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Nationales Krisenmanagement im ... - deNIS - Bund.de

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Band 1<br />

<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

Praxis <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

1


2<br />

Impressum<br />

<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

© <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)<br />

Provinzialstraße 93, 53127 Bonn<br />

Telefon: +49-(0)22899-550-0<br />

Telefax: +49-(0)22899-550-1620<br />

E-Mail: poststelle@bbk.bund.<strong>de</strong><br />

URL: www.bbk.bund.<strong>de</strong><br />

ISBN: 3-939347-12-4<br />

ISBN: 978-3-939347-12-5<br />

Urheberrechte:<br />

Der vorliegen<strong>de</strong> Band stellt die Meinung <strong>de</strong>r Autoren dar und spiegelt nicht<br />

grundsätzlich die Meinung <strong>de</strong>s Herausgebers.<br />

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.<br />

Eine Vervielfältigung dieses Werkes o<strong>de</strong>r von Teilen dieses Werkes ist<br />

nur in <strong>de</strong>n Grenzen <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n Urheberrechtsgesetzes erlaubt.<br />

Zitate sind bei vollständigem Quellenverweis jedoch ausdrücklich erwünscht.<br />

Grafische Gestaltung:<br />

Anna Müller, www.<strong>de</strong>signflavour.<strong>de</strong>, Hennef<br />

Druck:<br />

Werbedruck GmbH Horst Schreckhase, www.schreckhase.<strong>de</strong>, Spangenberg<br />

Auflage:<br />

10.2008 / 8.000


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Christoph Unger<br />

Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe<br />

<strong>de</strong>r vor Ihnen liegen<strong>de</strong> erste Band <strong>de</strong>r Veröffentlichungsreihe<br />

„Praxis <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz“ <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

ist aus <strong>de</strong>r Intention heraus entstan<strong>de</strong>n,<br />

die vielfältigen Erfahrungen und Erkenntnisse, die in<br />

<strong>de</strong>n letzten Jahren auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz gewonnen wor<strong>de</strong>n<br />

sind, einem breiteren Fachpublikum vorzustellen.<br />

Die Publikation will über <strong>de</strong>n Stand und die absehbaren<br />

Entwicklungen auf diesem wichtigen Gebiet<br />

<strong>de</strong>r Krisenvorsorge und -bewältigung informieren<br />

und zum Nach<strong>de</strong>nken anregen. Ihr Titel „<strong>Nationales</strong><br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz“ steht<br />

für die Schwerpunktsetzung <strong>de</strong>r Beiträge: Sie behan<strong>de</strong>ln<br />

hauptsächlich Aspekte <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

<strong>de</strong>r „strategischen Ebene“ – <strong>de</strong>r Ebene also, auf <strong>de</strong>r<br />

län<strong>de</strong>r- und bereichsübergreifend die Gefahrenabwehrpotentiale<br />

<strong>de</strong>s Staates zu einem funktionsfähigen<br />

Hilfeleistungssystem zusammengeführt wer<strong>de</strong>n<br />

müssen.<br />

Die Sammlung von 32 Aufsätzen spiegelt die Komplexität<br />

<strong>de</strong>s Themas aus unterschiedlichsten Perspektiven<br />

wi<strong>de</strong>r. In <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Kapiteln wer<strong>de</strong>n<br />

die Grundlagen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s <strong>im</strong> fö<strong>de</strong>ralen<br />

System <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik aus <strong>de</strong>r Sicht von<br />

<strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn behan<strong>de</strong>lt. Dabei wird <strong>de</strong>utlich,<br />

dass <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong> trotz eher begrenzter Kompetenz <strong>im</strong><br />

Bevölkerungsschutz <strong>de</strong>nnoch eine wichtige Rolle<br />

spielt, wenn es darum geht, in län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n,<br />

national be<strong>de</strong>utsamen Gefahrenlagen alle verfügbaren<br />

Kräfte und Mittel zu bün<strong>de</strong>ln. Das ist vor<br />

allem bei <strong>de</strong>r Bewältigung großflächiger Gefahrenlagen<br />

erfor<strong>de</strong>rlich, die schnelle Entscheidungen und<br />

Prioritätensetzungen, vor allem be<strong>im</strong> Einsatz von<br />

Mangelressourcen, verlangen. Es muss jedoch betont<br />

wer<strong>de</strong>n, dass nach <strong>de</strong>r fö<strong>de</strong>ralen Ordnung unseres<br />

Grundgesetzes die Zuständigkeit für die allgemeine<br />

Gefahrenabwehr <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz bei <strong>de</strong>n<br />

<strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>rn liegt. Alle sechzehn Län<strong>de</strong>r haben inzwischen<br />

min<strong>de</strong>stens einmal an einer LÜKEX-Übung<br />

teilgenommen; stellvertretend für sie bringen drei von<br />

ihnen – Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Hamburg und Sachsen-<br />

Anhalt – wertvolle Erfahrungen für das Verständnis<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz in<br />

die Publikation ein. Dabei wird auch <strong>de</strong>utlich, dass<br />

bei gleicher Zielsetzung durchaus unterschiedliche<br />

Strukturen und Verfahren angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können,<br />

abgest<strong>im</strong>mt auf die jeweilige Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>s.<br />

Die Ebene <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n und Ämter, <strong>de</strong>r Organisationen<br />

und Unternehmenspartner aus <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />

ist Gegenstand <strong>de</strong>s dritten Kapitels. Auf dieser Ebene<br />

muss <strong>Krisenmanagement</strong> die Entscheidungen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r in gemeinsamer Anstrengung<br />

aller Partner in einem bun<strong>de</strong>sweiten „Netzwerk“ in<br />

die Praxis umsetzen. Das <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe hat nach seinem<br />

Aufgabenverständnis als zentraler Partner für die Behör<strong>de</strong>n<br />

aller Verwaltungsebenen sowie die <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

mitwirken<strong>de</strong>n Organisationen und<br />

Institutionen dabei eine beson<strong>de</strong>re Rolle. Das schlägt<br />

sich naturgemäß in <strong>de</strong>r Zahl und Art <strong>de</strong>r Beiträge nie<strong>de</strong>r.<br />

Breiter Raum ist dabei u.a. <strong>de</strong>m wichtigen Gebiet<br />

<strong>de</strong>s Schutzes kritischer Infrastrukturen gewidmet, zu<br />

<strong>de</strong>m auch vier bun<strong>de</strong>sweit agieren<strong>de</strong> Unternehmen<br />

ihre <strong>Krisenmanagement</strong>-Philosophien vorstellen.<br />

1


2<br />

Beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung für die Entwicklung <strong>de</strong>s strategischen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s hat die <strong>Krisenmanagement</strong>übung<br />

LÜKEX, bei <strong>de</strong>r län<strong>de</strong>r- und ressortübergreifend<br />

das Zusammenwirken zwischen <strong>Bund</strong>,<br />

Län<strong>de</strong>rn und Privatwirtschaft anhand unterschiedlicher<br />

Szenarien geübt wird. Den Erfahrungen aus<br />

dieser Übungsserie – vor allem aus LÜKEX 2007,<br />

<strong>de</strong>r dritten Übung dieser Art – ist das abschließen<strong>de</strong><br />

vierte Kapitel <strong>de</strong>r Publikation gewidmet. LÜKEX ist<br />

das größte Übungsprojekt <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />

Bevölkerungsschutzes mit übergreifen<strong>de</strong>r strategischer<br />

Zielsetzung, <strong>de</strong>ssen Zweck es u.a. ist, das Bewusstsein<br />

für die Notwendigkeit gemeinschaftlichen<br />

Han<strong>de</strong>lns zu schärfen. Denn die Zusammenarbeit in<br />

außergewöhnlichen Scha<strong>de</strong>nslagen auf strategischer<br />

Ebene kann und darf nicht erst <strong>im</strong> Ereignisfall beginnen,<br />

sie muss auf ein eingespieltes Netzwerk zurückgreifen<br />

und auf erprobten, belastbaren Strukturen<br />

und Verfahren aufbauen können. LÜKEX leistet<br />

dazu einen wichtigen Beitrag, die Erkenntnisse aus<br />

<strong>de</strong>r Übungsserie geben wichtige Impulse für die zukünftige<br />

Entwicklung.<br />

Dank gilt <strong>de</strong>n Autoren, die in ihren engagierten Namensbeiträgen<br />

die vielfältigen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

aufzeigen, <strong>de</strong>nen sich mo<strong>de</strong>rne Industriegesellschaften<br />

wie Deutschland stellen müssen. Die Beiträge<br />

zeigen die Fortschritte, die be<strong>im</strong> nationalen strategischen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz in<br />

<strong>de</strong>n letzten Jahren gemacht wor<strong>de</strong>n sind. Sie weisen<br />

zugleich <strong>de</strong>n Weg, <strong>de</strong>r in einem Kernbereich staatlicher<br />

und gesellschaftlicher Vorsorge – <strong>de</strong>r Sicherheit<br />

<strong>de</strong>r Bürgerinnen und Bürger – noch zu gehen ist. Die<br />

Publikation will <strong>de</strong>shalb auch Sie, liebe Leserinnen<br />

und Leser, dafür gewinnen, mit Ihren Erfahrungen in<br />

Ihrem Verantwortungsbereich Ihren Beitrag auf diesem<br />

Weg zu leisten.<br />

Christoph Unger<br />

Präsi<strong>de</strong>nt<br />

<strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und<br />

Katastrophenhilfe


<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

Inhalt<br />

1<br />

I. Kapitel<br />

7<br />

9<br />

14<br />

18<br />

22<br />

28<br />

32<br />

38<br />

45<br />

49<br />

Editorial<br />

Christoph Unger<br />

<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz: Grundlagen,<br />

Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es, internationale Aspekte<br />

<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>: Konzentration komplexer Fähigkeiten<br />

auf eine strategische Zielsetzung<br />

Dr. Manfred Schmidt<br />

Die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es <strong>im</strong> nationalen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

René Du Bois<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> bei kerntechnischen und radiologischen Ereignissen –<br />

die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministeriums für Umwelt und Strahlenschutz<br />

Wolfgang Renneberg<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministeriums für Verkehr,<br />

Bau und Stadtentwicklung<br />

Robert Scholl<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Ernährungsbereich – wesentliche Komponente <strong>de</strong>r<br />

Daseinsvorsorge in einer Krise<br />

Dr. Dieter Schnei<strong>de</strong>r<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Gesundheitswesens<br />

Dr. Johannes Blasius / Dr. Gesa Lücking LL.M.<br />

Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>r Zivil-Militärischen Zusammenarbeit: Das neue „Territoriale<br />

Netzwerk“ <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr<br />

Frank Baumgard<br />

Die Polizei <strong>im</strong> gesamtstaatlichen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Klaus Neidhardt / Ulrich Sei<strong>de</strong>l<br />

Krisen und Katastrophen außerhalb Deutschlands: Das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

<strong>im</strong> Auswärtigen Amt<br />

Klaus Streicher<br />

Europäische Union und strategischer Bevölkerungsschutz<br />

Norbert Reez<br />

3


4<br />

II. Kapitel<br />

61<br />

66<br />

70<br />

III. Kapitel<br />

77<br />

85<br />

89<br />

94<br />

100<br />

103<br />

110<br />

113<br />

118<br />

<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz: Grundlagen und<br />

Zuständigkeiten aus Sicht <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r<br />

Ein Rä<strong>de</strong>rwerk starker Partner: <strong>Krisenmanagement</strong> in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

Reinhard Klee<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt aus Sicht <strong>de</strong>r<br />

Gesundheitsvorsorge<br />

Dr. Gerlin<strong>de</strong> Kuppe<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>de</strong>r Freien und Hansestadt Hamburg: Die Elbe ruft<br />

Holger Poser / Thomas Melchert<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz:<br />

Ein gesamtgesellschaftliches Netzwerk<br />

Die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

<strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Christoph Unger<br />

Fachkonzeption <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

– wichtiger Aspekt <strong>de</strong>r Vorsorge <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Dr. Karsten Michael<br />

Der Schutz Kritischer Infrastrukturen – Gemeinschaftsaufgabe von Staat<br />

und Wirtschaft <strong>im</strong> Rahmen einer gesamtstaatlichen Notfallvorsorge<br />

Dr. Wolfram Geier<br />

Psychosoziales Krisen- und Katastrophenmanagement<br />

Dr. Jutta Helmerichs<br />

Das Einsatzpotential <strong>de</strong>s Technischen Hilfswerks für Katastrophenhilfe und<br />

<strong>Krisenmanagement</strong><br />

Katrin Klüber<br />

Die Hilfsorganisationen als Partner <strong>de</strong>s Staates. Ein Plädoyer für ihre Unverzichtbarkeit<br />

zum Wohl <strong>de</strong>r Bürger aus Sicht <strong>de</strong>s Malteser Hilfsdienstes<br />

Benedikt Lieflän<strong>de</strong>r<br />

IT - basierte Entscheidungsunterstützung <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

Hans-Gerrit Möws<br />

Der Schutz nationaler Informationsinfrastrukturen<br />

Stefan Ritter<br />

Der Beitrag <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bund</strong>esbank zum Nationalen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

Karsten Salzburg


121<br />

124<br />

127<br />

IV. Kapitel<br />

131<br />

139<br />

145<br />

154<br />

157<br />

167<br />

172<br />

179<br />

183<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>planung <strong>de</strong>r Deutsche Bahn AG<br />

Burkhard Arnold<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong>system <strong>de</strong>r EnBw Energie Ba<strong>de</strong>n-Württemberg AG<br />

Dr.-Ing. Wolf-Dieter Erhard<br />

Pan<strong>de</strong>mie – eine globale Herausfor<strong>de</strong>rung.<br />

Erfahrungen <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Unternehmens IBM<br />

Lars Gielg<br />

Das System LÜKEX: Strategisches Forum <strong>de</strong>s nationalen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

Das System LÜKEX als Motor <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s strategischen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

Manfred Klink / Tanja Thie<strong>de</strong><br />

<strong>Krisenmanagement</strong> ist Chefsache.<br />

Sechs Grundregeln für Krisenmanager<br />

Dietrich Läpke<br />

Die strategische Be<strong>de</strong>utung von Krisenkommunikation<br />

Werner Baach / Ralf Burmeister<br />

Sozialwissenschaftliche Aspekte <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

in Übung und Einsatz<br />

Prof. Dr. Wolf R. Dombrowsky / Dipl. Psych. Horst Schuh<br />

LÜKEX 2007: Wichtige Erkenntnisse für strategisches <strong>Krisenmanagement</strong><br />

und nationale Pan<strong>de</strong>mieplanung<br />

Botho von Schrenk / Wolfgang Grambs<br />

Informationstechnologie <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>.<br />

Der Einsatz von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> IIplus bei LÜKEX 2007<br />

Bernhard Corr<br />

Zukunftsperspektiven <strong>de</strong>s nationalen <strong>Krisenmanagement</strong>s <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

Wolfgang Grambs / Tanja Thie<strong>de</strong><br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

Bildnachweis<br />

5


8<br />

I. Kapitel<br />

<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz:<br />

Grundlagen, Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es,<br />

internationale Aspekte<br />

„Die Bürgerinnen und Bürger vor Gefahren<br />

zu schützen und für ihre Sicherheit Sorge<br />

zu tragen, ist eine <strong>de</strong>r wichtigsten Aufgaben<br />

<strong>de</strong>s Staates.“<br />

Dr. Manfred Schmidt, Leiter <strong>de</strong>r Abteilung <strong>Krisenmanagement</strong><br />

und Bevölkerungsschutz <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern


<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>: Konzentration<br />

komplexer Fähigkeiten auf eine strategische<br />

Zielsetzung<br />

Dr. Manfred Schmidt<br />

Die Bürgerinnen und Bürger vor Gefahren zu schützen<br />

und für ihre Sicherheit Sorge zu tragen, ist eine<br />

<strong>de</strong>r wichtigsten Aufgaben <strong>de</strong>s Staates. Auch wenn<br />

nach <strong>de</strong>r fö<strong>de</strong>ralen Ordnung unseres Grundgesetzes<br />

die allgemeine Gefahrenabwehr Sache <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r ist<br />

und <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz eine eher begrenzte<br />

Kompetenz hat, trägt er <strong>de</strong>nnoch große Verantwortung<br />

be<strong>im</strong> strategischen <strong>Krisenmanagement</strong>.<br />

Durch sein Engagement sollen in län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n<br />

nationalen Gefahrenlagen die staatlichen und<br />

gesellschaftlichen Ressourcen opt<strong>im</strong>al zur Krisenbewältigung<br />

zusammengeführt und eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Mit <strong>de</strong>r Einrichtung <strong>de</strong>r Abteilung „<strong>Krisenmanagement</strong><br />

und Bevölkerungsschutz“ <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esministerium<br />

<strong>de</strong>s Innern wird das strategische <strong>Krisenmanagement</strong><br />

innerhalb <strong>de</strong>s Hauses BMI nunmehr auch<br />

organisatorisch als notwendiger Pfeiler einer mo<strong>de</strong>rnen<br />

Sicherheitsarchitektur hervorgehoben. In meiner<br />

Abteilung sind daher eine Vielzahl verschie<strong>de</strong>nster<br />

Aufgaben <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s und <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes<br />

konzentriert. Das betrifft nicht nur das<br />

Koordinierungszentrum <strong>Krisenmanagement</strong> und das<br />

Lagezentrum <strong>de</strong>s BMI, son<strong>de</strong>rn auch die Fachaufsicht<br />

über <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und<br />

Katastrophenhilfe (BBK) und Technisches Hilfswerk<br />

(THW) sowie die Koordination <strong>de</strong>s Schutzes Kritischer<br />

Infrastrukturen.<br />

In vielfältigen Gremien werbe ich dafür, ein einheitliches<br />

Verständnis für die Bewältigung national be<strong>de</strong>utsamer<br />

Lagen zu entwickeln. <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r<br />

haben sich in verschie<strong>de</strong>nen Fachgremien auf ebenenübergreifen<strong>de</strong><br />

Verfahren einer Krisenbewältigung<br />

verständigt. Ich erinnere an die „Neue Strategie zum<br />

Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung“, die von <strong>de</strong>r Innenministerkonferenz<br />

beschlossen wur<strong>de</strong>. Im Ressortkreis <strong>Nationales</strong><br />

<strong>Krisenmanagement</strong> fin<strong>de</strong>t die Abst<strong>im</strong>mung<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esressorts zu Strukturen, Verfahren und<br />

Ministerialdirektor<br />

Dr. Manfred Schmidt, Leiter<br />

<strong>de</strong>r Abteilung „<strong>Krisenmanagement</strong><br />

und Bevölkerungsschutz“<br />

<strong>im</strong> BMI<br />

benötigten Fähigkeiten statt. Im strategischen Beirat<br />

für <strong>de</strong>n Zivil- und Katastrophenschutz wer<strong>de</strong>n durch<br />

das BMI die Hilfsorganisationen und <strong>de</strong>r Deutsche<br />

Feuerwehrverband in die strategischen-operativen<br />

Überlegungen <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r zur Reorganisation<br />

<strong>de</strong>r nationalen Notfallvorsorgesysteme<br />

eingebun<strong>de</strong>n. Über die Schutzkommission be<strong>im</strong><br />

<strong>Bund</strong>esminister <strong>de</strong>s Innern und die Einbindung in<br />

eine Reihe von Forschungsprojekten stellen wir eine<br />

enge Verbindung mit <strong>de</strong>r Wissenschaft sicher. Durch<br />

gemeinsame Aktivitäten zum Schutz kritischer Infrastrukturen<br />

und die Einbeziehung in ressort- und<br />

län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>übungen soll<br />

ein gemeinsames Verständnis und eine Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Zusammenarbeit zur Krisenbewältigung erreicht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>s staatlichen Krisen-<br />

managements ermöglicht die Konzentrati-<br />

on komplexer Fähigkeiten auf eine strate-<br />

gische Zielsetzung und die synergetische<br />

Ergänzung <strong>im</strong> Han<strong>de</strong>ln.<br />

Flexible Handlungsfähigkeit, unabhängig von einem<br />

konkreten Szenario, soll das opt<strong>im</strong>ierte <strong>Krisenmanagement</strong><br />

kennzeichnen. Nur so ist es möglich, <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n<br />

und künftigen Herausfor<strong>de</strong>rungen gerecht<br />

zu wer<strong>de</strong>n.<br />

7


8<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren wur<strong>de</strong>n neue Formen und Zentren<br />

<strong>de</strong>r Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong> und<br />

<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn entwickelt, die sicherstellen, dass wir <strong>im</strong><br />

Rahmen unserer fö<strong>de</strong>ralen Struktur noch flexibeler<br />

agieren können. So wird u.a. <strong>im</strong> Marit<strong>im</strong>en Sicherheitszentrum,<br />

<strong>im</strong> Gemeinsamen Lagezentrum von<br />

<strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s BBK, <strong>im</strong> Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum<br />

o<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Nationalen Lage- und<br />

Führungszentrum für Sicherheit <strong>im</strong> Luftraum ressort-<br />

o<strong>de</strong>r/und län<strong>de</strong>rübergreifend zusammengearbeitet.<br />

Daneben haben wir auch für die ressortgemeinsame<br />

Krisenbewältigung Strukturen geschaffen. So hat<br />

sich das <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern sowohl mit<br />

<strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esministerium für Gesundheit als auch<br />

<strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esministerium für Umwelt auf die Bildung<br />

gemeinsamer Krisenstäbe für best<strong>im</strong>mte Lagen verständigt.<br />

Neben <strong>de</strong>r weiteren Verbesserung unserer Handlungsfähigkeit<br />

in nationalen Gefahren- o<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nslagen<br />

halte ich es für wichtig, auch die Fähigkeiten zur<br />

internationalen Hilfeleistung weiterzuentwickeln, um<br />

z.B. innerhalb <strong>de</strong>s EU-Gemeinschaftsverfahrens unseren<br />

Verpflichtungen nachkommen zu können.<br />

Beson<strong>de</strong>re Gefährdung bei<br />

großen Menschenansammlungen:<br />

Public Viewing während<br />

<strong>de</strong>r Fußball WM 2006<br />

auf <strong>de</strong>m Heiligengeistfeld in<br />

Hamburg<br />

Schutz und Hilfe – Opfer kann je<strong>de</strong>r sein<br />

Es gilt, diesen Weg <strong>de</strong>r kooperativen Zusammenarbeit<br />

mit allen Akteuren <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> weiterzugehen.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n durch entsprechen<strong>de</strong> Ausbildungsangebote<br />

<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong>,<br />

Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ), durch die<br />

Bereitstellung und Fortentwicklung ebenenübergreifen<strong>de</strong>r<br />

Informationstechnologien und durch strategische<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>übungen unseren Beitrag für<br />

die Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>s län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n und ressortgemeinsamen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s leisten.<br />

Zum Autor: Ministerialdirektor Dr. Manfred Schmidt ist Leiter <strong>de</strong>r Abteilung „<strong>Krisenmanagement</strong> und Bevölkerungsschutz“ <strong>im</strong><br />

<strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern, Berlin.


Die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es <strong>im</strong> nationalen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

René Du Bois<br />

In <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland hat sich zur Bewältigung<br />

außergewöhnlicher Gefahren- o<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nslagen<br />

<strong>im</strong> Inland ein leistungsfähiges Hilfeleistungssystem<br />

entwickelt. Im Rahmen <strong>de</strong>s durch die<br />

Län<strong>de</strong>r getragenen Katastrophenschutzes sollen die<br />

durch Naturkatastrophen, Industrieunfälle, Seuchen<br />

und auch durch Gefahren <strong>de</strong>s internationalen Terrorismus<br />

entstehen<strong>de</strong>n Lagen bewältigt wer<strong>de</strong>n. Der<br />

<strong>Bund</strong> unterstützt hierbei die Län<strong>de</strong>r bei beson<strong>de</strong>rs<br />

großflächigen Scha<strong>de</strong>nslagen o<strong>de</strong>r solchen von nationaler<br />

Be<strong>de</strong>utung in vielfältiger Weise, so zum Beispiel<br />

durch Information, Beratung und Bereitstellung<br />

von Ressourcen.<br />

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 in <strong>de</strong>n<br />

USA und das Elbehochwasser <strong>im</strong> August 2002 offenbarten<br />

eine neue D<strong>im</strong>ension <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsszenarien,<br />

vor <strong>de</strong>ren Hintergrund eine Revision <strong>de</strong>s bisherigen<br />

Zivil- und Katastrophenschutzes unumgänglich war.<br />

Die Ständige Konferenz <strong>de</strong>r Innenminister und -senatoren<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r (IMK) beschloss <strong>de</strong>shalb am 8.<br />

November 2001, die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>s Hilfeleistungssystems<br />

in Deutschland kritisch zu überprüfen.<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>r „Neuen Strategie zum Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung“<br />

wur<strong>de</strong>n die bestehen<strong>de</strong>n Systeme zur Bewältigung<br />

von Scha<strong>de</strong>nslagen durch <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r<br />

fortentwickelt. In diesem Zusammenhang wur<strong>de</strong>n<br />

eine Reihe von neuen Kooperationsverfahren vereinbart.<br />

So wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe (BBK) ein gemeinsames Lagezentrum<br />

von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn eingerichtet. Zur<br />

Vereinheitlichung <strong>de</strong>r Führungsstrukturen auf <strong>de</strong>n<br />

unterschiedlichen Ebenen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s in<br />

<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn haben diese sich darauf verständigt, <strong>im</strong><br />

Rahmen eines Gesamtführungssystems (unter Beachtung<br />

<strong>de</strong>r län<strong>de</strong>rspezifischen Beson<strong>de</strong>rheiten) auf vereinheitlichen<strong>de</strong>n<br />

Grundsatzempfehlungen zurückzugreifen.<br />

In diesem Zusammenhang wur<strong>de</strong> auch das<br />

Konzept für eine bun<strong>de</strong>sweite län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong><br />

Katastrophenhilfe aktualisiert und zwischen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn<br />

vereinbart.<br />

Schematische Darstellung <strong>de</strong>s Konzepts für eine bun<strong>de</strong>sweite län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Katastrophenhilfe<br />

9


10<br />

Eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Verfassung, die <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong> neben<br />

seiner Zuständigkeit für <strong>de</strong>n Zivilschutz auch<br />

Aufgaben <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz zuweist, haben<br />

die Län<strong>de</strong>r bislang jedoch abgelehnt. Eine län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong><br />

Koordination <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

bei nationalen Lagen ist somit nur <strong>im</strong> Einvernehmen<br />

mit <strong>de</strong>n betroffenen Län<strong>de</strong>rn möglich. Angesichts<br />

von Gefahren wie die Bedrohung durch <strong>de</strong>n internationalen<br />

Terrorismus, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen,<br />

das Auftreten von Seuchen und<br />

Pan<strong>de</strong>mien, zivilisatorisch bedingte Scha<strong>de</strong>nslagen<br />

und die Zunahme von natürlichen Gefahren (Kl<strong>im</strong>awan<strong>de</strong>l)<br />

stellt sich jedoch die Frage, ob die bestehen<strong>de</strong><br />

Aufgabenzuweisungen an <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

umfassen<strong>de</strong>n Präventions- und Bewältigungsanfor<strong>de</strong>rungen<br />

noch ausreichend gerecht wer<strong>de</strong>n können.<br />

Bei län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n, nationalen Gefahren- o<strong>de</strong>r<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen besteht die Notwendigkeit, eine Vielzahl<br />

von unterschiedlichen Führungs- und Kommunikationsstrukturen<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r zu<br />

einem einheitlichen <strong>Krisenmanagement</strong> zusammenzuführen.<br />

Ressort- und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Koordination <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

Um die aktuellen und künftigen Heraus-<br />

for<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s nationalen Krisenmana-<br />

gements meistern zu können, ist es unab-<br />

dingbar die Ziele, Prozesse und Strukturen<br />

sowie die Fähigkeiten und Mittel aller<br />

relevanten Akteure bewusst miteinan<strong>de</strong>r<br />

zu vernetzen. Diese Aufgabe kann in nati-<br />

onal be<strong>de</strong>utsamen Lagen nur durch eine<br />

ressort- und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Koordi-<br />

nation <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s auf Bun-<br />

<strong>de</strong>sebene bewältigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Nachbereitung <strong>de</strong>s Reaktorunglücks<br />

von Tschernobyl <strong>im</strong> Jahr 1988 von <strong>Bund</strong> und<br />

Län<strong>de</strong>rn zur Bewältigung von großflächigen nationalen<br />

Gefährdungslagen als ressort- und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>s<br />

Gremium geschaffene Interministerielle<br />

Koordinierungsgruppe (IntMinKoGr) kann diese<br />

komplexe Aufgabe während einer Gefahren- o<strong>de</strong>r<br />

Scha<strong>de</strong>nslage jedoch nicht bewältigen. Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Gremiums ist es, eine abgest<strong>im</strong>mte Koordination <strong>de</strong>r<br />

Entscheidungsfindung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esressorts und die<br />

Beratung und Unterstützung <strong>de</strong>r betroffenen Län<strong>de</strong>r<br />

vorzunehmen. Die jeweiligen Län<strong>de</strong>r- und Ressortzuständigkeiten<br />

bleiben dabei unberührt. Mit dieser<br />

Ausrichtung kann die Interministerielle Koordinierungsgruppe<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Nachbereitung<br />

<strong>de</strong>r Lagebewältigung o<strong>de</strong>r in Langzeitlagen einen<br />

wichtigen Beitrag zur Koordination sowie zur Vorbereitung<br />

von Entscheidungen leisten.<br />

In diesem Sinne soll das nationale <strong>Krisenmanagement</strong><br />

die Konzentration komplexer Fähigkeiten auf<br />

eine strategische Zielsetzung und die synergetische<br />

Ergänzung <strong>im</strong> Han<strong>de</strong>ln ermöglichen. Die dazu notwendigen<br />

strukturellen Vorkehrungen wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />

letzten Jahren durch die <strong>Bund</strong>esressorts getroffen.<br />

Die <strong>Bund</strong>esregierung hat sich in <strong>de</strong>r Kabinettssitzung<br />

am 22. August 2007 durch einen Bericht <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministeriums<br />

<strong>de</strong>s Innern zum Sachstand <strong>de</strong>s nationalen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> unterrichten lassen und<br />

zugleich <strong>de</strong>r Neuausrichtung <strong>de</strong>r Aufgaben und <strong>de</strong>r<br />

Rolle <strong>de</strong>r Interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r zugest<strong>im</strong>mt.<br />

Für das <strong>Krisenmanagement</strong> auf <strong>Bund</strong>esebene ist in<br />

Abhängigkeit von <strong>de</strong>r konkreten Gefahren- o<strong>de</strong>r<br />

Scha<strong>de</strong>nslage das jeweils fachlich überwiegend zuständige<br />

Ressort fe<strong>de</strong>rführend. Eine beson<strong>de</strong>re Rolle<br />

<strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Inland n<strong>im</strong>mt das <strong>Bund</strong>esministerium<br />

<strong>de</strong>s Innern (BMI) ein. Bei schwerwiegen<strong>de</strong>n<br />

Gefahren für die Innere Sicherheit wird hier


Strukturen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

<strong>de</strong>r Krisenstab aufgerufen. Der Krisenstab übern<strong>im</strong>mt<br />

die Koordinierung <strong>im</strong> <strong>Bund</strong> sowie die Abst<strong>im</strong>mung<br />

mit <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Gefahren- o<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nslage betroffenen<br />

Län<strong>de</strong>rn. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n bei Bedarf<br />

weitere Akteure in <strong>de</strong>n Krisenstab eingebun<strong>de</strong>n. Das<br />

Zusammenwirken von Krisenstäben unterschiedlicher<br />

Ebenen zur Bewältigung von Gefahren- o<strong>de</strong>r<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen wird über <strong>de</strong>n Austausch von Verbindungspersonen<br />

bzw. über technische Medien (Telefon-<br />

und Vi<strong>de</strong>okonferenzen) gewährleistet.<br />

Die Komplexität nationaler Lagen erfor<strong>de</strong>rt anstelle<br />

<strong>de</strong>r bisherigen szenarienbasierten Planungsansätze,<br />

die <strong>im</strong>mer nur eine Teilmenge <strong>de</strong>r Wirkungen <strong>im</strong><br />

Blick haben konnten, einen vernetzten fähigkeitsorientierten<br />

Handlungsansatz, <strong>de</strong>r flexibel auf die nicht<br />

vorhersehbaren Wirkungsverkettungen reagieren<br />

kann. Die zwischen <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn vereinbarten<br />

Strukturen und Verfahren <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> sollen<br />

diesen Anfor<strong>de</strong>rungen Rechnung tragen.<br />

Durch die Bildung ressortgemeinsamer<br />

Krisenstäbe wer<strong>de</strong>n ressortspezifische<br />

Interessen gebün<strong>de</strong>lt und ein einheitlicher<br />

ressortübergreifen<strong>de</strong>r Ansatz <strong>de</strong>r Krisenbe-<br />

wältigung gewählt, <strong>de</strong>r die Möglichkeiten<br />

einräumt, alle vorhan<strong>de</strong>nen Handlungsop-<br />

tionen ergänzend auszunutzen.<br />

So hat sich das <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern mit<br />

<strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit <strong>im</strong> Falle von gravieren<strong>de</strong>n<br />

Gefahren- o<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nslagen durch Straftaten mit<br />

radioaktiven Stoffen sowie mit <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esministerium<br />

für Gesundheit <strong>im</strong> Falle einer Pan<strong>de</strong>mie o<strong>de</strong>r<br />

bei Bio-Terrorismus darauf verständigt, gemeinsame<br />

Krisenstäbe nach <strong>de</strong>m Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Krisenstabes BMI<br />

zu bil<strong>de</strong>n.<br />

11


12<br />

Die Rolle <strong>de</strong>r Interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />

<strong>im</strong> System <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s wur<strong>de</strong><br />

gemeinsam von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn dahingehend<br />

präzisiert, dass sie künftig eine wichtige Ergänzungsfunktion<br />

für das Zusammenwirken <strong>de</strong>r Krisenstäbe<br />

von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn in wenigen beson<strong>de</strong>ren, lang<br />

anhalten<strong>de</strong>n, län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n Gefahren- o<strong>de</strong>r<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen – z.B. Unfälle in Kernkraftwerken<br />

<strong>im</strong> In- und Ausland, Pan<strong>de</strong>mien, Naturkatastrophen<br />

erheblichen Ausmaßes – wahrnehmen kann. Ihre<br />

Aufgabe wird darin bestehen, in Fällen eines erhöhten<br />

Abst<strong>im</strong>mungs- und Beratungsbedarfs Entscheidungsvorschläge<br />

für die Krisenstäbe zu erarbeiten.<br />

Im <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern wur<strong>de</strong>n Vorkehrungen<br />

getroffen, um in kurzer Zeit die räumlichen<br />

und organisatorischen Voraussetzungen für die Arbeitsfähigkeit<br />

<strong>de</strong>r Interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />

zu schaffen.<br />

Der Ressortkreis „<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>“<br />

unter Fe<strong>de</strong>rführung <strong>de</strong>s BMI bietet die Plattform für<br />

die Ressortabst<strong>im</strong>mung zu konzeptionellen, organisatorischen<br />

und verfahrensmäßigen Themen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s. In diesem Gremium fin<strong>de</strong>n die<br />

LÜKEX 2007: Verbindungspersonal <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

<strong>im</strong> gemeinsamen Krisenstab von BMI und BMG in Berlin<br />

Koordination <strong>de</strong>s interministeriellen Zusammenwirkens,<br />

die Information und Abst<strong>im</strong>mung zu aktuellen<br />

Fachplanungen, die gemeinsame Erstellung von<br />

Grundsatzunterlagen (z.B. Auskunftsunterlage <strong>Krisenmanagement</strong><br />

<strong>de</strong>r Ressorts <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung,<br />

Fähigkeitsübersicht <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>) und eine<br />

anlassbezogene Koordinierung statt.<br />

Seit <strong>de</strong>m Jahr 2004 wird das System <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

zwischen <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn durch ressort-<br />

und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>übungen<br />

(LÜKEX) und Planbesprechungen <strong>de</strong>r Interministeriellen<br />

Koordinierungsgruppe beübt. In die Übungsserie<br />

LÜKEX wer<strong>de</strong>n neben <strong>de</strong>n Krisenstäben verschie<strong>de</strong>ner<br />

Verwaltungsebenen (<strong>Bund</strong>esressorts, Län<strong>de</strong>r,<br />

Regierungspräsidien und Landkreise) je nach Szenarienschwerpunkt<br />

auch Unternehmen <strong>de</strong>r Wirtschaft,<br />

Verbän<strong>de</strong> und Hilfsorganisationen einbezogen. Neben<br />

<strong>de</strong>r Erprobung <strong>de</strong>r Strukturen und Verfahren <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s besteht ein wesentliches Ziel <strong>de</strong>r<br />

Übungsserie darin, anhand <strong>de</strong>s gewählten Szenarios<br />

die Planungen <strong>de</strong>r Akteure zu harmonisieren und<br />

Impulse für eine weitere Opt<strong>im</strong>ierung zu geben.<br />

Mit <strong>de</strong>r Übung LÜKEX 2007 Anfang November 2007<br />

haben nunmehr alle 16 <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r gemeinsam mit<br />

<strong>de</strong>m <strong>Bund</strong> die abgest<strong>im</strong>mte Bewältigung nationaler<br />

Lagen erprobt und zugleich die jeweils eigene Struktur<br />

auf ein Zusammenwirken ausgerichtet. <strong>Bund</strong> und<br />

Län<strong>de</strong>r haben sich darauf verständigt, diese Übungsserie<br />

auch künftig in einem zweijährigen Rhythmus<br />

fortzuführen<br />

Das inzwischen geschaffene System <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn ist geeignet, <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

zur Koordinierung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esressorts<br />

und <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>rn während einer nationalen Krise<br />

<strong>im</strong> fö<strong>de</strong>ralen System gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Es setzt jedoch<br />

voraus, dass sich alle am <strong>Krisenmanagement</strong><br />

beteiligten Akteure abgest<strong>im</strong>mt aufeinan<strong>de</strong>r und in<br />

Bezug auf die Bewältigung <strong>de</strong>r Gesamtlage harmonisch<br />

und gegenseitig unterstützend verhalten.


Darstellung eines gemeinsamen Krisenstabes, hier gebil<strong>de</strong>t aus BMG und BMI<br />

Raumaufteilung <strong>im</strong> Krisenstab <strong>im</strong> BMI – hier: Raumplan für die Interministerielle Koordinierungsgruppe von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn<br />

Zum Autor: René Du Bois leitet das für Grundsatzfragen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s zuständige Referat KM 1 in <strong>de</strong>r Abteilung<br />

„<strong>Krisenmanagement</strong> und Bevölkerungsschutz“ <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern, Berlin.<br />

13


14<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> bei kerntechnischen und radiologischen<br />

Ereignissen – die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministeriums<br />

für Umwelt und Strahlenschutz<br />

Wolfgang Renneberg<br />

Gesetzliche Grundlage: Das Strahlenschutzvorsorgegesetz<br />

Der Unglückreaktor von Tschernobyl <strong>im</strong> Beton-Sarkophag<br />

Aber auch bei einem radiologischen Ereignis <strong>im</strong> Inland<br />

mit katastrophalen Auswirkungen, bei <strong>de</strong>m die<br />

jeweiligen Katastrophenschutzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr zuständig sind und<br />

tätig wer<strong>de</strong>n, ist das BMU nach <strong>de</strong>m Strahlenschutzvorsorgegesetz<br />

über die lokalen Katastrophenschutzmaßnahmen<br />

hinaus <strong>im</strong> weiteren Umfeld für Maßnahmen<br />

<strong>de</strong>r Strahlenschutzvorsorge zuständig. Diese<br />

fö<strong>de</strong>ral bedingte Zuständigkeitsregelung erfor<strong>de</strong>rt<br />

ein hohes Maß an Abst<strong>im</strong>mung zwischen <strong>de</strong>n lokalen<br />

Behör<strong>de</strong>n am Ort <strong>de</strong>s Geschehens und <strong>de</strong>r Strahlenschutzvorsorgebehör<strong>de</strong><br />

(BMU) auf <strong>Bund</strong>esebene.<br />

Kurz nach <strong>de</strong>r Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 wur<strong>de</strong><br />

das <strong>Bund</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)<br />

gegrün<strong>de</strong>t, um die zuvor auf verschie<strong>de</strong>ne Ressorts verteilten Zuständigkeiten<br />

<strong>de</strong>r Umweltpolitik zu bün<strong>de</strong>ln. Im selben Jahr wur<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>m Eindruck <strong>de</strong>r<br />

Auswirkungen dieser Katastrophe auf Deutschland und <strong>de</strong>r Erkenntnisse bei <strong>de</strong>r<br />

Bewältigung <strong>de</strong>r Krise das Strahlenschutzvorsorgegesetz verabschie<strong>de</strong>t, das <strong>de</strong>m<br />

BMU ein<strong>de</strong>utige Kompetenzen für das <strong>Krisenmanagement</strong> bei Ereignissen mit<br />

großräumigen, län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n radiologischen Auswirkungen einräumt.<br />

Dazu gehören insbeson<strong>de</strong>re die Empfehlungen von Vorsorgemaßnahmen zum<br />

Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung und die Festlegung von einheitlichen Dosis- und Kontaminationsgrenzwerten<br />

bei Ereignissen, <strong>de</strong>ren radiologische Auswirkungen unterhalb<br />

<strong>de</strong>r Gefahrenschwelle liegen.<br />

Die Zuständigkeit <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Katastrophenschutz<br />

wird dadurch nicht berührt. Die Gefahrenabwehr<br />

ist nach Artikel 70 Grundgesetz Aufgabe <strong>de</strong>r<br />

Län<strong>de</strong>r, die hierzu Katastrophenschutzgesetze erlassen<br />

und entsprechen<strong>de</strong> organisatorische Vorkehrungen<br />

für die Umsetzung getroffen haben. Für Fälle<br />

<strong>de</strong>s nuklearen Katastrophenschutzes wur<strong>de</strong>n jedoch<br />

vom BMU mit <strong>de</strong>n „Rahmenempfehlungen für <strong>de</strong>n<br />

Katastrophenschutz“ die speziellen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

festgelegt, die für die beson<strong>de</strong>re und vor allem einheitliche<br />

Katastrophenschutzplanung <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r für<br />

einen radiologischen o<strong>de</strong>r kerntechnischen Unfall erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sind.<br />

Während die lokalen Katastrophenschutzbehör<strong>de</strong>n<br />

die Aufgabe haben, unmittelbare Schä<strong>de</strong>n – insbeson<strong>de</strong>re<br />

Strahlenschä<strong>de</strong>n durch hohe Strahlendosen<br />

– für die betroffene Bevölkerung zu verhin<strong>de</strong>rn, hat<br />

das BMU neben <strong>de</strong>n o. g. Befugnissen <strong>im</strong> Wesentlichen<br />

die Aufgabe, durch Empfehlungen von einheitlichen<br />

Verhaltensmaßnahmen für die Bevölkerung<br />

sowie für <strong>de</strong>n landwirtschaftlichen Bereich dafür zu<br />

sorgen, dass die Beeinträchtigungen durch <strong>de</strong>n Eintrag<br />

radioaktiver Stoffe in die Umwelt und damit die<br />

mittelbare Strahlenbelastung <strong>de</strong>r großräumig betroffenen<br />

Bevölkerung möglichst gering sind.


<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> BMU – lagebezogene Stabsorganisation<br />

Vor diesem Hintergrund hat das BMU eine beson<strong>de</strong>re<br />

Organisation aufgebaut, um bei radiologischen<br />

Notstandssituationen, Unfällen, Störfällen o<strong>de</strong>r sonstigen<br />

kerntechnisch be<strong>de</strong>utsamen Ereignissen mit<br />

radiologischen Auswirkungen unterhalb <strong>de</strong>r Gefahrenschwelle<br />

alle notwendigen Maßnahmen zum<br />

Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung einleiten zu können. Diese<br />

Stabsorganisation <strong>im</strong> BMU wird in einem Ereignisfall<br />

lageangepasst aufgebaut und ist unmittelbar <strong>de</strong>r<br />

Hausleitung unterstellt. Ihre Hauptaufgaben sind die<br />

Lagebewertung, die Erarbeitung von Entscheidungen<br />

über entsprechen<strong>de</strong> Vorsorgemaßnahmen, die Abst<strong>im</strong>mung<br />

mit an<strong>de</strong>ren Ressorts und <strong>de</strong>n betroffenen<br />

Län<strong>de</strong>rn sowie bei grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Auswirkungen<br />

die internationale Abst<strong>im</strong>mung. Unterstützt<br />

Vorsorge <strong>im</strong> Strahlenschutz:<br />

Der Hochvolumensammler<br />

für Luftstaubproben weist<br />

selbst geringste Spuren<br />

radioaktiver Stoffe in <strong>de</strong>r<br />

Luft nach<br />

und beraten wird die Stabsorganisation durch die<br />

Strahlenschutzkommission (SSK) und ggf. durch die<br />

Reaktorsicherheitskommission (RSK).<br />

Neben einem Führungsstab, <strong>de</strong>r über Art und Umfang<br />

erfor<strong>de</strong>rlicher Maßnahmen entschei<strong>de</strong>t, erfolgt<br />

in <strong>de</strong>n Stäben „Strahlenschutz“ und „Anlagentechnik“<br />

eine notwendige fachliche Beurteilung und Bewertung<br />

<strong>de</strong>r Lage. Dazu gehören neben <strong>de</strong>r Einschätzung<br />

<strong>de</strong>r Gefährdung <strong>de</strong>r Bevölkerung durch die in<br />

die Umwelt eingetragenen radioaktiven Stoffe hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r radiologischen Auswirkungen auch die<br />

fachliche technische Beurteilung <strong>de</strong>s Unfallablaufs in<br />

<strong>de</strong>r Anlage; hierbei wird das BMU von <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

für Anlagen- und Reaktorsicherheit beraten.<br />

Die äußere Strahlenbelastung lässt sich durch Son<strong>de</strong>n messen,<br />

hier auf <strong>de</strong>m Schauinsland bei Freiburg<br />

15


16<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>r Bewertung <strong>de</strong>r radiologischen<br />

Auswirkungen wird das BMU vom <strong>Bund</strong>esamt für<br />

Strahlenschutz unterstützt, das insbeson<strong>de</strong>re die zur<br />

Lageermittlung und zur Lagedarstellung notwendigen<br />

IT-gestützten Systeme betreibt. Das „Integrierte<br />

Mess- und Informationssystem für die Überwachung<br />

<strong>de</strong>r Umweltradioaktivität (IMIS)“ erfasst rund um die<br />

Uhr die radiologische Lage in allen relevanten Umweltbereichen<br />

und stellt damit die Grundlage für die<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Lagebewertung sicher. Mit <strong>de</strong>m von<br />

<strong>de</strong>r EU entwickelten und auf <strong>de</strong>utsche Verhältnisse<br />

angepassten Entscheidungshilfesystem RODOS können,<br />

die Auswirkungen <strong>de</strong>s Ereignisses abgeschätzt<br />

und die Folgen <strong>de</strong>r beabsichtigten und empfohlenen<br />

Maßnahmen prognostiziert wer<strong>de</strong>n. Damit sind in<br />

Deutschland die für das <strong>Krisenmanagement</strong> erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

technischen Voraussetzungen geschaffen<br />

wor<strong>de</strong>n, um auf einer ständig aktuellen Basis Entscheidungen<br />

zum vorsorgen<strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

vor, während und nach einem unfallbedingten<br />

Eintrag radioaktiver Stoffe in die Umwelt zu treffen.<br />

Die Stabsorganisation <strong>de</strong>s BMU wird darüber hinaus<br />

noch durch Stäbe ergänzt, welche die Kommunikation<br />

nach außen sicherstellen und Presseanfragen in<br />

Zwei Ressorts – ein gemeinsames <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Pressereferat beantworten<br />

sowie die internationalen Mel<strong>de</strong>verpflichtungen gegenüber<br />

<strong>de</strong>r EU und gegenüber <strong>de</strong>r internationalen<br />

Atomenergiebehör<strong>de</strong> IAEA wahrnehmen. Wegen<br />

<strong>de</strong>s grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Charakters <strong>de</strong>r Auswirkungen<br />

schwerer kerntechnischer Ereignisse wur<strong>de</strong><br />

hierfür auf europäischer Ebene das ECURIE-System<br />

(European Community Urgent Radiological Information<br />

Exchange) zur schnellen Benachrichtigung und<br />

Information <strong>de</strong>r europäischen Nachbarstaaten entwickelt.<br />

Auf internationaler Ebene dient hierfür das von<br />

<strong>de</strong>r IAEA konzipierte System EMERCON.<br />

Der Aufbau <strong>de</strong>r RS-Stabsorganisation kann innerhalb<br />

weniger Stun<strong>de</strong>n erfolgen. Außerhalb <strong>de</strong>r Dienstzeiten<br />

sind die Reaktionsfähigkeit <strong>de</strong>s BMU und die<br />

Alarmierung <strong>de</strong>r Stabsorganisation durch das Lagezentrum<br />

<strong>de</strong>s BMI sichergestellt.<br />

Neben <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s bei<br />

kerntechnischen Ereignissen nach <strong>de</strong>m Strahlenschutzvorsorgegesetz<br />

kann das BMU jedoch auch<br />

bei sonstigen Ereignissen mit radiologischem Hintergrund<br />

einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Gefahren- bzw. Scha<strong>de</strong>nslagen durch Straftaten mit<br />

radioaktiven Stoffen (Kernbrennstoffe und sonstige<br />

radioaktive Stoffe) o<strong>de</strong>r durch Anschläge auf kerntechnische<br />

Anlagen und Einrichtungen erfor<strong>de</strong>rn in<br />

aller Regel sofortiges gemeinsames Han<strong>de</strong>ln sowohl<br />

<strong>de</strong>r Innen- als auch <strong>de</strong>r Strahlenschutz- o<strong>de</strong>r Umweltbehör<strong>de</strong>n<br />

zunächst auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r.<br />

In „gravieren<strong>de</strong>n Lagen“ kann es jedoch erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sein, auf <strong>Bund</strong>esebene alle vorhan<strong>de</strong>nen Ressourcen<br />

zu bün<strong>de</strong>ln und ihren Einsatz zu koordinieren.<br />

Gravieren<strong>de</strong> Lagen sind gegeben, wenn das Leben,<br />

die körperliche Unversehrtheit zahlreicher Menschen<br />

o<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utsame Sachwerte in erheblichem Maß<br />

gefähr<strong>de</strong>t sind o<strong>de</strong>r bereits geschädigt wur<strong>de</strong>n und<br />

wenn diese Lage durch die zuständigen Behör<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>n ihnen zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n Mitteln allein<br />

nicht bewältigt wer<strong>de</strong>n kann.


BMU - Stabsorganisation „Schmutzige Bombe“<br />

Informations-/<br />

Entscheidungshilfesysteme<br />

Stab D<br />

Dokumentation<br />

Stab S<br />

Strahlenschutz<br />

BfS/Stab SW<br />

SSK<br />

Hausleitung<br />

Pressereferat<br />

Ressorts<br />

Stab F<br />

Län<strong>de</strong>r Bewertungsteam Führungsstab Stab I<br />

Ressorts<br />

Nachsorge<br />

Information<br />

Län<strong>de</strong>r<br />

gemeinsamer Krisenstab<br />

BMI/BMU<br />

Ein gemeinsamer Krisenstab <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministeriums<br />

<strong>de</strong>s Innern (BMI) und <strong>de</strong>s BMU stellt die für diese<br />

Aufgabe notwendige Kompetenz und die erfor<strong>de</strong>rliche<br />

Organisationsform zur Verfügung – ohne eine<br />

grundsätzlich neue und zusätzliche Speziallösung zu<br />

schaffen. Aufbauend auf <strong>de</strong>n bewährten Modulen<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s sowohl <strong>im</strong> BMI in Berlin als<br />

auch <strong>im</strong> BMU in Bonn kann <strong>de</strong>r gemeinsame Krisenstab<br />

lageangepasst auf Ersuchen eines o<strong>de</strong>r mehrerer<br />

Län<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r eines <strong>de</strong>r beteiligten Ressorts schnell<br />

aufgerufen wer<strong>de</strong>n. Dazu integriert das BMU seine<br />

für diese Son<strong>de</strong>rfälle angepasste Stabsorganisation in<br />

die Krisenorganisation <strong>de</strong>s BMI.<br />

Bei<strong>de</strong> Ressorts arbeiten hochrangig bereits auf <strong>de</strong>r<br />

Leitungsebene <strong>de</strong>s gemeinsamen Krisenstabes zusammen.<br />

Im Verhältnis zu <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn gibt dieser<br />

Stab ausschließlich Empfehlungen. Diese haben keine<br />

leiten<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r führen<strong>de</strong> Wirkung für das Län<strong>de</strong>r-<br />

Ressorts<br />

Län<strong>de</strong>r<br />

Abteilung ZG<br />

(Servicedienste)<br />

Medien<br />

Bevölkerung<br />

Int. Behör<strong>de</strong>n /<br />

Organisationen<br />

han<strong>de</strong>ln. Das Weisungsrecht <strong>de</strong>s BMU gegenüber <strong>de</strong>n<br />

atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehör<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r sowie das Strahlenschutzvorsorgegesetz<br />

bleiben hiervon unberührt. Entscheidungs- und<br />

Handlungsverantwortung bleiben bei <strong>de</strong>n zuständigen<br />

Lan<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong>n.<br />

Damit wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> Juli 2006 <strong>de</strong>r frühere gemeinsame<br />

Führungsstab „Nukleare Nachsorge“ <strong>de</strong>s BMI und<br />

<strong>de</strong>s BMU durch eine neue und mo<strong>de</strong>rne Form <strong>de</strong>s<br />

gemeinsamen <strong>Krisenmanagement</strong>s zweier Ressorts<br />

an unterschiedlichen Standorten abgelöst. Die <strong>Bund</strong>esregierung<br />

verbesserte damit nicht nur die Reaktionsfähigkeit<br />

bei Straftaten mit Kernbrennstoffen und<br />

sonstigen radioaktiven Stoffen, son<strong>de</strong>rn entschärfte<br />

vor allem auch die problematische Schnittstelle zwischen<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>nkbaren Gefahrenlagen mit eher präventivem<br />

Charakter und plötzlich eintreten<strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>nslagen<br />

ohne o<strong>de</strong>r mit nur geringer Vorwarnzeit.<br />

Zum Autor: Ministerialdirektor Wolfgang Renneberg ist Leiter <strong>de</strong>r Abteilung „Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, Strahlenschutz,<br />

nukleare Ver- und Entsorgung“ <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.<br />

17


18<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministeriums<br />

für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

Robert Scholl<br />

Das <strong>Bund</strong>esministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) n<strong>im</strong>mt<br />

mit seinen Aufgaben eine Schlüsselstellung innerhalb <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung ein.<br />

Die Gewährleistung <strong>de</strong>r Sicherheit und Leichtigkeit <strong>de</strong>s Verkehrs, national wie<br />

international, ist dabei eine <strong>de</strong>r wesentlichen Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />

Nicht ohne Grund wird <strong>de</strong>r Verkehr als<br />

eine <strong>de</strong>r wichtigsten kritischen Infrastruk-<br />

turen bezeichnet. Für Deutschland als eine<br />

<strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n Exportnationen ist <strong>de</strong>r<br />

Schutz dieser Infrastruktur <strong>de</strong>shalb lebens-<br />

wichtig.<br />

Januar 2007: Orkan „Kyrill“ legt weite Teile <strong>de</strong>s Verkehrsnetzes in Deutschland lahm<br />

Unsere hoch technisierte Welt ist darauf angewiesen,<br />

dass Waren- und Personenströme reibungslos funktionieren.<br />

Je<strong>de</strong> Störung hat <strong>im</strong>mense volkswirtschaftliche<br />

und gesellschaftliche Auswirkungen. Einen<br />

kleinen Eindruck, wie empfindlich unsere Systeme<br />

sind und welche Auswirkungen eine Störung dieser<br />

komplizierten und komplexen Strukturen haben<br />

kann, haben wir be<strong>im</strong> Sturmtief Kyrill <strong>im</strong> Januar 2007<br />

bekommen.


