist eine pockenartige<br />

Hautbläschenbildung. Der Erregernachweis gelingt mit<br />

Bläscheninhalt. Die Prophylaxe mit Pockenimpfstoffen ist effektiv.<br />

1.1.2 Brucellose<br />

(Erreger: Brucella melitensis, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist weltweit verbreitet. Man infiziert sich über Schleimhaut- oder<br />

Wundkontakt mit infizierten Nutztieren und deren Produkte wie<br />

Urin, Kot, Milch und Käse. Typisch sind grippeartige Symptome<br />

und ein wellenförmiger Fieberverlauf. Der Bakteriennachweis<br />

gelingt mit Blut oder Knochenmark und indirekt durch spezifische<br />

Serumantikörper. Die Therapie ist antibiotisch: Doxycyclin +<br />

Rifampicin, Doxycyclin + Streptomycin oder Azithromycin. Nach<br />

Kontakt mit nachgewiesenermaßen infizierten Tieren kann eine<br />

postexpositionelle Chemoprophylaxe mit Doxycyclin + Rifampicin<br />

durchgeführt werden. Impfstoffe für Menschen und Tiere sind<br />

regional verfügbar und in der Weiterentwicklung.<br />

1.1.3 Chikungunya<br />

(Erreger: Chikungunya-Virus, chikungunya virus, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist verbreitet in Afrika und Asien und wird<br />

181


durch verschiedene Stechmückenarten übertragen. Es entwickelt<br />

sich eine akute, grippeartige Erkrankung mit heftigen<br />

Gliederschmerzen und einem rötlichen, fleckförmigen, juckenden<br />

Exanthem. Der Erregernachweis gelingt mit Blut oder durch<br />

Nachweis spezifischer Serumantikörper. Die Therapie ist symptomatisch.<br />

1.1.4 Dengue, Dengue-Fieber<br />

(Erreger: Dengue-Virus 1-4, dengue virus 1-4, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist weltweit in den Tropen und Subtropen verbreitet<br />

und wird durch Stechmücken (Aedes spp.) übertragen.<br />

Die Krankheit verläuft akut grippeartig mit Gliederschmerzen<br />

und rötlichem Exanthem. Komplizierte Verläufe mit Kreislaufschock,<br />

Blutungsneigung und Enzephalitis sind möglich. Der<br />

Erregernachweis gelingt mit Blut oder durch Nachweis spezifischer<br />

IgM- und IgG-Serumantikörper. Die Therapie ist symptomatisch.<br />

Impfstoffe sind in der Erprobung.<br />

1.1.5 Diphtherie<br />

(Erreger: Corynebacterium diphtheriae) ist weltweit verbreitet,<br />

hauptsächlich in Ländern mit mangelhafter Durchimpfungsrate.<br />

Die Bakterien werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die<br />

Erkrankung verläuft akut mit schmerzhafter Rachenentzündung<br />

und nachfolgender Ausbildung von gräulichen, nicht wegwischbaren<br />

Belägen (Pseudomembranen), beginnend meist auf den<br />

Tonsillen, danach Ausbreitung auf den gesamten Nasen-Rachenraum,<br />

bei kompliziertem Verlauf Erstickungstod in der akuten<br />

Phase oder toxische Herz-, Nieren- und Nervenschäden auch<br />

noch Wochen nach Beginn der Symptomatik. Auch Hautdiphtherie<br />

mit schmerzhaften, gräulich belegten Geschwüren ist möglich.<br />

Der Bakteriennachweis gelingt mit Rachen- oder Wundabstrichen,<br />

der zusätzliche Toxinnachweis ist erforderlich. Die<br />

spezielle Therapie wird mit Diphtherie-Antitoxin + Penicillin oder +<br />

Erythromycin durchgeführt. Die Impfung ist gut wirksam. Zudem<br />

kann eine postexpositionelle Chemoprophylaxe mit Penicillin<br />

oder Erythromycin bei ungeimpften Kontaktpersonen durchgeführt<br />

werden.<br />

1.1.6 Fleckfieber<br />

(Erreger: Rickettsia prowazekii, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist weltweit verbreitet, hauptsächlich in gemäßigten Klimazonen<br />

von Entwicklungsländern. Es handelt sich um eine typische<br />

Kriegs-, Lager- und Gefängnisseuche. Sie wird durch<br />

Läuse übertragen. Es entwickelt sich ein akutes Krankheitsbild<br />

mit starken Kopf- und Gliederschmerzen, Schüttelfrost und sich<br />

zentrifugal ausbreitendem Exanthem. Komplizierte Verläufe mit<br />

182


Eintrübung, Blutungsneigung sowie Finger- und Zehenbrand<br />

(Gangrän) sind möglich. Spätrückfälle können noch nach Jahren<br />

auftreten: Brill-Zinsser-Krankheit. Der Nachweis wird vorzugsweise<br />

durch spezifische IgM- und IgG-Serumantikörper geführt.<br />

Die antibiotische Therapie wird mit Doxycyclin, Tetracyclin,<br />

Chloramphenicol oder Ciprofloxacin durchgeführt. Ein inaktivierter<br />

Impfstoff ist regional verfügbar. Die postexpositionelle<br />

Chemoprophylaxe mit Doxycyclin oder Ciprofloxacin ist wahrscheinlich<br />

wirksam.<br />

1.1.7 Hepatitis A<br />

(Erreger: Hepatitis A-Virus, HAV, hepatitis A virus) ist weltweit verbreitet<br />

und wird fäkal-oral übertragen über kontaminierte<br />

Nahrungsmittel, selten direkt von Mensch zu Mensch. Die Krankheit<br />

verläuft im Kindesalter meist asymptomatisch, beim Erwachsenen<br />

besteht üblicherweise ein biphasisches Krankheitsbild mit<br />

Fieber und Allgemeinbeschwerden in der 1. Woche, Gelbsucht<br />

(Ikterus) ab der 2. Woche. Die leberspezifischen Enzymwerte im<br />

Serum sind stark erhöht (GPT-Wert höher als der GOT-Wert). Der<br />

Nachweis wird üblicherweise durch spezifische IgM- und IgG-<br />

Serumantikörper geführt. Die Therapie ist symptomatisch. Aktive<br />

und passive Impfungen sind gut wirksam.<br />

1.1.8 Hepatitis E<br />

(Erreger: Hepatitis E-Virus, HEV, hepatitis E virus) ist weltweit,<br />

überwiegend in tropischen Entwicklungsländern, verbreitet und<br />

wird fäkal-oral, überwiegend durch Lebensmittel und Trinkwasser,<br />

selten direkt von Mensch zu Mensch, übertragen. Es<br />

entwickelt sich eine akute Erkrankung mit Ikterus (Gelbsucht),<br />

die leberspezifischen Enzymwerte im Serum sind stark erhöht<br />

(GPT-Wert höher als der GOT-Wert. Gegen Ende der<br />

Schwangerschaft verläuft die Krankheit besonders schwer. Die<br />

Therapie ist symptomatisch. Impfstoffe sind in der Entwicklung.<br />

1.1.9 Histoplasmose<br />

(Erreger: Histoplasma capsulatum, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist herdförmig verbreitet in Amerika, Afrika, Indonesien,<br />

Australien, Europa und in der Karibik und wird fast ausschließlich<br />

durch Einatmen von Pilzsporen aus dem Erdreich<br />

übertragen. Der Verlauf ist schleichend chronisch oder auch<br />

akut mit wechselnden Allgemeinsymptomen, Brustschmerzen<br />

und Husten, gelegentlich auch mit einem rötlichen Hautausschlag<br />

(Erythema nodosum oder Erythema multiforme). Typisch<br />

ist eine tuberkuloseähnliche Lungenentzündung. Schwere<br />

Verläufe sowie Erst- und Reaktivierungen früherer Infektionen<br />

nach Jahren sind typisch für erworbene Immundefekte (Aids-<br />

183


definierende Erkrankung). Bei der afrikanischen Form ist weniger<br />

die Lunge als Haut und Knochen mit Geschwülsten, Geschwüren<br />

und eitrigen Einschmelzungen beteiligt. Der Nachweis<br />

wird bevorzugt durch molekularbiologische Methoden wie PCR<br />

(Polymerase-Kettenreaktion) mit Sputum, Blut, Knochenmark<br />

oder Organpunktaten geführt. Antimykotisch sind Itraconazol<br />

und Ketoconazol wirksam. Bei Immundefekt wird die postexpositionelle<br />

und Rezidiv-Chemoprophylaxe nach Erkrankung mit<br />

Itraconazol empfohlen.<br />

1.1.10 Influenza, Grippe, Virusgrippe<br />

(Erreger: Influenza A-, B-, C-Virus, influenza A, B, C virus, mögliche<br />

biologische Kampfstoffe) ist weltweit verbreitet. Influenza A- und B-<br />

Viren verändern häufig ihre für die Empfänglichkeit und Immunität<br />

des Wirtes wesentlichen Moleküle (Hämagglutinin-Glykoprotein, H,<br />

und Neuraminidase-Glykoprotein, N), was bei der Impfstoffherstellung<br />

berücksichtigt werden muss. Die Viren werden durch<br />

Tröpfcheninfektion übertragen und sind hoch infektiös. Influenza-<br />

Pandemien (weltweite Epidemien) mit hoher Erkrankungs- und<br />

Sterberate, wie die sog. Spanische Grippe von 1918 mit 30 bis 50<br />

Mio. Toten, traten bisher in Abständen von 11–40 Jahren auf. Die<br />

Erkrankung verläuft akut mit Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen<br />

sowie trockenem Reizhusten. Komplizierte Verläufe mit Kreislaufschock,<br />

Blutungsneigung, Lungen- und Herzmuskelentzündung<br />

(P<strong>neu</strong>monie und Myokarditis) sowie Schäden im Bereich des zentralen<br />

Nervensystems (ZNS) wie im Verlauf einer Enzephalitis sind<br />

möglich. Der Erreger wird kulturell, immundiagnostisch oder molekularbiologisch<br />

im Rachenabstrich, Sputum oder Blut nachgewiesen.<br />

Die Therapie ist symptomatisch, Antibiotika werden nur bei<br />

Immundefekt gegeben. Bei Influenza A-Epidemien ist zu Beginn der<br />

Erkrankung Amantadin (auch postexpositionell für Kontaktpersonen<br />

geeignet), bei Influenza A- und B-Epidemien Zanamivir als<br />

spezifisches Virustatikum hilfreich. Die Impfung ist gut, aber nicht<br />

sehr gut wirksam. Optimierte Impfstoffe für Immundefizierte wurden<br />

bereits zugelassen. Bei Einsätzen in der südlichen Hemisphäre ist<br />

möglicherweise eine modifizierte Impfstoffzusammensetzung notwendig<br />

(lokale Impfstoffbeschaffung).<br />

1.1.11 Kokzidioidomykose<br />

(Erreger: Coccidioides immitis, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist überwiegend in Trockengebieten Amerikas verbreitet<br />

und wird meistens durch Inhalation von sporenhaltigem Staub<br />

übertragen. Es entwickelt sich eine eher schleichend verlaufende<br />

Lungenentzündung mit radiologisch darstellbaren Infiltraten,<br />

nachfolgend auch mit Aussaat auf andere Organe einschließlich<br />

der Haut mit Abszessen, Geschwüren und Fisteln. Eine häufige<br />

184


Todesursache ist die spezifische Hirnhautentzündung (Meningitis).<br />

Der Pilz wird in Abstrichen, Aspiraten und Biopsien durch<br />

Kultur und PCR nachgewiesen. Die antimykotische Therapie<br />

wird mit Itraconazol, Ketoconazol, Amphotericin B oder Fluconazol<br />

durchgeführt.<br />

1.1.12 Kryptokokkose<br />

(Erreger: Cryptococcus neoformans, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) kommt weltweit vor und wird durch Einatmen von<br />

kontaminiertem Staub übertragen. Der Verlauf ist eher schleichend<br />

und chronisch mit verschiedenen Symptomen je nach<br />

Organbefall: bevorzugt Lungen-, Gehirn- und Hirnhautentzündung<br />

(P<strong>neu</strong>monie, Enzephalitis, Meningitis). Der Erregernachweis<br />

ist möglich durch PCR oder Pilzkultur mit Hirnwasser<br />

(Liquor), Urin und Gewebeproben sowie durch spezifischen<br />

Antigennachweis mit Serum. Therapeutisch kann Amphotericin<br />

B + Flucytosin + Fluconazol gegeben werden. Als Rückfallprophylaxe<br />

werden Fluconazol oder Itraconazol über Monate,<br />

bei Immundefekt auch lebenslang gegeben.<br />

1.1.13 Läuse-Rückfallfieber<br />

(Erreger: Borrelia recurrentis) ist dem Fleckfieber epidemiologisch<br />

und klinisch sehr ähnlich. Es handelt sich um eine typische Lagerund<br />

Gefängniskrankheit der gemäßigten Zonen von Entwicklungsländern.<br />

Die Erreger können einfach mikroskopisch im<br />

Blutausstrich nachgewiesen werden. Therapeutisch sind Doxycyclin,<br />

Tetracyclin, Penicillin und Erythromycin wirksam.<br />

1.1.14 Legionellose<br />

(Erreger: Legionella p<strong>neu</strong>mophila, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist weltweit verbreitet. Primäres Reservoir ist das Süßwasser<br />

mit Idealtemperaturen zwischen 25 und 55°C, insbesondere<br />

mit Wasser benetzte Oberflächen, z. B. in Rohren,<br />

Armaturen und Klimaanlagen. Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht<br />

besonders bei älteren und schlecht gewarteten oder auch<br />

nur zeitweilig genutzten Warmwasserleitungen und –behältern.<br />

Die Bakterien werden überwiegend durch Einatmen von<br />

Spritzwasser, z.B. beim Duschen, in klimatisierten Räumen oder<br />

in Whirlpools übertragen. Die Krankheit beginnt akut oder schleichend<br />

mit grippeartigen Symptomen, schwerem Krankheitsgefühl,<br />

Brustschmerzen und Husten, gelegentlich folgt Eintrübung<br />

oder Verwirrtheit. Typisch ist eine radiologisch<br />

nachweisbare Lungenentzündung. Der leichte Verlauf ohne Lungenentzündung<br />

wird als Pontiac-Fieber bezeichnet. Kulturelle,<br />

immundiagnostische und molekularbiologische Testsysteme für<br />

Urin-, Sputum- und Blutproben stehen zur Verfügung. Anti-<br />

185


iotisch wird mit Erythromycin, Azithromycin, Clarithromycin oder<br />

Ciprofloxacin, bei schweren Fällen zusätzlich mit Rifampicin<br />

behandelt. Bei <strong>neu</strong> zu planenden Trinkwassererwärmungs- und<br />

Leitungsanlagen sollen die Empfehlungen des Deutschen Vereins<br />

für das Gas- und Wasserfach beachtet werden: DVGW W 551.<br />

1.1.15 Malaria<br />

(Erreger: Plasmodium falciparum, Plasmodium vivax, Plasmodium<br />

ovale und Plasmodium malariae) ist weltweit in den<br />

Tropen und Subtropen verbreitet und wird durch Stechmücken<br />

(Anopheles sp.) übertragen. Vier klinische Formen werden unterschieden:<br />

unkomplizierte Malaria tropica und komplizierte<br />

Malaria tropica durch Plasmodium falciparum, Malaria tertiana<br />

durch Plasmodium vivax oder Plasmodium ovale, Malaria quartana<br />

durch Plasmodium malariae. Die Malaria tropica verläuft<br />

am schwersten, Malaria tertiana und quartana verursachen<br />

gelegentlich rhythmische Fieberschübe (jeden 2. oder 3. Tag).<br />

Es besteht eine akute Erkrankung mit grippeartigen Symptomen,<br />

bei Teilimmunität (nur Bewohner endemischer Gebiete)<br />

ist auch ein schleichender Verlauf möglich. Bei Komplikationen<br />

entwickeln sich Kreislaufschock, Blutungsneigung, Eintrübung<br />

und Tod durch Multiorganversagen. Der Erregernachweis<br />

gelingt mikroskopisch mit Blutproben (Dicker Tropfen, Fluoreszenz-Mikrohämatokrit-Anreicherung,<br />

Erregerdifferenzierung im<br />

fixierten Blutausstrich). Zur Therapie stehen Mefloquin,<br />

Atovaquon-Proguanil, Chinin, Doxycyclin, Clindamycin, Chloroquin<br />

sowie zusätzlich international erhältliche Präparate zur<br />

Verfügung, die kombiniert oder als Monotherapie eingesetzt<br />

werden. Chloroquin, Mefloquin, Atovaquon-Proguanil und Doxycyclin<br />

können auch prophylaktisch eingesetzt werden. Zur<br />

Rückfallprophylaxe der Malaria tertiana ist Primaquin geeignet.<br />

Impfstoffe sind in Erprobung.<br />

1.1.16 Malleus, Rotz, glanders<br />

(Erreger: Burkholderia mallei, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist weltweit in Einzelherden (gelegentlich im Zoo) verbreitet und wird<br />

über Schleimhäute und Hautläsionen nach engem Kontakt mit infizierten<br />

Pferden, Maultieren, Eseln und Mauleseln oder auch mit infizierten<br />

Menschen übertragen. Es entwickelt sich eine akute Erkrankung<br />

mit Hautpusteln, schmerzhaften Lymphknotenschwellungen<br />

und Abszessbildungen in inneren Organen. Chronische Verlaufsformen<br />

mit Rückfällen sind möglich. Der Bakteriennachweis wird<br />

kulturell mit Blut, Wundabstrichen und Abszesspunktaten geführt.<br />

Therapeutisch werden Ceftazidim, Imipenem, Doxycyclin, Ciprofloxacin<br />

oder Gentamicin, auch als Kombination entsprechend<br />

Sensibilitätsprüfung, eingesetzt.<br />

186


1.1.17 Melioidose<br />

(Erreger: Burkholderia pseudomallei, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist innerhalb des 20. nördlichen und südlichen<br />

Breitengrades heimisch, hauptsächlich in SO-Asien, und wird<br />

durch Kontakt (Wunden, Schleimhäute, Einatmen, Verschlucken)<br />

mit kontaminiertem Wasser oder Erdreich übertragen. In<br />

Einzelfällen geht eine jahrelange Inkubationszeit voraus<br />

(„Zeitbomben-Krankheit“), insbesondere bei erworbenen Immundefekten<br />

und Diabetes mellitus. Akute oder chronische Verläufe<br />

mit Lymphknotenschwellung, eitrigen Hautwunden, multiplen<br />

Abszessen und Lungenentzündung sind typisch. Der Erregernachweis<br />

gelingt durch Kultur aus Abszess-Aspirat, Wundabstrich,<br />

Sputum, Rachenabstrich und Blut. Therapeutisch werden<br />

Ceftazidim, Imipenem, Doxycyclin oder Ciprofloxacin, auch<br />

kombiniert entsprechend Sensibilitätsprüfung, eingesetzt.<br />

1.1.18 Pocken<br />

(Erreger: Pockenvirus, variola virus, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) gelten als ausgerottet, es werden jedoch noch<br />

Laborstämme des Virus vorgehalten. Nach Übertragung von<br />

Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion entwickeln sich<br />

schwere Allgemeinsymptome mit bläschenförmigem Hautausschlag;<br />

die Hautläsionen sind, im Gegensatz zu Windpocken,<br />

weitgehend im gleichen Entwicklungsstadium: Papel, Bläschen,<br />

Pustel oder verschorftes Geschwür. Der Nachweis gelingt durch<br />

Virusanzucht mit Bläscheninhalt. Eine Differenzierung gegenüber<br />

Windpocken-Viren (Varizella-Zoster-Virus 1 = humanes Herpesvirus<br />

3) ist elektronenmikroskopisch möglich. Die Therapie ist<br />

symptomatisch. Die wirksamen Impfstoffe sind nicht mehr allgemein<br />

verfügbar. Die Krankheit ist quarantäne- und hospitalisationspflichtig.<br />

1.1.19 Psittakose, Ornithose, Papageienkrankheit<br />

(Erreger: Chlamydophila psittaci, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist weltweit verbreitet und wird durch Einatmen erregerhaltigen<br />

Staubes übertragen, selten ist die direkte Übertragung von<br />

Mensch zu Mensch. Es entwickelt sich eine akute Erkrankung<br />

mit schwerem Krankheitsgefühl, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen.<br />

Eine radiologisch nachweisbare Lungenentzündung<br />

(atypische P<strong>neu</strong>monie) ist üblich. Der Erregernachweis wird<br />

meistens indirekt über spezifische Serumantikörper geführt.<br />

Therapeutisch werden Doxycyclin, Tetracyclin, Erythromycin<br />

oder Ciprofloxacin gegeben.<br />

1.1.20 Q-Fieber<br />

(Erreger: Coxiella burnetii, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

187


ist weltweit verbreitet und wird durch Einatmen von kontaminiertem<br />

Staub oder direkt durch Kontakt mit infizierten Nutztieren<br />

und deren Urin, Fruchtwasser, Milch oder Fleisch übertragen.<br />

Es entwickelt sich eine akute Erkrankung mit Husten, Kopfund<br />

Muskelschmerzen. Typisch ist eine radiologisch nachweisbare<br />

Lungenentzündung (atypische P<strong>neu</strong>monie). Komplikationen<br />

bestehen in ZNS-Schäden (Enzephalitis), Nierenschäden<br />

(Immunkomplexnephritis) und chronischen Verläufen<br />

mit Leber- (granulomatöse Hepatitis) oder Herzklappenentzündung<br />

(Endokarditis). Der Erregernachweis wird üblicherweise<br />

indirekt über spezifische Serumantikörper geführt. Therapeutisch<br />

wird Doxycyclin verabreicht, bei Endokarditis eine<br />

Langzeittherapie mit Doxycyclin + Rifampicin. Eine Impfung für<br />

besonders Exponierte ist regional verfügbar. Eine postexpositionelle<br />

Chemoprophylaxe kann mit Doxycyclin oder Tetracyclin für<br />

5 Tage ab dem 8. Tag nach der Exposition durchgeführt werden.<br />

1.1.21 Rift Valley-Fieber<br />

(Erreger: Rift Valley-Fieber-Virus, Rift Valley fever virus, möglicher<br />

biologischer Kampfstoff) ist in Afrika heimisch. Menschliche<br />

Erkrankungen entstehen meistens im Rahmen von Seuchen unter<br />

den Reservoirtieren (Wiederkäuer). Das Virus wird durch verschiedene<br />

Stechmückenarten oder kontaminierte Aerosole von infizierten<br />

Schlachttieren und Tierkadavern auf den Menschen übertragen.<br />

Es entsteht eine akute grippeartige Erkrankung mit Kopf- und<br />

Muskelschmerzen, gelegentlich auch mit einer starken Leberentzündung<br />

(fulminante Hepatitis). Mögliche Komplikationen ab der<br />

2. Krankheitswoche sind ZNS-Schäden (Enzephalitis), Augenschäden<br />

(Retinitis) und Blutungsneigung. Der Erreger kann aus<br />

Serum oder Gewebe kulturell oder molekularbiologisch (PCR)<br />

nachgewiesen werden, zudem gibt es spezifische Serumantikörper-Tests.<br />

Die Therapie ist symptomatisch. Die Effektivität von<br />

Ribavirin und Immunplasma sind in Erprobung. Nutztiere in<br />

Endemiegebieten können geimpft werden. Ein Humanimpfstoff ist<br />

lokal für Epidemien verfügbar.<br />

1.1.22 Rocky Mountain-Fleckfieber, Rocky Mountain spotted<br />

fever, RMSF, Zeckentyphus, Sao Paulo-Fieber<br />

(Erreger: Rickettsia rickettsii, möglicher biologischer Kampfstoff) ist<br />

nur in Amerika verbreitet und wird durch Zeckenstiche übertragen.<br />

Es entwickelt sich eine akute, schwere Krankheit mit grippeartigen<br />

Symptomen, Nervenschäden, Magen-Darmbeschwerden, kleinfleckigem<br />

Hautausschlag mit zentripetaler Ausbreitung, Schockund<br />

Blutungsneigung. Gelegentlich sieht man eine persistierende<br />

Papel mit zentraler Nekrose (Eschar) an der Zeckenstichstelle. Der<br />

übliche Erregernachweis wird indirekt über spezifische Serum-<br />

188


antikörper geführt. Therapeutisch werden Tetracyclin, Doxycyclin<br />

oder Chloramphenicol und zusätzlich Cortison bei Schwerstkranken<br />

gegeben.<br />

1.1.23 Typhus abdominalis<br />

(Erreger: Salmonella typhi, möglicher biologischer Kampfstoff) ist<br />

weltweit verbreitet, hauptsächlich in Entwicklungsländern, und wird<br />

fäkal-oral übertragen, meistens über Trinkwasser oder Nahrungsmittel,<br />

selten von Mensch zu Mensch. Es entwickelt sich eine<br />

schleichend beginnende, grippeartige und nachfolgend eine<br />

schwere Krankheit mit anhaltend hohem Fieber (Kontinua), verschiedene<br />

Organkomplikationen einschließlich ZNS-Schäden,<br />

gelegentlich kleinen, wegdrückbaren, rötlichen Flecken auf der<br />

Bauchhaut (Roseolen). Ab der 4. Krankheitswoche ist ein Darmdurchbruch<br />

möglich (Typhusperforation). In Einzelfällen werden<br />

Bakterien mit dem Stuhl für 10 Wochen oder länger nach überstandener<br />

Erkrankung ausgeschieden (Dauerausscheider). In der<br />

Fieberphase fehlen regelmäßig die eosinophilen Granulozyten im<br />

Blutbild (Aneosinophilie). Der Erregernachweis wird kulturell<br />

geführt, zunächst mit Blut, ab der 3. Krankheitswoche auch mit<br />

Stuhl oder Urin. Therapeutisch wird Ciprofloxacin gegeben. Reservemittel<br />

sind Co-trimoxazol, Amoxicillin und Chloramphenicol. In<br />

jedem Fall soll die antibiotische Therapie entsprechend der<br />

Sensibilitätsprüfung optimiert werden. Impfstoffe sind weltweit verfügbar<br />

(oral und parenteral), jedoch noch nicht optimal wirksam.<br />

2. Durchfall<br />

Diarrhö als Leitsymptom weist auf Darminfektionen hin, obwohl<br />

er auch Begleitsymptom zahlreicher anderer Erkrankungen sein<br />

kann. Die Erreger werden dabei überwiegend mit dem Stuhl<br />

ausgeschieden und verunreinigen bei mangelhafter Hygiene<br />

Nahrungsmittel und Trinkwasser, wo sie sich halten oder sogar<br />

noch vermehren können, um so weitere Personen zu infizieren<br />

(fäkal-orale Übertragung). Durchfallerreger entfalten ihre krankmachende<br />

Wirkung durch Giftstoffe (Toxine), die auf die<br />

Darmwand wirken, oder durch Eindringen in die Darmwand<br />

(lokale Invasion), wodurch Entzündungen hervorgerufen werden.<br />

Zum Teil können sie auch Anschluss an die Blutbahn<br />

gewinnen und so komplizierende systemische Infektionen hervorrufen<br />

(systemische Invasion). Während sich bei der lokalen<br />

Darmintoxikation keine labortechnischen Entzündungszeichen<br />

finden, ist die Invasion neben Fieber durch entzündliche<br />

Veränderungen im Blutbild (z.B. Leukozytose) und im Serum<br />

(z.B. BSG- und CRP-Werte erhöht) gekennzeichnet. Die wesent-<br />

189


liche therapeutische Maßnahme besteht im oralen, ggf. parenteralen<br />

Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Azidoseausgleich (Anhang<br />

4.). Eine zusätzliche antibiotische Behandlung ist bei bakteriellen<br />

Darminfektionen nur notwendig, wenn Komplikationszeichen<br />

bestehen und für Patienten mit Immundefekt oder<br />

Sichelzellerkrankung. Parasitäre Darminfektionen sollen immer<br />

auch mit dem entsprechenden antiparasitär wirksamen Medikament<br />

behandelt werden.<br />

2.1 Campylobacter-Enteritis<br />

(Erreger: Campylobacter jejuni, Campylobacter coli, Campylobacter<br />

fetus) ist weltweit verbreitet und wird über Trinkwasser<br />

und Nahrungsmittel, Kontakt mit infizierten Tieren und selten<br />

auch direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Es entwickelt<br />

sich ein akuter, fieberhafter, wässriger, gelegentlich auch blutiger<br />

Durchfall mit grippeartigen Allgemeinsymptomen und<br />

Bauchschmerzen. Monozytose und Splenomegalie sind häufige<br />

Befunde. Die seltenen Komplikationen bestehen in Lähmungen<br />

(Guillain-Barré-Syndrom), Herzklappen- (Endocarditis lenta),<br />

Gelenks- (infektiöse Arthritis), Venen- (Phlebitis) oder Hirnhautentzündung<br />

(Meningitis). Der Erregernachweis wird durch<br />

Stuhlkultur geführt, die Feintypisierung zur Sicherung von<br />

Infektketten durch verschiedene molekularbiologische Methoden<br />

(PFGE, Flagellin-RFLP und AFLP). Die Therapie ist symptomatisch<br />

(Anhang 4.). Bei blutigem Durchfall und anhaltendem<br />

Fieber soll antibiotisch mit Erythromycin, Doxycyclin, Tetracyclin<br />

oder Ciprofloxacin behandelt werden, ggf. auch Umstellung<br />

nach Sensibilitätsprüfung.<br />

2.2 Cholera<br />

(Erreger: Vibrio cholerae, möglicher biologischer Kampfstoff) ist<br />

verbreitet in Entwicklungsländern Osteuropas, Asiens sowie<br />

Amerikas und wird fäkal-oral über Trinkwasser oder Nahrungsmittel,<br />

selten auch direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Es<br />

entwickelt sich ein akuter, wässriger, typischerweise massiver<br />

Durchfall, nur selten mit Fieber oder anderen Invasionszeichen,<br />

hervorgerufen durch Bakterientoxine; nur der bekapselte<br />

Serotyp O139 kann invasiv werden. Rasch entsteht eine insbesondere<br />

für Kinder lebensgefährliche Austrocknung (Exsikkose).<br />

Der Erregernachweis wird in der Stuhlkultur geführt. Die<br />

Therapie ist symptomatisch (Anhang 4.), bei schwerem Durchfall<br />

zusätzlich mit Doxycyclin (Erwachsene) oder Co-trimoxazol<br />

(Kinder). Die Cholera ist eine quarantäne- und hospitalisationspflichtige<br />

Erkrankung. Die verfügbaren Impfstoffe sind nur eingeschränkt<br />

wirksam. Zu Beginn einer Epidemie in Lagern wird<br />

aber die Massenimpfung empfohlen.<br />

190


2.3 Giardiasis, Lambliasis<br />

(Erreger: Giardia lamblia) ist weltweit verbreitet, gehäuft in<br />

Regionen mit mangelhafter Hygiene, und wird fäkal-oral, meistens<br />

nahrungsvermittelt, selten direkt von Mensch zu Mensch,<br />

übertragen. Epidemien kommen u.a. in Lagern, Kindergärten und<br />

Altenheimen vor. Es entsteht eine akute, chronische oder wiederkehrende<br />

wässrige Diarrhö mit Blähungen ohne Allgemeinsymptomatik.<br />

Der Nachweis gelingt mikroskopisch im Stuhl nach<br />

Anreicherung und durch spezifischen Antigen-Nachweis mit<br />

Stuhlüberstand. Die Therapie wird vorzugsweise mit Tinidazol<br />

durchgeführt.<br />

2.4 Rotavirus-Enteritis<br />

(Erreger: Rotavirus, rotavirus) ist weltweit verbreitet und wird<br />

fäkal-oral über Trinkwasser und Nahrungsmittel, seltener direkt<br />

von Mensch zu Mensch, übertragen. Es entwickelt sich ein akuter,<br />

wässriger Durchfall, überwiegend bei Kindern. Komplikationen<br />

wie eine ZNS-Schädigung (Enzephalitis) sind selten.<br />

Die Diagnose wird durch Nachweis spezifischer Antigene im<br />

Stuhlüberstand geführt. Die Therapie ist symptomatisch (Anhang<br />

4.). Die Impfstoffentwicklung war noch nicht sehr erfolgreich.<br />

2.5 Salmonellen-Enteritis<br />

(Erreger: Salmonella enteritidis und Salmonella typhimurium) ist<br />

weltweit verbreitet und wird durch Verzehr von kontaminierten<br />

Speisen, z.B. rohe oder unzureichend gekochte Eier, Rohmilch,<br />

Fleisch- und Geflügelprodukte, übertragen. Die fäkal-orale<br />

Übertragung von Mensch zu Mensch ist selten. Es entwickelt<br />

sich eine akute, meist fieberhafte Erkrankung mit wässrigem,<br />

selten blutigem Durchfall, Bauch- und Kopfschmerzen, Übelkeit<br />

und Erbrechen. Bei Invasion in die Blutbahn sind Komplikationen<br />

möglich: Abszesse in inneren Organen, Meningitis,<br />

Endokarditis, P<strong>neu</strong>monie, Pyelonephritis, Cholezystitis und<br />

Osteomyelitis; der Erregernachweis wird durch Stuhlkultur geführt.<br />

Die Therapie ist symptomatisch (Anhang 4.). Bei Invasionszeichen,<br />

Immundefekt oder Sichelzellerkrankung wird<br />

zusätzlich mit Ciprofloxacin, Ofloxacin, oder Amoxicillin behandelt,<br />

ggf. Umsetzung nach Sensibilitätsprüfung. Die antibiotische<br />

Therapie verlängert die Erregerausscheidung.<br />

2.6 Shigellose, Bakterienruhr<br />

(Erreger: Shigella boydii, Shigella dysenteriae, Shigella flexneri<br />

und Shigella sonnei, mögliche biologische Kampfstoffe, insbesondere<br />

auch die Bakterien-Toxine) ist weltweit verbreitet und<br />

wird durch fäkal-orale Schmierinfektion, meist über Lebensmittel,<br />

seltener direkt von Mensch zu Mensch, schon in einer<br />

191


niedrigen Infektionsdosis übertragen. Es entwickelt sich eine<br />

akute Erkrankung mit Durchfall (typischerweise blutig-schleimiger<br />

Stuhl) und Bauchkrämpfen, bei Kindern auch Krampfanfälle<br />

und Septikämie (Bakterien im Blut). Komplikationen durch ein<br />

hämolytisch-urämisches Syndrom (Blutauflösung und Nierenversagen)<br />

sind möglich. Die Erreger werden in der Stuhlkultur<br />

nachgewiesen. Die Therapie ist symptomatisch (Anhang 4.), bei<br />

schwerer Krankheit auch antibiotisch, z.B. mit Ciprofloxacin.<br />

2.7 Staphylokokken-Enteritis<br />

(Erreger: Staphylococcus aureus, die Bakterien-Toxine werden<br />

als mögliche biologische Kampfstoffe angesehen) ist weltweit<br />

verbreitet und wird durch Nahrungsmittel übertragen. Es entwickeln<br />

sich akuter wässriger Durchfall und gelegentliche Komplikationen<br />

mit Kreislaufschock und Blutungsneigung. Erreger<br />

und Toxine werden in den zuvor aufgenommenen Nahrungsmitteln<br />

nachgewiesen. Die Therapie ist symptomatisch<br />

(Anhang 4.).<br />

2.8 Yersinien-Enteritis<br />

(Erreger: Yersinia enterocolitica) ist weltweit in gemäßigten<br />

Klimazonen verbreitet und wird durch Nahrungsmittel, besonders<br />

unzureichend erhitztes Schweinefleisch, Trinkwasser oder<br />

selten auch direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Es entwickeln<br />

sich akuter wässriger Durchfall und Bauchschmerzen.<br />

Typische, aber seltene Begleit- und Nachkrankheiten: rötliche,<br />

erhabene, großfleckige Hautausschläge (Erythema nodosum),<br />

Gelenksentzündung (reaktive Arthritis), Harnröhrenreizung (Urethritis),<br />

Augenentzündung (Iritis). Der Erregernachweis gelingt in<br />

der Stuhlkultur. Die Therapie ist symptomatisch (Anhang 4.), bei<br />

schwerer Krankheit oder bekanntem Immundefekt auch antibiotisch<br />

mit Co-trimoxazol, Doxycyclin, Tetracyclin oder Ciprofloxacin.<br />

3. Nervenschäden<br />

Nervenschäden mit Fieber treten bei zahlreichen systemischen<br />

Infektionen auf. Ohne Fieber und andere Invasionszeichen sind<br />

sie häufig Ausdruck von Intoxikationen (Vergiftungen), wobei die<br />

Giftstoffe (Toxine) auch aus Infektionserregern stammen können.<br />

Bei Zeichen einer ZNS-Schädigung ist die diagnostische Punktion<br />

der Rückenmarkflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) bedeutsam.<br />

Ist der Liquor trübe und zellreich, so kann eine bakterielle<br />

Infektion unter Beteiligung der Hirnhäute (bakterielle Meningitis,<br />

z.B. durch Neisseria meningitidis) angenommen werden. Ist der<br />

192


Liquor eher klar und zellarm, so spricht der Befund bei<br />

Meningitis-Zeichen (z.B. Nackensteifigkeit) eher für eine<br />

Virusmeningitis. Bei ausschließlicher Schädigung des Gehirns<br />

(z.B. bei Enzephalitis) ist der Liquor immer klar und zellarm.<br />

3.1 Botulismus<br />

(Erreger: Clostridium botulinum, die Bakterien-Toxine werden<br />

als mögliche biologische Kampfstoffe angesehen) ist weltweit<br />

verbreitet und wird durch Verzehr oder Inhalation von Toxinen,<br />

die unter anaeroben (sauerstoffarmen) Bedingungen gebildet<br />

werden können, meistens mit hausgemachten und nicht ausreichend<br />

erhitzten Konserven aufgenommen. Zu Beginn kommt es<br />

zu Magen-Darmbeschwerden, nachfolgend treten verschwommenes<br />

Sehen, Doppelbilder, Lichtscheu, Schluckstörungen,<br />

trockener Mund und absteigende schlaffe Lähmungen auf.<br />

Fieber entwickelt sich nur bei komplizierenden Sekundärinfektionen.<br />

Die Erholungsphase ist verzögert, falls die Intoxikation<br />

überlebt wird. Die Sonderformen des infantilen und des<br />

Wundbotulismus kommen nicht epidemisch vor. Die Toxine werden<br />

in Serum-, Stuhl- oder Nahrungsmittelproben nachgewiesen.<br />

Die Therapie wird mit Antitoxin unter intensivmedizinischer<br />

Überwachung durchgeführt.<br />

3.2 Frühsommer-Meningo-Enzephalitis, FSME, TBE, RSSE<br />

(Erreger: FSME-Virus, tick-borne encephalitis virus, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist verbreitet von Europa nach Osten bis<br />

Hokkaido, Japan, und wird übertragen durch Zecken (Holzbock,<br />

Ixodes ricinus), möglicherweise auch durch Milch von Nutztieren.<br />

Es entsteht eine akute, fieberhafte, gelegentlich biphasische<br />

Erkrankung: grippeartig in der 1. Woche, in 10 % 2. Phase in der 2.<br />

Krankheitswoche mit er<strong>neu</strong>tem Fieberanstieg (39°C), heftigen<br />

Kopf- und Gliederschmerzen mit starkem Krankheitsgefühl bei klinischer<br />

Meningitis oder Enzephalitis mit entsprechenden ZNS-<br />

Schäden, dabei zu 10 % bleibende Defekte mit Lähmungen und<br />

Gemütsleiden. Die Diagnose wird gestellt durch Nachweis spezifischer<br />

IgM- und IgG-Serumantikörper oder molekularbiologisch<br />

(PCR) mit Blut und Liquor. Die Therapie ist symptomatisch. Immunprophylaxe<br />

ist möglich durch eine aktive Schutzimpfung mit<br />

inaktiviertem Virus sowie postexpositionell mit FSME-Hyperimmunglobulin<br />

(bei Kindern unter 14 Jahren in Deutschland nicht<br />

zugelassen). Die Wirkung dieser Maßnahmen ist nicht wissenschaftlich<br />

gesichert.<br />

3.3 Japanische Enzephalitis<br />

(Erreger: Japanische Enzephalitis-Virus, JE-Virus, Japanese<br />

encephalitis virus, möglicher biologischer Kampfstoff) ist nur in<br />

193


Asien verbreitet und wird durch Stechmücken (Culex sp.) übertragen.<br />

Es entwickelt sich eine akute, fieberhafte, grippeartige<br />

Erkrankung mit Hirnhaut- und Gehirnschädigung (Meningo-Enzephalitis)<br />

unter Bevorzugung von Kindern und Alten. Zu etwa<br />

80 % ist mit einer permanenten Nervenschädigung zu rechnen;<br />

Nachweis: spezifischer IgM- und IgG-Serumantikörper; spezifische<br />

PCR und Viruskultur vorzugsweise mit Liquor. Die Therapie<br />

ist symptomatisch. Die Schutzimpfung gilt als wirksam.<br />

3.4 Meningokokken-Meningitis<br />

(Erreger: Neisseria meningitidis, sog. Meningokokken, mit 12<br />

Serogruppen, z.B. A, C, Y, W135) ist weltweit verbreitet mit überwiegenden<br />

Einzelerkrankungen. Natürliche Epidemien gibt es<br />

vorwiegend im Meningitis-Gürtel (Sahel-Zone) Afrikas und in den<br />

Megastädten der Entwicklungsländer, dabei sind überwiegend<br />

Kinder und Jugendliche betroffen. Die Krankheit wird durch<br />

Tröpfcheninfektion von gesunden Bakterienträgern (Nasen-<br />

Rachenraum) übertragen. Es entwickelt sich eine akute, fieberhafte<br />

Erkrankung mit grippeartigen Symptomen, Schüttelfrost<br />

und Nackensteifigkeit (Meningismus) mit ZNS-Schäden (Meningitis).<br />

In Einzelfällen besteht eine komplizierende Sepsis mit<br />

Kreislaufschock, Exanthem und Blutungsneigung bei raschem<br />

Multiorganversagen (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom). Vor<br />

allem bei Kleinkindern können die klinischen Zeichen der<br />

Meningitis zunächst auf Erbrechen und Fieber beschränkt sein,<br />

bei Säuglingen kann die Fontanelle aufgetrieben sein. Der<br />

Liquor (Hirnwasser) ist trübe und zellreich, Bakterien sind darin<br />

nicht immer mikroskopisch sichtbar Der Erregernachweis<br />

gelingt durch kulturelle Anzucht oder molekularbiologisch (PCR)<br />

mit Liquor oder Blut. Schnelltests zum spezifischen Antigennachweis<br />

in Liquor, Serum und Urin sind verfügbar. Die Therapie<br />

ist antibiotisch mit Penicillin G, Cephalosporinen oder Chloramphenicol<br />

sowie nach Sensibilitätsprüfung und anschließender<br />

Rifampicin-Nachbehandlung. Impfungen sind gegen Erreger der<br />

Serogruppen A, C, W 135, Y möglich. Die Patienten sollen für 24<br />

Stunden nach Beginn einer spezifischen Therapie abgesondert<br />

werden, zudem soll Schutzkleidung in der Krankenversorgung<br />

getragen werden. Eine postexpositionelle Chemoprophylaxe für<br />

Kontaktpersonen ist mit Rifampicin, Ceftriaxon oder Ciprofloxacin<br />

möglich.<br />

3.5 Nipah-Virus-Enzephalitis<br />

(Erreger: Nipah-Virus, Nipah virus) wurde erst 1999 im Rahmen<br />

einer Epidemie in Malaysia entdeckt. Es entwickelt sich eine<br />

rasch zunehmende ZNS-Schädigung (Enzephalitis) mit hoher<br />

Letalität, aber geringer Defektheilungsrate. Das Virus wird<br />

194


wahrscheinlich von Schweinen auf den Menschen übertragen.<br />

Das Virus kann in Hirnwasser (Liquor), Sputum und Urin nachgewiesen<br />

werden (Goh et al 2000). Die Therapie ist symptomatisch.<br />

3.6 Ostamerikanische Pferde-Enzephalitis, Eastern equine<br />

encephalitis, EEE<br />

(Erreger: Ostamerikanisches Pferde-Enzephalitis-Virus, Eastern<br />

equine encephalitis virus, EEEV, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist verbreitet in Amerika, in der Karibik und in Südostasien,<br />

vornehmlich in Sumpfgebieten mit Pferdehaltung, und wird<br />

durch verschiedene Stechmückenarten übertragen. Menschen<br />

und Pferde sind Fehlwirte und erkranken typischerweise<br />

schwer. Es entwickelt sich eine akute, fieberhafte Erkrankung,<br />

häufig im Rahmen einer Epidemie unter Pferden, mit grippeartigen<br />

Symptomen, Bewusstseinstrübung, Krämpfen und einer<br />

hohen Rate an bleibenden zentralnervösen Defekten. Die<br />

Diagnose wird durch Nachweis spezifischer IgM- und IgG-<br />

Serumantikörper sowie durch Viruskultur mit Blut und Liquor<br />

gestellt. Die Therapie ist symptomatisch. Impfstoffe für Pferde<br />

und Menschen sind lokal verfügbar.<br />

3.7 Poliomyelitis<br />

(Erreger: Poliovirus 1-3, human poliovirus 1-3) ist verbreitet in<br />

Europa, Afrika und Asien mit rückläufiger Tendenz, die Ausrottung<br />

durch globale Impfkampagnen mit Lebendimpfstoff wird<br />

für möglich gehalten. Der Mensch ist der einzige natürliche Wirt,<br />

die Krankheit wird durch direkten Kontakt, zumeist als fäkale<br />

Schmierinfektion, übertragen. Es entsteht ein akutes, fieberhaftes<br />

Krankheitsbild mit Kopfschmerzen, Übelkeit und gelegentlicher<br />

Nackensteifigkeit. Die Krankheit heilt entweder innerhalb<br />

von 2–3 Tagen aus (typisch für Kleinkinder), oder es entwickelt<br />

sich ein längerer Verlauf mit Bauchschmerzen, Durchfall, Muskelschmerzen,<br />

Gefühlsstörungen und schließlich Lähmungen,<br />

auch Atemlähmung. Die Ausheilung wird innerhalb von Tagen<br />

bis zu 2 Jahren beobachtet. Der Nachweis des Virus gelingt<br />

durch Kultur mit Stuhl, Liquor und Rachenspülflüssigkeit oder<br />

indirekt mit Hilfe spezifischer IgM- und IgG-Serumantikörpern.<br />

Die Therapie ist symptomatisch, ggf. unter intensivmedizinischer<br />

Behandlung (Beatmung). Die Impfung mit Totimpfstoff ist<br />

effektiv, bei Epidemien und zur globalen Ausrottung wird<br />

Lebendimpfstoff als Abriegelungsimpfung nach Anordnung der<br />

zuständigen Gesundheitsbehörde bevorzugt.<br />

195


3.8 Venezuelanische Pferde-Enzephalitis, Venezuelan equine<br />

encephalitis, VEE<br />

(Erreger: Venezuelanisches Pferde-Enzephalitis-Virus, Venezuelan<br />

equine encephalitis virus, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist nur in Amerika verbreitet und wird durch verschiedene<br />

