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Der neue ETH-Erdbebensimulator - deNIS

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<strong>Der</strong> <strong>neue</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>Erdbebensimulator</strong>Hugo Bachmann, Thomas Wenk, Markus Baumann und Pierino Lestuzzi, ZŸrich<strong>Der</strong> kŸrzlich fertiggestellte <strong>Erdbebensimulator</strong> des Instituts fŸr Baustatik und Konstruktion(IBK) der <strong>ETH</strong> ZŸrich ist ein hochwertiges Instrument fŸr Forschung und Lehre in den stetswichtiger werdenden Gebieten Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen. In der Forschungkšnnen Tragwerksteile bis zu 6 m Hšhe und 40 Tonnen Masse realistischen Erdbeben ausgesetztund in der Lehre anspruchsvolle Begriffe und ZusammenhŠnge veranschaulicht unddemonstriert werden.Erdbebenrisiko unterschŠtztWeltweit und in der Schweiz wurde das Erdbebenrisiko bis vor kurzem stark unterschŠtzt. Heuteweiss man, dass mit enormen ErdbebenschŠden und -folgen gerechnet werden muss. GemŠss einerkŸrzlichen Studie des Bundesamtes fŸr Zivilschutz bewirkt die Erdbebengefahr das gršsste Naturgefahrenrisikoin der Schweiz [1] [2]. Bild 1 zeigt die Anteile der einzelnen Naturgefahren am gesamtengewichteten Risiko aus Naturgefahren [3]. Das gewichtete Risiko berŸcksichtigt eine stŠrkereGewichtung von Grossereignissen gegenŸber kleineren Ereignissen, weil seltene Ereignisse mit grossemSchadenausmass von der Gesellschaft wesentlich schlimmer beurteilt werden als hŠuÞge Ereignissemit kleinem Schadenausmass. Zudem bewirkt ein konzentriertes Grossereignis bezŸglichKatastrophenbewŠltigung sehr viel mehr Probleme als eine Summe von zeitlich und šrtlich verteiltenkleineren Ereignissen mit insgesamt gleichem Schadenausmass. Die vergleichende Betrachtung weistdas Erdbeben aus der Sicht der Katastrophenvorsorge als gršsstes gewichtetes Risiko verglichen mitden anderen Naturgefahren (Hochwasser, Gewitter, Sturm, Lawinen, KŠltewelle, Trockenheit usw.)aus. In Bild 1 sind nur Ereignisse bis zu einem Ausmass berŸcksichtigt, deren Folgen mit der normgemŠssenErdbebensicherung der Bauwerke stark verringert werden kšnnen. Werden zusŠtzlichextrem seltene Grossereignisse miteinbezogen, so erhšht sich der Anteil des Erdbebens auf gegen dieHŠlfte des gesamten gewichteten Risikos [1].Vermehrte Anstrengungen dringendVermehrte Anstrengungen, vor allem zur Erdbebensicherung von Bauwerken und Anlagen, sind dringenderforderlich [3]. Dabei geht es um Massnahmen auf zahlreichen Sachgebieten wie Schaffungvon Rechtsgrundlagen, Normenwesen, Erdbebensicherung <strong>neue</strong>r Bauwerke, Erdbebensanierungbestehender GebŠude, bestehender BrŸcken und historischer Bauten, Erdbebensicherung von nichttragendenBauteilen, von Installationen und Einrichtungen, von chemischen Anlagen, von Bauwerkenund Anlagen mit vitaler Funktion (Lifelines), von Talsperren, usw. Wichtige weitere Sachgebiete mit1