Die Zuständigkeiten <strong>de</strong>s BMVBS <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

reichen von <strong>de</strong>r zivilen Notfallsorge<br />

und Bewältigung von großen Scha<strong>de</strong>nsereignissen<br />

über Betriebssicherheit und Umweltschutz bei<br />

<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Verkehrsträgern bis hin zum baulichen<br />

Zivilschutz.<br />

Während <strong>de</strong>r letzten LÜKEX-Übung <strong>im</strong> Jahre 2007<br />

wur<strong>de</strong> das Szenario einer Influenzapan<strong>de</strong>mie geübt.<br />

Kern dieser Übung war die Annahme, dass ein großer<br />

Teil von Arbeitskräften (bis zu 50 Prozent) ausfallen<br />

wür<strong>de</strong>. Für das BMVBS stand dabei die Frage,<br />

welche Auswirkungen ein solches Ereignis auf die<br />

Verkehrswirtschaft und auf die gesamte Volkswirtschaft<br />

haben wür<strong>de</strong>, <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund. Je intensiver<br />

wir uns mit dieser Problematik beschäftigten, umso<br />

vielfältiger wur<strong>de</strong>n die Probleme und Fragestellungen,<br />

die in diesem Zusammenhang zu klären waren.<br />

Nicht vorhergesehene Domino- o<strong>de</strong>r Kaska<strong>de</strong>neffekte<br />

wur<strong>de</strong>n plötzlich sichtbar.<br />

Wie geht man damit um, wenn ein großer Teil von<br />

Lokführern, Piloten o<strong>de</strong>r technischem Personal ausfällt?<br />

Hochqualifizierte Berufsgruppen, wie z.B. Fluglotsen,<br />

können nicht einfach ersetzt wer<strong>de</strong>n. Was tun,<br />

wenn Kraftwerke nicht mehr mit Kohle versorgt wer<strong>de</strong>n<br />

können? Wie begegnet man <strong>de</strong>m Containerstau<br />

in Hafenanlagen, wenn <strong>de</strong>r Hinterlandtransport nicht<br />

mehr funktioniert? Wie kann die Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

trotz<strong>de</strong>m weiter sichergestellt wer<strong>de</strong>n, wie<br />

sichert man die Zulieferung <strong>de</strong>r Industrie mit wichtigen<br />

Gütern zur Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r Produktion?<br />

Menschenansammlungen sind <strong>im</strong>mer potentiell gefähr<strong>de</strong>t,<br />

beispielsweise auf großen Bahnhöfen, wie hier <strong>im</strong> Hamburger<br />

Hauptbahnhof<br />

Welche Maßnahmen, eventuell gesetzliche Regelungen,<br />

Lenk- und Ruhezeiten, Sonntagsfahrverbot, etc.<br />

muss man außer Kraft setzen?<br />

Ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung von Verkehrsleistungen<br />

ist die Anwendung <strong>de</strong>s Verkehrsleistungsgesetzes,<br />

<strong>de</strong>ssen Umsetzung in <strong>de</strong>r Verantwortung<br />

<strong>de</strong>s BMVBS liegt.<br />

Das Verkehrsleistungsgesetz erlaubt es, auf<br />

<strong>de</strong>r Basis eines Beschlusses <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>es-<br />

regierung die jeweiligen Verkehrsunter-<br />

nehmen in Krisenfällen und beson<strong>de</strong>ren<br />

Notlagen zu Verkehrsleistungen zu ver-<br />

pflichten.<br />

Unsere hoch technisierte Welt ist darauf angewiesen, dass<br />

Waren- und Personenströme reibungslos funktionieren – <strong>im</strong><br />

Bild: Lastwagen auf Hamburger Containerterminals<br />

19


20<br />

Die <strong>Krisenmanagement</strong>-Struktur <strong>de</strong>s BMVBS<br />

Schon nach <strong>de</strong>m Sturmtief Kyrill <strong>im</strong> Januar 2007 wur<strong>de</strong><br />

in unserem Hause damit begonnen, das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

neu zu über<strong>de</strong>nken und umzustrukturieren.<br />

Eine <strong>de</strong>r ersten Maßnahmen war die Verlegung<br />

<strong>de</strong>s Lagezentrums (LZ) von Bonn nach Berlin, um<br />

hier auch die Nähe zur Hausleitung herzustellen.<br />

Gleichzeitig wur<strong>de</strong> in Bonn ein Technisches Unterstützungszentrum<br />

(TUZ) eingerichtet.<br />

In einem Krisenfall bil<strong>de</strong>t das BMVBS unter Leitung<br />

<strong>de</strong>s Ministers o<strong>de</strong>r eines Staatssekretärs einen Krisenstab.<br />

Das Lagezentrum dient dann in erster Linie <strong>de</strong>r<br />

Informationsbeschaffung, -auswertung, -dokumentation<br />

und -verarbeitung sowie als Führungsinstrument<br />

für <strong>de</strong>n Krisenstab <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s.<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> BMVBS in einem Krisenfall


Der Schutz wichtiger Verkehrsinfrastrukturen ist für Deutschland lebenswichtig – <strong>im</strong> Bild: Autobahndreieck in Berlin-Neukölln<br />

Das Lagezentrum in Berlin wird in <strong>de</strong>r Regel durch<br />

die (Verbindungs-)Referate <strong>de</strong>r Fachabteilungen<br />

Luft- und Raumfahrt, Wasserstraßen und Schifffahrt,<br />

Straßenbau und Straßenverkehr, Eisenbahnen und<br />

Bauwesen verstärkt, die dann zu <strong>de</strong>n jeweiligen Fachreferaten<br />

ihrer Abteilungen die Verbindung halten.<br />

Eine <strong>de</strong>r wichtigsten Aufgaben <strong>de</strong>s Lagezentrums<br />

ist es, die notwendigen Kommunikationsstrukturen<br />

aufzubauen und je nach Lage <strong>im</strong> regelmäßigen Informationsaustausch<br />

mit <strong>de</strong>m Krisenstab <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung<br />

<strong>im</strong> BMI, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ressorts und <strong>de</strong>n<br />

nachgeordneten Bereichen, <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>r<br />

Verkehrswirtschaft (z.B. <strong>de</strong>r DB AG, Lufthansa, DFS)<br />

zu stehen.<br />

Um eine reibungslose Kommunikation sicherzustellen,<br />

wer<strong>de</strong>n das Lagezentrum und das Technische<br />

Unterstützungszentrum bis En<strong>de</strong> 2008 mit mo<strong>de</strong>rnster<br />

Kommunikationstechnik ausgestattet und das BMVBS<br />

mit seinen nachgeordneten Behör<strong>de</strong>n an das Notfallinformationssystem<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus angeschlossen.<br />

Im Organigramm <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s <strong>de</strong>s<br />

BMVBS sind die horizontalen und vertikalen Vernetzungen<br />

dargestellt. Dabei wird die Aufbauorganisation<br />

<strong>im</strong> Hause <strong>de</strong>utlich. Das Lagezentrum fungiert als<br />

Informationsdrehscheibe mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Verbindungen zum eigenen nachgeordneten Bereich<br />

und zur Wirtschaft. Deutlich wird auch die Vernetzung<br />

zur <strong>Bund</strong>esebene und zu <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, bis hin<br />

zur Entsendung von Verbindungsbeamten in <strong>de</strong>n Krisenstab<br />

<strong>de</strong>s BMI und zur Interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r.<br />

Die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n neuen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

an das <strong>Krisenmanagement</strong> hat gezeigt, dass<br />

wir die künftigen Herausfor<strong>de</strong>rungen, ob Terroranschläge,<br />

Katastrophen o<strong>de</strong>r extreme Wetterlagen, nur<br />

dann meistern, wenn die Ressorts, ihre nachgeordneten<br />

Behör<strong>de</strong>n und die betroffenen gesellschaftlichen<br />

Bereiche ihre Ziele, Prozesse und Strukturen sowie<br />

ihre Fähigkeiten und Mittel bewusst miteinan<strong>de</strong>r vernetzen.<br />

Zum Autor: Ministerialdirektor Robert Scholl ist Abteilungsleiter Z <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esministerium für Verkehr, Bau und<br />

Stadtentwicklung<br />

21


22<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Ernährungsbereich – wesentliche<br />

Komponente <strong>de</strong>r Daseinsvorsorge in einer Krise<br />

Dr. Dieter Schnei<strong>de</strong>r<br />

Vogelgrippe auf Rügen <strong>im</strong> Februar 2005: Soldaten in Schutzanzügen<br />

an einem Dekontaminationspunkt am Fähranleger<br />

Saßnitz-Mukran<br />

Die Bürgerinnen und Bürger in Krisenzeiten zu<br />

schützen und zu versorgen ist eine hoheitliche Aufgabe.<br />

Auch wenn dies <strong>im</strong> Grundgesetz <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik<br />

Deutschland nicht ausdrücklich als Aufgabe<br />

<strong>de</strong>s Staates <strong>de</strong>finiert ist, lässt sie sich aus <strong>de</strong>r verfassungsrechtlichen<br />

allgemeinen Verteidigungsaufgabe<br />

<strong>de</strong>s Staates und <strong>de</strong>r staatlichen Pflicht zur Daseinsvorsorge<br />

ableiten.<br />

Eine <strong>de</strong>r elementarsten Komponenten <strong>de</strong>r<br />

Daseinsvorsorge ist ohne Zweifel die Ver-<br />

sorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung mit Nahrungs-<br />

mitteln.<br />

I. <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Ernährungsnotfallvorsorge<br />

Die Ernährungsnotfallvorsorge (ENV) umfasst alle<br />

Maßnahmen zur Bewältigung von Versorgungskrisen<br />

<strong>im</strong> Ernährungsbereich. Zuständigkeiten <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es<br />

ergeben sich, wenn in wesentlichen Teilen <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esgebietes<br />

die Deckung <strong>de</strong>s Bedarfs an lebenswichtigen<br />

Erzeugnissen <strong>de</strong>r Land- und Ernährungswirtschaft<br />

ernsthaft gefähr<strong>de</strong>t ist.<br />

Auf <strong>de</strong>r Grundlage bestehen<strong>de</strong>r Rechtsvorschriften,<br />

<strong>de</strong>m Ernährungssicherstellungsgesetz (ESG) für <strong>de</strong>n<br />

Spannungs- und Verteidigungsfall, <strong>de</strong>m Ernährungsvorsorgegesetz<br />

(EVG) für die Sicherstellung <strong>de</strong>r Versorgung<br />

<strong>im</strong> Frie<strong>de</strong>n und weiterer Rechtsverordnun-<br />

Zu <strong>de</strong>n vielfältigen Aufgaben <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

<strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Ernährung gehören die Ernährungsnotfallvorsorge,<br />

die Sicherheit von Lebensmitteln<br />

und Futtermitteln sowie die Bekämpfung von<br />

Tierseuchen.<br />

gen können die entsprechen<strong>de</strong>n Maßnahmen zur<br />

Sicherung einer ausreichen<strong>de</strong>n Versorgung durch<br />

<strong>Bund</strong>, Län<strong>de</strong>r und Gemein<strong>de</strong>n vorgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

ESG und EVG geben <strong>de</strong>m Staat einen Katalog<br />

von Ermächtigungen für Rechtsverordnungen an die<br />

Hand, mit <strong>de</strong>nen u. a. Vorschriften über <strong>de</strong>n Anbau<br />

von Nutzpflanzen und die Haltung von Tieren, die<br />

Be- und Verarbeitung, Festsetzung von Preisen sowie<br />

die Abgabe von Produkten erlassen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Somit kann auf allen Marktstufen, von <strong>de</strong>r landwirtschaftlichen<br />

Erzeugung bis hin zum Absatz <strong>de</strong>r Lebensmittel<br />

an <strong>de</strong>n Verbraucher, durch <strong>de</strong>n Staat eingegriffen<br />

wer<strong>de</strong>n.


Neben <strong>de</strong>n genannten rechtlichen Aspekten gibt es<br />

<strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Ernährungsvorsorge auch materiellinvestive<br />

Maßnahmen (Lagerhaltung) auf <strong>Bund</strong>esebene.<br />

Die staatliche Notreserve <strong>im</strong> Nahrungsmittelbereich<br />

besteht zum einen aus Getrei<strong>de</strong> (so genannte<br />

<strong>Bund</strong>esreserve Getrei<strong>de</strong>); daraus soll <strong>im</strong> Krisenfall u.<br />

a. Mehl für die Brotversorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung hergestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Zum an<strong>de</strong>ren wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Rahmen<br />

<strong>de</strong>r so genannten Zivilen Notfallreserve (ZNR) Reis,<br />

Erbsen und Linsen, Kon<strong>de</strong>nsmilch sowie Vollmilchpulver<br />

eingelagert. Diese verbrauchsfertigen Nahrungsmittel<br />

sollen <strong>im</strong> Krisenfall über Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen<br />

vor allem an Verbraucher<br />

in Ballungsregionen abgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Produkte spielt neben <strong>de</strong>m ernährungsphysiologischen<br />

Aspekt vor allem die Lagerfähigkeit<br />

eine Rolle. Die Nahrungsmittel müssen<br />

relativ unempfindlich gegen Ver<strong>de</strong>rb sein und sich<br />

verhältnismäßig lange lagern lassen, um die für <strong>de</strong>n<br />

Austausch <strong>de</strong>r Ware entstehen<strong>de</strong>n Kosten (Wälzungskosten)<br />

möglichst niedrig zu halten.<br />

Die <strong>Bund</strong>esanstalt für Landwirtschaft und Ernährung<br />

(BLE), eine nachgeordnete Dienststelle <strong>de</strong>s BMELV,<br />

n<strong>im</strong>mt sowohl <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Ernährungssicherstellung<br />

als auch <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Ernährungsvorsorge<br />

wichtige Aufgaben wahr. Diese umfassen die zentrale<br />

Feststellung <strong>de</strong>r Bestän<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Erzeugung und<br />

<strong>de</strong>s Verbrauchs ernährungs- und landwirtschaftlicher<br />

Erzeugnisse sowie best<strong>im</strong>mter Produktionskapazitäten.<br />

Ferner erstellt die BLE zentrale Versorgungs- und<br />

Bevorratungspläne. Zu<strong>de</strong>m kauft, kontrolliert und<br />

verkauft sie <strong>im</strong> Auftrag <strong>de</strong>s BMELV die staatlichen<br />

Nahrungsmittelnotvorräte.<br />

Die staatlichen Notvorräte sind zur kurz-<br />

fristigen Überbrückung von Engpässen in<br />

<strong>de</strong>r Versorgung gedacht. Hilfreich in sol-<br />

chen Situationen sind natürlich auch pri-<br />

vate Vorräte. Aus diesem Grund sollte je<strong>de</strong>r<br />

daran <strong>de</strong>nken, einen persönlichen Vorrat<br />

an Lebensmitteln anzulegen.<br />

Die staatliche Notreserve <strong>im</strong> Nahrungsmittelbereich: ein<br />

Schüttlager <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esreserve Getrei<strong>de</strong><br />

Zivile Notfallreserve: Sacklager mit Hülsenfrüchten und Reis<br />

Ein solcher Vorrat macht sich selbst schon bei einem<br />

längeren Stromausfall (z. B. <strong>im</strong> Münsterland 2005)<br />

o<strong>de</strong>r be<strong>im</strong> witterungsbedingten Abgeschnittensein<br />

von <strong>de</strong>r Lebensmittelversorgung durch Hochwasser<br />

(z. B. Elbehochwasser 2002) o<strong>de</strong>r Schnee bezahlt.<br />

Empfehlungen zur privaten Lagerhaltung fin<strong>de</strong>n interessierte<br />

Verbraucherinnen und Verbraucher <strong>im</strong> Internet<br />

unter www.ernaehrungsvorsorge.<strong>de</strong>, einem Informationsportal<br />

<strong>de</strong>s BMELV und <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r.<br />

23


24<br />

Dieses Portal ist <strong>de</strong>r öffentlich zugängliche Teil <strong>de</strong>s<br />

computergestützten Informationssystems Ernährungsnotfallvorsorge<br />

(IS ENV). Die zwei an<strong>de</strong>ren<br />

Module <strong>de</strong>s IS ENV dienen <strong>de</strong>n Verantwortlichen<br />

auf <strong>Bund</strong>es-, Lan<strong>de</strong>s- und kommunaler Ebene dazu,<br />

das <strong>Krisenmanagement</strong> zu erleichtern. Mit Hilfe dieses<br />

Fachinformationssystems wer<strong>de</strong>n u. a. wichtige<br />

Empfehlungen zur privaten Lagerhaltung gibt es <strong>im</strong> Internet<br />

II. <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich von Lebensmitteln und Futtermitteln<br />

Die Kontamination von Lebens- und Futtermitteln<br />

mit mikrobiologischen, toxischen o<strong>de</strong>r radioaktiven<br />

Stoffen durch zufällige, fahrlässig o<strong>de</strong>r vorsätzlich<br />

herbeigeführte Verunreinigungen stellt ein potentielles<br />

Risiko für die menschliche Gesundheit dar. Daher<br />

sind Zwischenfälle in diesem Bereich <strong>im</strong>mer von<br />

Dokumente zur Verfügung gestellt und Informationen<br />

ausgetauscht. Durch das geografische Informationssystem<br />

GIS ENV sind die Verantwortlichen auf<br />

<strong>Bund</strong>es- und Lan<strong>de</strong>sebene in <strong>de</strong>r Lage, auf Basis einer<br />

Gebietsauswahl sowie <strong>de</strong>r Beschreibung eines<br />

eingetretenen Krisenfalls Entscheidungsgrundlagen<br />

für das <strong>Krisenmanagement</strong> zu gewinnen.<br />

einem großen öffentlichen Interesse begleitet, das ein<br />

beson<strong>de</strong>rs sorgfältiges <strong>Krisenmanagement</strong> erfor<strong>de</strong>rt.<br />

Auf Grund <strong>de</strong>r internationalen Warenströme fußt in<br />

diesem Bereich das <strong>Krisenmanagement</strong> in Deutschland<br />

auf <strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>r Europäischen Union.


Die Grundlage für das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich<br />

Lebens- und Futtermittel ist die Verordnung<br />

(EG) Nr. 178/2002 1 . Die Kommission <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Gemeinschaft erstellt danach einen allgemeinen<br />

Plan für das <strong>Krisenmanagement</strong> in enger<br />

Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Europäischen Behör<strong>de</strong> für<br />

Lebensmittelsicherheit und <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten. Der<br />

allgemeine Plan legt insbeson<strong>de</strong>re fest, in welchen<br />

Fällen auf Lebensmittel o<strong>de</strong>r Futtermittel zurückzuführen<strong>de</strong><br />

unmittelbare o<strong>de</strong>r mittelbare Risiken für<br />

die menschliche Gesundheit voraussichtlich nicht<br />

durch bereits vorhan<strong>de</strong>nen Vorkehrungen verhütet,<br />

beseitigt o<strong>de</strong>r auf ein akzeptables Maß gesenkt wer<strong>de</strong>n<br />

o<strong>de</strong>r ausschließlich durch Anwendung <strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>n einschlägigen Abschnitten <strong>de</strong>r Verordnung (EG)<br />

Nr. 178/2002 genannten Maßnahmen angemessen<br />

bewältigt wer<strong>de</strong>n können. Der Plan legt auch fest,<br />

welche praktischen Verfahren erfor<strong>de</strong>rlich sind, um<br />

eine Krise zu bewältigen, welche Transparenzgrundsätze<br />

hier Anwendung fin<strong>de</strong>n sollen und welche<br />

Kommunikationsstrategie gewählt wer<strong>de</strong>n soll. Ferner<br />

schreibt die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 2 über<br />

amtliche Futter- und Lebensmittelkontrollen vor, dass<br />

zur Durchführung <strong>de</strong>s allgemeinen Plans für das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

entsprechend <strong>de</strong>r Verordnung (EG)<br />

Nr. 178/2002 operative Notfallpläne aufzustellen sind.<br />

In diesen Notfallplänen sind die Maßnahmen aufzuführen,<br />

die unverzüglich durchgeführt wer<strong>de</strong>n müssen,<br />

sobald sich herausstellt, dass Futtermittel o<strong>de</strong>r<br />

Lebensmittel ein ernstes Risiko für die Gesundheit<br />

von Mensch und Tier entwe<strong>de</strong>r direkt o<strong>de</strong>r über die<br />

Umwelt darstellen.<br />

Die <strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland verfügt über einen<br />

fö<strong>de</strong>ralistischen Staatsaufbau. Die Aufgaben <strong>de</strong>r<br />

Überwachung von Futtermitteln und Lebensmitteln<br />

sind sowohl auf <strong>de</strong>n <strong>Bund</strong> als auch auf die Län<strong>de</strong>r<br />

verteilt. Die Rechtsetzung erfolgt durch <strong>de</strong>n <strong>Bund</strong>,<br />

die Län<strong>de</strong>r sind für die Durchführung <strong>de</strong>r lebensmittel-<br />

und futtermittelrechtlichen Vorschriften, namentlich<br />

die Überwachung, zuständig. Daher wer<strong>de</strong>n<br />

Notfallpläne für die Überwachung von Futtermitteln<br />

und Lebensmitteln von <strong>de</strong>n zuständigen obersten<br />

Lan<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esministerium für<br />

Verteidigung für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich<br />

erstellt.<br />

Im BMELV sind <strong>im</strong> „Leitfa<strong>de</strong>n zum <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Lebensmittelsicherheit“ die Abläufe <strong>de</strong>r Krisenbewältigung<br />

<strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Lebens- und Futtermittelsicherheit,<br />

auch in Bezug zum <strong>Bund</strong>esamt für<br />

Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)<br />

sowie zum <strong>Bund</strong>esinstitut für Risikobewertung (BfR),<br />

aufgeführt. Sobald <strong>de</strong>m zuständigen Fachreferat Informationen<br />

über ein Ereignis mit potenziellen Krisenauswirkungen<br />

vorliegen, kann durch <strong>de</strong>n Abteilungsleiter<br />

das Ereigniskernteam (EKT), das zentrale<br />

Managementinstrument <strong>de</strong>s Bereiches Lebensmittelsicherheit<br />

<strong>im</strong> BMELV, einberufen wer<strong>de</strong>n. Das EKT<br />

prüft die vorliegen<strong>de</strong>n Informationen zur Lage und<br />

legt die Folgeschritte fest. Hierzu kann es eine Risikobewertung<br />

durch das BfR einholen und weitere<br />

Arbeitseinheiten wie z.B. Fachreferate, das BVL o<strong>de</strong>r<br />

weitere Forschungsanstalten einbin<strong>de</strong>n. Als Ergebnis<br />

<strong>de</strong>r Bewertung <strong>de</strong>s Ereignisses durch das EKT kann<br />

die weitere Abwicklung bei fehlen<strong>de</strong>r Krisenrelevanz<br />

wie<strong>de</strong>r in die Referatsarbeit übergeben wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r<br />

es wird <strong>de</strong>m Staatssekretär <strong>de</strong>r Vorschlag vorgetragen,<br />

<strong>de</strong>n Krisenstab einzusetzen. Alternativ dazu kann <strong>de</strong>r<br />

Staatssekretär das EKT mit <strong>de</strong>r weiteren Bearbeitung<br />

<strong>de</strong>r Krise beauftragen. Der Krisenstab setzt sich aus<br />

<strong>de</strong>m Staatssekretär, <strong>de</strong>m EKT und <strong>de</strong>n Vertretern <strong>de</strong>r<br />

Pressestellen <strong>de</strong>s BMELV und <strong>de</strong>s BVL zusammen.<br />

Der Krisenstab wird durch eine Koordinierungsstelle<br />

Lebensmittelsicherheit unterstützt.<br />

Die Gesamtverantwortung und die politische Leitung<br />

<strong>de</strong>s Krisenstabes obliegen <strong>de</strong>m Staatssekretär.<br />

Die Leitung <strong>de</strong>s operativen Bereiches erfolgt jedoch<br />

durch <strong>de</strong>n Abteilungsleiter für Lebensmittelsicherheit<br />

und Veterinärwesen. Der Krisenstab erarbeitet die geeigneten<br />

Maßnahmen zur Bewältigung <strong>de</strong>r Krise und<br />

leitet <strong>de</strong>ren Umsetzung ein. Ebenso ist er für die ausführliche<br />

und transparente Information <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />

zuständig. Er hält enge Verbindung zu <strong>de</strong>n<br />

auf Lan<strong>de</strong>sebene eingerichteten Krisenstäben / Verwaltungsstäben<br />

und koordiniert ggf. einzuleiten<strong>de</strong><br />

Maßnahmen. Die Koordinierungsstelle Lebensmittelsicherheit<br />

übern<strong>im</strong>mt die Organisation und administrative<br />

Unterstützung <strong>de</strong>s Krisenstabes. Sie ist die Informationsschnittstelle<br />

für das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong><br />

BMELV und bil<strong>de</strong>t die Geschäftsstelle für <strong>de</strong>n Stab.<br />

25


26<br />

III. <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich von Tierseuchen<br />

Das Auftreten von Tierseuchen kann bei möglicher<br />

Übertragung auf Menschen eine Bedrohung für die<br />

menschliche Gesundheit darstellen (so genannte<br />

Zoonosen). Aber auch an<strong>de</strong>re Tierseuchen, die<br />

nicht auf Menschen übertragbar sind, können wegen<br />

<strong>de</strong>r Gefahr <strong>de</strong>r Verschleppung und möglichen<br />

starken Ausbreitungsten<strong>de</strong>nz eine große Gefahr für<br />

die Landwirtschaft und die vor- und nachgelagerten<br />

Wirtschaftsbereiche darstellen. Das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

in Deutschland <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Tierseuchenbekämpfung<br />

beruht auf rechtlichen Vorgaben <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union.<br />

Im Krisenfall wer<strong>de</strong>n dazu auf allen Ebenen <strong>de</strong>r Veterinärverwaltung<br />

(<strong>Bund</strong>, Län<strong>de</strong>r und Kreise) jeweils<br />

eigenständige Krisenzentren eingerichtet. Der <strong>Bund</strong><br />

gibt die legislativen Rahmenbedingungen durch <strong>de</strong>n<br />

Vogelgrippe auf Rügen: Bergen toter Schwäne an <strong>de</strong>r<br />

Wittower Fähre<br />

Erlass <strong>de</strong>r hierfür erfor<strong>de</strong>rlichen Rechtsvorschriften<br />

vor. Zur Gewährleistung eines einheitlichen Vollzugs<br />

<strong>de</strong>s Tierseuchenrechts in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn hat <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong><br />

eine Schlüsselstellung bei allen Koordinierungsaufgaben.<br />

Grundlagen für das <strong>Krisenmanagement</strong> in diesem<br />

Bereich sind das Tierseuchengesetz (TSG von<br />

2001), die auf Grund <strong>de</strong>s TSG erlassen Verordnungen,<br />

<strong>de</strong>r „<strong>Bund</strong>esmaßnahmenkatalog Tierseuchen“,<br />

die Tierseuchen-Bekämpfungsrichtlinien <strong>de</strong>r EU und<br />

die Krisenpläne <strong>de</strong>r zuständigen Behör<strong>de</strong>n.<br />

Die Koordination und Krisenkommunikation mit <strong>de</strong>n<br />

Län<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Europäischen Kommission,<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und Drittlän<strong>de</strong>rn ist Aufgabe<br />

<strong>de</strong>s Nationalen Krisenzentrums Tierseuchen <strong>im</strong><br />

BMELV, das die Tierseuchensituation <strong>im</strong> Inland und<br />

Ausland beobachtet und bewertet sowie für die Tierseuchenabwehr<br />

gegenüber Mitgliedstaaten <strong>de</strong>r EU<br />

und Drittlän<strong>de</strong>rn zuständig ist. Zur Lagebeobachtung<br />

wer<strong>de</strong>n spezielle Tierseuchennachrichtensysteme<br />

<strong>im</strong> In- und Ausland (Tierseuchennachrichtensystem<br />

TSN, An<strong>im</strong>al Disease Notification System ADNS) ausgewertet<br />

und Statistiken zur Tierseuchenlage erstellt.<br />

Das Nationale Krisenzentrum n<strong>im</strong>mt auch die Geschäftsführung<br />

für die Task Force Tierseuchenbekämpfung<br />

und für <strong>de</strong>n Zentralen Krisenstab auf <strong>de</strong>r<br />

Ebene <strong>de</strong>r Amtschefs wahr.<br />

Die Task Force Tierseuchenbekämpfung, die für<br />

hochkontagiöse und neuartige Tierkrankheiten zuständig<br />

ist, wur<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>r Maul- und Klauenseuchenkrise<br />

von 2001 gegrün<strong>de</strong>t. Sie ist eine gemeinsame<br />

Einrichtung von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn und setzt sich<br />

aus in Fragen <strong>de</strong>r Tierseuchenbekämpfung erfahrenen<br />

Vertretern <strong>de</strong>s BMELV, <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>s BMVg<br />

und <strong>de</strong>s Friedrich-Loeffler-Institutes, <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esforschungsinstitut<br />

für Tiergesundheit (FLI), zusammen.<br />

Der Leiter <strong>de</strong>s Nationalen Krisenzentrums ist gleichzeitig<br />

Leiter <strong>de</strong>r Task Force, die mit einem ständigen<br />

Arbeitsstab <strong>im</strong> BMELV vertreten ist. Die Personalkapazitäten<br />

für <strong>de</strong>n Arbeitsstab wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n<br />

Län<strong>de</strong>rn zur Verfügung gestellt, das BMELV trägt <strong>de</strong>n<br />

Aufwand für die räumliche Unterbringung und die<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Sachmittel.


Die betroffenen Län<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n durch die Task Force<br />

Tierseuchenbekämpfung beratend unterstützt; sie<br />

sorgt für eine vertiefen<strong>de</strong> län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Koordinierung<br />

<strong>de</strong>r Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen,<br />

ohne jedoch in die Län<strong>de</strong>rzuständigkeiten einzugreifen.<br />

Die Task Force erstellt und aktualisiert die<br />

Empfehlungen zur Bekämpfung hoch kontagiöser<br />

Tierseuchen, insbeson<strong>de</strong>re <strong>im</strong> Hinblick auf län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong><br />

und grenzüberschreiten<strong>de</strong> Belange und<br />

führt Übersichten über die Standards <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r für<br />

die Durchführung von Maßnahmen <strong>de</strong>r Tierseuchenbekämpfung.<br />

Über die Task Force können <strong>im</strong> Falle<br />

<strong>de</strong>s Ausbruchs o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Verdachts eines Ausbruchs<br />

einer Tierseuche <strong>de</strong>n betroffenen Län<strong>de</strong>rn Sachverständige<br />

zur Personalverstärkung zur Verfügung gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Task Force ist weiterhin für die Pflege und Fortschreibung<br />

<strong>de</strong>r „Handbücher Tierseuchenbekämpfung“<br />

und für Vorschläge zur Durchführung von<br />

Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen sowie län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>r<br />

Übungen und Trainingsprogramme<br />

zuständig. Sie hat die Beschaffung eines mobilen<br />

Bekämpfungszentrums durch die Län<strong>de</strong>r koordiniert,<br />

die En<strong>de</strong> 2006 abgeschlossen wur<strong>de</strong>.<br />

Als oberstes Koordinationsgremium kann <strong>im</strong> Ereignisfall<br />

<strong>de</strong>r Zentrale Krisenstab Tierseuchen auf Amtschefebene<br />

unter Leitung <strong>de</strong>s Staatssekretärs <strong>de</strong>s BMELV<br />

einberufen wer<strong>de</strong>n. Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Krisenstabes sind<br />

die Amtschefs <strong>de</strong>r für die Tierseuchenbekämpfung<br />

zuständigen Ressorts in <strong>de</strong>n <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>rn und ggf.<br />

die Amtschefs <strong>de</strong>r für die Landwirtschaft zuständigen<br />

Ressorts. Als Vertreter <strong>de</strong>r Wirtschaft nehmen Delegierte<br />

<strong>de</strong>s Deutschen Bauernverban<strong>de</strong>s e.V. und <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>esmarktverban<strong>de</strong>s für Vieh und Fleisch e.V. an<br />

<strong>de</strong>n Sitzungen teil. Auf Antrag können auch Sachverständige<br />

zu <strong>de</strong>n Sitzungen <strong>de</strong>s Zentralen Krisenstabes<br />

hinzugezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Furcht vor <strong>de</strong>r Maul- und Klauenseuche: Auf einem Bauernhof<br />

in Neuss wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Februar 2001 Kadaver von 750 gekeulten<br />

Schafen beseitigt<br />

Der Zentrale Krisenstab hat die Aufgabe, ein koordiniertes<br />

Vorgehen von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn sowie<br />

ein einheitliches Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Bekämpfung<br />

von Tierseuchen sicherzustellen und die<br />

zur Durchführung erfor<strong>de</strong>rlichen Maßnahmen abzust<strong>im</strong>men.<br />

Er analysiert die Tierseuchenlage und gibt<br />

Empfehlungen für die erfor<strong>de</strong>rlichen Bekämpfungs-<br />

und Vorbeugungsstrategien. Die Empfehlungen <strong>de</strong>s<br />

Krisenstabes wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n betroffenen Län<strong>de</strong>rn<br />

und <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong> jeweils <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r gegebenen<br />

Zuständigkeiten umgesetzt.<br />

Zum Autor: Ministerialrat Dr. Dieter Schnei<strong>de</strong>r ist Referatsleiter Notfallvorsorge <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Bonn<br />

1 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung <strong>de</strong>r allgemeinen<br />

Grundsätze und Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Lebensmittelrechts, zur Errichtung <strong>de</strong>r Europäischen Behör<strong>de</strong> für Lebensmittel<br />

sicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. EG Nr. L 31, S. 1).<br />

2 Verordnung (EG) Nr. 882/2004 <strong>de</strong>s Europäischen Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen<br />

zur Überprüfung <strong>de</strong>r Einhaltung <strong>de</strong>s Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie <strong>de</strong>r Best<strong>im</strong>mungen über Tiergesundheit und<br />

Tierschutz (ABl. EG Nr. L 165, S. 1; Berichtigung <strong>de</strong>r Verordnung (EG) Nr. 882/2004 (ABl. EG Nr. L 191, S. 1).<br />

27


28<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s<br />

Gesundheitswesens<br />

Dr. Johannes Blasius / Dr. Gesa Lücking, LL.M.<br />

Die Anschläge <strong>de</strong>s 11. September 2001, die Milzbrandbriefe und die mögliche<br />

rasche Verbreitung übertragbarer Krankheiten aufgrund <strong>de</strong>r fortschreiten<strong>de</strong>n<br />

Globalisierung veranschaulichen, dass gesundheitlicher Bevölkerungsschutz auf<br />

<strong>Bund</strong>es- und Lan<strong>de</strong>sebene gemeinsame Konzepte sowie nationale und internationale<br />

Kooperation und Koordination erfor<strong>de</strong>rt.<br />

Labor in <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>suntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen in Sachsen am Standort Chemnitz<br />

Die Zuständigkeiten für das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Gesundheitswesens<br />

Ein solcher Krisenzustand war in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

prinzipiell nur <strong>im</strong> Verteidigungsfall <strong>de</strong>nkbar. Daher<br />

knüpft das Grundgesetz <strong>im</strong> Gesundheitsbereich an<br />

die Zuständigkeitsverteilung an, wie sie in dieser<br />

Publikation <strong>im</strong> Grundsatzbeitrag <strong>de</strong>s BMI „Die Rolle<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Gesundheitswesens setzt ins-<br />

beson<strong>de</strong>re dann ein, wenn es be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Engpässe <strong>im</strong> Rahmen<br />

<strong>de</strong>r medizinischen Versorgung bzw. <strong>de</strong>r Arzne<strong>im</strong>ittelversorgung<br />

<strong>de</strong>r Bevölkerung gibt.<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es <strong>im</strong> nationalen <strong>Krisenmanagement</strong>“ beschrieben<br />

ist: Das <strong>Bund</strong>esministerium für Gesundheit<br />

(BMG) ist für Gesundheitsbedrohungen durch<br />

biologische Agenzien <strong>im</strong> Zivilschutzfall (Gesundheitssicherstellung)<br />

zuständig. Dies basiert auf <strong>de</strong>r


BLALAG<br />

In allen übrigen Fällen gesundheitlicher Scha<strong>de</strong>nslagen,<br />

z.B. bei terroristischen Anschlägen, liegt die<br />

Zuständigkeit bei <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn. Dies gilt auch für alle<br />

nicht vorsätzlich verursachten Szenarien wie Naturkatastrophen,<br />

eine Influenzapan<strong>de</strong>mie, einen Laborunfall<br />

mit biologischen Agenzien o<strong>de</strong>r auch, wenn<br />

ein infizierter Tourist aus <strong>de</strong>m Ausland einreist (Gesundheitsvorsorge).<br />

Die bun<strong>de</strong>srechtlichen Grundlagen<br />

für Maßnahmen <strong>de</strong>s Infektionsschutzes sind <strong>im</strong><br />

Der Krisenstab <strong>de</strong>s BMG – Koordination bei großflächigen gesundheitlichen Gefahrenlagen<br />

Für das gesundheitliche <strong>Krisenmanagement</strong> ist <strong>im</strong><br />

BMG ein Krisenstab eingerichtet, <strong>de</strong>r <strong>im</strong> Bedarfsfall<br />

kurzfristig einberufen wer<strong>de</strong>n kann. Er dient <strong>de</strong>r Koordination<br />

von Maßnahmen <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

großflächigen, national und ggf. international be<strong>de</strong>utsamen<br />

gesundheitlichen Gefahrenlagen. Da das<br />

BMG für <strong>de</strong>n Infektionsschutz zuständig ist, steht die<br />

Bewältigung von biologischen Szenarien <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund.<br />

Der Krisenstab ist nach Sachgebieten geglie<strong>de</strong>rt.<br />

Diese stellen u.a. sicher, dass die Leitung und <strong>de</strong>r<br />

Stab insgesamt je<strong>de</strong>rzeit die aktuellen Informationen<br />

über die Scha<strong>de</strong>nslage erhalten, dass diese fachlich<br />

bewertet wer<strong>de</strong>n, die politische Leitung regelmäßig<br />

informiert und in Entscheidungen einbezogen wird<br />

Ressorts<br />

Schaubild 1<br />

Fachreferate RKI<br />

Interministerielle<br />

PEI, BfARM<br />

Koordinierungsgruppe<br />

(IntMinKoGr)<br />

BBK, UBA<br />

generellen Zuständigkeit <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es für <strong>de</strong>n Verteidigungs-<br />

und Zivilschutzfall sowie <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministeriums<br />

für Gesundheit für <strong>de</strong>n Infektionsschutz.<br />

Nationale Kontakte<br />

BMG<br />

Krisenstab<br />

Gemeinsamer<br />

Krisenstab<br />

BMI / BMG<br />

Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt, welches von<br />

<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn vollzogen wird.<br />

Ungeachtet dieser Zuständigkeitsverteilung ist das<br />

BMG für die internationale Zusammenarbeit <strong>im</strong> gesundheitlichen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> zuständig. Hier<br />

wer<strong>de</strong>n Informationen z.B. über aufgetretene übertragbare<br />

Krankheiten international <strong>im</strong> Rahmen von<br />

Früh- und Schnellwarnsystemen ausgetauscht. Die<br />

Staaten arbeiten grenzüberschreitend bei planerischorganisatorischen<br />

Vorkehrungen zusammen (z.B. bei<br />

Maßnahmen zum Infektionsschutz <strong>im</strong> Reiseverkehr)<br />

und leisten sich gegenseitig Hilfe.<br />

und die Maßnahmen z.B. mit an<strong>de</strong>ren Ressorts sowie<br />

international abgest<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n. Ein weiterer wichtiger<br />

Sachbereich beschäftigt sich mit <strong>de</strong>r Presse- und<br />

Medienarbeit. Diese Stabsfunktionen wer<strong>de</strong>n lageangepasst<br />

besetzt. Eine Rufbereitschaft stellt sicher, dass<br />

das Ministerium außerhalb <strong>de</strong>r Dienstzeiten je<strong>de</strong>rzeit<br />

für Alarmmeldungen erreichbar ist.<br />

Der Krisenstab wird einberufen, wenn eine Lage<br />

nicht in <strong>de</strong>r normalen Dienstzeit und unter Einhaltung<br />

<strong>de</strong>r normalen Arbeitsabläufe bearbeitet wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Ebenso kann es zweckmäßig sein, <strong>de</strong>n Krisenstab<br />

einzusetzen, wenn das Ausmaß <strong>de</strong>r Lage umfassen<strong>de</strong><br />

Zusammenarbeit o<strong>de</strong>r internationale Kooperation<br />

erfor<strong>de</strong>rt.<br />

29


30<br />

Nationale und internationale Koordination und Vernetzung<br />

Bei großflächigen und national be<strong>de</strong>utsamen biologische<br />

Gefahrenlagen außerhalb eines Verteidigungsfalles,<br />

bei <strong>de</strong>nen kooperiert und Maßnahmen koordiniert<br />

wer<strong>de</strong>n müssen, bietet das BMG <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Amtshilfe Koordinierungshilfe und<br />

Expertise an, vor allem durch seine nachgeordneten<br />

Behör<strong>de</strong>n.<br />

Der <strong>im</strong> BMG eingerichtete Krisenstab erleichtert es,<br />

Informationen zu bün<strong>de</strong>ln und Strategien zur Bewältigung<br />

<strong>de</strong>r Krise gemeinsam mit Robert Koch-Institut<br />

(RKI), Paul-Ehrlich-Institut (PEI), <strong>Bund</strong>esinstitut für<br />

Arzne<strong>im</strong>ittel und Medizinprodukte (BfArM) und <strong>de</strong>r<br />

für Trinkwasser zuständigen Abteilung <strong>de</strong>s Umweltbun<strong>de</strong>samtes<br />

(UBA) zu entwickeln. Eine wesentliche<br />

Rolle spielt hierbei auch die Risikokommunikation<br />

unter nationalen und internationalen Behör<strong>de</strong>n und<br />

mit <strong>de</strong>r Öffentlichkeit. Für spezielle fachliche Fragen<br />

existieren Expertenkreise; so wird das RKI <strong>im</strong><br />

Hinblick auf spezielle wissenschaftliche Expertise<br />

<strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>r Influenzapan<strong>de</strong>mie durch die Influenza-Kommission<br />

für <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>miefall beraten (siehe<br />

auch Schaubild 1 auf Seite 29).<br />

Auf <strong>Bund</strong>esebene hält <strong>de</strong>r BMG-Krisenstab Kontakt<br />

zu entsprechen<strong>de</strong>n Krisenstäben in an<strong>de</strong>ren Ressorts,<br />

vor allem <strong>im</strong> BMI. Bei einer schweren Krise <strong>im</strong> Sinne<br />

einer biologischen Gefahrenlage von nationaler und<br />

internationaler Be<strong>de</strong>utung wie einer Influenzapan<strong>de</strong>mie<br />

o<strong>de</strong>r einem Pockenausbruch wird be<strong>im</strong> BMI<br />

<strong>de</strong>r Gemeinsame Krisenstab <strong>de</strong>s BMI und <strong>de</strong>s BMG<br />

eingerichtet und ggf. die Interministerielle Koordinierungsgruppe<br />

einberufen 1 .<br />

Joint Medical<br />

Committee<br />

(JMC)<br />

NATO EU<br />

Höherer Planungsausschuss<br />

für zivile Notfälle<br />

(SCEPC)<br />

Euro-atlantisches<br />

Koordinierungszentrum<br />

für Katastrophenhilfe<br />

(EADRCC)<br />

RKI<br />

WHO<br />

BMI<br />

BMI LZ<br />

Internationale Kontakte<br />

BMG<br />

Krisenstab<br />

Global Health Security Initialive<br />

(GHSI)<br />

Nottransport eines kontaminierten, verletzten Patienten<br />

Auch nach Einrichtung <strong>de</strong>s Gemeinsamen Krisenstabes<br />

mit <strong>de</strong>m BMI bewertet <strong>de</strong>r Krisenstab <strong>de</strong>s BMG<br />

die Strategie <strong>de</strong>r Krisenbewältigung zu gesundheitlichen<br />

und medizinischen Fragestellungen. Diese<br />

st<strong>im</strong>mt er mit <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />

<strong>de</strong>r obersten Lan<strong>de</strong>sgesundheitsbehör<strong>de</strong>n<br />

(AOLG) bzw. <strong>im</strong> speziellen Falle <strong>de</strong>r Influenzapan<strong>de</strong>mie<br />

mit <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>-Län<strong>de</strong>r-Abteilungsleiter-Arbeitsgemeinschaft<br />

(BLALAG) ab.<br />

Im internationalen Bereich arbeiten das BMG und<br />

sein Geschäftsbereich mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Gremien<br />

auf EU-Ebene, z.B. <strong>de</strong>m Health Security Committee,<br />

<strong>de</strong>m Europäischen Zentrum für die Prävention<br />

und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC),<br />

<strong>de</strong>r Weltgesundheitsorganisation (WHO), <strong>de</strong>r Global<br />

Health Security Initiative (GHSI), bestehend aus <strong>de</strong>n<br />

G7-Staaten, Mexiko und <strong>de</strong>r EU-Kommission und<br />

<strong>de</strong>m Joint Medical Committee <strong>de</strong>r NATO zusammen<br />

(siehe auch Schaubild 2).<br />

Health Security Committee<br />

(HSC)<br />

Schnellwarnsystem für<br />

biologische und chemische<br />

Anschläge und Bedrohungen<br />

(RAS-BICHAT)<br />

RKI<br />

RKI<br />

PEI<br />

Europäische Arzne<strong>im</strong>ittelagentur<br />

(EMEA)<br />

Schaubild 2<br />

Frühwarnsystem für<br />

übertragbare Krankheiten<br />

(EWRS)<br />

Verwaltungsrat<br />

(MB)<br />

(wissenschaftlicher)<br />

Beirat<br />

(AF)<br />

Europäisches<br />

Zentrum für<br />

die Prävention<br />

und Kontrolle<br />

von Krankheiten<br />

(ECDC)


Spezielle Planungen für gesundheitliche Scha<strong>de</strong>nsereignisse<br />

Für best<strong>im</strong>mte Szenarien – z.B. Pocken und Influenza<br />

– sind Pläne und Konzepte zum Management<br />

<strong>de</strong>rartiger Gefahrenlagen vorbereitet und die entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Verfahren mit <strong>de</strong>n beteiligten an<strong>de</strong>ren<br />

Ressorts sowie <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn über die Arbeitsgemeinschaft<br />

<strong>de</strong>r obersten Lan<strong>de</strong>sgesundheitsbehör<strong>de</strong>n<br />

(AOLG) <strong>im</strong> Vorfeld abgest<strong>im</strong>mt wor<strong>de</strong>n. Die Planungen<br />

wer<strong>de</strong>n regelmäßig fachlich überarbeitet und<br />

durch Übungen auf internationaler, nationaler 2 und<br />

regionaler Ebene praktisch überprüft.<br />

Diese Planungen betreffen <strong>de</strong>n gesamten Ablauf <strong>de</strong>s<br />

jeweiligen biologischen Scha<strong>de</strong>nsereignisses. Dabei<br />

geht es sowohl um die Behandlung <strong>de</strong>s einzelnen<br />

Menschen (Diagnostik, Patiententransport, Behandlung<br />

mit Impfstoffen und Arzne<strong>im</strong>itteln) als auch um<br />

die öffentliche Gesundheit. Die Maßnahmen <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Gesundheit umfassen rechtliche<br />

Mel<strong>de</strong>verpflichtungen be<strong>im</strong> Auftreten best<strong>im</strong>mter<br />

Krankheiten. Damit sich die Krankheit möglichst<br />

nicht weiter verbreitet, bestehen Absprachen, wie<br />

beispielsweise ansteckungsverdächtige Kontaktpersonen<br />

ermittelt und aufgesucht wer<strong>de</strong>n und inwieweit<br />

die Bewegungsfreiheit eingeschränkt wer<strong>de</strong>n<br />

muss.<br />

Risikokommunikation in Richtung Bevölkerung,<br />

Presse und Fachöffentlichkeit ist ein wesentlicher Bestandteil<br />

eines guten <strong>Krisenmanagement</strong>s. Hier sind<br />

entsprechen<strong>de</strong> Vorbereitungen getroffen wor<strong>de</strong>n, so<br />

sind z.B. vorab Informationsblätter erstellt und Verhaltensregeln<br />

für die Allgemeinheit abgest<strong>im</strong>mt wor<strong>de</strong>n.<br />

Diese können <strong>im</strong> Ereignisfall genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Weiterhin liegen Planungen, angefangen von Labordiagnostik<br />

über stationäre Behandlungskapazitäten,<br />

Probenübergabe <strong>im</strong> abgesicherten Bereich <strong>de</strong>s<br />

Robert-Koch-Instituts<br />

Hygiene- und Schutzmaßnahmen in Krankenhäusern<br />

für Patienten und Personal, Organisation von<br />

Schutz<strong>im</strong>pfungen (Einrichtung von Impfstellen,<br />

Impfbescheinigungen) bis hin zur Bevorratung von<br />

Impfstoffen und Hilfsmitteln und Verteilung von Arzne<strong>im</strong>itteln<br />

vor.<br />

Diese Vorbereitungsmaßnahmen sind – da es sich<br />

hier um Vorbereitungen auf die größtmöglichen biologischen<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen han<strong>de</strong>lt – auf an<strong>de</strong>re biologische<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen entsprechend übertragbar.<br />

Die Planungen haben zu einer engen Zusammenarbeit<br />

aller Akteure geführt. Sie bil<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />

<strong>de</strong>r gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

ein tragfähiges Konzept, um das bestmögliche<br />

Zusammenwirken aller <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> von<br />

gesundheitlichen Großscha<strong>de</strong>nslagen tätigen Akteure<br />

sicherzustellen.<br />

Zu <strong>de</strong>n Autoren: Ministerialrat Dr. Johannes Blasius ist Referatsleiter, Oberregierungsrätin Dr. Gesa Lücking, LL.M., Referentin<br />

<strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esministerium für Gesundheit, Bonn<br />

1 Details zur Interministeriellen Koordinierungsgruppe <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r enthält in Kapitel I dieser Publikation <strong>de</strong>r<br />

Grundsatzartikel „Die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>“.<br />

2 Zur Influenzapan<strong>de</strong>mieplanung bei LÜKEX 2007 <strong>im</strong> Detail siehe auch Kapitel IV dieser Publikation, S. 157 ff. Beitrag<br />

„LÜKEX 2007: Wichtige Erkenntnisse für strategisches <strong>Krisenmanagement</strong> und nationale Pan<strong>de</strong>mieplanung“<br />

31


32<br />

Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>r Zivil-Militärischen Zusammenarbeit:<br />

Das neue „Territoriale Netzwerk“ <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr<br />

Frank Baumgard<br />

Hochwasser-Einsatz <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr an <strong>de</strong>r Prignitz <strong>im</strong> April<br />

2006<br />

Die territorialen Strukturen <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr <strong>im</strong> Wan<strong>de</strong>l<br />

Während <strong>de</strong>s Kalten Krieges waren zivile und militärische<br />

Verteidigung unter <strong>de</strong>m Begriff „Gesamtverteidigung“<br />

zusammengefasst. Diese war Bestandteil<br />

nationaler Sicherheitsvorsorge und diente unmittelbar<br />

<strong>de</strong>r Unterstützung <strong>de</strong>s Einsatzes bündnisgemeinsamer<br />

Streitkräfte zum Schutz <strong>de</strong>s Staatsgebietes und<br />

<strong>de</strong>r Bevölkerung gegen Angriffe von außen. Im Mittelpunkt<br />

stan<strong>de</strong>n dabei Planung und Führung <strong>de</strong>r<br />

Operationen zum Raum- und Objektschutz sowie die<br />

Koordination <strong>de</strong>r zivilen und militärischen nationalen<br />

Operationen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Gesamtverteidigung.<br />

Mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wie<strong>de</strong>rvereinigung wur<strong>de</strong>n diese<br />

Strukturen überflüssig. Eine neue territoriale Struktur,<br />

das „Territoriale Netzwerk“, hat heute zum Ziel, <strong>de</strong>n<br />

Beitrag <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr zum Schutz Deutschlands<br />

und seiner Bürger unter <strong>de</strong>n geän<strong>de</strong>rten strukturellen<br />

Gegebenheiten weiter zu verbessern.<br />

Seit 2001 wird die <strong>Bund</strong>eswehr auf breiter Basis neu<br />

ausgerichtet. Ziel dieses als Transformation bezeichneten<br />

Prozesses ist es, die Fähigkeit <strong>de</strong>r Streitkräfte<br />

zum weltweiten Einsatz zu verbessern, da Deutschland<br />

<strong>de</strong>n Bedrohungen dort entgegen treten muss,<br />

wo sie entstehen. Dennoch trägt die <strong>Bund</strong>eswehr<br />

auf <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>r gesetzlichen Grundlagen weiterhin<br />

in einem vernetzten gesamtstaatlichen Ansatz<br />

zum Schutz <strong>de</strong>r Bürger und Bürgerinnen und von lebenswichtiger<br />

Infrastruktur <strong>im</strong> Inland bei. Für diesen<br />

Zweck ist die auftragsgerechte Ausgestaltung <strong>de</strong>r Zivil-Militärischen<br />

Zusammenarbeit Inland (ZMZ) eine<br />

wichtige Voraussetzung, damit Truppenteile und<br />

Dienststellen <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr zur Unterstützung ziviler<br />

Behör<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Bewältigung von Naturkatastrophen<br />

und beson<strong>de</strong>rs schweren Unglücksfällen nach<br />

<strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip opt<strong>im</strong>al eingesetzt wer<strong>de</strong>n<br />

können. Die Streitkräftebasis (SKB) – <strong>de</strong>r zentrale<br />

militärischen Organisationsbereich zur Unterstützung<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr in Einsatz und Grundbetrieb – stellt<br />

die dazu erfor<strong>de</strong>rliche Führungsorganisation sicher.<br />

Das neue „Territoriale Netzwerk“ besteht aus<br />

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Köln-Wahn;<br />

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Mainz, Erfurt und München;<br />

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ligen Lan<strong>de</strong>sregierung, einschließlich <strong>de</strong>s<br />

Standortkommandos Berlin;<br />

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rungsbezirken bzw. vergleichbaren Behör<strong>de</strong>n<br />

sowie allen Landkreisen und kreisfreien Städten;<br />

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stützungstrupps (RegPl / UstgTrp), und <strong>de</strong>n<br />

ZMZ-Stützpunkten.