Stechmückenarten übertragen. Es entsteht eine akute, fieberhafte<br />

Erkrankung mit Muskelschmerzen, ZNS-Schäden (Enzephalitis)<br />

mit seltenen bleibenden Behinderungen. Der Nachweis<br />

wird durch Viruskultur mit Blut oder durch die Bestimmung spezifischer<br />

IgM- und IgG-Serumantikörper geführt. Die Therapie<br />

ist symptomatisch. Impfstoffe für Menschen, Pferde und Esel<br />

sind regional verfügbar.<br />

3.9 Westamerikanische Pferde-Enzephalitis<br />

(Erreger: Westliches Pferde-Enzephalitis-Virus, Western equine<br />

encephalitis virus, möglicher biologischer Kampfstoff) ist verbreitet<br />

nur in Amerika und wird durch verschiedene Stechmückenarten<br />

übertragen Es entwickelt sich eine akute, fieberhafte Erkrankung<br />

mit grippeartigen Symptomen. Schwere Verläufe mit ZNS-<br />

Schäden sind eher selten. Der Erregernachweis gelingt durch<br />

Viruskultur mit Blut oder mit Hilfe von spezifische IgM- und IgG-<br />

Serumantikörpern. Die Therapie ist symptomatisch. Impfstoff für<br />

Tiere und Menschen ist regional verfügbar.<br />

4. Blutungsneigung<br />

Die Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese) ist ein Komplikationszeichen<br />

zahlreicher systemischer Infektionen und Intoxikationen.<br />

Häufige Ursachen sind Gefäßschäden und Gerinnungsstörungen.<br />

Bei Virusinfektionen und bei der Malaria<br />

stehen Schäden kleiner Gefäße (Kapillaren, Venolen), bei bakteriellen<br />

Infektionen auch Gerinnungsstörungen (intravasale Gerinnung,<br />

DIC) im Vordergrund. Die virusbedingten systemischen<br />

Infektionen mit Blutungsneigung (virale hämorrhagische Fieber,<br />

VHF) sind quarantäne- und hospitalisationspflichtig.<br />

4.1 Argentinisches hämorrhagisches Fieber<br />

(Erreger: Junin-Virus, Junin virus, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist nur in ländlichen Gebieten Argentiniens verbreitet<br />

und wird über Nahrungsmittel, Staub oder Direktkontakt mit<br />

infizierten Mäusen oder Patienten übertragen. Es entwickelt sich<br />

eine akute, fieberhafte Erkrankung mit Blutungsneigung, Nierenversagen<br />

und Nervenschäden. Eine mögliche Spätkomplikation<br />

ist eine etwa 5-tägige fieberhafte Enzephalitis 4–6 Wochen nach<br />

dem akuten fieberhaften Stadium. Der Erregernachweis soll<br />

196


möglichst im Speziallabor (Sicherheitsstufe 4) geführt werden.<br />

Therapeutisch ist lokal verfügbares Plasma von immunen Spendern<br />

in der 1. Krankheitswoche wirksam. Ribavirin scheint<br />

zusätzlich wirksam zu sein. Das Medikament kann auch prophylaktisch<br />

für Kontaktpersonen und in der Krankenversorgung eingesetzt<br />

werden.<br />

4.2 Bolivianisches hämorrhagisches Fieber<br />

(Erreger: Machupo-Virus, Machupo virus, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist im Nordosten Boliviens verbreitet. Der<br />

Mensch infiziert sich über kontaminierte Lebensmittel, virushaltiges<br />

Wasser und direkt durch Kontakt mit Nagern oder infektiösem<br />

Material über Hautläsionen und Schleimhäute, selten ist die<br />

Übertragung von Mensch zu Mensch. Es entwickelt sich eine<br />

akute grippeartige Erkrankung mit Kopf- und Gliederschmerzen.<br />

Blutungsneigung besteht in etwa 30 % der Fälle, Kreislaufschock<br />

und ZNS-Schäden (Enzephalitis) sind weitere Komplikationen.<br />

Der Erregernachweis soll möglichst im Speziallabor<br />

(Sicherheitsstufe 4) durch Virusanzucht (Blut), spezifische PCR<br />

und spezifische IgM- und IgG-Serumantikörper geführt werden.<br />

Die Therapie ist symptomatisch. Die Patienten werden isoliert,<br />

und in der Krankenversorgung wird Schutzkleidung getragen.<br />

4.3 Ebola-Fieber<br />

(Erreger: Ebola-Virus, Ebola virus, mit den Arten Reston, Sudan<br />

und Zaire, nämlich EBO-R, EBO-S, EBO-Z, mögliche biologische<br />

Kampfstoffe) ist verbreitet im tropischen Afrika. EBO-R hat nach<br />

Import über Meerkatzen aus den Philippinen zu menschlichen<br />

Infektionen, nicht aber zu Erkrankungen geführt. Die Infektion wird<br />

über Schleimhäute und Hautläsionen nach engem Kontakt mit<br />

Affen oder Patienten und deren Untersuchungsproben erworben.<br />

Krankenhausausbrüche (nosokomiale Epidemien) im Rahmen der<br />

Krankenversorgung und über kontaminierte Kanülen sind typisch.<br />

Es entwickelt sich eine akute, fieberhafte Erkrankung mit schwerer<br />

grippeartiger Symptomatik, Bauch- und Brustschmerzen,<br />

Mundgeschwüren, verschiedenartigen Exanthemen und schon<br />

nach wenigen Tagen einsetzender allgemeiner Blutungsneigung,<br />

sowie ZNS-Schäden. Die Letalität ist durchschnittlich 70 %. Der<br />

Erregernachweis durch Viruskultur und spezifische PCR aus Blut<br />

oder Leichengewebe soll nur im Speziallabor (Sicherheitsstufe 4)<br />

geführt werden. Die Therapie ist symptomatisch, ggf. intensivmedizinisch.<br />

Die Krankheit ist quarantäne- und hospitalisationspflichtig,<br />

strikte Absonderung der Patienten, Schutzkleidung und strikte<br />

Hygienemaßnahmen in der Krankenversorgung sind erforderlich.<br />

197


4.4 Gelbfieber<br />

(Erreger: Gelbfieber-Virus, yellow fever virus, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist im tropischen Afrika und tropischen<br />

Südamerika verbreitet und wird durch verschiedene tagaktive<br />

Stechmückenarten zwischen Menschen und verschiedenen<br />

Affenarten übertragen. Es entwickelt sich eine akute Erkrankung,<br />

typischerweise biphasisch: in der 1. Woche grippeartig, in<br />

der 2. Woche Komplikationen mit Blutungsneigung, Kreislaufschock<br />

und Multiorganversagen, meistens keine Gelbsucht<br />

(Ikterus) in der akuten Phase, sondern erst in der Erholungsphase<br />

(Rekonvaleszenz) nach kompliziertem Verlauf. Die spezielle<br />

Diagnostik soll möglichst im Speziallabor (Sicherheitsstufe<br />

3) durchgeführt werden. Die Therapie ist symptomatisch. Der<br />

verfügbare Lebendimpfstoff ist sehr gut wirksam und im internationalen<br />

Reiseverkehr auf bestimmten Routen vorgeschrieben<br />

(WHO 2001).<br />

4.5 Hämorrhagisches Dengue-Fieber, DHF<br />

(Erreger: Dengue-Virus 1-4, dengue virus 1-4, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff, s. auch Kapitel 1.1.4) ist weltweit in den<br />

Tropen und Subtropen als komplizierter Verlauf des Dengue-<br />

Fiebers verbreitet. Die schweren Verläufe des DHF und des<br />

Dengue-Schocksyndroms (DSS) treten meistens gemeinsam<br />

auf und entstehen wahrscheinlich überwiegend nach mehrfachen<br />

Infektionen mit verschiedenen Dengue-Virus-Arten in<br />

bestimmter Reihenfolge, vorübergehend Exponierte sind kaum<br />

betroffen. Meist bei Säuglingen und Kindern entwickelt sich in<br />

der 2. Krankheitswoche ein schweres Krankheitsbild mit Blutungsneigung,<br />

Kreislaufschock und Multiorganversagen. Der<br />

Nachweis gelingt mittels Viruskultur und spezifische PCR im<br />

Speziallabor (Sicherheitsstufe 3). Die Therapie ist symptomatisch<br />

und besteht insbesondere in der Schocktherapie durch<br />

Plasmaersatz-Infusionen. Impfstoffe sind in der Erprobung.<br />

4.6 Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom, HFRS<br />

(Erreger: verschiedene Arten, z.B. Hantaan-, Puumala-, Seoul-<br />

Virus, der Gattung Hantavirus, mögliche biologische Kampfstoffe)<br />

ist weltweit verbreitet, das Hantavirus-Lungensyndrom allerdings<br />

bisher nur in Amerika. Die Krankheit wird übertragen nach mittelbarem<br />

(z.B. über kontaminierte Nahrungsmittel) oder unmittelbarem<br />

Kontakt mit Reservoirtieren (Ratten und Mäuse), die das Virus<br />

mit dem Urin, Speichel und Fäkalien ausscheiden, eine direkte<br />

Übertragung von Mensch zu Mensch ist selten. Es entwickelt sich<br />

eine akute, fieberhafte Erkrankung mit grippeartigen Symptomen<br />

und Nierenfunktionsstörung, gelegentlich auch mit generalisierter<br />

Blutungsneigung, Kreislaufschock und Bewusstseinstrübung.<br />

198


Eine gefährliche Sonderform ist das Hantavirus-Lungensyndrom,<br />

HPS, mit schwerster Atemnot bei radiologisch nachweisbarer<br />

Lungenentzündung und -blutung. Typisch ist in allen Fällen Eiweiß<br />

im Urin (Proteinurie) und eine gestörte Nierenfunktion (Kreatinin-<br />

Wert im Serum erhöht). Die Diagnose wird durch Nachweis spezifischer<br />

IgM- und IgG-Serumantikörper sowie Viruskultur und PCR<br />

mit Blut im Speziallabor (Sicherheitsstufe 4) gestellt. Therapeutisch<br />

ist nur eine symptomatische, ggf. intensivmedizinische<br />

(Beatmung, Dialyse) Behandlung verfügbar. Schutzkleidung in der<br />

Krankenversorgung wird insbesondere bei HPS empfohlen.<br />

4.7 Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber<br />

(Erreger: hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber-Virus, Crimean-<br />

Congo hemorrhagic fever virus, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist in Osteuropa, Asien sowie in Afrika verbreitet und wird<br />

durch verschiedene Zeckenarten oder Kontakt mit Patientenproben<br />

übertragen. Es entsteht ein akutes, fieberhaftes<br />

Krankheitsbild, zunächst grippeartig, dann vielfach mit Hautund<br />

Schleimhautblutungen. Die Diagnose wird durch Nachweis<br />

spezifischer IgM- und IgG-Serumantikörper sowie durch<br />

Viruskultur und spezifische PCR mit Blut im Speziallabor (Sicherheitsstufe<br />

4) gestellt. Die Therapie ist symptomatisch und<br />

virustatisch mit Ribavirin. In der Krankenversorgung soll Schutzkleidung<br />

getragen werden. Eine postexpositionelle Ribavirin-<br />

Prophylaxe ist möglich.<br />

4.8 Lassa-Fieber<br />

(Erreger: Lassa-Virus, Lassa virus, möglicher biologischer Kampfstoff)<br />

ist verbreitet in West- und Zentralafrika. Reservoir ist die<br />

Vielzitzenratte Mastomys natalensis, die Viren mit dem Urin ausscheidet<br />

und Betten, Böden und Lebensmittelvorräte kontaminiert,<br />

wo sich der Mensch schleimhautvermittelt infiziert, eine<br />

direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist ebenfalls möglich.<br />

Es entwickelt sich eine akute Erkrankung mit grippeartigen<br />

Symptomen, Hals- und Brustschmerzen. Nur in der Minderheit der<br />

Fälle kommt es zu Blutungs- und Schockneigung sowie schließlich<br />

Multiorganversagen ab der 2. Krankheitswoche. Der indirekte<br />

Erregernachweis durch spezifische IgM- und IgG-<br />

Serumantikörper und die Virusanzucht und die spezifische PCR<br />

mit Blut soll möglichst im Speziallabor (Sicherheitsstufe 4) durchgeführt<br />

werden. Die Therapie ist symptomatisch und virustatisch<br />

mit Ribavirin, das auch zur postexpositionellen Prophylaxe eingesetzt<br />

werden kann. Die Patienten werden isoliert, und in der<br />

Krankenversorgung wird Schutzkleidung getragen. Impfstoffe sind<br />

in der Entwicklung.<br />

199


4.9 Marburg-Krankheit<br />

(Erreger: Marburg-Virus, Marburg virus, möglicher biologischer<br />

Kampfstoff) ist nur in Afrika verbreitet und wird über infizierte<br />

Affen übertragen, seltener von Mensch zu Mensch über Blut<br />

und Ejakulat. Es entwickelt sich eine akute, fieberhafte, grippeartige<br />

Erkrankung, nach Tagen tritt ein fleckiger Hautausschlag<br />

auf, in der 2. Krankheitswoche Blutungsneigung, Kreislaufschock<br />

und Multiorganversagen. Die spezielle Diagnostik<br />

mit Hilfe der Virusanzucht und der spezifischen PCR mit Blut<br />

soll nur im Speziallabor (Sicherheitsstufe 4) durchgeführt werden.<br />

Die Therapie ist symptomatisch. Die Patienten werden isoliert,<br />

und in der Krankenversorgung wird Schutzkleidung getragen.<br />

4.10 Milzbrand, Anthrax<br />

(Erreger: Bacillus anthracis, möglicher biologischer Kampfstoff,<br />

bildet umweltresistente Dauerformen, die Sporen) ist weltweit<br />

verbreitet, vorzugsweise in wärmeren Klimazonen und Viehzuchtgegenden.<br />

Klinisch werden unterschieden:<br />

– Hautmilzbrand: Infektion durch Kontakt mit kontaminierten<br />

tierischen Materialien über kleine Hautverletzungen, rasch<br />

größer werdende Papel, die sich zu einem nicht schmerzhaften,<br />

mit schwärzlichem Schorf bedeckten Geschwür mit<br />

Umgebungsrötung entwickelt, Allgemeinsymptome mit Benommenheit,<br />

Kreislauf- und Herzrhythmusstörungen, komplizierende<br />

Erregeraussaat in die Blutbahn (Milzbrandsepsis)<br />

– Lungenmilzbrand: Inhalation von sporenhaltigem Staub oder<br />

Aerosolen (z.B. beim Schlachten), schwere, akute Lungenentzündung<br />

mit blutigem Auswurf<br />

– Darmmilzbrand: orale Aufnahme der Sporen mit ungenügend<br />

gekochtem Fleisch oder Innereien von erkrankten Tieren, akuter<br />

Durchfall mit blutigem Stuhl und schweren Allgemeinsymptomen<br />

Eine mittelbare Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich.<br />

Der Erregernachweis gelingt durch Kultur mit Sputum,<br />

Stuhl, Blut und Wundabstrichen. Die Therapie ist antibiotisch<br />

mit Ciprofloxacin, Doxycyclin, Penicillin, Erythromycin oder<br />

Chloramphenicol sowie gezielt nach Sensibilitätsprüfung.<br />

Wirksame Impfstoffe sind gegenwärtig nur für die USA-<br />

Streitkräfte verfügbar. Für den Epidemiefall wird die Kombination<br />

aus Impfung und Ciprofloxacin-Chemoprophylaxe favorisiert.<br />

Eine postexpositionelle Chemoprophylaxe ist möglich mit<br />

Doxycyclin oder Ciprofloxacin.<br />

4.11 Pest<br />

(Erreger: Yersinia pestis, möglicher biologischer Kampfstoff) ist<br />

verbreitet in Asien, Afrika, Mittel- und Südamerika sowie im<br />

200


Südwesten der USA und wird vom Tierreservoir (Nagetiere,<br />

Katzen) durch Stich verschiedener Floharten, durch direkten Kontakt<br />

mit eröffneten Tierkadavern (z.B. beim Häuten und Ausweiden<br />

erlegter Murmeltiere) und durch Tröpfcheninfektion von Patienten<br />

mit Lungenpest auf den Menschen übertragen. Es können sich<br />

verschiedene Krankheitsbilder entwickeln:<br />

– Beträchtliche, rasch zunehmende, schmerzhafte Lymphknotenschwellung<br />

mit Einschmelzungs- und Perforationsneigung<br />

in Abhängigkeit vom Flohstich (z.B. Leistenbeuge):<br />

Bubonenpest<br />

– Bei Durchbruch der Bakterien in die Blutbahn akute Verschlimmerung<br />

mit Fieber, Schüttelfrost, Eintrübung, Kopfund<br />

Gliederschmerzen: septikämische Pest<br />

– Absiedelung der Bakterien in der Lunge bei septikämischer<br />

Pest oder Primärbefall der Lunge durch Tröpfcheninfektion<br />

mit Atemnot und blutigem Auswurf: Lungenpest<br />

Der Nachweis des Erregers gelingt aus dem Blut, dem Buboneneiter<br />

oder dem Sputum mittels Mikroskopie (durch bipolare<br />

Färbung der Stäbchenbakterien mit Methylenblau, Aussehen wie<br />

eine geschlossene Sicherheitsnadel) und Kultur (möglichst im<br />

Speziallabor, Sicherheitsstufe 3) oder indirekt durch Nachweis<br />

spezifischer IgM- und IgG-Serumantikörper. Antibiotisch wird<br />

Ciprofloxacin, Tetracyclin, Gentamicin, Streptomycin oder Chloramphenicol,<br />

ggf. nach Sensibilitätsprüfung, gegeben. Die Pest ist<br />

in Europa seit über 650 Jahren quarantäne- und hospitalisationspflichtig.<br />

Eine postexpositionelle Prophylaxe ist mit Ciprofloxacin<br />

oder Doxycyclin möglich. In der Krankenversorgung wird Schutzkleidung<br />

getragen. Verbesserte Impfstoffe sind in der Entwicklung.<br />

4.12 Tularämie, Hasenpest<br />

(Erreger: Francisella tularensis, möglicher biologischer Kampfstoff),<br />

ist herdförmig verbreitet in der nördlichen Hemisphäre<br />

und wird durch Haut- oder Schleimhautkontakt mit infektiösem<br />

Tiermaterial, Verzehr von nicht ausreichend erhitztem, kontaminiertem<br />

Hasenfleisch, durch verschiedene Stechmücken- und<br />

Zeckenarten, Aufnahme mit kontaminiertem Wasser oder Staub<br />

übertragen. Es entsteht eine akute, fieberhafte Erkrankung mit<br />

Kopf- und Gliederschmerzen sowie schmerzlosem Geschwür<br />

an der Eintrittspforte und schmerzhafter regionaler Lymphknotenschwellung<br />

mit Einschmelzungstendenz: ulzeroglanduläre<br />

Form. Bei Durchbruch der Bakterien in die Blutbahn entwickelt<br />

sich die septikämische Tularämie unter<br />

Verschlimmerung des Allgemeinzustandes, Organmanifestation<br />

mit häufigem Lungenbefall: Sekundärstadium. Sonderformen<br />

sind die primäre Lungenentzündung nach Einatmen der<br />

Bakterien sowie Rachengeschwüre und Magen-Darmbe-<br />

201


schwerden nach Verzehr. Der Erregernachweis wird durch Kultur<br />

der Bakterien aus peripherem Blut, Abstrichen und Biopsien<br />

möglichst im Speziallabor (Sicherheitsstufe 3) geführt. Antibiotisch<br />

wird mit Streptomycin (Resistenzen bekannt), Gentamicin,<br />

Tobramycin, Doxycyclin oder Chloramphenicol behandelt.<br />

Postexpositionell und in der Krankenversorgung kann prophylaktisch<br />

Ciprofloxacin und Doxycyclin eingenommen werden.<br />

5. Maßnahmen zur Aufklärung einer Epidemie<br />

Bei epidemieverdächtigen Krankheitshäufungen soll schnellstmöglich<br />

kompetente Hilfe gesucht und die zuständigen Gesundheitsbehörden<br />

informiert werden. Schon vor Eintreffen der<br />

Experten kann versucht werden, Hinweise auf den Übertragungsmodus<br />

und die Art des zeitlichen Zugangs der Kranken<br />

(z.B. explosiv) zu sammeln. Hierbei wird gezielt nach epidemiologischen<br />

Gemeinsamkeiten der Patienten gefragt:<br />

– gemeinsame Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung<br />

– gemeinsame raumlufttechnische Anlagen oder Exposition<br />

gegenüber Aerosolen<br />

– vorangegangene Kontakte unter den Erkrankten<br />

– Häufung der Fälle im Krankenhaus<br />

– gemeinsame Exposition gegenüber Blutsaugern (z.B. Stechmücken,<br />

Zecken, Läuse, Flöhe)<br />

– gemeinsame Exposition gegenüber bestimmten Wild- und<br />

Nutztieren oder deren Kadaver<br />

Durch die bekannten Verbreitungsgebiete der Infektionserreger<br />

kann die Differenzialdiagnose weiter eingeengt werden, allerdings<br />

nicht bei terroristischen, kriminellen oder militärischen<br />

Anschlägen mit B-Kampfmitteln.<br />

6. Verbreitung von Epidemien<br />

6.1 Wasser und Nahrungsmittel als Infektionsquelle<br />

Diese Infektionen kommen insbesondere bei einer gemeinsamen<br />

Trinkwasserversorgung und Gemeinschaftsküchen infrage,<br />

im Einzelnen:<br />

– Argentinisches hämorrhagisches Fieber<br />

– Bolivianisches hämorrhagisches Fieber<br />

– Botulismus<br />

– Brucellose<br />

– Campylobacter-Enteritis<br />

– Cholera<br />

– Darmmilzbrand<br />

202


– FSME (fraglich)<br />

– Giardiasis<br />

– Hepatitis A<br />

– Hepatitis E<br />

– HFRS<br />

– Lassa-Fieber<br />

– Melioidose<br />

– Poliomyelitis<br />

– Rotavirus-Enteritis<br />

– Salmonellen-Enteritis<br />

– Shigellose<br />

– Staphylokokken-Enteritis<br />

– Tularämie<br />

– Typhus abdominalis<br />

– Yersinien-Enteritis<br />

6.2 Aerogene Infektionen<br />

Auf dem Luftwege vermittelte (aerogene) Infektionen können<br />

vermutet werden, wenn Epidemien im Rahmen von Menschenansammlungen<br />

auf engem Raum auftreten wie bei:<br />

– Affenpocken<br />

– Diphtherie<br />

– Influenza<br />

– Lungenpest<br />

– Meningokokken-Meningitis<br />

– Pocken<br />

– Tularämie<br />

Aerogen vermittelte Epidemien werden zudem beobachtet nach<br />

Exposition gegenüber kontaminiertem Staub und Spritzwasser<br />

sowie kontaminierten Tieren, deren Kadaver und Produkte, im<br />

Einzelnen:<br />

– Argentinisches hämorrhagisches Fieber<br />

– Bolivianisches hämorrhagisches Fieber<br />

– Ebola-Fieber<br />

– Histoplasmose<br />

– Kokzidioidomykose<br />

– Kryptokokkose<br />

– Legionellose<br />

– Malleus<br />

– Melioidose<br />

– Nipah-Virus-Enzephalitis<br />

– Psittakose<br />

– Q-Fieber<br />

– Rift Valley-Fieber<br />

203


6.3 Infektionen durch Körperflüssigkeiten<br />

sind typisch für sexuell und durch verunreinigte Kanülen oder<br />

Blutprodukte übertragbare Krankheiten (z.B. Aids, Hepatitis B<br />

und C). Solche Infektionen verursachen allerdings überwiegend<br />

schleichend beginnende und anhaltende Epidemien chronischer<br />

Krankheiten und sind daher nicht Gegenstand der <strong>Katastrophenmedizin</strong>.<br />

Unter ungünstigen hygienischen Bedingungen<br />

entstehen aber durchaus Epidemien, die sich rasch<br />

ausbreiten können, wobei die verantwortlichen Erreger nicht<br />

unbedingt sehr infektiös sein müssen. Hierbei können sich<br />

Krankenhäuser im Rahmen der klinischen und labortechnischen<br />

Krankenversorgung wesentlich beteiligen (nosokomiale Epidemien).<br />

Im Einzelnen können folgende seuchenfähige Erkrankungen<br />

durch Blut, Urin, Speichel und Intimkontakt übertragen<br />

werden:<br />

– Affenpocken<br />

– Argentinisches hämorrhagisches Fieber<br />

– Bolivianisches hämorrhagisches Fieber<br />

– Diphtherie<br />

– Ebola-Fieber<br />

– Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber<br />

–HFRS<br />

– Influenza<br />

– Lassa-Fieber<br />

– Marburg-Krankheit<br />

– Meningokokken-Meningitis<br />

– Milzbrand<br />

– Pest<br />

– Pocken<br />

– Psittakose<br />

– Typhus abdominalis<br />

6.4 Vektorvermittelte Infektionen<br />

Wesentliche Vektoren epidemiefähiger Infektionen sind Stechmücken,<br />

Zecken, Läuse und Flöhe. Stechmücken-assoziierte<br />

Epidemien entstehen nicht selten saisonal (z.B. nach einer<br />

Regenzeit) im Rahmen von Bevölkerungswanderungen und bei<br />

Biotop-Veränderungen (Anlegen <strong>neu</strong>er Brutplätze wie Stauseen),<br />

im Einzelnen:<br />

– Chikungunya<br />

– Dengue<br />

– Gelbfieber<br />

– Japanische Enzephalitis<br />

– Malaria<br />

– Ostamerikanische Pferde-Enzephalitis<br />

– Rift Valley-Fieber<br />

204


– Tularämie<br />

– Venezuelanische Pferde-Enzephalitis<br />

– Westamerikanische Pferde-Enzephalitis<br />

Infizierte Zecken werden z.B. bei Viehauftrieben eingeschleppt<br />

oder treten zusammen mit ihren Nutz- und Wildtierwirten gehäuft<br />

auf, um Epidemien mit Rocky Mountain-Fleckfieber, FSME, hämorrhagisches<br />

Krim-Kongo-Fieber und Tularämie zu verursachen.<br />

Läuse lieben das häusliche Milieu mit Menschen in engen<br />

Wohnverhältnissen (Lager, Gefängnis) und verursachen Epidemien<br />

mit Fleckfieber und Läuse-Rückfallfieber. Flöhe, schließlich, übertragen<br />

die Pest, die sich epidemieartig allerdings im Wesentlichen<br />

durch Tröpfcheninfektion als Lungenpest verbreitet.<br />

7. Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung<br />

7.1 Allgemeine Maßnahmen<br />

Für den Epidemiefall wird empfohlen, möglichst umgehend ein<br />

Seuchenbekämpfungsgremium zu bilden, bestehend aus politischen<br />

und medizinischen Entscheidungsträgern, die alle notwendigen<br />

Maßnahmen bestimmen, koordinieren, verantworten<br />

und bekanntgeben:<br />

– Panikbekämpfung mit Hilfe der Pressemedien<br />

– Anwerbung von Experten zur Aufklärung und Bekämpfung<br />

der Epidemie<br />

– Meldung nach BSeuchG (Bundes-Seuchengesetz), demnächst<br />

nach IfSG (Infektionsschutzgesetz), und Anzeige nach<br />

BKV (Berufskrankheitenverordnung)<br />

– Festlegen oder Bereitstellen von Behandlungs- und Diagnostikeinrichtungen<br />

inklusive zusätzlicher Mittel und Kräfte<br />

– Permanente Kommunikation mit klinischen und diagnostischen<br />

Kompetenzzentren<br />

– Bereitstellung von Isolationseinheiten<br />

– Bereitstellung von Schutzkleidung<br />

– Aufstellung eines Hygieneplans<br />

– Festlegung von Versorgungsprioritäten (Sichtung)<br />

– Festlegung der Absonderungsmaßnahmen für Patienten und<br />

Kontakte<br />

– Festlegung der gezielten Maßnahmen zum allgemeinen Gesundheitsschutz<br />

nach Aufklärung der Epidemie<br />

Bei direkt übertragbaren Erkrankungen hoher Infektiosität oder<br />

Letalität sollen im Patienten-, Leichen- und Laborprobenkontakt<br />

neben Einweg-Schutzhandschuhen und (Einweg-) Schutzkleidung<br />

auch Partikelschutz-Gesichts-Vollmasken mit HEPA-<br />

205


Filtern (high efficiency particulate air, z.B. Bilsom MX, Anhang 2.)<br />

getragen werden. Der Hygieneplan umfasst die Verfügbarkeit<br />

und Anwendung geeigneter Desinfektionsmittel nach möglicher<br />

Kontamination (Anhang 3.) unter sorgfältiger Trennung von<br />

Trink- und Abwasser einschließlich der Fäkalien. Für den Transport<br />

Hochinfektiöser stehen spezielle Isolatoren, z.B. ATI (aircraft<br />

transit isolator, Roberts, Anhang 2.), zur Verfügung. Mobile<br />

Isolierstationen (MIS, Dornier, Anhang 2.) sind in der Planung.<br />

Werden Großtransporte erforderlich, so soll baldmöglichst die<br />

zivilmilitärische Zusammenarbeit gesucht werden. Bei trinkwasservermittelten<br />

Infektionen sind rasch Alternativen zu installieren.<br />

Hier kann das Technische Hilfswerk (THW, Anhang 2.) mit<br />

einer spezialisierten Schnelleinsatzeinheit zur Wasserversorgung<br />

(SEEWA) in der Instandsetzung bestehender Systeme und<br />

mit mobilen Trinkwasseraufbereitungsanlagen helfen, die im<br />

Einzelfall auch kommerziell beschafft werden können (z.B. Kyll,<br />

Bergisch Gladbach, Anhang 2 dieses Kapitels).<br />

7.2 Sanitäre Versorgung in Flüchtlingslagern<br />

7.2.1 Allgemeine Maßnahmen<br />

Die wahllose Ansammlung von menschlichen und anderen Abfallprodukten<br />

in Lagern stellt eine Bedrohung für die Gesundheit<br />

Einzelner und der Gemeinschaft dar. Von besonderer Wichtigkeit<br />

hierbei ist es, für sauberes Wasser und eine fachgerechte Entsorgung<br />

der menschlichen Ausscheidungen, des Abwassers, sowie<br />

des Mülls zu sorgen. Insbesondere die kulturellen Gewohnheiten<br />

der entwurzelten Menschen sowie die örtlichen Gegebenheiten<br />

wie Geologie, Niederschlag, Wasserverfügbarkeit und die Ableitungsmöglichkeiten<br />

des Abwassers sollten hierbei berücksichtigt<br />

werden, im Einzelnen:<br />

– Art der Analhygiene<br />

– Bedürfnis nach Privatsphäre<br />

– Bevorzugte Position (sitzend oder hockend)<br />

– Trennung der Geschlechter oder anderer Gruppen, für die es<br />

unmöglich ist, eine gemeinsame Latrine zu benutzen<br />

– Kulturelle Tabus<br />

– Kulturelle Gewohnheiten bei Kindern, Latrinen müssen kindersicher<br />

sein<br />

– Nutzbarkeit in der Nacht, Beleuchtung<br />

– Distanz zu den Unterkünften: sind Latrinen zu weit entfernt,<br />

werden sie nicht genutzt<br />

– Überfüllte, zu nah an den Unterkünften gelegene Latrinen bergen<br />

wiederum gesundheitliche Gefahren<br />

– Die Entsorgung der Exkremente muss gewährleisten, dass<br />

der Wasservorrat nicht kontaminiert wird, um der Ausbreitung<br />

von Infektionen vorzubeugen.<br />

206


Es ist notwendig, durch Öffentlichkeitsarbeit die Flüchtlinge zur<br />

Benutzung der Latrinen zu ermutigen und auf die Zusammenhänge<br />

zwischen der Entsorgung von Exkrementen und der<br />

Ausbreitung von Krankheiten hinzuweisen. Übergangsweise<br />

können Grabenlatrinen verwendet werden, die später durch<br />

individuelle Familienlatrinen ersetzt werden sollten.<br />

7.2.2 Latrinenarten<br />

Es stehen vielfältige Arten von Latrinen zur Verfügung, hierbei<br />

sind solche, die einfach zu konstruieren, kostengünstig und in<br />

der Wartung leicht zu handhaben sind, von zentraler Bedeutung.<br />

Prinzipiell sind trockene von feuchten Latrinensystemen<br />

zu unterscheiden.<br />

Bei den Trockensystemen ist es wichtig, das Bohrloch so klein<br />

wie möglich zu halten und einen dicht sitzenden Deckel zu verwenden.<br />

Zu diesem System gehört die sehr kostengünstige flache<br />

Grabenlatrine, die allerdings nur wenige Tage benutzbar ist,<br />

und die tiefe Grabenlatrine, die mehrere Monate genutzt werden<br />

kann. Die Fallgrubenlatrine ist die am häufigsten verwendete<br />

Latrine. Hier können bis zu 300 Personen pro Hektar ihre Notdurft<br />

verrichten. Bohrlochlatrinen sind mit sieben Metern wesentlich<br />

tiefer als Fallgruben, doch bergen sie damit auch die<br />

Gefahr der Grundwasserkontamination. Weiterhin gibt es die<br />

kompostierende Latrine, die allerdings von der Anwendung her<br />

wesentlich aufwändiger ist.<br />

Die Feuchtsysteme umfassen das Wasser-Plomben-System, das<br />

zwar kostengünstig ist, allerdings einen permanenten Wasservorrat<br />

zur Spülung (1-3 Liter) voraussetzt. Wasserklosetts, die<br />

wesentlich kostenintensiver sind, setzen einen Wassertank mit<br />

1m 3 und weitere 5 Liter Wasser pro Person und Tag zur Spülung<br />

voraus. Die Oxfam Sanitation Unit ist die teuerste Form der<br />

Entsorgung, sie dient bis zu 1000 Personen pro Tag, wofür mit<br />

einem Wasserverbrauch von 3000 l/d gerechnet werden muss.<br />

7.2.3 Abwasser, Müll und Staub<br />

Um Seuchen zu vermeiden, sollte das Abwasser an bestimmten,<br />

vom Lager weit entfernten Stellen gesammelt und drainiert werden.<br />

Eine weitere Gefahr hinsichtlich der Ausbreitung krankheitsübertragender<br />

Insekten und Nager stellt die unkontrollierte<br />

Entsorgung von Müll dar. Dieser sollte an speziell ausgeschilderten<br />

Stellen gesammelt und der Zutritt hierzu ausdrücklich verboten<br />

werden. Speziell der Entsorgung medizinischer Abfälle muss<br />

besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Des Weiteren ist<br />

die gesundheitsgefährdende Wirkung großer Mengen Staub zu<br />

bedenken, die zu Irritationen der Augen, Atemwege und der Haut<br />

führen. Die besten Präventivmaßnahmen sind die Erhaltung der<br />

207


natürlichen Vegetation, das Befeuchten von Straßen, sowie eine<br />

kontrollierte Verkehrsführung.<br />

7.2.4 Bekämpfung von Insekten und Nagetieren<br />

Insekten und Nagetiere übertragen und verbreiten Krankheiten<br />

und können Nahrungsmittelvorräte verunreinigen. Daher<br />

ist einerseits auf eine ausreichende Hygiene sowie das<br />

Bedecken von Körper und Nahrungsmitteln zu achten, andererseits<br />

sind auch präventive Maßnahmen zur Limitierung und<br />

Eliminierung insbesondere der Brutplätze der Vektoren von<br />

Bedeutung. Werden Arthropoden als Mitverursacher einer<br />

Epidemie vermutet, so ist für die Bekämpfung der Rat von<br />

Spezialisten (Entomologen, Umweltbundesamt, Anhang 2<br />

dieses Kapitels) einzuholen.<br />

7.3 Impfungen<br />

Impfkampagnen sind eher zu Beginn als gegen Ende einer<br />

Epidemie sinnvoll.<br />

In Deutschland zugelassen sind Impfstoffe gegen<br />

– Cholera<br />

– Diphtherie<br />

– FSME<br />

– Gelbfieber<br />

– Hepatitis A<br />

– Influenza<br />

– Meningokokken-Meningitis<br />

– Poliomyelitis<br />

– Typhus abdominalis<br />

International verfügbar sind Impfstoffe gegen die<br />

– Japanische Enzephalitis<br />

Nur regional verfügbar sind Impfstoffe gegen<br />

– Affenpocken<br />

– Brucellose<br />

– Fleckfieber<br />

– Milzbrand<br />

– Pocken<br />

– Q-Fieber<br />

– Rift Valley-Fieber<br />

– Venezuelanische Pferde-Enzephalitis<br />

– Westamerikanische Pferde-Enzephalitis.<br />

Bei Bedarf sind RKI (Robert Koch-Institut), CDC (Centers for<br />

Disease Control and Prevention) oder WHO (Weltgesundheitsorganisation)<br />

zu kontaktieren (Anhang 2 dieses Kapitels).<br />

208


7.4 Chemoprophylaxe<br />

Die Chemoprophylaxe mit Arzneimitteln ist geeignet zur vorbeugenden<br />

Krankheitsbekämpfung in Einzelfällen bei oder nach<br />

besonderer Exposition gegenüber Infektionserregern sowie<br />

auch zur Sanierung gesunder Keimträger. Im Einzelnen sind folgende<br />

Medikamente anwendbar:<br />

Medikamente Krankheiten<br />

Amantadin Influenza A<br />

Ceftriaxon Lungenpest<br />

Chloramphenicol Pest-Meningitis<br />

Milzbrand-Meningitis<br />

Typhus abdominalis<br />

Chloroquin Malaria<br />

Chloroquin + Proguanil<br />

Mefloquin<br />

Ciprofloxacin Fleckfieber<br />

Meningokokken-Meningitis<br />

Milzbrand<br />

Pest<br />

Tularämie<br />

Doxycyclin Malaria<br />

Fleckfieber<br />

Q-Fieber<br />

Pest<br />

Tularämie<br />

Cholera<br />

Doxycyclin + Rifampicin Brucellose<br />

Doxycyclin + Streptomycin<br />

Erythromycin Diphtherie<br />

Itraconazol Histoplasmose<br />

Penicillin Diphtherie<br />

Ribavirin Argentinisches hämorrhagisches Fieber<br />

Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber<br />

Lassa-Fieber<br />

Rifampicin Meningokokken-Meningitis<br />

Streptomycin Lungenpest<br />

Tetracyclin Q-Fieber<br />

Tularämie<br />

8. Rechtsgrundlagen der Seuchenbekämpfung<br />

In den meisten Ländern können Grundrechte im Rahmen der<br />

Seuchenbekämpfung eingeschränkt werden, in Deutschland<br />

auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes. Die Maßnahmen<br />

umfassen im Wesentlichen die Isolierung von<br />

Patienten und Kontaktpersonen sowie Impfungen, nicht aber<br />

die zwangsweise Therapie. Auf der Grundlage der Inter-<br />

209


national Health Regulations können permanente oder vorübergehende<br />

immun- und chemoprophylaktische Maßnahmen<br />

im internationalen Reiseverkehr angeordnet werden (WHO<br />

2000). Für Ärzte und Rettungshelfer kann im Katastrophenfall<br />

eine verminderte Haftbarkeit oder Haftung ohne Verschulden<br />

angenommen werden, wenn durch Versorgungsprioritäten<br />

(Sichtung) einzelne Opfer minderversorgt werden müssen.<br />

Jedenfalls hat der Weltärztebund (1994) die Mitgliedsstaaten<br />

und Versicherungsgesellschaften dazu aufgerufen, eine solche<br />

Regelung vorzusehen.<br />

9. Ethik der Seuchenbekämpfung<br />

Seuchen und andere Katastrophen können ein akutes und<br />

unvorhergesehenes Ungleichgewicht zwischen der medizinischen<br />

Kapazität und den Bedürfnissen der Opfer und Gefährdeten<br />

verursachen. Hierdurch entstehen ethische Konflikte durch Verteilungsentscheidungen,<br />