Handlungsbedarf sind die Forschung zum Erdbebenverhalten der Bauwerke und Anlagen und dieLehre bzw. die Ausbildung von Ingenieuren und Architekten.Die Forschung im Erdbebeningenieurwesen ist von wesentlicher Bedeutung. Sie hat vor allem Grundlagenund Erkenntnisse zu liefern, auch bezŸglich den in der Schweiz verwendeten Baustoffen undhier Ÿblichen Konstruktionsweisen. Und eine gute Ausbildung der Studierenden an den Hochschulen- wie auch die Fortbildung der praktisch tŠtigen Ingenieure und Architekten - ist wichtig fŸr dieReduktion des Erdbebenrisikos, auch durch die Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis.In beiden Bereichen, in der Forschung und in der Lehre des Erdbebeningenieurwesens, und auch inden zugehšrigen Grundlagengebieten der Baudynamik, sind grosse Anstrengungen erforderlich.Dabei dient der <strong>neue</strong> <strong>Erdbebensimulator</strong> der <strong>ETH</strong> ZŸrich als hochwertiges Arbeitsinstrument.Trockenheit/HitzeWaldbrandErdbebenKältewelleLawineBodenbewegungHochwasserSturmGewitterBild 1:Anteile der verschiedenen Naturgefahren am gesamten gewichteten Risiko in der Schweiz [1], [3]Experimentelle Forschung wozu?Die Forschung im Erdbebeningenieurwesen erfolgt entlang von zwei StrŠngen:1. Computer-Simulationen2. Experimentelle Untersuchungen- langsam ablaufend: statisch-zyklische Versuche- rasch ablaufend: dynamische VersucheEinerseits werden Computerprogramme entwickelt, welche die numerische Simulation des Erdbebenverhaltensganzer Bau- und Tragwerke erlauben (z.B. [4]). Andererseits werden experimentelleUntersuchungen durchgefŸhrt, meist an Tragwerksteilen und in einem Modellmasstab (z.B. [5]). Siedienen dazu, die Material- und Verhaltensgesetze der Baustoffe und Bauteile zu Þnden, mit denendann die Computerprogramme geeicht werden kšnnen. Bild 2 veranschaulicht das Zusammenwirkenvon Computer-Simulationen und experimentellen Untersuchungen mit der WirklichkeitBei den experimentellen Untersuchungen gibt es langsam ablaufende, statisch-zyklische Versucheund rasch ablaufende, dynamische Versuche. Beide haben ihre Vor- und Nachteile: Bei den statischzyklischenVersuchen werden die Erdbeben von ca. 10 bis 20 Sekunden Dauer zeitlich auf mehrereStunden oder Tage erstreckt und meist auch in eine Folge von Zyklen mit zunehmenden plastischenVerformungen schematisiert. Nach jedem Verformungs- oder Zeitschritt wird der Versuch angehalten,2


um im Stillstand prŠzise Messungen vornehmen zu kšnnen. Die Entwicklung des Verformungszustandesin den plastischen Bereichen kann somit genau beobachtet und vermessen werden. Da aberdie Beanspruchung nur sehr langsam verŠndert wird, kšnnen bestimmte, in Wirklichkeit vorhandeneEinߟsse, vor allem solche aus hšherer Dehngeschwindigkeit auf das Stoffverhalten, nicht erfasstwerden; auch treten PhŠnomene auf wie das Kriechen und die Relaxation der Baustoffe, die beimwirklichen Erdbeben keine Zeit haben, sich zu ereignen. Bei den dynamischen Versuchen hingegenlŠuft das Geschehen in Echtzeit ab (oder allenfalls mit relativ geringer Korrektur, resultierend aus demModellmasstab). Solche Versuche liegen nŠher bei der Wirklichkeit als die statisch-zyklischen Versuche;alles geht sehr rasch, und deshalb sind die Mšglichkeiten fŸr Beobachtungen und MessungenbeschrŠnkt. Ein Nachteil der dynamischen Versuche ist die erforderliche Modellierung der Massen,die bei realistischen Bauteilversuchen sehr aufwendig werden kann. Mit Hilfe eines kleineren Modellmasstabeskšnnen die benštigten Massen in Grenzen gehalten werden. Das zentrale Instrument fŸrrasche dynamische