Bezirks- und Kreisverbindungskommandos – Effizienzsteigerung <strong>de</strong>r ZMZ<br />

Der <strong>de</strong>rzeitigen fö<strong>de</strong>ralen Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik<br />

folgend sind 31 Bezirks- und 426 Kreisverbindungskommandos<br />

aufgestellt wor<strong>de</strong>n; sie sind<br />

Teileinheiten <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>skommandos. Im Fall einer<br />

Zusammenlegung von Kreisen wird die Zahl dieser<br />

Kommandos entsprechend angepasst. Diese Verbindungskommandos<br />

wer<strong>de</strong>n ausschließlich mit regional<br />

ansässigen Reservisten und Reservistinnen besetzt.<br />

Je<strong>de</strong>s Verbindungskommando umfasst 12 Dienstposten,<br />

so dass insgesamt rund 5.500 Reservisten und<br />

Reservistinnen, davon 3.650 Offiziere, die Aufgaben<br />

in <strong>de</strong>n Kommandos wahrnehmen. Ihre Kernaufgaben<br />

sind:<br />

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über Möglichkeiten und Grenzen <strong>de</strong>r Unterstüt-<br />

zung durch die <strong>Bund</strong>eswehr;<br />

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schutzstabes zur aktuellen Lage und Beteiligung<br />

an <strong>de</strong>n operativen Folgeplanungen zur Gefah-<br />

renabwehr;<br />

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und Meldung an das Lan<strong>de</strong>skommando;<br />

� ������ ��� ���������� ��� ������������ �������<br />

wehrkräfte und Informieren <strong>de</strong>s Krisenstabes<br />

über die Lage <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehrkräfte;<br />

Kooperationsebenen <strong>im</strong><br />

Rahmen <strong>de</strong>r Zivil-<br />

Militärischen Zusammenarbeit<br />

� ������ ��� ���������� ��� ��� ���������� ����<br />

geplanungen, Absichten und Schwerpunkte <strong>de</strong>s<br />

leiten<strong>de</strong>n zivilen Katastrophenstabes an das Lan-<br />

<strong>de</strong>skommando.<br />

Die Leiter <strong>de</strong>r Verbindungskommandos stehen als<br />

„Beauftragte <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr für die Zivil-Militärische<br />

Zusammenarbeit“ (BeaBwZMZ) <strong>de</strong>n zugeordneten<br />

zivilen Dienststellen auch außerhalb von<br />

Katastrophenfällen als Ansprechpartner in Fragen<br />

möglicher Unterstützungsleistungen zur Verfügung.<br />

Die Planung <strong>de</strong>s Katastrophenschutzes kann dadurch<br />

bereits in sehr frühen Phasen unter Berücksichtigung<br />

militärischer Expertise erfolgen, und realistische Unterstützungsmöglichkeiten<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr für die<br />

Hilfeleistung können aufgezeigt wer<strong>de</strong>n. Dies trägt<br />

dazu bei, dass auf <strong>de</strong>r zivilen Seite frühzeitig, d.h. bereits<br />

in <strong>de</strong>r Planung, Fähigkeitslücken ggf. geschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n können. Die Leiter <strong>de</strong>r Verbindungskommandos<br />

wer<strong>de</strong>n zum Zweck opt<strong>im</strong>aler Verfügbarkeit<br />

<strong>de</strong>shalb auch nicht in einer militärischen Liegenschaft<br />

untergebracht, son<strong>de</strong>rn in einem Büro <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

zivilen Behör<strong>de</strong>, um bereits <strong>im</strong> Grundbetrieb in das<br />

„kommunale Netzwerk Katastrophenhilfe“ eingebun<strong>de</strong>n<br />

zu sein.<br />

33


34<br />

Regionale Zuständigkeiten <strong>de</strong>r vier Wehrbereichskommandos<br />

Im Einsatz tritt <strong>de</strong>r BeaBwZMZ mit seinem Verbindungskommando<br />

in schichtfähiger Besetzung zum<br />

jeweiligen Krisen-/Verwaltungsstab. Dadurch kann<br />

sowohl <strong>de</strong>r Entscheidungsprozess <strong>de</strong>r zivilen Seite<br />

zur Anfor<strong>de</strong>rung von Unterstützungsleistungen durch<br />

eine schnellere Bewertung <strong>de</strong>r Fähigkeiten <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr<br />

als auch die bun<strong>de</strong>swehrinterne Bewertung<br />

möglicher Unterstützleistungen beschleunigt und<br />

qualitativ verbessert wer<strong>de</strong>n. Der Zeitaufwand für die<br />

Einsatzplanung wird verkürzt, für Unterstützungsleistungen<br />

vorgesehene Kräfte <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr können<br />

schneller zum Einsatz kommen. Der BeaBwZMZ <strong>de</strong>s<br />

Bezirksverbindungskommandos ist ein Oberst <strong>de</strong>r<br />

Reserve, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Kreisverbindungskommandos ein<br />

Oberstleutnant <strong>de</strong>r Reserve.<br />

Um <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Belangen <strong>de</strong>s zivilen Gesundheitswesens<br />

bei <strong>de</strong>r Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Zentralen<br />

Sanitätsdienst <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr gerecht zu wer<strong>de</strong>n,<br />

sind <strong>im</strong> Einsatzfall zu<strong>de</strong>m ein „Beauftragter Sanitätsstabsoffizier<br />

für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit<br />

Gesundheitswesen“ (BeaSanStOffzZMZGesWes) und<br />

ein Sanitätsfeldwebel in je<strong>de</strong>s Verbindungskommando<br />

integriert. Sie sind be<strong>im</strong> zuständigen Sanitätskommando<br />

(SanKdo) beor<strong>de</strong>rt und wer<strong>de</strong>n dort fachlich<br />

aus- und weitergebil<strong>de</strong>t. In Fragen <strong>de</strong>s Sanitätsdienstes<br />

steht <strong>de</strong>r Sanitätsstabsoffizier <strong>de</strong>r zivilen Seite<br />

auch außerhalb <strong>de</strong>s Einsatz- und Übungsfalles als<br />

Ansprechpartner zur Verfügung. Die Dotierung <strong>de</strong>s<br />

Dienstpostens ist vergleichbar <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s BeaBwZMZ.<br />

Kommen Kräfte <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr zum Einsatz, wer<strong>de</strong>n<br />

sie <strong>de</strong>m zuständigen Wehrbereichskommando<br />

zugewiesen und dort mit Blick auf eine län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong><br />

Unterstützung geführt. Für die Führung<br />

vor Ort greift die Truppe auf ihre Führungsmittel<br />

und Führungsorganisation zurück. Dies kann zum<br />

Beispiel ein Bataillonsgefechtsstand o<strong>de</strong>r ein Briga<strong>de</strong>stab<br />

<strong>de</strong>s Heeres sein. Dem Lan<strong>de</strong>skommando obliegt<br />

die Abst<strong>im</strong>mung an <strong>de</strong>n Schnittstellen zwischen<br />

<strong>de</strong>n zivilen Krisen- und Verwaltungsstäben und <strong>de</strong>m<br />

militärischen Führer <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehrkräfte.


ZMZ-Stützpunkte – Spezialfähigkeiten für beson<strong>de</strong>re Krisenlagen<br />

For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r auf subsidiär zu leisten<strong>de</strong><br />

Unterstützung durch die <strong>Bund</strong>eswehr in Krisenlagen<br />

beziehen sich beson<strong>de</strong>rs auf <strong>de</strong>ren Fähigkeiten<br />

zur Abwehr von Schä<strong>de</strong>n durch ABC-Kampfmittel,<br />

zur Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten<br />

sowie zur Pionier- und Transportunterstützung<br />

(Land und / o<strong>de</strong>r Luft), auf <strong>de</strong>n Brandschutz und die<br />

Kampfmittelbeseitigung. Das „Territoriale Netzwerk“<br />

wird für diesen Zweck durch die geplante Schaffung<br />

von 16 ZMZ-Stützpunkten mit entsprechen<strong>de</strong>n speziellen<br />

Fähigkeiten abgerun<strong>de</strong>t, und zwar zur sanitätsdienstlichen<br />

Unterstützung (9 Stützpunkte), zur<br />

Unterstützung durch Pioniere / Spezialpioniere (5<br />

Stützpunkte) und zur ABC-Abwehr (2 Stützpunkte).<br />

Hierfür wer<strong>de</strong>n nichtaktive Einheiten / Teileinheiten<br />

aufgestellt, <strong>de</strong>ren Angehörige <strong>im</strong> Rahmen von „Hilfe-<br />

Rechtliche Rahmenbedingungen für Hilfeleistungen <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr<br />

Die Hilfeleistung bei Naturkatastrophen und beson<strong>de</strong>rs<br />

schweren Unglücksfällen ist keine originäre Aufgabe<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr, son<strong>de</strong>rn <strong>im</strong>mer ein subsidiärer<br />

Auftrag zur Unterstützung <strong>de</strong>r zuständigen zivilen<br />

Stellen bei <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn. Unterstützungsleistungen<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer nur <strong>im</strong> Rahmen freier Kapazitäten<br />

und in Abhängigkeit vom Hauptauftrag (<strong>de</strong>r Truppe)<br />

bereitgestellt.<br />

Hilfe durch die <strong>Bund</strong>eswehr kann durch die zuständigen<br />

Behör<strong>de</strong>n / Dienststellen angefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

bei<br />

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leistungen <strong>im</strong> Inneren“ – eine neue, eigenständige<br />

Wehrdienstart, die <strong>im</strong> Wehrpflicht- und Soldatengesetz<br />

nunmehr verankert ist – einberufen und mit <strong>de</strong>n zum<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>s Einsatzes verfügbaren aktiven Truppenteilen<br />

am Standort <strong>de</strong>s Stützpunktes aktiv wer<strong>de</strong>n<br />

können. Daraus folgt jedoch keine Exklusivität zur<br />

Hilfeleistung. Die Einrichtung <strong>de</strong>r ZMZ-Stützpunkte<br />

setzt das bisherige Prinzip, grundsätzlich alle Verbän<strong>de</strong><br />

/ Dienststellen <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr zur Hilfeleistung<br />

<strong>im</strong> Bedarfsfall heranzuziehen, nicht außer Kraft. Das<br />

BMVg erarbeitet zurzeit die konzeptionellen Grundlagendokumente<br />

für das Stützpunktkonzept. Ziel ist<br />

es, die Stützpunkte ab 2009 aufzustellen und nach<br />

<strong>de</strong>rzeitiger Planung 2010 abzuschließen<br />

Die <strong>Bund</strong>eswehr will künftig durch neue ZMZ- Stützpunkte<br />

bei beson<strong>de</strong>ren Krisenlagen unterstützen, unter an<strong>de</strong>rem zur<br />

sanitätsdienstlichen Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung.<br />

Im Bild: Einsatzübung be<strong>im</strong> Lazarettreg<strong>im</strong>ent 31, Berlin.<br />

35


36<br />

Daneben steht die technisch-logistische Amtshilfe,<br />

die sowohl <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r zuvor genannten Anlässe<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n kann, die aber auch ohne diese<br />

Anlässe auf Anfor<strong>de</strong>rung gegenüber <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r (z.B. <strong>Bund</strong>espolizei,<br />

Polizeien <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, Katastrophenschutzbehör<strong>de</strong>n,<br />

etc.) zu leisten ist (Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz). Dies<br />

schließt technisch-logistische Amtshilfe für planbare<br />

Ereignisse ein (z.B. Fußballweltmeisterschaft 2006,<br />

G8-Gipfel 2007). Zur Amtshilfe verpflichtet sind auch<br />

die Streitkräfte sowie die Wehrverwaltung gegenüber<br />

Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r unmittelbaren <strong>Bund</strong>es-, Lan<strong>de</strong>s- und<br />

Kommunalverwaltungen. Diese Pflicht wird durch §§<br />

4 - 8 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es<br />

konkretisiert.<br />

Auf dieser Grundlage kann die <strong>Bund</strong>eswehr auf Ersuchen<br />

von Behör<strong>de</strong>n Fähigkeiten, Kräfte, Mittel und<br />

Leistungen (auch bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen)<br />

bereitstellen, solange dabei nicht hoheitliche<br />

Befugnisse ausgeübt wer<strong>de</strong>n. Hierbei können<br />

z.B. Auskünfte erteilt, Liegenschaften, Transportkapazität<br />

und an<strong>de</strong>re Sachleistungen bereitgestellt sowie<br />

personelle und sonstige Unterstützung geleistet wer<strong>de</strong>n.<br />

Amtshilfe beschränkt sich auf ergänzen<strong>de</strong> Hilfe<br />

auf Anfor<strong>de</strong>rung einer Behör<strong>de</strong> in Einzelfällen und<br />

schließt eine auf Dauer angelegte, institutionalisierte<br />

Zusammenarbeit zwischen Behör<strong>de</strong>n aus. Amtshilfe<br />

hat nicht <strong>de</strong>n Zweck, einer an<strong>de</strong>ren Behör<strong>de</strong> die für<br />

ihre Aufgaben benötigten Ressourcen und Ausgabemittel<br />

zu ersparen.<br />

Für <strong>de</strong>n Katastrophenschutz sind originär die Län<strong>de</strong>r<br />

zuständig. Das bedingt grundsätzlich die Übernahme<br />

<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Katastrophenhilfe entstan<strong>de</strong>nen<br />

Aufwendungen <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr durch die entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r. Für die angefor<strong>de</strong>rte<br />

Unterstützung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr wird <strong>de</strong>r reduzierte<br />

Amtshilfesatz (ohne Personalkosten) in Rechnung gestellt.<br />

Dieser Betrag kann weiter gemin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn ein überwiegen<strong>de</strong>s Ausbildungsinteresse für<br />

die <strong>Bund</strong>eswehr vorliegt. Nach <strong>de</strong>m Haushaltsrecht<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es sind einzelfallbezogene Ausnahmen zulässig;<br />

diese bedingen aber z.B. die Feststellung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>esinteresses bei Katastrophen von überregionalem<br />

Ausmaß.<br />

<strong>Bund</strong>eswehr-Flugzeuge <strong>de</strong>s Typs Airbus A 310 MRT stehen für Krankentransporte zur Verfügung


Die neu gefassten „Hilfeleistungserlasse“ sind <strong>im</strong><br />

„Ministerialblatt <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministeriums <strong>de</strong>r Verteidigung“<br />

(VMBl) 1/2008 veröffentlicht wor<strong>de</strong>n.<br />

Die Neufassung berücksichtigt <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>r<br />

Organisation und <strong>de</strong>n Zuständigkeiten in <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr.<br />

Sie trägt daneben <strong>de</strong>n Erkenntnissen aus<br />

<strong>de</strong>n Unterstützungsleistungen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Katastrophenhilfe<br />

und anlässlich von Großveranstaltun-<br />

Zusammenfassung: Verlässlichkeit <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr in <strong>de</strong>r ZMZ<br />

Die <strong>Bund</strong>eswehr trägt auch weiterhin in einem vernetzten<br />

gesamtstaatlichen Ansatz mit ihren Fähigkeiten<br />

zum Schutz <strong>de</strong>r Bürger und Bürgerinnen <strong>im</strong><br />

Inland bei. Das neu strukturierte „Territoriale Netzwerk“<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr ist hierzu ein wesentlicher<br />

und wirkungsvoller Beitrag. Zentrales Element dieses<br />

neuen Konzeptes sind die Verbindungselemente zu<br />

<strong>de</strong>n kommunalen Behör<strong>de</strong>n, die sich ausschließlich<br />

aus Reservistinnen und Reservisten rekrutieren. Das<br />

„Territoriale Netzwerk“ hat seine Funktionsfähigkeit<br />

gen <strong>de</strong>r vergangenen Jahre Rechnung. Die für die<br />

<strong>Bund</strong>eswehr <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Amtshilfe spezifischen<br />

Best<strong>im</strong>mungen zu Art und Umfang, <strong>de</strong>n rechtlichen<br />

Voraussetzungen und Entscheidungszuständigkeiten<br />

und zur Kostenlast – auch und insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r<br />

Unterstützung von Polizeikräften – sind <strong>im</strong> Erlass<br />

„Hilfeleistung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r technischen<br />

Amtshilfe“ geregelt.<br />

nicht nur <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>übung<br />

LÜKEX 2007 unter Beweis gestellt,<br />

die <strong>Bund</strong>eswehr hat ihre Verlässlichkeit auch<br />

insgesamt in <strong>de</strong>r Zivil-Militärischen Zusammenarbeit<br />

durch Unterstützung <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsbekämpfung<br />

bewiesen, zum Beispiel bei <strong>de</strong>r Beseitigung<br />

<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Orkan Kyrill angerichteten<br />

Schä<strong>de</strong>n, bei Hubschrauberlöscheinsätzen und vielen<br />

an<strong>de</strong>ren Gelegenheiten.<br />

Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ)<br />

Bezeichnung für das Zusammenwirken von Organen <strong>de</strong>r zivilen Verteidigung mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r militärischen<br />

Verteidigung <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Gesamtverteidigung sowohl <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverteidigung<br />

als auch <strong>de</strong>r NATO-Verteidigung; umfasst alle Maßnahmen, die gemeinsam von militärischen<br />

und zivilen, nationalen o<strong>de</strong>r NATO-Dienststellen bzw. Behör<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Frie<strong>de</strong>n, in einer Krise<br />

o<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Krieg zur Sicherstellung einer wirksamen Gesamtverteidigung ergriffen wer<strong>de</strong>n.<br />

Auskunftsunterlage <strong>Krisenmanagement</strong> Ressorts <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung vom 13.05.2008<br />

Zum Autor: Oberstleutnant i.G. Frank Baumgard ist Angehöriger <strong>de</strong>s für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit zuständigen<br />

Referats FüS IV 3 <strong>im</strong> Führungsstab <strong>de</strong>r Streitkräfte, <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>r Verteidigung, Bonn<br />

37


38<br />

Die Polizei <strong>im</strong> gesamtstaatlichen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Klaus Neidhardt / Ulrich Sei<strong>de</strong>l<br />

Bevölkerungsschutz und Polizeiauftrag<br />

Die Polizei ist, neben <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n und Organisationen<br />

<strong>de</strong>r nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr (Feuerwehr,<br />

Rettungsdienste, Hilfsorganisationen), <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bund</strong>eswehr (unter Beachtung <strong>de</strong>r verfassungsmäßigen<br />

Grenzen) und <strong>de</strong>n Gehe<strong>im</strong>diensten eine <strong>de</strong>r<br />

vier Säulen <strong>de</strong>r Sicherheitsarchitektur zum Schutz <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung. Im Rahmen ihrer gesetzlich normierten<br />

Aufgaben, die <strong>im</strong> Wesentlichen aus Gefahrenabwehr<br />

und Strafverfolgung bestehen, leistet die Polizei in<br />

vielerlei Hinsicht einen unverzichtbaren Beitrag<br />

In <strong>de</strong>r Vergangenheit kam es in Deutschland <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r zu Großscha<strong>de</strong>nslagen<br />

aufgrund von Unfällen und Naturkatastrophen mit zahlreichen Toten und<br />

Verletzten sowie erheblichen Sachschä<strong>de</strong>n. Alle diese Einsatzlagen sind meistens<br />

Sofortlagen mit komplexen Rahmenbedingungen, weil unterschiedlichste Behör<strong>de</strong>n<br />

und Organisationen schnell und koordiniert zusammenwirken müssen.<br />

Zumeist sind bei Großscha<strong>de</strong>nslagen hochwertige Rechtsgüter<br />

wie Leben und Gesundheit gefähr<strong>de</strong>t, und es besteht großes Inte-<br />

resse bei Medien und Öffentlichkeit. Aufgrund ihrer Erfahrungen<br />

und Professionalität wird von <strong>de</strong>r Polizei in <strong>de</strong>rartigen Lagen<br />

eine stabilisieren<strong>de</strong> Rolle <strong>im</strong> Gesamteinsatzgeschehen erwartet.<br />

In diesem Beitrag soll die Rolle <strong>de</strong>r Polizei <strong>im</strong> Rahmen eines gesamtstaatlichen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s unter Berücksichtigung aktueller Herausfor<strong>de</strong>rungen, <strong>de</strong>r<br />

Kooperationsnotwendigkeiten mit nichtpolizeilichen Akteuren sowie <strong>de</strong>r Aus-<br />

und Fortbildung dargestellt wer<strong>de</strong>n. Der Begriff „polizeiliches <strong>Krisenmanagement</strong>“<br />

bezieht sich dabei auf die strategischen und taktischen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

polizeilichen Einsatzhan<strong>de</strong>lns bei GGSK (Größere Gefahren- und Scha<strong>de</strong>nslagen,<br />

Katastrophen).<br />

zum Bevölkerungsschutz. Sie muss sowohl die Gefahrenabwehr<br />

als auch die Strafverfolgung <strong>im</strong> Blick<br />

haben, wobei sich die Polizei bei <strong>de</strong>rartigen Gemengelagen<br />

mit gleichzeitig zu erfüllen<strong>de</strong>n präventiven<br />

und repressiven Aufgaben <strong>im</strong> Rahmen einer Dominanzentscheidung<br />

vorrangig für die Gefahrenabwehr<br />

entschei<strong>de</strong>n wird. Dies be<strong>de</strong>utet aber selbst bei unmittelbaren<br />

Gefahren für Leib o<strong>de</strong>r Leben nicht, dass<br />

die Polizei auf strafverfolgen<strong>de</strong> Ermittlungen völlig<br />

verzichten kann.


Gefahrenabwehr<br />

Die Polizei ist für die unaufschiebbaren Maßnahmen<br />

<strong>de</strong>r Gefahrenabwehr und die Aufrechterhaltung von<br />

Sicherheit und Ordnung zuständig. In dieser Hinsicht<br />

gehört es auch zu <strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>r Polizei, die Bevölkerung<br />

vor entsprechen<strong>de</strong>n Gefahren zu warnen<br />

und zu schützen, Ursachen zu ermitteln und eine<br />

Ausweitung <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns zu verhin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />

zu verringern.<br />

Bei GGSK besteht für die Polizei die Beson<strong>de</strong>rheit,<br />

dass nicht vorrangig sie, son<strong>de</strong>rn die nichtpolizeilichen<br />

Gefahrenabwehrorganisationen die eigentliche<br />

Lage bewältigen. Die Polizei gewährleistet dazu <strong>de</strong>n<br />

schnellen und ungehin<strong>de</strong>rten Einsatz von Feuerwehr<br />

und Rettungsdiensten, z.B. durch Absperr- und<br />

Verkehrsmaßnahmen, um Aktionsraum für diese zu<br />

schaffen, ihre zügige An- und Abfahrt zu gewährleisten<br />

und Not- und Rettungswege freizuhalten. Daneben<br />

führt die Polizei weitere Maßnahmen, häufig<br />

mit Eingriffscharakter für die Betroffenen, durch.<br />

Dies können z.B. Schutzmaßnahmen für Personen<br />

und Eigentum sein, um Plün<strong>de</strong>rungen o<strong>de</strong>r Gewalttätigkeiten<br />

zu verhin<strong>de</strong>rn. Die Ereignisse in <strong>de</strong>n USA<br />

bei <strong>de</strong>r Flutkatastrophe von New Orleans <strong>im</strong> August<br />

2005 haben gezeigt, welche Konsequenzen es haben<br />

kann, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung<br />

in einem größeren Scha<strong>de</strong>nsgebiet zusammenbricht.<br />

In einer solchen Lage ist auch ein gefahrloser Einsatz<br />

nichtpolizeilicher Gefahrenabwehrorganisationen<br />

unmöglich.<br />

Dachte man bis zu <strong>de</strong>n Anschlägen vom 11. September<br />

2001 in New York bei GGSK in erster Linie an Einsatzlagen<br />

mit Gefahrenpotentialen, die sich als Folge von<br />

Unfällen (z.B. in chemischen o<strong>de</strong>r kerntechnischen<br />

Anlagen o<strong>de</strong>r auf Straßen, Wasserstraßen, Luft- und<br />

Schienenverkehrswegen) o<strong>de</strong>r Naturkatastrophen<br />

(z.B. Hochwasser, Waldbrän<strong>de</strong>) ereignen können, so<br />

ist seit<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Gefahrenpotentials weiter<br />

zu sehen. Auch Terroranschläge können in ihrer<br />

Folge zu GGSK mit erheblichen Ausmaßen führen.<br />

Sowohl die versuchten Kofferbombenanschläge in<br />

zwei Regionalzügen <strong>im</strong> Juli 2006 als auch die Festnahme<br />

von drei verdächtigen Personen <strong>im</strong> Sauerland<br />

<strong>im</strong> September 2007 haben <strong>de</strong>utlich gemacht, dass<br />

auch Deutschland <strong>im</strong> Zielspektrum <strong>de</strong>s islamistischen<br />

Terrorismus liegt. Dies umfasst auch das Phänomen<br />

<strong>de</strong>s sog. „Homegrown Terrorism“. Die <strong>im</strong> Sauerland<br />

festgenommenen mutmaßlichen Terroristen hatten<br />

bereits ca. 730 kg Wasserstoffperoxidlösung gelagert,<br />

die wahrscheinlich gegen amerikanische Einrichtungen<br />

in Deutschland eingesetzt wer<strong>de</strong>n sollten. Die<br />

Folgen eines <strong>de</strong>rartigen Anschlags wären gewaltig<br />

gewesen.<br />

Mit <strong>de</strong>r Festnahme dieser Täter ist die Gefahr von<br />

Anschlägen allerdings nicht gebannt. Die Existenz<br />

weiterer Terrorzellen in Deutschland kann nicht ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n. So wur<strong>de</strong>n mit Stand Februar<br />

2008 allein 70 weitere Personen in Deutschland als<br />

sog. „Gefähr<strong>de</strong>r“ eingestuft, die polizeilich intensiv<br />

zu überwachen sind.<br />

Nach <strong>de</strong>r Festnahme von drei Terrorverdächtigen <strong>im</strong><br />

Sauerland <strong>im</strong> Juli 2006: eines <strong>de</strong>r sichergestellten Fässer mit<br />

Wasserstoffperoxidlösung zum Bau von Sprengsätzen<br />

39


40<br />

Eine vorrangige Aufgabe <strong>de</strong>r Polizei be-<br />

steht darin, terroristische Anschläge zu<br />

verhin<strong>de</strong>rn. Alle Polizeien <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, das<br />

BKA und die <strong>Bund</strong>espolizei konzentrieren<br />

ihre Maßnahmen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r jewei-<br />

ligen Zuständigkeit auf dieses Ziel und<br />

leisten damit einen wichtigen Beitrag zum<br />

Bevölkerungsschutz.<br />

Dazu wer<strong>de</strong>n z.B. Schutzmaßnahmen an gefähr<strong>de</strong>ten<br />

Objekten durchgeführt, wobei ein umfassen<strong>de</strong>r<br />

Schutz auch sog. „weicher“ Ziele, wie z.B. <strong>de</strong>r Einrichtungen<br />

<strong>de</strong>s ÖPNV, nicht leistbar ist. Wichtig ist<br />

es in diesem Zusammenhang auch, die Bevölkerung<br />

in eine Verdachtsgewinnung gegen mutmaßliche Attentäter<br />

einzubin<strong>de</strong>n. So wur<strong>de</strong> z.B. <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s<br />

-9-<br />

<strong>Bund</strong>espolizeidirektionen<br />

-68-<br />

<strong>Bund</strong>espolizeiinspektionen<br />

-9-<br />

<strong>Bund</strong>espolizeiinspektionen<br />

Kr<strong>im</strong>inalitätsbekämpfung<br />

-9-<br />

Mobile Kontroll- und<br />

Überwachungseinheiten<br />

(MKU)<br />

Struktur <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>espolizei<br />

<strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Inneren<br />

- Abteilung <strong>Bund</strong>espolizei -<br />

<strong>Bund</strong>espolizeipräsidium<br />

Potsdam<br />

<strong>Bund</strong>espolizeiaka<strong>de</strong>mie<br />

Lübeck<br />

-5-<br />

<strong>Bund</strong>espolizeiausund<br />

- fortbildungszentren<br />

<strong>Bund</strong>espolizeischule<br />

Bad Endorf<br />

Leistungssportprojekt<br />

Cottbus<br />

„Programms Polizeiliche Kr<strong>im</strong>inalprävention <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

und <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es“ (ProPK) eine Sensibilisierungskampagne<br />

für Bedienstete von Verkehrsbetrieben<br />

und die Nutzer <strong>de</strong>s ÖPV gestartet. Ein Ziel <strong>de</strong>r Kampagne<br />

ist es, die Möglichkeiten zur Früherkennung<br />

geplanter Terroranschläge zu verbessern.<br />

Gleichzeitig tun die Sicherheitsbehör<strong>de</strong>n alles, Anschlagspläne<br />

frühzeitig aufzu<strong>de</strong>cken und zu unterbin<strong>de</strong>n.<br />

Dies geschieht durch täterorientierte Informationserhebung<br />

und Vernetzung <strong>de</strong>r Informationen.<br />

Ein wichtiges Instrument dabei ist das <strong>im</strong> Jahr 2004<br />

eingerichtete „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum“<br />

(GTAZ). Darin sind alle mit <strong>de</strong>r Bekämpfung<br />

<strong>de</strong>s islamistischen Terrorismus befassten Behör<strong>de</strong>n<br />

Deutschlands, z.B. Lan<strong>de</strong>skr<strong>im</strong>inalämter, BKA, <strong>Bund</strong>espolizei,<br />

<strong>Bund</strong>esamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbehör<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r BND,<br />

vertreten. In gewisser Weise wur<strong>de</strong> terroristischen<br />

Netzwerken mit <strong>de</strong>m GTAZ ein staatliches Sicherheitsnetzwerk<br />

entgegengesetzt, um angesichts <strong>de</strong>s<br />

fö<strong>de</strong>ralen Aufbaus <strong>de</strong>r Sicherheitsbehör<strong>de</strong>n eine opt<strong>im</strong>ale<br />

Informationsvernetzung zu gewährleisten.<br />

Direktion<br />

<strong>Bund</strong>esbereitschaftspolizei<br />

Fuldatal<br />

-10-<br />

<strong>Bund</strong>espolizeiabteilungen<br />

GSG 9 <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bund</strong>espolizei<br />

<strong>Bund</strong>espolizei-<br />

Fliegergruppe<br />

-5-<br />

<strong>Bund</strong>espolizei-<br />

Fliegerstaffeln


Insbeson<strong>de</strong>re bei län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n Krisenlagen<br />

hat die <strong>Bund</strong>espolizei eine hohe Be<strong>de</strong>utung. Sie ist<br />

<strong>im</strong> Rahmen ihrer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben<br />

für die Abwehr von Gefahren auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r<br />

Bahnanlagen, für die Abwehr von Angriffen auf <strong>de</strong>n<br />

Luftverkehr, <strong>de</strong>n Schutz von Verfassungsorganen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es und <strong>Bund</strong>esministerien sowie für die Abwehr<br />

bzw. Verhin<strong>de</strong>rung von Terroranschlägen an<br />

diesen beson<strong>de</strong>rs gefähr<strong>de</strong>ten Einrichtungen zuständig.<br />

Darüber hinaus kann <strong>de</strong>r Einsatz <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>espolizei<br />

gemäß Art. 35 Abs. 2 GG auf Anfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r zur Unterstützung bei Großeinsätzen<br />

sowie Katastrophen und beson<strong>de</strong>ren Unglücksfällen<br />

erfolgen. Dies umfasst auch <strong>de</strong>nkbare Krisenlagen<br />

aufgrund von Terroranschlägen.<br />

Die <strong>Bund</strong>espolizei stellt mit ihren ca. 5.500 Polizeibeamten<br />

<strong>de</strong>r Direktion <strong>Bund</strong>esbereitschaftspolizei<br />

ungefähr ein Viertel aller Bereitschaftspolizeikräfte<br />

Deutschlands.<br />

Allein dieses Kräfteverhältnis macht <strong>de</strong>utlich, dass<br />

große, län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Krisenlagen nur mit Unterstützung<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>espolizei bewältigt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Sie stellt insofern auch eine wichtige strategische<br />

Reserve <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Polizeien für <strong>de</strong>rartige<br />

Lagen dar.<br />

Mit <strong>de</strong>r Neuorganisation <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>espolizei zum<br />

01.03.2008, die u.a. aufgrund <strong>de</strong>r gestiegenen terroristischen<br />

Bedrohung mit Auswirkung auf die Sicherheit<br />

auf Flughäfen und <strong>im</strong> Bahnbereich erfolgte,<br />

wur<strong>de</strong>n die Organisation <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>espolizei gestrafft<br />

und <strong>de</strong>r operative Bereich gestärkt.<br />

Strafverfolgung<br />

Neben <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr hat die Polizei bei GGSK<br />

auch die eigenständige Aufgabe, von Beginn an die<br />

Strafverfolgung wahrzunehmen, <strong>de</strong>nn die Scha<strong>de</strong>nslage<br />

kann, mit Ausnahme von Naturkatastrophen, die<br />

Folge einer Straftat sein. Einschlägig können hier z.B.<br />

Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit<br />

(Fahrlässige Tötung, Körperverletzung),<br />

Gefährdungen <strong>de</strong>s bzw. Eingriffe in <strong>de</strong>n Straßen-,<br />

Bahn-, Schiffs- o<strong>de</strong>r Luftverkehr o<strong>de</strong>r Straftaten gegen<br />

die Umwelt (z.B. Gewässer- o<strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nverunreinigungen)<br />

sein. Daher sind aus polizeilicher Sicht<br />

Für polizeiliche Einsätze und Luftrettung wird die <strong>Bund</strong>espolizei<br />

ab 2011 über insgesamt 88 Hubschrauber verfügen<br />

Scha<strong>de</strong>nsorte zugleich auch mögliche Tatorte. Eine<br />

frühzeitig einsetzen<strong>de</strong> Beweissicherung (z.B. Dokumentation<br />

<strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>nsortes, Ermittlung und Befragung<br />

von Zeugen, Sicherstellen von Beweismitteln)<br />

ist zur Erforschung von Ursachen und Verantwortlichkeiten<br />

erfor<strong>de</strong>rlich. Dies kann <strong>im</strong> Einzelfall zu<br />

unterschiedlichen Sichtweisen zwischen Polizei und<br />

nichtpolizeilichen Gefahrenabwehrorganisationen<br />

führen, weil nur die Polizei, nicht zuletzt wegen <strong>de</strong>s<br />

Legalitätsprinzips, zur Strafverfolgung rechtlich verpflichtet<br />

ist.<br />

41


42<br />

Die Strafverfolgung beeinflusst das strategisch-taktische<br />

Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Polizei <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>.<br />

Dies zeigt sich insbeson<strong>de</strong>re vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />

<strong>de</strong>r Gefährdung durch <strong>de</strong>n internationalen Terrorismus.<br />

Trotz intensivster Bemühungen <strong>de</strong>r Polizei zur<br />

Verhin<strong>de</strong>rung von Anschlägen muss bei einer größeren<br />

Scha<strong>de</strong>nslage bereits bei <strong>de</strong>n ersten polizeilichen<br />

Reaktionen, aber auch <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r weiteren<br />

Ermittlungen, die Möglichkeit eines terroristischen<br />

Anschlags in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n. Dies gilt<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei GGSK, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

<strong>de</strong>r Schädigung von wichtigen Infrastruktursystemen<br />

(z.B. Energie-, Trinkwasserversorgung, Verkehr) stehen.<br />

In <strong>de</strong>rartigen Fällen lägen schwerste Straftaten<br />

vor. Da gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Anfangsphase Informationen<br />

gesammelt wer<strong>de</strong>n können, die <strong>im</strong> Nachhinein nur<br />

mit großem Ermittlungsaufwand o<strong>de</strong>r überhaupt<br />

Kooperation <strong>de</strong>r Polizei mit <strong>de</strong>r nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr<br />

Bei <strong>de</strong>r Bewältigung von GGSK ist ein enges Zusammenwirken<br />

<strong>de</strong>r Polizei mit <strong>de</strong>r Feuerwehr, <strong>de</strong>n<br />

Rettungsdiensten, <strong>de</strong>m Technischen Hilfswerk und,<br />

je nach Lage, weiteren Behör<strong>de</strong>n und Organisationen<br />

erfor<strong>de</strong>rlich. Die Zusammenarbeit ist durch zuvor<br />

abgest<strong>im</strong>mte Regelungen, einen engen Kontakt<br />

und gegenseitige Beratung und Unterstützung zu<br />

opt<strong>im</strong>ieren, ohne dass grundsätzlich gegenseitige<br />

Weisungsbefugnisse bestehen. Bei Feststellung <strong>de</strong>s<br />

Katastrophenfalles durch die zuständige Katastrophenschutzbehör<strong>de</strong><br />

sind allerdings zumeist nicht die<br />

polizeilichen, son<strong>de</strong>rn die Führungsstäbe <strong>de</strong>r kreisfreien<br />

Städte, Kreise o<strong>de</strong>r Regierungsbezirke fe<strong>de</strong>rführend.<br />

Die polizeilichen und nichtpolizeilichen<br />

Führungsstrukturen sollten unter Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>r lan<strong>de</strong>sspezifischen Regelungen aufeinan<strong>de</strong>r abgest<strong>im</strong>mt<br />

wer<strong>de</strong>n. Der frühzeitige Austausch von<br />

Verbindungsbeamten, die für diese Aufgabe geschult<br />

sind und ihre Ansprechpartner aus gemeinsamen<br />

Übungen kennen, erleichtert die Kommunikation<br />

zwischen <strong>de</strong>n Führungsstäben <strong>de</strong>r beteiligten Einrichtungen.<br />

Dies gilt trotz <strong>de</strong>r heute zur Verfügung<br />

stehen<strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnen Kommunikationsmittel, insbeson<strong>de</strong>re<br />

wenn über einen längeren Zeitraum ein hoher<br />

Kooperationsbedarf besteht.<br />

nicht mehr gewonnen wer<strong>de</strong>n können, müssen z.B.<br />

polizeiliche Fahndungsmaßnahmen nach verdächtigen<br />

Personen, Fahrzeugen usw. <strong>im</strong> Umfeld <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>nsortes<br />

zeitnah zum Scha<strong>de</strong>nseintritt eingeleitet<br />

wer<strong>de</strong>n. Eine zügige Strafverfolgung und Festnahme<br />

dient zugleich auch <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung weiterer Anschläge<br />

dieser Täter(-gruppe).<br />

Die I<strong>de</strong>ntifizierung von Opfern gehört ebenfalls zu<br />

<strong>de</strong>n polizeilichen Ermittlungsaufgaben bei GGSK.<br />

Bei einer hohen Opferzahl können die zuständigen<br />

Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>spolizei die I<strong>de</strong>ntifizierungskommission<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>eskr<strong>im</strong>inalamtes (IDKO) anfor<strong>de</strong>rn.<br />

Diese wird dann in <strong>de</strong>n Einsatzabschnitt Ermittlungen<br />

<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Aufbauorganisation <strong>de</strong>r Polizei<br />

eingebun<strong>de</strong>n.<br />

Alle beteiligten Stellen benötigen ein möglichst umfassen<strong>de</strong>s<br />

Gesamtlagebild. Die Polizei kann dazu<br />

aufgrund ihrer Kenntnisse über Gefährdungspotentiale<br />

einen wesentlichen Beitrag leisten. Sie sammelt<br />

eigene und fachfrem<strong>de</strong> Informationen und verdichtet<br />

diese zu einem Lagebild, das sie <strong>de</strong>n beteiligten<br />

Fachdiensten (z.B. Feuerwehr, Rettungsdienste) zur<br />

Verfügung stellen kann. Berechtigte Gehe<strong>im</strong>haltungserfor<strong>de</strong>rnisse<br />

<strong>de</strong>r Polizei, z.B. hinsichtlich personenbezogener<br />

Informationen zu potentiellen Straftätern,<br />

müssen dabei gewahrt bleiben. Im I<strong>de</strong>alfall ergibt<br />

sich ein Gesamtlagebild, das die Teillagebil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Polizei und <strong>de</strong>r nichtpolizeilichen Akteure umfasst<br />

und dadurch aussagefähiger ist als die Einzellagebil<strong>de</strong>r.<br />

Auf <strong>de</strong>r operativen Ebene sind <strong>im</strong> Einsatzfall eine<br />

Vielzahl von Maßnahmen eng abzust<strong>im</strong>men, wie<br />

z.B. Warnungen <strong>de</strong>r Bevölkerung, Evakuierungen<br />

und die Öffentlichkeitsarbeit. Das gilt auch für die<br />

Einrichtung von Personenauskunftsstellen. Diese<br />

wer<strong>de</strong>n je nach <strong>Bund</strong>esland unter Fe<strong>de</strong>rführung <strong>de</strong>r<br />

Polizei bzw. <strong>de</strong>s Katastrophenschutzes eingerichtet.<br />

Die Datenerhebung und Auskunftserteilung – beispielsweise<br />

über Verletzte o<strong>de</strong>r Vermisste – basiert


auf umfassen<strong>de</strong>n IT-Lösungen. So kommt <strong>de</strong>n Personenauskunftsstellen,<br />

wie z.B. <strong>de</strong>r „Gemeinsamen<br />

Auskunftsstelle/ Notfallinformationszentrum“ (GAST/<br />

EPIC) am Flughafen München, eine wichtige Filterfunktion<br />

zu, in<strong>de</strong>m unwesentliche Informationen<br />

zurückgehalten und nur die für die Sachbearbeitung<br />

relevante Daten, insbeson<strong>de</strong>re für die I<strong>de</strong>ntifizierung<br />

von Opfern, erfasst und aufbereitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Vorausschauen<strong>de</strong>s gesamtstaatliches <strong>Krisenmanagement</strong><br />

muss angesichts gestiegener Gefahrenpotentiale<br />

berücksichtigen, dass Personenauskunftsstellen einzelner<br />

Län<strong>de</strong>r an Kapazitätsgrenzen stoßen können<br />

o<strong>de</strong>r Parallellagen in mehreren Län<strong>de</strong>rn gleichzeitig<br />

zu bewältigen sind. Dies bedingt die Entwicklung einer<br />

modularen Verbundlösung, auf <strong>de</strong>ren Grundlage<br />

die Auskunftsstellen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Bedarfsfall vernetzt<br />

wer<strong>de</strong>n können. Taktische und fachliche Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

an eine <strong>de</strong>rartige Lösung wur<strong>de</strong>n dazu<br />

bereits erarbeitet.<br />

„Der Polizei als <strong>de</strong>r für die unaufschiebbaren Maßnahmen <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr und<br />

für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zuständigen Organisation<br />

kommt bei Krisen und Großscha<strong>de</strong>nslagen eine Schlüsselrolle zu. Sie hat angesichts<br />

<strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rungen, <strong>de</strong>nen sie sich in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten u. a. <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s<br />

Terrorismus stellen musste, Fähigkeiten entwickelt, die zur Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>r gesamt-<br />

staatlichen Maßnahmen <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes genutzt wer<strong>de</strong>n können.“<br />

Einsatz-Übung <strong>de</strong>r Zentralen<br />

Unterstützungsgruppe <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es für gravieren<strong>de</strong> Fälle<br />

nuklearspezifischer<br />

Gefahrenabwehr (ZUB)<br />

Zur Bewältigung von schwerwiegen<strong>de</strong>n Bedrohungslagen,<br />

die durch Straftaten mit radioaktiven<br />

Stoffen entstehen, ist auf <strong>Bund</strong>esebene die „Zentrale<br />

Unterstützungsgruppe <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es für gravieren<strong>de</strong><br />

Fälle nuklearspezifischer Gefahrenabwehr“ (ZUB)<br />

eingerichtet wor<strong>de</strong>n. Die ZUB, in <strong>de</strong>r Spezialkräfte<br />

von <strong>Bund</strong>eskr<strong>im</strong>inalamt, <strong>Bund</strong>espolizei und <strong>Bund</strong>esamt<br />

für Strahlenschutz mitwirken, unterstützt die für<br />

die Gefahrenabwehr originär zuständigen Län<strong>de</strong>r auf<br />

<strong>de</strong>ren Anfor<strong>de</strong>rung. Ziel <strong>de</strong>r ZUB ist es, alle multidisziplinären<br />

Fachkenntnisse und Erfahrungen sowie<br />

personelle und materielle Logistik zusammenzufassen.<br />

Im Ergebnis wer<strong>de</strong>n Maßnahmen <strong>de</strong>r polizeilichen<br />

Gefahrenabwehr mit <strong>de</strong>r Expertise aus <strong>de</strong>m<br />

Strahlenschutzsektor verknüpft. Die ZUB kam <strong>im</strong> Dezember<br />

2006 erfolgreich zum Einsatz, als sich nach<br />

<strong>de</strong>m durch radioaktive Substanzen verursachten Tod<br />

von Alexan<strong>de</strong>r Litwinenko in London Bezüge nach<br />

Hamburg ergaben.<br />

43


44<br />

Aus- und Fortbildung bei <strong>de</strong>r Deutschen Hochschule <strong>de</strong>r Polizei<br />

Die Einsatzbewältigung bei GGSK stellt hohe Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

an polizeiliche Führungskräfte und an ihr<br />

Führungsverhalten. Sie geht einher mit einem außeror<strong>de</strong>ntlichen,<br />

durch Dynamik und Unbest<strong>im</strong>mtheit<br />

verursachten Beurteilungs- und Entscheidungsdruck.<br />

Führungsentscheidungen sind zu<strong>de</strong>m mit benachbarten<br />

Organisationen abzust<strong>im</strong>men. Die Vermittlung<br />

entsprechen<strong>de</strong>r theoretischer, taktischer, organisatorischer<br />

und technischer Handlungs- und Fachkompetenzen<br />

ist <strong>de</strong>shalb ein wichtiger Baustein <strong>de</strong>r Aus-<br />

und Fortbildung.<br />

Bei Gründung <strong>de</strong>r Deutschen Hochschule <strong>de</strong>r Polizei<br />

(DHPol) in Münster-Hiltrup, <strong>de</strong>r zentralen Aus- und<br />

Fortbildungseinrichtung für <strong>de</strong>n höheren Dienst <strong>de</strong>r<br />

Polizeien <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, ist zu diesem<br />

Zweck ein eigenständiges Lehrgebiet „Polizeiliches<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>“ eingerichtet wor<strong>de</strong>n. Inhaltlich<br />

beschäftigt sich dieses Lehrgebiet <strong>im</strong> Wesentlichen<br />

mit <strong>de</strong>n spezifischen strategischen und taktischen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>s polizeilichen Einsatzmanagements<br />

bei GGSK sowie bei terroristischen Bedrohungen<br />

und Anschlägen. Darüber hinaus sollen grundlegen<strong>de</strong><br />

Theorien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r polizeilichen Einsatzlehre,<br />

bezogen auf die beson<strong>de</strong>ren Erfor<strong>de</strong>rnisse<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s, Gegenstand von Forschung<br />

und Lehre wer<strong>de</strong>n.<br />

Um die Bewältigung von GGSK zu trainieren, führt<br />

die DHPol mit <strong>de</strong>r be<strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe angesie<strong>de</strong>lten<br />

Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong>, Notfallplanung<br />

und Zivilschutz (AKNZ) seit 2004 jährlich eine Stabsrahmenübung<br />

durch, an <strong>de</strong>r alle an <strong>de</strong>r DHPol studieren<strong>de</strong>n<br />

Ratsanwärter/-anwärterinnen teilnehmen.<br />

In diesen Übungen wird unter möglichst realistischen<br />

Bedingungen das reibungslose Zusammenwirken<br />

polizeilicher Führungsstäbe mit nichtpolizeilichen<br />

Führungsstäben trainiert. Auf diese Weise wird allen<br />

Studieren<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r DHPol die Be<strong>de</strong>utung einer organisations-<br />

und ebenenübergreifen<strong>de</strong>n Zusammenarbeit<br />

bei GGSK ver<strong>de</strong>utlicht. Umgekehrt unterstützt<br />

die DHPol die AKNZ bei <strong>de</strong>ren operativ-taktischen<br />

Übungen für Führungsstäbe <strong>de</strong>r nichtpolizeilichen<br />

Gefahrenabwehr. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n auch gemeinsame<br />

Fortbildungsseminare für Polizeibeamte<br />

<strong>de</strong>s höheren Dienstes und für Angehörige <strong>de</strong>r nichtpolizeilichen<br />

Gefahrenabwehr durchgeführt.<br />

Die Polizei wird auch in Zukunft einen wichtigen<br />

Beitrag zum gesamtstaatlichen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

leisten müssen. Im Bereich <strong>de</strong>r Naturereignisse ist<br />

aufgrund <strong>de</strong>s globalen Kl<strong>im</strong>awan<strong>de</strong>ls eher ein Anstieg<br />

polizeilicher Einsatzanlässe zu erwarten. Durch<br />

ein erhöhtes Aufkommen <strong>im</strong> Flug-, Bahn- und Straßenverkehr<br />

steigt daneben z.B. auch das Unfallrisiko<br />

<strong>im</strong> Bereich „beweglicher Gefahrenpotentiale“. Terroristische<br />

Bedrohungsszenarien mit Anschlägen auch<br />

in Deutschland sind lei<strong>de</strong>r nicht auszuschließen. Derartige<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen erfor<strong>de</strong>rn eine verantwortungsvolle<br />

und professionelle Reaktion aller an <strong>de</strong>r<br />

Lösung beteiligten Organisationen. Dies kann dabei<br />

helfen, Leben zu retten, eingetretene Schä<strong>de</strong>n einzudämmen,<br />

Ursachen aufzuklären und somit die Bevölkerung<br />

möglichst umfassend zu schützen.<br />

Studieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Deutschen Hochschule <strong>de</strong>r Polizei während einer Stabsrahmenübung an <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong>,<br />

Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

Zu <strong>de</strong>n Autoren: Klaus Neidhardt ist Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Deutschen Hochschule <strong>de</strong>r Polizei, Polizeidirektor Ulrich Sei<strong>de</strong>l ist Lehrgebietsleiter<br />

an <strong>de</strong>r Deutschen Hochschule <strong>de</strong>r Polizei, Münster


Krisen und Katastrophen außerhalb Deutschlands:<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Auswärtigen Amt<br />

Klaus Streicher<br />

Das Auswärtige Amt (AA) ist zuständig für die Beziehungen<br />

Deutschlands zu frem<strong>de</strong>n Staaten sowie<br />

zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen. Es<br />

ist die zentrale Stelle, in <strong>de</strong>r die <strong>de</strong>utsche Außenpolitik<br />

formuliert wird und Analysen, Konzepte sowie<br />

Handlungsanweisungen für die <strong>de</strong>utschen Auslandsvertretungen<br />

erarbeitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei Krisen und Katastrophen außerhalb <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik<br />

Deutschland, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>utsche Interessen<br />

betroffen sind, wird ein Krisenstab <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung<br />

<strong>im</strong> Auswärtigen Amt einberufen. Das Auswärtige<br />

Amt koordiniert unter Beteiligung <strong>de</strong>r relevanten<br />

Ressorts und ggf. unter Einbeziehung an<strong>de</strong>rer Stellen<br />

und nichtstaatlicher Einrichtungen die erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Maßnahmen.<br />

Krisenreaktion<br />

<strong>Bund</strong>esminister <strong>de</strong>s<br />

Leitungsstab Auswärtigen<br />

Planungsstab<br />

Staatssekretär Staatssekretär Staatssekretär Staatsminister Staatsminister<br />

Krisenreaktionszentrum<br />

Beamter vom Dienst /<br />

Krisenfrüherkennung<br />

Verbindung BMVg Verbindung BKA<br />

Im Auswärtigen Amt ist das Krisenreaktionszentrum<br />

(KRZ) zuständig für das Management von Krisen <strong>im</strong><br />

Ausland, bei <strong>de</strong>nen Leben, Gesundheit o<strong>de</strong>r Freiheit<br />

<strong>de</strong>utscher Staatsangehöriger akut gefähr<strong>de</strong>t sind. Zum<br />

Aufgabenspektrum <strong>de</strong>s KRZ rechnen insbeson<strong>de</strong>re<br />

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zeugabstürze, Naturkatastrophen);<br />

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gen<br />

Bürgerservice<br />

Verbindung BND<br />

Koordinierunggstelle Reise- und Sicherheitshinweise<br />

45


46<br />

Das Krisenreaktionszentrum ist unmittelbar <strong>de</strong>r Leitung<br />

<strong>de</strong>s Auswärtigen Amts unterstellt. Seine Aufgaben<br />

umfassen neben <strong>de</strong>m operativen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

auch die Bereiche Krisenfrüherkennung<br />

und Krisenvorsorge. Es ist ferner zuständig für die<br />

Koordinierung <strong>de</strong>r Reise- und Sicherheitshinweise<br />

<strong>de</strong>s Auswärtigen Amts sowie für die Bearbeitung von<br />

Warnhinweisen bzw. Terrordrohungen, die sich gegen<br />

<strong>de</strong>utsche Interessen <strong>im</strong> Ausland richten.<br />

Verbindungsbeamte <strong>de</strong>s BMVg, BKA und BND haben<br />

ihren ständigen Arbeitsplatz <strong>im</strong> Krisenreaktionszentrum<br />

und stellen so einen kontinuierlichen Informationsfluss<br />

und eine enge Zusammenarbeit sicher. Der<br />

in das Krisenreaktionszentrum integrierte Bürgerservice<br />

<strong>de</strong>s Auswärtigen Amts ist die zentrale Anlaufstelle<br />

für alle Bürgeranfragen, die das Dienstleistungsangebot<br />

<strong>de</strong>s Auswärtigen Amts betreffen.<br />

Zum Krisenreaktionszentrum gehört auch das rund<br />

um die Uhr besetzte Lagezentrum, <strong>de</strong>r Ansprechpartner<br />

für alle außerhalb <strong>de</strong>r Dienstzeit auftreten<strong>de</strong>n<br />

Notfälle. Aufbau und Einbindung <strong>de</strong>s Krisenreaktionszentrums<br />

in die Struktur <strong>de</strong>s Auswärtigen Amtes<br />

zeigt die Abbildung auf Seite 45.<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>r Krisenfrüherkennung wer<strong>de</strong>n weltweit<br />

Krisenfaktoren erfasst und prognostisch bewertet.<br />

Zur Krisenvorsorge wer<strong>de</strong>n Experten an die Auslandsvertretungen<br />

entsandt, um dort Vorsorgemaßnahmen<br />

für mögliche Krisenfälle durchzuführen. Diese so<br />

genannten Krisenunterstützungsteams (KUT) beraten<br />

die Auslandsvertretungen und an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>utsche<br />

Institutionen (Goethe-Institute, Auslandshan<strong>de</strong>lskammern,<br />

Deutsche Schulen) und die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Gemein<strong>de</strong> in krisengefähr<strong>de</strong>ten Regionen<br />

über Maßnahmen zur Krisenvorsorge, und sie unterstützen<br />

ggf. be<strong>im</strong> Management einer akuten Krise.<br />

Das zentrale Steuerungsinstrument für das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung <strong>im</strong> Ausland ist <strong>de</strong>r<br />

Krisenstab. Er wird <strong>im</strong> Krisenreaktionszentrum bei<br />

Bedarf gebil<strong>de</strong>t. Dort beraten und entschei<strong>de</strong>n Auswärtiges<br />

Amt und die übrigen zuständigen Behör<strong>de</strong>n<br />

gemeinsam die erfor<strong>de</strong>rlichen Maßnahmen.<br />

Die Zusammensetzung <strong>de</strong>s Krisenstabes ist<br />

flexibel und erfolgt so, dass alle zur Prob-<br />

lemlösung relevanten Stellen hochrangig<br />

genug und mit einem Mandat zum Treffen<br />

sofortiger Entscheidungen ausgestattet<br />

vertreten sind.<br />

Bei Bedarf wird ein Krisenstab um Stellen außerhalb<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung erweitert, z.B. um Vertreter <strong>de</strong>r<br />

Tourismusbranche bei Krisen in einer Urlaubsregion.<br />

In Krisen mit einer großen Zahl Betroffener richtet<br />

das Auswärtige Amt bei Bedarf eine Son<strong>de</strong>rrufnummer<br />

(Telefon-Hotline) ein. Die darüber eingehen<strong>de</strong>n<br />

Anrufe wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Telefonpool <strong>de</strong>s Krisenreaktionszentrums<br />

(mit bis zu 70 Arbeitsplätzen) bearbeitet.<br />

Mit Hilfe eines speziellen Computerprogramms wer<strong>de</strong>n<br />

Anrufer- und Vermisstendaten erfasst, so dass<br />

schnell Listen mit vermissten Personen und <strong>de</strong>nen,<br />

die nach ihnen suchen, erstellt wer<strong>de</strong>n können. Die<br />

Mitarbeiter <strong>im</strong> Telefonpool – Freiwillige aus <strong>de</strong>r Zentrale<br />

<strong>de</strong>s Auswärtigen Amts in Berlin – wer<strong>de</strong>n für<br />

diese Aufgaben geson<strong>de</strong>rt geschult.<br />

Für die personelle Verstärkung von Auslandsvertretungen,<br />

die von einer Krise betroffen sind, wer<strong>de</strong>n<br />

speziell geschulte Krisenreaktionsteams aus freiwilligen<br />

Mitarbeitern <strong>de</strong>s gesamten Auswärtigen Dienstes<br />

vorgehalten. Bei Bedarf wer<strong>de</strong>n die Auslandsvertretungen<br />

durch die Entsendung weiterer Fachleute<br />

(z.B. Krisenunterstützungsteams <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr zur<br />

Vorbereitung einer Evakuierung; Kriseninterventionsteams,<br />

bestehend aus Ärzten, Psychologen und<br />

Sanitätern zur medizinischen Betreuung Betroffener;<br />

BKA-Beamte zur I<strong>de</strong>ntifizierung von Opfern usw.)<br />

unterstützt.