wenn bestimmte Untergruppen von Betroffenen<br />

bewusst unterversorgt werden. Ein mögliches Beispiel wäre<br />

die Vernachlässigung einzelner Schwerstkranker zugunsten eines<br />

Impfprogramms. Solche Verteilungsentscheidungen sind dem<br />

ärztlichen Ethos wesensfremd. Die ärztliche Berufsordnung, das<br />

Genfer Gelöbnis, der Hippokratische Eid, der Nürnberger Codex<br />

und die Deklaration von Helsinki enthalten jedenfalls keine Maßstäbe,<br />

an denen die Verteilungsentscheidungen auszurichten<br />

wären. Aus standesethischer Sicht sind nur bestimmte unverhandelbare<br />

Rechte des Patienten unstrittig, wie der Anspruch auf Hilfe<br />

ungeachtet der ethnischen, nationalen, politischen oder konfessionellen<br />

Zugehörigkeit sowie das Verbot der aktiven Sterbehilfe<br />

(Euthanasie). Die o.g. Verteilungsentscheidungen sind gesetzlich<br />

allerdings nicht geregelt. Es wird daher empfohlen, nach der „Erklärung<br />

des Weltärztebundes zur ärztlichen Ethik im Katastrophenfall“<br />

(Weltärztebund 1994) zu verfahren. Hiernach sollte<br />

der Arzt versuchen, eine Reihenfolge der Prioritäten für die Behandlung<br />

(Sichtung) aufzustellen, welche „die Rettung der größtmöglichen<br />

Zahl von Schwerverletzten, die eine Chance zu genesen<br />

haben, und die Begrenzung der Morbidität auf ein Minimum<br />

ermöglicht bei Hinnahme der umständebedingten Grenzen“. Die<br />

Sichtung sollte einem bevollmächtigten Arzt übertragen werden,<br />

dem kompetente Mitarbeiter zur Seite stehen. Der bevollmächtigte<br />

Arzt wäre sinnvollerweise von einem Gremium eingesetzt, das aus<br />

Delegierten der öffentlichen und privaten Seuchenbekämpfer<br />

besteht.<br />

210


10. Medizinischer Schutz vor biologischen Kampfmitteln<br />

(Med B-Schutz)<br />

Der Med B-Schutz wird von der Bundeswehr bearbeitet, bei<br />

Verdacht auf Einsatz von biologischen Kampfmitteln wird<br />

daher die Konsultation der Sanitätsakademie der<br />

Bundeswehr München empfohlen (s. u. Anhang 1).<br />

10.1 Aufgaben des Med B-Schutzes:<br />

– Aufklärung von ungewöhnlichen Krankheitsausbrüchen bei<br />

Verdacht auf B-Kampfmittel- Einwirkung<br />

– Nachweis von B-Kampfstoffen (Med B-Aufklärung) und<br />

Spezialdiagnostik von Folgen einer B-Exposition (Infektion,<br />

Krankheit, Tod) in Kooperation mit Referenz-, Konsiliar- oder<br />

Expertenlaboratorien (Anhang 1.)<br />

– Absonderung (d.h. Quarantäne oder medizinische Beobachtung)<br />

und ggf. notfallmedizinische Versorgung von B-<br />

Exponierten (Kranke und Verwundete) und Kontakten<br />

– Bergung und Registrierung von B-Exponierten (Krankheitsverdächtige<br />

und Verwundete)<br />

– Einstufung der krankheitsverdächtigen B-Exponierten nach<br />

Prioritäten für die nachfolgende Dekontamination (selbständig,<br />

liegend assistiert), notfallmedizinische Behandlung und<br />

Evakuierung (liegend, beatmet, sitzend)<br />

– Dekontamination (sofortiges Duschen der Körperoberfläche<br />

mit Seifenlösung und Warmwasser, Desinfektion der Kleidung<br />

und persönlichen Gegenstände)<br />

– Durchführung postexpositioneller chemo- und immunprophylaktischer<br />

Maßnahmen<br />

– Evakuierung der krankheitsverdächtigen B-Exponierten unter<br />

Bereitstellung geeigneter Transportmittel und Schutzkleidung<br />

zu ausgewiesenen Behandlungszentren mit Isolierstation (=<br />

Isolierung)<br />

– Abschließende Dekontamination der Kontaminationszone,<br />

der Dekontaminationsplätze für Exponierte und Material, der<br />

Isolierbereiche für B-Exponierten und der Transportmittel<br />

Der Transport von „B-Verwundeten“ in eine klinische Einrichtung<br />

sollte innerhalb von 6 Stunden abgeschlossen sein. Für<br />

den Transportmodus und die Einstufung der Dringlichkeit werden<br />

die Anzahl der Verwundeten, der klinische Zustand, die<br />

Prognose sowie das Ansteckungsrisiko berücksichtigt. Solange<br />

der B-Kampfstoff nicht identifiziert ist, sollten Krankheitsverdächtige<br />

und Kranke in gesonderten Transportmitteln evakuiert<br />

werden.<br />

211


10.2 B-Kampfmittel<br />

B-Kampfstoff und Einsatzmittel bilden die B-Kampfmittel. B-<br />

Kampfstoffe sind natürlich vorkommende oder veränderte Viren,<br />

Bakterien, Pilze und Gifte biologischen Ursprungs, die mit dem Ziel<br />

eingesetzt werden, Tod oder Krankheit bei Menschen, Tieren oder<br />

Pflanzen zu verursachen. Sie werden als Flüssigkeit (Suspension)<br />

oder Trockensubstanz (Lyophilisat, Spezialrezepturen) ausgebracht.<br />

Einsatzmittel dienen der Verbreitung von B-Kampfstoffen:<br />

Raketen, Bomben, Granaten, Absprühvorrichtungen, Aerosolgeneratoren,<br />

Trinkwasserversorgungssysteme, Vektoren (z.B. Flöhe).<br />

B-Kampfmittel werden von Streitkräften, aber auch Terroristen, Kriminellen<br />

und Geisteskranken eingesetzt.<br />

10.3 Wirkungen von B-Kampfstoffen<br />

B-Kampfstoffe ähneln in ihrer Wirkung denen bei vergleichbarer<br />

natürlicher Exposition (Mimikry-Potential), wodurch verdeckte Einsätze<br />

begünstigt werden; Modellrechnung einer WHO-Expertenkommission:<br />

nach einem Aerosolangriff mit 50 kg Milzbrandsporen<br />

von einem Flugzeug aus in einer Großstadt mit 500.000 ungeschützten<br />

Einwohnern wären 95.000 Tote und 125.000 Erkrankte an Lungenmilzbrand<br />

zu erwarten. Mit Hilfe der unterschiedlichen Kampfstoffeigenschaften<br />

können Personen vorzugsweise getötet oder<br />

geschädigt oder auch als Infektionsquelle für Sekundär-Epidemien<br />

benutzt werden. Prinzipiell muss damit gerechnet werden, dass<br />

Erkrankungen, die durch B-Kampfstoffe hervorgerufen werden, zum<br />

Teil erheblich von denen durch natürliche Infektion vermittelten<br />

abweichen können.<br />

Anhang<br />

Anhang 1.: Referenz- und Konsiliarlaboratorien (Stand: 04/2002)<br />

Das RKI hat für Deutschland Laboratorien benannt, die den<br />

Nachweis der aufgeführten Erreger als Dienstaufgabe wahrnehmen<br />

und bevorzugt berücksichtigt werden sollen. Vom Ausland<br />

aus kann neben dem RKI auch die WHO und das CDC konsultiert<br />

werden.<br />

Bakterielle Infektionen<br />

Campylobacter-Enteritis<br />

Prof. Dr. M. Kist<br />

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene<br />

Klinikum der Universität Freiburg<br />

Hermann-Herder-Str. 11<br />

79104 Freiburg<br />

Tel. 0761 203 6590 / 6510<br />

Fax 0761 203 6562<br />

E-Mail kistmann@ukl.uni-freiburg.de<br />

212


Psittakose<br />

Prof. Dr. Eberhard Straube, Frau Dr. A. Groh<br />

Institut für Medizinische Mikrobiologie<br />

am Klinikum der FSU Jena<br />

Semmelweisstr. 4<br />

07740 Jena<br />

Tel. 03641 933106<br />

Fax 03641 933474<br />

E-Mail straube@bach.med.uni-jena.de<br />

Botulismus<br />

Dr. habil. H. P. Schau<br />

Thüringer Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamt<br />

(TMLVUA), Abt. Medizinaluntersuchung Erfurt<br />

FB Medizinische Mikrobiologie<br />

Nordhäuser Str. 74<br />

Haus 6<br />

99089 Erfurt<br />

Tel. 0361 740910<br />

Fax 0361 7409113<br />

Diphtherie<br />

Dr. A. Roggenkamp, Prof. Dr. Dr. J. Heesemann<br />

Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene<br />

und Medizinische Mikrobiologie<br />

Pettenkoferstr. 9a<br />

80336 München<br />

Tel. 089 51605201<br />

Fax 089 51605202<br />

E-Mail sekretariat@m3401.mpk.med.uni-muenchen.de<br />

Tularämie<br />

PD Dr. R. Grunow<br />

Institut für Mikrobiologie<br />

Sanitätsakademie der Bundeswehr<br />

Bereich Studien und Wissenschaft<br />

Neuherbergstr. 11<br />

80937 München<br />

Tel. 089 3168 3277 / 2805<br />

Fax 089 3168 3277 / 2855<br />

E-Mail tb101cn@mail-lrz-muenchen.de<br />

Legionellose<br />

Dr. Chr. Lück<br />

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene<br />

Medizinische Fakultät der TU Dresden<br />

213


Dürerstr. 24<br />

01307 Dresden<br />

Tel. 0351 463 8585 / 8572<br />

Fax 0351 463 8573<br />

E-Mail Christian.Lueck@mailbox.tu-dresden.de<br />

Meningokokken-Meningitis<br />

Prof. Dr. H.-G. Sonntag, Frau Dr. I. Erhard<br />

NRZ für Meningokokken am Hygiene-Institut<br />

der Universität Heidelberg<br />

Im Neuenheimer Feld 324<br />

69120 Heidelberg<br />

Tel. 06221 56 8310 / 7817 / 8281<br />

Fax 06221 56 5857 / 4343<br />

E-Mail hans-guenther_sonntag@med.uni-heidelberg.de<br />

ingrid_erhard@med.uni-heidelberg.de<br />

Pest<br />

Prof. Dr. Dr. J. Heesemann, Herr Dr. A. Rakin<br />

Max von Pettenkofer-Institut<br />

für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie<br />

Pettenkoferstr. 9a<br />

80336 München<br />

Tel. 089 51605200<br />

Fax 089 51605202<br />

E-Mail sekretariat@m3401.mpk.med.uni-muenchen.de<br />

Parasitosen<br />

Malaria<br />

Prof. Dr. B. Fleischer<br />

Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg<br />

Bernhard-Nocht-Str. 74<br />

20359 Hamburg<br />

Tel.: 040 / 31182-401<br />

Fax: 040 / 31182-400<br />

E-Mail bfleischer@bni.uni-hamburg.de<br />

214


Pilzinfektionen<br />

Kryptokokkose, Histoplasmose, Kokzidioidomykose<br />

Frau Dr. K. Tintelnot<br />

Robert Koch-Institut Berlin – Mykologie<br />

Nordufer 20<br />

13353 Berlin<br />

Tel. 030 45472208<br />

Fax 030 45472614<br />

E-Mail tintelnotk@rki.de<br />

Virusinfektionen<br />

Lassa-Fieber, Argentinisches hämorrhagisches Fieber, Bolivianisches<br />

hämorrhagisches Fieber, Dengue, Ebola-Fieber<br />

Prof. Dr. H. Schmitz<br />

Bernhard-Nocht-Institut Hamburg<br />

Bernhard-Nocht-Str. 74<br />

20359 Hamburg<br />

Tel. 040 42818 401 / 460<br />

Fax 040 42818 400<br />

E-Mail schmitz@bni.uni-hamburg.de<br />

Marburg-Krankheit, Ebola-Fieber<br />

Prof. Dr. W. Slenczka, Dr. S. Becker<br />

Institut für Virologie<br />

Medizinisches Zentrum<br />

für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie<br />

der Philipps-Universität Marburg<br />

Robert-Koch-Str.17<br />

35037 Marburg<br />

Tel. 06421 286 4313<br />

Fax 06421 2865482<br />

Hepatitis A, Hepatitis E<br />

Prof. Dr. W. Jilg<br />

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene<br />

der Universität Regensburg<br />

Franz-Josef-Strauß-Allee 11<br />

93053 Regensburg<br />

Tel. 0941 9446408<br />

Fax 0941 9446402<br />

215


Importierte Virusinfektionen<br />

Prof. Dr. H. Schmitz<br />

Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg<br />

Bernhard-Nocht-Str. 74<br />

20359 Hamburg<br />

Tel. 040 42818 401 / 460<br />

Fax 040 42818 400<br />

E-Mail schmitz@bni.uni-hamburg.de<br />

Poxviren<br />

Prof. Dr. O.-R. Kaaden, Frau G. Burck<br />

Institut für Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und<br />

Seuchenmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Veterinärstr. 13<br />

80539 München<br />

Tel. Prof. Kaaden 089 2180 2527 / 2528, Frau Burck 089<br />

21802594<br />

Fax 089 21802597<br />

Rotavirus-Enteritis<br />

Prof. Dr. H. Werchau, Frau Dr. A. Rohwedder<br />

Ruhr-Universität Bochum –<br />

Abt. für Med. Mikrobiologie u. Virologie<br />

Universitätsstr. 150<br />

44801 Bochum<br />

Tel. Prof. Werchau 0234 7003189,<br />

Frau Dr. Rohwedder 0234 7002104<br />

Fax 0234 7094352<br />

E-Mail hermann.werchau@ruhr-uni-bochum.de<br />

angela.rohwedder@ruhr-uni-bochum.de<br />

EM-Schnelldiagnostik<br />

Dr. H. R. Gelderblom<br />

Robert Koch-Institut – Fachbereich Virologie – FG 16<br />

Nordufer 20<br />

13353 Berlin<br />

Tel. 030 45472337<br />

Fax 030 45472334<br />

E-Mail gelderblomh@rki.de<br />

216


Ausgewählte Syndrome (syndromorientierte Konsiliarlaboratorien)<br />

Bakterielle Enteritis<br />

Prof. Dr. J. Bockemühl<br />

Hygiene Institut Hamburg – Abteilung Bakteriologie<br />

Marckmannstr. 129a<br />

20539 Hamburg<br />

Tel. 040 42837 201 / 202<br />

Fax 040 42837 483 oder 040 783561<br />

Virus-Enteritis<br />

Prof. Dr. H. Werchau, Frau Dr. A. Rohwedder<br />

Ruhr-Universität Bochum – Abt. für Med. Mikrobiologie u. Virologie<br />

Universitätsstr. 150<br />

44801 Bochum<br />

Tel. Prof. Werchau 0234 7003189,<br />

Frau Dr. Rohwedder 0234 7002104<br />

Fax 0234 7094352<br />

E-Mail hermann.werchau@ruhr-uni-bochum.de<br />

angela.rohwedder@ruhr-uni-bochum.de<br />

Bakterielle Atemwegsinfektion<br />

Prof. Dr. E. Jacobs, Dr. C. Lück<br />

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene<br />

des Universitätsklinikums der TU Dresden<br />

Dürerstr. 24<br />

01307 Dresden<br />

Tel. 0351 4638570<br />

Fax 0351 4638573<br />

E-Mail je4@int.tu-dresden.de<br />

Virale Atemwegsinfektion einschließlich Influenza<br />

Dr. Dr. R. Heckler<br />

Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Hannover<br />

Roesebeckstr. 4–6,<br />

30449 Hannover<br />

Tel. 0511 4505 201<br />

Fax 0511 4505 140<br />

Anhang 2.: Klinische und technische Kompetenzzentren<br />

Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin<br />

der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Leopoldstr. 5<br />

80802 München<br />

Tel. 089 21803517<br />

Fax 089 336038<br />

E-Mail tropinst@lrz.uni-muenchen.de<br />

217


Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin<br />

Klinik für Innere Medizin IV der Universität Leipzig<br />

Härtelstr. 16-18<br />

04107 Leipzig<br />

Tel. 03 41 9724971<br />

Fax 03 41 9724979<br />

Abteilung für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten<br />

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin der Universität Rostock<br />

Ernst-Heydemann-Str. 6<br />

18057 Rostock<br />

Tel. 03 81 494 75 11<br />

Fax 03 81 494 75 09<br />

Arbeitsgruppe <strong>Katastrophenmedizin</strong>,<br />

Krisenmanagement und Humanitäre Hilfe (AGKM)<br />

Chirurgische Klinik<br />

Hoppe-Seyler-Str. 3<br />

72076 Tübingen<br />

Tel. 07071 2986680<br />

Fax 07071 295600<br />

Augenklinik der Universität München<br />

Abteilung für Präventiv- und Tropenophthalmologie<br />

Mathildenstr. 8<br />

80336 München<br />

Tel. 089 5160 38 24<br />

Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin<br />

Bernhard-Nocht-Str. 74<br />

20359 Hamburg<br />

Tel. 040 428180<br />

Bilsom AB<br />

Box 550<br />

Schweden 26050 Billesholm<br />

218


Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW)<br />

Leitung<br />

Deutschherrenstr. 93-95<br />

53177 Bonn<br />

Postfach 200351<br />

53133 Bonn<br />

Tel. 0228 9400<br />

Fax 0228 9401520<br />

Centers for Disease Control and Prevention<br />

1600 Clifton Rd.<br />

Atlanta, GA 30333<br />

U.S.A.<br />

Tel. 001 404 639 3311<br />

Dornier GmbH<br />

88039 Friedrichshafen<br />

Tel. 07545 800<br />

Fax 07545 84411<br />

Institut für Medizinische Parasitologie<br />

der Universität Bonn<br />

Siegmund-Freud-Str. 25<br />

53127 Bonn<br />

Tel. 0228 2 875673<br />

Institut für Tropenhygiene und Öffentliches Gesundheitswesen<br />

der Universität Heidelberg<br />

Im Neuenheimer Feld 324<br />

69120 Heidelberg<br />

Tel. 06221 562905<br />

Fax 06221 565948<br />

Institut für Tropenmedizin Berlin<br />

Spandauer Damm 130<br />

14050 Berlin<br />

Tel. 030 301166<br />

Institut für Tropenmedizin<br />

Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt<br />

Friedrichstr. 39<br />

01067 Dresden<br />

Tel. 0351 4803805<br />

219


Institut für Tropenmedizin<br />

Universitätsklinikum Tübingen<br />

Keplerstr. 15<br />

72074 Tübingen<br />

Tel. 07071 29 823 65<br />

Fax 07071 29 52 67<br />

E-Mail reisemedizin@med.uni-tuebingen.de<br />

Kyll GmbH<br />

Schneppruthe 4<br />

51469 Bergisch Gladbach<br />

Robert Koch Institut<br />

Nordufer 20<br />

13357 Berlin<br />

Tel. 01888 7540<br />

Roberts Isolators Limited<br />

Ellerton House – Wistanswick<br />

NR. Market Drayton<br />

Shropshire TF9 2BD<br />

England<br />

Tel. 0044 1630638382<br />

Fax 0044 1630638707<br />

Mobil 0044 850990662<br />

Sektion Infektiologie und klinische Immunologie<br />

Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität Ulm<br />

Robert-Koch-Str. 8<br />

89081 Ulm<br />

Tel. 0731 5024421<br />

Fax 0731 5024422<br />

E-Mail sekretariat.infektiologie@medizin.uni-ulm.de<br />

Städtisches Klinikum St. Georg<br />

II. Klinik für Innere Medizin<br />

Delitzscher Str. 141<br />

04129 Leipzig<br />

Tel. 0341 9092619<br />

Fax 0341 9092630<br />

220


Städtisches Krankenhaus Schwabing<br />

IV. Medizinische Abteilung<br />

Kölner Platz 1<br />

80804 München<br />

Tel. 089 30 68 2601<br />

Fax 089 30 68 3910<br />

Tropenklinik Paul Lechler-Krankenhaus<br />

Paul-Lechler-Str. 24<br />

72074 Tübingen<br />

Tel. 07071 2060<br />

Fax 07071 22359<br />

Tropenmedizinische Abteilung<br />

Missionsärztliche Klinik<br />

Salvatorstr. 7<br />

97074 Würzburg<br />

Tel. 0931 791 28 21<br />

Fax 0931 791 24 53<br />

Umweltbundesamt<br />

FB IV 1.5 – Dr. G. Hoffmann<br />

Bismarckplatz 1<br />

14193 Berlin<br />

Tel. 030 8903 (0) 1332 / 1383<br />

Fax 030 89032285<br />

Universitätsklinikum Rudolf Virchow<br />

Standort Wedding<br />

II. Medizinische Abteilung<br />

Augustenburger Platz 1<br />

13353 Berlin<br />

Tel. 030 45050<br />

World Health Organization<br />

Avenue Appia 20<br />

CH-1211 Genf 27<br />

Schweiz<br />

Tel. 0041 22 791 2111<br />

Fax 0041 22 791 3111<br />

E-Mail info@who.int<br />

221


Anhang 3.: Desinfektionsmittel<br />

Objekt Mittel (Beispiele von Handelspräparaten)<br />

Hände Desderman N<br />

Promanum N<br />

Spitacid<br />

Bedienungsknöpfe Buraton 10F<br />

Betten Incidin Perfect<br />

Fußboden Incidin PLUS<br />

Geräte Melsitt<br />

Mobiliar<br />

Toiletten<br />

Untersuchungsliege<br />

Verbandswagen<br />

Blutdruckmanschette Alkohol 70 %<br />

Kunststoff<br />

Stethoskop<br />

Anhang 4.: Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Azidoseausgleich<br />

bei schweren Durchfallkrankheiten<br />

Orale Rehydratationslösung (ORS) nach WHO<br />

NaCl 3,5 g/l<br />

Trinatriumcitratdihydrat 2,9 g/l<br />

KCl 1,5 g/l<br />

Glukose 20,0 g/l<br />

Kommerziell erhältlich z.B. als Elotrans ® (Pulver)<br />

Parenterale Rehydrierung<br />

Ringer-Lactat-Lösung<br />

Anhang 5.: Melde- und Anzeigepflicht<br />

Formal besteht für einige der o.g. Infektionen keine Meldepflicht<br />

nach dem Infektionsschutzgesetz. Grundsätzlich ist jedoch<br />

auch jedes Auftreten einer bedrohlichen Krankheit oder von<br />

mehreren gleichartigen Erkrankungen (wenn ein epidemischer<br />

Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird) zu melden,<br />

wenn dies auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit<br />

hinweist und Krankheitserreger als Ursache in Betracht<br />

kommen. Meldepflichtig ist im Regelfall der feststellende Arzt.<br />

Für Notärzte entfällt die Meldepflicht dann, wenn der Patient<br />

unverzüglich in eine ärztlich geleitete Einrichtung gebracht<br />

wurde. In Deutschland erfolgen die Meldungen an das regionale<br />

Gesundheitsamt und von dort über die Landesbehörden an das<br />

222


RKI. Das RKI wiederum informiert im Rahmen internationaler<br />

Gesundheitsvorschriften WHO, EU und die einzelnen EU-Länder.<br />

Bei Infektionen der beteiligten Ärzte und Rettungshelfer ist<br />

die Anzeigepflicht nach der BKV zu beachten. Anzeigepflichtig<br />

bei Verdacht auf eine Berufskrankheit sind der behandelnde<br />

Arzt und der Arbeitgeber.<br />

Literatur<br />

1. De Boer, J.; Dubouloz, M. (Hrsg.): Handbook of disaster<br />

medicine, Van der Wees, Utrecht, 2000<br />

2. DSMZ: Bacterial nomenclature up-to-date. http://www.<br />

dsmz.de/bactnom/bactname.htm<br />

3. Goh, K. J. et al: Clinical features of Nipah virus encephalitis<br />

among pig farmers in Malaysia. N. Engl. J. Med. 342 (2000)<br />

S. 1229 –1235<br />

4. Hofmann, F. (Hrsg.): Infektiologie, ecomed, Landsberg /<br />

Lech 1991 (wird ständig aktualisiert und ergänzt)<br />

5. Index Virum: The Universal Virus Database. http://life.anu.<br />

edu.au/viruses/Ictv/fr-indv0.htm<br />

6. Knobloch, J. (Hrsg.): Tropen- und Reisemedizin. Gustav<br />

Fischer, Jena, 1996<br />

7. Robert Koch-Institut (Hrsg.): Nationale Referenzzentren und<br />

Konsiliarlaboratorien. Robert Koch-Institut, Berlin, 1999<br />

8. Sohns, A. et al: Gesundheitsschäden durch ABC-Kampfmittel<br />

und ähnliche Noxen, in: Hempelmann, G. et al (Hrsg.):<br />

Notfallmedizin 3, Georg Thieme, Stuttgart, 1999, S. 612–625<br />

9. Weltärztebund: Erklärung des Weltärztebundes zur ärztlichen<br />

Ethik im Katastrophenfall, verabschiedet von der 46.<br />

Generalversammlung des Weltärztebundes Stockholm,<br />

Schweden, September 1994<br />

10. WHO: International travel and health. Vaccination requirements<br />

and health advice. WHO, Genf, 2001 (wird jährlich<br />

aktualisiert)<br />

Danksagung<br />

Wir danken Herrn Prof. Dr. U. Wiesing, Lehrstuhl für Ethik in der<br />

Medizin, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, für seine Hilfe<br />

bei der Ausarbeitung des Kapitels „Ethik der Seuchenbekämpfung“.<br />

223


224


Aspekte zum Management in<br />

Katastrophensituationen


14. Katastrophenmanagement<br />

im Krankenhaus –<br />

Empfehlungen für den Ärztlichen Dienst<br />

H. Strauss, J. Schüttler<br />

Um im Katastrophenfall auch die Versorgung der Betroffenen in<br />

den Krankenhäusern sicherzustellen, bedarf es einer Vorplanung<br />

und Vorsorge, damit nicht die Katastrophe lediglich vom<br />

Schadensort in die aufnehmende Klinik verlagert wird. Aus der<br />

Sicht des Krankenhauses sind dabei zwei grundlegende Szenarien<br />

zu berücksichtigen: die „interne Schadenslage“ bei großen<br />

Notfallsituationen innerhalb des Krankenhauses und die „externe<br />

Schadenslage“. Wichtig für die Vorplanungen ist dabei, dass<br />

möglichst viele Abläufe in beiden Situationen identisch und möglichst<br />

wenig vom Routineablauf abweichend vorgesehen werden,<br />

um Missverständnisse und Unklarheiten auszuschließen.<br />

Interne Katastrophenlage<br />

Bei der internen Katastrophenlage kommt es durch Schadensereignisse<br />

innerhalb der Klinik – in Ausnahmefällen auch außerhalb<br />

der Klinikgebäude – zu Einschränkungen bis hin zum kompletten<br />

Ausfall der Patientenversorgung. Beispiele für derartige<br />

Szenarien können sein:<br />

– Brand / Rauchentwicklung<br />

– Austritt von Schadstoffen (Gase, Dämpfe)<br />

– Wasserrohrbruch mit Wasserschäden<br />

– Bombendrohung<br />

– Ausfall der Medien, insbesondere Strom, Sauerstoff etc.<br />

– Ausfall der Kommunikationssysteme<br />

– Ausfall der Nachschubeinrichtungen (z.B. Brand in Lagerhaltungen,<br />

Naturkatastrophen)<br />

– Beeinträchtigung des Klinikbetriebs durch extern freigesetzte<br />

Schadstoffe<br />

Betreffen diese Ereignisse nur bestimmte Teile einer Klinik (einzelne<br />

Stationen, Gebäude), so soll versucht werden, die betroffenen<br />

Patienten innerhalb der Klinik zu verteilen. Hierzu müssen vorhandene<br />

Not-Kapazitäten bekannt und vorbereitet sein (Nebenräume,<br />

Flure etc.). Grundsätzlich gilt dabei für Brandereignisse, dass eine<br />

Verlagerung möglichst immer in den übernächsten autarken<br />

Brandschutzabschnitt zu erfolgen hat; dabei soll die Verlegung auf<br />

einer identischen baulichen Ebene der Verlegung über verschiede-<br />

227


ne Ebenen (Aufzugsproblematik!) vorgezogen werden. Gleichzeitig<br />

muss auch an die Entlassung geeigneter Patienten nach Hause<br />

zur Schaffung weiterer Kapazitäten gedacht werden. Hier wird<br />

man nur in begrenztem Umfang auf Fahrzeuge des Rettungsdienstes<br />

zurückgreifen können, aber auch den Einsatz von Taxen<br />

für gehfähige Personen ins Auge fassen müssen. Verlegungen in<br />

andere Kliniken werden insbesondere dann erforderlich werden,<br />

wenn mit einem Komplettausfall der betroffenen Einrichtung<br />

gerechnet werden muss. Problematisch wird die Situation dann,<br />

wenn durch den Ausfall eines Krankenhauses in einem Bereich<br />

das routinemäßige Patientenaufkommen auf die noch funktionsfähigen<br />

Häuser umgeleitet werden muss und damit deren Auslastung<br />

ohnehin zunimmt. In diesen Fällen sollte auch eine organisierte<br />

Verlegung in weiter entfernte Krankenhäuser etwa im Sinne<br />

des Sammeltransports, ggf. auch mit Bussen des öffentlichen<br />

Personennahverkehrs oder Privatunternehmen erwogen werden.<br />

Die Auslagerung kompletter Einheiten -etwa einzelner Bettenstationen-<br />

in vorgeplante Ersatzräume kommt dann in Frage,<br />

wenn geeignete Räumlichkeiten in der Nähe vorhanden sind.<br />

Hierbei bewähren sich Sporthallen (auch Veranstaltungssäle) in<br />

besonderem Maße, da zum einen eine gute Straßenanbindung<br />

besteht, und zum anderen die erforderliche Infrastruktur (Heizung/Lüftung,<br />

Toiletten, Duschen, Kochmöglichkeiten, Umkleideräume<br />

etc.) bereits betriebsbereit vorhanden ist. So schafft<br />

das Auslegen der in Sporthallen zahlreich vorhandenen Turnmatten<br />

in kürzester Zeit behelfsmäßige Liege- und Pflegekapazität<br />

für eine große Anzahl von Patienten. Bei Schulen stehen<br />

zudem die Klassenzimmer ohne großen Aufwand als<br />

Aufenthalts- und Überwachungsräume für gehfähige, sitzende<br />

Personen zur Verfügung.<br />

Externe Katastrophenlage<br />

Bei der externen Katastrophenlage wird das Krankenhaus mit<br />

einer großen Anzahl von Patienten konfrontiert, die durch den<br />

Rettungsdienst mehr oder minder versorgt und koordiniert angeliefert<br />

werden. Bei traumatologischen Schadensereignissen<br />

– Verkehrsunfälle (Straße/Schiene/Wasser/Luft)<br />

– Großbrände<br />

– Explosionen<br />

– Gebäudeeinstürze<br />

werden die meisten Patienten zunächst einer allgemein- oder<br />

unfallchirurgischen Klinik zugewiesen werden und von dort in<br />

die verschiedenen Disziplinen (etwa Neurochirurgie, Hals-<br />

228


Nasen-Ohren-Klinik, Zahn-Mund- und Kieferklinik, Kinderklinik)<br />

weitergeleitet.<br />

Eine Katastrophensituation mit überwiegend internistischer<br />

Ausrichtung<br />

– Austritt von Schadstoffen (Gase/Dämpfe/C-Kampfstoffe)<br />

– Oberflächenkontamination/inhalative Kontamination (Massenvergiftung)<br />

– infektiöse Erkrankungen (Epidemien/B-Kampfstoffe)<br />

führt demgegenüber zu einer primären Belastung der internistischen<br />

Kliniken, wobei aus Kapazitätsgründen häufig auch die<br />

operativen Disziplinen mit einbezogen werden.<br />

Vorteilhaft bei diesen Ereignissen ist der Umstand, dass die nötigen<br />

Abläufe für einige wenige Patienten im täglichen Betriebsablauf<br />

etabliert und bewährt sind. Die Herausforderung besteht<br />

daher darin, die Versorgungskapazität innerhalb kürzester Frist zu<br />

vervielfachen und dennoch keine Abstriche bei der Qualität machen<br />

zu müssen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist hier der<br />

Schlüssel zu einer erfolgreichen Bewältigung der Katastrophensituation,<br />

denn die Basismaßnahmen einer Patientenversorgung<br />

sind unabhängig vom Patientengut zunächst einander vergleichbar<br />

und sollten jedem Kliniker geläufig sein, so dass ein<br />

Delegieren von Aufgaben und Unterstützung auch durch auf den<br />

ersten Blick unbeteiligte Disziplinen möglich und sinnvoll ist.<br />

Katastrophenalarmplan<br />

Wichtigstes Instrument der vorsorglichen Planungen ist ein entsprechender<br />

Katastrophen- und Alarmplan, in dem die grundlegenden<br />

Maßnahmen zur Bewältigung des Schadensereignisses<br />

festgeschrieben werden. Dieser Plan umfasst also nicht nur die<br />

Namen, Anschriften und Telefonnummern aller Mitarbeiter –<br />

geordnet nach Prioritäten für die Patientenversorgung – sondern<br />

auch organisatorische Hinweise auf vorbereitete Abläufe<br />

und Vorgänge. Man muss sich jedoch davor hüten, hier jede<br />

Maßnahme bis ins kleinste Detail vorzudenken und festlegen zu<br />

wollen; dies führt nur dazu, dass bei kleinen, an sich unbedeutenden<br />

Abweichungen, der gesamte Ablauf ins Stocken gerät.<br />

Richtig ist vielmehr die Vorgabe einer groben Leitstruktur, die im<br />

Schadensfall durch die Einsatzleitung des Krankenhauses und<br />

die leitenden Mitarbeiter vor Ort entsprechend der aktuellen<br />

Situation angepasst und modifiziert werden muss. Aus diesem<br />

Grund sind auch vorgefertigte Pläne, die etwa von der Bayerischen<br />

Krankenhausgesellschaft angeboten werden, kritisch zu<br />

229


sehen, da diese Pläne immer sehr allgemein und damit für den<br />

Einzelfall entweder zu unpräzise oder auch unausgewogen<br />

detailliert ausfallen.<br />

Krankenhaus-Einsatzleitung<br />

Möglichst frühzeitig muss beim Eintritt einer internen oder externen<br />

Schadenslage eine interne Klinik-Einsatzleitung etabliert<br />

werden, die die weitere Steuerung der Abläufe und Maßnahmen<br />

verantwortlich übernimmt. Daher sind in der Alarmierungspriorität<br />

deren Mitglieder bereits in einer sehr frühen Phase einzuplanen.<br />

Diese Einsatzleitung kann bestehen aus:<br />

– Ärztlicher Direktor der Einrichtung<br />

– Pflegedienstdirektion/Pflegedienstleitung<br />

– Verwaltungsdirektor<br />

– Katastrophenschutzbeauftragter der Einrichtung<br />

– Leiter der Betriebstechnik<br />

– Protokollführer<br />

– Schreibkräfte<br />

– Hilfskräfte/Boten/Telefonisten<br />

Für jede der Führungspositionen ist ein (oder mehrere) Vertreter<br />

zu benennen. Bedarfsweise kann die Krankenhaus-Einsatzleitung<br />

durch weitere Spezialisten beraten oder ergänzt werden; eine<br />

Anbindung an und eine Abstimmung der Entscheidungen mit der<br />

externen Einsatzleitung der Hilfsorganisationen (Feuerwehr, Rettungsdienste,<br />

Katastrophenschutz), etwa durch ausgetauschte<br />

Verbindungspersonen, ist obligat. Für diese Krankenhaus-Einsatzleitung<br />

sind entsprechend dimensionierte Räumlichkeiten<br />

– Besprechungs-/Lagezimmer<br />

– Schreibzimmer/Sekretariat<br />

– Kommunikationszimmer<br />

– ggf. Ruhezimmer<br />

– sanitäre Einrichtungen<br />

– Telefonanschlüsse („nicht-öffentliche“ Rufnummern)<br />

– Telefax-Anschlüsse („nicht-öffentliche“ Rufnummern)<br />

– Betriebsfunk<br />

– BOS- (ggf. CB-) Funkgerät<br />

– Kopiergerät<br />

– Computernetz-Zugang<br />

vorzusehen; ein Ausweichquartier in einem zweiten, unabhängigen<br />

Krankenhausabschnitt ist einzuplanen, falls das interne<br />

Schadensereignis ausgerechnet den Bereich der ersten Einsatzleitung<br />

betreffen sollte. Sinnvoll ist eine Einrichtung dieser<br />

230


Einsatzleitung in nicht mit Patienten belegten Gebäudebereichen,<br />

die mit geringem Aufwand (Sicherheitsdienst, Polizei)<br />

hermetisch abgeschirmt werden können, um Störungen wirkungsvoll<br />

zu verhindern. Zu den Aufgaben einer Klinik-Einsatzleitung<br />

gehören<br />

– Entscheidungen über klinikinterne Fragen (Nachalarmierung,<br />

Infrastruktur, Personalplanung für die Zeit nach dem Schadensereignis,<br />

Kommunikation)<br />

– Dokumentation der Abläufe im Krankenhaus (Personal,<br />

Patienten)<br />

– Kommunikation mit umliegenden Kliniken und der Rettungsleitstelle<br />

(Behandlungskapazitäten, Personalressourcen)<br />

– Information der Öffentlichkeit, etwa in Form einer gemeinsamen<br />

Pressekonferenz in engster Abstimmung mit der Katastrophenschutzbehörde<br />

Auch die Einrichtung von Informationstelefonen oder einer zentralen<br />

Auskunftsstelle, an der nach vermissten Angehörigen<br />

oder stationären Patienten gesucht werden kann, muss frühzeitig<br />

ins Auge gefasst werden. Dabei ist eine mit der Katastropheneinsatzleitung<br />

abgestimmte Vorgehensweise unter Verwendung<br />

aller verfügbarer valider Daten zwingend erforderlich;<br />

über ein Telekommunikationsunternehmen oder notfalls auch<br />

die Fernmeldeeinheiten des Katastrophenschutzes sind ausreichend<br />

zusätzliche Amtsleitungen zu schalten, die von kompetenten<br />

Personen rund um die Uhr zu besetzen sind. Diese<br />

Rufnummern der Auskunftstelefone können am schnellsten und<br />

zuverlässigsten über die Medien, allen voran Rundfunk und<br />

Fernsehen, aber auch die Tagespresse, der Bevölkerung<br />

bekannt gegeben werden.<br />

Alarmierung<br />

Hier muss unterschieden werden zwischen der hereinkommenden<br />

Alarmmeldung, also der Information an das Krankenhaus,<br />

dass ein Großschadensereignis eingetreten ist oder droht, und<br />

den hinausgehenden Alarmierungen der Klinikmitarbeiter, also<br />

deren Verständigung und Aktivierung.<br />

Bei der hereinkommenden Meldung muss bereits im Rahmen der<br />

Planung ein zuverlässiger Meldekopf festgelegt und dessen<br />

Erreichbarkeit -möglichst auf mehreren voneinander unabhängigen<br />

Wegen (Telefon/Telefax/BOS – oder CB-Funk/Computernetz) -<br />

sichergestellt werden. Da derartige Informationsmeldungen in aller<br />

Regel von Einsatzzentralen professioneller Organisationen, Rettungsleitstellen,<br />