Versuche ist der <strong>Erdbebensimulator</strong>.WirklichkeitComputer-SimulationenExperimentelleUntersuchungenBild 2:Forschung im Erdbebeningenieurwesen: Zusammenwirken von Computer-Simulationen, experimentellen Untersuchungen und WirklichkeitKomponenten und Leistungsdaten<strong>Der</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>Erdbebensimulator</strong> ist ein sehr hochwertiges und anspruchsvolles System: Mechanik,Hydraulik, Elektronik, Messtechnik und Computer sind daran beteiligt und eng miteinander vernetzt.Er wurde weitgehend aus bereits am Institut vorhandenen Komponenten kostengŸnstig konstruiert.<strong>Der</strong> Kernbereich des Simulators besteht im wesentlichen aus den folgenden Komponenten (Bilder 5und 8):- beweglicher Tisch- Hydraulikzylinder mit Servoventilen und Pumpen- Reaktionsbock und Pufferelement- Steuerungselektronik<strong>Der</strong> bewegliche Tisch - auch ÒRŸtteltischÓ (shake table) genannt - ist auf ProÞlschienen mšglichst reibungsfreigefŸhrt. Die Schienen beÞnden sich auf einem im Aufspannboden verankerten massivenSockel. Die Bewegung ist horizontal und eindimensional. Die ProÞlschienenfŸhrungen kšnnensowohl Druck- wie auch ZugkrŠfte aufnehmen. <strong>Der</strong> Tisch ist 2 m lang (Bewegungsrichtung), 1 m breit3


und mit einem Lochraster zum Aufspannen von Versuchskšrpern versehen. Die bewegte Masse kannbis Ÿber 40 Tonnen betragen.<strong>Der</strong> hydrostatisch gelagerte, servohydraulisch gesteuerte Zylinder, mit beidseitig reibungsarmen undspielfreien GelenkanschlŸssen, kann KrŠfte bis 100 kN erzeugen. Die maximal mšglichen Verschiebungenaus der Ruhelage nach beiden Seiten hin betragen 125 mm. <strong>Der</strong> Frequenzbereich des Zylindersreicht von 0 bis ca. 100 Hz, ist aber sehr stark von der Amplitude der Bewegung, von derFšrderleistung der Hydraulikpumpen und der Durchßussleistung der Ventile und Zuleitungen abhŠngig.<strong>Der</strong> erforderliche …ldruck von 280 bar wird durch eine unter dem Aufspannboden eingebautePumpenanlage mit einer maximalen Fšrderleistung von 240 l/Minute erzeugt.Die KrŠfte des Zylinders werden einerseits auf den Tisch und andererseits auf den Reaktionsbock, derauf dem Aufspannboden Þxiert ist, abgegeben. Damit der Zylinder nicht mit voller Geschwindigkeitin seine Endlage gefahren werden kann, beÞndet sich auf der gegenŸberliegenden Seite des RŸtteltischesein speziell konstruiertes Pufferelement, das den Tisch Ÿber eine Strecke von ca. 1 cm und beieiner Maximalkraft von 400 kN vor der Endlage des Zylinders abbremst.Die Steuerungselektronik besteht aus einem adaptiven Digitalregler, dessen Optimierung automatischerfolgen kann. Zur Verbesserung der Genauigkeit der Bewegung ist neben einem einstellbaren mechanischenDŠmpfungsglied auch noch eine Differenzdruckregelung zuschaltbar. <strong>Der</strong> Sollwert der Steuergršssewird aus einer numerischen Tabelle in einen speziellen Funktionsgenerator eingelesen, derihn im zeitrichtigen Ablauf an den Regler abgibt. Dieser bildet mit dem Messwert der Zylinderverschiebungein Differenzsignal, das er in einen entsprechenden analogen Stromßuss zur Steuerung desServoventiles umwandelt.Erdbeben mit bestimmten Eigenschaften<strong>Der</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>Erdbebensimulator</strong> ist