Evakuierung aus <strong>de</strong>m Libanon <strong>im</strong> Juli 2006: Flüchtlinge verlassen ein Landungsboot<br />

Evakuierung aus <strong>de</strong>m Libanon, Juli 2006: größte Evakuierungsoperation <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Nachkriegsgeschichte.<br />

Evakuierung <strong>de</strong>utscher Bürger aus <strong>de</strong>m Libanon<br />

Die Krisenreaktion <strong>im</strong> Ausland soll am Beispiel <strong>de</strong>s<br />

Libanon erläutert wer<strong>de</strong>n: Mitte Juli 2006 eskalierte<br />

<strong>de</strong>r Konflikt zwischen Israel und Libanon. Als Folge<br />

<strong>de</strong>r Kampfhandlungen mussten rund 6.300 <strong>de</strong>utsche<br />

Staatsangehörige und in Deutschland leben<strong>de</strong> libanesische<br />

Staatsangehörige aus <strong>de</strong>m Libanon evakuiert<br />

wer<strong>de</strong>n, zum Teil unter schwierigsten Bedingungen.<br />

Für das Auswärtige Amt, die betroffenen <strong>de</strong>utschen<br />

Botschaften und die an<strong>de</strong>ren in das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

involvierten Behör<strong>de</strong>n (u.a. BMVg, BMI) war<br />

dies die größte Evakuierungsoperation <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Nachkriegsgeschichte.<br />

47


48<br />

Die Krise in Zahlen:<br />

Mehr als 4.000 Personen wur<strong>de</strong>n mit Bus-Konvois ab<br />

Beirut nach Damaskus (Syrien) sowie zum Teil nach<br />

Adana (Türkei) und Amman (Jordanien) evakuiert<br />

und von dort mit Evakuierungsflügen nach Deutschland<br />

ausgeflogen. Zahlreiche Personen mussten dafür<br />

zuerst mit Hilfe eines Krisenunterstützungsteams<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr aus <strong>de</strong>m umkämpften Süd-Libanon<br />

evakuiert und nach Beirut gebracht wer<strong>de</strong>n. Über<br />

2.000 Evakuierte erreichten Zypern auf gecharterten<br />

Schiffen, darunter die von Deutschland angemietete<br />

„Princesa Marissa“, die am 24. Juli 226 Personen<br />

(83 Deutsche sowie Angehörige an<strong>de</strong>rer Nationen)<br />

aus <strong>de</strong>r süd-libanesischen Stadt Tyros nach Zypern<br />

brachte. Für <strong>de</strong>n Weitertransport <strong>de</strong>r Evakuierten<br />

von Syrien, Jordanien, <strong>de</strong>r Türkei sowie Zypern nach<br />

Deutschland organisierte das Auswärtige Amt insgesamt<br />

27 Charterflüge (darunter 10 Flüge <strong>de</strong>r Luftwaffe).<br />

Viele Evakuierte konnten auch mit Flügen an<strong>de</strong>rer<br />

europäischer Partner mitreisen.<br />

Die <strong>de</strong>utschen Botschaften in Beirut, Damaskus und<br />

Nikosia wur<strong>de</strong>n massiv personell verstärkt durch die<br />

Entsendung<br />

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wehr nach Beirut, u.a. zur Organisation<br />

einer Sammelstelle in Beirut, zur Evakuierung<br />

von Personen aus <strong>de</strong>m Südlibanon (Saida und<br />

Nabatiyeh) sowie zur Planung und Durchfüh-<br />

rung <strong>de</strong>r Schiffsevakuierung aus <strong>de</strong>m<br />

süd-libanesischen Tyros;<br />

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Amts;<br />

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gen) zur Betreuung <strong>de</strong>r Evakuierten;<br />

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tischen Unterstützung <strong>de</strong>r Botschaft.<br />

Libanonkrieg Sommer 2006 – <strong>im</strong> Bild: Landung einer <strong>Bund</strong>eswehrmaschine aus Damaskus (Syrien) in Köln<br />

mit über 200 Evakuierten aus <strong>de</strong>m Libanon.<br />

Zum Autor: Klaus Streicher ist Angehöriger <strong>de</strong>s Krisenreaktionszentrums <strong>im</strong> Auswärtigen Amt, Berlin


Europäische Union und strategischer<br />

Bevölkerungsschutz<br />

Norbert Reez<br />

I. Hintergrund<br />

„Krisenbewältigung“ (engl.: crisis management) hat<br />

<strong>im</strong> Sprachgebrauch <strong>de</strong>r Europäischen Union (EU)<br />

aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Anknüpfungspunkte<br />

verschie<strong>de</strong>ne Be<strong>de</strong>utungen. 1 Grundsätzlich<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n sind (zivile bzw. militärische) Maßnahmen<br />

und Verfahren <strong>de</strong>r EU <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r sog.<br />

Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)<br />

und solche, die auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage<br />

stattfin<strong>de</strong>n. <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r<br />

GASP stützt sich auf Art. 17 Abs. 2 EU-Vertrag 2 und<br />

vollzieht sich <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>r Regierungszusammenarbeit.<br />

Demgegenüber ist zivile Krisenbewältigung<br />

(engl. civilian crisis management) <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes<br />

(engl.: disaster response and civil<br />

protection) gemeinschaftsrechtlicher Natur. Grundlage<br />

für das Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r EU auf diesem Feld ist die<br />

Generalklausel <strong>de</strong>s Art. 308 EG-Vertrag. Von dieser<br />

Kompetenz hat die EU Gebrauch gemacht. Gelten<strong>de</strong><br />

EU-Verfahren sind damit Teil <strong>de</strong>r ersten Säule und<br />

bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n aquis communautaire <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes.<br />

Neue konkrete Ziele für die Sicherheit <strong>de</strong>r EU hat <strong>de</strong>r<br />

Rat am 12. Dezember 2003 durch die Verabschiedung<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS) 3 vorgegeben.<br />

Die Regierungschefs weisen <strong>de</strong>r „zivilen Krisenbewältigung“<br />

dabei eine Schlüsselrolle zu: „ ... Dies<br />

gilt für die gesamte Palette <strong>de</strong>r uns zur Verfügung<br />

stehen<strong>de</strong>n Instrumente <strong>de</strong>r Krisenbewältigung und<br />

Konfliktverhütung, einschließlich unserer Maßnahmen<br />

<strong>im</strong> politischen, diplomatischen, militärischen<br />

Terroranschläge auf <strong>de</strong>n öffentlichen Personennahverkehr in<br />

Madrid for<strong>de</strong>rn am 11. März 2004 mehr als 180 Tote<br />

und zivilen, han<strong>de</strong>ls- und entwicklungspolitischen<br />

Bereich. Es bedarf einer aktiveren Politik, um <strong>de</strong>n<br />

neuen, ständig wechseln<strong>de</strong>n Bedrohungen entgegenzuwirken.<br />

Wir müssen eine Strategie-Kultur entwickeln,<br />

die ein frühzeitiges, rasches und wenn nötig<br />

robustes Eingreifen för<strong>de</strong>rt.“ 4<br />

More active in pursuing our strategic objectives.This applies to the full spectrum of instruments<br />

for crisis management and conflict prevention at our disposal, including political, diplomatic,<br />

military and civilian, tra<strong>de</strong> and <strong>de</strong>velopment activities. Active policies are nee<strong>de</strong>d to counter the<br />

new dynamic threats. We need to <strong>de</strong>velop a strategic culture that fosters early, rapid, and when<br />

necessary, robust intervention.<br />

European Security Strategy 2003<br />

49


50<br />

Corona-Viren – Auslöser <strong>de</strong>r Lungenerkrankung SARS (Schweres Akutes Atemwegssyndrom)<br />

Die strategische Zielvorgabe in <strong>de</strong>r ESS bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n<br />

Auftakt zu einer dynamischen Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>-Konzepts <strong>de</strong>r EU. Das Fünfjahresprogramm<br />

2005 – 2010 <strong>de</strong>r EU (sog. Haager<br />

Programm 5 ) vom 5. Dezember 2004 knüpft explizit<br />

an die ESS an und enthält bereits <strong>de</strong>n konkreten Auftrag<br />

an die EU-Kommission, das Handlungsfeld <strong>de</strong>r<br />

zivilen Krisenbewältigung neu und integrativ zu ordnen:<br />

„Eine wirksame Bewältigung grenzüberschreiten<strong>de</strong>r<br />

Krisen innerhalb <strong>de</strong>r EU erfor<strong>de</strong>rt nicht nur<br />

<strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Maßnahmen <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong>de</strong>s Katastrophenschutzes und <strong>de</strong>r lebenswichtigen<br />

Infrastruktur, son<strong>de</strong>rn sie muss auch die die öffentliche<br />

Sicherheit und Ordnung betreffen<strong>de</strong>n Aspekte<br />

solcher Krisen und die Koordinierung zwischen diesen<br />

bei<strong>de</strong>n Bereichen konkret mit einbeziehen. Der<br />

Europäische Rat for<strong>de</strong>rt daher <strong>de</strong>n Rat und die Kommission<br />

auf, innerhalb ihrer bestehen<strong>de</strong>n Strukturen<br />

und unter uneingeschränkter Wahrung <strong>de</strong>r nationalen<br />

Zuständigkeiten integrierte und koordinierte EU-Krisenbewältigungsreglungen<br />

für Krisen mit grenzüberschreiten<strong>de</strong>r<br />

Wirkung innerhalb <strong>de</strong>r EU auszuarbei-<br />

ten (…). Diese Regelungen sollten sich zunächst<br />

mit folgen<strong>de</strong>n Fragen befassen: weitere Bewertung<br />

<strong>de</strong>r Fähigkeiten <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten, Vorratshaltung,<br />

Ausbildung, gemeinsame Übungen und gemeinsame<br />

Operationspläne für die zivile Krisenbewältigung.“ 6<br />

Mit <strong>de</strong>m Haager Programm existiert – neben <strong>de</strong>r<br />

ESS – ein weiteres wichtiges Bezugsdokument zum<br />

Verständnis <strong>de</strong>s sicherheitspolitischen Engagements<br />

<strong>de</strong>r EU <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes 7 . Bei<strong>de</strong>,<br />

ESS und Haager Programm, sind Hauptwurzeln,<br />

Impulsgeber und Planungsgrundlage zugleich für<br />

nachfolgen<strong>de</strong> konkretisieren<strong>de</strong> EU-Rechtsakte und<br />

Verfahrensregelungen. 8 In <strong>de</strong>r neuen Strategie <strong>de</strong>r EU<br />

seit 2003 spiegelt sich die Antwort <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten<br />

auf die verän<strong>de</strong>rte weltweite Bedrohungslage.<br />

Die neue Situation, mit <strong>de</strong>n Chiffren „11. September“,<br />

„London“, Madrid“, „Neuer Terrorismus“, „Anthrax“,<br />

„BSE“, „SARS“, „Vogelgrippe“, „Kl<strong>im</strong>awan<strong>de</strong>l“ usw.<br />

nur höchst unvollkommen umrissen, erfor<strong>de</strong>rte eine<br />

neue Ausrichtung, insbeson<strong>de</strong>re auf <strong>de</strong>m Feld <strong>de</strong>s<br />

strategischen <strong>Krisenmanagement</strong>s.


Das Konzept „<strong>Krisenmanagement</strong>“ bietet heute <strong>im</strong><br />

EU-Kontext <strong>de</strong>n konzeptionellen Rahmen für die verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Aktivitäten und Initiativen <strong>de</strong>r Krisenbewältigung<br />

durch die EU. „Ziviles <strong>Krisenmanagement</strong>“<br />

steht für einen Querschnitts- und Gesamtansatz <strong>de</strong>r<br />

EU, in <strong>de</strong>m alle relevanten Sicherheitsaspekte gebün<strong>de</strong>lt<br />

sind und <strong>de</strong>r bewusst auch eine säulenübergrei-<br />

II. Die Europäische Union und strategischer Bevölkerungsschutz<br />

Es ist <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Rahmen nicht beabsichtigt, die<br />

aktuell für <strong>de</strong>n Bevölkerungsschutz gelten<strong>de</strong>n EU-Verfahrensregelungen<br />

(sog. „Finanzierungsinstrument“ 10 ;<br />

sog. „EU-Gemeinschaftsverfahren“ 11 ) o<strong>de</strong>r aktuelle<br />

Initiativen 12 vorzustellen. Statt<strong>de</strong>ssen soll <strong>de</strong>r allgemeineren<br />

Frage <strong>de</strong>s Gesamtansatzes <strong>de</strong>r EU auf <strong>de</strong>m<br />

Gebiet <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes nachgegangen<br />

wer<strong>de</strong>n. Im Vor<strong>de</strong>rgrund steht dabei die Frage nach<br />

<strong>de</strong>m konzeptionellen Ansatz, d. h. das Verhältnis <strong>de</strong>s<br />

supranationalen <strong>Krisenmanagement</strong>s zu <strong>de</strong>n nationalen<br />

Bevölkerungsschutzsystemen innerhalb <strong>de</strong>r EU.<br />

BSE-Krise in Europa: Anfang 2001 mussten allein in <strong>de</strong>r<br />

Großviehanlage in Mücheln über 1000 Rin<strong>de</strong>r mit Giftspritzen<br />

getötet wer<strong>de</strong>n.<br />

fen<strong>de</strong> (engl.: cross-pillar) D<strong>im</strong>ension aufweist. Das<br />

neu erwachte Interesse <strong>de</strong>r EU am strategischen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

ist damit Ausdruck <strong>de</strong>r pro-aktiven<br />

„Strategie-Kultur“, <strong>de</strong>r sich die Mitgliedstaaten in <strong>de</strong>r<br />

ESS angesichts <strong>de</strong>r neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen verschrieben<br />

haben. 9<br />

1. Handbuch <strong>de</strong>r EU für die Notfall- und Krisenkommunikation<br />

Aufschlussreich ist insoweit die seit Juni 2007 vorliegen<strong>de</strong><br />

überarbeitete Fassung <strong>de</strong>s „Handbuchs <strong>de</strong>r<br />

EU für die Notfall- und Krisenkoordination“ (engl.:<br />

Manual on EU Emergency and Crisis Coordination)<br />

vom 20. Juni 2007. 13 Der Inhalt lässt sich grob wie<br />

folgt umreißen: Es besteht neben <strong>de</strong>r Einleitung aus<br />

drei Kapiteln sowie zwei Anlagen. In <strong>de</strong>r Einleitung<br />

wer<strong>de</strong>n Hinweise zur Anwendung <strong>de</strong>s Handbuchs<br />

gegeben, insbeson<strong>de</strong>re zur Aktivierung <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

EU-Instrumente. Kapitel 1 beschreibt, unterstützt<br />

durch graphische Ablaufdiagramme 14 , das Verfahren<br />

zur Einrichtung eines Krisenstabes auf EU-Ebene in<br />

beson<strong>de</strong>ren Fällen. In Kapitel 2 sind sog. Standard-<br />

Kontaktstellen in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten aufgelistet. In<br />

<strong>de</strong>r vollständigen (nicht-öffentlichen) Fassung sind<br />

konkrete Erreichbarkeitsdaten (Anschrift, Telefon,<br />

Fax, Email, Ansprechstelle, Ansprechperson, Sprache<br />

etc.) <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n nationalen Lagezentren<br />

und Stellen aufgeführt. In Kapitel 3 gibt das Handbuch<br />

schließlich einen Überblick über existieren<strong>de</strong><br />

Netzwerke <strong>de</strong>r EU und relevanter Organisationen <strong>im</strong><br />

Bereich <strong>de</strong>s zivilen <strong>Krisenmanagement</strong>s. Die Darstellung<br />

reicht von <strong>de</strong>m Gemeinsamen Lagezentrum <strong>de</strong>r<br />

EU <strong>im</strong> Generalsekretariat <strong>de</strong>s Rates <strong>de</strong>r EU (SITCEN)<br />

und <strong>de</strong>m Beobachtungs- und Informationszentrum<br />

für Katastrophenschutz bei <strong>de</strong>r EU-Kommission (MIC<br />

/ engl.: Monitoring and Information Centre for Civil<br />

Protection) über die verschie<strong>de</strong>nen Frühwarnsysteme<br />

ARGUS (Allgemeines Frühwarnsystem <strong>de</strong>r EU-Kommission),<br />

EWRS (Frühwarnsystem für übertragbare<br />

Krankheiten), ADNS (Tierseuchen-Mel<strong>de</strong>system),<br />

RAPEX (Schnellwarnsystem für unsichere Produkte),<br />

51


52<br />

RASFF (Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel),<br />

BICHAT (Schnellwarnsystem für biologische<br />

und chemische Anschläge und Bedrohungen),<br />

ECURIE (System für radiologische Notfälle), EISS<br />

(Europäisches Influenza-Überwachungssystem) bis<br />

zu internationalen Organisationen und Einrichtungen<br />

(z. B. EUROCONTROL, Internationale Atomenergiebehör<strong>de</strong><br />

/IAEA, Interpol, VN-Büro für die Koordinierung<br />

humanitärer Angelegenheiten / OCHA, NATO<br />

Euro-atlantisches Koordinierungszentrum für Katastrophenhilfe<br />

/ EADRCC), Weltgesundheitsorganisation<br />

/ WHO). Die Darstellung folgt dabei einem<br />

einheitlichen Schema: So wer<strong>de</strong>n jeweils zunächst<br />

Kontaktadressen angegeben, gefolgt von einer Tätigkeits-<br />

und Zweckbeschreibung; zum Schluss wer<strong>de</strong>n<br />

Mitglie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Beteiligte, eine Internetadresse<br />

(„Link“) und die jeweilige Rechtsgrundlage genannt.<br />

Es dürfte nicht zuviel gesagt sein, in <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Handbuch <strong>de</strong>r EU für die Notfall- und Kri-<br />

Was ist nun in konzeptioneller Hinsicht das Charakteristische<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>ansatzes <strong>de</strong>r EU?<br />

Gleich zu Beginn wird ausdrücklich Bezug genommen<br />

auf <strong>de</strong>n Auftrag <strong>de</strong>s Rates <strong>im</strong> Haager Programm<br />

(Nummer 2.4), wo <strong>de</strong>r Europäische Rat „die Ausarbeitung<br />

integrierter EU-Regelungen für die Bewältigung<br />

von Krisen mit grenzüberschreiten<strong>de</strong>r Wirkung“ verlangt<br />

hatte. Das Handbuch ist damit auch das Ergebnis<br />

einer konsequenten Implementierungsstrategie.<br />

In diesem Sinne ist es augenfälliger Ausdruck <strong>de</strong>s<br />

neuen Gestaltungswillens <strong>de</strong>r EU <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s zivilen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s. Ist <strong>de</strong>shalb die Eigenverantwortlichkeit<br />

<strong>de</strong>r EU-Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s<br />

Bevölkerungsschutzes gefähr<strong>de</strong>t? Die Antwort auf<br />

diese Frage gibt die EU <strong>im</strong> Handbuch selbst:<br />

2. Europäischer strategischer Bevölkerungsschutz<br />

senkoordination, das sich selbst als ständig „fortzuschreiben<strong>de</strong>s<br />

Dokument“ 15 begreift, ein praktisches<br />

Kompendium <strong>de</strong>s EU-aquis in Sachen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

zu sehen. Das Handbuch ist aber nicht nur<br />

ein Schlüsseldokument für je<strong>de</strong>n Praktiker, <strong>de</strong>r sich<br />

über getroffene organisatorische Vorkehrungen für<br />

<strong>de</strong>n Krisenfall auf EU- Ebene und <strong>de</strong>ren Zusammenspiel<br />

mit an<strong>de</strong>ren <strong>Krisenmanagement</strong>strukturen<br />

informieren will. Durch die integrative Gesamtdarstellung<br />

von konkreter EU-Notfall- bzw. Krisenplanung,<br />

von weltweit existieren<strong>de</strong>n Frühwarnsystemen<br />

und von konkreten Ansprechstellen in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

unter Zugrun<strong>de</strong>legung von Min<strong>im</strong>alstandards<br />

(z. B. 24-Stun<strong>de</strong>n-Erreichbarkeit) wird die komplexe<br />

Vielfalt <strong>de</strong>r interagieren<strong>de</strong>n Akteure und <strong>de</strong>r, je<br />

nach Krisenszenario, anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mechanismen<br />

<strong>de</strong>utlich. In <strong>de</strong>m Handbuch n<strong>im</strong>mt <strong>de</strong>r Gesamtansatz<br />

<strong>de</strong>r EU <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s zivilen <strong>Krisenmanagement</strong>s in<br />

Konturen bereits Gestalt an.<br />

„Das Handbuchs <strong>de</strong>r EU für die Notfall-<br />

und Krisenkoordination beruht durchge-<br />

hend auf <strong>de</strong>m Grundprinzip <strong>de</strong>r Subsidi-<br />

arität – die Mitgliedstaaten sind für die<br />

Bewältigung von Krisen in ihrem Hoheits-<br />

gebiet in erster Linie selbst zuständig. Das<br />

Handbuch erlegt we<strong>de</strong>r Verpflichtungen<br />

auf, noch än<strong>de</strong>rt es bestehen<strong>de</strong> Zuständig-<br />

keiten. Durch das Handbuch soll <strong>de</strong>r Wert<br />

gegenseitiger solidarischer Unterstützung<br />

zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten bei <strong>de</strong>r<br />

Reaktion auf größere Notfälle anerkannt<br />

wer<strong>de</strong>n.“ 16


Sehr <strong>de</strong>utlich kommt dieser Gedanke auch in <strong>de</strong>n<br />

neuesten Verlautbarungen <strong>de</strong>r EU zum Ausdruck. In<br />

<strong>de</strong>n Schlussfolgerungen <strong>de</strong>s Rates vom 18. April 2008<br />

„BETONT (<strong>de</strong>r Rat, d. Verf.), dass die Stärkung <strong>de</strong>r<br />

Katastrophenabwehrkapazitäten <strong>de</strong>r Union durch ein<br />

ausgewogenes Konzept erzielt wer<strong>de</strong>n sollte, das auf<br />

zwei Grundsätzen beruht, nämlich zum einen auf <strong>de</strong>r<br />

nationalen Verantwortung, wonach je<strong>de</strong>r Staat geeignete<br />

operative und präventive Maßnahmen für <strong>de</strong>n<br />

Schutz und die Sicherheit seiner Bürger trifft, und<br />

zum an<strong>de</strong>ren auf <strong>de</strong>r Solidarität <strong>de</strong>r EU, die gewährleistet,<br />

dass gefähr<strong>de</strong>te Mitglieds- und Drittstaaten<br />

durch die EU unterstützt wer<strong>de</strong>n.“ 17 Auch die neuen<br />

Vorschläge <strong>de</strong>r EU-Kommission 18 zum Ausbau <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>systems <strong>de</strong>r EU bewegen sich in<br />

diesem Rahmen. Um die neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes annehmen zu<br />

können, plädiert die Kommission für ein „umfassen<strong>de</strong>s<br />

und integriertes Gesamtkonzept“, das es ermöglicht,<br />

in allen Phasen einer Krise die Fähigkeiten <strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>nen EU-Mitgliedstaaten schnellstmöglich<br />

und koordiniert zu mobilisieren und synergetisch zu<br />

verbin<strong>de</strong>n:<br />

Banda Aceh in Südostasien:<br />

Ein Seebeben und <strong>de</strong>r<br />

folgen<strong>de</strong> Tsunami töten<br />

<strong>im</strong> Dezember 2004 über<br />

200.000 Menschen<br />

„Die Katastrophen von heute betreffen<br />

häufig mehrere Län<strong>de</strong>r zugleich und erfor-<br />

<strong>de</strong>rn daher eine multilaterale, koordinier-<br />

te Reaktion. Gleichzeitig verschw<strong>im</strong>men<br />

die Grenzen zwischen inländischen und<br />

ausländischen Katastrophen zusehends:<br />

Die Flutkatastrophe <strong>im</strong> Indischen Ozean<br />

traf europäische Touristen ebenso wie die<br />

einhe<strong>im</strong>ische Bevölkerung, Hochwasser<br />

wie auch Waldbrän<strong>de</strong> betreffen sowohl die<br />

Mitgliedstaaten <strong>de</strong>r EU als auch ihre Nach-<br />

barlän<strong>de</strong>r, Epi<strong>de</strong>mien können schnell von<br />

einem Erdteil auf <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren übersprin-<br />

gen, und ebenso schnell kann beispielswei-<br />

se die Notwendigkeit entstehen, EU-Bürger<br />

aus Krisengebieten zu evakuieren.“ 19<br />

53


54<br />

Wie in <strong>de</strong>r Einleitung zum Handbuch unterstreicht<br />

die Kommission erneut die Grundprinzipien für ein<br />

integriertes <strong>Krisenmanagement</strong>system, nämlich nationale<br />

Eigenverantwortung und europäische Solidarität:<br />

„Die Komplexität und <strong>de</strong>r Umfang dieser<br />

vielschichtigen Herausfor<strong>de</strong>rungen erfor<strong>de</strong>rn ein<br />

Gesamtkonzept <strong>de</strong>r EU für eine kontinuierliche Risikobewertung,<br />

Vorhersage, Prävention, Vorsorge und<br />

(vor- und nachgeschaltete) Katastrophenmil<strong>de</strong>rung,<br />

das die verschie<strong>de</strong>nen Strategien, Instrumente und<br />

Maßnahmen, die bei einer Zusammenarbeit zwischen<br />

<strong>de</strong>r Gemeinschaft und <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten zur<br />

Verfügung stehen, in sich vereint und so dazu beiträgt,<br />

ein ausgewogenes Verhältnis zwischen nationaler<br />

Verantwortung und europäischer Solidarität zu<br />

schaffen.“ 20 Ausdrücklich macht die EU-Kommission<br />

in ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und<br />

<strong>de</strong>n Rat vom März 2008 darauf aufmerksam, dass <strong>de</strong>r<br />

Begriff <strong>de</strong>r „Katastrophe“ (engl.: disaster) sehr weit<br />

verstan<strong>de</strong>n wird: „In <strong>de</strong>r Mitteilung wird <strong>de</strong>r Begriff<br />

<strong>de</strong>r ‚Katastrophe’ <strong>im</strong> weiteren Sinne verwen<strong>de</strong>t, um<br />

sowohl Naturkatastrophen als auch von Menschenhand<br />

verursachte Unglücke und größere konfliktbedingte<br />

Notsituationen in- und außerhalb <strong>de</strong>r EU<br />

zu erfassen.“ 21 Der Hinweis ist nötig und <strong>de</strong>nnoch<br />

nicht geeignet, Missverständnisse zu vermei<strong>de</strong>n. Das<br />

gilt insbeson<strong>de</strong>re für Deutschland. Dort ist auf <strong>de</strong>r<br />

Grundlage <strong>de</strong>r Katastrophenschutzgesetze <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

und <strong>de</strong>s Zivilschutzgesetzes ein sehr viel engerer<br />

Begriff von „Katastrophe“ und „Notfall“ etabliert<br />

und geläufig. Die EU-Kommission verfährt hier selbst<br />

nicht vollends stringent und systematisch. Blickt man<br />

nämlich in die Einleitung zum Handbuch so wird<br />

dort – wenn auch in genauso weitem Sinne – nicht<br />

<strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r „Katastrophe“ (engl.: disaster), son<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r „Krise“ (engl.: crisis) bzw. „Notfall“<br />

(engl.: emergency) zugrun<strong>de</strong> gelegt.<br />

Das Handbuch unterschei<strong>de</strong>t drei Typen von Krisen bzw. Notfällen<br />

(engl.: crisis / emergencies):<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Schwerste Krisen / Notfälle mit so weit reichen<strong>de</strong>n Auswirkungen o<strong>de</strong>r einer<br />

so umfassen<strong>de</strong>n politischen Be<strong>de</strong>utung, dass eine abgest<strong>im</strong>mte Reaktion <strong>de</strong>r<br />

EU auf politischer Ebene erfor<strong>de</strong>rlich ist. Anwendbar sind in solchen Fällen<br />

die <strong>im</strong> Handbuch (Kap. 1) ausführlich beschriebenen „EU-Regelungen zur Koordinierung<br />

in Notfällen und Krisen“ (engl.: EU Emergency and Crisis Coordination<br />

Arrangements / CCA).<br />

Krisen / Notfälle, die ein Tätigwer<strong>de</strong>n und bisweilen eine gegenseitige operative<br />

Unterstützung durch Nachbarstaaten, an<strong>de</strong>re Mitgliedstaaten, die EU-<br />

Strukturen und/o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Organisationen erfor<strong>de</strong>rlich machen, ohne dass<br />

eine abgest<strong>im</strong>mte politische Reaktion <strong>de</strong>r EU auf politischer Ebene notwendig<br />

wäre; grenzüberschreiten<strong>de</strong> Notfälle/Krisen dieser Art können in <strong>de</strong>r Regel<br />

durch gut funktionieren<strong>de</strong> regionale, bilaterale und multilaterale Übereinkünfte<br />

und Regelungen, EU-Verfahren (z. B. MIC) o<strong>de</strong>r sonstige Übereinkünfte<br />

abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n.<br />

Notfälle / Krisen, die von <strong>de</strong>n betroffenen Mitgliedstaaten ohne direkte Hilfe<br />

seitens an<strong>de</strong>rer Mitgliedstaaten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r EU-Organe bewältigt wer<strong>de</strong>n können;<br />

Grundlage sind einzelstaatliche Regelungen zur Bewältigung von Notfällen/<br />

Krisen.


Die Unterscheidung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Krisenarten<br />

bringt an<strong>de</strong>utungsweise das auf <strong>de</strong>n Begriff, was<br />

die EU-Kommission offenbar auch mit <strong>de</strong>m erweiterten<br />

Katastrophenbegriff <strong>im</strong> Sinn hat. Man könnte<br />

von Krisen erster, zweiter und dritter Ordnung<br />

sprechen. Setzt man diese Kategorien systematisch<br />

in Beziehung zu <strong>de</strong>n genannten Grundprinzipien<br />

<strong>de</strong>s Systems (Subsidiarität bzw. nationale Eigenverantwortung<br />

und europäische Solidarität), so gewinnt<br />

man Maßstäbe für das Han<strong>de</strong>ln in <strong>de</strong>r Krise auf <strong>de</strong>r<br />

jeweiligen Ebene. Die EU-Anstrengungen, die auf die<br />

nachhaltige Stärkung <strong>de</strong>r „Katastrophenabwehrkapazitäten“<br />

und die Errichtung eines „integrierten EU-<br />

Katastrophenbewältigungssystems“ gerichtet sind,<br />

führen damit in <strong>de</strong>utscher Übersetzung sprachlich<br />

in die Irre. Der Sache nach geht es um <strong>de</strong>n Aufbau<br />

eines europäischen <strong>Krisenmanagement</strong>systems. Aus<br />

<strong>de</strong>utscher Sicht gilt es, die zweifellos vorhan<strong>de</strong>ne Begriffsverwirrung<br />

um die Bezeichnungen „Krise“ und<br />

„Katastrophe“ aufzulösen. Was ist also <strong>Krisenmanagement</strong><br />

an<strong>de</strong>res als Katastrophenmanagement bzw.<br />

was spricht für Krise, was für Katastrophe?<br />

Der Begriff <strong>de</strong>r „Krise“ beschreibt besser das zu lösen<strong>de</strong><br />

Problem, bringt er doch das Kernproblem<br />

<strong>de</strong>r neuen Sicherheitslage, nämlich die beson<strong>de</strong>re<br />

Störungsanfälligkeit und Verwundbarkeit <strong>de</strong>r hoch<br />

industrialisierten Gesellschaften mit ihren unzähligen<br />

krisenanfälligen Infrastrukturen <strong>im</strong> öffentlichen<br />

wie <strong>im</strong> privaten Sektor genauer zum Ausdruck. Dies<br />

macht eine neue phasen- und prozessorientierte Betrachtung<br />

und Behandlung von Sicherheitsrisiken <strong>im</strong><br />

Vorfeld von sicherheitsrelevanten Ereignissen erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Notwendig sind Früherkennung, Frühaufklärung,<br />

Risikoanalyse, das, was in <strong>de</strong>r ESS als „Strategie-Kultur“<br />

bezeichnet wur<strong>de</strong>. <strong>Krisenmanagement</strong><br />

ist insoweit <strong>de</strong>r neue konzeptionelle Ansatz, um die<br />

Katastrophe, wenn nicht zu verhin<strong>de</strong>rn, so doch<br />

durch systematisches strategisches Management <strong>im</strong><br />

Vorfeld eines potentiell katastrophalen Ereignisses<br />

auf nationaler und internationaler Ebene in ihren<br />

Auswirkungen zu mil<strong>de</strong>rn. <strong>Krisenmanagement</strong> in<br />

Opposition zum „Katastrophenschutz“ o<strong>de</strong>r zum „Katastrophenmanagement“<br />

zu bringen, greift auf je<strong>de</strong>n<br />

Fall zu kurz. Katastrophen- und Einsatzmanagement<br />

sind nicht min<strong>de</strong>r wichtig, ja – <strong>im</strong> Ereignisfall – unabdingbar.<br />

Nur betreffen sie <strong>im</strong> Gesamtprozess einen<br />

spezifischen Ausschnitt <strong>de</strong>r neuerdings zusätzlich zu<br />

leisten<strong>de</strong>n, präventiven Sicherheitsarbeit.<br />

Mit <strong>Krisenmanagement</strong> ist eine Verbreiterung <strong>de</strong>s Sicherheitskonzepts<br />

und eine Akzentverschiebung von<br />

<strong>de</strong>r Katastrophe zur Krise verbun<strong>de</strong>n. Zugleich wird<br />

<strong>de</strong>r Interventionszeitpunkt für die Bewältigung <strong>de</strong>r<br />

möglichen Krise <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>r Krisenvorsorge, Krisenprävention,<br />

<strong>de</strong>n Aufbau von Krisenstäben, die<br />

Einrichtung von Frühwarnsystemen, die Bildung von<br />

Krisenreaktionsteams, die Vernetzung von Betreibern<br />

kritischer Infrastrukturen nach vorne verlagert. Das<br />

in Aussicht genommene „integrierte Gesamtkonzept<br />

zur Krisenbewältigung <strong>de</strong>r EU“ ist damit ein eminent<br />

strategisches. Bestätigt wird diese Sichtweise<br />

durch entsprechen<strong>de</strong> Ausführungen <strong>im</strong> Handbuch:<br />

„In diesem Handbuch umfasst <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Krisenbewältigung<br />

ein breites Spektrum an Bereichen, zu<br />

<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Katastrophenschutz, die Strafverfolgung,<br />

die öffentliche Ordnung und auch <strong>de</strong>r private Sektor<br />

gehören. Die <strong>im</strong> Handbuch enthaltenen Regelungen<br />

sind säulenübergreifend und gelten sowohl für externe<br />

Krisen als auch für Krisen innerhalb <strong>de</strong>r EU;<br />

sie sollen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten bei Notfällen eine Hilfe<br />

sein.“ 22<br />

In the context of this manual, the notion of crisis management encompasses a wi<strong>de</strong> range of<br />

sectors including civil protection, law enforcement, public or<strong>de</strong>r and the private sector. The manual<br />

is cross pillar and relevant both to external crises and crises within the EU and a<strong>im</strong>s to<br />

assist Member States during emergencies.<br />

Manual on EU Emergency and Crisis Coordination 2007<br />

55


56<br />

So gesehen betreibt die EU auf supranationaler Ebene<br />

die Entwicklung eines neuen strategischen Bevölkerungsschutzkonzepts<br />

nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s.<br />

Man kann insoweit mit guten Grün<strong>de</strong>n<br />

von strategischem Bevölkerungsschutz sprechen.<br />

Strategischer Bevölkerungsschutz soll heißen, dass<br />

die EU <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung <strong>im</strong> Wesentlichen<br />

durch eine aktive Notfall- und Krisenkoordination<br />

bewerkstelligen will. Hierzu gehört freilich auch <strong>de</strong>r<br />

präventive Aufbau von Entscheidungsstrukturen und<br />

das Treffen allgemeiner organisatorischer Vorkehrungen<br />

auf EU-Ebene – und mittelbar in <strong>de</strong>n Mitglied-<br />

III. Ausblick<br />

Wie sich das Konzept <strong>de</strong>r EU für einen strategischen<br />

Bevölkerungsschutz, das als „umfassen<strong>de</strong>s und integriertes<br />

Krisenbewältigungssystem“ konzipiert wer<strong>de</strong>n<br />

soll, in <strong>de</strong>r Praxis weiterentwickeln wird, ist zur Zeit<br />

offen. Irland hat <strong>de</strong>n Reformvertrag <strong>de</strong>r EU (Vertrag<br />

von Lissabon) am 12. Juni 2008 in einem Referen-<br />

Verbindungsbeamter <strong>de</strong>s Monitoring Information Centre <strong>de</strong>r<br />

EU <strong>im</strong> Rahmen einer gemeinsamen Erkundungsmission mit<br />

<strong>de</strong>n Vereinten Nationen nach einer Ölkatastrophe <strong>im</strong> Dezember<br />

2007 in Südkorea<br />

staaten (<strong>Krisenmanagement</strong>strukturen). Strategischer<br />

Bevölkerungsschutz in diesem Sinne erfor<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>mzufolge<br />

zwingend <strong>de</strong>n flankieren<strong>de</strong>n Aufbau „analoger“,<br />

besser: interoperabler bzw. korrespondieren<strong>de</strong>r<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>strukturen in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten.<br />

Ohne anschlussfähige Strukturen in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten,<br />

<strong>de</strong>nen gemeinsame Standards zugrun<strong>de</strong> liegen,<br />

wird, davon ist auszugehen, <strong>de</strong>r EU-Mechanismus<br />

für einen strategischen Bevölkerungsschutz nach <strong>de</strong>n<br />

Grundsätzen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s kaum funktionsfähig<br />

sein.<br />

dum abgelehnt; <strong>de</strong>r Ratifizierungsprozess ist dadurch<br />

ins Stocken geraten. Ziel <strong>de</strong>s Vertrages ist u. a., <strong>de</strong>n<br />

Bevölkerungsschutz aufgrund seiner herausragen<strong>de</strong>n<br />

Be<strong>de</strong>utung für die Zukunft pr<strong>im</strong>ärrechtlich zu verankern<br />

und durch eine Neufassung <strong>de</strong>s Art. 308 EG-<br />

Vertrag Mehrheitsentscheidungen zu ermöglichen. 23<br />

An <strong>de</strong>r Notwendigkeit eines solchen Systems, das in<br />

Konturen auf EU-Ebene bereits sichtbar ist, kann in<strong>de</strong>ssen<br />

kein ernsthafter Zweifel bestehen. Am Beginn<br />

<strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts wird zusehends klarer, dass<br />

sich die Grundkoordinaten für eine nationale und<br />

internationale Sicherheitsarbeit verschoben haben. 24<br />

<strong>Nationales</strong> wie transnationales <strong>Krisenmanagement</strong><br />

muss <strong>im</strong> Vorstadium <strong>de</strong>r Katastrophe beginnen, muss<br />

versuchen, frühzeitig Anzeichen für eine solche zu<br />

erkennen bzw. zu antizipieren. Die Umstellung <strong>de</strong>s<br />

Gesamtsystems von <strong>de</strong>n hergebrachten Kategorien<br />

<strong>de</strong>s Katastrophenschutzes auf ein neu ausgerichtetes<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>system verläuft gera<strong>de</strong> auf EU-<br />

Ebene aufgrund <strong>de</strong>r Sprachbarrieren und konkurrieren<strong>de</strong>r<br />

Begrifflichkeiten nicht reibungslos. <strong>Krisenmanagement</strong><br />

bleibt von daher <strong>im</strong> nationalen wie <strong>im</strong><br />

internationalen Rahmen aktuell auch eine beson<strong>de</strong>re<br />

konzeptionelle Herausfor<strong>de</strong>rung. Wo für die Fortentwicklung<br />

<strong>de</strong>s Systems die Grenzen <strong>de</strong>r Prinzipien<br />

Solidarität und Subsidiarität in die eine o<strong>de</strong>r die an<strong>de</strong>re<br />

Richtung zu sehen sind, muss die Politik verantwortlich<br />

festlegen. 25 Vernünftigerweise aber kann mit<br />

einem integrierten Krisenbewältigungssystem <strong>de</strong>r EU<br />

kein operatives <strong>Krisenmanagement</strong> in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

bei Krisen dritter Ordnung gemeint sein.


Waldbrän<strong>de</strong> bedrohen vor allem <strong>de</strong>n trockenen Sü<strong>de</strong>n Europas: Einsatz <strong>de</strong>r Feuerwehr in Südfrankreich <strong>im</strong> August 2000<br />

Über die Fragen <strong>de</strong>r konzeptionellen und normativen<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>s EU-Systems hinaus besteht<br />

die eigentliche und viel größere Herausfor<strong>de</strong>rung in<br />

<strong>de</strong>r Herausbildung einer Krisenbewältigungskultur –<br />

auf nationaler wie auf supranationaler Ebene.<br />

Krisenbewältigung, also gesellschaftlich<br />

<strong>de</strong>stabilisieren<strong>de</strong> Situationen zu meistern,<br />

erfor<strong>de</strong>rt eine kollektive Kraftanstrengung<br />

ganz beson<strong>de</strong>rer Art. Das be<strong>de</strong>utet, dass<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> nicht nur konzipiert,<br />

son<strong>de</strong>rn auf allen Ebenen praktiziert<br />

wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Auch die EU hat dies erkannt. Im Herbst 2008 wird<br />

sie daher eine Stabsrahmenübung mit <strong>de</strong>m Szenario<br />

„Doppelter Wirbelsturm“ (engl.: „twin storm“) durchführen.<br />

An <strong>de</strong>r EU-Übung wer<strong>de</strong>n sich zehn Mitgliedstaaten<br />

(Belgien, Dänemark, Frankreich, Lettland, Litauen,<br />

Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>, Rumänien, Spanien, Schwe<strong>de</strong>n<br />

und Großbritannien) beteiligen. Die Übung heißt<br />

„CCAEX 08“ (engl.: Crisis Coordination Arrangements<br />

Exercise). 26<br />

Zum Autor: Norbert Reez leitet <strong>de</strong>n Lehrbereich IV.6 an <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong>, Notfallplanung und Zivilschutz<br />

(AKNZ) <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und ist zugleich Projektleiter <strong>de</strong>r Projektgruppe LÜKEX<br />

(Ressort- und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>übungen)<br />

57


58<br />

1 Zum Ganzen NOWAK, A. (Hrsg.), 2006, Civilian Crisis Management: The EU way, Paris (Institute for Security Studies, Chaillot<br />

Paper No. 90)<br />

2 Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 in <strong>de</strong>r Fassung vom 26. Februar 2001/Dok. CONFER 4820/00 – Vertrag<br />

von Nizza), BGBl 2002 II S. 1666; Art. 17.2 EU-Vertrag lautet: „Die Fragen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen<br />

wird, schließen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, frie<strong>de</strong>nserhalten<strong>de</strong> Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei <strong>de</strong>r<br />

Krisenbewältigung einschließlich frie<strong>de</strong>nschaffen<strong>de</strong> Maßnahmen ein.“.<br />

3 European Security Strategy / A SECURE EUROPE IN A BETTER WORLD - Europäische Sicherheitsstrategie / EIN SICHERES<br />

EUROPA IN EINER BESSEREN WELT vom 12. Dezember 2003, Brüssel<br />

4 ebenda. S. 11<br />

5 Rat <strong>de</strong>r EU, 2004, Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in <strong>de</strong>r Europäischen Union, Brüssel,<br />

<strong>de</strong>n 12. Dezember 2004 (16054/04)<br />

6 ebenda, S. 24<br />

7 Mit „Bevölkerungsschutz“ ist hier die Gesamtheit von Zivil- und Katastrophenschutz umfasst unbescha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>rheit<br />

in Deutschland, wonach insoweit verfassungsrechtlich verschie<strong>de</strong>ne Kompetenzbereiche für <strong>de</strong>n <strong>Bund</strong> und die Län<strong>de</strong>r existieren;<br />

dazu MEYER-TESCHENDORF, K., 2007, Rechtsfortbildung <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz. Zum Diskussionsstand zwischen<br />

<strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn, in: Bevölkerungsschutz, Heft 2, S. 23-30<br />

8 Dazu unten II.<br />

9 Vgl. MISSIROLI, A. (Hrsg.), 2005, Disasters, Disruptions: a new D-drive for the EU, Paris (Institute for Security Studies, Chail-<br />

lot Paper No. 83)<br />

10 Entscheidung (2007/162/EG, Euratom) <strong>de</strong>s Rates vom 5. März 2007 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für <strong>de</strong>n<br />

Katastrophenschutz<br />

11 Rat <strong>de</strong>r EU, 2007, Entscheidung (2007/779/EG, Euratom) <strong>de</strong>s Rates vom 8. November 2007 über ein Gemeinschaftsverfahren<br />

für Katastrophenschutz (Neufassung)<br />

12 z. B. das Europäische Programm zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (EPSKI), hierzu JOHN-KOCH, M., 2007, EPSKI. Das<br />

Europäische Programm zum Schutz Kritischer Infrastrukturen, in: Bevölkerungsschutz, Heft 2, S. 15-18<br />

13 Vgl. Rat <strong>de</strong>r EU, 2007, Bericht und überarbeitete Fassung <strong>de</strong>s Handbuchs <strong>de</strong>r EU für die Notfall- und Krisenkommunikation –<br />

Billigung vom 20. Juni 2007 (10011/07 REV 1), Brüssel (72 Seiten)<br />

14 ebenda S. 6, 11<br />

15 ebenda, S. 4<br />

16 ebenda, S. 4<br />

17 Rat <strong>de</strong>r EU, 2008, Entwurf von Schlussfolgerungen <strong>de</strong>s Rates über die Stärkung <strong>de</strong>r Katastrophenabwehrkapazitäten <strong>de</strong>r<br />

Europäischen Union – auf <strong>de</strong>m Weg zu einem integrierten Konzept für die Katastrophenbewältigung vom 18. April 2008 (EU<br />

Dok. 8592/08), S. 3<br />

18 EU-KOM, 2008, Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission an das Europäische Parlament und <strong>de</strong>n Rat. Stärkung <strong>de</strong>r Katastrophenabwehr<br />

kapazitäten <strong>de</strong>r Europäischen Union (Brüssel <strong>de</strong>n 5.3.2008 KOM (2008) 130 endgültig)<br />

19 ebenda, S. 3<br />

20 ebenda<br />

21 ebenda, S. 2<br />

22 ebenda<br />

23 vgl. Entwurf <strong>de</strong>s Lissabon-Vertrages Art. 6, 196 EU-Vertrag (konsolidierte Fassung)<br />

24 vgl. AMMANN, W. J. et. al. (Hrsg), 2006, RISK21 – Coping with Risks due to Natural Hazards in the 21st Century, London;<br />

BECK, U., 2007, Weltrisikogesellschaft. Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>r verlorenen Sicherheit, Frankfurt a. M.<br />

25 Umstritten insoweit BARNIER, M., 2006, For a European civil protection force: Europe aid. Report by Michel Barnier, Brüssel<br />

26 EU-KOM, 2008, CCAEX 08, Planning Team First Meeting 22 February 2008, Bruxelles


Literatur und Quellen<br />

AMMANN, W. J. et. al. (Hrsg), 2006, RISK21 – Coping with Risks due to Natural Hazards in the 21st Century, London<br />

BECK, U., 2007, Weltrisikogesellschaft. Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>r verlorenen Sicherheit, Frankfurt a. M.<br />

European Security Strategy / A SECURE EUROPE IN A BETTER WORLD - Europäische Sicherheitsstrategie / EIN SICHERES<br />

EUROPA IN EINER BESSEREN WELT vom 12. Dezember 2003, Brüssel<br />

EU-KOM, 2008, Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission an das Europäische Parlament und <strong>de</strong>n Rat. Stärkung <strong>de</strong>r Katastrophenabwehrkapazitäten<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Union (Brüssel <strong>de</strong>n 5.3.2008 KOM (2008) 130 endgültig)<br />

EU-KOM, 2008, CCAEX 08, Planning Team First Meeting 22 February 2008, Bruxelles<br />

JOHN-KOCH, M., 2007, EPSKI. Das Europäische Programm zum Schutz Kritischer Infrastrukturen, in: Bevölkerungsschutz,<br />

Heft 2, S. 15-18<br />

MEYER-TESCHENDORF, K., 2007, Rechtsfortbildung <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz. Zum Diskussionsstand zwischen <strong>Bund</strong> und<br />

Län<strong>de</strong>rn, in: Bevölkerungsschutz, Heft 2, S. 23-30<br />

MISSIROLI, A. (Hrsg.), 2005, Disasters, Disruptions: a new D-drive for the EU, Paris (Institute for Security Studies, Chaillot<br />

Paper No. 83)<br />

NOWAK, A. (Hrsg.), 2006, Civilian Crisis Management: The EU way, Paris (Institute for Security Studies, Chaillot Paper No. 90)<br />

Rat <strong>de</strong>r EU, 2004, Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in <strong>de</strong>r Europäischen Union, Brüssel, <strong>de</strong>n<br />

12. Dezember (16054/04)<br />

Rat <strong>de</strong>r EU, 2007, Entscheidung (2007/162/EG, Euratom) <strong>de</strong>s Rates vom 5. März 2007 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments<br />

für <strong>de</strong>n Katastrophenschutz<br />

Rat <strong>de</strong>r EU, 2007, Bericht und überarbeitete Fassung <strong>de</strong>s Handbuchs <strong>de</strong>r EU für die Notfall- und Krisenkommunikation – Billigung<br />

vom 20. Juni 2007 (10011/07 REV 1), Brüssel<br />

Rat <strong>de</strong>r EU, 2007, Entscheidung (2007/779/EG, Euratom) <strong>de</strong>s Rates vom 8. November 2007 über ein Gemeinschaftsverfahren<br />

für Katastrophenschutz (Neufassung)<br />

Rat <strong>de</strong>r EU, 2008, Entwurf von Schlussfolgerungen <strong>de</strong>s Rates über die Stärkung <strong>de</strong>r Katastrophenabwehrkapazitäten <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union – auf <strong>de</strong>m Weg zu einem integrierten Konzept für die Katastrophenbewältigung vom 18. April 2008 (EU Dok.<br />

8592/08)<br />

59


62<br />

II. Kapitel<br />

<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz:<br />

Grundlagen und Zuständigkeiten<br />

aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r<br />

„<strong>Krisenmanagement</strong> ist Teamwork…Gemein<strong>de</strong>n,<br />

Landkreise, Regierungspräsidien,<br />

Län<strong>de</strong>r, <strong>Bund</strong>, Organisationen und Wirtschaft<br />

haben <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz jeweils<br />

ihren eigenverantwortlichen Part. Gemeinsam<br />

bil<strong>de</strong>n sie ein Rä<strong>de</strong>rwerk starker Partner.<br />

Und das bedarf <strong>de</strong>r Pflege.“<br />

Reinhard Klee, Innenministerium Ba<strong>de</strong>n-Württemberg


Ein Rä<strong>de</strong>rwerk starker Partner: <strong>Krisenmanagement</strong> in<br />

Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

Reinhard Klee<br />

Ba<strong>de</strong>n-Württemberg ist sowohl nach seiner Fläche<br />

(35.742 qkm) als auch nach seiner Einwohnerzahl<br />

(über 10,7 Millionen Menschen) das drittgrößte <strong>de</strong>r<br />

16 <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r. So vielfältig wie Landschaft, Kultur<br />

und Wirtschaft sind allerdings auch die potenziellen<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n Bevölkerungsschutz <strong>im</strong><br />

Land, wie das Ergebnis <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>seinheitlichen Gefährdungsabschätzung<br />

dokumentiert:<br />

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Massenanfall an Verletzten;<br />

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gen bei Transportunfällen;<br />

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Stromversorgung.<br />

Diese und an<strong>de</strong>re Gefahren bestehen nahezu in allen<br />

Teilen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s. Viele davon teilen wir mit unseren<br />

unmittelbaren Nachbarn Bayern, Hessen, Rheinland-<br />

Pfalz, Frankreich und Schweiz sowie – über <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>nsee<br />

– mit Österreich. Das erfor<strong>de</strong>rt eine Vernetzung<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s.<br />

Behör<strong>de</strong>narchitektur<br />

Ein Scha<strong>de</strong>nsereignis ist zunächst grundsätzlich Sache<br />

<strong>de</strong>r Polizei soweit nicht spezialgesetzliche Regelungen,<br />

etwa für Feuerwehren und Rettungsdienste,<br />

greifen. Der Polizeivollzugsdienst hat (nur) so lange<br />

das Sagen, bis eine Polizeibehör<strong>de</strong> tätig wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Dies sind in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg 1.108 Bürgermeisterämter,<br />

35 Landratsämter und 37 Verwaltungsgemeinschaften,<br />

vier Regierungspräsidien und die<br />

jeweils betroffenen Fachministerien. Ein größeres Ereignis<br />

mit überörtlichen Auswirkungen verlangt entsprechen<strong>de</strong>n<br />

überörtlichen Koordinierungsbedarf.<br />

Dies kann schwierig und langwierig wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei einem Ereignis <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>skatastrophenschutzgesetzes<br />

wer<strong>de</strong>n diese Strukturen drastisch gestrafft:<br />

Die Verantwortung für die Koordinierung von<br />

Verwaltungsmaßnahmen (administrativ-organisatorische<br />

Aufgaben) und Einsatzmaßnahmen (operativtaktische<br />

Aufgaben) liegt jetzt allein bei <strong>de</strong>r zuständigen<br />

Katastrophenschutzbehör<strong>de</strong>.<br />

Die Gemein<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>re Behör<strong>de</strong>n bleiben <strong>im</strong><br />

Katastrophenfall für ihre originären Fachaufgaben<br />

weiterhin zuständig und als gesetzlich Mitwirken<strong>de</strong><br />

<strong>im</strong> Katastrophenschutz dann weisungsgebun<strong>de</strong>n in<br />

<strong>de</strong>r Pflicht.<br />

Neues Stabsmo<strong>de</strong>ll – Verwaltungsstäbe flexibel<br />

<strong>de</strong>r Lage angepasst<br />

Eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> ist die ressort-, fach- und ggf.<br />

grenzübergreifen<strong>de</strong> Zusammenarbeit aller, die an <strong>de</strong>r<br />

Gefahrenabwehr beteiligt sind. Alle Kräfte müssen<br />

schnell, planvoll und koordiniert zusammenwirken<br />

und ein einheitliches Führungsverständnis haben.<br />

Für die Kompatibilität <strong>de</strong>r Stabsarbeit bil<strong>de</strong>n die von<br />