Einsatzzentralen der Polizei und Feuerwehr,<br />

231


Krisenstäbe der Verwaltungsbehörden erfolgen, muss diesen der<br />

korrekte Kommunikationsweg bekannt sein. Als Meldekopf in einem<br />

Krankenhaus kommen nur rund um die Uhr mit zuverlässigen, fähigen<br />

Mitarbeitern besetzte Stellen in Frage:<br />

– Telefonzentrale<br />

– Pfortendienst<br />

– Notaufnahme<br />

– Intensivstation<br />

– zentrale Leitwarte<br />

sind hierfür prädestiniert. Bei Auflaufen einer entsprechenden<br />

Meldung muss sofort der zuständige, vorbestimmte Mitarbeiter<br />

– z. B. der diensthabende Oberarzt der betroffenen Fachdisziplin-<br />

direkt ans Telefon geholt bzw. schnellstmöglich informiert<br />

werden. Gegebenenfalls erfolgt jetzt eine Rückversicherung<br />

und Bestätigung der Erstmeldung, um zum einen<br />

Informationsverluste durch zwischengeschaltete Stellen zu vermeiden<br />

und zum anderen den Wahrheitsgehalt und die<br />

Tragweite der Schadensmeldung einzuschätzen.<br />

Erst jetzt erfolgt die Umsetzung der einzelnen hereinkommenden<br />

Meldung in mehrere herausgehende Alarmrufe an einzelne Mitarbeiter.<br />

Zu diesem Zweck stehen mehrere Verfahren zur Verfügung.<br />

Das Einfachste ist zweifelsohne der direkte Anruf an<br />

jeden Einzelnen. Hier muss jedoch der hohe Zeitbedarf (pro Anruf<br />

mindestens 2 Minuten) und die daraus resultierende Blockierung<br />

von Personal und Telefonleitung berücksichtigt werden. Letztlich<br />

ist dieses Vorgehen nur bei kleinen Einheiten mit einer begrenzten<br />

Personenzahl praktikabel. Für größere Zahlen wären auf diesem<br />

Prinzip aufbauende Schneeballsysteme, bei denen jeder erreichte<br />

Mitarbeiter weitere Kollegen verständigt, geeignet. Nachteilig<br />

ist hier das Abreißen der Alarmkette und damit der Ausfall weiterer<br />

Mitarbeiter, der um so gravierender ausfällt, je weiter oben in<br />

der Alarmpyramide ein Abbruch erfolgt. Quervernetzungen zwischen<br />

den einzelnen Alarmsträngen können derartige Ausfälle<br />

zwar kompensieren, machen das ganze System jedoch umständlicher<br />

und insgesamt langsamer.<br />

Computergestützte Alarmsysteme, die über mehrere Telefonleitungen<br />

automatisiert parallel die Mitarbeiter entsprechend<br />

einem vorbereiteten Schema aktivieren, können entweder lokal<br />

für das entsprechende Krankenhaus beschafft werden oder<br />

auch an einen externen Dienstleister vergeben werden. Nachteil<br />

derartiger einfacher (preisgünstigerer) Systeme ist der Umstand,<br />

dass keine Rückmeldung über das wirkliche Erreichen einer<br />

ganz bestimmten Person nämlich des Mitarbeiters persönlich<br />

232


erfolgt, im Einzelfall also auch das Ansprechen des Anrufbeantworters<br />

eines im Urlaub befindlichen Mitarbeiters dessen erfolgreiche<br />

Verständigung suggeriert. Aufwändigere und daher kostenintensivere<br />

Systeme arbeiten mit einer Rückmeldung des<br />

Angerufenen, wobei dieser entweder unter Verwendung des<br />

Mehr-Frequenz-Wahl-Verfahrens (MFV) nach Aufforderung durch<br />

das System einen vorbestimmten Geheimcode als Bestätigung<br />

seiner Alarmierung über die Tastatur des Telefonapparates eingeben<br />

muss oder mit Hilfe eines auf ihn persönlich programmierten<br />

Signalgebers – ähnlich den Modellen zur Fernabfrage<br />

eines Abrufbeantworters – sein Erreichen quittiert.<br />

Es hat sich bewährt, die Alarmierung außerhalb der regulären<br />

Arbeitszeit nicht nach dem „Alles-oder-Nichts“-Prinzip zu organisieren,<br />

sondern eine angemessene Abstufung vorzusehen. So<br />

hat eine dreistufige (ggf. vierstufige) Alarmhierarchie:<br />

Stufe 1: Verstärkung der vorhandenen Kräfte auf etwa das<br />

Doppelte mit universell einsetzbaren Mitarbeitern<br />

(Leistungsträger!) sowie Entscheidungsträgern<br />

(Einsatzleitung) [Zeitrahmen: max. 1 Stunde]<br />

Stufe 2: Verstärkung der vorhandenen Kräfte auf etwa das<br />

Leistungsniveau des regulären Dienstbetriebes<br />

mit Mitarbeitern aller Leistungsstufen bei gleichzeitiger<br />

Reservenbildung [Zeitrahmen: max. 3<br />

Stunden]<br />

Stufe 3: Alarmierung aller erreichbaren Mitarbeiter (Maximalvariante)<br />

[ggf. Stufe 4: Alarmierung externer Hilfskräfte über Katastropheneinsatzleitung<br />

zur Kapazitätserweiterung]<br />

hat den Vorteil, in Anpassung an die Erstmeldungen<br />

von Außen nur die wirklich benötigten<br />

Mitarbeiter anfordern zu können und je nach<br />

Lageentwicklung die Alarmstufe erhöhen oder<br />

reduzieren bzw. beenden zu können.<br />

Bei dieser initialen Alarmierung muss bereits die Dynamik des<br />

Schadensereignisses mit berücksichtigt werden. Handelt es<br />

sich um ein abgeschlossenes Geschehen, bei dem das Maximalausmaß<br />

bereits eingetreten ist und eine Ausweitung nicht zu<br />

befürchten steht, kann großzügig alarmiert werden, damit eine<br />

schnelle Patientenversorgung gewährleistet ist. Nach deren<br />

Abschluss kann dann eine entsprechende Ruhe- und Erholungsphase<br />

für das Personal eingeplant werden. Beispiele hierfür<br />

sind der Massenunfall auf Verkehrswegen, Explosionen,<br />

Einstürze etc. Handelt es sich hingegen um ein Schadensereignis,<br />

bei dem noch eine Weiterentwicklung im Sinne einer<br />

233


Ausbreitung (räumlich und/oder zeitlich) denkbar ist, dürfen<br />

nicht in der kurzen Initialphase bereits alle verfügbaren Kräfte<br />

eingesetzt werden, um Reserven für Ablösung und Ersatz zu<br />

haben. Zwar kann auch in dieser Situation ein Mehr an Personal<br />

ein Schneller an Versorgung bedeuten, doch würde schon nach<br />

wenigen Stunden durch die Erschöpfung der Mitarbeiter die weitere<br />

Behandlungskapazität für Verletzte drastisch bis auf ein<br />

Minimum absinken, ohne dass Aussicht auf ausgeruhtes, leistungsfähiges<br />

Personal besteht. Andauernde Naturkatastrophen<br />

(Überschwemmung, Erdbeben), Großbrände, gewalttätige Auseinandersetzungen<br />

oder Epidemien müssen unter diesem Gesichtspunkt<br />

betrachtet werden.<br />

Unabhängig vom vorgesehenen Alarmierungsweg ist die frühzeitige<br />

Alarmierung und Bereitstellung von Personal von fundamentaler<br />

Bedeutung für die Bewältigung einer Katastrophensituation. Da<br />

externe Schadenslagen in der Regel erst mit einer geringen Verzögerung<br />

durch qualifizierte Sichtung und Erstversorgung vor Ort<br />

sowie den Transport auf die Kliniken treffen, besteht hier die<br />

Chance, bei rechtzeitiger Alarmierung von Mitarbeitern die Kapazität<br />

hochzufahren, bevor es zu ernsten Engpässen kommt.<br />

Während der regulären Dienstzeiten wird im Allgemeinen ein<br />

großer Anteil der Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen zur Verfügung<br />

stehen und die Zahl der zusätzlich alarmierbaren Kräfte überschaubar<br />

sein (Urlaub, Freizeitausgleich, Freistellungen). Durch die<br />

Beendigung laufender Eingriffe, ein Stoppen der elektiven Operationen/Untersuchungen<br />

sowie die Entlassung nicht zwingend<br />

krankenhauspflichtiger Patienten kann zusätzlich Raum und<br />

Personal für die Versorgung von Katastrophenopfern geschaffen<br />

werden. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass für die<br />

Bewältigung längerdauernder Schadenslagen auch ein Potenzial<br />

an Mitarbeitern für eine Ablösung vorgehalten werden muss. Es<br />

hat keinen Sinn, Spät- und Nachtdienste bereits tagsüber einzusetzen,<br />

um dann spätestens am folgenden Tag vor aufgebrauchten<br />

Personal-Ressourcen zu stehen. Es bedarf natürlich keiner<br />

Diskussion, dass in einem solchen Schadensfall gesetzliche Arbeitszeitregelungen<br />

vorübergehend außer Kraft gesetzt sind und<br />

eine Disposition nach Leistungsfähigkeit, nicht nach Stundenzahl,<br />

erfolgen muss.<br />

Genau umgekehrt sieht es außerhalb der regulären Dienstzeiten<br />

aus: hier ist in der Regel nur eine kleine Anzahl von Mitarbeitern<br />

im Haus oder unmittelbar im Rufdienst, um die Notfallversorgung<br />

einzelner Patienten sicherzustellen. Demgegenüber befindet<br />

sich eine große Anzahl an Personal in der Freizeit und muss<br />

dort erreicht und alarmiert werden. Je nach Tages-, Wochen-<br />

234


und Jahreszeit ist damit zu rechnen, dass zwischen 30 und 60%<br />

der Mitarbeiter einer Klinik erreicht werden können.<br />

Um einen Überblick über die verfügbaren Mitarbeiter zu bekommen,<br />

ist die Erstellung und ständige Aktualisierung (je nach<br />

Personalfluktuation 1/4- bis 1/2-jährlich) eines Mitarbeiterverzeichnisses<br />

als Bestandteil eines Alarmplanes unabdingbar. Dabei sollten<br />

diese Aufstellungen jeweils für einen zusammengehörenden<br />

Bereich (etwa Anästhesie, Chirurgie-Bettenstationen, Chirurgie-<br />

OP-Betrieb, Zentrallager, Apotheke, Wäscherei, Speisenversorgung,<br />

Verwaltung etc.) gefertigt werden, damit vor Ort in den<br />

betroffenen Bereichen eine Nachalarmierung unter Berücksichtigung<br />

des aktuellen Bedarfs und der Ablösung erfolgen kann.<br />

Bereits im Vorfeld ist abzuklären, auf welchen Wegen die alarmierten<br />

Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz erreichen sollen. Günstig wäre<br />

hier eine von den Rettungsdiensten getrennte Anfahrtsroute, um<br />

gegenseitige Behinderungen zu minimieren. Ferner ist zu klären,<br />

wo Fahrzeuge provisorisch abgestellt werden können (Wiese,<br />

Acker etc.), damit nicht die Zufahrtswege durch geparkte PKW<br />

blockiert werden. Ein Mitarbeiterausweis dient dazu, auch bei<br />

Straßensperrungen durch die Polizei die ungehinderte Weiterfahrt<br />

zur Klinik zu ermöglichen und ein Abschleppen abgestellter<br />

Fahrzeuge zu verhindern. Als Treffpunkt nachrückender Kräfte bewährt<br />

sich der im allgemeinen Dienstbetrieb betreute Arbeitsplatz<br />

(d.h. z.B. Stationszimmer für Pflegekräfte) oder für Abteilungen mit<br />

mehreren Einsatzorten ein allgemein bekannter Platz (z.B.<br />

Zentralanästhesie, Besprechungszimmer, Casino).<br />

Kapazitätserweiterung<br />

Bei einem Massenanfall von Verletzten wird es nötig sein, auch<br />

die räumlichen Versorgungskapazitäten im Krankenhaus zu<br />

erweitern, um Wartezeiten zu vermeiden oder zumindest minimieren<br />

zu können. Geeignete Maßnahmen hierzu sind:<br />

– Unterbrechen der laufenden Patientenversorgung – soweit<br />

möglich –<br />

– Beendigung aller laufenden und Absetzen aller elektiven<br />

Eingriffe<br />

– Schaffung zusätzlicher OP-Kapazitäten in Notaufnahmen/<br />

Schockräumen/Behandlungsräumen<br />

– Freimachen von regulären Intensivbehandlungsbetten durch<br />

Verlegung auf Normalstationen oder andere Krankenhäuser<br />

– Schaffung zusätzlicher Intensivbehandlungsplätze in Aufwacheinheiten/Intermediate-Care-Bereichen<br />

– Schaffung von Bettenkapazität durch Aufrüsten mit Einmalbettwäsche<br />

235


– Nutzung anderer Räume zur Patientenversorgung (z.B. Krankenpflegeschulen)<br />

– Inbetriebnahme von Hilfskrankenhäusern des Zivilschutzes<br />

– Aufbau extern ausgelagerter Einheiten im Sinne einer<br />

Dependance (Schulen/Veranstaltungshallen/Kasernen etc.)<br />

Insbesondere für die beiden letztgenannten Punkte zur Kapazitätserweiterung<br />

muss der Zeitfaktor berücksichtigt werden.<br />

Selbst bei entsprechender Vorplanung wird ein sinnvoller Betrieb<br />

nicht vor 12 bis 24 Stunden etabliert werden können.<br />

Limitierender Faktor neben der Zeit ist der Personalbedarf.<br />

Können klinikinterne Maßnahmen zur begrenzten Kapazitätserweiterung<br />

noch bei reduzierter Personalausstattung durch<br />

Stammpersonal abgedeckt werden, muss für externe Arbeitsbereiche<br />

zusätzliches (Hilfs-) Personal bereitgestellt werden. Die<br />

Alarmierung und Bereitstellung dieser Kräfte muss über die<br />

jeweilige Katastropheneinsatzleitung auch etwa durch Rundfunkaufrufe<br />

erfolgen. An Ressourcen können genutzt werden:<br />

– niedergelassene Ärzte verschiedener Fachrichtungen<br />

– aus dem Berufsleben ausgeschiedenes ärztliches und<br />

Krankenpflegepersonal<br />

– Krankenpflegepersonal ambulanter Dienste und Sozialstationen<br />

– Bundeswehrangehörige aus dem San-Bereich (ärztlich/nichtärztlich)<br />

– Schwesternhelferinnen, die durch Hilfsorganisationen im<br />

Rahmen des Zivilschutzes ausgebildet wurden<br />

– Freiwillige ohne fachspezifische Vorbildung (Hilfstätigkeiten)<br />

Um diese, in der klinischen Tätigkeit ungeübten Kräfte, nutzbringend<br />

einsetzen zu können, muss auf eine Besetzung aller<br />

Arbeitsbereiche mit einer ausgewogenen Mischung aus Stammpersonal<br />

(Führungs- und Anweisungsfunktion) und externen<br />

Helfern (Basismaßnahmen, unterstützende Arbeiten) geachtet<br />

werden.<br />

Patientenwege<br />

Für den Weg der eingelieferten Patienten beim Großschadensfall<br />

sollten die auch im Routinebetrieb etablierten Strecken gelten. Für<br />

die Anfahrt der rettungsdienstlichen Fahrzeuge muss – falls irgend<br />

möglich – eine kreuzungsfreie Einbahnstraßen-Regelung vorgesehen<br />

und durch Ordnungskräfte bzw. Polizei eingerichtet und gesichert<br />

werden. Bei einer funktionierenden Triage durch die Sanitäts-<br />

Einsatzleitung und Erstversorgung am Schadensort werden die<br />

236


Patienten relativ geordnet und mit angemessener zeitlicher<br />

Verzögerung in der Notaufnahme eintreffen. Hier muss als erste<br />

Station – auch an mehreren Arbeitsplätzen – eine er<strong>neu</strong>te Sichtung<br />

unter den speziellen Aspekten klinischer Versorgung erfolgen;<br />

hierfür sind die klinisch erfahrensten Ärzte einzuplanen.<br />

Gleichzeitig muss bereits an dieser Stelle eine Registrierung der<br />

eingelieferten Patienten erfolgen, wobei unbedingt darauf geachtet<br />

werden muss, dass die im Krankenhaus eingeführte Methodik<br />

frühestmöglich zum Einsatz kommt. Dieses Regime erlaubt die<br />

Nutzung im Alltag erprobter Abläufe z.B. in Labors, Blutbanken<br />

und Stationen, gewährleistet einen lückenlosen Informationsfluss<br />

und ermöglicht frühzeitig Auskünfte über behandelte Patienten.<br />

Deshalb sind für diesen Arbeitsplatz neben dem ärztlichen und<br />

pflegerischen Personal auch Hilfskräfte der Verwaltung sowie<br />

Krankenträger einzuplanen. Es muss durch entsprechende Maßnahmen<br />

sichergestellt werden, dass kein einziger Patient – und sei<br />

er noch so schwer oder leicht verletzt – an diesem sinnvollen<br />

„Nadelöhr“ Sichtungsstelle vorbei in die Klinik gelangt.<br />

Patienten, die einer Dekontamination von atomaren, biologischen<br />

oder chemischen Noxen bedürfen, sind dieser zuzuführen, bevor<br />

sie weiter innerhalb der Klinik verteilt werden können. Patienten<br />

der Sichtungsgruppe T1 (immediate treatment – sofortige Versorgung<br />

– Behandlungspriorität) werden schnellstmöglich in die<br />

Versorgungsräume, z.B. einer Poliklinik/Notaufnahme verbracht,<br />

um dort lebensrettende Maßnahmen durchzuführen. Patienten der<br />

Sichtungsgruppe T2 (delayed treatment – aufgeschobene (Klinik-)<br />

Behandlung – Transportpriorität) benötigen baldmöglichst einen<br />

freien OP zur definitiven Versorgung oder aber einen Bettplatz auf<br />

einer Intensiv-/Intermediate-Care-/Aufwach-Station bis zu ihrer<br />

definitiven Versorgung. Patienten der Sichtungsgruppe 3 (minimal<br />

treatment – ambulante Versorgung/Kameradenhilfe – Leicht-(Unverletzte)<br />

bedürfen einer lückenlosen Sammelüberwachung durch<br />

kompetentes Personal (Pflegekräfte mit Arzt in Rufweite) sowie<br />

angemessene (d. h. auf das sinnvolle Mindestmaß beschränkte)<br />

Basisversorgung. Für diese zahlenmäßig größte Gruppe an Patienten<br />

eignen sich z.B. Turn- und Gymnastiksäle oder auch Besprechungs-<br />

und Vorlesungsräume. Diese Räumlichkeiten dürfen<br />

und sollen auch etwas abseits der „Akutbehandlungsebene“ liegen<br />

und sorgen so dafür, dass Störungen durch <strong>neu</strong>gierige,<br />

umherstreifende Personen unterbleiben. Der Sichtungsgruppe T4<br />

(expectant treatment – abwartende Behandlung – Schwerstverletzte<br />

ohne aktuelle Rettungschance) sollten Patienten in der<br />

Klinik nach Möglichkeit nicht mehr zugeordnet werden müssen,<br />

wenn die Verteilung auf die zur Verfügung stehenden Krankenhäuser<br />

gut funktioniert hat. Falls dies jedoch unter Berück-<br />

237


sichtigung der aktuellen Situation dennoch erforderlich wird, müssen<br />

diese Patienten mit einer effektiven Schmerztherapie versorgt,<br />

unter sorgfältiger qualifizierter Überwachung (Arzt verfügbar!) und<br />

menschlicher Betreuung (auch Seelsorger!) schnellstmöglich wieder<br />

in die Gruppen T1 und T2 umgesichtet und behandelt werden,<br />

sobald die Situation dies zulässt. Für derartige Patienten bieten<br />

sich ruhige Räume an, die jedoch in der Nähe der „Akutbehandlungsebene“<br />

liegen sollten, um sofortige Interventionen zu gewährleisten.<br />

Für tot eingelieferte oder verstorbene Patienten werden<br />

die normalerweise vorgehaltenen Kapazitäten an<br />

Leichenkühlräumen zur kriminaltechnischen Untersuchung und<br />

Identifikation nicht ausreichen. Insbesondere im Sommer bei<br />

hohen Außentemperaturen muss rechtzeitig nach Alternativen<br />

Ausschau gehalten werden; Kühlräume/Kühlanlagen der Nahrungsmittelindustrie<br />

sowie kliniknah abgestellte Tiefkühl-LKWs<br />

des Speditionsgewerbes können hier hilfreich sein.<br />

Lagerhaltung<br />

Im Bereich der Lagerung und Vorratshaltung treffen zwei konträre<br />

Auffassungen aufeinander. Während aus der Sicht des Katastrophenmanagements<br />

ein möglichst großer Vorrat an essentiellen<br />

Medikamenten und Verbrauchsmaterial wünschenswert ist, zwingen<br />

logistische und finanzielle Argumente zu Beschränkungen.<br />

Immer mehr gehen heute in der Zeit knapper Mittel die Krankenhausverwaltungen<br />

dazu über, Lagerbestände vor Ort abzubauen<br />

und Nachlieferungen „just-in-time“ zu organisieren. Bei diesem<br />

Vorgehen können bereits kleine Störungen der Infrastruktur<br />

(Straßen, Witterungsverhältnisse etc.) oder plötzlicher Mehrverbrauch<br />

wie im Falle großer Schadensereignisse zu Engpässen<br />

führen. Wichtig ist hier ein gesundes Mittelmaß zwischen großzügiger<br />

Bevorratung absolut unverzichtbarer Artikel und reduzierter<br />

Vorhaltung entbehrlicher Güter. Die Faustregel lautet hier: „Von<br />

Wenigem (= Essentiellem) Viel, von Vielem (= Entbehrlichem)<br />

Wenig!“ Es hat sich bewährt, eine Staffelung hinsichtlich der<br />

Vorratshaltung einzuführen. So sollen an den Arbeitsplätzen in den<br />

einzelnen Bereichen (z.B. Station, OP-Suite, Notfallaufnahme,<br />

Intensivstation) die Verbrauchsgüter für einen durchschnittlichen<br />

Wochenbedarf vorgehalten werden. In den nachgeschalteten<br />

Lagern der Klinik (Zentrallager, Apotheke, Wäscherei, Küche etc.)<br />

wird der Bedarf für etwa 4 Wochen bereitgehalten und nur darüber<br />

hinausgehende Mengen müssen direkt beim Hersteller geordert<br />

werden. Berücksichtigt man, dass auch unter günstigsten<br />

Bedingungen die gesamte Kapazität einer Klinik wochentags wohl<br />

kaum um mehr als den Faktor 2, für sehr kurze Zeitabschnitte (einzelne<br />

Tage) vielleicht auch um den Faktor 3 gesteigert werden<br />

kann, ergibt sich die Notwendigkeit eines Nachschubs aus den kli-<br />

238


nikeigenen Lagern auf die einzelnen Bereiche nach etwa 2 Tagen;<br />

externe Lieferungen vom Großhandel bzw. den Herstellern in die<br />

Zentrallager würden dann nach ca. 7 Tagen erforderlich. Bei diesem<br />

Konzept ist es den einzelnen Teilbereichen eines Krankenhauses<br />

möglich, sofort auf einen gestiegenen Bedarf für etwa<br />

2 bis 3 Tage autark zu agieren; diese Frist sollte ausreichen, den<br />

Nachschub aus den übergeordneten Lagern zu organisieren. Die<br />

Zentrallager können – bei entsprechender Information durch die<br />

Einsatzleitung – diesen kleinen Vorlauf ihrerseits nutzen, die Logistik<br />

den gestiegenen Bedürfnissen anzupassen und rechtzeitig<br />

Ergänzungen zu ordern. Selbst bei einer durch Schadensereignisse<br />

überregionaler Ausdehnung (etwa Erdbeben) bedingten Zerstörung<br />

der Infrastruktur (Verkehrswege!) kann in Industriestaaten<br />

nach einer Frist von einer Woche mit einer funktionierenden<br />

Notversorgung aus unbetroffenen Regionen gerechnet werden.<br />

Essentiell für eine geordnete Patientenversorgung im Massenanfall<br />

von Verletzen sind:<br />

– Analgetika / Sedativa / Narkotika<br />

– Verbandmaterial (Basisartikel!)<br />

– Infusionslösungen (Elektrolytlösungen, Volumenersatzstoffe,<br />

parenterale Ernährung, Blutprodukte)<br />

– Infusions- /Injektionsbedarf<br />

– Antidota<br />

– Einmal-Bettwäsche / Patienten-/Personalkleidung<br />

Übungen<br />

Der für eine Klinik erstellte Alarmplan muss nicht nur regelmäßig<br />

aktualisiert werden, sondern seine Richtigkeit und Praktikabilität<br />

muss auch durch Übungen nachgewiesen werden. Die<br />

Katastrophenschutzgesetze der einzelnen Bundesländer fordern<br />

deshalb sowohl die Durchführung eigener Übungen wie<br />

auch die Teilnahme von Krankenhäusern an den Katastrophenschutzübungen<br />

der Kommunen.<br />

Für den Bereich der Kliniken können abgestufte Übungen, je nach<br />

Fragestellung, empfohlen werden. Die reine Alarmierungsübung<br />

ohne Anfahrt stellt die Erreichbarkeit von Mitarbeitern zu bestimmten<br />

Zeiten fest und erlaubt die Einschätzung der im Realfall zu erwartenden<br />

Personalstärke. Rahmenübungen der Einsatzleitung ohne echte<br />

Einbindung des Klinikbetriebes mit entsprechenden Einspielungen<br />

von Außen durch eine Regie erlauben die Überprüfung der vorhandenen<br />

Unterlagen und Kommunikationswege sowie der Zusammenarbeit<br />

der einzelnen Klinikstrukturen. Übungen mit dem Einsatz von<br />

Mimen und dem Klinikpersonal sowie einer Einbindung der Rettungsdienste<br />

geben die Möglichkeit, die Schnittstellen innerhalb der<br />

Klinik und zu den externen Organisationen zu überprüfen und stellen<br />

239


ein wünschenswertes Optimum dar. Es soll aber nicht verschwiegen<br />

werden, dass derartige Übungen nicht unerhebliche Material- und<br />

insbesondere Personalkosten verursachen können und mit dem<br />

regulären Krankenhausbetrieb interferieren. Durch geschickte Zeitwahl<br />

(außerhalb des regulären Betriebs, z. B. Samstag) und Verwendung<br />

nicht-intensiv genutzter, unsensibler Bereiche (leerstehende<br />

Stationen, Bereiche mit laufenden Baumaßnahmen) können jedoch<br />

die Beeinträchtigungen für Personal und Patienten reduziert werden.<br />

Die Teilnahme an turnusmäßig von den Kommunen durchzuführenden<br />

Katastrophenschutz-Vollübungen bindet das Krankenhaus und<br />

seine Strukturen in den gesamten Ablauf der Bewältigung eines<br />

großen Schadensereignisses mit ein und sollte, wann immer möglich,<br />

genutzt werden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse führen<br />

nicht nur zu einer Optimierung der klinikinternen Planungen, sondern<br />

geben Patienten und Mitarbeitern auch das begründete Gefühl,<br />

einer derartigen Ausnahmesituation nicht hilflos gegenüber zu stehen<br />

und fördern so deren Motivation zu aktiver Teilnahme.<br />

RLSt<br />

EZ POL/FW<br />

KEL<br />

Dienst 1<br />

z.B. CHIR<br />

Alarm<br />

Abb. 1: Alarmwege<br />

(RLSt: Rettungsleitstelle; EZ POL / FW: Einsatzzentrale Polizei /<br />

Feuerwehr; KEL: Katastropheneinsatzleitung)<br />

240<br />

Bereich A<br />

Info<br />

Notfallmeldung<br />

Rückbestätigung<br />

Dienst 2<br />

z.B. AN<br />

Bereich A<br />

Info<br />

Dienst 3<br />

z.B. ICU<br />

Info<br />

Bereich A<br />

Klinikinterner<br />

Meldekopf<br />

diensthabender<br />

Arzt<br />

Erst-Alarm Folge-Alarm<br />

Dienst 4<br />

z.B. MED<br />

Bereich A<br />

Info<br />

Dienst 5<br />

z.B. XYZ<br />

Bereich A<br />

Info<br />

Alarm<br />

Klinik –<br />

Einsatzleitung<br />

Info<br />

Infra 1<br />

Alarm<br />

Klinik 1<br />

XYZ 1


T4<br />

Betreuung/<br />

Überwachung<br />

(Versammlungsraum)<br />

T3<br />

Überwachung<br />

(Gymnastikhalle)<br />

Anfahrt (Einbahnregelung)<br />

T1/T2/T3/T4<br />

Stauzone<br />

Sichtung<br />

Registrierung<br />

(Eingangsbereich)<br />

Pflegestationen<br />

Entlassung/Verlegung/Dependance<br />

Abb. 2: Patientenwege im Krankenhaus (Beispiel)<br />

T1<br />

Sofortmaßnahmen<br />

(Notaufnahme)<br />

Intensivtherapie<br />

(ICU)<br />

T2<br />

Notfall-OP<br />

(Op-Suite)<br />

241


242


Anhang


Einsatzablauf-Flussdiagramm<br />

H. Peter, J.W. Weidringer, P. Sefrin<br />

Das nachfolgend dargestellte Schema stellt keinen idealtypischen<br />

Ablauf dar, sondern nur eine mögliche Entscheidungsgrundlage,<br />

die aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen in<br />

verschiedenen Bundesländern ggf. regional different zu handhaben<br />

ist.


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

1.0. Was ist passiert? Meldung<br />

sofortige Dokumentation<br />

Personal/Patienten/Material<br />

1.1. Art Absicherung der Unfallstelle nach Gefährdungsgesichtspunkten Festlegung der Aufteilung<br />

ungefähre Anzahl der Verletzten, Erkrankten abschätzen Einteilung kontrollieren<br />

1.1.1. Massenanfall<br />

ja<br />

a) allgemeine Probleme Planung und Festlegung der Transportwege, Abklärung der<br />

Behandlungsgsmöglichkeiten (personell, materiell, Meldewesen<br />

Ablauf) orientierende Präferenzbildung (Verletzteneinteilung,<br />

Einrichten von Behandlungseinheiten und Einsatzabschnittsbildung)<br />

Organisation der medizinischen Behandlung, ständige Überprüfung evtl.<br />

nein<br />

Transportkapazitäten anfordern und einteilen, Ergänzung durch nachfolgen-<br />

An- und Abfahrtswege für Rettungseinheiten de Kräfte und Material<br />

sowie Rettungsdienstfahrzeuge festlegen,<br />

Bereitstellungsräume (Aufgabe OrgL)<br />

b) besondere Massenunfälle<br />

ja<br />

1.1.1.1. Verkehrsunfall Absperrung veranlassen (großräumig, Sicherheit, Einhaltung der Absperrbereiche<br />

Betriebsunfall Zu- und Abfahrt sichern) kontrollieren<br />

nein<br />

Tox. Unfall, radioaktiver<br />

oder chemischer Unfall<br />

245


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

zusätzliche Anforderung von Personal und Material (z. B. Infusionen, Absprache mit der Feuerwehrja<br />

Analgetika, spezielle Medikamente) zur Behandlung, / Gesamteinsatzleitung<br />

Einrichtung (mit OrgL) von sicheren Behandlungsplätzen,<br />

1.1.1.2. Großbrand Pers. Aufteilung; spezielle Gefahren wie Messen und Messwerte beurei-<br />

Explosion, toxische Stoffe; Personal- und Patienteneinteilung nach len, Zusammenarbeit mit .... und<br />

Absprache mit Feuerwehr anderen Behörden<br />

246<br />

Behandlung u. Transport; Vorinformation v. Spezialabteilungen<br />

(Brandverletztenzentren, viele Infusionen, ausreichend Analgetika,<br />

Antidota, oper. Verbandmaterial – Rückgriff auf Vorräte Dritter<br />

nein<br />

Inhalationsgefahr von tox. Stoffen, Identifikationen durch FW Dokumentation für spätere<br />

(Tox-Röhrchen, hyperbare Ox., Medifax, Meditox ® , TUIS) Untersuchungen von Verletzten<br />

und Erkrankten<br />

1.1.1.3. Hauseinsturz, Absicherungsmaßnahmen bei Gefahren für Verletzte und Personal in<br />

Verschüttung, Behandlung einplanen; Zusammenarbeit mit anderen (techn.)<br />

(Crush-Syndrom) ja<br />

Organisationen abstimmen – Eingreifen nur nach<br />

Freigabe durch FW-Einsatzleitung<br />

medizinische Behandlung: Besonderheit – frühzeitige Notfallmedizinische<br />

Infusionstherapie mit großen Volumina Behandlung vor dem Freilegen<br />

1.1.1.4. Explosion<br />

nein<br />

weitere Gefährdungen (Reexplosion, tox. Stoffe, Verletzungsmuster), Verschütteter; medizinische<br />

Eingreifen nur nach Freigabe durch FW-Einsatzleitung, spezielle Behandlung im Trümmer-<br />

Behandlung nötig (blast injuries) – Hinweise s.o. bereich nur nach Absprache<br />

Veranlassung der Bereitstellung von besonderen Substanzen wie mit Gesamteinsatzleitung


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

Antidota, Infusionen, spez. Komb. Verletzungen (siehe auch<br />

ja<br />

Brandverletzungen)<br />

– Cave! Wichtig bei Verteilung auf und Anmeldung in Spezialkliniken<br />

1.1.2. Unfälle mit<br />

gesonderter zusätzlicher<br />

nein<br />

Entscheidung<br />

ja<br />

1.1.2.1. DB-Unfälle DB-Sonderregelung – Rettungszüge (Fahrdienstleiter) Einsatz erst nach Abschalten<br />

(Notfallmanager, BGS) und Erden der Oberleitung<br />

nein<br />

Zugang zu Verletzten –<br />

ja<br />

Denken an ICE-Bauweise<br />

1.1.2.2. Hochspannungsunfall örtliche Elektrizitätswerke bzw. Energieversorgungsunternehmen<br />

informieren (Polizei) zum Abschalten der Stromzufuhr, (ansonsten<br />

siehe spez. Unfallmuster) und ggf. Erden<br />

1.1.2.3. Unfall durch spezielle Witterungsbedingungen (Nebel, Hochwasser bei weiter auseinanderlie-<br />

Naturereignisse Rettungsmöglichkeiten!) genden Orten (Unfallversorgung)<br />

Überschwemmung, nein<br />

Schwierigkeiten bei Kontrolle,<br />

Sturm, Schnee, spez. Rettungsmittel/ Transportmittel (Vorortversorgung nicht deshalb diszipliniert und<br />

Eis, Erdbeben, möglich!) zuverlässig durchführen,<br />

Waldbrand „Abschnittsleiter“ berufen<br />

Gefahrenausbreitungsmöglichkeiten mit einplanen (Windrichtung, -stärke)<br />

Verzögerungsmöglichkeiten mit einplanen (Versorgung mit<br />

Personen und Material), Einsatzabschnittsbildung mit Verantwortlichen<br />

247


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

1.1.2.4. See-/Binnen- Leitern (Rückmeldung!)<br />

gewässer Unfälle<br />

ja<br />

entferntere Grundversorgung ermöglichen (Kapazitätsprobleme)<br />

248<br />

örtliche Polizei (Wasserschutzpolizei),Feuerwehr oder<br />

Wasserrettungsorganisationen (DLRG, Wasserwacht, DGzRS)<br />

1.1.2.5 Flugzeugabsturz / Patienten-Behandlung (CAVE: Gefahren durch Kerosin: Großveranstaltung?<br />

Notlandung Surfactant-Zerstörung)<br />

1.1.2.6 Radioaktiver ja<br />

Anforderung von Messeinheiten (techn., personell) ja nach Messergebnis<br />

Unfall patientenorientiert, Kontaktaufnahme mit FW (Strahlung oder )<br />

Spezialeinheiten anfordern (Schutzkleidung, Dekonta- Behandlungstaktik angleichen<br />

nein<br />

minationseinheiten) und abstimmen z.B. GSF<br />

Spezielle Sicherungseinheiten (Kleidung, Evakuierung, Sicherung, FwDv 9 + 1<br />

Zugangswege)<br />

Gefährdung von Personal, Umgebung, Bevölkerung, Entwicklung Kontaktaufnahme mit<br />

des Schadens Strahlenschutzzentren<br />

Spezielle Versorgung und Transport, Spezialeinheiten, -betten,<br />

-abteilungen<br />

1.1.2.7. Unfall m. Agenzien ja<br />

Stoffklassifikation (spezielle Messeinheiten) – Fernabfrage spezifischer Konzentrationsmessung und<br />

- toxisch Maßnahmen über Leitstelle Entwicklung bzgl. Gefahr, Zeit<br />

- biologisch u. Ausmaß<br />

Warnung der Bevölkerung Angleichung der Maßnahmen


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

Einheiten a) personell (Spezialeinheit, Sicherung,<br />

Atemschutz) Rettungs-/ Evakuierungs- c/o BFV, WFV, KatS,<br />

maßnahmen regionale LSt, Meditox ®<br />

b) materiell (Antidota) – Gerätewagen-FW, Gefahren<br />

Einrichtung der Leit- und Behandlungsstellen aus „präventiver“ Sicht<br />

(Witterung, Entwicklungsmöglichkeit), Gefährdung;<br />

Evakuierung von Patienten und Bevölkerung nach Plan Information und Rücksprache<br />

Entwicklungsmöglichkeiten abschätzen und Vorsorge treffen mit Gesamteinsatzleitung<br />

1.1.2.8. Militärunfälle ggf. Unterstützung via SAR-RCC (2.1.) über Leitstelle<br />

ja<br />

BW<br />

NATO Verbindungsaufnahme mit dem nächsten VBK, WBK, Vorhandene Störfallpläne /<br />

nächster Bundeswehrdienststelle (OvWa) Sonderschutzpläne berück-<br />

1.1.2.9. Munitionsunfälle nein<br />

Siehe auch Militärunfälle sichtigen (CAVE: Munition !)<br />

Siehe auch<br />

- Tox-Unfall / radioaktiver Unfall<br />

- Explosion<br />

- Großbrand<br />

- Verschüttung<br />

- Problemunfälle<br />

1.1.2.10. Geiselnahme ja<br />

Absprache mit POL-EL direkt<br />

Entsprechend Verlauf oder möglicher Konsequenz<br />

Kapazitäten bereitstellen<br />

nein<br />

249


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

auf beweglichen Einsatz vorbereiten<br />

250<br />

1.1.2.11. Panik/Lethargie ja<br />

überaktive Reaktion (Panik) – Beruhigung durch Information,<br />

Einbeziehung in Aktivitäten, Grundbedürfnisse stillen<br />

depressive Reaktion (Lethargie) –Vorsicht: suizidale Reaktion;<br />

rasche Entfernung aus dem Gefahrenbereich<br />

ggf. Kooperation und Vorstellung bei Polizeipsychologen oder<br />

Notfallseelsorger oder Kriseninterventionsteam zuziehen (über Leitstelle)<br />

nein<br />

1.2. Ort<br />

1.2.1. Stadt<br />

Gefahrenpotential, Spezielle ortsbedingte Maßnahmen einleiten Abstimmung von<br />

spez. Zufahrten im großräumig Transportwege sichern (Polizei, Feuerwehr) Bereitstellungsräumen<br />

Stadtbereich Polizei und RD, Fw, BW,<br />

1.2.2. Land<br />

1.2.2.1. gut zugänglich kein weiteres Problem Maßnahmenveranlassung nach Art des Unfalls und der Witterung<br />

1.2.2.2. unwegsames Gelände Entscheidung über spez. Anforderung z.B. von geländegängigen Transportmitteln, Notwendigkeit gegeben bei<br />

Behandlungs- und Hubschrauber über Leitstelle (z.B. RCC Münster) größeren Entfernungen<br />

Transportmöglichkeiten spezielle Boote „Abschnittsleiter“<br />

zur Vor-Ort-Kontrolle<br />

einzusetzen:


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

1.2.2.3. Tunnels<br />

Eisenbahn, Straße siehe Punkt 1.1.2.1<br />

1.2.3. Industriegebiet mit Zusatzrisiko erkunden spezielle Maßnahmen einleiten zusammen mit WF, Sonderschutzpläne kennen,<br />

besonderer Gefahr Naturwissenschaftlern; Beginn der medizinischen Behandlung Regelungen berücksichtigen<br />

(z.B. Tanks) erst nach Freigabe durch Verantwortlichen<br />

1.3. Zeit<br />

1.3.1. Tag kein Problem Witterungsabhängige Einsatzmöglichkeiten Boden/Luft<br />

1.3.2. Nacht Rettungsmittel festlegen eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten bedingen teilw. anderes<br />

Vorgehen Boden/Luft, Beleuchtungsmöglichkeiten anfordern (THW)<br />

1.4. Ausmaß siehe Schadensart Anm.: 1.0 nur in Zusammenarbeit mit OrgL, anderen Fachverbänden<br />

unter 1.1 und oder -personal<br />

Schadensentwicklung<br />

unter 2.0<br />

2.0. Wie ist die<br />

Schadensentwicklung? Rücksprache mit<br />

Siehe dazu: Gesamteinsatzleitung<br />

Ablaufdiagramm 1.0.<br />

Zusätzlich gilt:<br />

2.1. Anzahl / Schwere LNA koordiniert, sichtet u. bildet gemeinsam mit OrgL effektives personalsparendes<br />

der Verletzten Einsatzabschnittsleitung Arbeiten<br />

251


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

frühzeitig SEG auch prophylaktisch alarmieren (Personal- und Einteilung mit ständiger<br />

Materialreserve) Kontrolle<br />

252<br />

a) Behandlungs- personaleffektives Arbeiten erfüllt? Personal – Material,<br />

priorität<br />

Schwerverletzte mehrere NA, Rettungsassistenten, limitierte Behandlungskapazitäten,<br />

Behandlungsplatz 1-2 NA, Rettungspersonal, Behandlungsplatz<br />

Mittelschwer<br />

Verletzte weitere Ärzte, Rettungssanitäter und Rettungshelfer, Behandlungsplatz<br />

Leichtverletzte<br />

b) Transportpriorität<br />

Schwerverletzte NAW, RTH, GRTH*, DB (z.B. auch Rettungszug), SAR<br />

mit vital Bedr.<br />

Mittelschwer RTW, RTH, GRTW*, KTW<br />

Verletzte<br />

ohne vital Bedr.<br />

Leichtverletzte Busse, GRTW*, KTW<br />

* GRTW / GRTH nur, wenn Behandlungsplätze<br />

(ortsfest) installiert sind<br />

c) Verteilungspriorität<br />

Schwerverletzte nächste Akutklinik oder auch entfernte Spezialkliniken<br />

(auch im europäischen Ausland)


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

(z. B. Primärphase nach Verbrennung)<br />

Mittelschwer entferntere Kliniken, ggf. Spezialkliniken<br />

Verletzte<br />

Leichtverletzte Ambulanzen, bei niedergelassenen Ärzten, entfernte KH<br />

2.2. Welche Kapazitäten<br />

stehen zur Verfügung?<br />

2.2.1. Aus medizinischer Sicht a) Behandlung nach Schadensentwicklung ständige Aktualisierung<br />

b) Transport (Personal/Material) und SIV<br />

c) Delegations- durchführen<br />

fähigkeit Anpassen an Gelegenheiten<br />

2.2.2. Aus taktischer Sicht a) Festlegen von Ort,<br />

Personal,<br />

Materialbedarf<br />

b) Nachschub,<br />

Transporteinheiten<br />

2.2.3. Soll-Ist-Vergleich (SIV) a) Patientenzufluss = keine Nachforderung, da Mittel ausreichend<br />

Abtransport +<br />

Behandlung<br />

b) Patientenzufluss Abbestellung von zusätzlichen Kapazitäten<br />

Abtransport +<br />

Behandlung<br />

c) Patientenzufluss Nachforderung, sowie ggf. Bereitstellung von weiteren Behandlungs-<br />

Abtransport + u. Transporteinheiten<br />

253


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

Behandlung<br />

d) unklare frühzeitige Bereitstellung und zumindest Voralarmierung von weiteren<br />

Entwicklung personellen/ materiellen Kapazitäten – Reservebildung<br />

254<br />

2.3. Welche Koordinations- a) durch Anzahl der z. B. GRTH, GRTW, DB-Rettungszug, Busse, Feuerwehr, THW,<br />

möglichkeiten gibt es Verletzten und der Polizeihubschrauber, Intensiv-Transporthubschrauber, Boote usw.<br />

zusätzlich? Schwere der Verletzungsart<br />

bedingt<br />

(Frage folgt aus 2.2.)<br />

b) durch Art des<br />

Unfalls<br />

c) durch Engpässe bei SEG, Einheiten des Sanitätsdienstes der Hilfsorganisation<br />

Behandlung und<br />

Materialbeschaffung<br />

d) durch Engpässe bei Spezialabteilungen, Transportkapazitäten außerhalb des RD<br />

Transport / Behand- (K-Schutz, Private)<br />

lungskapazitäten<br />

e) bei Anmeldungs- zusätzlich bei Anmeldung Vorinformation an das Behandlungszentrum<br />

prioritäten u. geben, z.B. Antidota usw. frühzeitig<br />

Verlegungen anfordern zu können.<br />

2.4. Ist die Anforderung a) siehe spez. Mitteilung über benötigtes Personal/Material an OrgL<br />

zusätzlicher Mittel Unfälle<br />

notwendig, die sich erst unter 1.0<br />

aus der Schadensentwicklung<br />

ergibt


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

b) zusätzliches<br />

Fachpersonal /<br />

Technik / Mittel<br />

wie Analysegeräte<br />

usw.<br />

2.5 Besteht zusätzliche siehe spezielle Punkte<br />

Gefährdung? unter 1.0.<br />

2.5.1 bei Patienten ständige Neuorientierung Veranlassung von zusätzlichen Maßnahmen z. B. Verlegung des<br />

Behandlungsplatzes, Tragen von Schutzkleidung im<br />

Gefahrenbereich usw.<br />

2.5.2 bei Personal siehe 1.0<br />

Einleitung der erwähnten<br />

Mittel z. B. Verlegung von<br />

Behandlungsplätzen<br />

2.6. Funktionsfähigkeit a) Abgleichung der personelle/materielle Anpassung an Schadensentwicklung Gesamteinsatzleitung fordern<br />

der Kooperation Einsatzkapazitäten und einrichten<br />

der Hilfseinheiten<br />

b) Meldekontrolle der Exakte Anweisung, Disziplin fordern, evtl. personell umbesetzen<br />

verschiedenen<br />

255


Fragestellung Entscheidung Veranlassung Kontrolle<br />

Einheiten zuverlässig<br />

u. genau?<br />

256<br />

c) Personalführung soweit möglich <strong>neu</strong>e Personalaufteilung nach Zuverlässigkeit,<br />

zufriedenstellend? Fachkompetenz und Erfordernis<br />

2.7. Ist der Einsatz beendet? Dokumentationszusammenja<br />

Patientenzahl = 0 stellung; Schlussbericht erstellen<br />

Behandlung = 0<br />

Abtransport = 0 ÖEL/TEL / EL beendet Einsatz<br />

nein<br />

Patientenzufuhr = 0<br />

dann wieder Raster 2.0. durchlaufen bis zutreffendenfalls<br />

Einsatz wird fortgeführt 2.7. erreicht ist<br />

Vollständig überarbeitete Fassung aus:<br />

Sefrin, P. (Hrsg.): Handbuch für den Leitenden Notarzt, ecomed, Landsberg / Lech, 1991, III, 20-(1) mit freundlicher Genehmigung des<br />

ecomed-Verlags.