in der Lage, Erdbeben mit ganz bestimmten Eigenschaften zu simulieren.Im Idealfall sind die ZeitverlŠufe der Tischbewegungsgršssen (Tischverschiebung, Tischgeschwindigkeit,Tischbeschleunigung) genau gleich wie vorgegebene ZeitverlŠufe derBodenbewegungsgršssen. Wichtigste Zielgršsse ist im allgemeinen der Zeitverlauf der Bodenbeschleunigung.Es kšnnen sowohl natŸrliche, d.h. anlŠsslich eines Erdbebens gemessene, als auchnumerisch generierte ZeitverlŠufe verwendet werden. Letztere werden mit Hilfe von Zufallsprozessendurch Computerprogramme erzeugt (vgl. [4]).Bild 3 zeigt als Beispiel die ZeitverlŠufe der Verschiebung, Geschwindigkeit und Beschleunigungeines numerisch generierten Erdbebens von 14 Sekunden Dauer, das kompatibel zu einem gegebenenAntwortspektrum erzeugt worden ist. Bild 4 stellt ein Bemessungs-Antwortspektrum der BeschleunigungfŸr weiche Bšden in der Zone 3b auf der Grundlage der SIA-Norm 160 [6] dar (punktierteLinie). Da diese Norm fŸr weiche Bšden keine spektralen Angaben enthŠlt, wurde dieses Antwortspektrummit Hilfe des Eurocodes 8 (EC 8) [7] konstruiert. Das aus dem Zeitverlauf der Beschleunigungdes numerisch generierten Erdbebens berechnete Antwortspektrum (gestrichelte Linie) decktsich sehr gut mit dem SIA 160/EC 8-Antwortspektrum; dieses Erdbeben regt somit sŠmtliche Tragwerksfrequenzendem Bemessungs-Antwortspektrum entsprechend an.4


Verschiebung [m]0.100.050.00-0.05d min = -81.4 mmd max = 81.4 mm-0.100 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14Geschwindigkeit [m/s]0.200.100.00-0.10-0.20v min = -0.223 m/sv max = 0.188 m/s0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14Beschleunigung [m/s 2 ]1.5a max = 1.42 m/s 21.00.50.0-0.5-1.0a-1.5min = -1.57 m/s 20 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14Zeit [s]Bild 3:Numerisch generiertes Erdbeben entsprechend SIA 160 Zone 3b fŸr weiche BšdenS a [m/s 2 ]6543SIA160/EC8 weiche Bödennumerisch generiertes Beben (berechnet)Versuch WDH4 (gemessen/berechnet)2100.1 1Frequenz [Hz]10 100Bild 4:Antwortspektren der Beschleunigung fŸr 5% viskose DŠmpfungSimulatorverhaltenEs ist eine aussergewšhnlich anspruchsvolle Aufgabe, den Simulatortisch samt den darauf aufgebautenVersuchskšrpern und den mitbewegten grossen Massen so zu steuern, dass der am Tisch gemessenetatsŠchliche Beschleunigungs-Zeitverlauf genau einem vorgegebenen Beschleunigungs-Zeitverlauf entspricht. Diese Aufgabe ist bei plastischem und somit stark nichtlinearem Verhalten desVersuchskšrpers noch schwieriger zu lšsen als bei linearem Verhalten, bei dem der Versuch beliebigoft wiederholt und die Anregung verbessert werden kann. FŸr Versuche mit spektrumkompatiblenErdbeben genŸgt es jedoch, wenn sich das Antwortspektrum aus der gemessenen Tischbewegung immassgebenden Frequenzbereich mšglichst gut mit dem angestrebten Bemessungs-Antwortspektrum5