<strong>de</strong>r Innenministerkonferenz <strong>im</strong> November 2003 gebilligten<br />

bun<strong>de</strong>seinheitlichen „Hinweise zur Bildung<br />

von Stäben <strong>de</strong>r administrativ-organisatorischen Komponente<br />

(Verwaltungsstab – VwS)“ eine opt<strong>im</strong>ale Basis.<br />

Im operativ-taktischen Bereich gab es bereits eine<br />

vergleichbare Grundlage: Die bun<strong>de</strong>seinheitliche<br />

Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 „Führung und Leitung<br />

<strong>im</strong> Einsatz – Führungssystem (FwDV 100)“. Mit einer<br />

Verwaltungsvorschrift („VwV Stabsarbeit“) haben wir<br />

<strong>im</strong> August 2004 das bun<strong>de</strong>seinheitliche Stabsmo<strong>de</strong>ll<br />

für alle Behör<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Land und die FwDV 100 auch<br />

für die Hilfsorganisationen als Träger <strong>de</strong>r Katastrophenhilfe<br />

verbindlich gemacht.<br />

61


62<br />

Nach diesen durchgängigen Organisationsformen<br />

kann sich die jeweilige Behör<strong>de</strong>nleitung bei Katastrophen<br />

und auch bei Ereignissen unterhalb dieser<br />

Schwelle für Verwaltungsmaßnahmen eines Verwaltungsstabs,<br />

für Einsatzmaßnahmen eines Führungsstabs<br />

bedienen. Dies bün<strong>de</strong>lt Kompetenzen und<br />

verkürzt Entscheidungswege. Bei<strong>de</strong> Stäbe können<br />

unabhängig voneinan<strong>de</strong>r einberufen wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein Verwaltungsstab setzt sich entsprechend <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>seinheitlichen<br />

Hinweise zusammen aus<br />

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Angriffstrupp be<strong>im</strong> Eindringen in einen Brandraum <strong>im</strong><br />

Feuerwehr-Übungshaus <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sfeuerwehrschule Ba<strong>de</strong>n-<br />

Württemberg<br />

Der Stab glie<strong>de</strong>rt sich in die aus <strong>de</strong>r Grafik ersichtlichen folgen<strong>de</strong>n Verwaltungsstabsbereiche (Vb):


„Ereignisspezifische Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Stabs“ können<br />

beispielsweise aus <strong>de</strong>n Bereichen Landwirtschaft,<br />

Forsten, Veterinärwesen, Straßenwesen, Verkehr,<br />

Schulen und Wirtschaft kommen.<br />

Ein wesentlicher Vorteil dieses Mo<strong>de</strong>lls ist, dass Verwaltungsstäbe<br />

nun flexibel und lageangepasst aufwachsen<br />

und die Mitwirken<strong>de</strong>n dort dann grundsätzlich<br />

nur die Aufgaben wahrnehmen, mit <strong>de</strong>nen sie<br />

bereits aus ihrem Tagesgeschäft vertraut sind. Den<br />

Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Stabs (Vb-Leitungen) bleibt es zu<strong>de</strong>m<br />

überlassen, wie viele Mitarbeiter sie als „backoffice“<br />

zur Unterstützung hinzuziehen. Bestandteil<br />

Krisenmanager benötigen schnelle und verlässliche Informationen<br />

Das Wichtigste für Krisenmanager sowohl am Einsatzort<br />

als auch in Verwaltungs- und Führungsstäben<br />

ist „die Lage“. Dafür benötigen sie möglichst schnell<br />

erste (und gerne zunächst auch formlose) Informationen,<br />

die sich <strong>im</strong> Lauf <strong>de</strong>r Zeit <strong>im</strong>mer weiter verdichten<br />

wer<strong>de</strong>n. Hier gelten die Grundsätze „Schnelligkeit<br />

vor Schönheit“ und „Information ist Bringschuld“. Situationen,<br />

in <strong>de</strong>nen Behör<strong>de</strong>n erst durch Presse- und<br />

Bürgeranfragen von einem Scha<strong>de</strong>nsereignis erfahren,<br />

sind bekannt und fatal.<br />

Ebenso erwarten die (auch die nur vermeintlich)<br />

betroffene Bevölkerung sowie die Presse gera<strong>de</strong> in<br />

Krisensituationen schnell qualifizierte Informationen.<br />

Eine offensive und aktive Informationspolitik<br />

ist zu<strong>de</strong>m ein wichtiges Instrument, um die operativen<br />

Einsatzkräfte zu entlasten o<strong>de</strong>r, zum Beispiel<br />

bei Evakuierungen, zu unterstützen. Dafür müssen<br />

alle, die für das <strong>Krisenmanagement</strong> Verantwortung<br />

tragen und auch in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit Kompetenz zeigen<br />

müssen, auf je<strong>de</strong>r Ebene möglichst <strong>de</strong>n gleichen<br />

Kenntnisstand haben.<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüchliche Kommunikation kann<br />

das gesamte <strong>Krisenmanagement</strong> in Miss-<br />

kredit bringen und die Arbeit <strong>de</strong>r Helfer<br />

vor Ort erheblich erschweren.<br />

je<strong>de</strong>r Stabsdienstordnung ist eine Matrix, in <strong>de</strong>r die<br />

behör<strong>de</strong>nspezifischen Aufgaben <strong>de</strong>r jeweiligen Verwaltungsstabsbereiche<br />

aufgelistet und ihnen jeweils<br />

best<strong>im</strong>mte Personen sowie namentlich benannte Verstärkungen<br />

und Ablösungen zugeordnet sind. Zuvor<br />

war „<strong>de</strong>r Stab“ oft in toto alarmiert wor<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r<br />

Folge, dass je nach Behör<strong>de</strong>ngröße bis zu Dutzen<strong>de</strong>n<br />

von Mitarbeitern ad hoc auf die Zuweisung von und<br />

Einweisung in Aufgaben <strong>im</strong> Rä<strong>de</strong>rwerk <strong>de</strong>r Stabsarbeit<br />

harrten. Dadurch gingen wertvolle Zeit und<br />

Effizienz, lei<strong>de</strong>r manchmal bei Einzelnen auch die<br />

Motivation verloren.<br />

Dem tragen wir Rechnung:<br />

In die VwV Stabsarbeit haben wir wesentliche Elemente<br />

aus <strong>de</strong>m „Handbuch Krisenkommunikation“<br />

übernommen, das für uns <strong>im</strong> Jahr 2003 erarbeitet<br />

wor<strong>de</strong>n ist. Dazu zählt <strong>de</strong>r „Koordinierungsstab<br />

Kommunikation (KoKo)“. Dieses Kernteam setzt sich<br />

aus <strong>de</strong>n Leitungen <strong>de</strong>r Verwaltungsstabsbereiche 1<br />

bis 4 zusammen und stellt die vorläufigen Weichen<br />

für das <strong>Krisenmanagement</strong>. Der KoKo bewertet ein<br />

erstes Lagebild, schafft ggf. die Voraussetzungen für<br />

eine reibungslose Arbeitsaufnahme <strong>de</strong>s Verwaltungsstabs<br />

und n<strong>im</strong>mt erste Koordinierungs- und Kommunikationsaufgaben<br />

wahr, etwa mit öffentlichen Warnhinweisen,<br />

zur einheitlichen Handlungsweise und zu<br />

einheitlichen Sprachregelungen. Dem KoKo gehört<br />

auch ein „Informations-Koordinator (IKO)“ an. Er<br />

hat eine Scharnier- und Bün<strong>de</strong>lungsfunktion <strong>im</strong> gegenseitigen<br />

Informationsaustausch auf <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

horizontalen Ebene und zu <strong>de</strong>n unmittelbar über-<br />

und nachgeordneten Stellen, die von <strong>de</strong>m Ereignis<br />

ebenfalls betroffen sein könnten. Dieser „schnelle“<br />

Informationsstrang greift an<strong>de</strong>ren Mel<strong>de</strong>wegen und<br />

ausführlichen Lageberichten vor, ersetzt sie aber<br />

nicht. Mit <strong>de</strong>r Arbeitsfähigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsstabs<br />

nehmen die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s KoKo und damit auch <strong>de</strong>r<br />

IKO dort ihre originären Aufgaben wahr.<br />

63


64<br />

Stabsausbildung an <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sfeuerwehrschule Ba<strong>de</strong>n-Württemberg in Bruchsal<br />

Die Projektgruppe LÜKEX <strong>de</strong>s BBK führt in ihrem<br />

Auswertungsbericht zu „LÜKEX 05“ aus: „Der in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

eingerichtete ´Informationskoordinator<br />

(IKO) hat zur Koordination und Verdichtung<br />

<strong>de</strong>r Informationen, die <strong>im</strong> Verwaltungsstab o<strong>de</strong>r für<br />

Dritte beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung erlangen, wesentlich<br />

beigetragen. Dadurch ist eine bessere Bün<strong>de</strong>lung<br />

und Priorisierung von Informationen möglich, Informationsunterschie<strong>de</strong><br />

und Defizite können so eher<br />

ausgeglichen wer<strong>de</strong>n.“ Und: „Nach <strong>de</strong>n positiven<br />

Erfahrungen in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg wird angeregt,<br />

einen Informationskoordinator (IKO) auch in <strong>de</strong>n<br />

Verwaltungsstäben <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r einzurichten<br />

und so das Informationsmanagement zu verbessern.“<br />

Dies wür<strong>de</strong>n wir begrüßen.<br />

Für die externe und interne Kommunikation in Krisensituationen<br />

halten die Ministerien <strong>im</strong> Internet seit<br />

2003 einen beson<strong>de</strong>rs leistungsstarken und ausfallsicheren<br />

Son<strong>de</strong>rinformationsdienst vor (www.infodienst-bw.<strong>de</strong>),<br />

<strong>de</strong>r bisher jedoch nur bei Übungen genutzt<br />

wer<strong>de</strong>n musste.<br />

Ein rechnergestütztes Kommunikationssystem wie<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus ist grundsätzlich geeignet, die Stabsarbeit<br />

innerhalb <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s zu unterstützen und mit<br />

an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn sowie <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong> zu vernetzen. Wir<br />

haben uns <strong>de</strong>shalb <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus <strong>im</strong> Innenministerium<br />

angeschlossen und <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe punktuell funktionale<br />

Verbesserungen vorgeschlagen. Die lan<strong>de</strong>sweite<br />

Implementierung wäre zwar wünschenswert, bleibt<br />

jedoch für Ba<strong>de</strong>n-Württemberg als Flächenland lei<strong>de</strong>r<br />

auf lange Zeit finanziell wohl unerschwinglich.<br />

Übung macht <strong>de</strong>n Meister<br />

Zum Krisenmanager wird man nicht geboren, hierfür<br />

müssen Erfahrungen gesammelt wer<strong>de</strong>n. Nun liegt<br />

die jüngste „offizielle“ Katastrophe in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

– ein Hochwasser <strong>im</strong> Landkreis Reutlingen –<br />

sechs Jahre zurück. Wir haben <strong>de</strong>shalb <strong>im</strong> Jahr 2003<br />

mit einer Übungsoffensive begonnen. Danach soll<br />

je<strong>de</strong>r Stadt- und Landkreis min<strong>de</strong>stens alle vier Jahre<br />

eine Voll- und/o<strong>de</strong>r Stabsrahmenübung durchführen.<br />

Dieses Ziel haben wir – auch mit Unterstützung<br />

durch unsere Lan<strong>de</strong>sfeuerwehrschule mit breiten<br />

Aus- und Fortbildungsangeboten – übertroffen.


Ebenso wichtig sind Übungen aber auch für Ministerien<br />

und Regierungspräsidien und für das Zusammenwirken<br />

mit an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>.<br />

Wir haben <strong>de</strong>shalb – neben internen Übungen – bei<br />

LÜKEX 2004 und 2005 aktiv mitgemacht, waren bei<br />

LÜKEX 2007 als Beobachter in Ahrweiler und als<br />

Rahmenleitungsgruppe am eigenen Standort Bruchsal<br />

dabei. Wir haben davon jeweils viel profitiert und<br />

wollen auch bei LÜKEX 2009 wie<strong>de</strong>r <strong>im</strong> größeren<br />

Umfang mitwirken.<br />

Die Übungsserie „LÜKEX“ ist wertvoll, für<br />

diese Initiative ist BBK und AKNZ zu gra-<br />

tulieren und zu danken!<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> ist Teamwork<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> ist Teamwork. Dieses beginnt in<br />

<strong>de</strong>n Einsatzmannschaften vor Ort und gilt auch für<br />

die Stabsarbeit. Vor Ort arbeiten Polizei, Feuerwehren<br />

und Rettungs- bzw. Hilfsorganisationen eng zusammen,<br />

bekommen bei Bedarf überörtliche Verstärkung<br />

und Amtshilfe von THW und <strong>Bund</strong>eswehr. Was <strong>im</strong><br />

operativen Geschäft selbstverständlich ist, sollte spiegelbildlich<br />

auch <strong>im</strong> administrativen Bereich gelten.<br />

Auch für die Stabsarbeit sind starke Partner unverzichtbar.<br />

Fachberater <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen, von<br />

<strong>Bund</strong>eswehr und THW sitzen regelmäßig mit am<br />

Tisch. Die <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r haben sich verpflichtet, sich<br />

in großen Scha<strong>de</strong>nslagen soweit möglich gegenseitig<br />

zu unterstützen. Und sie haben mit BBK und GMLZ<br />

starke Partner, die län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Hilfen koordinieren<br />

und Hilfen aus <strong>de</strong>m Ausland vermitteln<br />

können.<br />

Angriffstrupp in <strong>de</strong>r Strahlenschutz-Übungsanlage<br />

<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sfeuerwehrschule Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

Wichtig ist auch die Einbindung <strong>de</strong>r Wirtschaft, zumal<br />

von Betreibern wichtiger Infrastrukturen. Wir haben<br />

mit <strong>de</strong>n großen Fernwasserversorgern <strong>im</strong> Land<br />

Gespräche geführt und stehen auch <strong>im</strong> konstruktiven<br />

Dialog mit <strong>de</strong>m wichtigsten Energieversorger in<br />

Ba<strong>de</strong>n-Württemberg. Mit ihnen wer<strong>de</strong>n Netzwerke<br />

auch auf Kreis- und Bezirksebene geknüpft.<br />

Gemein<strong>de</strong>n, Landkreise, Regierungspräsidien, Län<strong>de</strong>r,<br />

<strong>Bund</strong>, Organisationen und Wirtschaft haben <strong>im</strong><br />

Bevölkerungsschutz jeweils ihren eigenverantwortlichen<br />

Part. Gemeinsam bil<strong>de</strong>n sie ein Rä<strong>de</strong>rwerk starker<br />

Partner. Und das bedarf <strong>de</strong>r Pflege.<br />

Zum Autor: Ministerialdirigent Reinhard Klee ist Leiter <strong>de</strong>r Abteilung „Bevölkerungsschutz, Ordnungsrecht, Verfassungsschutz“<br />

<strong>im</strong> Innenministerium Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Stuttgart<br />

65


66<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt<br />

aus Sicht <strong>de</strong>r Gesundheitsvorsorge<br />

Dr. Gerlin<strong>de</strong> Kuppe<br />

Sachsen-Anhalt hat sich mit LÜKEX 2007 erstmals<br />

an einer <strong>Bund</strong>-Län<strong>de</strong>r-Katastrophen-Stabsübung beteiligt.<br />

Der Übungsverlauf kann als erfolgreich eingeschätzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Er zeigte aber auch, dass nicht<br />

zuletzt wegen zu erwarten<strong>de</strong>r massiver Krankheitsausfälle<br />

in allen Bereichen <strong>de</strong>s öffentlichen Lebens<br />

ein verän<strong>de</strong>rtes strategisches Denken und ein gemeinsames<br />

Gefahrenmanagement erfor<strong>de</strong>rlich sind.<br />

Dazu müssen alle Lan<strong>de</strong>sressorts und alle Kommunen<br />

eng zusammenarbeiten. Es geht also um eine<br />

stärkere Einbindung <strong>de</strong>r einzelnen Ressorts – ihrer<br />

Geschäftsbereiche und Einrichtungen – sowie um<br />

eine weitgehen<strong>de</strong> Integration von externen Potenzialen,<br />

auch unter Nutzung <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen.<br />

Die Ministerin für Gesundheit und Soziales, Dr. Gerlin<strong>de</strong><br />

Kuppe, und <strong>de</strong>r Abteilungsleiter Gesundheit und Verbraucherschutz<br />

<strong>im</strong> Ministerium für Gesundheit und Soziales <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt, Dr. Dr. Reinhard Nehring,<br />

während <strong>de</strong>r Übung LÜKEX 07.<br />

Flexible Aufbauorganisation für effizientes Zusammenwirken aller Kräfte<br />

Grundlage hierfür ist eine angemessene Aufbauorganisation<br />

innerhalb <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s, das<br />

als flexibles Koordinierungsinstrumentarium für effizienteres<br />

Zusammenwirken aller Kräfte <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

steht. Dabei geht es auch um eine verbesserte<br />

Koordinierung <strong>de</strong>r Informationssysteme. In diesem<br />

Zusammenhang müssen wir in Sachsen-Anhalt auch<br />

eine Überarbeitung unseres Krisenbeschlusses aus<br />

<strong>de</strong>m Jahr 1993 und <strong>de</strong>s Pan<strong>de</strong>mierahmenplans von<br />

2006 diskutieren. Es geht um mehr gegenseitige Information<br />

und eine abgest<strong>im</strong>mte Vorsorgeplanung.<br />

Das ist entschei<strong>de</strong>nd für eine umfassen<strong>de</strong> Abbildung<br />

<strong>de</strong>r Lage <strong>im</strong> Krisenfall.<br />

Grundlagen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s <strong>im</strong> Falle einer<br />

Influenza-Pan<strong>de</strong>mie sind in Sachsen-Anhalt <strong>de</strong>r<br />

Beschluss <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung über die Regelung<br />

zur Bewältigung von Krisenlagen auf Lan<strong>de</strong>sebene<br />

vom 17. August 1993, geän<strong>de</strong>rt durch <strong>de</strong>n Beschluss<br />

vom 21. September 1993 – auch Krisenbeschluss genannt<br />

–, sowie die Empfehlungen zur Umsetzung <strong>de</strong>s<br />

nationalen Pan<strong>de</strong>mieplans in Sachsen-Anhalt, <strong>de</strong>r<br />

Pan<strong>de</strong>mierahmenplan.<br />

Der Krisenbeschluss regelt unter an<strong>de</strong>rem die Zuständigkeiten<br />

bei <strong>de</strong>r Krisenbewältigung, <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>s<br />

Führungs- und Einsatzstabes sowie <strong>de</strong>n Einsatz eines<br />

Interministeriellen Krisenstabes. Der Pan<strong>de</strong>mierahmenplan<br />

bil<strong>de</strong>t eine systematische Vorgehensweise<br />

zum Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung <strong>im</strong> Pan<strong>de</strong>miefall ab.<br />

Laut Krisenbeschluss obliegt die Aufgabe <strong>de</strong>r Krisenbewältigung<br />

in Sachsen-Anhalt fe<strong>de</strong>rführend<br />

<strong>de</strong>m jeweiligen Ressort, <strong>de</strong>ssen Geschäftsbereich<br />

ausschließlich o<strong>de</strong>r überwiegend betroffen ist. Hier<br />

wird <strong>im</strong> Bedarfsfall ein Krisenstab eingerichtet.


Erfor<strong>de</strong>rt eine Krisenlage eine so enge Kooperation<br />

mehrerer Ressorts, dass sie <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s normalen<br />

Geschäftsgangs nicht bewältigt wer<strong>de</strong>n kann, so<br />

beruft das zuständige Ressort <strong>im</strong> Einvernehmen mit<br />

<strong>de</strong>m Ministerium <strong>de</strong>s Innern <strong>de</strong>n Interministeriellen<br />

Krisenstab ein. Das Ministerium <strong>de</strong>s Innern ist grundsätzlich<br />

<strong>im</strong> Interministeriellen Krisenstab vertreten.<br />

Die Leitung <strong>de</strong>s Krisenstabes obliegt <strong>de</strong>m zuständigen<br />

Ressort. Die zuständige Ministerin / <strong>de</strong>r zuständige<br />

Minister regelt <strong>de</strong>n Vorsitz <strong>im</strong> Krisenstab, soweit<br />

sie / er ihn nicht selbst wahrn<strong>im</strong>mt o<strong>de</strong>r die Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

eine an<strong>de</strong>re Regelung trifft.<br />

LÜKEX 2007: Stabsstruktur und Pan<strong>de</strong>mieplanung erfolgreich überprüft<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>r Übung LÜKEX 2007 bot sich <strong>de</strong>m<br />

Land Sachsen-Anhalt die Gelegenheit, <strong>de</strong>n Krisenbeschluss<br />

und <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>mierahmenplan auf strategischer<br />

Ebene erstmalig übungsrelevant umzusetzen.<br />

Damit gelang uns eine Überprüfung <strong>de</strong>r Praxistauglichkeit.<br />

Das Ergebnis ist positiv.<br />

LÜKEX 07 hat gezeigt, dass das Land<br />

Sachsen-Anhalt mit seinen Behör<strong>de</strong>n,<br />

Organisationen und Unternehmen auf<br />

die komplexen Herausfor<strong>de</strong>rungen einer<br />

Influenza-Pan<strong>de</strong>mie gut vorbereitet ist.<br />

Diese Krisensituation ist beherrschbar.<br />

Wir sind in <strong>de</strong>r Lage, einen größtmögli-<br />

chen gesundheitlichen Schutz <strong>de</strong>r Bürge-<br />

rinnen und Bürger zu gewährleisten.<br />

Die Übung hat aber auch gezeigt: Wir wer<strong>de</strong>n über<br />

eine Überarbeitung <strong>de</strong>s Krisenbeschlusses und <strong>de</strong>s<br />

Pan<strong>de</strong>mierahmenplans zu re<strong>de</strong>n haben. Es geht um<br />

eine weitere Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>s gemeinsamen <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

und <strong>de</strong>r Pan<strong>de</strong>mievorsorge.<br />

Sachsen-Anhalts Pan<strong>de</strong>mierahmenplan von 2006 <strong>de</strong>finiert<br />

die Rahmenbedingungen für die lan<strong>de</strong>sweite<br />

Umsetzung von Maßnahmen <strong>im</strong> Krisenfall. Er verfolgt<br />

die Ziele: Reduktion <strong>de</strong>r Morbidität und Mortalität<br />

in <strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung, Gewährleistung <strong>de</strong>r<br />

Versorgung erkrankter Personen, Aufrechterhaltung<br />

<strong>de</strong>r kritischen Infrastruktur sowie zuverlässige und<br />

zeitnahe Information zur Vorbereitung politischer<br />

Entscheidungen für Fachpersonal sowie von Öffentlichkeit<br />

und Medien.<br />

Die von Sachsen-Anhalt entsprechend <strong>de</strong>s Krisenbeschlusses<br />

gewählte Stabsstruktur <strong>de</strong>s Interministeriellen<br />

Krisenstabes - bestehend aus Leitung und<br />

Stabsmanagement – hat sich <strong>im</strong> Übungsverlauf als<br />

außeror<strong>de</strong>ntlich geeignet erwiesen. Die Fe<strong>de</strong>rführung<br />

lag be<strong>im</strong> Ministerium für Gesundheit und Soziales<br />

als <strong>de</strong>m am meisten betroffenen Ressort. Die<br />

Funktionen innerhalb <strong>de</strong>s Stabsmanagements wur<strong>de</strong>n<br />

gemeinsam von Beschäftigten <strong>de</strong>s Ministeriums<br />

für Gesundheit und Soziales und vom Ministerium<br />

<strong>de</strong>s Innern besetzt. Im Stabsmanagement waren <strong>de</strong>s<br />

Weiteren Fachberaterinnen und Fachberater sowie<br />

Verbindungspersonen aus allen an<strong>de</strong>ren Ressorts<br />

und <strong>de</strong>r Staatskanzlei sowie Vertretungen von <strong>Bund</strong>eswehr,<br />

<strong>Bund</strong>espolizei und Technischem Hilfswerk.<br />

Der Übung voran gegangen waren umfangreiche<br />

Schulungen, da die eingesetzten Beschäftigten zum<br />

Großteil bislang über keine Erfahrungen in <strong>de</strong>r Stabsarbeit<br />

verfügten.<br />

Als Ergebnis <strong>de</strong>r Übung muss darüber diskutiert wer<strong>de</strong>n,<br />

ob alternativ zu <strong>de</strong>r an Ressortzuständigkeit<br />

orientierten Vorgehensweise ein permanenter Interministerieller<br />

Krisenstab einzurichten wäre. Dabei<br />

müssten alle Ressorts beteiligt wer<strong>de</strong>n. Regelmäßige<br />

Schulungen und Übungen <strong>de</strong>s Krisenstabes – unter<br />

verschie<strong>de</strong>nen thematischen Gesichtspunkten – wür<strong>de</strong>n<br />

zu einer Festigung von Strukturen und besseren<br />

Handlungsfähigkeit <strong>de</strong>r Beteiligten beitragen.<br />

LÜKEX 2007 hat Än<strong>de</strong>rungsbedarf <strong>de</strong>utlich gemacht,<br />

offenbarte die Übung doch sehr eindringlich das<br />

mögliche Ausmaß <strong>de</strong>r Auswirkungen. Als Beispiel<br />

seien allein die Fehlzeiten gera<strong>de</strong> be<strong>im</strong> Schlüsselpersonal<br />

genannt.<br />

67


68<br />

Eine solche Pan<strong>de</strong>mie-Situation stellt das sachsenanhaltische<br />

Gesundheitswesen vor neue strategische<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen. Die einzig richtige Antwort kann<br />

nur ein lan<strong>de</strong>sweit umfassen<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong><br />

sein – kompetent und zuverlässig geführt von einem<br />

interministeriellen Krisenstab.<br />

Ein Grundpfeiler für die Handlungsfähigkeit Sachsen-Anhalts<br />

in <strong>de</strong>r Krise ist die Einsatzfähigkeit von<br />

so genanntem Schlüsselpersonal. Dazu zählen unter<br />

an<strong>de</strong>rem Einsatzkräfte <strong>de</strong>r Polizei, Hilfsorganisationen,<br />

Feuerwehr, Gesundheits- und Sozialberufe sowie<br />

<strong>de</strong>r Wasser-, Energie- und Lebensmittelversorgung,<br />

Abfallwirtschaft, Telekommunikation o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Transportwesens. Je nach Situation sind <strong>de</strong>s Weiteren<br />

Maßnahmen zur Eindämmung erfor<strong>de</strong>rlich wie das<br />

Schließen von Schulen o<strong>de</strong>r das einstweilige Verbot<br />

von Großveranstaltungen. Die medizinischen Maßnahmen<br />

müssen sich neben <strong>de</strong>r Krankenversorgung<br />

<strong>im</strong> ambulanten und stationären Bereich vor allem auf<br />

die Infektionsprophylaxe für das infektionsgefähr<strong>de</strong>te<br />

Schlüsselpersonal konzentrieren. Eine Durch<strong>im</strong>pfung<br />

<strong>de</strong>r gesamten noch nicht erkrankten Bevölkerung<br />

kann jedoch erst erfolgen, wenn ein adäquater Impfstoff<br />

zur Verfügung steht. Das kann voraussichtlich<br />

mehrere Monate dauern. Bis zu <strong>de</strong>ssen Bereitstellung<br />

müssen <strong>de</strong>mnach die Eindämmung <strong>de</strong>r Weiter-<br />

S 1<br />

Personal /<br />

Innerer Dienst<br />

Leitung<br />

Fe<strong>de</strong>rführung durch Ministerin für Gesundheit und Soziales,<br />

Minister / Staatssekretäre o<strong>de</strong>r Beauftragte <strong>de</strong>r Ressorts<br />

S 2<br />

Lage<br />

Stabsmanagement<br />

S 3/4<br />

Kräfte und<br />

Mittel<br />

Das Lagezentrum <strong>im</strong> Ministerium für Gesundheit und Soziales<br />

in Mag<strong>de</strong>burg während <strong>de</strong>r Übung LÜKEX 07.<br />

verbreitung und die Behandlung <strong>de</strong>r Erkrankten mit<br />

geeigneten Medikamenten <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund stehen.<br />

Die Herausfor<strong>de</strong>rung für Sachsen-Anhalts Gesundheitsressort<br />

besteht nun darin, alle relevanten Daten<br />

für die vorgesehenen allgemeinen und medizinischen<br />

Maßnahmen zu akquirieren und diese auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n<br />

zu halten. Dazu gehören auch die Definition<br />

und Erhebung <strong>de</strong>s Schlüsselpersonals. Auf dieser<br />

Grundlage kann ein bedarfs- und ressourcengerechtes<br />

Verteilungskonzept für antivirale Medikamente erstellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die hierfür erhobenen Daten sind auch<br />

wichtig für die Erstellung <strong>de</strong>s Impfkonzeptes und die<br />

Evaluierung <strong>de</strong>r Pan<strong>de</strong>mie<strong>de</strong>tailplanung.<br />

Interministerieller Krisenstab<br />

<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung - LÜKEX 2007<br />

S 5<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Fachberater /<br />

Verbindungspersonen<br />

/<br />

Ressorts


Das A und O für die Beherrschung einer<br />

Krisensituation ist Information. Auf allen<br />

Entscheidungsebenen benötigen Funk-<br />

tionsträgerinnen und Funktionsträger<br />

sowie Führungskräfte sofort abrufbare,<br />

klar verständliche Richtlinien und Maß-<br />

nahmenkataloge. Nur informierte – das<br />

heißt sachkundige – Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter können auch unter Stress<br />

sicher agieren.<br />

Zu <strong>de</strong>n erfor<strong>de</strong>rlichen Richtlinien und Rahmenbedingungen<br />

gehören Hygienerichtlinien, Handreichungen<br />

zur Ausstattung und Vorgehensweise bei <strong>de</strong>r Triage,<br />

ein Medikamentenvergabemodus sowie <strong>de</strong>taillierte<br />

Impfablaufpläne. Entsprechen<strong>de</strong> Checklisten müssen<br />

erstellt und ständig aktuell gehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine mögliche Pan<strong>de</strong>mie stellt für das Gesundheitsressort<br />

eines Lan<strong>de</strong>s eine enorme Belastung dar. Die<br />

zu erwarten<strong>de</strong> hohe Anzahl von Toten und Kranken<br />

beeinträchtigt das gesamte öffentliche Leben.<br />

In einer solchen Situation ist ein effizientes <strong>Krisenmanagement</strong><br />

erfor<strong>de</strong>rlich, das weit über die alleinige<br />

Fortschreibung eines Plans mit allgemeinen und<br />

fachlich-medizinischen Maßnahmen hinausgeht und<br />

mehr ist als ein Verteilungs- und ein Impfkonzept.<br />

Die D<strong>im</strong>ensionen und die Tragweite einer möglichen<br />

Pan<strong>de</strong>mie verlangen nach einer großen gemeinsamen<br />

Anstrengung aller Verantwortlichen <strong>de</strong>s gesamten öffentlichen,<br />

sozialen und wirtschaftlichen Lebens. Es<br />

geht nicht allein um angemessene Finanzmittel. Führungskräfte<br />

in ihrem Verfügungsbereich brauchen Information<br />

und Motivation, um gemeinsam eine effektive<br />

Krisenbewältigung für die gesamte Bevölkerung<br />

Notarzt-Hubschrauber vor <strong>de</strong>m Ministerium für Gesundheit<br />

und Soziales in Mag<strong>de</strong>burg<br />

zu organisieren. Die Erfahrungen aus LÜKEX 2007<br />

machen <strong>de</strong>utlich, dass die Vernetzung und die aktive<br />

Involvierung von internen und externen Interessengruppen<br />

und Organisationen dabei unumgänglich<br />

sind. Aus diesem Grund muss die Bildung von Kooperationen<br />

und Netzwerken als essentielle Aufgabe<br />

<strong>de</strong>s vorbeugen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>s verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n, um <strong>im</strong> Krisenfall das gesellschaftliche Leben<br />

und die Infrastruktur aufrecht zu erhalten.<br />

Ein Pan<strong>de</strong>mieplan muss daher klare Regelungen <strong>de</strong>r<br />

Zuständigkeiten und eine straffe Ablauforganisation<br />

auf <strong>de</strong>n Ebenen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r Landkreise und<br />

Kreisfreien Städte enthalten. Dabei sind Funktionsabläufe<br />

und Ablauforganisationen nur so gut wie <strong>de</strong>ren<br />

Eckpfeiler: Informationsfluss & Feedback, Kommunikation<br />

& Kooperation, Koordination & Führung,<br />

Leistung/Performance & Motivation/Evaluation sowie<br />

ethische Aspekte.<br />

Letztlich gilt: Nur ein <strong>im</strong> Krisenbeschluss und <strong>im</strong> Pan<strong>de</strong>mierahmenplan<br />

verankerter Schulterschluss mit allen<br />

Ressorts <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s sowie allen relevanten Organisationen<br />

und Institutionen kann Grundlage sein für<br />

ein koordiniertes umfassen<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>.<br />

Es geht um die bestmögliche Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r<br />

Funktionsfähigkeit und eine adäquate Reaktion <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft auf die Krise. Dazu ist koordiniertes und<br />

gemeinsames Vorgehen nötig.<br />

Zur Autorin: Dr. Gerlin<strong>de</strong> Kuppe ist Ministerin für Gesundheit und Soziales <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt<br />

69


70<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>de</strong>r Freien und Hansestadt<br />

Hamburg: Die Elbe ruft<br />

Holger Poser / Thomas Melchert<br />

„Stadt Hamburg an <strong>de</strong>r Elbe Aue“ – so beginnt poetisch die Hymne <strong>de</strong>r Freien<br />

und Hansestadt Hamburg und beschreibt damit schon eine <strong>de</strong>r wesentlichen Gefahrenquellen,<br />

die Hamburg bedrohen. Es vergeht kaum ein Jahr, in <strong>de</strong>m nicht in<br />

<strong>de</strong>n Medien über eine Sturmflut in Hamburg berichtet wird. Dramatische Bil<strong>de</strong>r<br />

aus <strong>de</strong>m Hafen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Hafenrand, für Hamburger meist gar nicht so aufregend,<br />

weil völlig normal, füllen dann kurzfristig die Titelseiten <strong>de</strong>r Medien. Aber es war<br />

eben genau diese Elbe, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Hamburg sein<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r weiterentwickelt hat. Nie wie<strong>de</strong>r sollte Hamburg<br />

von einer Katastrophe überrascht wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Krise nicht handlungsfähig<br />

sein. Es war also notwendig, ein <strong>Krisenmanagement</strong> zu entwerfen, das <strong>de</strong>r<br />

beson<strong>de</strong>ren Verwaltungsorganisation eines Stadtstaates gerecht wird.<br />

Auch Wilhelmsburg steht unter Wasser: dramatische Rettungsaktionen bei <strong>de</strong>r Sturmflut in Hamburg 1962


Hamburg ist in sieben Bezirksämter unterteilt, die<br />

seit jeher eine gewisse Selbstständigkeit genießen.<br />

Weil aber in Hamburg staatliche und gemeindliche<br />

Tätigkeiten nicht getrennt wer<strong>de</strong>n, ist es <strong>de</strong>m Senat<br />

möglich, Entscheidungen an sich zu ziehen. Für <strong>de</strong>n<br />

Bereich <strong>de</strong>s Katastrophenschutzes war es – auch auf<br />

Grund <strong>de</strong>r Notwendigkeit, das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

opt<strong>im</strong>al zu gestalten – daher nur konsequent, dass<br />

die Gesamtverantwortung be<strong>im</strong> Senat liegt. Diese<br />

Festlegung erwies sich zwar als grundsätzlich richtig<br />

und gut, hatte aber auch seine Tücken. Im Senat<br />

gilt das Kollegialprinzip. Deshalb ist es <strong>im</strong> Ergebnis<br />

<strong>de</strong>m Innensenator nicht möglich, eine Entscheidung<br />

zu veranlassen, die <strong>de</strong>m Ressort <strong>de</strong>s Umweltsenators<br />

zuzurechnen ist. Den Vätern <strong>de</strong>s ersten hamburgischen<br />

Katastrophenschutzgesetzes (1964) war diese<br />

Hür<strong>de</strong> sehr wohl bewusst, und sie nahmen sie auch<br />

in Kauf, als sie <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> für Inneres lediglich eine<br />

koordinieren<strong>de</strong> Funktion <strong>im</strong> Katastrophenschutz zugestan<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r Krise agieren statt reagieren – Führung ist unteilbar<br />

Dieser Ansatz – agieren statt reagieren – wur<strong>de</strong> konsequent<br />

in Gesetzen und Verordnungen zum Hamburger<br />

Katastrophenschutz (1984) manifestiert. Der<br />

„Staatsrat <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> für Inneres“ ist seit<strong>de</strong>m Leiter<br />

<strong>de</strong>r Katastrophenabwehr. Er ist befugt, allen an<strong>de</strong>ren<br />

Behör<strong>de</strong>n und Ämtern <strong>de</strong>r Freien und Hansestadt<br />

Hamburg Anweisungen zu erteilen, damit eine<br />

Krise effektiv und schnell gemeistert wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Das Kollegialprinzip <strong>de</strong>s Senats ist in <strong>de</strong>r Krise aufgehoben.<br />

Nur <strong>de</strong>r Innensenator o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erste Bürgermeister<br />

können die Befugnisse <strong>de</strong>s Staatsrates an<br />

sich ziehen. Damit war die Frage <strong>de</strong>r einheitlichen<br />

Führung unmissverständlich geklärt. Als etwas sperrig<br />

wur<strong>de</strong> außer<strong>de</strong>m die Definition <strong>de</strong>r Katastrophe<br />

empfun<strong>de</strong>n und aus diesem Grund kurzerhand geän<strong>de</strong>rt.<br />

Seither gilt, dass je<strong>de</strong> Gefährdung o<strong>de</strong>r Störung<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zu <strong>de</strong>ren<br />

Bekämpfung die Verstärkung <strong>de</strong>r Mittel und Kräfte<br />

<strong>de</strong>s tägliches Dienstes und/o<strong>de</strong>r eine einheitliche<br />

Lenkung <strong>de</strong>r Abwehrmaßnahmen erfor<strong>de</strong>rlich ist,<br />

eine Katastrophe <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s Gesetzes ist.<br />

Die Logistik <strong>im</strong> Hamburger Hafengebiet ist eng verzahnt<br />

Diese Regelung rächte sich, als 1981 ein Tanker in<br />

<strong>de</strong>r Elbe havarierte und 350 Tonnen Rohöl in <strong>de</strong>n<br />

Strom flossen, weil es nicht möglich war, eine einheitliche<br />

Führung für alle Fel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr<br />

zu etablieren. Die Folge: Entscheidungen kamen zu<br />

spät, und eine effektive Krisenbewältigung war unmöglich.<br />

Der damalige Staatsrat und spätere Innensenator<br />

Werner Hackmann wollte aber die Krise nicht<br />

lediglich verwalten, er wollte in <strong>de</strong>r Krise wirksam<br />

agieren können.<br />

Diese Definition ermöglicht es <strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>r Katastrophenabwehr,<br />

schon sehr frühzeitig, von seiner<br />

Lenkungskompetenz Gebrauch zu machen. Es führt<br />

aber auch dazu, dass je<strong>de</strong> Situation hinsichtlich einer<br />

Übernahme <strong>de</strong>r Führung durch <strong>de</strong>n Staatsrat geprüft,<br />

bewertet und entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müsste. Um zu<br />

verhin<strong>de</strong>rn, dass sich die Verwaltung aber nun mit<br />

nichts an<strong>de</strong>rem mehr befasst als Gefahrensituationen<br />

mit Blick auf <strong>de</strong>n Katastrophenschutz zu bewerten,<br />

wur<strong>de</strong>n für die wahrscheinlichsten Gefahrensituationen<br />

Richtlinien erarbeitet und mit <strong>de</strong>n betroffenen<br />

Behör<strong>de</strong>n und Ämtern abgest<strong>im</strong>mt. In diesen Richtlinien<br />

sind die Einsatzschwellen für <strong>de</strong>n Katastrophenschutz<br />

festgelegt, die Alarmierungswege und<br />

wesentliche Aufgaben zur Bewältigung zum Beispiel<br />

einer Grippe-Pan<strong>de</strong>mie festgelegt. Durch diese Richtlinien<br />

(z.B. <strong>de</strong>r Infektionsschutzrichtlinie) wer<strong>de</strong>n<br />

die notwendigen Entscheidungen <strong>de</strong>s Staatsrates auf<br />

ein Min<strong>im</strong>um reduziert, weil sich die Behör<strong>de</strong>n und<br />

Ämter schon vor <strong>de</strong>r Krise auf eine einheitliche Bewältigungsstrategie<br />

verständigt haben. Zu<strong>de</strong>m machen<br />

die Richtlinien das Han<strong>de</strong>ln und die jeweilige<br />

Verantwortung <strong>de</strong>r Verwaltung für die Öffentlichkeit<br />

transparent.<br />

71


72<br />

Stabsbereich 1<br />

Lage<br />

SB 11<br />

Aufnahme<br />

Auswertung<br />

Informationsweitergabe<br />

Dokumentation<br />

SB 12<br />

Darstellung<br />

Leiter <strong>de</strong>r Katastrophenabwehr<br />

Stabsbereich 2<br />

Einsatz<br />

SB 21<br />

Technische<br />

Gefahrenabwehr<br />

Scha<strong>de</strong>nsmin<strong>de</strong>rung<br />

und -beseitigung<br />

SB 22<br />

Öffentliche Sicherheit<br />

und Ordnung<br />

Leiter <strong>de</strong>s ZKD<br />

Stabsbereich 3<br />

Bevölkerung<br />

SB 31<br />

Evakuierung<br />

Transport<br />

SB 32<br />

Unterbringung<br />

SB 33<br />

Versorgung<br />

Betreuung<br />

PSU<br />

Der Zentrale Katastrophendienststab <strong>de</strong>r Innenbehör<strong>de</strong> Hamburg<br />

Die beson<strong>de</strong>re Stellung <strong>de</strong>s Staatsrates <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong><br />

für Inneres macht es erfor<strong>de</strong>rlich, ihm einen Stab zur<br />

Seite zu stellen. Im Tagesgeschäft übern<strong>im</strong>mt diese<br />

Aufgabe die Abteilung 5 <strong>im</strong> Amt für Innere Verwaltung<br />

und Planung und darin das Referat für Katastrophen-<br />

und Bevölkerungsschutz. Im Einsatzfall wird<br />

in <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> für Inneres <strong>de</strong>r Zentrale Katastrophendienststab<br />

gebil<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Staatsrat bei seinen<br />

Aufgaben berät und unterstützt. Die Erstbesetzung<br />

bil<strong>de</strong>t auch hier die Abteilung 5, die je nach Lage<br />

durch Experten <strong>de</strong>r Fachbehör<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Feuerwehr,<br />

<strong>de</strong>r Polizei o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wirtschaft ergänzt wird.<br />

Organigramm <strong>de</strong>s ZKD<br />

Stabsbereich 4<br />

Innerer Dienst<br />

SB 41<br />

Innerer<br />

Dienstbetrieb<br />

SB 42<br />

IuK-Dienste<br />

SB 43<br />

Beson<strong>de</strong>re<br />

Angelegenheiten<br />

SB 44<br />

Rechtsfragen<br />

Leitungsgehilfe<br />

Stabsbereich 5<br />

Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

SB 51<br />

Information<br />

<strong>de</strong>r Presse und <strong>de</strong>r<br />

Öffentlichkeit<br />

Warnung Bevölkerung<br />

SB 52<br />

Betreuung von<br />

Medienvertretern<br />

und Gästen<br />

SB 53<br />

Auswertung<br />

Dokumentation<br />

SB 54<br />

Bürgertelefon<br />

SB 55<br />

Personenauskunftsstelle<br />

Diese Einteilung in eine Alltagsorganisation und eine<br />

Einsatzorganisation spiegelt sich in allen Hamburger<br />

Katastrophenschutzbehör<strong>de</strong>n wi<strong>de</strong>r. Alle Bezirksämter,<br />

alle Fachbehör<strong>de</strong>n (Wirtschaft, Bau, Umwelt,<br />

Gesundheit) und die Hamburg Port Authority (für<br />

das Gebiet <strong>de</strong>s Hafens) verfügen über einen Stab.<br />

Die jeweiligen Bezirksamtsleiter sind die Leiter <strong>de</strong>r<br />

regionalen Katastrophenabwehr, und die Staatsräte<br />

<strong>de</strong>r Fachbehör<strong>de</strong>n stehen <strong>de</strong>n Fachdienststäben<br />

vor. Ähnlich ist es be<strong>im</strong> Hafenstab: Hier leitet <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsführer <strong>de</strong>r Hamburg Port Authority die Abwehrmaßnahmen<br />

<strong>im</strong> Hafen. Aus diesen Regelungen


wird <strong>de</strong>utlich, dass nicht Verwaltungseinheiten, son<strong>de</strong>rn<br />

Personen genannt wer<strong>de</strong>n, die für die Bewältigung<br />

<strong>de</strong>r Katastrophe verantwortlich sind und so die<br />

„Anonymität <strong>de</strong>r Bürokratie“ durchbrochen wird.<br />

Alle Stäbe in <strong>de</strong>r Freien und Hansestadt Hamburg<br />

sind einheitlich aufgebaut. Eine Ausnahme machen<br />

nur die funktionalen Stäbe <strong>de</strong>r Polizei und <strong>de</strong>r Feuerwehr,<br />

die nach <strong>de</strong>n bun<strong>de</strong>sweit gelten<strong>de</strong>n Stabsmo<strong>de</strong>llen<br />

<strong>de</strong>r FWDV 100 o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r PDV 100 geglie<strong>de</strong>rt<br />

sind. Weil in Hamburg staatliche und kommunale<br />

Aufgaben nicht getrennt wer<strong>de</strong>n, ist in <strong>de</strong>r Katastrophe<br />

die Feuerwehr nicht Teil <strong>de</strong>r regionalen Katastrophenabwehr,<br />

son<strong>de</strong>rn ein eigenständiger Teil <strong>de</strong>r<br />

Krisenbewältigung auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Bezirke und<br />

Fachbehör<strong>de</strong>n. Gleiches gilt für die Polizei.<br />

Bei<strong>de</strong> Ämter <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> für Inneres bil<strong>de</strong>n kräftemäßig<br />

das Rückgrat <strong>de</strong>r Gefahrenabwehrorganisation<br />

und stellen die operativ-taktischen Einheiten für die<br />

ersten Phasen <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsbewältigung. Sie wer<strong>de</strong>n<br />

bei dieser Aufgabe durch die Fachbehör<strong>de</strong>n beraten<br />

Beispiel Infektionsschutzrichtlinie<br />

Die Notwendigkeit einer „Beson<strong>de</strong>ren Richtlinie für<br />

<strong>de</strong>n Infektionsschutz“ wur<strong>de</strong> kurz nach <strong>de</strong>n Anschlägen<br />

von New York und <strong>de</strong>r Verbreitung von Anthrax-<br />

Sporen <strong>de</strong>utlich. Spätestens <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Diskussion<br />

über die gezielte Verbreitung von Pockenerregern<br />

und <strong>de</strong>n daraus resultieren<strong>de</strong>n bun<strong>de</strong>sweiten Planungen<br />

wur<strong>de</strong> zu<strong>de</strong>m klar, dass diese umfassen<strong>de</strong>n<br />

Planungen nicht mit Hilfe <strong>de</strong>r Allgemeinen Richtlinie<br />

umgesetzt wer<strong>de</strong>n konnten. Es musste eine <strong>de</strong>m<br />

Anlass entsprechen<strong>de</strong> Führungsorganisation gebil<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n, die insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Gesundheitsbehör<strong>de</strong><br />

eine stärkere Verantwortung zuwies. Dies gilt sowohl<br />

für die Vorbereitungsmaßnahmen als auch für<br />

die Bewältigung einer Infektionslage selbst. Diese<br />

beson<strong>de</strong>re fachliche Ausrichtung zur Gesundheitsbehör<strong>de</strong><br />

führte dazu, dass eine Grippe-Pan<strong>de</strong>mie,<br />

mit <strong>de</strong>n dabei zu beachten<strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Wechselbeziehungen<br />

in Richtung <strong>Bund</strong>, Europäische Union<br />

und WHO, gemeinsam von <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> für Inneres<br />

und <strong>de</strong>r Gesundheitsbehör<strong>de</strong> bewältigt wird. Es<br />

bleibt zwar weiterhin bei <strong>de</strong>r unteilbaren Verantwortung<br />

<strong>de</strong>s Staatsrates <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> für Inneres, dieser<br />

wird aber durch <strong>de</strong>n Staatsrat <strong>de</strong>r Gesundheitsbehör<strong>de</strong><br />

und weitere Fachberater unmittelbar <strong>im</strong> Zentralen<br />

und unterstützt, während die Bezirksämter sich um die<br />

Unterbringung, Betreuung und Versorgung <strong>de</strong>r von<br />

einer Räumung betroffenen Bevölkerung kümmern.<br />

Bei dieser Aufgabe können die Bezirke ebenfalls auf<br />

die Unterstützung <strong>de</strong>r Fachbehör<strong>de</strong>n, aber auch <strong>de</strong>r<br />

Hilfsorganisationen zählen. Die hier beschriebene<br />

Aufgabenverteilung zwischen <strong>de</strong>n einzelnen Trägern<br />

ist die Norm und wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> Phasenmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Allgemeinen<br />

Richtlinie für <strong>de</strong>n Katastrophenschutz für alle<br />

<strong>de</strong>nkbaren Katastrophenfälle festgelegt. Nun sind aber<br />

nicht alle Katastrophen gleich. Es gibt z.B. Einsätze,<br />

bei <strong>de</strong>nen die Unterstützung einzelner Fachbehör<strong>de</strong>n<br />

entbehrlich ist o<strong>de</strong>r nur wenige Kräfte von Feuerwehr<br />

und Polizei benötigt wer<strong>de</strong>n. Für diese beson<strong>de</strong>ren<br />

Fälle gibt es spezielle Richtlinien, auf Grund <strong>de</strong>rer<br />

dann von <strong>de</strong>n allgemeinen Vorgaben abgewichen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Eine dieser beson<strong>de</strong>ren Richtlinien<br />

für <strong>de</strong>n Katastrophenschutz ist die Infektionsschutzrichtlinie.<br />

In ihr wer<strong>de</strong>n die Phasen zur Bewältigung<br />

<strong>de</strong>r Krisenlage vom ersten Angriff über die Scha<strong>de</strong>nsbewältigung<br />

bis hin zur Scha<strong>de</strong>nsbeseitigung<br />

ausschließlich für <strong>de</strong>n Fall einer Pan<strong>de</strong>mie geregelt.<br />

Katastrophendienststab beraten und unterstützt. Dies<br />

gilt insbeson<strong>de</strong>re auch für <strong>de</strong>n in einer Pan<strong>de</strong>mie so<br />

wichtigen Bereich <strong>de</strong>r Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Auch hier arbeiten die Gesundheits- und Innenbehör<strong>de</strong><br />

unmittelbar zusammen und sprechen damit<br />

von Anfang an eine einheitliche Sprache. Wi<strong>de</strong>rsprüchen,<br />

Fehlinterpretationen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m „Gegeneinan<strong>de</strong>rausspielen“<br />

von Behör<strong>de</strong>n und Ämtern ist damit<br />

die Grundlage entzogen wor<strong>de</strong>n.<br />

Flugunfallübung am Flughafen Hamburg<br />

73


74<br />

LÜKEX 07 – enge Zusammenarbeit<br />

zwischen Gesundheits- und Innenbehör<strong>de</strong><br />

Diese Führungsorganisation wur<strong>de</strong> während <strong>de</strong>r<br />

Übung LÜKEX 2007 erstmals angewandt und hat für<br />

uns ganz wesentliche Erkenntnisse erbracht, die wir<br />

<strong>im</strong> Folgen<strong>de</strong>n darstellen möchten.<br />

Bereits zu Beginn <strong>de</strong>r langen Vorbereitungsphase<br />

wur<strong>de</strong> das Ausmaß <strong>de</strong>r Auswirkungen eines Pan<strong>de</strong>mie-Szenarios<br />

auf Hamburg erkennbar. Sehr schnell<br />

wur<strong>de</strong> klar, dass eine Pan<strong>de</strong>mie nahezu auf je<strong>de</strong>n Bereich<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Lebens Auswirkungen hat. Ein<br />

wesentliches Ziel <strong>de</strong>r Übung war die Zusammenarbeit<br />

und <strong>de</strong>r Informationsaustausch aller Beteiligten, auch<br />

über die Grenzen von Behör<strong>de</strong>n und Ämtern hinweg.<br />

In Hamburg gelang dies durch die Beteiligung<br />

von Firmen sowohl bei <strong>de</strong>r Übungsvorbereitung als<br />

auch in <strong>de</strong>r Übung selbst. Eher von untergeordneter<br />

Be<strong>de</strong>utung war die Erarbeitung tatsächlicher Problemlösungen,<br />

was <strong>im</strong> Zuge <strong>de</strong>r Übung auch eher unrealistisch<br />

gewesen wäre, weil in <strong>de</strong>r Realität auch<br />

nicht alle Ereignisse <strong>de</strong>s Szenarios an einem einzigen<br />

Tag geballt eingetreten wären. Die hohe politische<br />

D<strong>im</strong>ension <strong>de</strong>r Übung wur<strong>de</strong> zu Beginn <strong>de</strong>r Vorbereitungsphase<br />

in Hamburg nicht durchgängig von allen<br />

Beteiligten in gleicher Weise erkannt. Erst die <strong>de</strong>r<br />

eigentlichen Übung vorangehen<strong>de</strong> Planbesprechung<br />

machte diese hohe politische Relevanz richtig <strong>de</strong>utlich.<br />

Nach einer umfassen<strong>de</strong>n fachlichen Einweisung<br />

und Lagedarstellung wur<strong>de</strong>n maßgebliche Entscheidungen<br />

getroffen, die unmittelbar Auswirkungen auf<br />

<strong>de</strong>n ersten Übungstag hatten. Der erste Übungstag<br />

begann mit kleinen technischen Pannen <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong>de</strong>r Übungsleitung, die schnell <strong>de</strong>n Rückgriff auf bewährte<br />

Mittel <strong>de</strong>r Stabsarbeit erfor<strong>de</strong>rlich machten.<br />

Nach Beseitigung <strong>de</strong>r Störung konnte die Übung jedoch<br />

bald wie<strong>de</strong>r mit technischer Unterstützung gesteuert<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Einspielungen verliefen planmäßig<br />

und beschäftigten rund vierzehn reale und fiktive<br />

Stäbe mit rund 210 üben<strong>de</strong>n Personen auf operativtaktischer<br />

und administrativ-organisatorischer sowie<br />

politischer Ebene.<br />

Hier bewährte sich die für Hamburg festgelegte<br />

Struktur <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s für <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>miefall,<br />

<strong>de</strong>r die enge Kooperation <strong>de</strong>r Staatsräte für Gesundheit<br />

und Inneres vorsieht. Die hauptsächlichen<br />

Übungsziele – abgest<strong>im</strong>mtes Vorgehen <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>,<br />

Krisenkommunikation und gemeinsame<br />

Im Lagezentrum <strong>de</strong>s Zentralen Katastrophendienststabes<br />

während <strong>de</strong>r Übung LÜKEX 07<br />

zentrale Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – wur<strong>de</strong>n<br />

erreicht. Als ausgesprochen positiv erwies sich auch<br />

die Nutzung <strong>de</strong>r Stabssoftware <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus sowie <strong>de</strong>r<br />

Vi<strong>de</strong>o- und <strong>de</strong>r Telefonkonferenzanlage. Mit diesen<br />

technischen Einrichtungen war es allen Beteiligten<br />

möglich, direkt zu kommunizieren und Entscheidungen<br />

unmittelbar umzusetzen.<br />

Der zweite Übungstag wur<strong>de</strong> in Hamburg in Form<br />

einer Planbesprechung durchgeführt. Dies war notwendig,<br />

weil aufgrund <strong>de</strong>r Katastrophenschutzorganisation<br />

in Hamburg nach <strong>de</strong>m Abklingen <strong>de</strong>r Pan<strong>de</strong>mie<br />

die Verantwortung auf die fachlich zuständigen<br />

Behör<strong>de</strong>n zurückgeht. Genau diese Situation wur<strong>de</strong><br />

am zweiten Übungstag durch eine mo<strong>de</strong>rierte Diskussion<br />

dargestellt: Ungelöste Probleme wur<strong>de</strong>n erneut<br />

aufgegriffen und neue Fragestellungen erörtert<br />

und teilweise einer Lösung zugeführt. Lei<strong>de</strong>r konnte<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Komplexität <strong>de</strong>r Übung nur ein Bruchteil<br />

<strong>de</strong>r Problematiken angesprochen wer<strong>de</strong>n. Viele<br />

weitere Fragen konnten nur gestreift o<strong>de</strong>r mussten<br />

zurück gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

LÜKEX 2007 war eine wertvolle Erfah-<br />

rung auch für Hamburg. Die politische<br />

D<strong>im</strong>ension <strong>de</strong>r Übung wur<strong>de</strong> erkannt, die<br />

Be<strong>de</strong>utung einer frühzeitigen und interdis-<br />

ziplinären zentralen Koordination unter-<br />

strichen.