Aus Kapitel 11: Ärztliche Maßnahmen bei Strahlenunfällen und<br />

Strahlenkatastrophen, S. 117<br />

Regionale Strahlenschutzzentren (RSZ), Stand 12 / 2000<br />

Bei schweren Strahlenunfällen kann die Spezialstation für Strahlengeschädigte<br />

der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik<br />

Ludwigshafen ( ) nach Vermittlung durch die Regionalen Strahlenschutzzentren<br />

in Anspruch genommen werden.<br />

257


Adressen:<br />

Allg. Krankenhaus St. Georg<br />

Abt. Nuklearmedizin<br />

Lohmühlenstr. 5<br />

20099 Hamburg<br />

Tel.: 040/2890-2371 (-2256*)<br />

Medizinische Hochschule<br />

Abt. Nuklearmedizin/Biophysik<br />

Carl-Neuberg-Str. 1<br />

30625 Hannover<br />

Tel.: 0511/532-3197<br />

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf<br />

Nuklearmedizinische Klinik<br />

Leo-Brandt-Str.<br />

52428 Jülich<br />

Tel.: 02461/61-5763<br />

Universitätskliniken des Saarlandes<br />

Abt. für Nuklearmedizin<br />

Gebäude 50<br />

66421 Homburg/Saar<br />

Tel.: 06841/16-2201 (-3305*)<br />

Forschungszentrum Karlsruhe<br />

Medizinische Abteilung<br />

Hermann-von-Helmholtz-Platz 1<br />

76344 Karlsruhe<br />

Tel.: 07247/82-3333<br />

Städtisches Krankenhaus Schwabing<br />

Institut für Medizinische Physik<br />

Kölner Platz 1<br />

80804 München<br />

Tel.: 089/3068-2541 (-0*)<br />

Uniklinikum Greifswald<br />

Klinik für Nuklearmedizin<br />

Fleischmannstr. 42–44<br />

17487 Greifswald<br />

Tel.: 03834/86-6975<br />

258


Universitätsklinikum Benjamin Franklin<br />

Abt. für Nuklearmedizin<br />

Hindenburgdamm 30<br />

12200 Berlin<br />

Tel.: 030/8445-2171 (-3992*)<br />

Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“ der TU Dresden<br />

Klinik für Nuklearmedizin<br />

Fetscherstr. 74<br />

01307 Dresden<br />

Tel.: 0351/458-2226<br />

Universität Würzburg<br />

Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin<br />

Luitpoldkrankenhaus Bau 9<br />

Josef-Schneider-Str. 2<br />

97080 Würzburg<br />

Tel.: 0931/201-5877<br />

GSF-Forschungszentrum<br />

Institut für Strahlenschutz<br />

Ingolstädter Landstr. 1<br />

85764 Neuherberg<br />

Tel.: 089/3187-333<br />

Berufsgenossenschaftliche Klinik<br />

Ludwigshafen-Oggersheim<br />

(nur nach Vermittlung über ein RSZ)<br />

* außerhalb der üblichen Dienstzeit<br />

Beachte:<br />

Das System der RSZ dient in erster Linie der Versorgung von<br />

Personen im Rahmen betrieblicher Strahlenunfälle und ist nicht<br />

primär Teil der staatlichen Vorsorgemaßnahmen.<br />

259


260


261


Aus Kapitel 12: Management von Gefahrgutunfällen und<br />

Massenvergiftungen, S. 144<br />

Giftinformationszentren in Deutschland – Stand 12/2000<br />

270<br />

Giftinformationszentren


Bei allen Vergiftungen sollte, besonders wenn eine genaue Zusammensetzung<br />

des Giftes und das weitere Vorgehen unklar sind, umgehend<br />

vom behandelnden Arzt über die Rettungsleitstelle eine<br />

Informationszentrale für Vergiftungsfälle angerufen werden.<br />

Es sollten folgende Angaben gemacht werden:<br />

– Alter der verunglückten Person<br />

– Art und eventuelle Konzentration des Giftes<br />

– Zeitpunkt der Giftaufnahme<br />

– eingenommene Menge des Giftes<br />

– Anzeichen der Vergiftung<br />

– bereits durchgeführte Maßnahmen<br />

Zentren mit durchgehendem 24-Stunden-Dienst (Stand 12/2000)<br />

In folgenden Krankenanstalten und Kliniken bestehen offizielle<br />

Informationszentren für Vergiftungsfälle. Diese Zentren geben<br />

Tag und Nacht telefonisch Auskunft. Von diesen Zentren erhalten<br />

Sie auch Informationen über die nächstgelegenen toxikologischen<br />

Laborzentren mit 24-Stunden-Dienst.<br />

13353 BERLIN<br />

Reanimationszentrum des Universitätsklinikums Rudolf Virchow,<br />

Humboldt-Universität Berlin, Station 43 b<br />

Augustenburgerplatz 1<br />

T-030-450-53555 oder 030-450-53565, F-030-450-55909<br />

14050 BERLIN<br />

Beratungsstelle für Vergiftungserscheinungen<br />

und Embryonaltoxikologie<br />

Spandauerdamm 130, Haus 10<br />

T-030-19240, F-030-30686-721<br />

53113 BONN<br />

Informationszentrale gegen Vergiftungen, Zentrum für Kinderheilkunde<br />

der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität<br />

Adenauerallee 119<br />

T-0228-287-3211 oder 0228-287-3355, F-0228-287-3314<br />

99098 ERFURT<br />

Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen<br />

c/o Klinikum Erfurt<br />

Nordhäuser Str. 74<br />

T-0361-730-730 oder T-0361-730-7311, F-0361-730-7317<br />

271


79106 FREIBURG<br />

Informationszentrale für Vergiftungen, Universitätskinderklinik<br />

Freiburg<br />

Mathildenstraße 1<br />

T-0761-19 240 (24 Std.-Dienst) oder 0761-270-4300 (Zentrale),<br />

F-0761-270-4457<br />

37075 GÖTTINGEN<br />

Giftinformationszentrum-Nord der Länder Bremen, Hamburg,<br />

Niedersachsen und Schleswig Holstein (GIZ-NORD), Georg-<br />

August-Universität Göttingen<br />

Zentrum Pharmakologie u. Toxikologie<br />

Robert-Koch-Str. 40<br />

T-0551-19240 oder 0551-383-180, F-0551-3831881<br />

66421 HOMBURG / SAAR<br />

Universitätskliniken, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin<br />

im Landeskrankenhaus<br />

Robert-Koch-Str.<br />

T-06841-19 240, F-06841-16-8314<br />

55131 MAINZ<br />

Beratungsstelle bei Vergiftungen der II. Med. Klinik und Poliklinik<br />

der Johannes-Gutenberg-Universität<br />

Langenbeckstr. 1<br />

T-06131-19 240 oder 06131-232466, F-06131-176-605<br />

81675 MÜNCHEN<br />

Giftnotruf München, Toxikologische Abteilung der II. Med.<br />

Klinik, Klinikum rechts der Isar<br />

der Technischen Universität München<br />

Ismaninger Str. 22<br />

T-089-19 240, F-089-4140-2467<br />

Mobiles Gegengift-Depot:<br />

Wie Giftnotruf München oder über Berufsfeuerwehr München<br />

T.-112 (innerhalb des Ortsnetzes)<br />

90419 NÜRNBERG<br />

Toxikologische Intensivstation der II. Med. Klinik<br />

im Städt. Klinikum<br />

Professor-Ernst-Nathan-Str. 1<br />

T-0911-398-2451 oder 0911-398-0 (Zentrale), F-0911-398-<br />

2205<br />

272


Aus Kapitel 12: Management von Gefahrgutunfällen und Massenvergiftungen,<br />

S. 144<br />

Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen<br />

E<br />

Explosionsgefährlich<br />

F +<br />

Hochentzündlich<br />

T +<br />

Sehr giftig<br />

C<br />

Ätzend<br />

O<br />

Brandfördernd<br />

F<br />

Leicht entzündlich<br />

T<br />

Giftig<br />

X i<br />

Reizend<br />

Xn<br />

Gesundheitsschädlich<br />

N<br />

Umweltgefährlich<br />

273


Poison Severity Score (PSS)<br />

Organ-System Ohne -0- Leicht -1- Mittel -2- Schwer -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

Gastrointestinaltrakt Erbrechen (gelegentlich) Erbrechen (anhaltend) massives Erbrechen<br />

Durchfall (gelegentlich) Durchfall (anhaltend) Blutung<br />

Schmerzen (gering) Schmerzen heftig oder anhaltend Perforation<br />

Reizung (gering) Verätzungen I° an kritischen (gefährlichen) multilokuläre zweit- und<br />

Stellen drittgradige Verätzungen<br />

geringe Ulceration im Mund Verätzungen II° schwere Dysphagie<br />

Verätzungen I° Verätzungen III° auf wenige Stellen Endoskopie:<br />

beschränkt<br />

Endoskopie: Dysphagie Transmurale Ulcerationen,<br />

Rötung Endoskopie: Läsionen, die ganze<br />

Ödem transmucöse Ulcerationen Zirkumferenz betreffend,<br />

Perforationen<br />

Respirationstrakt leichte Reizerscheinungen anhaltender Husten Manifeste respiratorische Insuffizienz<br />

Husten (gering) Bronchospastik (auf Grund von z.B. schwerer<br />

Bronchospastik)<br />

Dyspnoe (gering) Dyspnoe Obstruktion der Atemwege, Glottisödem,<br />

Bronchospastik Stridor Lungenödem, ARDS, P<strong>neu</strong>monie,<br />

P<strong>neu</strong>monitis,<br />

Thorax-Röntgen; Hypoxämie (Sauerstoff-pflichtig) P<strong>neu</strong>mothorax<br />

pathologisch ohne oder Thorax-Röntgen: Thorax-Röntgen:<br />

nur mit geringen klinischen pathologisch mit deutlich klinischen pathologisch mit schweren klinischen<br />

Symptomen Symptomen Symptomen<br />

274


Organ-System Ohne -0- Leicht -1- Mittel -2- Schwer -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

Nervensystem Ataxie Koma mit gerichteten Reaktionen auf tiefes Koma ohne Reaktionen auf<br />

Schmerz Schmerz bzw. ungezielte oder<br />

Somnolenz kurzanhaltende Apnoe, Bradypnoe pathologische Reaktion auf Schmerz<br />

Benommenheit Verwirrtheit, Agitiertheit Atemdepression mit Ateminsuffizienz<br />

Schwindel Halluzinationen schwerste Agitiertheit<br />

Ohrgeräusch Delir häufig generalisierte Krampfanfälle<br />

Unruhe deutliche extrapyramidalmotorische Status epilepticus<br />

Symptomatik<br />

leichte extrapyramidalmotori- deutliche cholinerge/anticholinerge Opisthotonus<br />

sches Symptomatik Symptomatik<br />

leichte cholinerge/anticholin- regional begrenzte generalisierte generalisierte Lähmungserscheinungen<br />

erge Symptomatik Lähmungserscheinungen ohne oder Lähmungerscheinungen wodurch<br />

Parästhesien Beeinträchtigung vitaler Funktionen vitale Funktionen beeinträchtigt werden<br />

leichte Störungen der Sehens Störungen des Sehens bzw. Hörens Blindheit und Taubheit<br />

bzw. Hörens<br />

Kardiovaskuläres vereinzelte Extrasystolen Sinusbradykardie (40-50 min-1) ausgeprägte Sinusbradykardie (< 40 min-1 )<br />

System leicht und kurzdauerende Hypo-/ Sinustachykardie (140-180 min-1) ausgeprägte Sinustachykardie (>180 min-1 )<br />

Hypertonie gehäufte Extrasystolen lebenbedrohliche ventrikuläre Dysrhythmien<br />

Vorhofflimmern/-flattern AV-Block III°<br />

AV-Block I°-II° Asystolie<br />

verbreiteter QRS Komplex Schock<br />

275


Organ-System Ohne -0- Leicht -1- Mittel -2- Schwer -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

verlängertes QT Intervall hypertensive Krise<br />

Repolarisationsstörungen Myokardinfarkt<br />

(Ischämiezeichen)<br />

Hypo-/Hypertonie<br />

Örtliche Reaktionen lokale Schwellung regionale Schwellung, die ganzen stärkste Schwellung die gesamte<br />

Juckreiz Extremitäten betreffend und auch Extremitäten und angrenzende Regionen<br />

Schmerzen angrenzende Teile des Stammes umfassend<br />

betreffend Schmerzen<br />

Metabolische leichte Störungen des Säure-, Störungen im Säure- Basen- und schwere Störungen im Säure-, Basen-<br />

Störungen Basen- und Wasserelektrolyt- Wasserelektrolythaushalt: Wasserelektrolythaushalt:<br />

haushaltes:<br />

Azidose: HCO- 3 15 – 20 mmol/l Azidose: HCO- 3 10 – 14 mmol/l Azidose: HCO- 3 < 10 mmol/l<br />

pH 7,25 – 7,32 pH 7,15 – 7,24 pH < 7,15<br />

Alkalose: HCO- 3 30,0 – 40,0 mmol/l Alkalose: HCO- 3 > 40 mmol/l Alkalose:<br />

pH 7,50 – 7,59 pH 7,60 – 7,69 pH > 7,7<br />

K + : 3,0 – 3,4 mmol/l K + : 2,5 – 2,9 mmol/l K + : 2,5 mmol/l<br />

5,2 – 5,9 mmol/l 6,0 – 6,9 mmol/l 7,0 mmol/l<br />

leichte Hypoglykämie: 50 – 70 mg/dl Hypoglykämie: 30 – 50 mg/dl schwere Hypoglykämie: 30 g/dl<br />

2,8 – 3,9 mmol/l 1,7 – 2,8 mmol/l 1,7 mmol/l<br />

kurze Hyperthermie länger andauernde Hyperthermie lebensbedrohliche Hyperthermie<br />

Leber geringer Transaminasenanstieg Anstieg der Transaminasen Transaminasenanstieg ( 50 x der Norm)<br />

5 – 50 x der Norm<br />

276


Organ-System Ohne -0- Leicht -1- Mittel -2- Schwer -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

(GOT, GPT bis 2 – 5 x der Norm) ohne biochemische oder oder biochemische Zeichen (NH3 ↑↑<br />

klinische Zeichen für Leberversagen Gerinnungs störungen) oder klinische<br />

Zeichen für Leberversagen<br />

Niere geringgradige Proteinurie ausgeprägte Hämaturie Nierenversagen (Anurie und S-Kreatinin<br />

> 500 µmol/l)<br />

Hämaturie Niereninsuffizienz (Oligurie bzw. Polyurie<br />

und S-Kreatinin 200-500 µmol/l)<br />

Blut leichte Hämolyse Hämolyse ausgeprägte Hämolyse<br />

leichte Methämoglobinämie Methämoglobinämie (30 – 50 %) schwere Methämoglobinämie ( > 50%)<br />

(10 – 30 %)<br />

Anämie Gerinnungsstörung mit Blutung<br />

Leukopenie schwere Leukopenie<br />

Thrombozytopenie schwere Thromozytopenie<br />

Gerinnungsstörung ohne Blutung schwere Anämie<br />

Muskelsystem Muskelverspannungen Schmerzen stärkste Schmerzen<br />

leichter Muskelschmerz Rigor ausgeprägter Rigor<br />

CPK 250 – 1500 U/L Krämpfe schwerste Muskelkrämpfe oder<br />

Muskelfaszikulieren<br />

Faszikulieren Rhabdomyolysis mit Komplikationen<br />

Rhabdomyolysis CPK 10000 IU/L<br />

CPK 1500-10000 IU/L Kompartmentsyndrom<br />

Hautreaktionen Reizerscheinungen Verätzungen II° bei 10-50 % der KOF Verätzungen II° > 50% der KOF<br />

277


Organ-System Ohne -0- Leicht -1- Mittel -2- Schwer -3keine<br />

leichte von selbst deutliche oder schwere oder<br />

Symptome abklingende Symptomatik länger anhaltende Symptomatik lebensbedrohliche Symptomatik<br />

Verätzungen I° (Rötung) (Kinder 10-30 % d. KOF) (Kinder: 30 % der KOF)<br />

Verätzungen II° 10% der KOF Verätzungen III° < 2% der KOF Verätzungen III° > 2% der KOF<br />

Örtliche Reaktion Reizung starke Reizung Hornhautulceration (größerflächig)<br />

am Auge Rötung Hornhautabschilferung Perforation<br />

Tränen geringe punktartige Hornhautulceration Dauerschaden<br />

leichtes Lidödem<br />

278


Statistiken/Übersichten


MRNatCatSERVICE<br />

Bedeutende Naturkatastrophen 2001 in Europa<br />

Datum Land, Region Ereignis Todes- Gesamt- Versicherte<br />

opfer schäden Schäden<br />

(Mio. US $) (Mio. US $)<br />

14.1. Griechenland Unwetter 13<br />

5.3. Portugal Überschwem- 70<br />

mungen<br />

April - Mai Frankreich Überschwem- 100 75<br />

mungen<br />

2.-3.5. Spanien Hagel 50<br />

6.-8.7. Deutschland, Unwetter, 25 500 200<br />

Frankreich, Tornados<br />

Italien,<br />

Belgien,<br />

Österreich<br />

24.-31.7. Polen, Überschwem- 26 700 30<br />

Slowakei mung<br />

3.8. Deutschland, Unwetter, 3 300 200<br />

Polen, Hagel<br />

Tschechien<br />

16.9. Italien Unwetter 2 100<br />

10.-16.11 Spanien Unwetter 11 6<br />

Dezember Ost- und Kältewelle 37<br />

Südeuropa<br />

Stand: 1. März 2002 © 2002 GeoRisikoForschung, Münchener Rück<br />

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft,<br />

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285


MRNatCatSERVICE<br />

Bedeutende Naturkatastrophen 2001<br />

Datum Land, Region Ereignis Todes- Gesamt- Versicherte<br />

opfer schäden Schäden<br />

(Mio. US $) (Mio. US $)<br />

13.1. El Salvador: Erdbeben 845 1.500 300<br />

Z, Santa Tecla<br />

26.1. Indien: Erdbeben 14.000 4.500 100<br />

W, Gujarat<br />

Jan. - Febr. Rußland, Kältewelle 850 100<br />

China,<br />

Mongolei<br />

Afghanistan<br />

28.2. USA: WA, Seattle Erdbeben 1 2.000 305<br />

6.-12.4. USA: bes. MO, Unwetter 1 2.500 1.900<br />

Kansas City Hagel<br />

30.4.-1.5. USA: IO, MN, Unwetter 650 485<br />

WS, NE<br />

5.-17.6. USA: TX, Tropischer 25 6.000 3.500<br />

bes. Houston Sturm Allison<br />

9.-12.6. USA: WI, MN, Unwetter 450 335<br />

IA, IL, ND, MI<br />

Juli - Aug. Indien, Überschwem- 150 90<br />

Orissa mungen<br />

24.-31.7. Polen Überschwem- 26 700 30<br />

mung<br />

Aug. - Sept. Nigeria, Überschwem- 210 5<br />

Sudan, mung<br />

Chad<br />

Aug. - Okt. Vietnam, Überschwem- 441 120<br />

Kambodscha mung<br />

21.-23.8. Japan: W, Z Taifun Pabuk 8 800 500<br />

10.-13.9. Japan: O Taifun Danas 5 500 300<br />

17.-19.9. Taiwan, Taifun Nari 93 800 500<br />

bes. Taipeh<br />

Okt. - Nov. Argentinien Überschwem- 1 750<br />

mung<br />

30.10.-5.11. Karibik, Hurrikan 16 1.000 200<br />

Mittelamerika Michelle<br />

7.-12.11. Vietnam, Tropischer 300 80<br />

Philippinen Sturm Lingling<br />

9.-13.11. Algerien Überschwem- 750 300<br />

mung<br />

25.12.01- Australien Waldbrände 50 35<br />

4.1.02<br />

Stand: 1. März 2002 © 2002 GeoRisikoForschung, Münchener Rück<br />

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http://www.arcs.ac.at/fzs/bereiche/_l/radi_d.html<br />

http://www.anes.saga-med.ac.jp/ispub/journals/ijrdm.htm<br />

http://www.bayern.de/STMLU/strahlen/<br />

http://www.bfs.de<br />

http://www.astho.org/?template=risk_communication.html<br />

http://www.bt.cdc.gov/agent/smallpox/index.asp<br />

http://bundesverwaltungsamt.de<br />

http://ccep.ca<br />

http://www.cpmcnet.columbia.edu/dept/sph/popfam/refugee<br />

http://www.crid.or.cr<br />

http://www.disaster.info.desastres.net<br />

http://www.disasterrelief.org<br />

http://www.drugdonations.org<br />

http://www.fema.gov<br />

http://www.feuerwehr-hamburg.org/brandbetten<br />

http://www.fs.fzk.de<br />

http://www.fzk.de/hs/<br />

http://www.grs.de<br />

http://www.gsf.de<br />

http://www.hamburg.de/Behoerden/BAGS/<br />

http://www.hmi.de/strahlenschutz/<br />

http://www.hsk.psi.ch<br />

http://www.iaea.org<br />

http://www.icrp.org/<br />

http://www.iom.edu/IOM/IOMHome.nsf/Pages/Recently+Relea<br />

sed+Reports<br />

http://mbittle@new-focus.org<br />

http://www.munichre.com<br />

http://www.mvorat.com<br />

293


http://www.naz.ch<br />

http://www.nlm.nih.gov/medlineplus/smallpox.html<br />

http://www.phf.org<br />

http://www.phppo.cdc.gov/PHTN/Smallpox0129.asp<br />

http:// www.psi.ch/www_ash_hn/ash_home.html<br />

http://www.provincia.bz.it/avalanche/resid.html<br />

http://www.rerf.or.jp/eigo/experhp/rerfhome.htm<br />

http://www.rki.de<br />

http://www.soziologie.uni-kiel.de/%7ekfs/<br />

http://www.ssk.de<br />

http://www.staffing@un.org<br />

http://www.stmgev.bayern.de/blickpunkt/gesundheit/bioterror/f<br />

aq_pocken.htm<br />

http://www.swissre.com<br />

http://www.trauma.org<br />

http://www.vnh.org/FleetMedPocketRef/Triage.html<br />

http://www.who.int/eha/resource/manuals/index.htm<br />

http://www.who.int/emc/diseases/smallpox<br />

http://www.writer-tech.com/pages/summaries/<br />

294


Autorenverzeichnis<br />

295


Autoren<br />

Professor Dr. med. Bernd D. Domres<br />

Chirurgische Klinik, Abteilung für Allgemeine Chirurgie und Poliklinik<br />

Klinikum Schnarrenberg<br />

Hoppe-Seyler-Str. 3<br />

72076 Tübingen<br />

Telefon: 07071/29-6680<br />

Telefax: 07071/29-5600<br />

Professor Dr. med. Axel Ekkernkamp<br />

Ärztlicher Direktor des Unfallkrankenhauses Berlin<br />

Erwin-Payr-Lehrstuhl Greifswald<br />

Warener Str. 7<br />

12683 Berlin<br />

Telefon: 030/5681-3001<br />

Telefax: 030/5681-3003<br />

Dr. med. Norbert Felgenhauer<br />

Abteilung für Toxikologie, II. Medizinische Klinik,<br />

Klinikum rechts der Isar der TU-München<br />

Ismaninger Str. 22<br />

81675 München<br />

Telefon: 089/4140-2240/41<br />

Telefax: 089/4140-4789<br />

Dr. med. Ernst-Jürgen Finke<br />

Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr<br />

Neuherbergstr. 11<br />

80937 München<br />

Telefon: 089/3168-2805<br />

Professor Dr. med. Rüdiger R. E. Fock<br />

Robert-Koch-Institut<br />

Postfach 65 02 61<br />

13302 Berlin<br />

Telefon: 01888/754-3701<br />

Telefax: 01888/754-3715<br />

Dr. med. Herbert Haller<br />

Unfallkrankenhaus Linz<br />

(vormals Direktor des Zentrums für Schwerbrandverletzte<br />

Unfallkrankenhaus Berlin)<br />

Blumauer Platz 1<br />

A-4020 Linz<br />

Telefon: 0043/732/69200<br />

Telefax: 0043/732/6920-353<br />

297


Dr. med. Werner Kirchinger<br />

GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit GmbH<br />

Institut für Strahlenschutz<br />

Ingolstädter Landstr. 1<br />

85764 Neuherberg<br />

Telefon: 089/3187-4040/3<br />

Telefax: 089/3187-3323<br />

Professor Dr. med. Jürgen Knobloch<br />

Institut für Tropenmedizin<br />

Universitätsklinikum Tübingen<br />

Keplerstr. 15<br />

72074 Tübingen<br />

Telefon: 07071/29-86022<br />

Telefax: 07071/29-5267<br />

Dr. rer. nat. Willy Marzi<br />

Bundesministerium des Innern – Referat 04<br />

Graurheindorfer Str. 198<br />

53117 Bonn<br />

Telefon: 01888-681-3339<br />

Telefax: 01888-681-3828 / 29<br />

Dr. med. Gerrit Matthes<br />

Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Berlin<br />

Warener Str. 7<br />

12683 Berlin<br />

Telefon: 030/5681-3001 bzw. 0171-5226 458<br />

Telefax: 030/5681-3003<br />

ORR Dipl. Päd. Hanno F. Peter<br />

Bundesverwaltungsamt<br />

Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und<br />

Zivilschutz<br />

Ramersbacher Str. 95<br />

53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

Telefon: 02641/381-203<br />

Telefax: 02641/381-218 oder 02641/381-210<br />

Professor Dr. med. Ernst Pfenninger<br />

Universitätsklinik für Anästhesiologie<br />

Klinikum der Universität Ulm<br />

Steinhövelstr. 9<br />

89070 Ulm<br />

Telefon. 0731/502-7931<br />

Telefax: 0731/502-7969<br />

298


Professor Dr. med. Ernst Rebentisch<br />

Postfach 1427<br />

82035 Deisenhofen<br />

Telefon: 089/6134312<br />

Professor Dr. Dr. h.c. mult. Arthur Scharmann<br />

I. Physikalisches Institut der Justus-Liebig-Universität<br />

Heinrich-Buff-Ring 16<br />

35392 Giessen<br />

Telefon: 0641/9933110<br />

Telefax: 0641/9933139<br />

Professor Dr. med. Jürgen Schüttler<br />

Direktor der Klinik für Anaesthesiologie,<br />

Universitätsklinikum Erlangen<br />

Krankenhausstr.12<br />

91054 Erlangen<br />

Telefon: 09131/85-33296<br />

Telefax: 09131/85-36452<br />

Professor Dr. med. Peter Sefrin<br />

Leiter der Sektion für Präklinische Notfallmedizin<br />

Klinik für Anästhesiologie, Universität Würzburg<br />

Josef-Schneider-Str. 2<br />

97080 Würzburg<br />

Telefon: 0931/201-30124/8<br />

Telefax: 0931/201-30354<br />

Dr. med. Dipl. Chem. Richard Spörri<br />

Oberarzt der Klinik für Anaesthesiologie,<br />

Ärztlicher Leiter<br />

MEDITOX<br />

Fürst-Stirum-Klinik Bruchsal<br />

Gutleutstr. 1-14<br />

76646 Bruchsal<br />

Telefon: 07251/7080<br />

Telefax: 07251/708-5424<br />

Dr. med. Harald Strauss<br />

Oberarzt der Klinik für Anaesthesiologie,<br />

Universitätsklinikum Erlangen<br />

Krankenhausstr. 12<br />

91054 Erlangen<br />

Telefon: 09131/85-33296<br />

Telefax: 09131/85-36452<br />

299


Dr. med. Norbert Vogt<br />

St. Hedwig Krankenhaus<br />

Große Hamburger Str. 5-11<br />

10115 Berlin<br />

Telefon: 030/23110<br />

Dipl. Theol. Frank Waterstraat<br />

Fachberater Seelsorge des Landesfeuerwehrverbandes<br />

Niedersachsen<br />

Referent für Soziale Rehabilitation bei der<br />

Feuerwehrunfallkasse Niedersachsen<br />

Postfach 280<br />

30002 Hannover<br />

Telefon: 0511/9895436 oder 05723/3516<br />

Telefax: 0511/9895433<br />

Dr. med. Johann Wilhelm Weidringer<br />

Geschäftsführender Arzt<br />

Bayerische Landesärztekammer<br />

Mühlbaurstr. 16<br />

81677 München<br />

Telefon: 089/4147-233<br />

Telefax: 089/4147-831<br />

Direktor und Professor Dr. rer. nat. Wolfgang Weiss<br />

Geschäftsführer der Schutzkommission beim<br />

Bundesminister des Innern<br />

c/o Bundesamt für Strahlenschutz<br />

Institut für Strahlenhygiene<br />

Ingolstädter Landstr. 1<br />

85764 Oberschleißheim / Neuherberg<br />

Telefon: 01888/333-2100/2101<br />

Telefax: 01888/333-2105<br />

Professor Dr. med. Thomas Zilker<br />

Leiter der Abteilung für Toxikologie,<br />

II. Medizinische Klinik, Klinikum rechts der Isar<br />

der Technischen Universität München<br />

Ismaninger Str. 22<br />

81675 München<br />

Telefon: 089/4140-2240/41<br />

Telefax: 089/4140-4789<br />

300


Stichwortverzeichnis<br />

301


A<br />

Abdomenverletzungen ............................................................84<br />

Absaugung ..............................................................................48<br />

Abszess ....................................................................186,187,191<br />

Abwasser........................................................................206, 207<br />

Affenpocken ..................................................181, 203, 204, 208<br />

Aids ................................................................................183, 204<br />

Akademie für Kriesenmanagement,Notfallplanung........142, 296<br />

und Zivilschutz<br />

Alarm- und Einsatzpläne ..........................................................87<br />

Alarmhierarchie ......................................................................233<br />

Alarmierung ......................39, 87, 230, 231, 233, 234– 236, 237<br />

Alarmplan ..............................................................229, 235, 239<br />

ALS / advanced life support ....................................................53<br />

Amantadin ......................................................................184, 209<br />

Ampelschema ..........................................................................28<br />

Amphotericin ..........................................................................185<br />

Analgesie..........................................................65, 70, 71, 73, 98<br />

Analgetika ..........................................................70, 71, 239, 246<br />

Anästhesie ..............................................70, 72–77, 94, 133, 135<br />

Angst ........................................................................35, 157, 162<br />

Anordnungen....................................................................40, 327<br />

Anthrax ..................................................................................200<br />

Antidote ..................................................................152, 168, 246<br />

Antidotdepots ................................................................153, 168<br />

Antidottherapie..................................150,151, 153, 155,156,162<br />

ARDS........................................................................94, 175, 274<br />

Arsenwasserstoff............................................................161, 162<br />

Ärztliche Ethik ..............................................13, 14, 24, 210, 223<br />

Asservierung ..................................................149, 150, 152, 159<br />

Asystolie ..............................................55, 60, 99, 102, 176, 275<br />

Atemspende ................................................................48, 49, 50<br />

Atmung..........................................34, 45, 46, 48, 50, 52, 64, 65,<br />

73, 81, 83, 150, 153, 160, 161<br />

Auftrag..............................................................24, 324, 329, 331<br />

Auskunftsstelle ......................................................................231<br />

Azithromycin ..................................................................181, 186<br />

äußere Herzdruckmassage ......................................................51<br />

B<br />

Baxter-Formel ..........................................................................93<br />

Beatmung............................................46– 52, 65, 73–75, 77, 83,<br />

94, 95, 102, 151, 155–157,<br />

160, 166, 195, 199<br />

Beckentrauma ..........................................................................84<br />

303


Begleitverletzungen......................................................93, 97, 98<br />

Behandlung ........................................................8, 9, 15, 18– 23,<br />

26, 27, 33, 45, 56, 79–81, 84,<br />

86, 87, 97, 98, 101, 102, 103, 119,<br />

134, 136, 151, 152, 153, 169, 190,<br />

195, 199, 205, 210, 211, 237, 246,<br />

248, 252, 253, 256, 323, 331, 332<br />

Behandlungsplatz ..................................................................255<br />

Bereitstellungsräume......................................................245, 250<br />

Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte ............17<br />

Beta-Dosisleistung ................................................................131<br />

Betreuung ..........................................40, 41, 128, 142, 238, 241<br />

Beutel-Masken ..................................................................50, 52<br />

Beutel-Masken-Beatmung ................................................50, 52<br />

Bewusstsein ........................................................36, 45, 52, 120<br />

BGB..........................................................................5, 19, 21, 24<br />

BGS ........................................................................................247<br />

Biotop ....................................................................................204<br />

Blutung ..........................................48, 63, 65, 79, 81, 82, 84, 85,<br />

95, 96,175, 177, 199, 274, 277<br />

Botulismus..............................................166, 170, 193, 202, 213<br />

Brandgut ........................................................................146, 147<br />

Brandkatastrophen ..................................................90, 106, 335<br />

Brandprodukte ......................................................................148<br />

Brennelemente ..............................................................124, 125<br />

Brucellose ......................................................181, 202, 208, 209<br />

Bundesanstalt Technisches Hilfswerk....................................219<br />

Bundesgrenzschutz..................................................................43<br />

Bundeswehr ..............................43, 44, 211, 213, 236, 319–321,<br />

323–331, 333–337, 340, 341<br />

C<br />

Campylobacter ......................................................190, 202, 212<br />

Ceftazidim ......................................................................186, 187<br />

Ceftriaxon ......................................................................194, 209<br />

Chemikalienschutzanzüge......................................................150<br />

Chemieunfälle ........................................................144, 149, 179<br />

Chikungunya ..................................................................181, 204<br />

Chloramphenicol ............................183, 189, 194, 200–202, 209<br />

Chloroquin..............................................................174, 186, 209<br />

Cholera ..........................................................190, 202, 208, 209<br />

Chromosomenaberrationsanalyse..................................133–136<br />

Ciprofloxacin ................................................183, 186, 187, 189,<br />

190–192, 194, 200–202, 209<br />

Clarithromycin ........................................................................186<br />

Co-trimoxazol ................................................................189–192<br />

304


Computergestützte Alarmsysteme ........................................232<br />

Critical Stress Incident Management / CISM ....................42, 44<br />

Cyanid ................................................................94, 95, 156, 169<br />

Cyanwasserstoff ............................................................148, 156<br />

D<br />

Debriefing ................................................................................41<br />

Defibrillation..........................................................53, 55, 56, 102<br />

Defusing ..................................................................................41<br />

Dekompensation des Schocks ................................................64<br />

Dekontamination ............................33, 128, 132, 133, 142, 150,<br />

151, 163, 164, 211, 237<br />

Dekontaminationsmaßnahmen ..............................................132<br />

Dengue ..........................................................182, 198, 204, 215<br />

Desinfektion............................................................................211<br />

Deutsche Gesellschaft für <strong>Katastrophenmedizin</strong> e.V. ..............10<br />

Diphtherie ......................................................169, 182, 203, 204,<br />

208, 209, 213<br />

Disziplinarvorgesetzte ..............................................................42<br />

Dokumentation ............................28, 80, 96, 231, 245, 246, 256<br />

Dosimeter ......................................................................121, 135<br />

Dosimetrie ..............................................................133, 134, 135<br />

Dosisleistung ..................................117, 123, 125, 126, 130–132<br />

Dosisrichtwerte ..............................................................118, 123<br />

Doxycyclin ......................181, 183, 185–190, 192, 200–202, 209<br />

Durchfall ........................................160, 161, 165, 175, 180, 189,<br />

190–192, 195, 200, 274<br />

Durchführung ................................21, 24, 46–51, 53–55, 57, 95,<br />

96, 101, 104, 151, 152, 211,<br />

239, 321, 326, 329, 339, 341<br />

E<br />

Ebola ..............................................................197, 203, 204, 215<br />

Einbahnstraßen-Regelung......................................................236<br />

Einsatzfahrzeuge ............................................................135, 151<br />

Einsatzleitung / EL ........................150, 173, 230– 231, 233, 236<br />

239, 240, 246, 249, 339, 340<br />

Einsatznachgespräch ........................................................41, 42<br />

Einsatznachsorge ..................................................37, 39, 42, 43<br />

Elektromechanische Entkoppelung..........................................55<br />

EMD..........................................................................................55<br />

endobronchiale Medikamentenapplikation ..............................54<br />

Enteritis ..................................................191–192, 203, 212, 217<br />

Enzephalitis ..................................................................185, 188,<br />

193–197, 203–205, 208<br />

305


Epidemie................................180, 184, 188, 190, 191, 194, 195,<br />

197, 204–205, 208, 212, 229, 234<br />

Erfrierungen ....................................................................104–106<br />

Ermunterungen ........................................................................41<br />

Erschöpfung ..............................................................34, 35, 234<br />

Erythromycin ..........................................185–187, 190, 200, 209<br />

Escharotomie ....................................................................95–98<br />

Esmarch’scher Handgriff ..........................................................47<br />

Ethik........................................................................13–15, 16, 25<br />

Europäische Union ..................................................................27<br />

Externe Bestrahlung ......................................................117, 130<br />

Externe Katastrophenlage......................................................228<br />

Externe Schadenslage ..................................................227, 234<br />

Extremitätenverletzungen ............................................80, 81, 85<br />

F<br />

Faszienspaltung ................................................................95, 96<br />

Fleckfieber..............................................185, 188, 205, 208, 209<br />

Fluconazol ..............................................................................185<br />

Flöhe ......................................................................204, 205, 214<br />

Flüssigkeitssubstitution....................................................94, 166<br />

Frösteln ....................................................................................91<br />

Frustrationstoleranz..................................................................36<br />

Frühdekontamination ............................................................151<br />

FSME..............................................................193, 203, 205, 208<br />

Führung ..........................................................236, 331, 339, 340<br />

Führungskraft ....................................................................40, 41<br />

Führungspositionen................................................................230<br />

G<br />

Gamma-Dosisleistung............................................................131<br />

Gammabestrahlungseinrichtungen ........................................123<br />

Ganzkörperbestrahlung..................................................119, 120<br />

GCS (Glasgow Coma Scale) ......................................80, 82, 154<br />

Gefahrenbericht........................................................................11<br />

Gefahrensymbole ......................................7, 146, 147, 174, 273<br />

Gefahrenzone ........................................121, 144, 149, 150, 154<br />

Gefahrgut..............................................................7, 33, 144, 146<br />

Gefahrstoffexposition ....................................................149, 150<br />

Gefahrstoffunfälle ..................................................144, 145, 149<br />

Gefahrstoffunfall ....................................................144, 148, 149<br />

Gefäßverletzung ................................................................84, 85<br />

Gelbfieber ..............................................................198, 204, 208<br />

Gentamicin ............................................................186, 201, 202<br />

Giardiasis........................................................................191, 203<br />

306


Giftexposition ................................................................144, 149<br />

Giftinformationszentren ..................................148, 154, 171, 270<br />

Giftnachweis ..........................................................................152<br />

Glasgow-Coma-Scale ................................................80, 82, 154<br />

Grenzen der Reanimation ........................................................56<br />

Großbestrahlungsanlagen ......................................................123<br />

Großschadensereignis ........................11, 12, 17, 25, 26, 27, 32,<br />

45, 46, 50, 52, 55, 57,<br />

79, 89, 127, 146, 231<br />

Großschadensfall ......................................................26, 33, 236<br />

Großschadensfälle..........................................................9, 10, 56<br />

GRTW ............................................................................252, 254<br />

Grundgesetz ......................................................................16, 28<br />

GSF ................................................131, 139, 142, 159, 248, 298<br />

Guedel-Tubus ..............................................................47, 55, 77<br />

H<br />

Hautkampfstoffe ....................................................................164<br />

hämorrhagischer Schock ........................................................63<br />

hämorrhagisches Fieber ........196–198, 202, 203, 206, 209, 215<br />

HDM ........................................................................................51<br />

HEPA-Filter ............................................................................205<br />

Hepatitis ........................170, 181, 183, 188, 203, 204, 208, 215<br />

HFRS ......................................................................198, 203, 204<br />

Hilfsorganisationen..................................17, 122, 230, 236, 318,<br />

321, 323, 329, 338, 339,<br />

Hippokrates........................................................................14, 25<br />

Histoplasmose........................................180, 183, 203, 209, 215<br />

Humanitas ................................................................................14<br />

humanitär ............................................................................7, 10<br />

Hydroxyethylstärke ......................................................56–58, 67<br />

hypertone Lösung ....................................................................58<br />

hypovolämischer Schock ........................................................63<br />

Hypothermie ..................................60, 76, 92, 99, 101, 102, 105<br />

I<br />

Identifikation des Gefahrstoffes ............................145, 148, 149<br />

Impfstoff ........................................170, 181, 182–184, 186, 187,<br />

189–191, 195, 196, 198–201, 208<br />

Impfung ........................................................182–184, 188, 190,<br />

194, 195, 200, 208, 209<br />

Individualmedizin............................................................9, 26, 45<br />

307


Infektion ..................................95, 122, 166, 180, 181, 183, 185,<br />

189, 192, 196–198, 200, 202–204,<br />

206, 211, 212, 216–218, 222, 223<br />

Influenza ........................................184, 203, 204, 208, 209, 217<br />

Infrastruktur ..................................9, 27, 228, 231, 238, 239, 329<br />

Inhalationsanalgetika................................................................60<br />

Inhalationsanästhesie ........................................................75, 76<br />

Inhalationsanästhetika........................................................75–77<br />

inhalative Anästhetika ..............................................................75<br />

inhalatorische Giftaufnahme ..................................................149<br />

Inkorporation ..................117, 121, 128, 130, 132, 133, 135, 140<br />

Inkorporationen von Radionukliden ......................................128<br />

internationale Gemeinschaft ....................................................27<br />

interne Schadenslage ............................................................227<br />

intern ..............................................................................227, 230<br />

Intoxikation ......................95, 156, 168, 169, 181, 192, 193, 196<br />

Intravenöse Narkose ................................................................74<br />

Intravenöse Narkotika ..............................................................74<br />

Intubation ................................52, 54, 60, 65, 75, 77, 82, 83, 86,<br />