deckt. Gewisse ZufŠlligkeiten des Beschleunigungs-Zeitverlaufs des Erdbebens mŸssen nicht ganzgenau reproduziert werden. Wie man in Bild 4 sieht, ist die Steuerung im Falle der nachfolgendbeschriebenen Versuche mit der Wand WDH 4 im entscheidenden Frequenzbereich von 0.5 bis 5 Hzsehr gut gelungen (ausgezogene Linie). Erst oberhalb von etwa 12 Hz zeichnen sich Stšrungen ab, dievermutlich auf hochfrequente Schwingungen des mit grossen zeitlichen Druckgradienten arbeitendenHydraulikšls zurŸckzufŸhren sind. Das hervorragende Verhalten des Simulators kam zustande trotzder enormen RŸckkoppelungswirkungen der grossen MassenkrŠfte auf den Simulatortisch und trotzdes ausgeprŠgt plastischen Verhaltens der geprŸften Stahlbetontragwand. FŸr Versuche mit hšherenrelevanten Frequenzen, z. B. fŸr Komponenten und Einrichtungen, mŸsste die Steuerung durch eineBeschleunigungskorrektur im Regelkreis ergŠnzt werden, um die Stšrungen oberhalb 12 Hz zu unterdrŸcken.Stahlbetontragwand mit mitgefŸhrten StockwerksmassenBild 5 zeigt den <strong>ETH</strong>-<strong>Erdbebensimulator</strong> mit einer darauf befestigten Stahlbetontragwand und einerNebenkonstruktion von rund 6 m Hšhe. Die 3-stšckige Wand im Masstab 1:3 ist Ÿber GelenkstŠbeverbunden mit drei Stockwerksmassen aus je rund 12 Tonnen Stahlbarren, die auf horizontal rollendenWagen Þxiert sind. Die unseres Wissens hier erstmals realisierte Idee, massstabsgerechte Stockwerksmassenauf einer Nebenkonstruktion mitzufŸhren, entstand nach Vorversuchen, bei denen nurrelativ kleine Massen direkt auf einer Wand montiert werden konnten [5]. Wie Bild 6 zeigt, stammtdie Wand sozusagen aus der Wirklichkeit eines 3-stšckigen TragwandgebŠudes. Dieses besteht ausFlachdecken, dŸnnen SchwerelaststŸtzen (StŸtzen, die nur fŸr Schwerelasten bemessen sind jedochdie Erdbebenverformungen des GebŠudes ohne Verlust ihres Tragwiderstandes mitmachen sollen)und in beiden Richtungen je 2 Ÿber die ganze GebŠudehšhe laufenden schlanken StahlbetontragwŠnden.In Bild 6b sind die Decken-Einzugsgebiete einer Wand sowohl fŸr die Schwerelasten (relativkleine FlŠche) als auch fŸr die MassentrŠgheitskrŠfte bei horizontal eindimensionaler Erdbebenanregung(halbe Deckenߊche) angegeben. Die Schwerelasten auf die Wand werden im Versuch durchexterne Spannstangen und die MassentrŠgheitskrŠfte durch die Stockwerksmassen auf den erwŠhntenWagen erzeugt.Die 6 WŠnde einer soeben abgeschlossenen Versuchsserie wurden nach unterschiedlichen Verfahrenund Normen bemessen und mit verschiedenen Arten und StŠrken von Erdbeben geprŸft. Die WandWDH 4 wurde mit der Methode der KapazitŠtsbemessung fŸr den Plateauwert des AntwortspektrumsÒSIA 160/EC 8 weiche BšdenÓ (Bild 4) und die DuktilitŠtsklasse ÒMittlere DuktilitŠtÓ mit einer VerschiebeduktilitŠtµ ∆ = 3 bemessen. FŸr die vertikale Bewehrung der Wand wurde ein speziellerBewehrungsstahl mit guter DuktilitŠt verwendet. Mit einem Stahl hingegen, der nur gerade die Bedingungender SIA-Normen erfŸllt und somit eine ungenŸgende DuktilitŠt aufweist [8], wŠren die Ergebnissekatastrophal ausgefallen. Die Versuchswand hat sich bei mehreren Erdbeben hervorragendverhalten. Bild 7 zeigt als wichtigstes Ergebnis eines Versuches mit einem Erdbeben gemŠss Bild 3die Momenten-KrŸmmungs-Hysteresekurve im plastischen Bereich am Wandfuss. Die Kurven sindsehr stabil, sie zeigen praktisch keinen Abfall der Festigkeit (Tragwiderstand) und keine ŸbermŠssigeEinschnŸrung (Pinching). Es wurden KrŸmmungsduktilitŠten µ φvon bis zu 8 erreicht, ohne dass einBruch eintrat.6