Darüber hinaus gelang mit <strong>de</strong>r Übung eine bun<strong>de</strong>sweite<br />

Sensibilisierung für Pan<strong>de</strong>mien in Behör<strong>de</strong>n,<br />

Unternehmen und in <strong>de</strong>r Bevölkerung. Bereits in<br />

<strong>de</strong>r Vorbereitungsphase wur<strong>de</strong>n betriebsinterne Pan<strong>de</strong>mieplanungen<br />

auf <strong>de</strong>n Weg gebracht. Aber auch<br />

Opt<strong>im</strong>ierungsbedarf in <strong>de</strong>n Betriebsabläufen und in<br />

<strong>de</strong>r interaktiven Kommunikation wur<strong>de</strong> an verschie<strong>de</strong>nen<br />

Stellen <strong>de</strong>utlich. So könnte beispielsweise die<br />

zentrale Presse- und Öffentlichkeitsarbeit noch konsequenter<br />

umgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Der größte Erfolg aus <strong>de</strong>r Übung LÜKEX<br />

ist aus Hamburger Sicht aber, dass Behör-<br />

<strong>de</strong>n und Unternehmen zusammengerückt<br />

sind, gegenseitig Einblick in ihre Planun-<br />

gen und Arbeitsweisen gewährt haben und<br />

wichtige Kontakte geknüpft wur<strong>de</strong>n.<br />

Darüber hinaus wur<strong>de</strong>n durch die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>skommando Hamburg <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr<br />

die Beziehungen in <strong>de</strong>r Zivil-Militärischen Zusammenarbeit<br />

gefestigt. Auch die Einbindung von<br />

Vertretern <strong>de</strong>s Amerikanischen Generalkonsulates hat<br />

für bei<strong>de</strong> Seiten wertvolle Erkenntnisse gebracht.<br />

Sturmflut <strong>im</strong> Hamburger Hafen am 9. November 2007<br />

Vorbeugen<strong>de</strong>r Grippeschutz<br />

Die Elbe mel<strong>de</strong>t sich zurück<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Großwetterlage und <strong>de</strong>r Warnung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>esamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie<br />

vor einer Sturmflut am kommen<strong>de</strong>n Tag musste für<br />

Hamburg die Übung vorzeitig been<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, um<br />

sich auf die Bewältigung dieser für Hamburg wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>n<br />

Bedrohung vorzubereiten. Da war sie<br />

wie<strong>de</strong>r: die Elbe, Lebensa<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Freien und Hansestadt<br />

Hamburg, die uns <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r daran erinnert,<br />

wie verletzlich wir sind und dass wir vorbereitet sein<br />

müssen, und zwar auf allen Fel<strong>de</strong>rn.<br />

Zu <strong>de</strong>n Autoren: Holger Poser ist Referatsleiter <strong>de</strong>s Referats Katastrophen- und Bevölkerungsschutz in <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> für Inneres<br />

<strong>de</strong>r Freien und Hansestadt Hamburg; Thomas Melchert, Angehöriger <strong>de</strong>s Referats Katastrophen- und Bevölkerungsschutz, ist<br />

verantwortlich für Katastrophenschutzübungen, Aus- und Fortbildung<br />

75


78<br />

III. Kapitel<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong><br />

Bevölkerungsschutz:<br />

Ein gesamtgesellschaftliches<br />

Netzwerk<br />

„In unserem fö<strong>de</strong>ralen Staat sind <strong>Bund</strong> und<br />

Län<strong>de</strong>r gemeinsam für die Sicherheit <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung verantwortlich. Dazu ist das<br />

Vernetzen <strong>de</strong>r Kapazitäten von <strong>Bund</strong>, Län<strong>de</strong>rn<br />

und Kommunen sowie <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen<br />

und Privatunternehmen erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Das BBK sieht hier seine Rolle als<br />

Zentralstelle <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s strategischen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s. Es will allen Akteuren<br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz Deutschlands ein<br />

wichtiger und verlässlicher Partner sein.“<br />

Christoph Unger, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esamtes für<br />

Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe


Die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Christoph Unger<br />

Allgemeines und Grundsätze<br />

Im Rahmen ihrer Beschlüsse zur „Neuen Strategie zum Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

in Deutschland“ stellte die Innenministerkonferenz (IMK) <strong>im</strong> Jahr 2002 1 fest,<br />

dass <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r ein „funktionieren<strong>de</strong>s System zur Bewältigung auch von<br />

Großscha<strong>de</strong>nslagen“ besitzen. Gleichzeitig sah sie jedoch aufgrund <strong>de</strong>r schweren<br />

Terroranschläge und außergewöhnlichen Naturkatastrophen (Orkan „Lothar“,<br />

O<strong>de</strong>r- und Elbehochwasser) die Notwendigkeit, die bestehen<strong>de</strong>n Systeme fortzuentwickeln<br />

und damit <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong> vermehrte Verantwortung auch in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

zuzuweisen, in <strong>de</strong>nen die Län<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Verfassungslage die Hauptlasten<br />

zu bewältigen haben. Die Regierungschefs <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r haben am 27. März 2003<br />

festgestellt, dass von möglichen terroristischen Angriffen sowie durch überregionale<br />

Naturereignisse und Unglücksfälle Gefahren für die Bevölkerung ausgehen<br />

können, <strong>de</strong>nen nur „mit gesamtstaatlichen Maßnahmen“ begegnet wer<strong>de</strong>n könne.<br />

2<br />

Der <strong>Bund</strong> hat sich dieser Verantwortung gestellt und neben<br />

an<strong>de</strong>ren Maßnahmen am 1. Mai 2004 das <strong>Bund</strong>esamt für<br />

Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe errichtet, um die<br />

bun<strong>de</strong>sseitig vorgehaltenen Servicefunktionen zu bün<strong>de</strong>ln und<br />

zu koordinieren.<br />

Der <strong>im</strong> gesamtgesellschaftlichen Sicherheitssystem neben Polizei, Nachrichtendiensten<br />

und <strong>Bund</strong>eswehr als vierte Säule verankerte Bevölkerungsschutz besitzt<br />

mit <strong>de</strong>m BBK eine Zentralstelle mit beson<strong>de</strong>ren Kompetenzen, die Grundsatzfragen<br />

klären, notwendige Koordinierungsaufgaben wahrnehmen und vielfältige<br />

Dienstleistungen erbringen kann. Be<strong>im</strong> BBK wer<strong>de</strong>n Informationen zur Lage,<br />

zu vorhan<strong>de</strong>ner Fachexpertise und zu eingesetzten und verfügbaren Ressourcen<br />

zusammengeführt. Die vorhan<strong>de</strong>nen Hilfspotenziale <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r,<br />

<strong>de</strong>r Feuerwehren und die Hilfsorganisationen können dadurch besser verzahnt<br />

wer<strong>de</strong>n. Im informatorischen Verbund können die Möglichkeiten <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es,<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r nichtstaatlichen Institutionen effizienter genutzt wer<strong>de</strong>n. Im<br />

Krisenfall entstehen durch die ergänzen<strong>de</strong>n Funktionen <strong>de</strong>s Amtes Synergieeffekte.<br />

77


78<br />

Bevölkerungsschutz wird als <strong>de</strong>r umfassen<strong>de</strong> Begriff<br />

für die zivile nichtpolizeiliche Notfallvorsorge und<br />

Gefahrenabwehr bei Scha<strong>de</strong>nsereignissen verstan<strong>de</strong>n;<br />

er schließt insofern auch außergewöhnliche<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen und Krisen ein. Der übergreifen<strong>de</strong><br />

Ansatz folgt dabei auch <strong>de</strong>r Logik, dass (schon aus<br />

ökonomischen Überlegungen heraus) ein Großteil<br />

<strong>de</strong>r Vorsorgeplanungen unbescha<strong>de</strong>t von <strong>de</strong>r verfassungsrechtlichen<br />

Unterscheidung zwischen Zivilschutz<br />

(<strong>im</strong> Spannungs- und Verteidigungsfall Aufgabe<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es) und Katastrophenschutz (Aufgabe<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r) zu leisten ist.<br />

Die gesetzliche Grundlage ist in <strong>de</strong>m „<strong>Bund</strong>esgesetz<br />

über die Errichtung <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe“ (BGBl. I<br />

2004, 630) enthalten. Dem BBK sind die <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung<br />

nach Art. 85 Abs. 4 <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />

zustehen<strong>de</strong>n Befugnisse auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Zivilschutzes<br />

übertragen wor<strong>de</strong>n. Das Gesetz enthält <strong>im</strong><br />

Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zuständigkeit<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r keine Befugnisnormen für <strong>de</strong>n Katastrophenschutz<br />

in Frie<strong>de</strong>nszeiten. Derzeit fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />

zuständigen Gremien und Ressorts Beratungen über<br />

die Fortentwicklung <strong>de</strong>r Rechtsgrundlagen statt. 3 Danach<br />

sollen die Vorhaltungen und Einrichtungen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es für <strong>de</strong>n Zivilschutz auch bei Katastrophen<br />

und Unglücksfällen zur Verfügung stehen. Betroffen<br />

sind die Bereiche „Ausstattung“, „Aus- und Fortbildung“,<br />

„Koordinierung <strong>im</strong> Ressourcenmanagement“,<br />

„gesamtstaatliches Zusammenwirken (auf <strong>de</strong>r Basis<br />

bun<strong>de</strong>sweiter Risikoanalysen)“ und „Sanitätsbevorratung“.<br />

Argumentatives Kernelement <strong>de</strong>r Regelungen<br />

soll <strong>de</strong>r Gedanke <strong>de</strong>s Doppelnutzens für Zivilschutz<br />

und Katastrophenschutz sein, nach<strong>de</strong>m die Län<strong>de</strong>r<br />

eine Verfassungsän<strong>de</strong>rung mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>r Kompetenzerweiterung<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Katastrophenschutzes<br />

(Art. 73 Abs. 1 GG) <strong>de</strong>rzeit nicht<br />

befürworten.<br />

Die Wahrnehmung von Koordinierungs- und Serviceaufgaben<br />

<strong>im</strong> län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong><br />

erfolgt <strong>de</strong>rzeit auf pragmatische Weise <strong>im</strong><br />

Einvernehmen mit <strong>de</strong>n betroffenen Län<strong>de</strong>rn. Das<br />

Das <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

in Bonn-Lengsdorf<br />

Amt ist zwar eine <strong>Bund</strong>esoberbehör<strong>de</strong> <strong>im</strong> Geschäftsbereich<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Inneren, in seiner<br />

Funktion als Zentralstelle von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn<br />

fühlt es sich aber <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn – darüber hinaus<br />

auch <strong>de</strong>n privatrechtlich organisierten Verbän<strong>de</strong>n<br />

und Hilfsorganisationen – gleichermaßen „verpflichtet.“<br />

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit<br />

<strong>de</strong>n Hilfsorganisationen, die – zum großen Teil mit<br />

ehrenamtlichen Kräften – einen beachtlichen Beitrag<br />

zum Bevölkerungsschutz leisten, ist <strong>de</strong>m BBK ein beson<strong>de</strong>res<br />

Anliegen.<br />

Das 2004 eingerichtete Amt hat sich stetig weiter<br />

entwickelt und bereits <strong>im</strong> Jahr <strong>de</strong>r Fußball Weltmeisterschaft<br />

2006 seine volle Einsatzbereitschaft erreicht<br />

und unter Beweis gestellt. Heute stellt das BBK mit<br />

seiner gebün<strong>de</strong>lten Kompetenz einen wichtigen<br />

Netzknoten <strong>im</strong> nationalen System <strong>de</strong>r Notfallvorsorge<br />

und nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr dar und<br />

ist anerkannter <strong>de</strong>utscher Kooperationspartner in <strong>de</strong>r<br />

Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Ausland, insbeson<strong>de</strong>re <strong>im</strong><br />

Rahmen <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft.


Aufgabenverständnis <strong>de</strong>s BBK: Partner und Dienstleister für <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r<br />

Das BBK ist als <strong>de</strong>utsche Zentralstelle für <strong>de</strong>n Bevölkerungsschutz<br />

mit beson<strong>de</strong>ren Kompetenzen ausgestattet<br />

und <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Rechtsgrundlagen und<br />

haushaltsrechtlichen Möglichkeiten ständig bemüht,<br />

seine Effizienz weiter zu steigern. Das Amt n<strong>im</strong>mt<br />

dabei folgen<strong>de</strong> Aufgaben wahr. Es<br />

� ����� ��� ����������� ������������ ��� �����<br />

Län<strong>de</strong>rn und Privatunternehmen über Risiken und<br />

kritische Infrastrukturen zusammen und koordiniert<br />

Maßnahmen zu ihrem Schutz;<br />

� ����� �� ����� ��������� ��� ���������������<br />

aus zentraler Sicht mit;<br />

� ����� ��� ����������������� �������������<br />

Meldungen <strong>de</strong>r betroffenen Dienststellen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

entgegen und führt sie in Lageberichten und -bil<strong>de</strong>rn<br />

zusammen, mit <strong>de</strong>nen Dienststellen von <strong>Bund</strong> und<br />

Län<strong>de</strong>rn sowie erfor<strong>de</strong>rlichenfalls auch Hilfsorganisationen<br />

und Privatunternehmen über wesentliche<br />

Entwicklungen aktuell informiert wer<strong>de</strong>n können;<br />

� ���������� ���� ����� ��������� ���� �����������<br />

und noch vorhan<strong>de</strong>ne Ressourcen und berät die Län<strong>de</strong>r<br />

insbeson<strong>de</strong>re über Unterstützungsmöglichkeiten<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es;<br />

� ������ ������������ ��� ������������� ��� �����gung<br />

und betreibt Forschung, um auf wichtigen Gebieten<br />

<strong>de</strong>r Notfallvorsorge <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>rzeit mit<br />

Rat und Tat zur Seite stehen zu können. Dies bezieht<br />

sich vor allem auf die <strong>im</strong> o. a. IMK-Beschluss genannten<br />

Bereiche ABC-Gefahren, terroristische Anschläge,<br />

Gesundheitlicher Bevölkerungsschutz;<br />

� ����������� ��� ��������� ��� ���� ��� ���<strong>de</strong>rn,<br />

Feuerwehren und Hilfsorganisationen in <strong>de</strong>r<br />

Wahrnehmung internationaler humanitärer Aufgaben;<br />

� ����� ��� ������� ����� �� ��� ������������� ���<br />

zivil-militärischen Zusammenarbeit mit;<br />

� ��������� ��� ��� �������� ��� ������������ment,<br />

Notfallplanung und Zivilschutz ein Kompetenzzentrum,<br />

in <strong>de</strong>m insbeson<strong>de</strong>re die Führungskräfte <strong>im</strong><br />

Bevölkerungsschutz sowohl <strong>im</strong> taktisch-operativen<br />

als auch <strong>im</strong> strategischen Bereich weitergebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Kompetenz <strong>de</strong>s BBK ist beson<strong>de</strong>rs bei überregionalen<br />

Krisen gefor<strong>de</strong>rt. Bei außergewöhnlichen<br />

Gefahren-/ Scha<strong>de</strong>nslagen, die zur Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />

<strong>de</strong>s „Normalzustan<strong>de</strong>s“ beson<strong>de</strong>re gesamtgesellschaftliche<br />

Anstrengungen erfor<strong>de</strong>rn, kann das Amt<br />

sowohl als Inhaber spezieller Fachexpertise als auch<br />

durch <strong>de</strong>n Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s (Gemeinsames Mel<strong>de</strong>- und<br />

Lagezentrum, Deutsches Notfall-Informationssystem,<br />

Satelliten-Warnsystem, Zentrum zur psychologischen<br />

Notfallvorsorge) eine synergetische Ergänzung <strong>de</strong>s<br />

Han<strong>de</strong>lns <strong>de</strong>r zuständigen Stellen <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s bewirken. Das BBK stellt in diesen Fällen<br />

das gesamtstaatliche nichtpolizeiliche Lagebild<br />

zur Verfügung und n<strong>im</strong>mt die Geschäftsführung <strong>de</strong>r<br />

Interministeriellen Koordinierungsgruppe von <strong>Bund</strong><br />

und Län<strong>de</strong>rn (IntMinKoGr) wahr, die in ihrer neuen<br />

Geschäftsordnung Entscheidungen <strong>de</strong>r Krisenstäbe<br />

fachlich vorbereitet.<br />

79


80<br />

Organisation <strong>de</strong>s BBK und wichtige Einzelaufgaben für das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Das BBK ist nach einer Organisationsanpassung 2007<br />

in Leitungsbereich, Verwaltung und vier Fachabteilungen<br />

geglie<strong>de</strong>rt. Bei <strong>de</strong>r Vielfalt <strong>de</strong>r Aufgaben sollen<br />

hier nur für das <strong>Krisenmanagement</strong> beson<strong>de</strong>rs<br />

wesentliche Funktionen <strong>im</strong> Überblick dargestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Differenzierte Artikel zu <strong>de</strong>n einzelnen Abteilungen<br />

und ihren Aufgaben fin<strong>de</strong>n sich an an<strong>de</strong>rer<br />

Stelle dieser Publikation.<br />

Rund um die Uhr einsatzbereit: Das Gemeinsame Mel<strong>de</strong>- und<br />

Lagezentrum <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r (GMLZ)<br />

Das Gemeinsame Mel<strong>de</strong>- und Lagezentrum <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es<br />

und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r (GMLZ) ist mit einer aufwendigen<br />

technischen Ausstattung das Herzstück <strong>de</strong>s nationalen<br />

nichtpolizeilichen Informationsverbunds und<br />

<strong>de</strong>s Ressourcenmanagements <strong>im</strong> Katastrophen- und<br />

Krisenfall. Es erfüllt eine wichtige Scharnierfunktion<br />

sowohl <strong>im</strong> nationalen wie internationalen Bereich.<br />

Das Amt betreibt das „Deutsche Notfall-Informationssystems<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus“ , an das das BMI, alle <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r<br />

und eine Reihe weiterer Behör<strong>de</strong>n angeschlossen<br />

sind. Das System wird zunehmend stärker genutzt: Es<br />

ist vorgesehen, <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus durch Anschluss kommunaler<br />

Dienststellen und weiterer Institutionen, u. a.<br />

<strong>de</strong>r Hilfsorganisationen, noch zu erweitern. Zur weiteren<br />

Steigerung <strong>de</strong>r Leistungsbereitschaft ist eine<br />

noch stringentere Strukturierung <strong>de</strong>s Mel<strong>de</strong>systems<br />

nach gemeinsam <strong>de</strong>finierten Kriterien vorgesehen.


Ein weiterer Schwerpunkt ist die Koordination <strong>de</strong>r<br />

Warnung mit <strong>de</strong>m „Satellitengestützten Warnsystem“<br />

(SatWaS). Nach<strong>de</strong>m die frühere flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong><br />

Sirenenwarnung abgeschafft wor<strong>de</strong>n ist, bietet das<br />

System die Möglichkeit, bei unterschiedlichen Gefahrenlagen<br />

sekun<strong>de</strong>nschnell differenzierte Informationen<br />

über die öffentlich-rechtlichen wie privaten<br />

Rundfunkanstalten, Internetportal-Betreiber und<br />

Presseagenturen an die Bürger weiter zu geben. Das<br />

System hat gegenüber <strong>de</strong>r Sirenenwarnung <strong>de</strong>n Vorteil,<br />

dass weiterführen<strong>de</strong> Zusatzinformationen, differenzierte<br />

Gefahrendurchsagen und Verhaltensregeln<br />

weitergegeben wer<strong>de</strong>n können. Gera<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Eröffnung<br />

<strong>de</strong>r Nutzungsmöglichkeiten von SatWas für<br />

die Län<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Möglichkeit<br />

<strong>de</strong>r Warnung bei („frie<strong>de</strong>nsmäßigen“) Katastrophen<br />

wird <strong>de</strong>r Weg vom Zivilschutz zum gemeinsamen Bevölkerungsschutz<br />

exemplarisch ver<strong>de</strong>utlicht.<br />

Die psychosoziale Notfallvorsorge (PSNV) wur<strong>de</strong> zu<br />

einem integralen Bestandteil <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr<br />

weiterentwickelt. Das BBK sieht seine Rolle hier in<br />

<strong>de</strong>r Koordination und Vermittlung geeigneter Hilfeleistung<br />

und Betreuung für Opfer und Angehörige<br />

von schweren Unglücksfällen <strong>im</strong> In- und Ausland.<br />

Bei <strong>de</strong>r Tsunami-Katastrophe in Südostasien En<strong>de</strong><br />

2004 war das BBK in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Auswärtigen<br />

Amt, <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>eskr<strong>im</strong>inalamt, an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>Bund</strong>esbehör<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, Hilfsorganisationen<br />

und Fachverbän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Psychologie und Psychiatrie<br />

in das <strong>Krisenmanagement</strong> eingebun<strong>de</strong>n. Das BBK<br />

führt <strong>de</strong>rzeit eine Konsensus-Konferenz <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong>de</strong>r psychosozialen Notfallversorgung mit <strong>de</strong>m Ziel<br />

durch, die Qualität <strong>de</strong>r in Deutschland vorhan<strong>de</strong>nen<br />

Versorgungsangebote für Betroffene und Angehörige<br />

<strong>de</strong>r Opfer von Unglücksfällen und Terroranschlägen<br />

sowie auch für Einsatzkräfte sicherzustellen. Das Amt<br />

will ergänzen<strong>de</strong> Forschungsprojekte anregen, beispielsweise<br />

auch zu <strong>de</strong>r Frage, inwieweit Anti-Stress-<br />

Trainingsprogramme wirken.<br />

Für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Kritischen Infrastrukturen 4 erstellt<br />

das Amt in Zusammenarbeit mit öffentlichen<br />

und privaten Institutionen Gefährdungs- und Risikoanalysen.<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>r Dienstleistungs- und Beratungskompetenz<br />

ist durch BMI, BKA und BBK ein<br />

Basisschutzkonzept erstellt wor<strong>de</strong>n, das eine Klassifizierung<br />

<strong>de</strong>r gefähr<strong>de</strong>ten Bereiche, eine Analyse <strong>de</strong>s<br />

Schutzbedarfs und Maßnahmen zur Erreichung <strong>de</strong>r<br />

Schutzziele enthält. Das Konzept beschreibt Mög-<br />

lichkeiten <strong>de</strong>s personellen und materiellen Schutzes<br />

gefähr<strong>de</strong>ter Anlagen und gibt Empfehlungen für Notfallplanungen.<br />

Das BBK nutzt dazu die in <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> vorhan<strong>de</strong>ne<br />

Fachkompetenz von 25 verschie<strong>de</strong>nen wissenschaftlichen<br />

Professionen und vielen externen Partnern.<br />

Der Risiko- und Krisenkommunikation kommt dabei<br />

beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Das Konzept sieht Maßnahmen<br />

einer kontinuierlichen Überprüfung und<br />

Qualitätssicherung <strong>im</strong> Rahmen eines dynamischen<br />

Prozesses (Regelkreislauf von Planung, Umsetzung,<br />

Analyse und Nachsteuerung) vor. Das Projekt ist<br />

durch Sachverstand aus <strong>de</strong>r Wirtschaft geför<strong>de</strong>rt und<br />

begleitet wor<strong>de</strong>n. Der hohe Sicherheitsstandard <strong>de</strong>r<br />

Infrastrukturen ist auch ein Qualitätsmerkmal für<br />

<strong>de</strong>n Standort Deutschland und liegt <strong>im</strong> Interesse <strong>de</strong>r<br />

Bürger und Bürgerinnen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s. Für die Unternehmen<br />

ist die Aufrechterhaltung und Weiterführung<br />

<strong>de</strong>s Betriebes auch in Krisenzeiten von existenzieller<br />

Be<strong>de</strong>utung („Business Continuity“). Deshalb sind von<br />

<strong>de</strong>m Basiskonzept „Empfehlungen für Unternehmen“<br />

abgeleitet wor<strong>de</strong>n. Der dahinter stehen<strong>de</strong> analytische<br />

und planerische Aufwand ist angesichts <strong>de</strong>r Gefährdungslage,<br />

<strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n Verletzlichkeit <strong>de</strong>r<br />

mo<strong>de</strong>rnen Industriegesellschaft und <strong>de</strong>r Komplexität<br />

<strong>de</strong>r Kritischen Infrastrukturen erfor<strong>de</strong>rlich und trägt<br />

<strong>de</strong>r gestiegenen Nachfrage nach solchen Konzepten<br />

Rechnung.<br />

81


82<br />

Zu <strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s BBK <strong>im</strong> Rahmen strategischer<br />

Notfallvorsorge gehören Forschungsprojekte und<br />

technische Weiterentwicklungen. Dazu wer<strong>de</strong>n u.<br />

a. Konzepte zur Harmonisierung von Maßnahmen<br />

<strong>im</strong> gesundheitlichen Bevölkerungsschutz erarbeitet.<br />

Dazu zählen Grundfragen <strong>de</strong>r Katastrophenmedizin,<br />

<strong>de</strong>s seuchenhygienischen Managements und <strong>de</strong>r präklinischen<br />

Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung bei beson<strong>de</strong>ren<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen. Rechtzeitig vor <strong>de</strong>r Fußball-Weltmeisterschaft<br />

2006 wur<strong>de</strong>n in Arbeitsgruppen <strong>de</strong>s<br />

AK V unter maßgeblicher Beteiligung bzw. Leitung<br />

<strong>de</strong>s BBK <strong>de</strong>taillierte Konzepte für die Versorgung bei<br />

einem Massenanfall von Verletzten (MANV) und für<br />

Dekontaminationsmaßnahmen bei Freisetzung radioaktiver,<br />

infektiöser o<strong>de</strong>r chemischer Stoffe erarbeitet.<br />

Die Erfahrungen aus <strong>de</strong>r Vorbereitung und Durchführung<br />

<strong>de</strong>r Fußball-WM wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Veranstaltern<br />

vergleichbarer internationaler Großveranstaltungen<br />

zur Verfügung gestellt; so soll ein vom BBK in Kooperation<br />

mit weiteren Partnern entwickeltes und<br />

beschafftes Fernmessgerät zur Analyse von Giftstoffen<br />

in <strong>de</strong>r Luft zur Überwachung von Stadien und<br />

„Fan-Meilen“ eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Vorsorge für <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>miefall<br />

hat das BBK gemeinsam mit <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sgesundheitsamt<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

und einer Reihe von Unternehmen ein Handbuch<br />

„Betriebliche Pan<strong>de</strong>mieplanung“ erarbeitet, das <strong>de</strong>n<br />

zuständigen Führungskräften <strong>de</strong>r Wirtschaft als Ratgeber<br />

und Planungshilfe dienen soll.<br />

Als Teil seines originären Zivilschutzauftrages, aber<br />

auch mit Blick auf Einsatzmöglichkeiten <strong>im</strong> „zivilen“<br />

Krisenfall hat das BBK das Ausstattungskonzept einer<br />

Neuorientierung unterzogen. Der <strong>Bund</strong> wird sich zunehmend<br />

vermehrt <strong>im</strong> Bereich neuer Bedrohungslagen,<br />

die spezielle Fähigkeiten erfor<strong>de</strong>rn, engagieren.<br />

Im ABC-Schutz bün<strong>de</strong>lt das BBK Expertenwissen<br />

und Kapazitäten u. a. auch <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Einsatzes<br />

<strong>de</strong>r „Analytical Task Forces“. Derzeit liegt ein Schwerpunkt<br />

noch <strong>im</strong> chemischen Bereich, die Fähigkeiten<br />

sollen jedoch auch <strong>im</strong> Hinblick auf B-Gefahren erweitert<br />

wer<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m eine terroristische Bedrohung<br />

auch in diesem Bereich nicht mehr ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Einen beachtlichen Beitrag zum Rettungsdienst leisten<br />

die an 12 Standorten eingesetzten Zivilschutzhubschrauber<br />

<strong>de</strong>s BBK. Die orangefarbenen Rettungsflieger<br />

wur<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Jahr 2007 rund 16.700 Mal zum<br />

Einsatz bei Notfällen gerufen.<br />

Einen wichtigen Beitrag zum Rettungsdienst leisten die an 12<br />

Standorten eingesetzten Zivilschutzhubschrauber <strong>de</strong>s BBK:<br />

Allein <strong>im</strong> Jahr 2007 wur<strong>de</strong>n sie rund 16.700 Mal zu Einsätzen<br />

bei Notfällen gerufen.<br />

Titelbild <strong>de</strong>s Handbuchs „Schutz und Hilfe für die Bevölkerung“


LÜKEX 2007: Präsi<strong>de</strong>nt und Vizepräsi<strong>de</strong>nt bei einer Lagebesprechung <strong>im</strong> BBK-Krisenstab<br />

Die zum BBK gehören<strong>de</strong> Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong>,<br />

Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ)<br />

n<strong>im</strong>mt als zentrale Fortbildungseinrichtung eine<br />

Schlüsselrolle in einem integrierten und effizienten<br />

Gefahrenabwehrsystem ein. Die Ausbildung wird<br />

thematisch an sicherheitspolitische Rahmenbedingungen<br />

und aktuelle Herausfor<strong>de</strong>rungen angepasst.<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> in beson<strong>de</strong>ren Lagen n<strong>im</strong>mt einen<br />

hervorragen<strong>de</strong>n Platz ein. Aus <strong>de</strong>r Vielzahl <strong>de</strong>r<br />

Ausbildungs- und Übungsvorhaben seien die vorbereiten<strong>de</strong>n<br />

Veranstaltungen für Entscheidungsträger<br />

<strong>de</strong>r nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr bei <strong>de</strong>r<br />

Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und <strong>de</strong>m G-8-Gipfel<br />

2007 exemplarisch herausgehoben. Die positiven Reaktionen<br />

aus Län<strong>de</strong>rn, Kommunen und Hilfsorganisationen<br />

zeigen, dass sowohl Themenauswahl (u. a.<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>, ABC-Vorsorge, Katastrophenmedizin,<br />

Massenanfall von Verletzten, Dekontamination,<br />

Psychosoziale Notfallversorgung) als auch die Art <strong>de</strong>r<br />

Vermittlung <strong>de</strong>s Stoffes in Übungen und speziellen<br />

Coaching-Veranstaltungen als zielführend und wertvoll<br />

für die Einsatzvorbereitungen angesehen wur<strong>de</strong>n.<br />

Die Ausbildung <strong>de</strong>s mit zivil-militärischer Zusammenarbeit<br />

(ZMZ) befassten Personals in <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr<br />

und <strong>de</strong>n zivilen Behör<strong>de</strong>n hat mittlerweile einen festen<br />

und anerkannten Platz <strong>im</strong> Seminarangebot. Die<br />

seit Jahren durch gemeinsame Seminare und Übungen<br />

(Großscha<strong>de</strong>nslagen) verfestigte vertrauensvolle<br />

Zusammenarbeit <strong>de</strong>r AKNZ mit <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Hochschule <strong>de</strong>r Polizei (DHPOL) in Münster trägt<br />

wesentlich zum gegenseitigen Verständnis zwischen<br />

polizeilichen und nichtpolizeilichen Führungskräften<br />

in <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr insbeson<strong>de</strong>re in Krisenlagen<br />

bei.<br />

Durch eine Projektgruppe <strong>de</strong>s BBK wer<strong>de</strong>n seit 2004<br />

in grundsätzlich zweijährigem Rhythmus auf strategischer<br />

Ebene län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>übungen<br />

(LÜKEX) vorbereitet und durchgeführt.<br />

In diesen Übungen, bei <strong>de</strong>nen <strong>im</strong> Rahmen eines<br />

Netzwerkes Krisenstäbe <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

mit Hilfsorganisationen, Verbän<strong>de</strong>n und Privatunternehmen<br />

zusammenarbeiten, wer<strong>de</strong>n nationale<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen bei Großscha<strong>de</strong>nslagen o<strong>de</strong>r<br />

Gesundheitsgefahren geübt. Die Übung <strong>de</strong>s Jahres<br />

2007 stand <strong>im</strong> Zeichen einer weltweiten Influenza-<br />

Pan<strong>de</strong>mie, <strong>de</strong>r nächsten Übung wird ein Szenario<br />

mit radiologischen Gefahren bei Terroranschlägen zu<br />

Grun<strong>de</strong> liegen.<br />

83


84<br />

Das politische Programm <strong>de</strong>s BMI zur Opt<strong>im</strong>ierung<br />

<strong>de</strong>s nationalen <strong>Krisenmanagement</strong>s in Deutschland<br />

ist weit fortgeschritten. Ergänzend zu <strong>de</strong>n bewährten<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>-Seminaren für alle Verwaltungsebenen<br />

wird die AKNZ daher künftig verstärkt spezielle<br />

Coaching-Veranstaltungen für Entscheidungsträger<br />

aus <strong>Bund</strong>es- und Lan<strong>de</strong>sressorts sowie für<br />

Landräte und Oberbürgermeister anbieten, in <strong>de</strong>nen<br />

– szenarienorientiert – Grundsätze <strong>de</strong>r Stabsorganisation,<br />

Entscheidungsfindung und Führungsverhalten<br />

in Krisen vermittelt und trainiert wer<strong>de</strong>n. Im Sinne<br />

<strong>de</strong>r Public Private Partnership sind diese Veranstaltungen<br />

auch offen für <strong>de</strong>n Leitungsbereich von Unternehmen<br />

<strong>de</strong>r kritischen Infrastrukturen.<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> en<strong>de</strong>t nicht an <strong>de</strong>n nationalen<br />

Grenzen. Auch innerhalb <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

ist die Solidarität mit an<strong>de</strong>ren Mitgliedstaaten eine<br />

Selbstverständlichkeit. Das BBK n<strong>im</strong>mt hier als nationaler<br />

Ansprechpartner <strong>im</strong> Gemeinschaftsverfahren<br />

eine wichtige Rolle ein, insbeson<strong>de</strong>re durch die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>m Monitoring and Information<br />

Centre (MIC) <strong>de</strong>r Europäischen Kommission und<br />

durch Ausbildung <strong>de</strong>r bei multinationalen Einsätzen<br />

als strategisches Führungspersonal eingesetzten Kräfte<br />

(High Level Course) an <strong>de</strong>r AKNZ. 5<br />

Fazit und Ausblick<br />

In unserem fö<strong>de</strong>ralen Staat sind <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r<br />

gemeinsam für die Sicherheit <strong>de</strong>r Bevölkerung verantwortlich.<br />

Dazu ist das Vernetzen <strong>de</strong>r Kapazitäten<br />

von <strong>Bund</strong>, Län<strong>de</strong>rn und Kommunen sowie <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen<br />

und Privatunternehmen erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Das BBK sieht hier seine Rolle als Zentralstelle <strong>im</strong><br />

Rahmen <strong>de</strong>s strategischen <strong>Krisenmanagement</strong>s. Es<br />

will allen Akteuren <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz Deutschlands<br />

ein wichtiger und verlässlicher Partner sein. Es<br />

ist zu begrüßen, dass sich die für die Zusammenarbeit<br />

zuständigen Gremien <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>r gemeinsamen<br />

Verantwortung von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn für eine<br />

Fortentwicklung <strong>de</strong>r Rechtsgrundlagen <strong>im</strong> Zivil- und<br />

Katastrophenschutz aussprechen.<br />

Zum Autor: Christoph Unger ist Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bonn<br />

1 Beschlüsse <strong>de</strong>r ständigen Konferenz <strong>de</strong>r Innenminister und -senatoren <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r (IMK) vom 06.06.2002, TOP 23, und vom<br />

06.12.2002, TOP 36, „Neue Strategie zum Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung in Deutschland“<br />

2 Beschlussnie<strong>de</strong>rschrift über die Besprechung <strong>de</strong>r Regierungschefs <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r vom 27. März 2003, TOP 2<br />

3 zuletzt: Umlaufbeschluss <strong>de</strong>s Arbeitskreises V („Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz und zivile<br />

Verteidigung“) <strong>de</strong>r Ständigen Konferenz <strong>de</strong>r Innenminister und -senatoren <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r vom 01.04.20008: Neue Strategie zum<br />

Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung in Deutschland; Fortentwicklung <strong>de</strong>r Rechtsgrundlagen<br />

4 Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Be<strong>de</strong>utung für das staatliche Gemeinwesen,<br />

bei <strong>de</strong>ren Ausfall o<strong>de</strong>r Beeinträchtigung nachhaltig wirken<strong>de</strong> Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Sicherheit o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re dramatische Folgen eintreten wür<strong>de</strong>n. Es han<strong>de</strong>lt sich insbeson<strong>de</strong>re um Einrichtungen aus <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Energieversorgung, Telekommunikation und Informationstechnik, Versorgung mit (überlebens-) wichtigen Gütern,<br />

Transport- und Verkehrswesen, Gefahrenstoffe, Finanz-, Geld und Versicherungswesen, Behör<strong>de</strong>n und öffentliche Verwaltung,<br />

herausragen<strong>de</strong> Kulturgüter<br />

5 Entscheidung <strong>de</strong>s Rates vom 8. November 2007


Fachkonzeption <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe – wichtiger Aspekt <strong>de</strong>r<br />

Vorsorge <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Dr. Karsten Michael<br />

Ein Feinmechanikermeister gab mir <strong>de</strong>n Rat: „Wenn mal wenig zu tun ist, mach Dir<br />

Werkzeuge!“ Dieser Gedanke <strong>de</strong>r Vorsorge, also <strong>de</strong>s Sorgetragens für zukünftige<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen und das Vorbereiten auf <strong>de</strong>ren Bewältigung, ist ein wichtiger<br />

Aspekt <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s <strong>im</strong> weiteren Sinne. Er verlangt vorausschauen<strong>de</strong><br />

Planung auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Erfahrungen vergangener Krisen, <strong>de</strong>r Analyse<br />

kausaler Zusammenhänge und <strong>de</strong>r Entwicklung von Mo<strong>de</strong>llvorstellungen. Daraus<br />

abgeleitet müssen die richtigen „Werkzeuge“ in Art und Zahl geschaffen<br />

und bereitgelegt wer<strong>de</strong>n, um dann <strong>im</strong> Krisenfall ausreichend Handlungsoptionen<br />

verfügbar zu haben und effektiv wirken zu können. Insbeson<strong>de</strong>re <strong>im</strong> wissenschaftlichen,<br />

technischen und konzeptionellen Bereich wirkt das <strong>Bund</strong>esamt für<br />

Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als „Werkzeugmacher“.<br />

Information und Wissen – Erfolgsfaktoren <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Kenntnis in <strong>de</strong>r Sache ist be<strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

ein Erfolgsfaktor. Dabei lassen sich die generellen<br />

von <strong>de</strong>n speziellen, auf die Scha<strong>de</strong>nslage bezogenen<br />

Informationen unterschei<strong>de</strong>n. Bereitstellung von<br />

generellen Informationen für alle <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

Mitwirken<strong>de</strong>n leistet das BBK durch seine<br />

Fachinformationsstelle. Angeboten wer<strong>de</strong>n hier Online-Recherchen<br />

<strong>im</strong> Bestandskatalog mit über 50.000<br />

Medieneinheiten, Fernleihe und Aufsatzversand, Recherchen<br />

und Fachauskünfte. Ergänzend stehen ein<br />

Begriffskatalog mit häufig verwen<strong>de</strong>ten Definitionen<br />

und ein Wörterbuch Deutsch-Englisch für Fachbegriffe<br />

<strong>de</strong>s Zivil- und Katastrophenschutzes online bereit.<br />

Die Fachberater <strong>de</strong>s BBK halten in <strong>de</strong>n naturwissenschaftlichen<br />

Disziplinen Physik, Chemie, Biologie<br />

und Medizin Fachexpertise vor. Diese Beratungs-<br />

und Urteilsfähigkeit stützt sich neben <strong>de</strong>r unmittelbar<br />

verfügbaren Fachinformation insbeson<strong>de</strong>re auf enge<br />

Kontakte in hoch qualifizierten Netzwerken. Damit<br />

steht auch für <strong>de</strong>n Krisenfall Fachberatung für die<br />

Stäbe in BMI und BBK bereit. Aus ihrer Funktion heraus<br />

geben die Fachberater ebenso Impulse für die<br />

Erhebung und Formulierung von Forschungsbedarf.<br />

85


86<br />

Die För<strong>de</strong>rung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben<br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz ist ein weiteres<br />

Instrument <strong>de</strong>s BBK, Fähigkeitslücken zu schließen.<br />

Beraten durch die Schutzkommission be<strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esminister<br />

<strong>de</strong>s Innern wer<strong>de</strong>n för<strong>de</strong>rungswürdige Forschungsthemen<br />

i<strong>de</strong>ntifiziert und angestoßen. Dem<br />

Praxisbezug und <strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>r eigentlichen Projektlaufzeit<br />

anschließen<strong>de</strong>n Umsetzungsphase kommt<br />

dabei beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu.<br />

Als Fachberatung <strong>im</strong> weiteren Sinne ist auch die Erstellung<br />

von Leitfä<strong>de</strong>n und Handbüchern zu ausgewählten<br />

Themen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s zu sehen.<br />

Diese Leitfä<strong>de</strong>n geben Entscheidungsträgern Informationen<br />

zur Vorbereitung auf und zur Bewältigung<br />

von Krisen. Ein Beispiel ist das Handbuch „Betrieb-<br />

Konzeption und Technologie<br />

Ähnliche Scha<strong>de</strong>nslagen erlauben ähnliche Bewältigungsstrategien.<br />

Gemeinsame Merkmale zu i<strong>de</strong>ntifizieren,<br />

eröffnet die Möglichkeit, eine fähigkeitsorientierte<br />

Perspektive für die Analyse und vorausschauen<strong>de</strong><br />

Planung einzunehmen. Dabei leiten sich aus einer<br />

Fähigkeit zur Scha<strong>de</strong>nsbewältigung und zum <strong>Krisenmanagement</strong><br />

nicht nur rein technische For<strong>de</strong>rungen<br />

ab. Sie enthält ebenso die Komponenten Information,<br />

Erfahrung, Qualifikation (und Zahl) <strong>de</strong>r Akteure,<br />

Infrastruktur und Versorgung, technische Lösungen<br />

sowie Konzeption. Die Konzeption hat hierbei insofern<br />

eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung, als sie die gedankliche<br />

Klammer aller relevanten Zusammenhänge bil<strong>de</strong>t<br />

und sich die notwendige (Weiter-)Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Komponenten aus ihr ableiten lassen<br />

müssen. Bei <strong>de</strong>r Erstellung von Konzepten zur Bewältigung<br />

außergewöhnlicher Scha<strong>de</strong>nslagen wirkt<br />

das BBK als Zentralstelle koordinierend, stößt die<br />

Konzepterstellung an, mo<strong>de</strong>riert <strong>de</strong>n Abst<strong>im</strong>mungsprozess<br />

und stellt ein Fortschreiben sicher. Beispiele<br />

dafür sind die Arbeiten zum Massenanfall Verletzter,<br />

die Empfehlungen für Führungskräfte <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Vogelgrippe und die Mitwirkung an einer<br />

einheitlichen Krankenhausalarmplanung.<br />

liche Pan<strong>de</strong>mieplanung“: Ein praktischer Ratgeber,<br />

<strong>de</strong>r Betrieben hilft, sich auf die Auswirkungen einer<br />

Pan<strong>de</strong>mie angemessen vorzubereiten und während<br />

<strong>de</strong>r Pan<strong>de</strong>mie richtig zu reagieren. So können <strong>de</strong>r<br />

betriebswirtschaftliche und <strong>de</strong>r volkswirtschaftliche<br />

Scha<strong>de</strong>n gleichermaßen klein gehalten wer<strong>de</strong>n. Wenn<br />

sich auch die Entstehung einer Pan<strong>de</strong>mie vermutlich<br />

kaum verhin<strong>de</strong>rn lassen wird, sobald ein dazu befähigtes<br />

Virus einmal in <strong>de</strong>r Welt ist, so kann über<br />

ausreichen<strong>de</strong> Vorsorge in <strong>de</strong>r Pan<strong>de</strong>mieplanung die<br />

Ausbreitung verlangsamt, die Erkrankungs- und Sterberate<br />

vermin<strong>de</strong>rt, die Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

mit lebenswichtigen Produkten und Dienstleistungen<br />

sichergestellt und damit <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n insgesamt beschränkt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Notwendigkeit <strong>de</strong>r Erarbeitung von umfassen<strong>de</strong>n<br />

(nationalen) Konzepten sei kurz am Beispiel von<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen mit chemischer, biologischer, radiologischer<br />

o<strong>de</strong>r nuklearer Gefährdung – kurz CBRN-Lagen<br />

– skizziert. Die Bewältigung einer solchen Lage<br />

stellt hohe Anfor<strong>de</strong>rungen an die Verfahrenstechnik.<br />

Die beson<strong>de</strong>ren Wirkungen und Auswirkungen<br />

(physisch wie psychologisch), die von einem CBRN-<br />

Ereignis ausgehen können, verlangen die rasche und<br />

<strong>im</strong> Ergebnis stets verlässliche Feststellung <strong>de</strong>r Gefährdungspotentiale.<br />

Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>m einer CBRN-Lage in<br />

aller Regel innewohnen<strong>de</strong> Eskalationspotential und<br />

ihrer verfahrenstechnischen Komplexität kann nur<br />

mit einer Führungs- und Einsatzorganisation erfolgreich<br />

begegnet wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ein gleiches Verständnis<br />

<strong>de</strong>r Aufgabenbewältigung auf allen beteiligten<br />

Ebenen und in allen Fachrichtungen zugrun<strong>de</strong> liegt.<br />

Das schließt die Anwendung einheitlicher und damit<br />

auch vergleichbarer Einsatzverfahren ein.<br />

Für die Erstellung eines erfolgreichen Konzepts muss<br />

<strong>de</strong>r Balanceakt gelingen, die theoretisch <strong>de</strong>nkbar<br />

beste Lösung mit <strong>de</strong>m – insbeson<strong>de</strong>re technologisch<br />

– Realisierbaren in Einklang zu bringen. Hier knüpft


die zu leisten<strong>de</strong> Arbeit an die <strong>im</strong> vorangehen<strong>de</strong>n Absatz<br />

„Information und Wissen“ beschriebenen Kompetenzen<br />

an. Fachexpertise, Marktkenntnis und das<br />

Initiieren von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben<br />

erlauben das gezielte Schließen von Fähigkeitslücken,<br />

die sich aus einem Soll-Ist-Vergleich ergeben,<br />

<strong>de</strong>r auf Basis eines Konzeptes o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>n Vorüberlegungen<br />

dazu angestellt wur<strong>de</strong>. Beispiel hierfür ist<br />

das passive Infrarot-Fernerkundungssystem „SIGIS“,<br />

das es <strong>de</strong>n vom <strong>Bund</strong> aufgestellten Analytischen<br />

Task Forces ermöglicht, Gefahrstoffwolken zu <strong>de</strong>tektieren<br />

und <strong>de</strong>ren Ausbreitungsdynamik aus mehreren<br />

Biologische Probenentnahme unter Schutzausrüstung<br />

B-Probennahmerucksack<br />

Kilometern Entfernung zu verfolgen. Aus konzeptionellen<br />

Überlegungen heraus entstand hier zunächst<br />

die grundsätzliche Notwendigkeit, Spezialkräfte mit<br />

beson<strong>de</strong>ren analytischen Fähigkeiten zur Beratung<br />

<strong>de</strong>r Einsatzleitung bei komplexen CBRN-Lagen aufzustellen,<br />

die Analytischen Task Forces. Für die spezielle<br />

Fähigkeit <strong>de</strong>r Fernerkundung aus sicherer Entfernung<br />

waren technologische Lösungen sichtbar, die<br />

sodann <strong>im</strong> Rahmen eines Forschungsvorhabens bis<br />

zur Anwendungsreife entwickelt und schließlich in<br />

Form <strong>de</strong>r Beschaffung und Auslieferung von „SIGIS“<br />

realisiert wur<strong>de</strong>n.<br />

Technik und Ausrüstung<br />

Zur erfolgreichen Bewältigung von Scha<strong>de</strong>nslagen<br />

gilt es, gerüstet zu sein. Je<strong>de</strong> Fähigkeit, <strong>de</strong>ren Aufbau<br />

vergleichbar lang o<strong>de</strong>r länger dauert als die Vorwarn-<br />

o<strong>de</strong>r typische Eskalationszeit einer Gefahr, muss<br />

zuvor errichtet wer<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rnfalls kann sie <strong>im</strong> Ereignisfall<br />

nicht rechtzeitig zur Anwendung gebracht<br />

wer<strong>de</strong>n. Insbeson<strong>de</strong>re Technik und Ausrüstung müssen<br />

in aller Regel vorab beschafft und vorgehalten<br />

wer<strong>de</strong>n. Welche Investition hier angemessen und<br />

welche Kapitalbindung sinnvoll ist, hängt von vielen<br />

Faktoren ab. Ausgangspunkt ist in <strong>de</strong>r Regel eine Risikoanalyse;<br />

aus <strong>de</strong>m festgelegten Schutzniveau o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Schutzzielen, <strong>de</strong>m Schutzkonzept sowie <strong>de</strong>m<br />

technologisch Realisierbaren leitet sich <strong>de</strong>r Bedarf<br />

ab.<br />

Von beson<strong>de</strong>rem <strong>Bund</strong>esinteresse sind hier die außergewöhnlichen<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen. Diese haben typischer<br />

Weise eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

verbun<strong>de</strong>n mit einem hohen Scha<strong>de</strong>nspotential. Von<br />

Seiten <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es wer<strong>de</strong>n daher die Einrichtungen<br />

und Einheiten <strong>de</strong>s Katastrophenschutzes <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

verstärkt (Gemäß Zivilschutzgesetz <strong>de</strong>r „Katastrophenschutz<br />

<strong>im</strong> Zivilschutz“). Diese Verstärkung<br />

umfasst mehrere Tausend Einsatzfahrzeuge aus <strong>de</strong>n<br />

Bereichen CBRN-Schutz, Sanitätswesen, Betreuung<br />

und Brandschutz sowie die dazugehörige zivilschutzbezogene<br />

ergänzen<strong>de</strong> Ausbildung <strong>de</strong>r Besatzungen.<br />

Der Schwerpunkt liegt hier auf Fähigkeiten zur Bewältigung<br />

eines Massenanfalls von Verletzten und<br />

komplexer CBRN-Lagen.<br />

87


88<br />

ABC-Erkundungskraftwagen in Bonn-Dransdorf<br />

Einer <strong>de</strong>r 16 neuen Zivilschutz-Hubschrauber <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es<br />

vom Typ EC 135<br />

Hinzu kommen die Zivilschutzhubschrauber <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es, die zur Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r Einsatzbereitschaft<br />

in die alltägliche Gefahrenabwehr eingebun<strong>de</strong>n<br />

sind, dort Aufgaben <strong>de</strong>r Luftrettung übernehmen,<br />

bei außergewöhnlichen Scha<strong>de</strong>nslagen jedoch<br />

auch für die Aufklärung, zur Lenkung von Bevölkerungsbewegungen<br />

und zum Lufttransport eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n können.<br />

Ist eine solche Lage geprägt von einem Massenanfall<br />

Verletzter, kann auch <strong>de</strong>r Verbrauch an Arzne<strong>im</strong>itteln<br />

und Sanitätsmaterial <strong>de</strong>rart ansteigen, dass<br />

eine kontinuierliche Versorgung über die üblichen<br />

Nachschubwege gefähr<strong>de</strong>t ist. Dem kann mit ausreichen<strong>de</strong>r<br />

Pufferung über erhöhte Lagerbestän<strong>de</strong> begegnet<br />

wer<strong>de</strong>n. <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r sorgen daher in<br />

Form einer kooperativen Sanitätsmittelbevorratung<br />

in Form mehrerer Dutzend, über die Fläche <strong>de</strong>r Republik<br />

verteilter und weitgehend in die Wälzung an<br />

Krankenhausapotheken integrierter Sanitätsmaterialpakete<br />

vor.<br />

Zum Autor: Dr. Karsten Michael leitet die Abteilung III „Forschung und Technik, Gesundheitlicher Bevölkerungsschutz“ <strong>im</strong><br />

<strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bonn.<br />

Fazit<br />

Viele Werkzeuge liegen bereit. Einige müssen weiter<br />

geschärft, an<strong>de</strong>re ergänzt wer<strong>de</strong>n. Dabei muss <strong>de</strong>r<br />

Blick stets auch auf die zukünftigen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

gerichtet sein. Nur so können wir uns auf <strong>de</strong>n<br />

Erhalt <strong>de</strong>r richtigen Werkzeuge konzentrieren, rechtzeitig<br />

von unbrauchbar gewor<strong>de</strong>nen trennen und gezielt<br />

neue schaffen.