89, 94, 95, 97, 98, 122, 133, 151,<br />

156, 158, 161<br />

Intubations- und Beatmungsindikationen ................................94<br />

Intubationsindikationen ............................................................94<br />

Ionisierende Strahlung............................................................117<br />

Itraconazol..............................................................184, 185, 209<br />

J<br />

Jod-Blockade ........................................................................141<br />

Jod-Tabletten ................................................................117, 140<br />

Jodprophylaxe................................................................139, 141<br />

K<br />

Kammerflimmern und -flattern ................................................55<br />

Kampfmittel ....................................................202, 211, 212, 223<br />

Kampfstoff ......................................152, 163–165,181, 182–193,<br />

195–201, 211, 212, 229<br />

Kalium-Jodid ..........................................................................140<br />

Kaltwasserdusche ....................................................................92<br />

Kapazitätserweiterung............................................233, 235, 236<br />

kardiopulmonale Reanimation............................................50, 51<br />

Katastrophe..............8–11, 25–27, 13, 17–19, 22, 24, 31–33, 39,<br />

41, 43, 44, 46, 90, 91, 117, 129, 180, 210,<br />

227, 229, 288, 289, 320, 326, 331, 334, 336<br />

Katastrophenalarmplan ..........................................................229<br />

Katastropheneinsatzleitung....230, 231, 233, 236, 240, 330, 334<br />

308


<strong>Katastrophenmedizin</strong> ............................8–15, 24, 25, 43, 46, 52,<br />

56, 63, 67, 104, 204, 218<br />

Katastrophenschutz ........................16–18, 23, 25, 63, 230, 231,<br />

240, 318, 319, 325, 328, 330, 336<br />

Katastrophenschutzgesetz ..............................................17, 239<br />

Katastrophenschutzplanung ..................................................128<br />

Katastrophensituationen ................11, 12, 43, 48, 56, 57, 60, 73<br />

Kemler-Zahl ............................................................................146<br />

Kernkraftwerke ......................................................................127<br />

Kernkraftwerksunfall ..............................................................127<br />

Kerntemperatur ..................................................92, 99–101, 103<br />

Kernwaffen ....................................................................121, 129<br />

Ketamin ............................................................65, 71, 75, 77, 94<br />

Ketoconazol ..................................................................184, 185<br />

Klinik ..........................14, 88, 98, 101, 119, 121, 128, 132, 133,<br />

136, 138, 139, 167, 169, 172, 173, 212, 213,<br />

218–221, 227–231, 234, 235, 237–239,<br />

240, 253, 258, 259, 271, 272, 296–298, 330<br />

Knochenmarkstransplantation ..............................................133<br />

Kohlenmonoxid ..................................93, 94, 146, 148, 152, 155<br />

Kokzidioidomykose ................................................184, 203, 213<br />

Kolloidsubstitution....................................................................93<br />

kolloidale Volumenersatzmittel ..........................................56, 58<br />

Kombinationstraumen ........................................................63, 79<br />

Kontraindikation für die Jodprophylaxe ................................140<br />

Kontamination ..............................117, 121, 122, 123, 127, 128,<br />

130–132, 134, 135, 152, 153,<br />

158, 165, 180, 211, 229<br />

Körperoberfläche........................................................92, 93, 211<br />

Krankenhaus........................19, 23, 91, 101, 134–136, 138, 153,<br />

202, 221, 227–232, 235, 237–241,<br />

258, 323, 329, 331<br />

Kreislauf............................45, 46, 48, 50, 52, 57, 60, 65, 73, 101<br />

Krim-Kongo-Fieber ........................................199, 204, 205, 209<br />

Kryptokokkose ......................................................185, 203, 215<br />

Kühlung ......................................................................91, 92, 134<br />

L<br />

Lagebeurteilung......................................................................122<br />

Lager ........................................46, 52, 54, 55, 79, 83, 102, 182,<br />

185, 190, 191, 205–207, 238, 239<br />

Lassa ......................................................199, 203, 204, 209, 215<br />

Latrine ............................................................................206, 207<br />

Läuse......................................................182, 185, 202, 204, 205<br />

Lawinenunfälle........................................................................100<br />

Lebensmittelvergiftung ..........................................................166<br />

309


lebensrettende Sofortmaßnahmen ............................45, 55, 331<br />

Legionellose ..........................................................185, 203, 214<br />

Leitender Notarzt..................................................17, 21, 23, 251<br />

Linearbeschleuniger ..............................................................121<br />

LNA ........................................................................................251<br />

Lokalanästhetika ................................................................70–73<br />

LSt ..........................................................................................249<br />

M<br />

Malaria............................................180, 186, 196, 204, 209, 214<br />

Malleus ..........................................................................186, 203<br />

Marburg-Krankheit ................................................200, 204, 215<br />

Massenvergiftungen ................................................95, 270, 273<br />

Massenanfall ..........................14, 15, 19, 21, 22, 23, 25, 26, 31,<br />

79, 85, 96, 98, 99, 133, 144, 149,<br />

151, 152, 163, 169, 235, 239,<br />

245, 323, 334<br />

MBO-Ä ........................................................................17, 21, 22<br />

Melioidose ..............................................................180, 187, 203<br />

MEDITOX........................................................................148, 169<br />

Medizinbericht..........................................................................11<br />

Mefloquin........................................................................186, 209<br />

Meningitis ......................185, 190–194, 203, 204, 208, 209, 214<br />

Meningokokken..............................194, 203, 204, 208, 209, 214<br />

Menschenwürde ................................................................15, 16<br />

Methämoglobinbildende Gifte................................................159<br />

Milzbrand................................................200, 204, 208, 209, 212<br />

Missverhältnis ..........................................................................26<br />

Monitoring ..............................................................73, 75, 85, 86<br />

Multiorganversagen ..................................63, 186, 194, 198–200<br />

Musterberufsordnung für Ärzte ................................................17<br />

Müll ................................................................................206, 207<br />

Mund-zu-Nase-Beatmung ................................................48, 49<br />

Myokarditis ............................................................................184<br />

N<br />

Narbenspaltung..................................................................95, 96<br />

Narkose ........................................................................74, 75, 77<br />

Narkose in Ausnahmesituationen ............................................77<br />

Naturkatastrophen ......................9, 16, 227, 234, 285, 287, 317,<br />

319, 321, 322, 325, 327, 328, 341<br />

Nervenkampfstoffe ........................................................163, 164<br />

Neuner-Regel ..........................................................................92<br />

Neurologischer Status..............................................................80<br />

NFS ....................................................................................39, 40<br />

310


Nipah ......................................................................194, 203, 223<br />

Notarzt................................................................................17, 23<br />

Notfallseelsorge....................................................38, 39, 43, 250<br />

Notfallstation ..........................................................117, 127, 128<br />

Notkompetenz..........................................................................23<br />

O<br />

ÖEL ........................................................................................256<br />

Opiate ................................................................71, 76, 169, 174<br />

Organisation ....................................4, 11, 31, 33, 39, 44, 79, 89,<br />

105, 127, 153, 179, 231, 239,<br />

245, 246, 324, 327, 328, 333, 334<br />

Organische Lösemittel............................................................160<br />

Organophosphate ..................................................................163<br />

Organisatorischer Leiter<br />

Rettungsdienst / OrgL ....................................245, 246, 251, 254<br />

P<br />

Patientenaufkommen ............................................................228<br />

PEA ..........................................................................................55<br />

Penicillin ..........................................104,182, 185, 194, 200, 209<br />

periphere Analgetika ................................................................71<br />

Pest ................................................200, 201, 204, 205, 209, 214<br />

Phosphorwasserstoff ............................................................162<br />

Pilz..................................................................................185, 212<br />

Plutoniumbatterien ................................................................127<br />

P<strong>neu</strong>monie ............................175, 184, 185, 187, 188, 191, 274<br />

Pocken ..................................................................................181<br />

Poison Severity Score ................................................7, 154, 179<br />

Polizei-Einsatzleiter / POL-EL ................................................249<br />

Poliomyelitis ..........................................................195, 203, 208<br />

Polytrauma ........................................................................81, 90<br />

Post Traumatic Stress Disorder / PTSD ............................32, 36<br />

präkordialer Faustschlag..........................................................53<br />

Präventive Maßnahmen..........................................................155<br />

Pressekonferenz ....................................................................231<br />

Psittakose ......................................................187, 203, 204, 213<br />

PSS ....................................................................................7, 154<br />

psychisch-physische Befindlichkeit ........................................37<br />

Psychologie der Katastrophe ............................................33, 43<br />

psychologische Begleitung ................................................39, 43<br />

psychologische Problematik ....................................................32<br />

Psychologische Einsatzbegleitung ..........................................32<br />

pulslose elektrische Aktivität....................................................55<br />

311


Q<br />

Q-Fieber ........................................................187, 203, 208, 209<br />

R<br />

radioaktive Quellen ................................................................129<br />

radioaktive Stoffe ..........................................121, 122, 126, 136<br />

radioaktive Wolke ..................................................................128<br />

RCC................................................................................249, 250<br />

RD ..................................................................................250, 254<br />

Rechtsstellung....................................................................18, 22<br />

Regelkompetenz ......................................................................23<br />

Regionales Strahlenschutzzentrum........................119, 134, 136<br />

Registrierungssysteme ............................................................28<br />

Reizgase ................................................................157, 158, 174<br />

Reizgase vom Latenz-Typ ..............................................157, 158<br />

Reizgase vom Sofort-Typ ..............................................157, 158<br />

Relaxierung ..............................................................................75<br />

Reserven ..........................................................................63, 234<br />

Rettungssanitäter ....................................................22, 122, 330<br />

Rettungsassistent ....................................22, 23, 53, 252, 326, 330<br />

Rettungshubschrauber ..........................................321, 326, 333<br />

Ribavirin..........................................................188, 197, 199, 209<br />

Rifampicin ..............................................181, 186, 188, 194, 209<br />

Rift Valley-Fieber ....................................................188, 203, 208<br />

Ringerlaktat ......................................................................68, 152<br />

Rotavirus ................................................................191, 203, 216<br />

RTH ................................................................................252, 254<br />

RTW................................................................................252, 254<br />

Rückfallfieber..................................................................185, 205<br />

S<br />

Salmonellen....................................................................191, 203<br />

SAR ......................................................249, 252, 320, 321, 324,<br />

325, 329, 330, 333, 334, 341<br />

Sauerstoff ............................................48, 50, 52, 53, 56, 60, 70,<br />

74, 75, 95, 102, 152, 156, 157,<br />

160, 161, 162, 175, 227, 275, 320<br />

Schnelleinsatzgruppen / SEG ..................................23, 252, 254<br />

Schmerzbehandlung ..........................................................70, 94<br />

Schock ..........................................54–56, 63, 73, 74, 81, 84, 93,<br />

94, 102, 176, 188, 274, 332<br />

Schocklagerung ......................................................................65<br />

Schuss- und Splitterverletzungen ......................................86, 87<br />

Schutzausrüstung ..................................................................152<br />

Schutzkleidung ..............194, 197, 199–201, 205, 211, 248, 255<br />

312


Schutzkommission ........................................8, 11, 12, 179, 300<br />

Schwefelwasserstoff ..............................................................160<br />

seelsorgerlich-psychologische Begleitung ..............................39<br />

Seuche ..........................................................180, 188, 207, 210<br />

Shigellose ......................................................................191, 203<br />

Sichtung ......................................15, 21, 33, 79, 80, 96–98, 106,<br />

127, 154, 205, 210, 234, 237, 241<br />

Sichtungs-Arzt..........................................................................80<br />

Sichtungsgruppen ....................................................................27<br />

Sichtungskategorien ........................................................27, 153<br />

Sichtungsverfahren ............................................................15, 28<br />

SIV ..........................................................................................253<br />

stabile Seitenlage ..............................................................46, 65<br />

Staphylokokken......................................................166, 192, 203<br />

Stechmücken ................................182, 186, 194, 201, 202, 204<br />

StGB ............................................................................16, 19, 20<br />

Strafgesetzbuch ......................................................................16<br />

Strahlendosis..................................................................124, 131<br />

Strahlenexposition..........................................123, 128, 130, 132<br />

Strahlenkatastrophe ..............................................................117<br />

Strahlenmessung....................................................................123<br />

Strahlennachweisgeräte ........................................................118<br />

Strahlenquelle ........................................117, 121, 122, 124, 129<br />

Strahlenschutzbeauftragter....................................................122<br />

Strahlenschutzbevollmächtigter ............................................122<br />

Strahlenschutzkommission ............120, 123, 127, 133, 141, 143<br />

Strahlenschutzverantwortlicher..............................................122<br />

Strahlenunfälle................117, 121, 135, 137, 139, 143, 257, 259<br />

Strahlenunfall..................................117, 118, 121, 127, 133, 143<br />

Strahlenunfallopfer ................................................................119<br />

Streptomycin ..................................................181, 201, 202, 209<br />

Stressoren ................................................................................33<br />

Supervision ..............................................................................39<br />

T<br />

TEL ........................................................................................256<br />

Tetracyclin ..............183, 185, 187, 188, 189, 190, 192, 201, 209<br />

Therapiemöglichkeiten ............................................................45<br />

Thermische und kombinierte Verletzungen ............................100<br />

Thoraxtrauma ..........................................................................83<br />

Thoraxverletzungen............................................................83, 86<br />

THW................................................................206, 219, 254, 329<br />

Tobramycin ............................................................................202<br />

Total Intravenöse Anästhesie..............................................74, 77<br />

Toxin ......................................165, 166, 181, 189, 191, 192, 193<br />

313


toxische Gefahrenzone ..................................................144, 151<br />

Toxikologische Notfallausrüstung ..................................153, 173<br />

Tracheotomie............................................................................94<br />

Transport..................83, 85, 89, 92, 98, 101–104, 124, 125, 126,<br />

134, 135, 147, 151, 153, 167–170, 206,<br />

211, 234, 246, 248, 253, 254, 319, 320,<br />

323, 328, 329, 332, 335, 336<br />

Transportmittel ..............22, 88, 89, 92, 145, 153, 211, 247, 250<br />

Tranportunfälle........................................................144, 158, 159<br />

Trinkwasser ............................................150, 183, 189–192, 202<br />

Trommelfellperforation..............................................................91<br />

Trost..........................................................................................40<br />

Tubus..........................................................47, 54, 55, 77, 83, 94<br />

TUIS........................................................................148, 170, 246<br />

Tularämie ................................................201, 203, 205, 209, 213<br />

Typhus ............................................189, 190, 203, 204, 208, 209<br />

U<br />

umluftunabhängiges Atemschutzgerät ..................................130<br />

UN-Nummer ..........................................................................146<br />

Unterkühlung......................................................91, 92, 100, 101<br />

Überforderung ................................................................9, 34, 35<br />

Übungen ....................................17, 38, 239, 240, 320, 321, 340<br />

V<br />

Verätzungen............150, 151, 159, 175, 177, 178, 274, 277, 278<br />

Verbrennung ........................................67, 81, 89–93, 95, 94, 96,<br />

97, 98, 102, 156, 253, 335<br />

Verbrühungen ..........................................................................90<br />

Vergiftungen ..................................152–157, 161, 167, 170–172,<br />

179, 192, 271, 272<br />

Verletztenanhängekarte......................................................28, 80<br />

Verlust der Kontrolle ................................................................35<br />

Verpflichtung des Arztes ....................................................14, 25<br />

Verschüttungstraumen ............................................................86<br />

Versorgung ....................8, 10, 11, 14, 18, 26, 45, 53, 63, 77, 79,<br />

80, 81, 87, 91, 93, 96, 97, 98, 103, 104,<br />

106, 118, 127, 128, 135, 136, 139, 153,<br />

154, 206, 211, 227, 234, 237, 259, 245,<br />

246, 247, 248, 250, 251,<br />

253, 254, 331, 337<br />

Verteidigungsfall ..................................................11, 12, 28, 336<br />

Vertraulichkeit ..........................................................................42<br />

vitale Funktionsstörungen ........................................................45<br />

Volumenersatz ..............................................................45, 65–68<br />

314


Volumenmangel......................................................52, 54, 68, 73<br />

Volumenmangelschock ..........................................54, 63, 65, 84<br />

W<br />

Wendl-Tubus ............................................................................47<br />

WF ..................................................................................249, 251<br />

Y<br />

Yersinien ........................................................................192, 203<br />

Z<br />

Zecken....................................................188, 193, 202, 204, 205<br />

Zielklinik........................................................................79, 88, 89<br />

315


316


Varia<br />

317


318<br />

Inspekteur des Sanitätsdienstes<br />

der Bundeswehr<br />

Handbuch<br />

für sanitätsdienstliche Hilfeleistungen<br />

der Bundeswehr<br />

bei Naturkatastrophen, besonders schweren<br />

Unglücksfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe<br />

Sanitätsdienst<br />

der Bundeswehr<br />

Hot-Line außerhalb<br />

regulärer Dienstzeiten:<br />

Führungszentrum der<br />

Bundeswehr<br />

+49-2 28-12-49 11 oder -55 00<br />

Auszugsweiser Abdruck<br />

mit freundlicher Genehmigung<br />

des Bundesministeriums der<br />

Verteidigung<br />

– InSan II.1 –<br />

Postfach 1328<br />

D-53003 Bonn<br />

Telefon +49-2 28-12 00,<br />

Telefax +49-2 28-12-53 57


Bundesministerium<br />

der Verteidigung<br />

Inspekteur des<br />

Sanitätsdienstes der<br />

Bundeswehr<br />

In San II 1 – Az 13–29<br />

Großschadensereignisse wie zuletzt das Zugunglück in<br />

Eschede oder die Oderflut machen deutlich, dass wir weiterhin<br />

auf die Bewältigung solcher Katastrophen vorbereitet sein müssen.<br />

Alle mit Katastrophenschutz beauftragten Dienststellen<br />

und Einrichtungen sind dabei auf gegenseitige Unterstützung<br />

angewiesen.<br />

Dieses Handbuch soll Hilfestellung bei der zivil-militärischen<br />

Zusammenarbeit geben. Es ist kein Ersatz für Dienstvorschriften,<br />

zeigt aber den militärischen Kommandobehörden und dem<br />

fachdienstlich nachgeordneten Bereich sowie den zivilen Behörden<br />

und Hilfsorganisationen Wege auf, die einen koordinierten<br />

und effektiven Einsatz der verfügbaren Kräfte und Mittel des<br />

Sanitätsdienstes der Bundeswehr ermöglichen.<br />

Die strukturellen und organisatorischen Änderungen im Sanitätsdienst<br />

der Bundeswehr in den zurückliegenden Jahren und<br />

redaktionelle Gründe erforderten eine Aktualisierung des Textes<br />

und der Anlagen aus dem Jahr 1995.<br />

Ich würde mich freuen, wenn insbesondere der zivile Bereich<br />

dieses Handbuch weiterhin kritisch begleitet und Verbesserungsvorschläge<br />

einbringt.<br />

Dr. Karl W. Demmer<br />

Generaloberstabsarzt<br />

Bonn, 23. Juni 1999<br />

Telefon (0228) 12-62 85/63 75<br />

Telefax (0228) 12-91 77<br />

319


Inhaltsverzeichnis zum Handbuch für<br />

Sanitätsdienstliche Hilfeleistungen der<br />

Bundeswehr<br />

1. Vorbemerkungen ..............................................................1<br />

2. Begriffsbestimmungen ....................................................3<br />

2.1 Naturkatastrophen ..................................................3<br />

2.2 Besonders schwere Unglücksfälle ..........................3<br />

2.3 Dringende Nothilfe ..................................................4<br />

2.4 Primäreinsatz............................................................4<br />

2.5 Sekundäreinsatz ......................................................4<br />

2.6 Such- und Rettungseinsatz......................................4<br />

2.7 Such- und Rettungsmittel ........................................5<br />

3. Rechtliche Grundlagen / Zuständigkeiten......................6<br />

3.1 Einsatz von Truppenteilen oder Dienststellen ..........6<br />

3.2 Tatsächliche Hilfeleistung ........................................6<br />

3.3 Teilnahme am Rettungsdienst..................................6<br />

3.4 Hilfeersuchen der Katastrophenschutzbehörden ....7<br />

3.5 Zuständigkeiten beim Einsatz der Bundeswehr ......7<br />

3.6 Art und Umfang des Einsatzes ................................8<br />

3.7 Unterstellungen / Zuordnungen ..............................8<br />

3.8 Zuständigkeit für den Katastrophenschutz ..............8<br />

3.9 Regelungen für Hilfeleistungen der Bundeswehr<br />

im Ausland und auf hoher See ................................9<br />

4. Einsatz des Sanitätsdienstes ..........................................9<br />

4.1 Allgemeine Grundsätze ............................................9<br />

4.1.1 Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen<br />

der dringenden Nothilfe..........................................10<br />

4.1.2 Hilfeersuchen ........................................................10<br />

4.2 Umfang der Kräfte und Mittel ................................11<br />

4.2.1 Einsatz Sanitätsoffiziere Arzt..................................11<br />

4.2.2 Einsatz von Sanitätseinheiten und -teileinheiten....12<br />

4.3 Transport der Kräfte und Mittel ..............................13<br />

4.3.1 Ärztliche Einsatzgruppen ......................................13<br />

4.3.2 Sanitätsteileinheiten ohne Großgerät ....................13<br />

4.3.3 Sanitätseinheiten, -teileinheiten mit Großgerät ......13<br />

5. Krankentransport / Materialtransport ..........................13<br />

5.1 Kranken- und Verletztentransport ..........................13<br />

5.2 Ersttransport ..........................................................14<br />

5.3 Entlastender Folgetransport ..................................15<br />

5.4 Transport Schwerbrandverletzter ..........................16<br />

6. Sanitätsmaterial ..............................................................16<br />

6.1 Materielle Ausstattung ..........................................16<br />

320


6.2 Erste-Hilfeausstattung, Brandwundenbehandlung<br />

für 2 Brandverletzte (Burn-Set) ..............................17<br />

6.3 Notfallbehandlungseinheit, Sanitätsmaterial<br />

für Brandverwundete..............................................17<br />

6.4 Notfallbehandlungseinheit, Sanitätsmaterial<br />

für Katastropheneinsatz ........................................17<br />

6.5 Abruf, Bereitstellung und Transport<br />

der Notfallbehandlungseinheiten ..........................17<br />

6.6 Regelung der Sanitätsmaterialversorgung ............18<br />

6.7 Verfahren bei Ausfuhr von Material ins Ausland ....18<br />

7. Führungsorganisation<br />

sanitätsdienstlicher Einsätze ........................................18<br />

7.1 Grundsätze ............................................................18<br />

7.2 Erkundungskommando (San) ................................19<br />

7.3 Leitender Sanitätsoffizier im Einsatzgebiet ............19<br />

8. Melde- und Berichtswesen ............................................19<br />

8.1 Sanitätsdienstliche Meldungen ..............................20<br />

8.2 Sanitätsdienstlicher Erfahrungsbericht ..................20<br />

9. Durchführung von Übungen<br />

und Großveranstaltungen ..............................................20<br />

Anhang<br />

Anlage 1 Telefon/Fax-Verzeichnis der wichtigsten Ansprechstellen<br />

für sanitätsdienstliche Hilfe bei Katastrophen/<br />

schweren Unglücksfällen<br />

Anlage 2 Standorte San-Truppenteile und Dienststellen<br />

Anlage 3 Ständige SAR – Einrichtungen der Bundeswehr<br />

Anlage 4 Standorte der SAR – und Rettungshubschrauber<br />

Anlage 5 Ärztliche Einsatzgruppen<br />

Anlage 6 Liste der am Vermittlungsverfahren der „Zentralen<br />

Anlaufstelle (ZA) Schwerbrandverletzte“ beteiligten<br />

Krankenhäuser<br />

Anlage 7 Notfalldepots für Sera und Plasmaderivate<br />

Anlage 8 Blutspendedienste und Blutspendezentralen<br />

Anlage 9 Standorte von Sauerstoff – Druckkammern<br />

Anlage 10 Informationszentren für Vergiftungsfälle in der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

Anlage 11 Sanitätslagemeldung<br />

Anlage 12 Sanitätssofortmeldung<br />

Anlage 13 Sanitätsmeldung<br />

Anlage 14 Erfahrungsbericht<br />

Änderungsnachweis<br />

Verteiler<br />

321


1. Vorbemerkungen<br />

Es werden die Kräfte, Mittel und Möglichkeiten des Sanitätsdienstes<br />

der Bundeswehr dargestellt, die bei Naturkatastrophen,<br />

besonders schweren Unglücksfällen und im Rahmen der<br />

dringenden Nothilfe unter Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben<br />

im In- und Ausland zum Einsatz kommen können.<br />

Durch dieses Handbuch sollen Kommandobehörden, Dienststellen,<br />

zivile Hilfs- und Rettungsorganisationen sowie Katastrophenschutzbehörden<br />

in die Lage versetzt werden, im Bedarfsfall<br />

die notwendige sanitätsdienstliche Unterstützung und Hilfe<br />

schnell und unbürokratisch planen, anfordern und gewähren zu<br />

können.<br />

Rechtsgrundlage für sanitätsdienstliche Hilfeleistungen der<br />

Bundeswehr bei Naturkatastrophen, besonders schweren Unglücksfällen<br />

und im Rahmen dringender Nothilfe sind Art. 35 GG<br />

und Art. 98 Seerechtsübereinkommen (SRÜ). Bei Hilfeleistungen<br />

dieser Art sind nachfolgende Erlasse in der jeweils gültigen<br />

Fassung zu beachten:<br />

– VMBl 1981 S. 297 Grundsatzweisung für den militärischen<br />

Such- und Rettungsdienst der Bundeswehr<br />

(SAR-Search and Rescue)<br />

– VMBl 1988 S. 270 Einsatz von Rettungsmitteln der Bundeswehr<br />

im Rahmen des zivilen Rettungswesens<br />

(Neufassung)<br />

– VMBl 1988 S. 279 Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen<br />

oder besonders schweren<br />

Unglücksfällen und im Rahmen der dringenden<br />

Nothilfe (Neufassung)<br />

– VMBl 1988 S. 285 Kostenerstattung bei Hilfeleistungen der<br />

Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe<br />

– VMBl 1999 S. 86 Erstattungskostensätze zu den Einzelerlassen<br />

über Hilfeleistungen der Bundeswehr<br />

im Frieden<br />

Um die Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Dienststellen<br />

zu erleichtern und im Vorfeld größerer Übungen und Veranstaltungen<br />

Planungen und Absprachen zu verbessern, werden die<br />

wesentlichen Ansprechstellen des zivilen Rettungswesens und der<br />

Hilfsorganisationen aufgeführt.<br />

Die Rufnummern für die Rettungsleitstellen, der Zentrale des<br />

Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte und für die zuständige<br />

Katastrophenschutzbehörde sind auf örtlicher Ebene nachzufragen<br />

und zu dokumentieren.<br />

322


– Rettungsleitstelle ...........................................................<br />

– Feuerwehr ...........................................................<br />

– Katastrophenschutzleitung<br />

...........................................................<br />

– Deutsches Rotes Kreuz ...........................................................<br />

– Malteser-Hilfsdienst ...........................................................<br />

– Johanniter-Unfall-Hilfe ...........................................................<br />

– Arbeiter-Samariter-Bund...........................................................<br />

– Deutsche-Lebensrettungs-Gesellschaft<br />

...........................................................<br />

– Deutsche Gesellschaft zur<br />

Rettung Schiffbrüchiger ...........................................................<br />

– Technisches Hilfswerk ...........................................................<br />

Wichtige, telefonisch erreichbare Ansprechstellen für sanitätsdienstliche<br />

Hilfe enthält die Anlage 1.<br />

Dieses Handbuch erscheint in Loseblattform, damit es laufend ergänzt<br />

oder geändert werden kann. Änderungsbeiträge sind zu richten an:<br />

Bundesministerium der Verteidigung<br />

In San II 1, Postfach 1328, 53003 Bonn<br />

2. Begriffsbestimmungen<br />

2.1 Naturkatastrophen<br />

Naturkatastrophen sind unmittelbar drohende Gefahrenzustände<br />

oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß, die durch<br />

Naturereignisse wie insbesondere<br />

–Dürre<br />

– Waldbrände<br />

– Erdbeben<br />

– Unwetter<br />

– Hochwasser, Überschwemmungen<br />

– Sturmflut<br />

– extremer Schneefall<br />

– Eisgang<br />

ausgelöst werden.<br />

323


2.2 Besonders schwere Unglücksfälle<br />

Besonders schwere Unglücksfälle sind Schadensereignisse von<br />

großem Ausmaß und von Bedeutung für die Öffentlichkeit, die<br />

durch Unfälle, technisches oder menschliches Versagen ausgelöst<br />

oder von Dritten absichtlich herbeigeführt werden. Hierunter<br />

fallen z.B.:<br />

– Explosionen<br />

– Massenerkrankungen und Tierseuchen<br />

– Massenanfall von Verletzten<br />

– besonders schwere Verkehrsunfälle<br />

– schwere Flugzeug-, Eisenbahn- oder Schiffsunglücke<br />

– Stromausfall mit Auswirkungen für lebenswichtige Einrichtungen<br />

– Großbrände<br />

– Unfälle in Chemie- und anderen Industrieanlagen, bei denen<br />

in großem Umfang giftige Stoffe in die Umwelt gelangen<br />

– Unfälle in Kernenergieanlagen<br />

– andere Unfälle mit Strahlenrisiko.<br />

2.3 Dringende Nothilfe<br />

Dringende Nothilfe ist die Hilfeleistung von Bundeswehrangehörigen,<br />

ggf. unter Verwendung von Kraftfahrzeugen, Luftfahrzeugen,<br />

Wasserfahrzeugen und Geräten, z .B. bei Rettung von<br />

Menschenleben oder zur Vermeidung schwerer gesundheitlicher<br />

Schäden oder bei drohendem Verlust von für die Allgemeinheit<br />

wertvollem Material, bei denen geeignete zivile Hilfskräfte<br />

und geeignetes Material der zuständigen Behörden und /<br />

oder der Hilfsorganisationen nicht, nicht ausreichend oder nicht<br />

rechtzeitig zur Verfügung stehen.<br />

2.4 Primäreinsatz<br />

Primäreinsatz ist die schnelle Heranführung des Notarztes /<br />

medizinischen Fachpersonals zu dem Ort eines Notfalles<br />

zwecks Behandlung von Patienten, bei denen Lebensgefahr<br />

oder die Gefahr schwerer gesundheitlicher Schäden gegeben<br />

sein könnten und/oder der medizinisch erforderliche Transport<br />

zur ersten notwendigen Behandlung in ein Krankenhaus.<br />

2.5 Sekundäreinsatz<br />

Sekundäreinsatz ist der Transport von Patienten aufgrund medizinischer<br />

Indikation von einem Krankenhaus in ein anderes<br />

Krankenhaus zur Weiterbehandlung.<br />

2.6 Such- und Rettungseinsatz<br />

Einsatz von Such- und Rettungsmitteln (SAR – Search and<br />

Rescue), um<br />

324


– überfällige, abgestürzte oder vermisste Luftfahrzeuge zu<br />

suchen<br />

– die Insassen zu retten.<br />

Daneben kann der SAR – Dienst auch im Rahmen der dringenden<br />

Nothilfe, bei Naturkatastrophen, schweren Unglücksfällen und in<br />

Notlagen im militärischen und zivilen Bereich eingesetzt werden.<br />

Die verzuglose Hilfe durch den SAR – Dienst ist durch die ständige<br />

Bereitschaft der SAR – Mittel gewährleistet. Die dem Lufttransportkommando<br />

unterstellte SAR – Leitstelle MÜNSTER ist zuständig<br />

für den Festlandbereich der Bundesrepublik Deutschland mit<br />

Ausnahme der Bundesländer Schleswig – Holstein und Hamburg.<br />

Die dem Flottenkommando unterstellte SAR – Leitstelle<br />

GLÜCKSBURG ist zuständig für die der Bundesrepublik<br />

Deutschland gemäß ICAO – Regionalplan (ICAO = International<br />

Civil Aviation Organization = Internationale Zivilluftfahrtorganisation)<br />

zugewiesenen Seegebiete sowie die Bundesländer<br />

Schleswig-Holstein und Hamburg (siehe Anlage 3).<br />

Durch Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Bundesministerien<br />

für Verkehr und der Verteidigung ist festgelegt, dass der<br />

SAR – Dienst der Bundeswehr zugleich Teil des nationalen<br />

Such- und Rettungsdienstes für Luftfahrzeuge ist bzw. den<br />

Rettungsdienst in den Seegebieten vor der deutschen Nordund<br />

Ostseeküste unterstützt.<br />

2.7 Such- und Rettungsmittel<br />

SAR – Mittel sind besonders für ihren Auftrag ausgerüstete und<br />

mit entsprechend ausgebildetem Personal besetzte<br />

– Hubschrauber und Flugzeuge der Luftwaffe und Marine<br />

– Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung<br />

Schiffbrüchiger ( DGzRS).<br />

Sie sind raumdeckend über die Bundesrepublik Deutschland<br />

verteilt.<br />

Es werden SAR – Mittel 1. und 2. Grades unterschieden. SAR –<br />

Mittel 1. Grades der Bundeswehr sind die SAR – Leitstellen und<br />

die für den SAR – Dienst bereitgestellten Kräfte des / der<br />

– Marinefliegergeschwaders 3 in NORDHOLZ (Breguet Atlantic<br />

BR 1150)<br />

– Marinefliegergeschwaders 5 in KIEL-HOLTENAU (Sea King<br />

MK 41)<br />

– Lufttransportgeschwaders (LTG) 61 in PENZING (Bell UH – 1D)<br />

– Lufttransportgruppe des LTG 62 in HOLZDORF (Bell UH – 1D)<br />

– Lufttransportgeschwaders 63 in HOHN (Bell UH – 1D)<br />

– Flugbereitschaft Bundesministerium der Verteidigung in<br />

NÖRVENICH (Bell UH – 1D)<br />

325


SAR – Mittel 2. Grades sind alle anderen Kräfte der Bundeswehr<br />

und der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten verbündeten<br />

Streitkräfte oder aus dem zivilen Bereich, soweit sie<br />

für SAR – Aufgaben herangezogen werden.<br />

SAR – Mittel 2. Grades sind auch die drei Großraumrettungshubschrauber<br />

(GRH) CH 53 G, die in den Standorten RHEINE<br />

(HFlgRgt 15), LAUPHEIM<br />

(HFlgRgt 25) und MENDIG (HFlgRgt 35) bereitgehalten werden.<br />

– primär für das Heranführen von medizinischem Fachpersonal<br />

und Sanitätsmaterial und<br />

– sekundär für die Verlegung von vorversorgten Verletzten in<br />

geeignete Schwerpunktkrankenhäuser und Spezialkliniken<br />

dienen.<br />

Ein Start ist während der Dienstzeit nach 30 Minuten, zu den<br />

übrigen Zeiten nach 60 Minuten möglich. Beide GRH werden<br />

ausschließlich durch die SAR – Leitstelle MÜNSTER eingesetzt.<br />

3. Rechtliche Grundlagen / Zuständigkeiten<br />

3.1 Einsatz von Truppenteilen oder Dienststellen<br />

Der Einsatz von Truppenteilen oder Dienststellen der Bundeswehr<br />

bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen<br />

ist grundsätzlich nur zulässig, wenn<br />

a) in Fällen regionaler Gefährdung das betroffene Land oder<br />

die nach jeweiligem Landesrecht mit der Wahrnehmung<br />

der Aufgaben des Katastrophenschutzes beaufragte Behörde<br />

die Hilfe der Bundeswehr anfordert (Art. 35 Abs.2,<br />

Satz 2 GG)<br />

b) in Fällen überregionaler Gefährdung die Bundesregierung<br />

diesen Einsatz beschließt (Art. 35 Abs. 3 GG) und der<br />

Bundesminister der Verteidigung eine entsprechende Weisung<br />

erteilt. Dabei stehen der Bundeswehr hoheitliche Befugnisse<br />

auch polizeilicher Art zu, soweit sie zur Durchführung<br />

der Hilfeleistungen erforderlich sind.<br />

3.2 Tatsächliche Hilfeleistung<br />

a) Bei Hilfeleistungen, die nicht unter den Einsatz gemäß Nr.<br />

3.1 fallen, sind im Rahmen der dringenden Nothilfe auf Ersuchen<br />

von Behörden (Art. 35 Abs. 1 GG), privaten Organisationen<br />

oder Einzelpersonen nur tatsächliche und technische<br />

Hilfeleistungen der Bundeswehr möglich.<br />

Die Hilfeleistung erstreckt sich auf den Einsatz von Bundeswehrangehörigen<br />

und gegebenenfalls von Fahrzeugen<br />

und Geräten.<br />

326


) Bei Hilfeleistungen der Bundeswehr im Rahmen der dringenden<br />

Nothilfe im Ausland sind nur tatsächliche Hilfeleistungen<br />

möglich<br />

3.3 Teilnahme am Rettungsdienst<br />

Die Bundeswehr nimmt auf vertraglich geregelter Basis an der<br />

Sicherstellung des zivilen Luftrettungsdienstes und des zivilen<br />

straßengebundenen Rettungsdienstes teil. Dazu stellt sie Notarztwagen<br />

und an zivilen und militärischen (Bundeswehrkrankenhäuser)<br />

Luftrettungszentren Rettungshubschrauber bereit. An den<br />

zivilen Luftrettungszentren stellt die Bundeswehr neben dem<br />

Hubschrauber nur die fliegerische Besatzung, an militärischen<br />

Zentren auch die medizinische (Notarzt u. Rettungsassistent). Der<br />

Einsatz innerhalb des zugewiesenen Einsatzraumes erfolgt grundsätzlich<br />

über die regional zuständige Rettungsleitstelle.<br />

3.4 Hilfeersuchen der Katastrophenschutzbehörden<br />

Hilfeersuchen sind von den Katastrophenschutzbehörden grundsätzlich<br />

an die zuständige territoriale Wehrorganisation zu richten:<br />

– Land (Innenminister/Innensenator) – Wehrbereichskommando/Division<br />

(WBK/Div)<br />

– Regierungsbezirk/Regierungs- Verteidigungsbezirkspräsidium<br />

(Regierungspräsident) kommando (VBK)<br />

– Landkreis (Landrat/Oberkreisdirektor) – Verbindungskommando<br />

Land- kreisfreie Stadt (Oberbürgermeister/kreis/kreisfreie<br />

Stadt Oberstadtdirektor) Beauftragter der Streitkräfte für<br />

regionale Aufgaben<br />

Die Hilfeersuchen sind von den militärischen Dienststellen dem<br />

Bundesministerium der Verteidigung zur Entscheidung vorzulegen,<br />

wenn die geforderte Hilfeleistung mit besonderer Gefahr<br />

verbunden oder politisch sensitiv ist.<br />

Handelt es sich bei der beantragten Unterstützung um Amtshilfe<br />

(kein Katastrophen-, großer Unglücksfall oder dringende Nothilfe),<br />

ist im Bundesministerium der Verteidigung das Referat R I<br />

2 zuständig.<br />

3.5 Zuständigkeiten beim Einsatz der Bundeswehr<br />

Bei großflächigen Gefährdungslagen ( z.B. in Fällen überregionaler<br />

Gefährdung im Bundesgebiet ) entscheidet grundsätzlich<br />

die Bundesregierung über Art und Umfang der Katastrophenhilfe/Hilfeleistungen<br />

durch Truppenteile und sonstige militärische<br />

Dienststellen der Bundeswehr auf Antrag<br />

– eines oder mehrerer Länder oder des Bundesministeriums<br />

des Inneren<br />

– eines anderen Staates über das Auswärtige Amt (bei Kata-<br />

327


strophen oder Unglücksfällen im Ausland)<br />

– einer internationalen Organisation über das Auswärtige Amt.<br />

In Fällen geringeren Ausmaßes (z. B. bei regionalen Gefährdungslagen<br />

im Bundesgebiet) entscheidet der Bundesminister<br />

der Verteidigung.<br />

Der Koordinierungsstab für Einsatzaufgaben (KSEA) und das<br />

Führungszentrum der Bundeswehr (FüZBw) unterstützen hierbei<br />

die Leitung, soweit entsprechend dem Ausmaß im Einzelfall die<br />

Notwendigkeit ministerieller Steuerung besteht.<br />

In allen übrigen Fällen entscheiden die regional oder örtlich zuständigen<br />

territorialen Befehlshaber/Kommandeure (WBK/Div,<br />

VBK/Brig) über Art und Umfang der Hilfeleistungen. Die vorgesetzten<br />

militärischen Dienststellen sind zu informieren.<br />

3.6 Art und Umfang des Einsatzes<br />

Ist bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen<br />

sowie im Rahmen der dringenden Nothilfe sofortige Hilfe<br />

geboten und liegt eine Anforderung der Bundeswehr durch die<br />

zuständigen Katastrophenschutzbehörden nicht vor, hat jeder<br />

Kommandeur, Dienststellenleiter und Einheitsführer selbständig<br />

die für die sofortige Hilfe erforderlichen Maßnahmen zu treffen.<br />

In diesem Falle ist die zuständige Behörde unverzüglich über die<br />

Hilfeleistung der Bundeswehr zu unterrichten. Die verantwortliche<br />

Gesamtleitung des Einsatzes geht auf den Katastropheneinsatzleiter<br />

der zuständigen Behörde der inneren Verwaltung<br />

über, sobald dieser zur Stelle ist oder Anordnungen trifft.<br />

Infolge der begrenzten Verfügbarkeit sind die Luftrettungsmittel<br />

möglichst wirtschaftlich einzusetzen. Es ist immer abzuwägen, ob<br />

im Einzelfall nicht andere geeignete Mittel (z.B. Rettungswagen)<br />

verfügbar gemacht werden können. Bei der Rettung von Menschenleben<br />

sind wirtschaftliche Überlegungen zurückzustellen.<br />

3.7 Unterstellungen / Zuordnungen<br />

Die zur Hilfeleistung eingesetzten Angehörigen der Streitkräfte<br />

bleiben ihren Kommandeuren, Dienststellenleitern und<br />

Einheitsführern unterstellt. Werden mehrere Truppenteile und<br />

Dienststellen oder Angehörige verschiedener Truppenteile<br />

und Dienststellen der Bundeswehr eingesetzt, übernimmt der<br />

dienstgradhöchste und bei gleichem Dienstgrad der dienstälteste<br />

Soldat die Befehlsbefugnis, bis durch den regional<br />

zuständigen territorialen Befehlshaber/Kommandeur oder<br />

den nächsten gemeinsamen Vorgesetzten ein Offizier mit der<br />

Leitung der militärischen Hilfsmaßnahmen beauftragt wird.<br />

Der den Einsatz der Truppenteile und Dienststellen leitende Offizier<br />

erhält seine Weisungen für den Einsatz von dem für den Gesamt-<br />

328


einsatz aller beteiligten Helfer verantwortlichen Katastropheneinsatzleiter<br />

der zuständigen Katastrophenschutzbehörde der Länder.<br />

3.8 Zuständigkeit für den Katastrophenschutz<br />

Durch den Einsatz der Bundeswehr bei Naturkatastrophen und<br />

besonders schweren Unglücksfällen sowie bei Hilfeleistungen<br />

im Rahmen der dringenden Nothilfe wird die Zuständigkeit der<br />

Länder oder der von der Landesregierung mit der Wahrnehmung<br />

der Aufgabe des Katastrophenschutzes beauftragten<br />

Behörde nicht berührt.<br />

Die Bundeswehr leistet nur so lange Hilfe, bis zivile Einrichtungen<br />

und Organisationen wie z.B. Polizei, Feuerwehr, Technisches<br />

Hilfswerk, Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe<br />

und Malteser-Hilfsdienst zur Durchführung<br />

einer ausreichenden Hilfe am Katastrophenort einsatzbereit sind<br />

und die Ablösung erfolgen kann.<br />

3.9 Regelungen für Hilfeleistungen der Bundeswehr im<br />

Ausland und auf hoher See<br />

Hilfeersuchen ausländischer Stellen erfolgen im Allgemeinen<br />

über die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland. Bei<br />

Eingang eines Hilfeersuchens prüft das Auswärtige Amt (AA) als<br />

zuständiges Ressort Möglichkeiten der Hilfeleistung durch die<br />

Bundesrepublik Deutschland. Es beteiligt alle Bundesressorts,<br />

die Kräfte und Mittel zur Verfügung stellen können.<br />

Hierzu gehören u.a.:<br />

– Bundesministerium des Inneren (THW, Bergung)<br />

– Bundesministerium für Verkehr (Transport)<br />

– Bundesministerium für Finanzen (Finanzierung)<br />

– Bundesministerium für Wirtschaft (Wirtschaftshilfe)<br />

– Bundesministerium der Verteidigung (sonstige<br />

Hilfeleistungen)<br />

Das Auswärtige Amt führt daraufhin die Entscheidung der Bundesregierung<br />

herbei.<br />

Im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) erfolgt eine<br />

interne Entscheidungsfindung nach Anfrage des Auswärtigen<br />

Amtes.<br />

Grundsätzlich nimmt die Bundeswehr in einem solchen Einsatz<br />

im Ausland keine hoheitlichen Aufgaben wahr.<br />

4. Einsatz des Sanitätsdienstes<br />

4.1 Allgemeine Grundsätze<br />

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr wird grundsätzlich nur dann<br />