Bild 5:<strong>Erdbebensimulator</strong> mit 3-stšckiger Stahlbetontragwand und 3 x 12 t Stockwerksmassen auf mitgefŸhrten Wagen (links)a) VersuchStahlbetontragwand imModellmassstab 1:3b) Wirklichkeit3-stöckiges Gebäude mitStahlbetontragwändenWandschlankheit: h w/l w = 4.5Bild 6:TragwandgebŠude als Modellversuch (a) und Wirklichkeit (b)Biegemoment am Wandfuss [kNm]150100500-50-100GemessenUmhŸllendeberechnet fŸr M y (µ ε =10)M y0.75 M yµ φ =-8 µ φ =-6 µ φ =-4 µ φ =-2µ φ =2 µ φ =4 µ φ =6 µ φ =-8-0.75 M y-150-50 -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 50Zug auf Massenseite-3 -1KrŸmmung am Wandfuss [10 m ]Zug auf Zylinderseite-M yWand WDH4Bild 7:Momenten-KrŸmmungs-Hysterese am Fuss der Wand WDH47


Einsatz in der Lehre<strong>Der</strong> <strong>Erdbebensimulator</strong> dient aber nicht nur der Forschung, sondern er leistet auch in der Lehre hervorragendeDienste zur Vermittlung von grundlegenden Begriffen und ZusammenhŠngen. In der Baudynamikkšnnen anspruchsvolle theoretische Begriffe viel besser verstanden werden, wenn sieanlŠsslich von Demonstrationen mšglichst anschaulich gemacht werden. Von grosser Bedeutung istdas Antwortspektrum. FŸr ein gegebenes Erdbeben beschreibt das Antwortspektrum die Maximalantworteines Einmassenschwingers mit bestimmter DŠmpfung in Funktion seiner Frequenz. Es gibt Verschiebungs-,Geschwindigkeits- und Beschleunigungs-Antwortspektren. Das Anwortspektrum (nichtzu verwechseln mit Fourieramplitudenspektrum, Leistungsspektrum, usw.) ist ein grundlegendes undvielseitig verwendetes ÒWerkzeugÓ in der Baudynamik und im Erdbebeningenieurwesen. Am InstitutfŸr Baustatik und Konstruktion (IBK) wurde vermutlich erstmals die Idee und eine entsprechendeAnlage entwickelt, um Antwortspektren auf experimentelle Weise zu ermitteln und dies anschaulichdemonstrieren und simultan auswerten zu kšnnen. Das ist ein hervorragendes Beispiel fŸr den Einsatzdes <strong>Erdbebensimulator</strong>s in der Lehre.Experimentell erzeugtes AntwortspektrumDie Bilder 8 und 9 zeigen vier auf dem <strong>Erdbebensimulator</strong> aufgebaute Einmassenschwinger mitEigenfrequenzen von 1 Hz, 2 Hz, 3 Hz und 5 Hz. Die Schwinger, bestehend aus je einem Stab undeiner mšglichst konzentrierten Masse aus Stahl, sind alle 1 m hoch, damit ihr stark unterschiedlichesdynamisches Verhalten gut beobachtet werden kann. Besondere Probleme stellten sich bei der Entwicklungeiner DŠmpfungseinrichtung: Wie kann eine viskose, d. h. geschwindigkeitsproportionaleDŠmpfungskraft entsprechend einem DŠmpfungsmass ζ von z.B. 2%, 5% oder 10% experimentellrealisiert werden? Denn fŸr die Ermittlung von Anwortspektren wird Ÿblicherweise eine viskose,DŠmpfung vorausgesetzt. Zahlreiche Ideen fŸr mechanische Einrichtungen wurden ausprobiert, dieaber alle nicht zum Erfolg fŸhrten. Schliesslich gelang es mit einer elektrischen Einrichtung (Wirbelstrombremse)eine praktisch vollkommene geschwindigkeitsproportionale DŠmpfung der Einmassenschwingerzu erzeugen [9]. In Bild 10 ist als ausgezogene Linie das Antwortspektrum derBeschleunigung gezeichnet, welches aus dem am Simulatortisch gemessenen Zeitverlauf der ErdbebenbeschleunigungfŸr ein DŠmpfungsmass ζ von 2% berechnet wurde. Die eingezeichneten Sternemarkieren die an den vier Einmassenschwingern mit einer elektrisch erzeugten DŠmpfung von 2%experimentell bestimmten MaximalausschlŠge. Die experimentellen und die theoretisch-numerischenWerte zeigen eine erstaunliche gute †bereinstimmung.8