Der Schutz Kritischer Infrastrukturen –<br />

Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Wirtschaft <strong>im</strong><br />

Rahmen einer gesamtstaatlichen Notfallvorsorge<br />

Dr. Wolfram Geier<br />

Sicherheits- und Notfallvorsorge sind aufgrund <strong>de</strong>r<br />

komplexen und nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche<br />

durchdringen<strong>de</strong>n Materie gesamtstaatliche<br />

Aufgaben, an <strong>de</strong>r alle relevanten gesellschaftlichen –<br />

staatlichen, öffentlichen und privaten – Akteure partizipieren.<br />

Dies trifft sowohl auf die vorsorgen<strong>de</strong>n und<br />

planerischen Maßnahmen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Zivilen<br />

Verteidigung und damit <strong>de</strong>s Zivilschutzes (vgl. hierzu<br />

§ 1 Abs. 1 ZSG) zu als auch auf die präventiven<br />

und vorsorgen<strong>de</strong>n Aktivitäten zum Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

und ihrer Lebensgrundlagen vor Gefahren,<br />

die durch extreme Naturereignisse, technisches und<br />

menschliches Versagen o<strong>de</strong>r aber bewusste soziale<br />

Fehlhandlungen, wie Sabotage o<strong>de</strong>r Anschläge, verursacht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Bevölkerung hoch entwickelter Gesell-<br />

schaften, Hauptgegenstand und Auftragge-<br />

ber staatlichen Han<strong>de</strong>lns, ist heute mehr<br />

<strong>de</strong>nn je von technischen, ökonomischen,<br />

sozialen und administrativen Dienstleis-<br />

tungen und <strong>de</strong>r Verfügbarkeit umfassen<strong>de</strong>r<br />

infrastruktureller Versorgungsleistungen<br />

abhängig.<br />

Dies äußert sich in Einstellungen, die auf Knopfdruck<br />

gesicherte Energie in Form von elektrischem Strom,<br />

Gas und Mineralöl, ungestörten Zugang zu schnellen<br />

Informationstechnologien und Kommunikationsnetzen,<br />

beruflicher und private Mobilität mit allen Verkehrsträgern<br />

einschließlich sicherer Lieferketten für<br />

Nahrungsmittel und an<strong>de</strong>re Verbrauchsgüter, sowie<br />

Kritische Infrastruktur: Großbrand in einem Tanklager<br />

Kritische Infrastruktur: Abflugebene <strong>de</strong>s Flughafens Hamburg<br />

ein grundsätzlich funktionieren<strong>de</strong>s Gesundheitswesen,<br />

stabile Regierungen und verlässliche Verwaltungen<br />

erwarten und zur Verfügung gestellt haben<br />

möchten. Etwas an<strong>de</strong>res erscheint kaum vorstellbar,<br />

staatlich verordnete Stromabschaltung, o<strong>de</strong>r Rationierung<br />

von Trinkwasser und generelle Versorgungsengpässe<br />

erinnern an Bil<strong>de</strong>r aus einer an<strong>de</strong>ren Welt.<br />

89


90<br />

In einem Land wie Deutschland sind Infrastrukturen<br />

die Lebenslinien einer hoch technisierten, arbeitsteilig<br />

organisierten, mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft und daher<br />

von essentieller Be<strong>de</strong>utung, und erst außergewöhnliche<br />

Ereignisse, wie das Elbehochwasser 2002, die<br />

Sommerhitze 2003, <strong>de</strong>r Stromausfall <strong>im</strong> Münsterland<br />

2005, <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Ems verursachte Stromausfall in halb<br />

Europa 2006 o<strong>de</strong>r auch die Einstellung <strong>de</strong>s Schienenverkehrs<br />

während <strong>de</strong>s Sturms „Kyrill“ <strong>im</strong> Januar<br />

2007 haben gezeigt, wie sich Störungen dieser vitalen<br />

Lebensa<strong>de</strong>rn auf das private und öffentliche Leben<br />

auswirken können und dass es vielfältige Ursachen<br />

und Risiken gibt. Je komplexer die Systeme und je<br />

intensiver die Abhängigkeit <strong>de</strong>r Systeme voneinan<strong>de</strong>r<br />

sind, umso gravieren<strong>de</strong>r sind Auswirkungen bei Störungen<br />

o<strong>de</strong>r Ausfall von wichtigen Infrastrukturen.<br />

Dem Schutz dieser so genannten Kritischen Infrastrukturen<br />

kommt daher heute und erst recht in <strong>de</strong>r<br />

Zukunft eine beson<strong>de</strong>rs hohe Be<strong>de</strong>utung zu. Nach<br />

einer Übereinkunft <strong>de</strong>r Regierungsressorts aus <strong>de</strong>m<br />

Jahr 2003 zählen in Deutschland zu Kritischen Infrastrukturen<br />

(KRITIS):<br />

Organisationen und Einrichtungen mit<br />

wichtiger Be<strong>de</strong>utung für das staatliche<br />

Gemeinwesen, bei <strong>de</strong>ren Ausfall o<strong>de</strong>r<br />

Beeinträchtigung nachhaltig wirken<strong>de</strong><br />

Versorgungsengpässe, erhebliche Störun-<br />

gen <strong>de</strong>r öffentlichen Sicherheit o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

dramatische Folgen eintreten wür<strong>de</strong>n.<br />

Mit dieser Definition wird die Be<strong>de</strong>utung Kritischer<br />

Infrastrukturen für die Funktionsfähigkeit von Staat,<br />

Wirtschaft und Gesellschaft noch einmal hervorgehoben:<br />

Ihre Kritikalität best<strong>im</strong>mt sich insbeson<strong>de</strong>re<br />

durch die Kategorien Versorgungsengpässe, die <strong>de</strong>n<br />

Bürger unmittelbar, durch Engpässe bei Produktion<br />

und Erzeugung aber auch mittelbar treffen können,<br />

Störungen <strong>de</strong>r öffentlichen Sicherheit o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

schwerwiegen<strong>de</strong> Folgen, zu <strong>de</strong>nen psychologische<br />

Auswirkungen, beispielsweise nach <strong>de</strong>r Zerstörung<br />

national be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Bauwerke, ebenso zählen wie<br />

ein Vertrauensverlust in das politische System, wenn<br />

etwa die Bürger das Gefühl haben, Entscheidungsträger<br />

seien nicht in <strong>de</strong>r Lage, Katastrophenlagen<br />

zu bewältigen und die Bevölkerung angemessen zu<br />

schützen. In Deutschland wer<strong>de</strong>n die Kritischen Infrastrukturen<br />

<strong>de</strong>rzeit in acht Sektoren unterglie<strong>de</strong>rt.<br />

Zu <strong>de</strong>n Sektoren zählen:<br />

Energieversorgung<br />

(Elektrizität, Gas, Öl)<br />

Versorgung<br />

(u.a. Trinkwasser, Ernährung,<br />

Gesundheitswesen, Notfall-/<br />

Rettungswesen, Entsorgung)<br />

Gefahrstoffe<br />

(Gefahrguttransporte,<br />

sensitive Industrien,<br />

Rüstung)<br />

Behör<strong>de</strong>n<br />

und<br />

öffentliche<br />

Verwaltung<br />

Telekommunikation<br />

und<br />

Informationstechnik<br />

Transport-<br />

und<br />

Verkehrswesen<br />

(einschließlich Postwesen)<br />

Finanz-, Geld-<br />

und<br />

Versicherungswesen<br />

Sonstige<br />

(Großforschungseinrichtungen,<br />

symbolträchtige Bauwerke,<br />

Kulturgut, Medien)<br />

Betrachtet man die einzelnen Sektoren, fällt auf, dass<br />

sich mehr als 80 Prozent <strong>de</strong>r für die Funktionsfähigkeit<br />

einer Gesellschaft notwendigen Infrastrukturen<br />

in ausschließlich privater Hand befin<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r von<br />

privaten bzw. privatisierten Unternehmen betrieben<br />

und gesteuert wer<strong>de</strong>n. Diese in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />

sich <strong>de</strong>utlich entwickeln<strong>de</strong> Rahmenbedingung weist<br />

auf <strong>de</strong>n klaren Gemeinschaftscharakter <strong>de</strong>r Aufgaben<br />

zum Schutz Kritischer Infrastrukturen hin: Staat,<br />

Kommunen und Privatwirtschaft tragen hier eine gemeinsame<br />

Verantwortung als Teil <strong>de</strong>r gesamtstaatlichen<br />

Sicherheits- und Notfallvorsorge für die Bevölkerung.


Alle zentralen staatlichen Maßnahmen zum Schutz<br />

Kritischer Infrastrukturen in Deutschland wer<strong>de</strong>n<br />

durch das <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern (BMI) koordiniert.<br />

Da es sich be<strong>im</strong> Schutz Kritischer Infrastrukturen<br />

um eine Schnittmenge <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

Sicherheitsaufgaben han<strong>de</strong>lt, sind die zuständigen<br />

Fachabteilungen <strong>Krisenmanagement</strong> und Bevölkerungsschutz,<br />

Öffentliche Sicherheit und IT sowie<br />

Kooperation mit <strong>de</strong>r Wirtschaft – wesentlicher Erfolgsfaktor zum Schutz<br />

Kritischer Infrastrukturen<br />

Neben <strong>de</strong>r Zusammenarbeit <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Behör<strong>de</strong>n<br />

ist aber ein wesentlicher Erfolgsfaktor für<br />

Maßnahmen zum Schutz Kritischer Infrastrukturen<br />

die Kooperation mit <strong>de</strong>r Wirtschaft, <strong>de</strong>n konkreten<br />

Infrastruktur-Unternehmen und <strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n, mit<br />

<strong>de</strong>nen potentielle Gefährdungen und Anfälligkeiten<br />

i<strong>de</strong>ntifiziert, möglicher Schwachstellen analysiert und<br />

gemeinsam Projekte initiiert und umgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu <strong>de</strong>n konkreten Ergebnissen dieser Kooperationen<br />

gehören zum einen verschie<strong>de</strong>ne Konzepte und Leitfä<strong>de</strong>n,<br />

die jeweils unter Beteiligung von Behör<strong>de</strong>n<br />

und Betreibern erarbeitet wur<strong>de</strong>n (vgl. Basisschutzkonzept,<br />

Leitfa<strong>de</strong>n für ein Risiko- und <strong>Krisenmanagement</strong>,<br />

Leitfa<strong>de</strong>n Notstromversorgung u.a.). Zum<br />

die Geschäftsbereichsbehör<strong>de</strong>n, das <strong>Bund</strong>esamt für<br />

Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK),<br />

das <strong>Bund</strong>esamt für Sicherheit in <strong>de</strong>r Informationstechnik<br />

(BSI), das <strong>Bund</strong>eskr<strong>im</strong>inalamt (BKA) und die<br />

<strong>Bund</strong>esanstalt Technisches Hilfswerk (THW) in diese<br />

Aufgaben pr<strong>im</strong>är eingebun<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>re Ressorts und<br />

Geschäftsbereichsbehör<strong>de</strong>n unterstützen je nach Bedarf.<br />

an<strong>de</strong>ren hat sich inzwischen eine Tradition gemeinsamer<br />

Übungen, u. a. durch die nationale Stabsrahmenübung<br />

LÜKEX, entwickelt, an <strong>de</strong>nen <strong>Bund</strong>,<br />

Län<strong>de</strong>r, Kommunen und Infrastruktur-Unternehmen<br />

teilnehmen, um das öffentliche und unternehmerische<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> aufeinan<strong>de</strong>r abzust<strong>im</strong>men<br />

und die Zusammenarbeit bei Großscha<strong>de</strong>nsereignissen<br />

zu trainieren. Dabei berücksichtigen die Übungen<br />

die unterschiedlichen Szenarien und Risiken für<br />

Kritische Infrastrukturen: die extremen Naturereignisse,<br />

terroristische Anschläge, Unfälle und schwere<br />

Pan<strong>de</strong>mien, die zu extremen Personalausfällen und<br />

damit zu Zusammenbrüchen von infrastrukturellen<br />

Dienstleistungen führen können.<br />

Kritische Infrastruktur: Große<br />

Bahnhöfe sind sensible<br />

Knotenpunkte <strong>im</strong> Verkehrsnetz,<br />

die nur schwer<br />

geschützt wer<strong>de</strong>n können<br />

91


92<br />

Kritische Infrastruktur: Containerbrücken <strong>im</strong><br />

Hafen Hamburg – eng vernetzte Logistik<br />

Das in <strong>de</strong>n letzten Jahren <strong>de</strong>utlich gewach-<br />

sene Politikfeld „Schutz Kritischer Infra-<br />

strukturen“ auf allen Ebenen <strong>de</strong>r staatli-<br />

chen Verwaltung ist Ausdruck einer neuen<br />

Sicherheitspartnerschaft von Staat und<br />

Wirtschaft.<br />

In vielen Gesprächen und Arbeitsgruppen mit Unternehmen<br />

hat sich dabei allerdings entgegen erster<br />

Annahmen gezeigt, dass häufig weniger technische<br />

Lösungen und Investitionen erfor<strong>de</strong>rlich sind, um<br />

<strong>de</strong>n Schutz Kritischer Infrastrukturen zu verbessern,<br />

son<strong>de</strong>rn dass <strong>im</strong> organisatorischen Bereich Defizite<br />

bestehen, die durch organisatorische Maßnahmen zu<br />

beseitigen o<strong>de</strong>r zu min<strong>im</strong>ieren sind. Zu diesen Defiziten<br />

gehören nicht selten fehlen<strong>de</strong> Risikoanalysen,<br />

ein unzureichen<strong>de</strong>s Risiko- und <strong>Krisenmanagement</strong>,<br />

nicht abgest<strong>im</strong>mte Koordination <strong>de</strong>r Maßnahmen<br />

o<strong>de</strong>r mangelhafte Kommunikation nach innen sowie<br />

nach außen zu externen Partnern wie Behör<strong>de</strong>n,<br />

Hilfsorganisationen etc. Die Beseitigung dieser Mängel<br />

bzw. ihr effektiver Beitrag für die Vorsorgeplanung<br />

ist daher gar nicht hoch genug zu bewerten.<br />

Allerdings wer<strong>de</strong>n in einigen Fällen auch investive<br />

Maßnahmen erfor<strong>de</strong>rlich sein, die vom möglichen<br />

Verzicht auf Outsourcing von wichtigen Dienstleistungen<br />

über die Versorgung mit Notstromaggregaten<br />

Hohe Sicherheitsstandards und Schutzeinrichtungen an <strong>de</strong>n<br />

Flughäfen – hier Passagierkontrolle in Hamburg<br />

o<strong>de</strong>r personellen Ressourcen bis hin zu neuen, leistungsfähigeren<br />

technischen Infrastrukturbereichen,<br />

wie neuen Netzkomponenten u.a. reichen. Daneben<br />

gibt es auch aus rein ökonomischer Sicht gewichtige<br />

Grün<strong>de</strong>, um genügend Ressourcen für die Sicherheit<br />

<strong>de</strong>s Unternehmens und damit <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r Infrastruktureinrichtungen<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Die Einhaltung von Sicherheitsstandards wird sich<br />

ten<strong>de</strong>nziell zu einer wichtigen Voraussetzung für<br />

<strong>de</strong>n Export von Waren und Dienstleitungen entwickeln<br />

(s. Best<strong>im</strong>mungen für <strong>de</strong>n US-amerikanischen<br />

Markt). Vor allem aber in Krisenzeiten rechnen sich<br />

präventive Sicherheitsstrategien, wenn aufgrund vorausschauen<strong>de</strong>r<br />

Planungen zumin<strong>de</strong>st die Kernprozesse<br />

eines Geschäftsbetriebes weiterhin aufrecht<br />

erhalten wer<strong>de</strong>n können und die Führungskräfte in<br />

<strong>de</strong>r Lage sind, schnell sach- und damit auch kostenangemessene<br />

Entscheidungen zu treffen.<br />

Insoweit können sich Investitionen in Sicherheit auch<br />

zu einem positiven Wettbewerbsfaktor entwickeln.<br />

Dies gilt für Unternehmen allgemein, insbeson<strong>de</strong>re<br />

aber für Unternehmen <strong>de</strong>r Kritischen Infrastrukturen,<br />

die dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit von Staat<br />

und Gesellschaft zu gewährleisten und in Krisenzeiten<br />

die Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung mit lebenswichtigen<br />

Gütern und Dienstleistungen zu ermöglichen,<br />

und die damit ihren Beitrag zur Inneren Sicherheit<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r gemeinsamen Sicherheitspartnerschaft<br />

sowie einer gesamtstaatlichen Notfallvorsorge<br />

leisten.


Mo<strong>de</strong>rne, für hoch entwickelte Gesellschaften lebenswichtige<br />

Infrastruktureinrichtungen können<br />

heute mehr <strong>de</strong>nn je nur in einem internationalen Verbundsystem<br />

gewährleistet wer<strong>de</strong>n (s. europäischer<br />

Stromverbund UTCE).<br />

Ohne grenzüberschreiten<strong>de</strong> Vernetzung<br />

und Regelungen sind eine weitgehend<br />

störungsfreie Energieversorgung, vernetzte<br />

Verkehrswege, funktionieren<strong>de</strong> Informa-<br />

tions- und Telekommunikationseinrich-<br />

tungen o<strong>de</strong>r auch das hochkomplexe<br />

Finanz- und Zahlungssystem gera<strong>de</strong> <strong>im</strong><br />

europäischen Raum nicht <strong>de</strong>nkbar.<br />

Allerdings machen auch die Risiken nicht vor nationalstaatlichen<br />

Grenzen halt, wie <strong>de</strong>r Stromausfall <strong>im</strong><br />

europäischen Übertragungsnetz <strong>im</strong> November 2006<br />

mit Ursache in Deutschland und Auswirkungen von<br />

Spanien bis Österreich gezeigt hat. Daher ist es nur<br />

folgerichtig, dass sich auch die europäische Ebene<br />

mit <strong>de</strong>m Schutz Kritischer Infrastrukturen befasst.<br />

Kritische Infrastrukturen: Am 28. Juni 2007 geht <strong>de</strong>r Reaktor<br />

in Krümmel nach einem Transformatorenbrand vom Netz<br />

Kritische Infrastruktur: Umspannwerke – notwendige Schnittstellen<br />

in <strong>de</strong>r Stromversorgung<br />

Wichtige Meilensteine <strong>de</strong>s Europäischen Programms<br />

zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (EPSKI) sind die<br />

„Mitteilung <strong>de</strong>r Kommission über ein Europäisches<br />

Programm für <strong>de</strong>n Schutz kritischer Infrastrukturen“<br />

sowie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitige Vorschlag für eine „Richtlinie<br />

<strong>de</strong>s Rates über die Ermittlung und Ausweisung kritischer<br />

europäischer Infrastrukturen und die Bewertung<br />

<strong>de</strong>r Notwendigkeit, ihren Schutz zu verbessern“.<br />

Die Arbeit auf europäischer Ebene dient <strong>de</strong>m Ziel,<br />

<strong>de</strong>n Schutz Kritischer Infrastrukturen und die damit<br />

verbun<strong>de</strong>ne Sicherheit <strong>de</strong>r Bürger und Bürgerinnen<br />

in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong>de</strong>r EU auch <strong>im</strong> Gesamtbereich<br />

<strong>de</strong>r Union nachhaltig zu gewährleisten.<br />

Daneben sind auch bilaterale Kooperationen und<br />

Vereinbarungen von großer Be<strong>de</strong>utung, da sich<br />

konkrete Projekte bei echtem gegenseitigem Interesse<br />

grenzüberschreitend sehr gut realisieren lassen.<br />

Das <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

hat mit verschie<strong>de</strong>nen Nachbarstaaten<br />

Kooperationsabkommen geschlossen, die auch die<br />

Zusammenarbeit be<strong>im</strong> Schutz Kritischer Infrastrukturen<br />

als Teil einer internationalen gesamtstaatlichen<br />

Notfallvorsorge umfassen. Gera<strong>de</strong> be<strong>im</strong> Schutz <strong>de</strong>r<br />

wichtigsten Kritischen Infrastrukturen wird die internationale<br />

D<strong>im</strong>ension effektiver Notfallvorsorgemaßnahmen<br />

für <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r betroffenen Bevölkerung<br />

beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich.<br />

Zum Autor: Dr. Wolfram Geier leitet die Abteilung II „Notfallvorsorge, Schutz Kritischer Infrastrukturen“ <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe, Bonn<br />

93


94<br />

Psychosoziales Krisen- und Katastrophenmanagement<br />

Dr. Jutta Helmerichs<br />

Flugzeug-Unglück bei Überlingen am Bo<strong>de</strong>nsee: Kränze<br />

neben <strong>de</strong>n Trümmern am 4. Juli 2002, zwei Tage nach <strong>de</strong>r<br />

Flugzeug-Katastrophe<br />

Krisenstabspsychologie<br />

Ein Beispiel dafür ist die Vorbereitung von Krisenstäben<br />

(Unternehmen, Öffentliche Verwaltung, Gefahrenabwehr)<br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage psychologischer<br />

Erkenntnisse. Um krisenspezifische Handlungskompetenz<br />

zu erwerben, d.h. Einzelne o<strong>de</strong>r Gruppen<br />

auf Lösungsstrategien für unklare, dynamische und<br />

gefährliche Situationen mit hoher Komplexität vorzubereiten,<br />

wer<strong>de</strong>n psychologische Erkenntnisse<br />

zum Reaktions- und Entscheidungsverhalten von<br />

Menschen eingezogen (Dörner 1989). Des weiteren<br />

wird Gruppenkompetenz vermittelt, wer<strong>de</strong>n Rollen-<br />

und Funktionsbewusstsein reflektiert, kommunikative<br />

Fähigkeiten in komplexen Anfor<strong>de</strong>rungssitua-<br />

Die Anfor<strong>de</strong>rungsprofile <strong>im</strong> Krisen- und Katastrophenmanagement<br />

haben sich <strong>im</strong> Zuge <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierungs-<br />

und Globalisierungsprozesse rasant verän<strong>de</strong>rt.<br />

Allein die Tatsache, dass die Auswirkungen<br />

von Krisen und Katastrophen in <strong>de</strong>n meisten Fällen<br />

überregionale Folgen haben, for<strong>de</strong>rt viele neue, interdisziplinär<br />

ausgerichtete Interventionen sowohl <strong>im</strong><br />

öffentlichen Bereich als auch bei privaten Konzernen<br />

und Unternehmen. Eine weitere Verän<strong>de</strong>rung <strong>im</strong><br />

Anfor<strong>de</strong>rungsprofil <strong>de</strong>r Prävention von Krisen und<br />

Katastrophen und <strong>de</strong>s Krisen- und Katastrophenmanagements<br />

ist die seit geraumer Zeit erfolgen<strong>de</strong> zunehmen<strong>de</strong><br />

Berücksichtigung von wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen aus Psychologie und Soziologie.<br />

tionen und interdisziplinäre Sicht- und Denkweise<br />

geschult. So ist bspw. bekannt, dass Gruppen <strong>im</strong><br />

Krisenfall bei i<strong>de</strong>ntischer Entscheidungsanfor<strong>de</strong>rung<br />

an<strong>de</strong>re Entscheidungen treffen als Einzelpersonen,<br />

dass die Fehlerrisiken, die vorbereitete Checklisten<br />

als Entscheidungshilfen in sich bergen, bei gleichzeitiger<br />

Berücksichtigung struktureller Aspekte (wie<br />

Teamstruktur, Informationstransfer etc.) verringert<br />

wer<strong>de</strong>n können o<strong>de</strong>r dass die Nutzung systemischen<br />

Denkens Abläufe und Entscheidungsprozesse in<br />

komplexen Situationen verbessert (Kulmhofer 2007;<br />

Strohschnei<strong>de</strong>r 2003; Wissmann 2002).


Bahn-Katastrophe in Esche<strong>de</strong> am 3. Juni 1998<br />

Psychosoziale Notfallversorgung<br />

Ein weiteres Beispiel für die zunehmen<strong>de</strong> Berücksichtigung<br />

psychologischer Erkenntnisse <strong>im</strong> Kontext<br />

von Krisen, schweren Unglücksfällen und Katastrophen<br />

ist die Entwicklung einer eigenen psychosozialen<br />

Versorgungsstruktur für Überleben<strong>de</strong>, Angehörige,<br />

Hinterbliebene, Vermissen<strong>de</strong>, Zeugen und<br />

weitere Betroffene. Die psychosoziale Notfallversorgung<br />

(PSNV) beginnt bereits in <strong>de</strong>r Notfallsituation<br />

und ergänzt somit die medizinische und technische<br />

Hilfeleistung. Auf die europäischen Län<strong>de</strong>r bezogen<br />

lässt sich seit Mitte <strong>de</strong>r 1990er Jahre <strong>de</strong>r Aufbau spezieller<br />

Fachdienste wie psychosoziale Kriseninterventionsteams<br />

<strong>im</strong> Rettungsdienst (KIT), Notfallseelsorge<br />

und Notfallpsychologie beobachten (Krüsmann &<br />

Müller-Cyran 2005; Lueger-Schuster et al. 2006; Seynaeve<br />

et al. 2001; WHO 2003). In Deutschland sind<br />

diese Fachdienste <strong>de</strong>r psychosozialen Notfallversorgung<br />

mittlerweile fast flächen<strong>de</strong>ckend verfügbar und<br />

haben sich in <strong>de</strong>r Praxis <strong>im</strong> Individualnotfall und<br />

bei Großscha<strong>de</strong>nslagen <strong>im</strong> Inland (wie ICE-Unglück<br />

Esche<strong>de</strong> 1998, Amoklauf Erfurt 2002, Flugzeugkollision<br />

Überlingen 2002, Flut 2002, Eissporthalleneinsturz<br />

Bad Reichenhall 2006, Transrapid-Unglück <strong>im</strong> Emsland<br />

2006) bewährt. Ihre Leistungsfähigkeit und Effektivität<br />

wur<strong>de</strong> und wird wissenschaftlich evaluiert<br />

(Beerlage et al. 2006a und 2006b; Butollo et al. 2006).<br />

Fachliche Grundlage für Aufbau und Tätigkeit dieser<br />

Dienste <strong>de</strong>r psychosozialen Notfallversorgung ist<br />

insbeson<strong>de</strong>re die Psychotraumatologie, die internationale<br />

und auch nationale wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

zu psychosozialen Belastungen und Traumafolgestörungen<br />

bereitstellt. Ein wesentlicher Befund ist,<br />

dass die psychosozialen Folgen <strong>de</strong>r Extremerfahrung<br />

Unglücksfall o<strong>de</strong>r Katastrophe sehr vielfältig sein<br />

können. Sie sind abhängig von ganz verschie<strong>de</strong>nen<br />

Faktoren wie Art <strong>de</strong>s Unglücks (z.B. Terroranschlag,<br />

Naturkatastrophe), Schweregrad (Anzahl <strong>de</strong>r Verletzten,<br />

Verletzungsgrad) und Dauer (Verkehrsunfall,<br />

95


96<br />

Erdbeben) sowie Risiko- und Schutzfaktoren <strong>de</strong>r<br />

betroffenen Personen und <strong>de</strong>r Reaktion <strong>de</strong>r Umwelt<br />

unmittelbar nach <strong>de</strong>m Ereignis. Entsprechend muss,<br />

ergänzend zu <strong>de</strong>r Unterstützung, die Betroffene <strong>im</strong><br />

Familien- und Freun<strong>de</strong>s- und Kollegenkreis erhalten,<br />

akut, mittel- und längerfristig ein gut aufeinan<strong>de</strong>r abgest<strong>im</strong>mtes<br />

Netz an qualifizierten Betreuungs- und<br />

Versorgungsangeboten verfügbar sein (Bengel 2004;<br />

Helmerichs 2002, 2005 und 2007; Hannich 2004;<br />

Beerlage et al. 2006a und 2006b; Krabs-Höhler &<br />

Müller-Lange 2006; Hobfoll et al. 2007; Müller-Lange<br />

2006).<br />

Parallel dazu widmet sich die psychotraumatologische<br />

Forschung, aber auch die Arbeits- und Organi-<br />

sationspsychologie seit einigen Jahren verstärkt <strong>de</strong>n<br />

berufsbedingten Belastungen und einsatzbezogenen<br />

psychischen Belastungen und Erkrankungen von Einsatzkräften<br />

sowie <strong>de</strong>n Möglichkeiten und Metho<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Stressverarbeitung. Das von verschie<strong>de</strong>nen Forschergruppen<br />

entwickelte Maßnahmenpaket <strong>de</strong>r psychosozialen<br />

Prävention <strong>im</strong> Einsatzwesen konzentriert<br />

sich auf Nachsorgeangebote, die mit einem gewissen<br />

zeitlichen Abstand zum belasten<strong>de</strong>n Einsatz bereitzustellen<br />

sind (Sekundäre Prävention), vor allem aber<br />

auf unterschiedliche vorbereiten<strong>de</strong> Maßnahmen <strong>im</strong><br />

Bereich <strong>de</strong>r Aus- und Fortbildung, <strong>de</strong>r betrieblichen<br />

Organisationsstruktur und <strong>de</strong>r Gesundheitsför<strong>de</strong>rung<br />

(Pr<strong>im</strong>äre Prävention) (Beerlage et al. 2008; Butollo et<br />

al. 2006).<br />

Panik und Panikprävention<br />

Als drittes Beispiel soll hier die Berücksichtigung<br />

sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse be<strong>im</strong> Thema<br />

Panik- und Panikprävention genannt wer<strong>de</strong>n. Diese<br />

spielten jüngst neben Erkenntnissen aus Computers<strong>im</strong>ulationen<br />

von menschlichem Fluchtverhalten und<br />

Evakuierungen, die <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Vorbereitung <strong>de</strong>r<br />

FIFA Fußballweltmeisterschaft 2006 in Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Diskussion um die Stadiensicherheit<br />

eine Rolle (Helbing et al. 2002).<br />

Die Sozialwissenschaften konzentrierten sich auf<br />

die Frage, in wieweit das Verhalten von panisch reagieren<strong>de</strong>n<br />

Menschenmengen prognostiziert wer<strong>de</strong>n<br />

kann und steuerbar ist.<br />

Massenpanik: Katastrophe <strong>im</strong> Brüsseler Heysel-Stadion<br />

am 29. Mai 1985


Festzustellen ist, dass eine hohe Panikerwartung bei<br />

Unglücksfällen und Bedrohungssituationen in <strong>de</strong>r<br />

öffentlichen Wahrnehmung besteht. Tatsächlich sind<br />

Panikreaktionen größerer Menschenmengen jedoch<br />

vergleichsweise selten, Beteiligte bei Scha<strong>de</strong>nsereignissen<br />

und Krisen reagieren zumeist rational und<br />

prosozial. Dieses Ergebnis zeigte sich auch bei <strong>de</strong>r<br />

Auswertung von 324 Evakuierungsberichten nach<br />

<strong>de</strong>m Terroranschlag auf das World Tra<strong>de</strong> Center <strong>im</strong><br />

September 2001 (Blake et al. 2004). Auch haben präventive<br />

Maßnahmen, die vor Bedrohungssituationen<br />

ergriffen wer<strong>de</strong>n, und zu <strong>de</strong>nen beispielsweise bauliche<br />

Maßnahmen, die Kennzeichnung von Notaus-<br />

Reaktionen und Bedarf <strong>de</strong>r Bevölkerung in Krisen – Beispiel Übung LÜKEX 2007<br />

Ein viertes Beispiel für die Berücksichtigung psychologischer<br />

und soziologischer Erkenntnisse <strong>im</strong> Krisen-<br />

und Katastrophenmanagement lässt sich <strong>im</strong> Rückblick<br />

auf die Übung LÜKEX 2007 und die hier bearbeitete<br />

Thematik „Pan<strong>de</strong>mie“ geben. So erfor<strong>de</strong>rte es die<br />

Übungsannahme von über 100.000 Toten innerhalb<br />

kürzester Zeit und damit einem Mehrfachen an anzunehmen<strong>de</strong>n<br />

trauern<strong>de</strong>n Familienangehörigen, einer<br />

verunsicherten Bevölkerung und zugleich hoch<br />

und mehrfach belasteter und <strong>im</strong> Dauereinsatz befindlicher<br />

Einsatzkräfte, <strong>de</strong>n Aufbau von Angebots-<br />

und Managementstrukturen für eine kontinuierliche<br />

Information <strong>de</strong>r Bevölkerung und Maßnahmen <strong>de</strong>r<br />

psychosozialen Notfallversorgung einzubeziehen.<br />

Auch die Vorbereitung und Durchführung zentraler<br />

kirchlicher und staatlicher Trauerfeierlichkeiten wäre<br />

zu berücksichtigen. Als beson<strong>de</strong>rs problematisch erwies<br />

sich, dass wissenschaftlich ausreichend fundierte<br />

gängen, die Vorbereitung von automatischen und<br />

adaptiven Fluchtleitsystemen, die Festlegung von<br />

Verantwortlichkeiten bei Rettungs- und Aufsichtspersonal,<br />

die psychische Vorbereitung <strong>de</strong>r Rettungskräfte,<br />

die Vorbereitung ein<strong>de</strong>utiger Handlungsanweisungen<br />

u.v.a.m. gehören, hohe Erfolgschancen.<br />

Dennoch wur<strong>de</strong>n Empfehlungen für die Intervention<br />

bei eingetretener massiver Panik erarbeitet. Dazu<br />

gehören beispielsweise: Aufmerksamkeit herstellen<br />

und bin<strong>de</strong>n, klare Information und ein<strong>de</strong>utige Handlungsanweisungen<br />

geben, soziale Motive för<strong>de</strong>rn,<br />

Hinweise wie<strong>de</strong>rholen, Mengen teilen (Lasogga &<br />

Gasch 2007).<br />

Planungs- und Handlungsgrundlagen für diese Maßnahmen<br />

nicht gegeben sind: Die Schutzkommission<br />

be<strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esminister <strong>de</strong>s Innern beschreibt in ihrem<br />

Evaluationsbericht zur LÜKEX 2007 Handlungsbedarf<br />

insbeson<strong>de</strong>re bezogen auf zwei Fragestellungen: 1.<br />

Es liegen keine ausreichen<strong>de</strong>n wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse zur Abschätzung <strong>de</strong>s Schutz-, Flucht-<br />

und Unterstützungsverhaltens <strong>de</strong>r Bevölkerung in<br />

vergleichbaren Krisensituationen sowie zum Verlauf<br />

und Muster <strong>de</strong>r Belastungsakkumulation in lang andauern<strong>de</strong>n<br />

Bedrohungslagen vor. 2. Zur Erfassung<br />

<strong>de</strong>r Rate psychosozial hoch belasteter Bürger und<br />

damit zur Bedarfsplanung für Angebote psychosozialer<br />

Notfallversorgung sind keine (einsatz-)praxistauglichen<br />

Screeningverfahren verfügbar. LÜKEX 2007<br />

offenbarte somit umschriebene Forschungslücken.<br />

Zur Autorin: Dr. Jutta Helmerichs leitet das Referat I.5 „Psychosoziale Notfallversorgung“ <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe, Bonn<br />

97


98<br />

Literatur<br />

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Butollo W, Kruesmann M, Karl R, Schmelzer M, Müller-Cyran A (2006) Untersuchung bestehen<strong>de</strong>r Maßnahmen zur sekundären<br />

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effektiven sekundären Prävention einsatzbedingter Belastungsreaktionen und -störungen. Forschungsprojekt <strong>im</strong> Auftrag <strong>de</strong>s<br />

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Dörner, D. (1989). Die Logik <strong>de</strong>s Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen. Rowohlt, Reinbek<br />

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Wiessmann, F. (2002): Notfallmanagement <strong>im</strong> Cockpit. Shaker, Aachen<br />

99


100<br />

Das Einsatzpotential <strong>de</strong>s Technischen Hilfswerks<br />

für Katastrophenhilfe und <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Katrin Klüber<br />

International agieren<strong>de</strong>r Terrorismus, zunehmen<strong>de</strong><br />

Naturkatastrophen, Risiken be<strong>im</strong> Betrieb technischer<br />

Anlagen und Systeme in Relation zur zunehmen<strong>de</strong>n<br />

Verletzlichkeit mo<strong>de</strong>rner Infrastrukturen und <strong>de</strong>r<br />

technologieabhängigen urbanisierten Gesellschaft erfor<strong>de</strong>rn<br />

eine ständige Weiterentwicklung sowohl <strong>de</strong>r<br />

Strukturen <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes als auch <strong>de</strong>s<br />

operativen <strong>Krisenmanagement</strong>s.<br />

So wie zwischen innerer und äußerer Sicherheit nicht<br />

mehr wirklich zu trennen ist, ist auch <strong>im</strong> Falle national<br />

be<strong>de</strong>utsamer Großscha<strong>de</strong>nlagen und <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

zwischen Zivil- und Katastrophenschutz<br />

keine scharfe Trennung mehr möglich. Das „A und<br />

O“ eines funktionieren<strong>de</strong>n Zivil-, Katastrophen- und<br />

Bevölkerungsschutzes ist eine gute Zusammenarbeit<br />

aller Akteure.<br />

Die Innenministerkonferenz von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn<br />

hat 2002 mit <strong>de</strong>r „Neuen Strategie zum Schutz <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung“ die gemeinsame Verantwortung aller<br />

Beteiligten betont. Im Sinne dieser gemeinsamen<br />

Verantwortung ergänzt <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong> die Katastrophenschutz-(KatS)-Potenziale<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r.<br />

Das THW ist in seinen Strukturen darauf ausgerichtet,<br />

sich mit seinen operativen Einsatzpotentialen in<br />

die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s auf allen<br />

Ebenen einzufügen. Die Aufgabe <strong>de</strong>r KatS-Verstärkung,<br />

die <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong> <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esanstalt Technisches<br />

„Bereit zum Einsatz“: Suchhund <strong>de</strong>r THW-Fachgruppe Ortung<br />

Hilfswerk (THW) zuweist, liegt darin, mit seinem<br />

vielfältigen Einsatzpotenzial die für die Gefahrenabwehr<br />

Zuständigen national und international zu<br />

unterstützen und seine Ressourcen und Fähigkeiten<br />

möglichst opt<strong>im</strong>al mit <strong>de</strong>n Potenzialen von Feuerwehren<br />

und an<strong>de</strong>ren Einsatzorganisationen zu verbin<strong>de</strong>n.<br />

Führungs- und Einsatzstrukturen <strong>de</strong>s THW<br />

sind darauf ausgerichtet, diesen Anspruch vor allem<br />

auch in Großscha<strong>de</strong>nslagen und bei Ereignissen<br />

überregionalen nationalen Ausmaßes zu erfüllen.<br />

Auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s Kennziffern-Kataloges <strong>de</strong>r<br />

„bun<strong>de</strong>seinheitlichen Gefährdungsbeschreibung“ <strong>de</strong>r<br />

Arbeitsgruppe „Risiken in Deutschland“ <strong>de</strong>s Arbeitskreises<br />

V (AK V) <strong>de</strong>r Innenministerkonferenz hat das<br />

THW seine Einsatzoptionen für <strong>de</strong>n Einsatz <strong>im</strong> In-<br />

und Ausland umfassend für alle Scha<strong>de</strong>nszenarien<br />

beschrieben.<br />

Für län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Gefahrenlagen kann das<br />

THW sein bun<strong>de</strong>sweit einheitliches System von Einheiten<br />

mit Spezialfähigkeiten, entsprechen<strong>de</strong>r Ausstattung<br />

und einheitlicher Ausbildung sowie entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Führungs- und Unterstützungsstrukturen<br />

einsetzen.<br />

Mit seinem modularen Einsatzsystem von<br />

bun<strong>de</strong>sweit einsetzbaren Einheiten ist das<br />

THW fähig, lageangepasste Schwerpunkte<br />

zu bil<strong>de</strong>n und beson<strong>de</strong>re technische Leis-<br />

tungen auch über längere Zeiträume zu<br />

erbringen.<br />

Beispiele für die überregionale Zusammenarbeit und<br />

die Flexibilität <strong>de</strong>s bun<strong>de</strong>sweit einsetzbaren Modulsystems<br />

<strong>de</strong>r Technischen Züge mit ihren Fachgruppen<br />

zeigen nationale Scha<strong>de</strong>nsereignisse wie z.B.<br />

Unwetter, Hochwasserlagen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r großflächige<br />

Ausfall von Infrastrukturen, beispielsweise. <strong>de</strong>r<br />

Stromversorgung.


Das THW <strong>im</strong> operativen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 <strong>de</strong>s THW-Helferrechtsgesetzes<br />

ist es die originäre Aufgabe <strong>de</strong>s THW, <strong>im</strong> Zivilschutz<br />

(d.h. <strong>im</strong> Verteidigungsfall) technische Hilfe<br />

zu leisten. Unter Nr. 3 ist die Amtshilfe auf Ersuchen<br />

<strong>de</strong>r für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen als<br />

ein weiterer Auftrag <strong>de</strong>s THW formuliert.<br />

Das THW kann in diesem Aufgabenbereich auf Anfor<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r für die Gefahrenabwehr zuständigen<br />

Stellen <strong>de</strong>r Kommunen und Län<strong>de</strong>r herangezogen<br />

wer<strong>de</strong>n. Anfor<strong>de</strong>rungen (Amtshilfeersuchen) können<br />

an je<strong>de</strong> Ebene <strong>de</strong>s THW (Ortsbeauftragter, Lan<strong>de</strong>sbeauftragter/<br />

Geschäftsführer, THW-Leitung) gerichtet<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Verbindung zwischen <strong>de</strong>n planerisch und vorsorgend<br />

tätigen Verwaltungsebenen und <strong>de</strong>r operativen<br />

Einsatztätigkeit vor Ort ist <strong>im</strong> THW durch die Einrichtung<br />

von Leitungs- und Koordinierungsstäben auf<br />

allen Ebenen geregelt, die lageangepasst die Kommunikation<br />

mit <strong>de</strong>n Verwaltungsebenen von <strong>Bund</strong>,<br />

Län<strong>de</strong>rn und Kommunen aufrechterhalten. Im Einsatz<br />

vermitteln THW-Fachberater in <strong>de</strong>n Stäben auf<br />

örtlicher Ebene, bei <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn sowie <strong>im</strong> <strong>Bund</strong> die<br />

notwendige Verzahnung <strong>de</strong>r Strukturen.<br />

Im Einsatzfall wer<strong>de</strong>n die THW-Einheiten grundsätzlich<br />

<strong>de</strong>r örtlichen Einsatzleitung unterstellt und erhalten<br />

von dieser ihre Einsatzaufträge. In <strong>de</strong>r Regel<br />

obliegt die Einsatzleitung <strong>de</strong>r Feuerwehr. Erfahrungsgemäß<br />

übertragen Gefahrenabwehrbehör<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Stellen <strong>de</strong>m THW oft fachlich o<strong>de</strong>r räumlich<br />

abgeschlossene Aufgaben, die es hinsichtlich Führung,<br />

Taktik, Technik und Logistik eigenständig löst.<br />

Dabei setzt das THW in kleineren wie in Großscha<strong>de</strong>nslagen<br />

sein Potenzial angepasst an die Führungsstruktur<br />

<strong>de</strong>s Bedarfsträgers ein.<br />

THW <strong>im</strong> Einsatz<br />

101


102<br />

THW <strong>im</strong> Einsatz: Arbeiten mit einem Greifzug<br />

Für <strong>de</strong>n Einsatz stehen in je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r 669 Ortsverbän<strong>de</strong><br />

min<strong>de</strong>stens ein Technischer Zug (TZ), bestehend aus<br />

Zugtrupp, zwei Bergungsgruppen und min<strong>de</strong>stens<br />

einer Fachgruppe, zur Verfügung. Die Bergungsgruppen<br />

sind mit ihrem Personal und <strong>de</strong>r Ausstattung in<br />

<strong>de</strong>r Lage, die Kernkompetenzen <strong>de</strong>s THW in einem<br />

breiten Aufgabenspektrum abzu<strong>de</strong>cken, d.h. zu retten,<br />

zu bergen, Sicherungs- und leichte Räumarbeiten<br />

vorzunehmen sowie technische Hilfe zu leisten.<br />

Bergen und Retten – Aufgaben <strong>de</strong>s THW<br />

Die bun<strong>de</strong>sweit einsatztaktisch dislozierten THW-<br />

Fachgruppen ergänzen und erweitern das Spektrum<br />

qualitativ und quantitativ in <strong>de</strong>n Bereichen: Ortung;<br />

Räumen; Wassergefahren; Wasserscha<strong>de</strong>n / Pumpen;<br />

Sprengen; Infrastruktur; Elektroversorgung; Beleuchtung;<br />

Trinkwasserversorgung; Ölscha<strong>de</strong>nbekämpfung;<br />

Brückenbau.<br />

Für umfassen<strong>de</strong> Dienstleistungen für die THW-Einheiten<br />

<strong>im</strong> Einsatz stehen Fachgruppen Führung /<br />

Kommunikation und Logistik zur Verfügung.<br />

Das Technische Hilfswerk ist ein wesentliches Element <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r „ Neuen Strategie zum<br />

Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung“. Mit <strong>de</strong>m THW steht eine Einsatzorganisation für die unmittelbare Katastrophenhilfe<br />

<strong>im</strong> In- und Ausland zur Verfügung. Mit seinen Kernkompetenzen in Bergung,<br />

Beleuchtung und bei Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r Infrastruktur ist das Technische Hilfswerk in <strong>de</strong>n<br />

vergangenen Jahren zu einem einzigartigen Kompetenzzentrum für Technische Hilfe in In- und<br />

Ausland gewor<strong>de</strong>n. Rund 80.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, unter ihnen zahlreiche<br />

Techniker, Ingenieure, Logistiker und Spezialisten aller Art, gehören <strong>de</strong>m bun<strong>de</strong>sweit organisierten<br />

THW heute an. Durch die enge Verzahnung <strong>de</strong>s THW in <strong>de</strong>r örtlichen Gefahrenabwehr<br />

und <strong>de</strong>r partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Hilfsorganisationen einerseits und an<strong>de</strong>rerseits<br />

<strong>de</strong>n län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n Möglichkeiten einer <strong>Bund</strong>esbehör<strong>de</strong> n<strong>im</strong>mt das THW eine<br />

Schlüsselposition <strong>im</strong> Gesamtsystem ein.<br />

Zur Autorin: Katrin Klüber leitet <strong>de</strong>s Referat „Grundsatz“ in <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esanstalt Technisches Hilfswerk, Bonn.


Die Hilfsorganisationen als Partner <strong>de</strong>s Staates.<br />

Ein Plädoyer für ihre Unverzichtbarkeit zum Wohl <strong>de</strong>r<br />

Bürger aus Sicht <strong>de</strong>s Malteser Hilfsdienstes<br />

Benedikt Lieflän<strong>de</strong>r<br />

Stellt man sich die Frage, welche Funktion die Hilfsorganisationen<br />

heute in unserer Gesellschaft haben<br />

o<strong>de</strong>r haben können, wird man zwangsläufig staatsphilosophische,<br />

staatsrechtliche und soziologische<br />

Grundlagen in <strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r Untersuchung und<br />

Darlegung stellen. Zu<strong>de</strong>m muss man sich darüber<br />

<strong>im</strong> Klaren sein, dass die Hilfsorganisationen auf <strong>de</strong>m<br />

Gebiet <strong>de</strong>s Bevölkerungsschutzes bzw. <strong>de</strong>r Notfallvorsorge<br />

mit Menschen für Menschen arbeiten. Das<br />

hört sich einfach und eventuell sogar trivial an, und<br />

<strong>de</strong>nnoch hat dies erhebliche Be<strong>de</strong>utung für die Funktion<br />

<strong>de</strong>r Hilfsorganisationen und die Frage, wie <strong>de</strong>r<br />

Staat seine originäre Aufgabe, <strong>de</strong>n Bürger zu schützen,<br />

wahrn<strong>im</strong>mt, wie er Menschen für diese Aufgabe<br />

fin<strong>de</strong>t und anleitet.<br />

Im Hinblick darauf, dass bürgerschaftliches Engagement<br />

und Hilfsorganisationen eng miteinan<strong>de</strong>r<br />

verbun<strong>de</strong>n sind, muss an dieser Stelle auch die Frage<br />

beantwortet wer<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r so genannte „Dritte<br />

Sektor“ mit seinen Hilfsorganisationen – neben <strong>de</strong>r<br />

Aufgabenwahrnehmung durch <strong>de</strong>n Staat selbst und<br />

durch die Wirtschaft – als so genannter Non-Profit-<br />

Bereich politisch noch gewollt ist. Dabei stellt sich<br />

vor allem auch die Frage, ob das Subsidiaritätsprinzip<br />

heute noch eine Grundlage politischen Han<strong>de</strong>lns ist.<br />

Für das Selbstverständnis <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen ist<br />

das Prinzip, welches das Verhältnis <strong>de</strong>s Staates zu<br />

seinen Bürgern beschreibt, je<strong>de</strong>nfalls eine (die) entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Grundlage.<br />

Gesellschaftspolitisch ist Subsidiarität ein<br />

Prinzip, nach <strong>de</strong>m übergeordnete gesell-<br />

schaftliche Einheiten nur solche Aufgaben<br />

übernehmen sollen, zu <strong>de</strong>ren Wahrneh-<br />

mung untergeordnete Einheiten nicht in<br />

<strong>de</strong>r Lage sind. Damit ist auch <strong>de</strong>r Anspruch<br />

an <strong>de</strong>n Bürger verbun<strong>de</strong>n, dass er sich<br />

selbst engagieren und verpflichten soll.<br />

103


104<br />

Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen<br />

bewähren sich täglich <strong>im</strong> Dienst für Bürgerinnen und<br />

Bürger<br />

Aber auch be<strong>im</strong> Subsidiaritätsprinzip stellt <strong>de</strong>r Staat<br />

die Rahmenbedingungen – aber eben nur diese – und<br />

übergibt die Ausführung an <strong>de</strong>n Bürger. Nur dort, wo<br />

<strong>de</strong>r Bürger die Zielerreichung nicht leisten kann, tritt<br />

<strong>de</strong>r Staat dann wie<strong>de</strong>rum subsidiär ein.<br />

Der Gedanke <strong>de</strong>r Subsidiarität ist durchaus <strong>im</strong> Grundgesetz<br />

verankert – z.B. in Art 28 GG. Er war je<strong>de</strong>nfalls<br />

von <strong>de</strong>n Verfassungsvätern mittelbar als Leitgedanke<br />

für die gesellschaftspolitische Entwicklung und Normensetzung<br />

vorgesehen. Mit Blick auf unser Thema<br />

be<strong>de</strong>utet das, dass die Hilfsorganisationen <strong>de</strong>m<br />

Subsidiaritätsprinzip Gestalt geben, in<strong>de</strong>m sie bürgerschaftliches<br />

Engagement for<strong>de</strong>rn und motivieren<br />

und seine effiziente Umsetzung organisieren. Damit<br />

haben die Hilfsorganisationen eine wesentliche Katalysatorfunktion:<br />

Sie bün<strong>de</strong>ln und fokussieren Einzelengagements<br />

wirksam auf ein Ziel hin.<br />

Elbehochwasser 2006: die DLRG <strong>im</strong> Einsatz<br />

Zur Geschichte <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen<br />

Der Wert <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen für die <strong>Bund</strong>esrepublik<br />

Deutschland soll nachfolgend an zwei Gedanken<br />

zur Historie ver<strong>de</strong>utlicht wer<strong>de</strong>n. Die Hilfsorganisationen<br />

wur<strong>de</strong>n aus unterschiedlichen Motiven<br />

heraus gegrün<strong>de</strong>t: Der Arbeiter Samariter <strong>Bund</strong> wur<strong>de</strong><br />

aus <strong>de</strong>m Solidaritätsgedanken heraus gegrün<strong>de</strong>t,<br />

das Deutsche Rote Kreuz aus <strong>de</strong>m humanitären Gedanken,<br />

die Johanniter Unfall Hilfe und <strong>de</strong>r Malteser<br />

Hilfsdienst aus christlicher Verantwortung. Dies waren<br />

durchaus unterschiedliche Strömungen, die aber<br />

auch und gera<strong>de</strong> heute – noch – <strong>de</strong>n unschätzbaren<br />

Vorteil bieten, in ihrer Summe in einer pluralistischen<br />

Gesellschaft viele Menschen ansprechen zu können.<br />

Denn Hilfe mit Menschen für Menschen ist keine rein<br />

technisch-organisatorische Maßnahme, son<strong>de</strong>rn be<strong>de</strong>utet<br />

persönliches Engagement auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />

einer individuellen Motivation.<br />

Die drei großen Hilfsorganisationen in Deutschland<br />

haben nach <strong>de</strong>r Genfer Konvention jeweils einen<br />

beson<strong>de</strong>ren Status: Das Deutsche Rote Kreuz ist als<br />

nationale Hilfsgesellschaft, die Johanniter Unfall-<br />

Hilfe und <strong>de</strong>r Malteser Hilfsdienst sind als freiwillige<br />

Hilfsgesellschaften in beson<strong>de</strong>rer Weise seitens <strong>de</strong>s<br />

Staates eingebun<strong>de</strong>n und anerkannt. Neben <strong>de</strong>n drei<br />

genannten Organisationen ist <strong>de</strong>r Arbeiter-Samariter-<br />

<strong>Bund</strong> als weitere Hilfsorganisation in <strong>de</strong>n Zivil- und<br />

Katastrophenschutz <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r sowie<br />

die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft in<br />

<strong>de</strong>n Katastrophenschutz <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r eingebun<strong>de</strong>n.<br />

Dies hat Folgerungen: Durch <strong>de</strong>n eigenen Auftrag<br />

und die staatliche Anerkennung sind die Hilfsorganisationen<br />

Garanten für die unparteiische humanitäre<br />

Hilfeleistungen in Krisensituationen (In- und Ausland).