329


eingesetzt, wenn zivile sanitätsdienstliche Kräfte und Einsatzmittel<br />

nach Eintritt einer Naturkatastrophe oder eines besonders<br />

schweren Unglücksfalls nicht oder noch nicht ausreichend zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Ausgenommen hiervon sind die nachstehenden sanitätsdienstlichen<br />

Einrichtungen, die sich gemäß vertraglicher Regelung am<br />

zivilen Rettungsdienst beteiligen:<br />

– Notarztwagen: BwZKrhs Koblenz, BwKrhs Berlin und<br />

Hamburg<br />

– Luftrettungszentrum:<br />

– +mit SAR–Hubschrauber: BwKrhs Hamburg und Ulm<br />

– +mit ADAC-Hubschrauber: BwZKrhs Koblenz<br />

4.1.1 Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen der dringenden<br />

Nothilfe<br />

Im Rahmen der dringenden Nothilfe sind durch den Sanitätsdienst<br />

der Bundeswehr folgende Unterstützungsmöglichkeiten<br />

denkbar:<br />

– Einsätze zur Rettung von Menschenleben bzw. zur Vermeidung<br />

schwerer gesundheitlicher Schäden, die den Transport<br />

eines Arztes zum Unfallort und/oder den Transport von<br />

Verletzten vom Unfallort zu Sofortmaßnahmen in ein Krankenhaus<br />

erfordern<br />

– Einsätze zur Rettung aus Berg- und Seenot, bei denen<br />

Personen sanitätsdienstlich versorgt und abtransportiert werden<br />

– Zeitlich dringende Krankentransporte sowie Transporte von<br />

Arzneimitteln, Blutkonserven und Transplantaten<br />

– Entlastende Sekundärtransporte<br />

– Hilfeleistungen durch die ärztlichen Einsatzgruppen der<br />

Bundeswehr<br />

– Einsatz von Sanitätseinheiten/-teileinheiten.<br />

4.1.2 Hilfeersuchen<br />

Grundsätzlich sind Ersuchen um sanitätsdienstliche/medizinische<br />

Hilfe oder Unterstützung an die für den jeweiligen Rettungsdienstbereich<br />

zuständige Rettungsleitstelle des Rettungsdienstes und nur in<br />

Ausnahmefällen an die nächste Dienststelle der Polizei, Feuerwehr<br />

oder Hilfsorganisationen zu richten.<br />

Die Rettungsleitstelle hat den gesetzlichen Auftrag, den wirksamen<br />

Einsatz der Rettungsmittel und -kräfte zu koordinieren, da sie<br />

ständig besetzt und erreichbar ist und zusätzlich einen zentralen<br />

Krankenbettennachweis im zuständigen Rettungsdienstbereich<br />

führt. Bundeswehrkrankenhäuser haben deshalb Hilfeersuchen<br />

unverzüglich der örtlichen Rettungsleitstelle mitzuteilen.<br />

Insbesondere in ländlichen Regionen ist es sinnvoll, unmittelba-<br />

330


en Kontakt zum Notfalldienst der niedergelassenen Ärzte herzustellen.<br />

Da diese Einrichtungen noch nicht bundeseinheitlich<br />

telefonisch erreicht werden können, sind die örtlichen Telefonnummern<br />

bzw. Ansprechpartner in einem Verzeichnis zu vermerken<br />

(siehe Seite 2).<br />

Bundeseinheitliche Notrufnummern sind:<br />

Notruf 1 10<br />

Feuerwehrruf 1 12<br />

Rettungsstelle 1 92 22<br />

4.2 Umfang der Kräfte und Mittel<br />

Der Umfang der einzusetzenden Kräfte und Mittel der<br />

Bundeswehr ist gezielt nach Feststellen von Ausmaß und Größe<br />

des Schadensereignisses in Absprache mit dem zuständigen<br />

territorialen Befehlshaber/Kommandeur und der örtlichen Katastropheneinsatzleitung<br />

festzulegen und, falls Kräfte des<br />

Sanitätsdienstes der Bundeswehr zum Einsatz kommen, in folgenden<br />

abgestuften Maßnahmen durchzuführen:<br />

– Nach Eintritt des Ereignisses ist das Sanitätspersonal der<br />

Sanitätseinrichtungen oder der Sanitätstruppenteile, die der<br />

Schadensstelle am nächsten liegen, zur Rettung und Erstversorgung<br />

einzusetzen; vor allem zum Rettungssanitäter und<br />

zum Rettungsassistenten ausgebildete Soldaten und deren<br />

Erreichbarkeit sollten in einer aktuellen Liste standortbezogen<br />

bereitgehalten werden.<br />

– Bei Bedarf können die Soldaten der nächstgelegenen Truppenteile<br />

unterstützend mitwirken. Zusätzlich können handelsübliche<br />

und geländegängige Krankenkraftwagen sowie für<br />

den Krankentransport umrüstbare Kraftomnibusse, die in<br />

Sanitätseinrichtungen und den verschiedenen Sanitätseinheiten<br />

der Teilstreitkräfte vorhanden sind, den Abtransport der<br />

Verletzten übernehmen.<br />

– Bei Engpässen im zivilen Luftrettungsdienst können Verletzte<br />

auch durch Ersttransport oder entlastenden Folgetransport<br />

einer endbehandelnden Klinik zugeführt werden.<br />

– Besonders ausgebildete ärztliche Einsatzgruppen stehen im<br />

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz sowie in den Bundeswehrkrankenhäusern<br />

Berlin, Hamburg und Ulm zur Verfügung.<br />

Die Räumung blockierter Zufahrtswege, Beseitigung zerstörter<br />

Infrastruktur usw. wird in der Regel durch andere Kräfte der<br />

Bundeswehr (z.B. Pioniere) durchgeführt, sofern zivile Kräfte<br />

und Einsatzmittel des Katastrophenschutzes/Technischen<br />

Hilfswerkes nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen.<br />

331


4.2.1 Einsatz von Sanitätsoffizieren Arzt<br />

Neben den Sanitätsoffizieren bei Truppenteilen und Dienststellen<br />

stehen im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz und in den<br />

Bundeswehrkrankenhäusern Berlin, Hamburg und Ulm je eine<br />

Ärztliche Einsatzgruppe<br />

– Notfallchirurgie<br />

– Anaesthesie, Reanimation, Schockbekämpfung<br />

– Innere Medizin bereit (Anlage 5).<br />

Diese Ärztlichen Einsatzgruppen mit kleiner Notfallausrüstung<br />

sind für den Soforteinsatz über<br />

– die Inspektion des Sanitätsdienstes (InSan) im BMVg oder<br />

– das Sanitätsamt der Bundeswehr oder<br />

– die SAR – Leitstellen anzufordern.<br />

Der Auftrag der Ärztlichen Einsatzgruppen beschränkt sich am<br />

Notfallort auf lebensrettende Sofortmaßnahmen zur Abwendung<br />

akut lebensbedrohlicher Zustände im Rahmen der ersten ärztlichen<br />

Hilfe, Schock- und Schmerzbekämpfung und zur Herstellung<br />

der Transportfähigkeit.<br />

Nach Abschluss aller Maßnahmen der ersten ärztlichen Hilfe<br />

können das Personal und Material zur Unterstützung des<br />

nächstgelegenen Krankenhauses bei der fachärztlichen Behandlung<br />

eingesetzt werden.<br />

Über die Rettungsleitstellen können Notärzte unmittelbar angesprochen<br />

werden.<br />

Der Umfang der Materialausstattung ermöglicht eine 48stündige<br />

unabhängige Hilfeleistung.<br />

4.2.2 Einsatz von Sanitätseinheiten und Sanitätsteileinheiten<br />

Bei großen und größeren Katastrophen kann der Einsatz von<br />

Sanitätseinheiten oder deren Teileinheiten im Rahmen verfügbarer<br />

Kapazitäten angeordnet werden.<br />

Die für einen Einsatz vorgesehenen Sanitätseinheiten können<br />

über<br />

– mobile Elemente zur chirurgischen Akutversorgung und verlegefähige<br />

Elemente zur multidisziplinären fachärztlichen Versorgung<br />

– bewegliche Arzttrupps zur ambulanten sanitätsdienstlichen<br />

Versorgung, auch in entlegenen Regionen<br />

– Teileinheiten für<br />

+ Krankentransport<br />

+ Hygienische Maßnahmen, einschließlich Wasserversorgung<br />

+ Führung und Verbindung<br />

+ Versorgung, einschließlich Sanitätsmaterial verfügen.<br />

332


Diese Einheiten oder Teileinheiten sind in der Lage, weitgehend<br />

autark zu arbeiten, wenn es die Gegebenheiten im Einsatzraum<br />

erfordern.<br />

Vorliegende Informationen über das Schadensausmaß, die<br />

Einsatzart, die voraussichtliche Einsatzdauer, der Einsatzort, die<br />

Führungsverantwortung und die Verfügbarkeit bestimmen Art<br />

und Umfang der einzusetzenden Kräfte und Mittel.<br />

4.3 Transport der Kräfte und Mittel<br />

4.3.1 Ärztliche Einsatzgruppen<br />

Für den Transport ärztlicher Einsatzgruppen ist in aller Regel aus<br />

Gründen der Eilbedürftigkeit Lufttransport vorgesehen.<br />

Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland kann in der Regel<br />

jeder Ort von einem leichten oder mittleren Transporthubschrauber<br />

ohne Zwischenbetankung erreicht werden.<br />

Der Katastrophenplan des Bundeswehrzentralkrankenhauses / der<br />

Bundeswehrkrankenhäuser enthält alle Maßnahmen, die die<br />

schnelle Anforderung und Bereitstellung von Transporthubschraubern<br />

ermöglichen.<br />

Bei Einsätzen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland werden<br />

die Transporte zu den jeweiligen Abflughäfen mit Kraftfahrzeugen,<br />

Eisenbahn oder Hubschrauber durch BMVg-InSan koordiniert.<br />

4.3.2 Sanitätsteileinheiten ohne Großgerät<br />

Der Transport von Teileinheiten ohne Großgerät erfolgt wie der der<br />

ärztlichen Einsatzgruppen im Hubschraubertransport. Bei Nutzung<br />

von Flugzeugen der Luftwaffe (C-160 TRANSALL/Luftfahrzeugen<br />

der Flugbereitschaft BMVg) ist der Straßentransport zum<br />

Abflug- und vom Ankunftsflugplatz sicherzustellen.<br />

4.3.3 Sanitätseinheiten, -teileinheiten mit Großgerät<br />

Die Sanitätseinheit, -teileinheit mit Fahrzeugen und Großgerät<br />

erreicht ihren Bestimmungsort in der Regel im Marsch mit<br />

Kraftfahrzeugen oder im Eisenbahntransport.<br />

Nur bei Verlegung über weite Strecken kommen der Luft- oder<br />

Schiffstransport in Betracht.<br />

5. Krankentransport / Materialtransport<br />

5.1 Kranken- und Verletztentransport<br />

Um die Überlebenschance der Patienten zu erhöhen, sind die<br />

Verkürzung der Transportzeit, die Qualität des Transportes und<br />

eine qualifizierte Transportbegleitung vom Ort der Erkrankung/<br />

Verletzung bis zur stationären Behandlung von entscheidender<br />

Bedeutung.<br />

333


Bei Schwerkranken/Schwerverletzten sind, wo immer möglich,<br />

Rettungshubschrauber zu nutzen (Standorte in der Bundesrepublik<br />

Deutschland siehe Anlage 4).<br />

Dabei sind folgende Möglichkeiten zu unterscheiden:<br />

– der Ersttransport (vergleiche: Primäreinsatz, Ziffer 2.4.)<br />

– der entlastende Folgetransport (vergleiche: Sekundäreinsatz,<br />

Ziffer 2.5.).<br />

5.2 Ersttransport<br />

Der Ersttransport ist in der Regel bei besonders schweren Unglücksfällen<br />

und im Rahmen der dringenden Nothilfe durchzuführen.<br />

Es werden dabei vorrangig diejenigen Erkrankten/Verletzten<br />

abtransportiert, die aufgrund ihres besonders gefährdeten Gesundheitszustandes<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit sterben würden,<br />

wenn sie nicht unmittelbar einer Intensivbehandlung oder<br />

Operation zugeführt werden. Sanitätsdienstliches Begleitpersonal<br />

ist soweit wie möglich heranzuziehen.<br />

Für diesen Zweck eignen sich besonders die Rettungshubschrauber<br />

der Rettungszentren (Anlage 4) und die SAR – Hubschrauber,<br />

die ständig in Bereitschaft stehen und infolge der guten<br />

Raumabdeckung jeden Punkt der Bundesrepublik in spätestens 1<br />

Stunde erreichen können. 4 militärische SAR – Hubschrauber sind<br />

in den zivilen Rettungsdienst integriert (Anlage 3). Zusätzliche<br />

Funkausrüstungen (4m-Band) ermöglichen eine direkte Zusammenarbeit<br />

zwischen SAR – Hubschraubern mit der Polizei und<br />

den Rettungsdiensten / -organisationen. Durch eingebaute Rettungswinden<br />

und Rettungsgerätesätze, die den jeweiligen<br />

Bedürfnissen angepasst werden, sind die SAR – Hubschrauber<br />

besonders für Seenotfälle, Bergunfälle und bei sonstigen komplizierten<br />

Unfällen geeignet, wenn in Ermangelung von Landemöglichkeiten<br />

das Retten/Bergen mittels Rettungswinde<br />

(Rettungsschlinge) durchgeführt werden muss. Hubschraubertransport<br />

ist grundsätzlich zunächst bei der für den jeweiligen<br />

Rettungsdienstbereich zuständige Rettungsleitstelle anzufordern.<br />

Diese veranlasst den Einsatz des nächstgelegenen einsatzbereiten<br />

Rettungshubschraubers des zivilen Luftrettungsdienstes.<br />

Sind diese Rettungshubschrauber nicht oder nicht rechtzeitig verfügbar,<br />

so fordert die Rettungsleitstelle den Einsatz von SAR –<br />

Hubschraubern bei einer der SAR Leitstellen der Bundeswehr an.<br />

Telefon – / Telefaxanschlüsse der SAR – Leitstellen<br />

Verbindung MÜNSTER GLÜCKSBURG<br />

Telefon (02 51) 13 57 57/58 (0 46 31) 60 13<br />

Bw-Vermittlung (02 51) 9 36 (0 46 31) 6 66<br />

- App 13 68 -App 4 75 / 4 76<br />

Telefax (02 51) 13 57 59 (0 46 31) 66 65 54<br />

334


Reichen die bereitgehaltenen Lufttransportmittel der SAR –<br />

Kommandos und Rettungszentren nicht aus, können zusätzliche<br />

Lufttransportmittel des Heeres, der Luftwaffe und der<br />

Marine über die SAR – Leitstellen angefordert werden. Eine<br />

besondere Rolle kommt bei Massenanfall von Verletzten/<br />

Kranken den mittleren Transporthubschraubern (MTH) CH 53 G<br />

mit einer Beladekapazität bis zu 24 liegenden Patienten zu, die<br />

zusätzlich zu den leichten Transporthubschraubern (LTH) Bell<br />

UH-1 D (Transportkapazität bis zu 6 liegende Patienten) einzusetzen<br />

sind. Bei Nachteinsätzen und Einsatz der mittleren<br />

Transporthubschrauber CH 53 G ist darauf zu achten, dass die<br />

aufnehmenden Krankenhäuser über geeignete Hubschrauberlandeplätze<br />

verfügen.<br />

Ein direkter Funkkontakt zwischen diesen Hubschraubern und<br />

den verschiedenen zivilen Rettungsorganisationen ist derzeit<br />

noch nicht möglich. Die Funkverbindung kann durch Abstellen<br />

eines entsprechenden Funktrupps der Bundeswehr zur<br />

Katastropheneinsatzleitung oder über Mobiltelefone sichergestellt<br />

werden.<br />

5.3 Entlastender Folgetransport<br />

Hubschrauber der Heeresfliegertruppe können vor allem den<br />

entlastenden Folgetransport durchführen. Sie konzentrieren<br />

sich dazu auf die Verletzten, die nach sanitätsdienstlicher<br />

Erstversorgung ohne akute Lebensgefahr auf weiter entfernt liegende<br />

Krankenhäuser verteilt werden müssen.<br />

Von den Verbänden der Heeresfliegerbrigade 3 werden im festgelegten<br />

allgemeinen Bereitschaftsdienst täglich von Sonnenaufgang<br />

bis Sonnenuntergang Hubschrauber wie folgt bereitgehalten:<br />

– 1 LTH Bell UH-1 D ITZEHOE Heeresfliegerregiment 6<br />

– 1 LTH Bell UH-1 D FASSBERG Heeresfliegerregiment 10<br />

– 1 LTH Bell UH-1 D NIEDERSTETTEN Heeresfliegerregiment 30<br />

– 1 MTH CH 53 G RHEINE-BENTLAGE Heeresfliegerregiment 15<br />

– 1 MTH CH 53 G LAUPHEIM Heeresfliegerregiment 25<br />

– 1 MTH CH 53 G MENDIG Heeresfliegerregiment 35<br />

Diese Hubschrauber können auch bei Katastrophen eingesetzt<br />

werden; Anforderungen sind an die SAR-Leitstellen zu richten.<br />

Die Anforderung von Luftfahrzeugen für alle nicht dringlichen<br />

Sekundäreinsätze (Inland/Ausland) für zusätzliche Krankentransporte<br />

hat über den Kommandoarzt des Lufttransportkommandos<br />

in MÜNSTER zu erfolgen.<br />

335


im Dienst Telefon 0251 / 936 App 2350 oder 2351<br />

Telefax 0251 / 936-2352<br />

nach Dienst Einsatzstabsoffizier im Gefechtsstand<br />

Telefon 0251 / 936 - 2213<br />

Telefax 0251 / 936 - 2228<br />

Der Abruf von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des BMVg<br />

erfolgt<br />

im Dienst über das Büro des zuständigen Staatssekretärs,<br />

Flugbereitschaft<br />

Telefon 0228 / 12 - 9109<br />

nach Dienst über das Führungszentrum der Bundeswehr<br />

Telefon 0228 / 12 - App 4911 oder 5500<br />

5.4 Transport Schwerbrandverletzter<br />

Wichtiger Hinweis!<br />

Der Transport von Schwerbrandverletzten muss innerhalb der<br />

ersten 24 Stunden nach der Verbrennung erfolgen. Ein Brandverletzter<br />

ist daher immer schnellstmöglich der für die Endbehandlung<br />

seiner Brandverletzung geeigneten Einrichtung zuzuführen.<br />

Siehe Fachdienstliche Anweisung Inspekteur des<br />

Sanitätsdienstes der Bundeswehr „Verfahren zur Einweisung<br />

von Schwerbrandverletzten in geeignete Krankenhäuser (FA<br />

Insp San K 15.01)“.<br />

Brandverletzte Soldaten sind, wenn immer möglich und vom ärztlichen<br />

Standpunkt vertretbar, in die Abteilung Unfallchirurgie /<br />

Verbrennungsmedizin des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz<br />

zu transportieren.<br />

Um Zeitverluste bei der Unterbringung Schwerbrandverletzter zu<br />

vermeiden und zur Verfügung stehende Behandlungskapazitäten<br />

optimal zu nutzen, wurde die Zentrale Anlaufstelle für die Vermittlung<br />

von Betten für Schwerbrandverletzte (Zentrale Anlaufstelle<br />

Schwerbrandverletzte) in HAMBURG geschaffen.<br />

Die Zentrale Anlaufstelle Schwerbrandverletzte ist ständig<br />

erreichbar.<br />

Telefon: (0 40) 428 51-39 98<br />

(0 40) 428 51-39 99<br />

Fax: (0 40) 428 51-4269<br />

Liste der beteiligten Krankenhäuser siehe Anlage 6.<br />

6. Sanitätsmaterial<br />

6.1 Materielle Ausstattung<br />

Hilfeleistungen durch die Bundeswehr umfassen auch den Einsatz<br />

und die Bereitstellung von Sanitätsmaterial. Dabei ist auf die STAN<br />

336


– Ausstattung eingesetzter Sanitätstruppenteile sowie auf die<br />

Einsatzvorräte an Einzelverbrauchsgütern (EVGSan) zurückzugreifen.<br />

Ärztliche Einsatzgruppen entnehmen ihre materielle Ausstattung<br />

den Beständen der abstellenden Bundeswehrkrankenhäuser.<br />

Eine besondere Vorratshaltung für Hilfseinsätze wird grundsätzlich<br />

nicht betrieben. Zusätzliche EVGSan werden im Bedarfsfall<br />

auf dem Versorgungsweg für Sanitätsmaterial nachgeschoben.<br />

Die Entscheidung zur Abgabe von Sanitätsmaterial über den<br />

Bedarf der eingesetzten Truppenteile der Bundeswehr hinaus<br />

bleibt BMVg-InSan II 5 vorbehalten. Ausgenommen hiervon ist<br />

das unter 6.2. und 6.3. genannte Material.<br />

6.2 Erste-Hilfe-Ausstattung, Brandwundenbehandlung<br />

für 2 Brandverletzte (Burn-Set)<br />

Die Ausstattung dient der Erstversorgung Brandverletzter. Sie<br />

ist Teil der STAN-Ausstattung der Bundeswehrkrankenhäuser<br />

und kommt im Bedarfsfall mit Notärzten, ärztlichen Einsatzgruppen<br />

oder sonstigem ärztlichen Personal der Krankenhäuser<br />

zum Einsatz.<br />

Das Bundeswehrzentralkrankenhaus KOBLENZ und die Bundeswehrkrankenhäuser<br />

BERLIN, HAMBURG und ULM verfügen<br />

über je vier solcher Erste-Hilfe-Ausstattungen, die anderen<br />

Bundeswehrkrankenhäuser (siehe Anlage 1) über je zwei.<br />

6.3 Notfallbehandlungseinheit, Sanitätsmaterial für Brandverwundete<br />

Dieser Satz dient der schnellen und gezielten Ergänzung der<br />

materiellen Ausstattung von Sanitätseinrichtungen bei Brandkatastrophen.<br />

Die Menge der Infusionslösungen ist so dimensioniert,<br />

dass 8 Brandverletzte über ca. 24 Stunden damit versorgt<br />

werden können.<br />

6.4 Notfallbehandlungseinheit, Sanitätsmaterial für Katastrophenschutz<br />

Der Satz enthält Sanitätsverbrauchsmaterial für die notfallmedizinische<br />

Erstversorgung, das bei Katastrophen erfahrungsgemäß<br />

in größerer Menge benötigt wird. Damit können vor Ort<br />

befindliche sanitätsdienstliche Kräfte bei Bedarf materiell unterstützt<br />

werden.<br />

6.5 Abruf, Bereitstellung und Transport der Notfallbehandlungseinheiten<br />

Die in Nr. 6.3 und 6.4 genannten Notfallbehandlungseinheiten<br />

dürfen im Frieden durch die regional zuständigen WBK/Div, das<br />

HFüKdo oder das SanABw, im Spannungs- und Verteidigungsfall<br />

durch HFüKdo, HUKdo, KorpsKdo, LwUstKdo, LwKdo<br />

337


Nord u. Süd, LSO West u. Ost der Marine oder SanABw abgerufen<br />

werden.<br />

Für den sofortigen Lufttransport werden bei den Heeresfliegerregimentern<br />

– 15 in RHEINE<br />

– 25 in LAUPHEIM<br />

– 35 in MENDIG<br />

je 1 Satz – luftverlastbar verpackt – bereitgehalten.<br />

Daneben bevorraten die Sanitätshauptdepots<br />

– BRAMSTEDTLUND<br />

– BLANKENBURG<br />

– EFRINGEN-KIRCHEN<br />

– EPE<br />

– LORCH<br />

– NEUGABLONZ<br />

– QUAKENBRÜCK<br />

je 2 Sätze Notfallbehandlungseinheit, Sanitätsmaterial für Brandverwundete<br />

und je 1 Satz Notfallbehandlungseinheit, Sanitätsmaterial<br />

für Katastropheneinsatz, die im Straßen- oder Lufttransport (auch als<br />

Außenlast) an den Einsatzort gebracht werden.<br />

6.6 Regelung der Sanitätsmaterialversorgung<br />

Die Versorgung eingesetzter Truppenteile mit Sanitätsmaterial<br />

wird durch den Befehl für die Regelung der Einsatzunterstützung<br />

geregelt.<br />

6.7 Verfahren bei Ausfuhr von Material ins Ausland<br />

Material, das nach dem Einsatz im Ausland nicht wieder eingeführt<br />

werden soll, ist in der Ladeliste Bw (LogFormBw 0193/82/F)<br />

zu kennzeichnen.<br />

Für Material, das wieder eingeführt werden soll, ist eine „Ein-<br />

/Ausfuhranmeldung“ (LogFormBw 2-7/68) zu erstellen.<br />

7. Führungsorganisation sanitätsdienstlicher Einsätze<br />

7.1 Grundsätze<br />

Bei Einsätzen für sanitätsdienstliche Hilfeleistungen der Bundeswehr,<br />

die in der Entscheidung des Bundesministers der<br />

Verteidigung liegen, werden Art, Stärke und Umfang der Kräfte<br />

im Koordinierungsstab für Einsatzaufgaben (KSEA) oder im<br />

Führungszentrum der Bundeswehr (FüZBw) in Abstimmung mit<br />

den zuständigen Führungsstäben der Teilstreitkräfte (FüTSK) /<br />

Organisationsbereichen (OrgBer) geplant und dem Minister zur<br />

Entscheidung vorgelegt. Ansprechstelle im BMVg für sanitäts-<br />

338


dienstliche Hilfeleistungen ist InSan II 1.<br />

Telefon: (02 28) 12 - 62 85 (RefLtr) Telefax: (02 28) 12-66 89<br />

12 - 65 36 12-18 39<br />

12 - 63 75<br />

12 - 63 97 (Geschäftszimmer)<br />

In der Regel wird bei Hilfeleistungen in Not- und Katastrophenfällen<br />

im Ausland die Steuerung der Durchführung einem<br />

Leitführungskommado übertragen. Sollte der Organisationsbereich<br />

des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr (OrgBer<br />

ZSanDBw) beauftragt werden, wird der Einsatz durch das Sanitätsamt<br />

der Bundeswehr geführt.<br />

Im Einsatzgebiet unterstehen alle sanitätsdienstlichen Kräfte<br />

dem nationalen Befehlshaber im Einsatzgebiet. Ist ein Leitender<br />

Sanitätsoffizier (LSO) im Einsatzgebiet befohlen, unterstehen die<br />

sanitätsdienstlichen Kräfte fachdienstlich diesem LSO.<br />

Sofern der LSO im Einsatzgebiet noch nicht bestimmt oder dort<br />

noch nicht eingetroffen ist, nimmt der dienstälteste Sanitätsoffizier<br />

vor Ort die Aufgaben des LSO im Einsatzgebiet wahr.<br />

7.2 Erkundungskommando (San)<br />

Zur Vorbereitung des sanitätsdienstlichen Einsatzes wird grundsätzlich<br />

ein Erkundungskommando (San) in Marsch gesetzt. Es<br />

stellt vor Ort die sanitätsdienstlichen Einsatzbedingungen fest<br />

und meldet das Erkundungsergebnis der beauftragten Kommandobehörde.<br />

Das Erkundungskommando (San) sollte von dem SanStOffz<br />

geführt werden, dem die Aufgaben des LSO im Einsatzgebiet<br />

übertragen werden sollen.<br />

Stärke und Ausstattung des Erkundungskommandos (San) hängen<br />

von den Voraussetzungen im Einsatzgebiet und davon ab,<br />

ob es vor Ort verbleibt oder zurückkehrt.<br />

7.3 Leitender Sanitätsoffizier im Einsatzgebiet<br />

Um bei Bedarf schnell einen Leitenden Sanitätsoffizier im<br />

Einsatzgebiet einteilen zu können, hält das Sanitätsamt der<br />

Bundeswehr in Abstimmung mit den Generalärzten/Admiralarzt<br />

der Teilsteitkräfte und BMVg – Abteilung PSZ IV 7 sowie Personalamt<br />

der Bundeswehr Abteilung IV alle als LSO in Betracht<br />

kommenden Sanitätsoffiziere und deren Erreichbarkeit in einer<br />

aktuellen Liste bereit.<br />

Aufgaben des LSO<br />

– Ermitteln des Bedarfs sanitätsdienstlicher Unterstützung im<br />

Einsatzgebiet in Abstimmung mit den Behörden des Einsatzlandes<br />

und den dort tätigen Hilfsorganisationen<br />

– Leiten des Sanitätsdienstes im Einsatzgebiet<br />

– Beraten des Führers im Einsatzgebiet und oder der örtlichen<br />

339


Einsatzleitung über Hilfsmöglichkeiten des deutschen Sanitätskontingents<br />

– Teilnahme an Lagebesprechungen, Berichte über den Sanitätsdienst<br />

an die Einsatzleitung<br />

– Herstellen und Halten der Verbindung mit dem Einsatzführer<br />

oder, sofern zugleich Führer der Kräfte im Einsatzraum, mit<br />

der befehlsgebenden Kommandobehörde<br />

– Absetzen von Meldungen gem. Melde- und Berichtwesen ab<br />

Eintreffen im Einsatzraum<br />

– Verbindung halten zur /zum deutschen Botschaft/Generalkonsulat<br />

im Aufenthaltsstaat (bei Auslandeinsätzen und wenn<br />

LSO zugleich nationaler Einsatzführer) und den im Einsatzland<br />

tätigen Hilfsorganisationen.<br />

8. Melde- und Berichtswesen<br />

Sanitätsdienstliche Meldungen geben dem Führungszentrum,<br />

der Inspektion des Sanitätsdienstes, den Führungsstäben der<br />

Teilstreitkräfte und ggf. anderen Abteilungen die fortlaufenden<br />

nötigen Informationen, die als Beitrag zur Feststellung und Beurteilung<br />

der Gesamtlage im Einsatzgebiet sowie zur Unterrichtung<br />

der politischen Leitung und der militärischen Führung<br />

erforderlich sind.<br />

8.1 Sanitätsdienstliche Meldungen<br />

Es werden folgende sanitätsdienstliche Meldungen unterschieden:<br />

– Sanitätslagemeldung<br />

Bei Beginn der Hilfsmaßnahme wird erstmals diese Meldung<br />

erstellt. Sie dient zur Unterrichtung der politischen Leitung<br />

und der militärischen Führung und muss als Entscheidungshilfe<br />

für den weiteren Einsatz verwendet werden können. Meldefolge<br />

ist wöchentlich; abweichend davon, wenn die Lageentwicklung<br />

es erfordert oder der Meldeempfänger eine<br />

Sanitätslagemeldung anfordert (Gliederung Anlage 11).<br />

– Sanitätssofortmeldung<br />

Die Sanitätssofortmeldung dient dazu, den Meldeempfänger<br />

über solche Ereignisse/Entwicklungen zu unterrichten, die<br />

+ der Leitung/militärischen Führung möglichst schnell zur<br />

Kenntnis gelangen müssen<br />

+ mit eigenen Kräften und Mitteln nicht beherrscht werden<br />

können<br />

+ vom Meldeempfänger sofortige Maßnahmen erfordern<br />

(Gliederung Anlage 12).<br />

– Sanitätsmeldung<br />

340


Sie dient der täglichen Unterrichtung der truppen- und fachdienstlichen<br />

Führung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr<br />

(Gliederung Anlage 13).<br />

8.2 Sanitätsdienstlicher Erfahrungsbericht<br />

Ein Erfahrungsbericht wird jeweils unmittelbar nach Abschluss<br />

des Einsatzes durch den LSO im Einsatzgebiet und durch den<br />

Führer des eingesetzten Sanitätstruppenteils erstellt. Die Auswertung<br />

der Erfahrungsberichte dient dazu, Fehler abzustellen, notwendige<br />

Materialergänzungen durchzuführen und die Erfahrungen<br />

zu nutzen, um künftige Hilfsmaßnahmen gezielter und<br />

wirkungsvoller durchführen zu können (Gliederung Anlage 14).<br />

9. Durchführung von Übungen und Großveranstaltungen<br />

Im Vorfeld von Übungen und Großveranstaltungen müssen klare<br />

Absprachen getroffen sowie eindeutige Aufgabenzuweisungen<br />

und Zuständigkeiten aller beteiligten Dienststellen überprüft und<br />

festgelegt werden.Um alle Sicherheitsmaßnahmen einschließlich<br />

Brandschutz, Rettungs- und Sanitätsdienst bei zivil-militärischen<br />

Veranstaltungen optimal koordinieren zu können, ist, wo<br />

immer möglich, eine gemeinsame Einsatzleitung einzurichten.<br />

Bei militärischen Großveranstaltungen (z. B. Flugveranstaltungen<br />

ZDv 44/31 „Sicherheitsbestimmungen für Flugveranstaltungen<br />

der Bundeswehr“, Tag der offenen Tür) sind der Katastrophenschutzstab<br />

des zuständigen Landkreises und die gesetzlichen<br />

Leistungsträger des Rettungsdienstes sowie Ärztekammern /<br />

Kassenärztliche Vereinigungen regelmäßig an den sanitätsdienstlichen<br />

Planungen und Vorbereitungen zu beteiligen.<br />

Bei Teilnahme an Übungen und Großveranstaltungen der<br />

Katastrophenschutzbehörden ist nach dem Erlass 82 „Förderung<br />

der Ausbildung der Truppe durch Übernahme von Arbeiten<br />

auf wirtschaftlichem Gebiet“ (VMBl 1988 S. 283 ff) zu verfahren.<br />

341


Anlage 1<br />

zu BMVg – InspSan/InSan II 1<br />

Az 13-29 vom 23.06.1999<br />

Telefon/ Fax-Verzeichnis der wichtigsten Ansprechstellen<br />

für Sanitätsdienstliche Hilfe bei Naturkatastrophen /<br />

schweren Unglücksfällen<br />

Dienststelle/Einrichtung Vorwahl Rufnummer Faxnummer<br />

Notruf 1 10<br />

Feuerwehr 1 12<br />

Rettungsleitstelle 1 92 22 und 112<br />

Zentrale Anlaufstelle (0 40) 28 82-39 98 24 86 56 47<br />

Schwerbrandverletzte (0 40) 28 82-39 98<br />

HAMBURG<br />

SAR-Leitstelle MÜNSTER (02 51) 13 57 57 13 57 59<br />

13 57 58<br />

Flugbereitschaft BMVg (02 28) 12-91 09 12-64 44<br />

Büro Staatssekretär 12-99 09<br />

BONN<br />

BMVg Führungszentrum (02 28) 12-49 11 12-66 36<br />

BONN 12-55 00<br />

BMVg InSan II 1BONN (02 28) 12-62 85 12-91 77<br />

12-65 36<br />

12-63 75<br />

Sanitätsamt der Bundeswehr (02 28) 9 42-28 93 9 42-24 06<br />

BONN nach Dienst 9 42-29 94<br />

9 42-26 01<br />

Sanitätsakademie der (0 89) 31 68-0 31 68-33 95<br />

Bundeswehr MÜNCHEN (0 89) 31 68-27 49 31 68-39 25<br />

-Institut für Radiobiologie (0 89) 31 68-5045 3 15-50 63<br />

-Institut für Pharmakologie<br />

u. Toxikologie<br />

Bundeswehrzentralkrankenhaus (02 61) 2 81-1 2 81-3 01<br />

KOBLENZ<br />

Bundeswehrkrankenhaus (0 96 21) 8 70-1 8 72 33<br />

AMBERG<br />

Bundeswehrkrankenhaus (0 30) 28 41-0 28 41 22 25<br />

BERLIN<br />

Bundeswehrkrankenhaus (0 44 03) 9 76-0 9 76-2 13<br />

BAD ZWISCHENAHN<br />

Bundeswehrkrankenhhaus (0 40) 69 47-0 69 47-29 30<br />

HAMBURG<br />

Bundeswehrkrankenhaus (0 23 81) 9 07-0 9 07-3 80<br />

HAMM<br />

Bundeswehrkrankenhaus (03 41) 5 28-0 5 28-11 03<br />

LEIPZIG<br />

342


Dienststelle/Einrichtung Vorwahl Rufnummer Faxnummer<br />

Bundeswehrkrankenhaus (07 31) 1 71-1 1 71-20 06<br />

ULM<br />

Wehrbereichsarzt WBK I KIEL (04 31) 3 84 0 3 84-64 91<br />

Wehrbereichsarzt WBK II (05 11) 67 98-0 67 98-5 09<br />

HANNOVER<br />

Wehrbereichsarzt WBK III (02 11) 6 19-1 6 19-24 32<br />

DÜSSELDORF<br />

Wehrbereichsarzt WBK IV (0 61 31) 56-1 56-33 09<br />

MAINZ<br />

Wehrbereichsarzt WBK V (0 75 71) 76-0 76-1508<br />

SIGMARINGEN<br />

Wehrbereichsarzt WBK VI (0 89) 31 68-0 31 68-33 73<br />

MÜNCHEN<br />

Wehrbereichsarzt WBK VII (03 41) 5 95-0 5 95-26 90<br />

LEIPZIG<br />

Sanitätsbrigade 1 LEER (04 91) 1 20 78 1 51 96<br />

gemischtes Lazarettregiment 11 (0 59 01) 6 11-614 79 18<br />

FÜRSTENAU<br />

gemischtes Lazarettregiment 12 (0 94 20) 3 12 15 48<br />

FELDKIRCHEN<br />

Sanitätsregiment 1 HILDESHEIM (0 51 21) 74 96-0 74 96-32 35<br />

Sanitätsregiment 5 RENNEROD (0 26 64) 5 02-3 5 02-4 62<br />

Sanitätsregiment 6 (0 48 21) 8 30-0 8 30-2 95<br />

BREITENBURG<br />

Sanitätsregiment 7 HAMM (0 23 81) 9 07-0 9 07-1 37<br />

Gebirgssanitätsregiment 8 (08 31) 57 19-0 57 19-3 79<br />

KEMPTEN<br />

Sanitätsregiment 10 HORB (0 74 51) 5 33-0 5 33-3 05<br />

Sanitätsregiment 13 HALLE (03 45) 55 57-0 55 57-3 38<br />

Luftlandesanitätskompanie 260 (0 68 81) 9 30-0 9 30-3 98<br />

LEBACH<br />

Luftlandesanitätskompanie 270 (0 44 51) 9 16-0 9 16-3 26<br />

VAREL<br />

2. (Sanitäts) Kompanie gem (04 91) 1 20 78 1 20 38<br />

LazRgt 11 LEER<br />

2. (Sanitäts) Kompanie gem (0 89) 31 68-0 31 68-36 75<br />

LazRgt 12 MÜNCHEN<br />

8. (Sanitäts) Kompanie (0 23 72) 9 05-0 9 05-4 42<br />

SanRgt 7 HEMER<br />

6. (Krankenkraftwagen) (0 23 72) 9 05-0 9 05-4 40<br />

Kompanie SanRgt 7 HEMER<br />

5. (Sanitätsmaterial) Kompanie (0 25 94) 9 69-0 9 69-6 64<br />

gem LazRgt 11 DÜLMEN<br />

5. (Sanitätsmaterial) (0 75 71) 76-0 76-20 40<br />

Kompanie gem LazRgt 12<br />

SIGMARINGEN<br />

5. (Sanitätsmaterial) Kompanie (03 97 79) 61-0 61-43 18<br />

gem LazRgt 13<br />

EGGESIN/KARPIN<br />

343


Dienststelle/Einrichtung Vorwahl Rufnummer Faxnummer<br />

Lufttransportkommando (02 51) 9 36-22 13 9 36-22 28<br />

MÜNSTER (02 51) 9 36-23 50 9 36-23 52<br />

– Einsatzstabsoffizier<br />

im Gefechtsstand<br />

– Kommandoarzt<br />

Flugbereitschaft BMVg (0 22 03) 6 02-48 55 69 97 84<br />

KÖLN-WAHN (0 22 03) 6 02-32-67<br />

– Einsatzstabsoffizier<br />

– Offizier vom Gefechtsstand<br />

Luftwaffensanitätsstaffel (0 22 03) 6 02-44 44 6 02-21 97<br />

KÖLN-WAHN (0 22 03) 6 02-35 84<br />

– Arzt vom Dienst (0 22 039) 6 02-48 80<br />

– Unteroffizier vom Dienst<br />

Geschäftszimmer<br />

Stabsfeldwebel<br />

344


Großschadensanlagen durch<br />

biologische Agenzien<br />

345


15. Großschadenslagen durch<br />

biologische Agenzien<br />

R. Fock<br />

Potenzielle Ursachen für Großschadensfälle durch biologische<br />

Agenzien sind (1) Naturkatastrophen, (2) Laborunfälle und Havarien<br />

– vor allem in der Trinkwasserversorgung und im Abwassersystem<br />

-, (3) Einsatz biologischer Agenzien zu kriminellen, terroristischen<br />

oder militärischen Zwecken und – nicht zuletzt – (4)<br />

eine natürlicherweise etwa alle 20 bis 40 Jahre auftretende<br />

Influenzapandemie.<br />

Problematische Seuchenlagen durch Naturereignisse dürften in<br />

Deutschland am ehesten als Folge von außerordentlichen Überschwemmungen<br />

bzw. Flutkatastrophen auftreten. In solchen<br />

Fällen muss grundsätzlich mit Ausbrüchen und lokalen Epidemien,<br />

ausgelöst durch fäkal-oral übertragbare Krankheitserreger<br />

wie Hepatitis A-Virus, Enteroviren, Rotaviren, Norwalk-Viren,<br />

Leptospiren, Salmonella typhimurium, S. typhi u. a. Salmonellen,<br />

Shigellen, pathogenen E. coli, u. a. auch als Folge von<br />

Havarien in Kläranlagen, gerechnet werden. Diese Erreger bzw.<br />

die durch sie verursachten Krankheiten stellen bei größeren<br />

Ausbrüchen hinsichtlich der zu ergreifenden Schutzmaßnahmen<br />

allerdings mehr ein quantitatives als ein qualitatives und vornehmlich<br />

auf das Gesundheitswesen begrenztes Problem dar<br />

und werden meist überschätzt. Katastrophenlagen durch natürliche<br />

Ereignisse erhöhen im Allgemeinen allenfalls das Risiko,<br />

dass die Inzidenz sporadischer Erkrankungsfälle – unterhalb der<br />

Schwelle zur Epidemie – ansteigt.<br />

Großschadenslagen in Folge von Laborunfällen oder durch den<br />

Einsatz biologischer Agenzien zu kriminellen oder terroristischen<br />

Zwecken sowie eine Influenzapandemie stellen im Vergleich<br />

dazu eine weitaus größere Herausforderung dar hinsichtlich<br />

der zu ergreifenden Schutzmaßnahmen sowohl für die<br />

Einsatzkräfte als auch für die Bevölkerung.<br />

Biologische Kampfstoffe<br />

Biologische Kampfmittel bestehen aus B-Kampfstoff (=biologisches<br />

Agens) und Einsatzmittel. Aus epidemiologischer Sicht<br />

lassen sich B-Kampfstoffe einteilen in Erreger ansteckender<br />

346


Krankheiten, Erreger nicht ansteckender Krankheiten und<br />

Toxine. Das Spektrum der potenziellen Auslöser biologischer<br />

Angriffe umfasst mehr als 70 natürlich vorkommende humanund<br />

tierpathogene Bakterien, Rickettsien, Chlamydien, Pilze<br />

und Viren sowie eine noch unbestimmte Zahl pflanzlicher,<br />

mikrobieller und tierischer Toxine. Darüber hinaus sind auch<br />

gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in Betracht zu ziehen.<br />

Aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des B-<br />

Waffen-Übereinkommens und der NATO kommen ca. 30 humanpathogene<br />

Krankheitserreger aus den Risikogruppen 3 und<br />

4 sowie hoch toxische, relativ leicht zu produzierende biologische<br />

Gifte in die engere Auswahl. Die Problematik der ätiologischen<br />

Aufklärung von B-Großschadenslagen resultiert nicht nur<br />

aus einer unbestimmten Zahl von denkbaren B-Szenarien (nach<br />

US-Schätzungen >1.600 militärische Optionen), sondern auch<br />

aus der Komplexität der zur Anwendung kommenden Agenzien<br />

(einzeln oder in Kombination mit weiteren Organismen, Toxinen,<br />

radioaktivem Material oder chemischen Noxen). Wie die Erfahrungen<br />

mit früheren kriminellen oder terroristischen Aktionen<br />

zeigen, muss neben der Anwendung „typischer“ B-Kampfstoffe<br />

auch mit dem Einsatz „konventioneller“ Erreger endemischer<br />

oder enzootischer Krankheiten gerechnet werden (z. B. Salmonella<br />

typhimurium durch die Rajneshee-Sekte in den USA 1987).<br />

Es erscheint sinnvoll, das Hauptaugenmerk hier zunächst auf<br />

die Agenzien zu richten, die bereits zur Anwendung kamen und<br />

munitioniert wurden und deshalb als sog. „Dirty Dozen“ bezeichnet<br />

werden: Anthrax, Brucellose, Pest, Pocken, Tularämie,<br />

Q-Fieber, Melioidose, Marburg-Virus-Krankheit, Venezolanische<br />

Pferdeenzephalitis (VEE). Toxine (Botulinum, Rizin, Staphylokokken-Enterotoxin<br />

B) sind, auch wenn sie durch biologische<br />

Verfahren gewonnen wurden, von ihrer Wirkungsweise – sie<br />

führen zu einer Vergiftung, nicht zu einer Infektionskrankheit –<br />

und der aus Sicht der Schadensbewältigung zu ergreifenden<br />

Maßnahmen eher den C-Kampfstoffen vergleichbar.<br />

B-Kampfstoffe können als Flüssigkeit (Suspension) oder als<br />

Trockensubstanz (z. B. gefriergetrocknet) freigesetzt werden.<br />

Als Einsatzmittel für B-Kampfstoffe kommen Raketen, Clusterbomben<br />

und Granaten in Frage, die bei ihrer Detonation den B-<br />

Kampfstoff in Aerosolform überführen und ggf. auch mechanische<br />

oder thermische Verletzungen setzen können. Weitere<br />

Einsatzmittel sind tragbare und mobile Sprühvorrichtungen oder<br />

Aerosolgeneratoren. Letztlich können auch Trinkwasserversorgungseinrichtungen,<br />

Vektoren (Insekten, Nagetiere) oder Briefund<br />

Paketsendungen als Einsatzmittel verwendet werden.<br />

347


Erkundung der Lagen<br />

Anders als bei Naturkatastrophen und Laborunfällen oder etwa<br />

einem Sprengstoff-Attentat ist bei einem bioterroristischen<br />

Anschlag der Zeitpunkt des Erkennens der Gefahrenlage nicht<br />

unbedingt identisch mit dem Ereigniszeitpunkt. B-Kampfstoffe<br />

sind lautlos und unsichtbar zu verbreiten, mit menschlichen<br />

Sinnessorganen nicht wahrnehmbar und derzeit mit Warnsystemen<br />

auch nicht nachweisbar. Die Wirkungen biologischer<br />

Kampfstoffe sind zudem natürlichen Infektionsgeschehen weitgehend<br />

ähnlich (sogenanntes Mimikry). Neben nachrichtendienstlichen<br />

oder kriminalistischen Hinweisen können aber<br />

infektionsepidemiologische Beobachtungen wie ein plötzliches,<br />

synchronisiertes Auftreten von uniformen, unspezifischen Allgemeinsymptomen,<br />

häufig mit nachfolgender pulmonaler<br />

Symptomatik, rascher Progredienz und verbunden mit einer<br />

hohen Morbidität und Letalität, einer auffälligen geographischen<br />

Verteilung, einer ungewöhnlichen Jahreszeit, das Fehlen typischer<br />

Vektoren/Reservoire bzw. natürlicher Ursachen oder ein<br />

Massensterben von Tieren Anlass geben, einen B-Terrorangriff<br />

zu vermuten. Die jeweiligen Inkubations- bzw. Latenzzeiten sind<br />

zu beachten. So ist mit dem Auftreten klinischer Symptome in<br />

Folge von Lungenpest oder Botulismus-, Rizin- oder Staphylokokken-Enterotoxin-B-Vergiftung<br />

bereits in den ersten Stunden<br />

bis zu fünf Tagen zu rechnen, bei Brucellose und Q-Fieber erst<br />

nach fünf bzw. zehn bis zu 90 Tagen. Drohende Sekundärinfektionen<br />

bei direkter Mensch-zu-Mensch-Übertragung infektiöser<br />

B-Kampfstoffe oder z. B. wochen- bis jahrzehntelange<br />

Persistenz des Erregers in der Umwelt bedingen unterschiedliche<br />

Maßnahmen.<br />

Bei biologischen Gefahrenlagen ist die Erkundung der Lage<br />

deshalb in besonderem Maße abhängig von dem Ausgangsszenarium:<br />

(1) Ist der Anschlag offensichtlich oder wurde der Anschlag, ggf.<br />

unter Angabe des verwendeten Agens, angekündigt oder liegt<br />

ein sog. Bekennerschreiben vor?<br />

(2) Handelt es sich um ein plötzlich auftretendes Krankheitsund<br />

Infektionsgeschehen, das aufgrund seines Ausmaßes, seiner<br />

Ungewöhnlichkeit oder anderer Umstände sofort als ein aus<br />

dem Rahmen fallendes, besondere Maßnahmen erforderndes<br />

Ereignis erkannt wird oder zumindest zu einem entsprechenden<br />

Verdacht führt? Oder:<br />

(3) Entwickelt sich die biologische Großschadenslage ohne<br />

erkennbares initiales Ereignis eher schleichend, „infiltrierend“,<br />

und ist als solche und möglicherweise auch als Infektionsge-<br />

348


schehen für einige Tage, Wochen oder sogar Monate nicht zu<br />

erkennen?<br />

Hieraus wird deutlich, dass wir sowohl eine kontinuierliche Überwachung<br />

des Infektionsgeschehens (Surveillance) benötigen als<br />

auch die personellen und institutionellen Voraussetzungen für<br />

eine gezielte Aufklärung eines verdächtigen Ereignisses im<br />

Bedarfsfall. Ist eine Früh- oder Echtzeit-Erkennung von B-Anschlägen<br />

nicht möglich, können anti-epidemische Maßnahmen<br />

nicht rechtzeitig ergriffen werden und sich ansteckende Krankheiten<br />

unter Umständen auch über ein weites Areal verbreiten.<br />

Surveillance<br />

Auf der Grundlage des <strong>neu</strong>en Infektionsschutzgesetzes (IfSG)<br />

verfügt Deutschland gegenwärtig über ein effizientes Instrument<br />

zur kontinuierlichen Überwachung, Beobachtung und Meldung<br />

in Deutschland üblicher und auch ungewöhnlicher Infektionskrankheiten.<br />

Durch Online-Vernetzung des Robert Koch-<br />

Institutes (RKI) mit den Landesgesundheitsbehörden und den<br />

rund 430 Gesundheitsämtern können die Meldungen jetzt zeitnah<br />

und in geographischer Zuordnung ausgewertet und Alarme<br />

beim Auftreten ungewöhnlicher Krankheitsausbrüche ausgelöst<br />

werden (24h-Rufbereitschaft am RKI). Außerdem können Task-<br />

Force-Teams für „Aufsuchende Epidemiologie“ für On-site-<br />

Untersuchungen in Amtshilfe zur Unterstützung der regionalen<br />

Gesundheitsbehörden bereitgestellt werden. Das RKI ist gleichzeitig<br />

im Early-Warning-System der Europäischen Union (EU)<br />

und in Programmen zur Surveillance bestimmter Infektionskrankheiten<br />

integriert. Zur Zeit besteht allerdings keine Möglichkeit,<br />

eine syndromorientierte Surveillance durchzuführen.<br />

Viel zu wenig beachtet und systematisch erforscht wurden bisher<br />

die Möglichkeiten zur Frühwarnung, die sich aus unverzüglichen<br />

Meldungen klinisch auffallender Beobachtungen im Rettungsdienst,<br />

bei der niedergelassenen Ärzteschaft und in der Krankenhausaufnahme<br />

ergeben könnten. Eine ungewöhnliche Häufung<br />

bestimmter (vergleiche oben!) Symptome oder Syndrome beim<br />

Krankentransport oder bei der Aufnahme in Kliniken könnte frühzeitig<br />

und bereits vor der infektionsepidemiologischen Surveillance<br />

Hinweise auf ein außergewöhnliches Infektionsgeschehen<br />

liefern. Voraussetzung dafür ist, dass Ärzteschaft und Rettungsdienst<br />

über das hierfür notwendige Fachwissen verfügen und<br />

entsprechend „sensibilisiert“ sind und einen kompetenten<br />

Ansprechpartner im Öffentlichen Gesundheitsdienst finden.<br />

349


Gezielte Aufklärung eines verdächtigen Ereignisses im<br />

Bedarfsfall<br />

Von den ABC-Schadenslagen sind die biologischen am schwierigsten<br />

zu erkunden. Während an zahlreichen Stellen mobile<br />

Messsysteme für nukleare Materialien und chemische Verbindungen<br />

vorgehalten werden, ist zur Analyse von biologischen<br />

Agenzien bisher nichts Praxiserprobtes vorhanden. Es fehlt ein<br />

Screening, um noch vor Ort die notwendige Entscheidungssicherheit<br />

für Maßnahmen zu gewinnen, die u. U. auch erhebliche<br />

Grundrechtseinschränkungen mit sich bringen, und um die<br />

Fehlbeanspruchung hochqualifizierter personal-, material- und<br />

zeitaufwendiger Laboruntersuchungen zu reduzieren. [Zu diesen<br />

Einschränkungen gehören nach dem IfSG: das Recht auf<br />

Körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG); Freiheit der<br />

Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG); Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1<br />

GG); Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG); Unverletzlichkeit der<br />

Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG); Brief- und Postgeheimnis (Art. 10<br />

GG); vergleiche unter Anti-epidemische Maßnahmen]. Klassifizierende<br />

Systeme wie das chemisch-biologische Massenspektrometer<br />

und identifizierende Methoden wie PCR- und<br />

immunologische Techniken müssen für diese Zwecke weiterentwickelt<br />

und aufeinander abgestimmt werden.<br />

Labordiagnostik<br />

Derzeit stehen für die Diagnostik von Krankheitserregern der<br />

Risikogruppe 4 zwei Einrichtungen in Hamburg bzw. Marburg<br />

zur Verfügung (Tab. 1). Ein drittes Labor soll in den nächsten<br />

Jahren am RKI in Berlin eingerichtet werden. Krankheitserreger<br />

der Risikogruppe 3 sowie Toxine können in zahlreichen anderen<br />

Einrichtungen diagnostiziert werden. Ansprechpartner für spezielle<br />

Fragen zur Aufklärung von Infektionskrankheiten und von<br />

Symptomkomplexen sind auch die Nationalen Referenzzentren<br />

und Konsiliarlaboratorien (http://www.rki.de/INFEKT/NRZ/NRZ<br />

2002.PDF).<br />

Selbstschutz<br />

Abgesehen von den durch kontaminierte Nahrungsmitteln und<br />

Trinkwasser ausgehenden Gefahren müssen in erster Linie<br />

Atemwege, Augen und Schleimhäute vor biologischen Agenzien<br />

geschützt werden. Für die Bevölkerung heißt dieses im Alarmfall:<br />

Menschenansammlungen zu vermeiden, Fenster und Türen<br />

350


zu verschließen (ggf. Klimaanlage abzuschalten) und im Hause<br />

zu verbleiben. Das Anlegen eines kleinen Vorrates an Lebensmittel-<br />

und Trinkwasservorräten kann unter diesem Gesichtspunkt<br />

durchaus sinnvoll sein. Eine Bevorratung von Antiinfektiva<br />

(etwas von Antibiotika zur Postexpositionsprophylaxe) durch<br />

Laien wird, unabhängig von der rechtlichen Problematik, da es<br />

sich um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt, derzeit<br />

von den meisten Fachleuten nicht befürwortet, da die möglichen<br />

Folgen eines unsachgemäßen Gebrauches höher bewertet<br />

werden als der zu erwartende Nutzen.<br />

Auch das Tragen von Ganzkörper-Schutzanzügen durch Laien<br />

kann nicht ohne weiteres empfohlen werden: wer einen Schutzanzug<br />

nach bereits erfolgter Exposition anlegt, erhöht die<br />

Infektionsgefahr, da er die Krankheitserreger dadurch um so<br />

fester an sich bindet. Partikeldichte Halbmasken zur Filterung<br />

der Atemluft (siehe auch weiter unten bei Einsatzkräfte) könnten<br />

einen (zusätzlichen) individuellen Schutz bieten, werden derzeit<br />

aber offiziell nicht empfohlen. Wichtig ist es aber, in diesem<br />

Zusammenhang an die allgemeine, altbekannte Hygiene zu erinnern:<br />

persönliche Sauberkeit, entsprechend häufiges und sorgfältiges<br />

Händewaschen mit Wasser und Seife, Nahrungsmittelhygiene<br />

(ggf. Nahrungsmittel ausreichend erhitzen!),<br />

Wäschehygiene, Bekämpfung von Ungeziefer, sachgemäße<br />

Abfallentsorgung u.s.w. Die Anwendung von speziellen Flächenund<br />

Instrumenten-Desinfektionsmitteln in Privathaushalten ist<br />

im allgemeinen nicht sinnvoll, die Verwendung von (milden)<br />

Händedesinfektionsmitteln mit nachfolgender Hautpflege dagegen<br />

schon. Auch das Tragen von Schutzhandschuhen kann für<br />

den Bürger im Einzelfall (z. B. bei Erhalt von Postsendungen<br />

ungewöhnlicher Herkunft) eine sinnvolle Vorbeugung sein. Es<br />

versteht sich von selbst, dass verdächtige Gegenstände bei<br />

entsprechender Gefahrenlage grundsätzlich nicht berührt, verdächtige<br />

Behältnisse (z. B. Briefe, Pakete) nicht geöffnet werden<br />

sollen (vergleiche http://www.rki.de/INFEKT/BIOTERROR/BT-<br />

VERDACHT.PDF und http://www.rki.de/INFEKT/BIOTERROR/<br />

POSTSTELLEN.PDF).<br />

Potenziellen Einsatzkräften und Ersthelfern kann, sofern diese<br />

über keine spezielle eigene Schutzausrüstung verfügen, zu<br />

relativ geringen Kosten die Anschaffung eines sog. „Infektionsschutz-Sets“<br />

angeraten werden, bestehend aus flüssigkeitsabweisendem<br />

Einmal-Overall, einer partikelfiltrierenden Halbmaske<br />

FFP 3 S, einer Arbeits-Schutzbrille, Schutzhandschuhen<br />

und einem Entsorgungsbeutel (siehe Tab. 2). Zu beachten ist,<br />

dass diese Ausrüstung einen guten Schutz in biologischen<br />

Gefahrenlagen, nicht aber vor chemischen Noxen bietet.<br />

351


Schadensbewältigung<br />

Im Gegensatz zu rein physikalisch-mechanischen Einwirkungen<br />

(wie z. B. Detonationen, Zug- oder Flugzeugunglücke etc.) und<br />

unvergleichlich mehr als durch chemische (z. B. Giftgas) oder<br />

nukleare Noxen (z. B. Havarie des Reaktors in Tschernobyl) verursachten<br />

Lagen besteht bei biologischen Agenzien die Gefahr<br />

der Sekundärkontamination bzw. -infektion und damit die Entwicklung<br />

eines sich vom eigentlichen Anschlag oder Unfall verselbständigenden<br />

Infektionsgeschehens. Neben und während<br />

der Krankenversorgung, der Bestattung der Verstorbenen und<br />

weiterer Maßnahmen für die unmittelbar Betroffenen muss deshalb<br />

der Kontrolle der Weiterverbreitung von Krankheitserregern<br />

Vorrang eingeräumt werden. – Die durch biologische Agenzien,<br />

die nicht direkt von Mensch-zu-Mensch übertragbar sind (wie<br />

insbesondere Toxine, z. B. Botulismus), ausgelösten Lagen sind<br />

hingegen aus Sicht der Schadensbewältigung und der zu treffenden<br />

Maßnahmen vergleichbar mit den durch chemische<br />

Noxen hervorgerufenen. (Empfehlungen des Robert Koch-<br />

Instituts zur Vorgehensweise bei Verdacht auf Kontamination<br />

mit gefährlichen Erregern (z. B. Verdacht auf bioterroristischen<br />

Anschlag) finden sich unter http://www.rki.de/INFEKT/<br />

BIOTERROR/BT-VERDACHT.PDF).<br />

Probennahme<br />

Zur Bestätigung eines mutmaßlichen biologischen Anschlages<br />

und zur Sicherung der Diagnose sowie zur Bestimmung der<br />

Erregereigenschaften (u. a. auch der Empfindlichkeit gegenüber<br />

Antiinfektiva) müssen geeignete Untersuchungsmaterialien<br />

sichergestellt werden. Hierzu gehören sowohl Umweltproben<br />

(wie z. B. Lebensmittel, Trinkwasser, Pulver aus einem Briefumschlag<br />

etc.) als auch Körperflüssigkeiten (Venenblut, Urin,<br />

Liquor, Punktate, Sekrete, Stuhl, Erbrochenes) sowie Nasenund<br />

Rachen-Abstriche. Auch an eine Biopsie von Tieren oder<br />

Tierkadavern sollte gedacht werden. Grundsätzlich sollten vier<br />

Teilmengen (Aliquote) einer jeden Probe gewonnen werden: eine<br />

für eine sofortige, orientierende Untersuchung mit einfachen<br />

Mitteln (z. B. Mikroskop oder Massenspektrometer), sowie drei<br />

weitere für weitergehende diagnostische Verfahren in hochspezialisierten<br />

Laboratorien (z. B. Elektronenmikroskopie, Kultur,<br />

Nukleinsäureanalyse, Serologie, Tierversuch). Die Probennahme<br />

muss vor der Dekontamination und vor einer antiinfektiösen<br />

Therapie erfolgen.<br />

352


Dekontamination<br />

Stellenwert und Durchführung einer Dekontamination in B-<br />

Lagen sind mit der in C-Lagen nur sehr bedingt vergleichbar.<br />

Die Einwirkungszeit biologischer Agenzien auf intakter Haut<br />

spielt in der Regel eine geringere Rolle als die chemischer Gifte<br />

und Kampfstoffe, der Einwirkungsdauer der Dekontaminationsmittel<br />

kommt bei biologischen Kampfstoffen hingegen größere<br />

Bedeutung zu. Entsprechend des Ergebnisses der zur Verfügung<br />

stehenden Zeit und der vorzunehmenden Sichtung (mit<br />

Inspektion und Anamneseerhebung) stehen an erster Stelle eine<br />

Reinigung des Gesichts und eine Reinigung und Desinfektion<br />

der Hände, an zweiter Stelle ein Wechsel der Oberbekleidung<br />

und der Schuhe mit anschließender Desinfektion derselben, an<br />

dritter Stelle die Ganzkörperdusche (mit oder ohne desinfizierende<br />

Mittel).<br />

Da die fachgerechte Dekontamination Exponierter und Verletzter<br />

einen relativ hohen Personalbedarf geschulter Einsatzkräfte<br />

erfordert, wird bei einem Massenanfall von Exponierten<br />

bzw. Verletzten kritisch zu prüfen sein, ob diese Maßnahme vordringlich<br />

bzw. tatsächlich notwendig ist, zumal bis zur Einsatzbereitschaft<br />

der Hilfskräfte und dem Aufbau eines Dekontaminationsplatzes<br />

mindestens 60 bis 120 Minuten vergehen.<br />

Andererseits ist die Dekontamination B-Exponierter wichtig, um<br />

die Kontamination der Körperoberflachen und ggf. Wunden zu<br />

verringern und eine weitere Verschleppung des Kampfstoffes<br />

(insbesondere in medizinische Versorgungsbereiche) zu verhindern.<br />

Händedesinfektion: Nach gründlichem Händewaschen (nicht<br />

Schrubben!) Desinfektion mit 0.2% Peressigsäure (z. B.<br />

0,5%ige Lösung von Wofasteril®), Einwirkzeit 2 x 1 Minute.<br />

Flächendesinfektion: 1%ige Peressigsäure (z. B. 2,5%ige Lösung<br />

von Wofasteril®). Einwirkzeit 30 Minuten oder 10%ige<br />

Formaldehydlösung (Einwirkzeit 2 Stunden; danach gut lüften).<br />

Die Sicherheitshinweise der Hersteller sind unbedingt zu beachten!<br />

Auch flüssigkeitsdichte Schutzkleidung kann mit einer<br />

1%iger Peressigsäurelösung dekontaminiert werden; eine Einwirkzeit<br />

von 5 Minuten führt zu einer hohen Keimreduktion, so<br />

dass das Ablegen der Schutzkleidung nur mit einem geringen<br />

Risiko verbunden ist.<br />

Wunden können mit 3%iger Wasserstoffperoxidlösung gespült<br />

werden.<br />

353


Postexpositionsprophylaxe<br />

Solange das biologische Agens unbekannt ist, wird eine kalkulierte<br />

postexpositionelle Prophylaxe (PEP) empfohlen, die möglichst<br />

viele Krankheitserreger erfassen sollte. Für Toxine und<br />

Viren – von einigen wenigen Ribavirin-empfindlichen Arten und<br />

z. B. der Influenza, für die Amantadin und die <strong>neu</strong> entwickelten<br />

Neuraminidase-Hemmer zur Verfügung stehen, abgesehen –<br />

sind derzeit noch keine ausreichend effektiven Mittel für die PEP<br />

verfügbar. Für Bakterien sollten oral applizierbare Antibiotika<br />

mit einem breiten Wirkungsspektrum und guter Verträglichkeit<br />

angewandt werden. Grundsätzlich sind mindestens zwei Stoffklassen<br />

einzusetzen, die bei evtl. Unverträglichkeit (z. B. Allergie,<br />

Schwangerschaft) ausgetauscht werden können. Um einer<br />

eventuell vorliegenden oder sich entwickelnden Resistenz zu<br />

begegnen, wird die Kombination eines Tetrazyklinpräparates<br />

(z. B. Doxycyclin 2 x 100 mg) mit einem Gyrasehemmer ab 3.<br />

Generation (z. B. Ciprofloxacin 2 x 500 mg oder Levofloxacin 1 x<br />

500 mg oder Moxyfloxacin 1 x 400 mg) empfohlen. Alternativ<br />

sind beim Vorliegen von Kontraindikationen, Unverträglichkeiten<br />

oder Allergien etc. folgende Monoprophylaxen anwendbar:<br />

Doxycyclin 2 x 100 mg, Gyrasehemmer (siehe oben), Clarithromycin<br />

2 x 500 mg oder Roxythromycin 3 x 300 mg/Tag.<br />

Krankenversorgung<br />

Die Versorgung der unmittelbar Betroffenen bzw. Exponierten<br />

umfasst die Sichtung, den Krankentransport, die ambulante und<br />

stationäre medikamentöse, die ärztliche und pflegerische Behandlung,<br />

die Postexpositionsprophylaxe sowie ggf. die Bestattung.<br />

Handelt es sich um biologische Agenzien der Risikogruppen<br />

4 oder 3, sind unter Umständen noch besondere<br />

Isolierungsbedingungen (Absonderung, Quarantäne) zu beachten.<br />

Für eine erste orientierende Hilfe wurde für die in der Notfallversorgung,<br />

im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz, wie<br />

auch für die in Klinikambulanzen, Arztpraxen und im öffentlichen<br />

Gesundheitswesen Tätigen ein Handbuch zur Diagnose und<br />

Therapie von Erkrankungen durch biologische Kampfstoffe aus<br />

dem Amerikanischen übersetzt und an die deutschen Gegebenheiten<br />

angepasst 1 . Es wird durch zweimal jährliche „Updates“<br />

1 Rega, P. Bio-Terry (Hrsg. der deutschen Ausgabe: Moecke, Hp., Finke, E.-J., Fleischer,<br />

K., Fock, R., Rechenbach, P., Schlögel, R.) Handbuch zur Diagnose und Therapie von<br />

Erkrankungen durch biologische Kampfstoffe. ABW Wissenschafts-Verlag Berlin. 2002<br />

354


jeweils dem <strong>neu</strong>esten Kenntnisstand angepasst. Aus dem<br />

Amerikanischen übersetzt und bearbeitet ist auch ein Handbuch<br />

für den Sanitätsdienst der US-Armee, das sog. „Blue Book“ des<br />

USAMRIID, deren Original (www.usamriid.army.mil/education/<br />

bluebook.html) und deutsche Fassung (www.lga-bw.de/bt/<br />

Bluebook.pdf) auch über das Internet verfügbar sind.<br />

Sofortmaßnahmen<br />

Die Erstversorgung vor Ort beinhaltet die üblichen Maßnahmen<br />

zur Kreislaufstabilisierung (ggf. Infusion über zentral-venösen<br />

Zugang) und Schockprophylaxe bzw. Schockbekämpfung,<br />

Unterstützung der Atmung (ggf. Intubation, Beatmung), Sedierung<br />

(bei Angstzuständen und Panikreaktionen), kalkulierte<br />

Verabreichung von Antibiotika. Diese Maßnahmen haben grundsätzlich<br />

Vorrang vor der Diagnostik oder einer Dekontamination.<br />

Krankentransport<br />

Der Transport von B-Kampfstoff-Exponierten kann nur nach<br />

erfolgter Dekontamination oder ggf. auch in ausschließlich für<br />

den Transport von nicht-dekontaminierten Personen bestimmten<br />

Fahrzeugen erfolgen. Priorität haben hier einfache Transportmittel<br />

(KTW u. ä.). Der Transport intensivpflichtiger infektiöser<br />

Patienten erscheint in der Phase der Erstversorgung beim<br />

Massenanfall von Patienten kaum realisierbar. Evakuierungsbzw.<br />

Transportprioritäten sind vorher festzulegen.<br />

Stationäre Krankenversorgung und Absonderung (Quarantäne)<br />

Handelt es sich um ansteckende Infektionskrankheiten, sind alle<br />

mutmaßlich ungeschützten B-Exponierten grundsätzlich als<br />

potentiell infiziert und somit als Ansteckungsverdächtige zu<br />

behandeln. Können Pest, Pocken und bestimmte virale hämorraghische<br />

Fieber (VHF) nicht ausgeschlossen werden, sind alle<br />

Ansteckungsverdächtigen abzusondern und medizinisch zu<br />

überwachen. Für die Behandlung einzelner schwerer Krankheitsfälle<br />

stehen spezielle Sonderisoliereinheiten in den Behandlungszentren<br />

in Hamburg, Berlin, Leipzig, Frankfurt a.M.,<br />

Würzburg, München und in Saarbrücken zur Verfügung (siehe<br />

Tab. 1).<br />

355


Bei einer größeren Zahl von Erkrankten sind behelfsmäßig<br />

Isolierstationen einzurichten. Die Unterbringung der Patienten<br />

selbst wäre in geräumten Krankenhausgebäuden und ggf. auch<br />

in Hilfskrankenhäusern („Behelfskrankenhäusern“, „Notkrankenhäusern“)<br />

möglich. Problematisch wäre jedoch, dass das für<br />

den Betrieb der Hilfskrankenhäuser notwendige Personal aus<br />

den umgebenden Krankenhäusern und aus dem niedergelassenen<br />

Bereich zusammengestellt werden müsste. Eine weitere<br />

Möglichkeit wäre die Versorgung in Sanatorien und Kurkliniken.<br />

Die notwendige personelle Aufstockung durch Fachpersonal<br />

würde die sonstige ambulante und stationäre Versorgung nicht<br />

ernsthaft gefährden. Die Nutzung abseits gelegener größerer<br />

Hotels und die Beschaffung eines zentral bereit gestellten<br />

Container-Krankenhauses mit entsprechender Ausstattung,<br />

Schleusen und Lüftungstechnik wären weitere Möglichkeiten.<br />

Den regionalen Gegebenheiten kommt hier die entscheidende<br />

Rolle zu. Mit Unterstützung der Kompetenzzentren und mit<br />

fachlicher Beratung und ggf. auch Konsiliardiensten vor Ort<br />

durch die Behandlungszentren sollte sich die stationäre Unterbringung<br />

und Versorgung in den einzelnen Regionen vorbereiten<br />

lassen. (Hinsichtlich der notwendigen Ausbildung des medizinischen<br />

Personals kommt dem in Zusammenarbeit mit dem<br />

Robert Koch-Institut an der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg<br />

[Prof. Dr. K. Fleischer] etablierten Trainingsprogramm zum<br />

Management von Patienten mit hochkontagiösen Erkrankungen<br />

eine hohe Bedeutung zu.)<br />

Seuchenhygienisches Management und antiepidemische<br />

Maßnahmen<br />

Entscheidend bei direkt von Mensch zu Mensch übertragbaren<br />

Krankheiten ist das adäquate Management der Exponierten und<br />

Kontaktpersonen durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst<br />

und die hierfür eingerichteten Kompetenzzentren. Zu diesem<br />

Management gehören insbesondere die Ermittlung, Klassifizierung<br />

und Beratung der Personen mit Risiko, die Festlegung und<br />

Koordination der notwendigen Maßnahmen (z. B. Dekontamination,<br />

Postexpositionsprophylaxe, Beobachtung, Absonderung)<br />

sowie die Koordinierung der Amtshilfe und die Risikokommunikation.<br />

Für die Akzeptanz dieser – im Infektionsschutzgesetz<br />

vom 20.7.2000 festgelegten – Maßnahmen seitens der Betroffenen,<br />

ihrer Darstellung in den Medien und für das Vertrauen der<br />

Bevölkerung in die Fachkompetenz der Behörden ist ein möglichst<br />

konsistentes Vorgehen in den 16 Bundesländern bzw. ca.<br />

430 Gesundheitsamtsbezirken und eine adäquate Risikokom-<br />

356


munikation erforderlich. Für diese Zwecke wurden von der zivilmilitärischen<br />

Bund-Länder-Fachgruppe Seuchenschutz folgende<br />

Hilfsmittel bzw. Formulare erarbeitet: Risikoeinteilung der<br />

Exponierten und Kontaktpersonen, Maßnahmenkataloge für die<br />

Angehörigen der verschiedenen Risikogruppen mit Empfehlungen<br />

zur Beobachtung, Absonderung, Isolierung, Tätigkeitsverboten,<br />

Postexpositionsprophylaxe etc., Aussteigekarte bzw.<br />

Verletztenanhänger mit persönlichen Angaben, Hinweisen zur<br />

Exposition (Anamnese) und zum weiteren Vorgehen nach entsprechender<br />

Sichtung. Diese Materialien können über das<br />

Internet heruntergeladen und ausgedruckt werden wie auch<br />

Leitlinien für zweckmäßige Vorgehensweisen und seuchenhygienisch<br />

erforderliche Sicherheitsmaßnahmen beim Krankentransport,<br />

der Patientenbehandlung und -pflege sowie bei der<br />

Bestattung an besonders kontagiösen und gefährlichen Infektionskrankheiten<br />

leidenden Patienten bzw. Verstorbenen.<br />

Bei Verdacht auf Vorliegen einer B-Schadenslage sind – auch<br />

unabhängig von den bestehenden gesetzlichen Meldepflichten<br />

– unbedingt die zuständigen Gesundheitsbehörden unverzüglich<br />

zu informieren und ggf. zur Abklärung des Sachverhaltes<br />

und zur Festlegung des weiteren Vorgehens sowie der<br />

notwendigen Schutzmaßnahmen hinzuziehen. Das Gesundheitsamt<br />

ist bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten<br />

ermächtigt, alle notwendigen Ermittlungen über Art, Ursache<br />

und Ansteckungsquelle bzw. Ausbreitung der Krankheit zu<br />

ermitteln (§ 25 IfSG). Die Betroffenen haben diese Ermittlungen<br />

zu dulden. Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige<br />

sowie Ausscheider können einer Beobachtung unterworfen<br />

werden (§ 29 IfSG) und ihnen kann die Ausübung einer<br />

bestimmten beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise untersagt<br />

werden (§ 31 IfSG). Für an Lungenpest oder an von Mensch zu<br />

Mensch übertragbarem hämorrhagischen Fieber erkrankte oder<br />

dessen verdächtige Personen ist eine Absonderung („Quarantäne“)<br />

vorgeschrieben (§ 30 IfSG). Als notwendige Schutzmaßnahmen<br />

können ausdrücklich auch Veranstaltungen oder sonstige<br />

Ansammlungen einer größeren Zahl von Menschen<br />

beschränkt oder verboten werden (§ 28 IfSG). Unerlässlich ist<br />

die Beratung der Betroffenen. – Da nicht in jedem Gesundheitsamt<br />

entsprechende Fachkompetenz für hochinfektiöse<br />

Krankheiten oder für bioterroristisch verwendete Erreger vorgehalten<br />

werden kann, sind in verschiedenen Regionen die Kompetenzzentren<br />

Infektionsschutz eingerichtet worden (Tab. 1).<br />

357


Tab. 1:<br />

358<br />

Gesetzliche Meldepflicht: zuständiges (örtliches) Gesundheitsamt<br />

Das örtliche, gemäß Infektionsschutzgesetz zuständige Gesundheitsamt muss immer verständigt werden!<br />

MANAGEMENT-BERATUNG: Kompetenzzentren Infektionsschutz1 :<br />

Frankfurt/M.: Kompetenzzentrum Hessen (ganztätig über Flugleitstelle Frankfurt am Main): (069) 44 10 33<br />

Hamburg: Fachstab Seuchenschutz (Alarmierung ganztägig über Bernhard-Nocht-Institut): (040) 42 81 80<br />

Leipzig: Kompetenzzentrum Sachsen (ganztätig über Quarantäne-Team Leipzig): (0170) 761 82 44<br />

Stuttgart: Kompetenzzentrum Baden-Württemberg im LGA Baden-Württemberg 8-16h2 : (0711) 1849-247<br />

München (städtisch:) Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt München (089)233-37660, -37570<br />

Robert Koch-Institut, Berlin: http://www.rki.de/INFEKT/ALARM/ALARM.HTM (01888) 754-0<br />

http://www.rki.de/GESUND/GESUND-BT.HTM<br />

BEHANDLUNG: Behandlungszentren/Sonderisoliereinheiten Infektiologie3 :<br />

Frankfurt/M.: Universitätsklinikum, Zentrum Innere Medizin, Abt. Infektiologie 24h: (069) 63 01-74 10, -7411<br />

Hamburg: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin 24h: (040) 42 81 80<br />

Berlin: Charite, Campus Virchow-Klinikum, Med. Klinik/Infektiologie 7-16h: (030) 450 55 30 52; ab 16h: (030) 450 50<br />

Leipzig: Städtisches Klinikum St. Georg, 2. Med. Klinik (0341) 909 40 05<br />

Würzburg4 : Missionsärztliche Klinik, Tropenmedizinische Abteilung 8-16h: (0931) 791-28 21; ab 16h:(0931) 791-0<br />

München Städtisches Krankenhaus München-Schwabing (089) 3068-2620<br />

Saarbrücken Klinikum Saarbrücken, Medizinische Klinik 24 h: (0681) 963-2525 oder -2316<br />

LABORDIAGNOSTIK: nächst gelegenes L3-Labor5 : ...........................................................................................................................<br />

Virale hämorrhagische Fieber (L4):<br />

Nationales Referenzzentrum für tropische Infektionserrreger u. Konsiliarlabor für importierte Virusinfektonen Bernhard-Nocht-Institut,<br />

Hamburg 24h: (040) 428 18-0 oder -240<br />

Ebola-, Marburg-Virus (L4):, Institut für Virologie, Univ. Marburg (06421) 286-6253 oder -6254<br />

Robert Koch-Institut Berlin (L3) 24h: (01888) 754-0


Pocken: Konsiliarlabor Elektronenmikropskopische Erregerdiagnostik am RKI, Berlin: (01888)754-2337 oder (030) 4547-4<br />

Konsiliarlabor für Poxviren, Institut für Med. Mikrobiologie, LMU München (089) 21 80-2594 oder 2180-2527<br />

Botulismus: Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit u. Verbraucherschutz, Erfurt (0361) 7409-10 oder 7409-110<br />

Pest: Konsiliarlabor für Yersinia pestis, Max von Pettenkofer-Institut, München (089) 5160-5201 oder (0171) 422 60 26<br />

Robert Koch-Institut, Wernigerode (03943) 679-206 oder 679-0<br />

Institut für Mikrobiologie, Sanitätsakademie der Bundeswehr, München (089) 3168-3277 oder 3168-2805<br />

Tularämie: Konsiliarlabor für Tularämie, Sanitätsakademie der Bundeswehr, München (089) 3168-3277 oder 3168-2805<br />

Influenza: NRZ für Influenza, Niedersächsischen Landesgesundheitsamt, Hannover (0511) 45 05-201<br />

NRZ für Influenza, Robert Koch-Institut, Berlin (01888) 754-24 56 oder -2464<br />

Liste aller Nationalen Referenzzentren und weiterer Konsiliarlaboratorien: http://www.rki.de/INFEKT/NRZ/NRZ2002.PDF<br />

PROBENVERSAND: Gefahrguttransportunternehmen (Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit):.......................................................<br />

Trans-o-flex, Abt. Gefahrgut, Zentralleitung Weinheim, http://www.trans-o-flex.de/index_ie.htm (06201) 988-0 oder 988-110<br />

World Courier Deutschland GmbH, http://www.worldcourier.de/german/offices/offices.htm# (030)243 14 20 (Berlin), (040) 511 12 22<br />

1 Die Organisation und Zusammensetzung der einzelnen Kompetenzzentren ist unterschiedlich (ÖGD, Intensivmedizin, Infektiologie, Tropenmedizin, Epidemiologie, Krankenhaushygiene,<br />

Rettungsdienst/Feuerwehr, Ordnungsbehörden/Polizei, Katastrophenschutz, z.T. auch Toxikologie u.s.w.). Nicht alle Bundesländer haben ein Kompetenzzentrum Infektionsschutz für<br />

lebensbedrohende hochkontagiöse Infektionskrankheiten und biologische Großschadenslagen bzw. Katastrophenfälle eingerichtet oder entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit<br />

dem Kompetenzzentrum eines benachbarten Bundeslandes getroffen. Primäre Partner der Kompetenzzentren sind die Behörden des ÖGD (zuständiges Gesundheitsamt) und ggf. andere<br />

Behörden bzw. Institutionen der Gefahrenabwehr. In der Regel sollte der Kontakt zu einem kooperierenden Kompetenzzentrum durch das zuständige Gesundheitsamt vermittelt werden.<br />

- Primäre Ansprechpartner des Robert Koch-Institutes sind die obersten Landesgesundheitsbehörden (§ 4 IfSG).<br />

2 außerhalb der Dienstzeiten über die örtlichen Gesundheitsämter (www.lga-bw.de/ifsg), bei deren Nichterreichbarkeit über die Polizeidienststellen erreichbar.<br />

3 Die Verlegung in ein Behandlungszentrum bzw. eine Sonderisoliereinheit sollte nur nach Rücksprache mit dem zuständigen Kompetenzzentrum bzw. mit dem aufnehmenden<br />

Krankenhaus erfolgen.<br />

4 Trainingszentrum mit Sonderisoliereinheit<br />

5 sollte rechtzeitig beim Gesundheitsamt oder den regional zuständigen Katastrophenschutzbehörden erfragt werden.<br />

359


Tab. 2:<br />

Schutzanzug<br />

INFEKTIONSSCHUTZ-SET<br />

Einmal-Overall mit Kapuze,<br />

flüssigkeitsabweisend<br />

- möglichst mit integriertem Füßling –<br />

1 Stück<br />

Kopfhaube - kann entfallen bei Overall-Kapuze - (1 Stück)<br />

Mund-Nasen-Schutz Partikelfiltrierende Halbmaske FFP3S/L/V<br />

EN 149 (mit oder ohne Ventil)<br />

1 Stück<br />

Arbeits-Schutzbrille Mit indirekter Belüftung und seitlichem<br />

Spritzschutz<br />

1 Stück<br />

Schutzhandschuhe Vinyl, extra lang,<br />

Dichtigkeit gemäß DIN EN 455-1<br />

2 Paar<br />

Schutzhandschuhe kurz, unsteril, zum schnellen Wechseln 1 Paket<br />

Überziehschuhe 2 Paar<br />

Entsorgungsbeutel Kennzeichnung: Abfallgruppe C<br />

(für die Schutzausrüstung)<br />

1 Stück<br />

Verpackung Folienschutzbeutel mit Snap-Verschluss 1 Stück<br />

360

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