1 Hz 2 Hz 3 Hz 5 HzWirbelstrombremseKupferblechBeschleunigungsgeberWeggeber1.00 mSpulen mitMagnet<strong>ETH</strong> <strong>Erdbebensimulator</strong>AnregungBild 8:Schnitt und Ansicht des <strong>Erdbebensimulator</strong>s mit vier Einmassenschwingern und elektrischer DŠmpfungseinrichtungBild 9:<strong>Erdbebensimulator</strong> mit vier Einmassenschwingern (Mitte), Messeinrichtung (rechts) und elektrischer DŠmpfungseinrichtung (links)Beschleunigung [m/s ]29.08.0Theoretisch-numerisch aus Zeitverlauf der Tischbewegung7.0Experimentellζ = 2%6.05.04.03.02.01.00.00.1 1.0 10.0 100.0Frequenz [Hz]Bild 10:Vergleich des experimentell erzeugten Antwortspektrums (4 Punkte) mit den berechneten Werten (ausgezogene Linie)9


FolgerungenMit dem <strong>neue</strong>n <strong>Erdbebensimulator</strong> des Instituts fŸr Baustatik und Konstruktion (IBK) der <strong>ETH</strong> ZŸrichkšnnen anspruchsvolle dynamische Forschungsversuche an grossen Tragwerksteilen mit linearemoder auch ausgeprŠgt nichtlinearem plastischem Verhalten durchgefŸhrt werden. <strong>Der</strong> Simulator dientaber auch in der Lehre zur Vermittlung und Demonstration anspruchsvoller Begriffe und ZusammenhŠngeder Baudynamik. <strong>Der</strong> <strong>Erdbebensimulator</strong> ist daher ein hochwertiges Instrument fŸr Forschungund Lehre in den stets wichtiger werdenden Gebieten Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen.VerdankungenDie Verfasser danken der Schulleitung der <strong>ETH</strong> ZŸrich, der ÒStiftung fŸr systematische wissenschaftlicheForschung auf dem Gebiet des Beton- und StahlbetonbausÓ, des Vereins SchweizerischerZement-, Kalk- und Gipsfabrikanten (VSZKGF) und der ÒKommission fŸr Technologie und Innovationdes BundesÓ (KTI) fŸr die UnterstŸtzung bei der Entwicklung des <strong>Erdbebensimulator</strong>s und derdamit ermšglichten Forschungsarbeiten und Demonstrationen.10


Literatur[1] Katastrophen und Notlagen in der Schweiz, eine vergleichende †bersicht (KATANOS).Bundesamt fŸr Zivilschutz, Bern, 1995.[2] Peter T. et al.: Erdbeben - das gršsste Naturgefahrenrisiko in der Schweiz. In SGEB/SIA-DokumentationD0145. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, ZŸrich, 1997.[3] Bachmann H. et al.: Handlungsbedarf von Behšrden, Hochschulen, Industrie und Privaten zurErdbebensicherung der Bauwerke in der Schweiz. SGEB/SIA-Dokumentation D0150,Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, ZŸrich, 1998.[4] Wenk T., Bachmann H.: Nichtlineare dynamische Berechnung von BalkenbrŸcken unter Erdbebeneinwirkung.Institut fŸr Baustatik und Konstruktion (IBK), <strong>ETH</strong> ZŸrich, Bericht Nr. 212,BirkhŠuser Verlag Basel, Boston, Berlin, 1995.[5] Dazio A., Wenk T., Bachmann H.:Vorversuche an einer Stahlbetontragwand auf dem <strong>ETH</strong>-RŸtteltisch.Vorversuche an StahlbetontragwŠnden unter statisch-zyklischer Einwirkung.Institut fŸr Baustatik und Konstruktion (IBK), <strong>ETH</strong> ZŸrich, Berichte Nr. 213 und 214, BirkhŠuserVerlag Basel, Boston, Berlin, 1995.[6] SIA 160: Einwirkungen auf Tragwerke. Norm SIA 160, Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein,ZŸrich, 1989.[7] Eurocode 8 (EC 8): Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben. Norm SIA V 160.801,Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, ZŸrich, 1997.[8] Bachmann H., Wenk T.: UngenŸgende DuktilitŠt beim Bewehrungsstahl. SI + A, Schweizer Ingenieurund Architekt, Heft 29, Juli 1998, ZŸrich, 1998.[9] Riemer H.: Experimentelle Ermittlung eines Antwortspektrums. Vertieferarbeit am Institut fŸrBaustatik und Konstruktion (IBK), <strong>ETH</strong> ZŸrich, 1995.11


English Summary:The New <strong>ETH</strong> Earthquake SimulatorThe Institute of Structural Engineering of the Swiss Federal Institute of Technology (<strong>ETH</strong>) in Zurichhas a recently constructed, new Earthquake Simulator, or shake table, as a tool for research andteaching. The <strong>ETH</strong> shake table operates in one horizontal direction. The surface of the table on whichtest specimens are attached measures 2 m long by 1 m wide. Research applications on the dynamicbehavior of reinforced concrete structural walls have been performed, and six wall tests were successfullycompleted. The wall specimens were scaled at 1:3, thereby representing the structural walls ofa three-story building. To simulate the story masses, a separate test set-up with three horizontallymoveable carts was devised. Each cart was loaded with 12 t of steel bars and coupled to the wallspecimen. For teaching purposes, the earthquake simulator has been used to visualize basic aspects ofstructural dynamics such as the response spectrum of a ground motion. To demonstrate this representation,four single degree of freedom systems with identical height but with different eigenfrequencieswere set up in a row on the shake table. Damping forces proportional to velocity (viscous damping)were achieved with special electric devices. The maximum responses during the experiment representthe shape of the spectrum.RŽsumŽ:Le nouveau simulateur de séismes de l’EPFZUn simulateur de sŽismes a ŽtŽ rŽcemment construit ˆ lÕInstitut de Statique et Structures de lÕEcolePolytechnique FŽdŽrale de Zurich (EPFZ). Il constitue un outil prŽcieux pour la recherche et lÕenseignement.Les mouvements de la table vibrante sont horizontaux et unidimensionnels. La table mesure2m de long et 1m de large. Dans le cadre dÕun projet de recherche concernant le comportementdynamique de structures porteuses en bŽton armŽ, le simulateur a ŽtŽ utilisŽ pour tester six paroisporteuses en bŽton armŽ. Les parois modŽlisent ˆ lÕŽchelle 1:3, un des refend dÕun b‰timent de troisŽtages. En se dŽpla ant, la paroi entra”ne ˆ chaque Žtage une masse de 12 t. Les masses sont constituŽesde barres dÕacier fixŽes ˆ des chariots roulant sur une construction auxiliaire. Dans le cadre delÕenseignement, le simulateur a permis la visualisation dÕaspects fondamentaux de la dynamique desstructures, comme le spectre de rŽponse de lÕaccŽlŽration du sol. Quatre oscillateurs simples de m mehauteur mais de frŽquences propres diffŽrentes ont ŽtŽ fixŽs ˆ la table vibrante. Les forces dÕamortissementproportionnelles ˆ la vitesse (amortissement visqueux) ont ŽtŽ appliquŽes au moyen dÕunappareillage Žlectrique spŽcial. Les rŽponses maximales des oscillateurs observŽes lors de lÕessaireprŽsentent alors la forme du spectre.12

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