Über die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen für <strong>de</strong>n Bevölkerungsschutz in Deutschland:<br />

„Im Bevölkerungsschutz arbeiten private Hilfsorganisationen und öffentlich-rechtliche Einrichtungen<br />

eng zusammen. Erst die enge Zusammenarbeit aller Kräfte (von <strong>Bund</strong>, Län<strong>de</strong>rn, Kommunen<br />

und privaten Hilfsorganisationen) garantiert einen opt<strong>im</strong>alen Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung. Dabei<br />

ist die freiwillige Mitarbeit in <strong>de</strong>n Hilfsorganisationen ein wesentlicher Bestandteil <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Sicherheitsarchitektur. Die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen (Feuerwehr und THW) sowie die<br />

privaten Hilfsorganisationen (ASB, DLRG, DRK, JUH, MHD) bedürfen dieses ehrenamtlichen<br />

Engagements, um ihren Auftrag in <strong>de</strong>r Gesellschaft erfüllen zu können. Ohne aktives bürgerschaftliches<br />

Engagement wäre <strong>de</strong>r Zivil- und Katastrophenschutz in Deutschland un<strong>de</strong>nkbar.<br />

Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind die Basis einer Sicherheitsarchitektur, die sich<br />

täglich bewährt.“<br />

Website <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

Wert <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen in <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr<br />

Meines Erachtens ist <strong>de</strong>utlich zu erkennen, dass die<br />

aktuellen Risiken und Bedrohungen sowie nicht zuletzt<br />

die Großveranstaltungen <strong>de</strong>r letzten Jahre unzweifelhaft<br />

zeigen, dass das Ehrenamt in <strong>de</strong>r Notfallvorsorge<br />

unverzichtbar ist. Wer meint, <strong>de</strong>rartige<br />

Größenordnungen mit hauptberuflichen Kräften –<br />

mit so genannter „stehen<strong>de</strong>r Truppe“ – bewältigen<br />

zu können, irrt grundlegend. Auch wenn wir in<br />

Deutschland für die tägliche nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr<br />

eine ausgezeichnete Ab<strong>de</strong>ckung gera<strong>de</strong><br />

durch die Feuerwehren und <strong>de</strong>n Rettungsdienst haben,<br />

ist es aus finanziellen und Kapazitätsgrün<strong>de</strong>n<br />

unrealistisch zu meinen, in Katastrophenfällen käme<br />

man ohne ehrenamtliche Kräfte aus. Denn die Hilfsorganisationen<br />

entfalten wertvolle gesellschaftliche<br />

Wirkungen für <strong>de</strong>n Bereich Notfallsorge:<br />

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Gesellschaft verwurzelt sind.<br />

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te / Institutionen in unserer Gesellschaft.<br />

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sönliche Betroffenheit durch bestehen<strong>de</strong> Risiken<br />

zu vermitteln.<br />

� ��� ������ ��� ������������������������� ��� ���<br />

völkerung gera<strong>de</strong> in unangenehmen Fragen<br />

entgegen – hier in <strong>de</strong>r Notfallvorsorge – nach<br />

<strong>de</strong>m Motto: „Dafür haben wir ja die Feuerwehr,<br />

<strong>de</strong>n Rettungsdienst, die Polizei, die <strong>Bund</strong>eswehr<br />

und auch z.B. <strong>de</strong>n Pflegedienst.“<br />

Aus diesen Grün<strong>de</strong>n ist es sinnvoll, die Hilfsorganisationen<br />

als verlässliche Partner <strong>de</strong>s Staates <strong>im</strong> System<br />

<strong>de</strong>r Notfallvorsorge zu verankern, damit ein breit angelegtes<br />

Potenzial als Grundlage für Aufwuchs und<br />

zur Durchhaltefähigkeit verfügbar bleibt.<br />

105


106<br />

Gefahren für die Partnerschaft zwischen Staat und Hilfsorganisationen<br />

Diese Partnerschaft wird zunehmend durch eine Reihe<br />

von Faktoren und Entwicklungen gefähr<strong>de</strong>t, die<br />

nachfolgend betrachtet wer<strong>de</strong>n sollen:<br />

1. Verstaatlichungsten<strong>de</strong>nzen: Die Partnerschaft ist<br />

gefähr<strong>de</strong>t durch eine Verstaatlichung, durch die zunehmen<strong>de</strong><br />

unmittelbare Eigenwahrnehmung von<br />

Aufgaben durch <strong>de</strong>n Staat, auch dort, wo <strong>im</strong> Sinne<br />

<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips eine vertrauensvolle Delegation<br />

o<strong>de</strong>r Selbstorganisation durch nichtstaatliche<br />

Einrichtungen möglich wäre. Wir sehen diese Ten<strong>de</strong>nz<br />

beispielsweise dort, wo rettungsdienstliche<br />

Aufgaben durch kommunale Aufgabenträger über<br />

die alltägliche Gefahrenabwehr hinaus durch eigene<br />

hauptberufliche Kräfte abgesichert wer<strong>de</strong>n. Wir<br />

sehen es weiterhin dort, wo seit Jahren eine Verlagerung<br />

<strong>de</strong>r Entwicklungen in <strong>de</strong>r Notfallvorsorge und<br />

<strong>de</strong>r Finanzierung auf staatliche Organisationen – z.B.<br />

Technisches Hilfswerk – stattfin<strong>de</strong>t.<br />

2. Professionalisierung: Sie ist gefähr<strong>de</strong>t durch eine<br />

Professionalisierung <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>r Verlagerung von<br />

Aufgaben in hauptberufliche Tätigkeiten. Wir sehen<br />

das dort, wo ehrenamtlich tätigen Einsatzkräften zunehmend<br />

attraktive Betätigungsfel<strong>de</strong>r, beispielsweise<br />

bei <strong>de</strong>r Mitwirkung <strong>im</strong> Rettungsdienst und Krankentransport,<br />

entzogen wer<strong>de</strong>n, die nur noch durch „Berufskräfte“<br />

wahrgenommen wer<strong>de</strong>n, obwohl es für<br />

<strong>de</strong>n Einsatz <strong>im</strong> Katastrophenschutz zwingend erfor<strong>de</strong>rlich<br />

ist, dass die Helfer auf diesen Gebieten Erfahrung<br />

gewinnen und Übung bekommen.<br />

3. Rahmenbedingungen: Sie ist gefähr<strong>de</strong>t durch nicht<br />

zureichen<strong>de</strong> staatliche Rahmenbedingungen. Wir sehen<br />

dies dort, wo privates freiwilliges Engagement in<br />

<strong>de</strong>r Gefahrenabwehr zunehmend durch unzumutbare<br />

Bedingungen eingeschränkt bzw. behin<strong>de</strong>rt wird.<br />

Als Beispiel soll exemplarisch das Ärgernis genannt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass zwischen Helfern in <strong>de</strong>n Hilfsorganisationen<br />

und <strong>de</strong>n Helfern in staatlichen Organisationen<br />

eine eklatante steuerliche Ungleichbehandlung<br />

bei <strong>de</strong>r Zahlungen von Aufwandsentschädigungen<br />

herrscht – was politisch und tatsächlich scheinbar<br />

unüberwindbar ist – , <strong>de</strong>s Weiteren, dass zunehmend<br />

eine Kostenverlagerung (Betrieb / Unterhalt / Ausbildung<br />

<strong>de</strong>r Katastrophenschutzeinheiten) auf die Organisationen<br />

stattfin<strong>de</strong>t.<br />

Neuer Gerätewagen Sanitätsdienst <strong>de</strong>r Malteser Ortsglie<strong>de</strong>rung<br />

Rosenhe<strong>im</strong>


4. „Salami-Taktik“ und „Rosinen-Pickerei“: Sie ist <strong>de</strong>utlich<br />

gefähr<strong>de</strong>t durch eine staatliche „Salami-Taktik“<br />

und „Rosinen-Pickerei“. Was be<strong>de</strong>utet das? Der Staat<br />

n<strong>im</strong>mt nur <strong>de</strong>n Einzeldienst <strong>de</strong>r Hilfsorganisation <strong>im</strong><br />

Sinne einer merkantilen Einzelleistung in <strong>de</strong>n Blick<br />

und stellt diese in <strong>de</strong>r Folge in <strong>de</strong>n Wettbewerb. Es<br />

fehlt ihm zunehmend das Bewusstsein für das Gesamtportfolio<br />

<strong>de</strong>r Dienste, die Bewertung und Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>r Gesamtleistung <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen<br />

für die Gesellschaft unter Einschluss aller<br />

Dienste mit <strong>de</strong>n damit verbun<strong>de</strong>nen Synergien, aber<br />

auch Abhängigkeiten. Damit wird <strong>de</strong>n Hilfsorganisationen<br />

die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Basis entzogen, die darauf<br />

ausgerichtet ist, i<strong>de</strong>elle gemeinschafts notwendige<br />

Dienste <strong>im</strong> Kontext aller Dienste erst durchführen zu<br />

können.<br />

5. Europäische Union und Ausschreibung: Dieser<br />

Gedanke steht in unmittelbarem Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>m Instrument <strong>de</strong>r Ausschreibung, das über<br />

die Politik <strong>de</strong>r Europäischen Union, über <strong>de</strong>ren<br />

Rechtsetzung und Rechtsprechung auf Deutschland<br />

übergreift. Die Europäische Union kennt Hilfsorganisationen,<br />

wie sie in Deutschland zum Wohle <strong>de</strong>r<br />

Gemeinschaft seit vielen Jahren etabliert sind, nicht.<br />

Die Europäische Union weiß mit <strong>de</strong>m so genannten<br />

„Dritten Sektor“ nichts Richtiges anzufangen und<br />

muss <strong>de</strong>shalb verständlicherweise das Wirken <strong>de</strong>r<br />

Hilfsorganisationen – da offensichtlich nicht staatliches<br />

Han<strong>de</strong>ln – in <strong>de</strong>n Sektor <strong>de</strong>s marktwirtschaft-<br />

lichen Han<strong>de</strong>lns einordnen, mit allen verheeren<strong>de</strong>n<br />

Folgen für <strong>de</strong>n Non-Profit-Bereich. Und: Offensichtlich<br />

ist die Politik nicht in <strong>de</strong>r Lage, auf europäischer<br />

Ebene Aufklärung gera<strong>de</strong> auch aus <strong>de</strong>m Eigeninteresse<br />

<strong>de</strong>r hiesigen Gesellschaft heraus zu betreiben<br />

und Einfluss zu nehmen.<br />

So wird seit Jahren die Übertragung von Aufgaben<br />

auf Hilfsorganisationen <strong>im</strong> Sinne wirtschaftlich abgegrenzter<br />

„Leistungserbringungen“ <strong>de</strong>utlich reduziert,<br />

ohne <strong>de</strong>n Bezug zu <strong>de</strong>n systemischen Zusammenhängen<br />

<strong>de</strong>r staatlichen Gefahrenabwehr insgesamt<br />

und die synergetischen Verknüpfungen <strong>de</strong>r Dienste<br />

<strong>de</strong>r Hilfsorganisationen zu berücksichtigen. Die Folge<br />

ist auch, dass sich dadurch ein „Nebeneinan<strong>de</strong>r“<br />

von staatlichem Gesundheitswesen und Gefahrenabwehr<br />

bei Großscha<strong>de</strong>nereignissen und Katastrophen<br />

je<strong>de</strong>nfalls dort einstellt, wo diese bei<strong>de</strong>n Aufgabenfel<strong>de</strong>r<br />

nicht in einem Ressort wahrgenommen wer<strong>de</strong>n<br />

– zum Beispiel bei Rettungsdienst / Katastrophenschutz.<br />

Politik und Recht treiben die Hilfsorganisationen<br />

dadurch in einen – je<strong>de</strong>nfalls teilweise – ruinösen<br />

Wettbewerb, obwohl sie <strong>de</strong>r Gesellschaft dienen<strong>de</strong><br />

Non-Profit-Organisationen sind. Wenn <strong>de</strong>r Staat diesen<br />

Weg tatsächlich beschreiten will, dann muss er<br />

sich über die Folgen für unsere Gesellschaft <strong>im</strong> Klaren<br />

sein.<br />

107


108<br />

Der Staat verliert zunehmend <strong>de</strong>n beson-<br />

<strong>de</strong>ren Mehrwert, <strong>de</strong>n die Hilfsorganisatio-<br />

nen erzeugen, in<strong>de</strong>m er ihre Dienste nur<br />

selektiv – scheibchenweise – und gegenein-<br />

an<strong>de</strong>r ausspielend abfor<strong>de</strong>rt.<br />

6. Netzwerk <strong>de</strong>r Dienste: Die Dienste <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen<br />

sind ein synergetisch verknüpftes Netzwerk.<br />

Ausbildung, Rettungsdienst, Katastrophenschutz und<br />

Katastrophenhilfe, Sanitätseinsätze und auch soziale<br />

Dienste bedingen sich. Die traditionellen Aufgaben<br />

<strong>de</strong>r Hilfsorganisation sind heute tatsächlich weit in<br />

das Feld eines Wohlfahrtsverban<strong>de</strong>s vorgedrungen.<br />

Die Dienste sind über die Helfer und umgekehrt die<br />

Zum Verständnis von Staat und Hilfsorganisationen<br />

Abschließend zu diesem Gedanken stellt sich die<br />

nahe liegen<strong>de</strong> Frage: Sollen die Hilfsorganisationen<br />

rein unternehmerische, ausschließlich am Markt sich<br />

orientieren<strong>de</strong> und agieren<strong>de</strong> Sozialkonzerne wer<strong>de</strong>n?<br />

Meine ein<strong>de</strong>utige Antwort lautet:<br />

Unsere Gesellschaft wird arm sein, wenn<br />

das bürgerschaftliche Engagement für <strong>de</strong>n<br />

Nächsten – in meinem Sinne: die Nächsten-<br />

liebe – nicht mehr Platz greift.<br />

Gera<strong>de</strong> angesichts <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r nächsten<br />

Jahrzehnte ist die uneigennützige Sorge um <strong>de</strong>n<br />

Nächsten unabdingbare Voraussetzung für die Stabilität<br />

unserer Gesellschaft, da die Sicherstellung <strong>de</strong>r<br />

notwendigen Hilfe durch hauptberufliche Kräfte –<br />

aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Quantität und Finanzierbarkeit –<br />

nicht möglich sein wird.<br />

Helfer über die Dienste tatsächlich sowie über die<br />

Finanzen eng miteinan<strong>de</strong>r verknüpft.<br />

Deutlichstes Beispiel dafür ist die Notfallkompetenz.<br />

Sie ist nicht einfach da, sie wird von <strong>de</strong>r Hilfsorganisation<br />

durch die Mitwirkung <strong>im</strong> Rettungsdienst erworben,<br />

sie wird durch die Hilfsorganisation in die<br />

Erste-Hilfe-Ausbildung und die Aus- und Weiterbildung<br />

<strong>de</strong>r Helferinnen und Helfer eingebracht. Sie<br />

wird unmittelbar durch die Helferinnen und Helfer<br />

<strong>de</strong>s Katastrophenschutzes in ihrem Einsatz <strong>im</strong> Rettungsdienst<br />

erworben und vertieft. Sie ist ein Motivationselement<br />

zur Gewinnung Ehrenamtlicher. Wenn<br />

<strong>de</strong>n Hilfsorganisationen durch kurzsichtige Finanzstrategien<br />

<strong>de</strong>r staatlich Verantwortlichen die Einbindung<br />

in <strong>de</strong>n Rettungsdienst genommen wird, fällt das<br />

Gebäu<strong>de</strong> zusammen.<br />

Mit Blick auf die Herausfor<strong>de</strong>rungen allein in <strong>de</strong>n<br />

nächsten zehn bis zwanzig Jahren ist <strong>de</strong>r Staat gut<br />

beraten, wenn er <strong>de</strong>n ehrenamtlichen Helfer in <strong>de</strong>n<br />

und über die Hilfsorganisationen för<strong>de</strong>rt und pflegt.<br />

Der Staat kann hier mit relativ geringen Mitteln einen<br />

„Mehrwert bürgerschaftlichen Engagements“ generieren,<br />

<strong>de</strong>n er dringend benötigt. Dazu müssen aber<br />

administrative Hür<strong>de</strong>n abgebaut und Vorteile für die<br />

Ehrenamtlichen geschaffen wer<strong>de</strong>n.<br />

Erdbeben in China Mai 2008: Entla<strong>de</strong>n von Fahrzeugen für<br />

ein Hospital


Die Hilfsorganisationen sind auch künftig bereit,<br />

sich nachhaltig als Partner <strong>de</strong>s Staates zu verstehen.<br />

Jedoch darf das Einbringen von Eigenmitteln <strong>de</strong>r<br />

Hilfsorganisationen nicht überstrapaziert wer<strong>de</strong>n.<br />

Seit Jahren investieren die Hilfsorganisationen erhebliche<br />

Mittel in die originär staatliche Aufgabe <strong>de</strong>r<br />

Notfallvorsorge. Die Vertretbarkeit <strong>de</strong>r Substituierung<br />

staatlicher Mittelausfälle wird aber <strong>im</strong>mer <strong>de</strong>utlicher<br />

in Frage gestellt: Wofür spen<strong>de</strong>n die Bürger? Wollen<br />

sie ihre Spen<strong>de</strong> für eine Aufgabe verwen<strong>de</strong>t sehen,<br />

für die sie mit ihren Steuern bereits bezahlen? O<strong>de</strong>r<br />

wollen sie Aufgaben am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r gesellschaftlichen<br />

Präsenz geför<strong>de</strong>rt sehen (Hospizarbeit, Sorge für alte,<br />

kranke, allein stehen<strong>de</strong> Menschen)?<br />

Die Partnerschaft <strong>de</strong>r Hilfsorganisationen ist letztendlich<br />

auch dadurch gefähr<strong>de</strong>t, dass <strong>de</strong>r Staat auf<br />

<strong>de</strong>m besten Wege ist, die Präsenz staatlicher Vorsorge<br />

<strong>im</strong> Katastrophenschutz in <strong>de</strong>r Fläche zu reduzieren.<br />

Wenn <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong> in Zukunft nur noch zwei Drittel seines<br />

bisherigen Potenzials für <strong>de</strong>n Katastrophenschutz<br />

stellt, wer<strong>de</strong>n dann die Län<strong>de</strong>r ihrer politische Zusage<br />

effizient nachkommen, das fehlen<strong>de</strong> Drittel aus<br />

eigenen Ressourcen zu stellen?<br />

Es ist politisch nicht vertretbar, dass <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong> und<br />

die Län<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r vorgenannten D<strong>im</strong>ension das Ehrenamt<br />

flächen<strong>de</strong>ckend und dauerhaft gefähr<strong>de</strong>n! Insofern<br />

geht es bei <strong>de</strong>r geführten Diskussion pr<strong>im</strong>är<br />

um die politische Frage <strong>de</strong>s Zieles, um die substantielle<br />

Wirkung und die realen Folgen einer Neukonzeption<br />

– und nicht um ein „Nachverhan<strong>de</strong>ln“ <strong>de</strong>r<br />

von <strong>de</strong>r Ministerialbürokratie erstellten Konzepte.<br />

Als Fazit ergibt sich daraus:<br />

1. Die Hilfsorganisationen wer<strong>de</strong>n die Bemühun-<br />

gen von <strong>Bund</strong>, Län<strong>de</strong>rn und Kommunen um<br />

eine neue Strategie zum Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

in Deutschland unter beson<strong>de</strong>rer Beachtung <strong>de</strong>r<br />

angesprochenen Aspekte weiter begleiten.<br />

2. Politik und Staat sind auf allen Ebenen gut bera-<br />

ten, wenn sie die Kraft, die in <strong>de</strong>r „Bürgerinitia-<br />

tive Hilfsorganisation“ steckt, annehmen, unter -<br />

stützen und nutzen.<br />

3. Die Anfor<strong>de</strong>rungen, die sich in nächster Zeit aus<br />

<strong>de</strong>n Sicherheitsrisiken und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mografischen<br />

Entwicklung an Staat, Politik und Gesellschaft er-<br />

geben, stehen <strong>im</strong> Wi<strong>de</strong>rspruch zu <strong>de</strong>n tatsächli-<br />

chen und finanziellen Möglichkeiten.<br />

4. Die Politik ist angesichts dieser Lage gut beraten,<br />

<strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>r Subsidiarität wie<strong>de</strong>r gezielt zu<br />

för<strong>de</strong>rn. Der in Deutschland historisch gewach-<br />

sene Dritte Sektor mit seinen Hilfsorganisationen<br />

bietet gera<strong>de</strong> in dieser Situation eine zielführen-<br />

<strong>de</strong> Lösung.<br />

5. Deshalb ist ein offensiver Politikwechsel nötig:<br />

hin zum verantwortlichen Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s Bürgers<br />

für sich und seinen Nächsten, gestaltet durch<br />

und mit <strong>de</strong>n Hilfsorganisationen als Partner<br />

<strong>de</strong>s Staates.<br />

Zum Autor: Benedikt Lieflän<strong>de</strong>r, Assessor jur., ist Bereichsleiter Notfallvorsorge <strong>im</strong> Generalsekretariat <strong>de</strong>s Malteser Hilfsdienstes,<br />

Köln.<br />

109


110<br />

IT - basierte Entscheidungsunterstützung <strong>im</strong><br />

Bevölkerungsschutz<br />

Hans-Gerrit Möws<br />

Eine <strong>de</strong>r wichtigsten Regeln be<strong>im</strong> Treffen von Entscheidungen<br />

ist, dass diese umso leichter fallen, je<br />

kleiner die Unsicherheit ist. Informationstechnologien<br />

dienen in ihrer heutigen Form <strong>de</strong>r Beschleunigung<br />

formal administrativer Vorgänge sowie <strong>de</strong>r Bereitstellung<br />

einer hohen Datendichte und bieten die Möglichkeit<br />

zur logischen Verknüpfung. Fachanwendungen<br />

sind in <strong>de</strong>r Regel hochspeziell für die jeweiligen<br />

Aufgaben entwickelt und nur auf <strong>de</strong>n ersten Blick<br />

universal. Diese Entwicklungen haben in <strong>de</strong>r ersten<br />

Phase einer IT-gestützten Entscheidungsunterstützung<br />

eine grundsätzliche Berechtigung, in <strong>de</strong>r Folge<br />

aber muss die Verwendbarkeit dieser Systeme einer<br />

anwen<strong>de</strong>rspezifischen Vereinheitlichung folgen.<br />

Die Informationstechnologie muss die<br />

Entscheidung von Menschen unterstützen,<br />

transportieren, transparenter und nach-<br />

vollziehbar machen.<br />

Reduzieren wir die Be<strong>de</strong>utung unserer Gesellschaft<br />

auf die drei Hauptaspekte Bevölkerung (körperliche,<br />

seelische Unversehrtheit), materielle (Güter,<br />

Infrastruktur) sowie <strong>im</strong>materielle Werte (öffentliche<br />

Ordnung, Wertesystem) und besteht die Möglichkeit,<br />

dass einer o<strong>de</strong>r mehrere dieser Aspekte Scha<strong>de</strong>n nehmen,<br />

be<strong>de</strong>utet dies für <strong>de</strong>n Bevölkerungsschutz, dass<br />

Handlungsbedarf entsteht, um diesen Gefahren o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n jeweiligen Folgen zu begegnen. Dieser Bedarf<br />

begrün<strong>de</strong>t die Notwendigkeit von Entscheidungen.<br />

Das für die Entscheidungen notwendige Wissen wird<br />

durch die Aufwertung von Relevanz, Vernetzung und<br />

fortschreiten<strong>de</strong> Subjektivierung <strong>im</strong> Entscheidungsprozess<br />

generiert.<br />

„Nur die Fragen, die prinzipiell unentscheidbar sind,<br />

Bereitstellung<br />

Daten<br />

können wir entschei<strong>de</strong>n.“<br />

Heinz von Foerster, Kybernetiker<br />

Information<br />

Wissen<br />

Entscheidungsprozess<br />

- interpretierte Daten<br />

Handlung<br />

- Wissensvermittlung<br />

Entscheidung<br />

Entscheidungsbefähigung<br />

- Information in Verbindung mit Expertise<br />

Aufwertung <strong>de</strong>r Relevanz <strong>im</strong> Entscheidungsprozess<br />

In diesem kausalen Zusammenhang sind Daten isolierte,<br />

uninterpretierte Fakten und Kennwerte <strong>de</strong>r<br />

Realitätsbeschreibung. Sie wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Gefahrenerfassung aufgenommen und verifiziert und<br />

sind prinzipiell für je<strong>de</strong>rmann abrufbar. Darauf aufbauend<br />

sind Informationen verknüpfte und mit Be<strong>de</strong>utung<br />

versehene, also „interpretierte“ Daten. Die<br />

Interpretation ist <strong>de</strong>r Prozess <strong>de</strong>r Informationsgewinnung.<br />

Wissen wird durch die individuell verarbeiteten<br />

Informationen mit Bezug zur eigenen Erfahrungswelt<br />

gebil<strong>de</strong>t.<br />

In <strong>de</strong>n Phasen <strong>de</strong>s Entscheidungsprozesses sind die<br />

Fähigkeiten zur Wissenserlangung, zur Vernetzung<br />

von Wissen mit einer Fragestellung (Wissensbewertung)<br />

und zur Abschätzung einer Ereignisfolge anhand<br />

von bewertetem Wissen und Festlegung <strong>de</strong>r<br />

eigenen Handlung (Entscheidungsfähigkeit) die best<strong>im</strong>men<strong>de</strong>n<br />

Faktoren. Die Informationstechnologie<br />

kann diese Phasen durch die Bereitstellung von je<br />

nach Entscheidungsreife aufgewerteter Relevanz


(Daten, Informationen, Wissen) und die Sicherstellung<br />

von Entscheidungstransparenz und -kommunikation<br />

unterstützen. Im Bevölkerungsschutz erfolgt<br />

dies aktuell durch die Bereitstellung von Daten mit<br />

Gefahrenfassungssystemen wie <strong>de</strong>m radiologischen<br />

Messnetz und von Expertise wie bei <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus .<br />

Die Entscheidungstransparenz wird durch operative<br />

S<strong>im</strong>ulationssysteme wie <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Anpassung auf<br />

die Belange <strong>de</strong>s Katastrophenschutzes befindlichen<br />

GESI-System und Prozessentwicklungsanwendungen<br />

wie <strong>de</strong>r IT-gestützten Wissensbilanz geför<strong>de</strong>rt.<br />

Kommunikationssysteme, die ihre Verwendung z.B.<br />

in <strong>de</strong>r Leitstellentechnik haben und Spezialsteuerungssysteme<br />

wie das für die Durchführung strategischer<br />

Übungen entwickelte <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II ÜSA , bil<strong>de</strong>n die<br />

Kommunikationsgrundlage <strong>de</strong>s heutigen Portfolios.<br />

Im Rahmen einer laufen<strong>de</strong>n Evaluation wird die<br />

Qualität durch abgestufte Informationsrückflüsse sichergestellt.<br />

Zukünftige Entwicklungen unterliegen <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

an eine homogene Nutzerumgebung für heterogene<br />

Anwendungen und bil<strong>de</strong>n die Grundlage für<br />

ein ganzheitliches vernetztes IT - gestütztes <strong>Krisenmanagement</strong>system<br />

zur Entscheidungsunterstützung.<br />

Diese Entwicklung erfolgt nicht linear, son<strong>de</strong>rn ist<br />

in einer übergeordneten Entwicklungsmatrix zu betrachten.<br />

Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass<br />

Einzelbereiche in <strong>de</strong>n Matrixphasen unabhängig und<br />

nicht in einer zeitlich zwangsläufigen Folge entwickelt<br />

wer<strong>de</strong>n können und die Phasen sich in einer<br />

parallelen Abhängigkeit mit Blick auf das En<strong>de</strong>rgebnis<br />

befin<strong>de</strong>n. Das Ergebnis ist wie<strong>de</strong>rum durch die<br />

kontinuierliche Evaluation unter <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>r Entscheidungsunterstützung<br />

<strong>im</strong> Fluss.<br />

Wissensbilanzierung: Visualisierung von Erfolgsfaktoren<br />

Voraussetzung für diesen <strong>de</strong>m Gedanken <strong>de</strong>r Service<br />

Orientierten Architekturen (SOA) folgen<strong>de</strong>n Lösungsansatz<br />

ist nicht die Bün<strong>de</strong>lung und Zusammenführung<br />

von Fachkompetenzen, son<strong>de</strong>rn die Standardisierung<br />

von Schnittstellen für <strong>de</strong>n plattformübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Austausch von Daten und Diensten. Am Beispiel von<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II ÜSA be<strong>de</strong>utet dies, dass in <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s Lagedarstellungsmoduls eine Schnittstelle <strong>im</strong>plementiert<br />

wird, an <strong>de</strong>r unterschiedliche Lagedarstellungs-Tools<br />

Rohdaten und Informationen abholen<br />

und in <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Anwen<strong>de</strong>r gewohnten Umgebung<br />

verwerten.<br />

Zentrales Ergebnis <strong>de</strong>r ersten Matrixphase SOA ist die<br />

Entwicklung eines <strong>de</strong> facto Standards xBS (Extensible<br />

Markup Language Bevölkerungsschutz) zur Sicherstellung<br />

<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Austausch notwendigen wohlgeformten<br />

XML-Dokumente und <strong>de</strong>r zugehörigen<br />

Grammatik als Grundlage für die Transformation in<br />

die spezifischen Anwendungen. In <strong>de</strong>r zweiten Matrixphase<br />

DIWaA (Daten Informationen Wissen auf<br />

Abruf) wer<strong>de</strong>n die Fachanwendungen als Dienste in<br />

die spezifischen Nutzeroberflächen integriert und <strong>de</strong>r<br />

Datenaustausch homogenisiert. Die dritte Matrixphase<br />

Entscheidungstransparenz dient <strong>de</strong>r Visualisierung<br />

von Entscheidungsprozessen nach <strong>de</strong>m Know-Why-<br />

Gedanken.<br />

Zwei Bereiche, die aktuell durch das <strong>Bund</strong>esamt für<br />

Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe betrachtet<br />

wer<strong>de</strong>n, sind die Bereiche „Wissensbilanzierung“<br />

und „S<strong>im</strong>ulation <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz“.<br />

Die Wissensbilanzierung ist eine IT-gestützte Metho<strong>de</strong><br />

zur I<strong>de</strong>ntifizierung von Wissenskapitalindikatoren<br />

(Human-, Struktur-, Beziehungskapital) zum Aufzeigen<br />

von Entwicklungsabhängigkeiten sowie <strong>de</strong>r<br />

Definition kritischer Erfolgsfaktoren; sie dient <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung eines ganzheitlichen Verständnisses für<br />

Organisationen mit einem hohen Anteil <strong>im</strong>materieller<br />

Werte. Die ursprünglich mit Unterstützung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>esministeriums für Wirtschaft von <strong>de</strong>r Arbeitsgruppe<br />

Wissensbilanz entwickelte Anwendung wird<br />

zur Grundlagenfeststellung und Visualisierung <strong>de</strong>r<br />

Möglichkeiten eines Change-Ansatzes <strong>im</strong> Wissensmanagement<br />

eingesetzt und erhöht die Entscheidungstransparenz<br />

durch Visualisierung <strong>de</strong>r kritischen Erfolgsfaktoren<br />

und Kommunikationsabhängigkeiten.<br />

111


112<br />

Die S<strong>im</strong>ulation <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz ist ein relativ<br />

neues Feld <strong>de</strong>r S<strong>im</strong>ulationstechnologie. Die Komplexität<br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz erfor<strong>de</strong>rt eine vielschichtigere<br />

Vorgehensweise bei <strong>de</strong>r S<strong>im</strong>ulation <strong>de</strong>r<br />

Auswirkungen von Managemententscheidungen auf<br />

Systemstruktur und Systemverhalten als bei bisherigen,<br />

vorrangig militärisch genutzten, S<strong>im</strong>ulationsentwicklungen.<br />

Basierend auf bereits vorhan<strong>de</strong>nen operativen<br />

Systemen ist das übergeordnete Ziel, über die<br />

Integration unterschiedlicher Ansätze eine ebenenabhängige<br />

Nutzbarkeit für <strong>de</strong>n Anwen<strong>de</strong>r zu erreichen.<br />

Im Bevölkerungsschutz wird ein systemdynamischer<br />

Ansatz zur ganzheitlichen Analyse und Mo<strong>de</strong>lls<strong>im</strong>ulation<br />

dynamischer und komplexer Systeme über eine<br />

numerische (IT-gestützte) S<strong>im</strong>ulation angewen<strong>de</strong>t.<br />

Die S<strong>im</strong>ulation startet dabei ausgehend von einer An-<br />

Prinzipskizze einer Prognoses<strong>im</strong>ulation <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

fangssituation, wobei Entscheidungen und Maßnahmen<br />

<strong>im</strong> weiteren Verlauf <strong>de</strong>r Lageentwicklung eingegeben<br />

wer<strong>de</strong>n können und diese beeinflussen. Sie<br />

ermöglicht die dynamische Darstellung aller Interaktionen<br />

und Abhängigkeiten unter Berücksichtigung<br />

von Zeit und Raum zur Ableitung von Handlungsempfehlungen<br />

für Planung, Ausbildung und Einsatz.<br />

Die S<strong>im</strong>ulation <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz dient neben<br />

<strong>de</strong>r Bereitstellung von Wissen durch die Prüfung von<br />

Handlungsoptionen auch <strong>de</strong>r Visualisierung von Entscheidungsfolgen<br />

und erhöht dadurch die Transparenz<br />

von Entscheidungen.<br />

Der S<strong>im</strong>ulationsbereich ist eine typische Entwicklung,<br />

<strong>de</strong>r in einer Mehrfachab<strong>de</strong>ckung mehrere Matrixphasen<br />

bedient und <strong>de</strong>n vom BBK verwen<strong>de</strong>ten Ansatz<br />

<strong>de</strong>r Entwicklungsmatrix ver<strong>de</strong>utlicht.<br />

Das BBK begegnet <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Zukunft durch <strong>de</strong>n Aufbau eines<br />

Innovationszentrums. Neben <strong>de</strong>m Einsatz eines Technischen Kompetenzcenters<br />

zur Testierung wird ein zentrales Innovationsmanagement unter konsequenter<br />

Einbindung von Zukunftstechnologien genutzt. Das Innovationszentrum übern<strong>im</strong>mt<br />

die Funktion eines Think-Tank IT <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz und fungiert als<br />

nationaler und internationaler Ansprechpartner unter <strong>de</strong>m Leitgedanken einer<br />

offenen Plattform.<br />

Zum Autor: Hans-Gerrit Möws ist Leiter <strong>de</strong>s Referats I.3 „Warnung <strong>de</strong>r Bevölkerung“ und Verantwortlicher für <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>s<br />

Innovationszentrums <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bonn.


Der Schutz nationaler Informationsinfrastrukturen<br />

Dipl. Ing. Stefan Ritter<br />

Die Menschheit war von Anfang an gezwungen, auf<br />

die Gewalten <strong>de</strong>r Natur zu reagieren. In <strong>de</strong>n Jahrtausen<strong>de</strong>n<br />

seiner Existenz war <strong>de</strong>r Mensch ihnen schutzlos<br />

ausgeliefert. Gegen die oft selbst gemachten Probleme<br />

<strong>de</strong>r Zivilisation dagegen konnte <strong>de</strong>r Mensch<br />

eine Vielzahl von organisatorischen und technischen<br />

Maßnahmen treffen. Hier hatte er vieles unter Kontrolle<br />

und konnte agieren. Technologien, die einen<br />

beson<strong>de</strong>ren Gefahrenfaktor enthielten, wur<strong>de</strong>n, sobald<br />

man diesen erkennen konnte, durch Regulierung<br />

und Aufsicht so sicher wie möglich geplant, gebaut<br />

und genutzt. Auf beson<strong>de</strong>rs große Scha<strong>de</strong>nsereignisse<br />

bereitete man sich mit beson<strong>de</strong>ren Kräften vor;<br />

manchmal reichten auch organisatorische Maßnahmen,<br />

um mit einer beson<strong>de</strong>ren Lage umzugehen.<br />

Das gilt auch für die Informationstechnik (IT), eine<br />

noch sehr junge Technologie. Wie je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re Technik<br />

auch haben die IT und IT-Systeme Schwachstellen<br />

und Sicherheitslücken. Die Schwachstellen-Veröffentlichungs-<br />

und Patchraten 1 in Betriebssystemen<br />

und Anwendungsprogrammen zeigen, dass die Technik<br />

noch lange nicht ausgereift ist.<br />

Informationstechnik und Kritische Infrastrukturen<br />

Beson<strong>de</strong>rer Handlungsbedarf <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong><br />

entsteht, wenn Kritische Infrastrukturen betroffen<br />

sind. IT ist inzwischen selbst zu einer Kritischen Infrastruktur<br />

2 gewor<strong>de</strong>n. Sie hat zu<strong>de</strong>m alle weiteren<br />

Bereiche Kritischer Infrastrukturen, wie Stromversorgung,<br />

Telekommunikation, Bankwesen, Logistik etc.<br />

massiv durchdrungen.<br />

IT erleichtert die Steuerung und Überwachung von<br />

Prozessen. Mussten diese früher mühsam mechanisch<br />

abgelesen und durch „große Handrä<strong>de</strong>r“ eingestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, so ist eine Steuerung und Regelung heute<br />

per Knopfdruck aus einer Leitwarte heraus möglich.<br />

Per Computer und Online-Kommunikation wird <strong>de</strong>r<br />

Luftverkehr organisiert. Die Logistikbranche kann<br />

nach <strong>de</strong>r weitgehen<strong>de</strong>n Abschaffung <strong>de</strong>r Lagerhal-<br />

Die IT entwickelt sich mit einer unglaubli-<br />

chen Geschwindigkeit, erfin<strong>de</strong>t sich stän-<br />

dig neu, sprengt technische Grenzen und<br />

n<strong>im</strong>mt dabei <strong>im</strong>mer massiveren Einfluss<br />

auf unser Leben. Die Durchdringung <strong>de</strong>s<br />

Alltags mit IT und damit die Abhängigkei-<br />

ten von ihr wachsen exponentiell.<br />

tung und <strong>de</strong>r Einführung von Just-in-t<strong>im</strong>e-Prozessen<br />

ohne digitale Datenhaltung und -übermittlung nur<br />

wenige Stun<strong>de</strong>n puffern, bevor es zu Versorgungsengpässen<br />

kommt.<br />

Der Ausfall o<strong>de</strong>r die Beeinträchtigung<br />

von Informationsinfrastrukturen und IT<br />

können zu nachhaltig wirken<strong>de</strong>n Versor-<br />

gungsengpässen, erheblichen Störungen<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Sicherheit o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

dramatischen Folgen führen.<br />

113


114<br />

Schutz Nationaler Informationsinfrastrukturen<br />

Die <strong>Bund</strong>esregierung hat auf Grund dieser Abhängigkeiten<br />

und <strong>de</strong>s daraus resultieren<strong>de</strong>n Handlungsbedarfs<br />

<strong>im</strong> Juli 2005 <strong>de</strong>n „Nationalen Plan zum Schutz<br />

<strong>de</strong>r Informationsinfrastrukturen“ (NPSI) 3 als übergreifen<strong>de</strong><br />

Strategie zur IT-Sicherheit verabschie<strong>de</strong>t. Diese<br />

nationale Dachstrategie für die IT-Sicherheit hat drei<br />

Schwerpunktbereiche:<br />

� Prävention: Informationsinfrastrukturen ange-<br />

messen schützen.<br />

� Reaktion: Wirkungsvoll bei IT-Sicherheitsvorfäl-<br />

len han<strong>de</strong>ln.<br />

� Nachhaltigkeit: Deutsche IT-Sicherheitskompe-<br />

tenz stärken – international Standards setzen.<br />

Im NPSI wird das <strong>Bund</strong>esamt für Sicherheit in <strong>de</strong>r<br />

Informationstechnik (BSI) beauftragt, ein nationales<br />

IT-Krisenreaktionszentrum aufzubauen und zu<br />

betreiben. Dieses stellt die schnelle Reaktion auf<br />

schwerwiegen<strong>de</strong> IT-Sicherheitsvorfälle sicher, um<br />

rechtzeitige Gegenmaßnahmen zu ermöglichen und<br />

größere Schä<strong>de</strong>n zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Im September 2007 wur<strong>de</strong> das „Strategiepapier“ NPSI<br />

durch zwei Umsetzungspläne (UP) konkretisiert:<br />

� ��� ��������������� ����� ��� ����� ����<br />

genaue Richtlinien zur Umsetzung <strong>de</strong>s NPSI in<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esverwaltung fest. Für die Umsetzung<br />

in <strong>de</strong>n Geschäftsbereichen sorgt je<strong>de</strong>s Ressort<br />

eigenverantwortlich.<br />

� �������� ���� ����� ��� ������ ����� ���������<br />

mit <strong>de</strong>r Wirtschaft ein „Umsetzungsplan KRITIS“„<br />

für Kritische Infrastrukturen in Deutschland ent-<br />

wickelt. Beson<strong>de</strong>rer Fokus wur<strong>de</strong> dabei auf ein<br />

einheitlich hohes Sicherheitsniveau <strong>de</strong>rjenigen<br />

Unternehmen gerichtet, <strong>de</strong>ren Funktionsfähigkeit<br />

für die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft<br />

beson<strong>de</strong>rs relevant ist.


Das IT-Lage- und Analysezentrum <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Sicherheit in <strong>de</strong>r Informationstechnik<br />

Aufbau <strong>de</strong>s IT-Krisenreaktionszentrums<br />

Aufgrund dieser Herausfor<strong>de</strong>rungen und <strong>de</strong>r Zunahme<br />

<strong>de</strong>r Angriffe auf die IT hat <strong>de</strong>r Aufbau <strong>de</strong>s<br />

IT-Krisenreaktionszentrums <strong>im</strong> BSI eine hohe Priorität.<br />

Als Voraussetzung dafür ist bereits eine Vielzahl<br />

wichtiger organisatorischer und technischer Details<br />

realisiert wor<strong>de</strong>n. Das BSI verfügt über ein täglich<br />

besetztes Lagezentrum und eine 24-stündige, an allen<br />

Tagen <strong>de</strong>s Jahres erreichbare Rufbereitschaft für<br />

technische Spezialisten. Diese Fachkräfte können<br />

sich per Fernzugriff ins BSI einloggen, dort Recherchen<br />

durchführen und Maßnahmen vorbereiten. Des<br />

Weiteren ist die Entscheidungs- und Führungskompetenz<br />

eines „Leiters <strong>de</strong>s Einsatzstabs“ durch organisatorische<br />

Maßnahmen sichergestellt wor<strong>de</strong>n. Für<br />

<strong>de</strong>n „Fall <strong>de</strong>r Fälle“ wird ein Einsatzstab eingerichtet.<br />

Dessen Alarmierung ist vorbereitet, die Räumlichkeiten<br />

sind beziehbar, Technik mit Notstromversorgung,<br />

Telefon- und Vi<strong>de</strong>okonferenzmöglichkeit sowie die<br />

IT-Unterstützung sind einsatzbereit. Wichtig sind dabei<br />

redundante Kommunikationsanbindungen wie<br />

getrennte Telefonanlagen, Mobiltelefone, Satellitenkommunikation<br />

etc. Das klassische Handwerkszeug<br />

eines Krisenstabs für die Stabsarbeit steht also bereit.<br />

Bei <strong>de</strong>n vorzubereiten<strong>de</strong>n Maßnahmen war es nur in<br />

Teilen möglich, auf bestehen<strong>de</strong> Organisationshandbücher<br />

und Vorschriften wie die Feuerwehrdienstvorschrift<br />

FwDV 100 „Führung und Leitung <strong>im</strong> Einsatz“<br />

zurückzugreifen. Kernelemente für die Stabsarbeit,<br />

zum Beispiel für die „Beurteilung <strong>de</strong>r Lage aus IT-<br />

Sicht“, mussten neu entwickelt wer<strong>de</strong>n. Um selbst<br />

auf <strong>de</strong>n Extremfall, <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>r Liegenschaft, vorbereitet<br />

zu sein, zieht das BSI auch die Möglichkeit in<br />

Betracht, ein Ausweichlagezentrum an an<strong>de</strong>rer Stelle<br />

vorzubereiten und einzurichten.<br />

115


116<br />

Beobachtung <strong>de</strong>r Protokolle<br />

<strong>im</strong> Datenfluss<br />

Eines <strong>de</strong>r wichtigsten Elemente <strong>de</strong>s IT-<strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

ist <strong>de</strong>r Aufbau und die Pflege <strong>de</strong>s Kontaktnetzwerks.<br />

Hier greift das BSI auf seine laufen<strong>de</strong><br />

Aktivitäten zurück, wie z.B. auf das Computer Emergency<br />

Response Team für die <strong>Bund</strong>esverwaltung,<br />

kurz CERT-<strong>Bund</strong> genannt. Als Computernotfallteam<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es bearbeitet es gemeinsam mit <strong>de</strong>n Betroffenen<br />

IT-Sicherheitsvorfälle und betreibt einen Warn-<br />

und Informationsdienst für Schwachstellen in <strong>de</strong>r IT-<br />

Sicherheit.<br />

Von zentraler Be<strong>de</strong>utung sind in diesem Zusammenhang<br />

die Aktivitäten <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s „UP KRITIS“.<br />

Hier haben sich bisher zwei Arbeitsgruppen mit insgesamt<br />

etwa vierzig Vertretern von zumeist privatwirtschaftlichen<br />

Betreibern Kritischer Infrastrukturen<br />

gegrün<strong>de</strong>t:<br />

Die Arbeitsgruppe 1 „Notfall- und Krisenübungen“<br />

befasst sich mit <strong>de</strong>r Ausarbeitung und Umsetzung<br />

sämtlicher für die Planung, Durchführung und Auswertung<br />

von Notfall- und Krisenübungen erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Rahmenbedingungen. Branchenübergreifend<br />

wer<strong>de</strong>n IT-Krisenszenarien entwickelt, anhand <strong>de</strong>rer<br />

regelmäßig Übungen durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Arbeitsgruppe 2 „Krisenreaktion und -bewältigung“<br />

befasst sich mit <strong>de</strong>m branchenübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Einrichten geeigneter Krisenreaktionsprozesse, von<br />

<strong>de</strong>r IT-Lageanalyse über die Warnung und Alarmierung<br />

bis hin zur koordinierten Krisenbewältigung.<br />

In bei<strong>de</strong>n Arbeitsgruppen wer<strong>de</strong>n erstmals sektorübergreifend<br />

und gemeinschaftlich zwischen Staat<br />

und Wirtschaft nationale IT-Reaktionsmechanismen<br />

und -prozesse erarbeitet und auf ihre Funktion und<br />

Wirksamkeit hin beübt.<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>s „Umsetzungsplans <strong>Bund</strong>“ wur<strong>de</strong> eine<br />

Vielzahl von Maßnahmen eingeleitet, die die Krisenreaktionsfähigkeit<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und seiner Behör<strong>de</strong>n<br />

verbessern und sicherstellen. Daneben befin<strong>de</strong>t sich<br />

Deutschland in <strong>de</strong>r glücklichen Lage, eine sehr gut<br />

organisierte „CERT-Landschaft“ zu haben. Mehr als<br />

dreißig <strong>de</strong>r großen Unternehmens-, kommerziellen,<br />

aka<strong>de</strong>mischen und Verwaltungs-CERTs (auf <strong>Bund</strong>es-<br />

und Län<strong>de</strong>rebene) haben sich zum CERT-Verbund 4<br />

zusammengeschlossen. Er ermöglicht <strong>de</strong>n vertrauensvollen<br />

Austausch in geschützter Umgebung. Man<br />

kennt sich persönlich, sieht sich regelmäßig. Vertrauen<br />

in die persönliche Integrität und fachliche Kompetenz<br />

<strong>de</strong>r Kollegen ist entstan<strong>de</strong>n und ermöglicht<br />

einen Erfahrungsaustausch, <strong>de</strong>r weltweit seinesgleichen<br />

sucht. CERT-<strong>Bund</strong> gehört zum engen Kreis <strong>de</strong>r<br />

Teilnehmer, die zusätzlich zur Vertraulichkeitsvereinbarung<br />

einen Co<strong>de</strong> of Conduct unterschrieben haben,<br />

<strong>de</strong>r eine noch engere Kooperation ermöglicht.


Internationale Zusammenarbeit<br />

Drittes Standbein zur Bewältigung nationaler IT-Krisen<br />

ist die internationale Zusammenarbeit. IT und Internet<br />

sind weltweite Phänomene.<br />

IT-Angriffe kommen in <strong>de</strong>r Regel selten aus<br />

<strong>de</strong>m Inland, allein schon um die Reak-<br />

tion darauf zu erschweren. Daher ist es<br />

zwingend nötig, internationale Partner zu<br />

haben.<br />

Fazit: IT-<strong>Krisenmanagement</strong> – eine große Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

Die ersten Schritte zum IT-<strong>Krisenmanagement</strong> sind gemacht, vor allem mit CERT-<br />

<strong>Bund</strong>, <strong>de</strong>m Ausbau <strong>de</strong>s IT-Lage- und Analysezentrums <strong>im</strong> BSI und <strong>de</strong>n Arbeitsgruppen<br />

<strong>de</strong>s UP KRITIS. Der Aufbau <strong>de</strong>s nationalen IT-Krisenreaktionszentrums<br />

geht voran. Erste Alarmierungskontakte wur<strong>de</strong>n ausgetauscht. Nun gilt es, die<br />

bestehen<strong>de</strong>n Kontakte auszubauen und die Zusammenarbeit für <strong>de</strong>n Krisenfall<br />

an Hand von Szenarien in Planbesprechungen und Übungen nachhaltig zu etablieren.<br />

Denn <strong>Krisenmanagement</strong> in <strong>de</strong>r IT ist und bleibt eine ständige große<br />

Herausfor<strong>de</strong>rung.<br />

Aus <strong>de</strong>n vielen internationalen bi- und multilateralen<br />

Kooperationen möchte ich hier eine hervorheben:<br />

Die European Governmental CERT Group (EGC) 5<br />

als ein Zusammenschluss von neun europäischen<br />

Regierungs-CERTs. Neben vierteljährlichen Treffen<br />

und monatlichen Telefonkonferenzen herrscht reger<br />

Austausch zu aktuellen Sicherheitsvorfällen und unklaren<br />

Sachverhalten, die eine zweite Meinung for<strong>de</strong>rn,<br />

auf <strong>de</strong>r verschlüsselten Mailingliste. Je<strong>de</strong>r gibt<br />

und trägt bei, was er kann und weiß. Durch diese<br />

verlässliche Partnerschaft <strong>im</strong> Krisenfall entstehen ein<br />

größeres Ganzes und ein klareres Bild <strong>de</strong>r Lage.<br />

Zum Autor: Dipl. Ing. Stefan Ritter, Bauoberrat, ist Leiter <strong>de</strong>s Referats „CERT-<strong>Bund</strong>“ <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Sicherheit in <strong>de</strong>r Informationstechnik,<br />

Bonn<br />

1 Patch – i. d. R. ein kleineres Software-Update bzw. eine kleinere Software-Korrektur<br />

2 Umfangreiche Informationen zu Kritischen Infrastrukturen und Arbeiten <strong>de</strong>s BSI in diesem Themengebiet fin<strong>de</strong>n Sie auf<br />

www.bsi.<strong>de</strong><br />

3 Ergänzen<strong>de</strong> Informationen zum NPSI und zu UP KRITIS unterwww.bsi.<strong>de</strong><br />

4 www.cert-verbund.<strong>de</strong><br />

5 www.egc-group.org o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschsprachig: www.bsi.<strong>de</strong>/certbund/EGC<br />

117


118<br />

Der Beitrag <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bund</strong>esbank zum nationalen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

Karsten Salzburg<br />

<strong>Nationales</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> zielt <strong>im</strong> Kern darauf,<br />

die Grundfunktionen zur Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s gesellschaftlichen<br />

Lebens <strong>im</strong> Not- und Katastrophenfall<br />

zu gewährleisten. Wesentliche Akteure hierbei sind<br />

die staatlichen Entscheidungsorgane auf allen Handlungsebenen,<br />

Rettungskräfte und Betreiber kritischer<br />

Infrastrukturen. Auch <strong>im</strong> Krisenfall erfolgt die „Zuteilung“<br />

von Waren und Dienstleistungen grundsätzlich<br />

nur gegen Bezahlung – ob bar o<strong>de</strong>r unbar. Im<br />

Falle einer nationalen Krise kann daher, ebenso wie<br />

in normalen Zeiten, die Grundversorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

nur sichergestellt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Zahlungsverkehr<br />

und vor allem die Bargeldversorgung<br />

funktionieren.<br />

In Deutschland hat die Deutsche <strong>Bund</strong>esbank <strong>de</strong>n<br />

gesetzlichen Auftrag, die Bargeldversorgung und <strong>de</strong>n<br />

Zahlungsverkehr <strong>im</strong> Inland und mit <strong>de</strong>m Ausland<br />

sicherzustellen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben stellt<br />

die <strong>Bund</strong>esbank über ihre Filialen und Rechenzentren<br />

eine Basisinfrastruktur <strong>im</strong> Wesentlichen für die<br />

Kreditwirtschaft zur Verfügung. Banken und private<br />

Wertdienstleister übernehmen die Weiterverteilung<br />

an Unternehmen und Bevölkerung in Deutschland.<br />

Im Ergebnis ist die Versorgung mit Bargeld und Zahlungsverkehrsdienstleistungen<br />

eine Gemeinschaftsaufgabe<br />

von <strong>Bund</strong>esbank, Kreditwirtschaft und Wertdienstleistern.<br />

Dies gilt auch für die Krisenvorsorge<br />

und die Krisenbewältigung.<br />

Die <strong>Bund</strong>esbank sorgt mit für die Stabilität <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s: Zentrale <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bund</strong>esbank in Frankfurt am Main


Bargeld hat in Deutschland – entgegen mancher, insbeson<strong>de</strong>re<br />

vor <strong>de</strong>r Euro-Umstellung geäußerten Vermutung<br />

– traditionell eine herausragen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung,<br />

wer<strong>de</strong>n doch nach wie vor etwa 65 Prozent <strong>de</strong>r Zahlungen<br />

<strong>im</strong> Einzelhan<strong>de</strong>l bar geleistet.<br />

Es ist davon auszugehen, dass vor allem<br />

<strong>im</strong> Krisenfall Bargeld für Geschäfte <strong>de</strong>s<br />

täglichen Lebens weiter an Be<strong>de</strong>utung ge-<br />

winnt und letztlich das einzig akzeptierte<br />

Zahlungsmittel ist. Die Bargeldversorgung<br />

ist <strong>de</strong>shalb für die Grundversorgung <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung von existenzieller Be<strong>de</strong>utung.<br />

Ein Unvermögen <strong>de</strong>r Kreditwirtschaft, in Krisensituationen<br />

von <strong>de</strong>r Bevölkerung abgefor<strong>de</strong>rte Geldbeträge<br />

unverzüglich bar auszahlen zu können, wür<strong>de</strong> die<br />

ökonomischen Folgen einer Krise weiter verschärfen<br />

und möglicherweise einen „Run“ auf Bargeld auslösen.<br />

Deutsche <strong>Bund</strong>esbank als „Quelle“ <strong>de</strong>s Bargel<strong>de</strong>s<br />

Die <strong>Bund</strong>esbank übern<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Bargeldkreislauf die<br />

Rolle <strong>de</strong>s Emittenten (Schaffung von Bargeld) und<br />

hält die zentralen strategischen Reserven (Vorratshaltung<br />

von Bargeld). Sie könnte daher als „Quelle“<br />

<strong>de</strong>r Bargeldversorgung in Deutschland bezeichnet<br />

wer<strong>de</strong>n. Sie bedient sich zur Erfüllung dieser Aufgabe<br />

eines über Deutschland verteilten Filialnetzes,<br />

in <strong>de</strong>m ausreichend Bargeldbestän<strong>de</strong> gehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Die <strong>Bund</strong>esbank stellt durch geeignete Maßnahmen<br />

sicher, dass dieses Filialnetz auch <strong>im</strong> Fall einer<br />

schweren Krise funktionsfähig bleibt. Die Funktionsfähigkeit<br />

bezieht sich hierbei in erster Linie auf die<br />

je<strong>de</strong>rzeitige Auszahlungsbereitschaft von Bargeld in<br />

<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Kreditwirtschaft benötigten Größenordnung.<br />

Die großflächige Verteilung <strong>de</strong>r Banknoten<br />

obliegt in Deutschland jedoch <strong>de</strong>r Kreditwirtschaft<br />

sowie <strong>de</strong>n von ihnen beauftragten privaten Wertdienstleistern.<br />

Die Banken stellen ihren Kun<strong>de</strong>n Bargeldbestän<strong>de</strong><br />

heutzutage überwiegend über Geldausgabeautomaten<br />

zur Verfügung; dies gilt auch für<br />

<strong>de</strong>n Krisenfall. Aus gutem Grund bestehen daher bei<br />

<strong>de</strong>n meisten Bargeldakteuren neben allgemeinen organisatorischen<br />

Maßnahmeplänen für Notfälle auch<br />

technische Vorkehrungen zur Absicherung dieser<br />

Geschäftsprozesse. Zur Vernetzung <strong>de</strong>r wichtigsten<br />

Bargeldakteure <strong>im</strong> Not- und Krisenfall wur<strong>de</strong> – unter<br />

Fe<strong>de</strong>rführung <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bund</strong>esbank – ein<br />

Kommunikationsnetzwerk aufgebaut. Die Unterstützung<br />

durch weitere staatliche Stellen zur Sicherstellung<br />

<strong>de</strong>s Bargeldkreislaufs <strong>im</strong> Krisenfall, z.B. durch<br />

die Polizei, ist hierbei wesentliche Voraussetzung.<br />

Auch <strong>im</strong> unbaren Zahlungsverkehr haben die Finanzdienstleister<br />

neben <strong>de</strong>r rein physischen Sicherung<br />

von zentralen Infrastrukturen eine Notfall- und<br />

Krisenplanung aufgebaut. Erste Priorität hat die je<strong>de</strong>rzeitige<br />

Verfügbarkeit von Zahlungsverkehrs- und<br />

Verrechnungssystemen mit <strong>de</strong>r zugehörigen leistungsfähigen<br />

Kommunikationsstruktur, um die Versorgung<br />

<strong>de</strong>s Marktes mit ausreichen<strong>de</strong>r Liquidität<br />

sicherzustellen. Die Notfallplanungen <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Kreditgewerbe sehen sowohl organisatorische Maßnahmen<br />

für <strong>de</strong>n Katastrophenfall als auch technische<br />

Vorsorgemaßnahmen vor. So wer<strong>de</strong>n zum Beispiel<br />

die Zahlungssysteme durch entsprechen<strong>de</strong> hochgesicherte<br />

Zweit-Rechenzentren mit gleicher Technik<br />

und gespiegelten Daten abgesichert.<br />

119


120<br />

Tresorgitterwagen <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bund</strong>esbank<br />

Zum Autor: Karsten Salzburg ist Abteilungsleiter Organisation <strong>de</strong>r Deutschen <strong>Bund</strong>esbank<br />

Die <strong>Bund</strong>esbank selbst hat <strong>im</strong> Rahmen ihres „Business<br />

Continuity Management“ umfangreiche Maßnahmen<br />

getroffen, um in Not- und Katastrophensituationen<br />

die Abwicklung <strong>de</strong>s Großbetragszahlungsverkehrs,<br />

aber auch die Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Kerngeschäftsbereiche<br />

<strong>de</strong>r Notenbanktätigkeit (z.B. Bargeldversorgung,<br />

Refinanzierung <strong>de</strong>r Kreditwirtschaft,<br />

Management <strong>de</strong>r Währungsreserven) zu gewährleisten.<br />

Damit wird sie ihrer beson<strong>de</strong>ren gesamtgesellschaftlichen<br />

Verantwortung als Betreiber kritischer<br />

Infrastrukturen gerecht. Für die Abwicklung <strong>de</strong>s sog.<br />

Massenzahlungsverkehrs sind in Deutschland <strong>im</strong> Wesentlichen<br />

die Geschäftsbanken zuständig. Das be<strong>de</strong>utet,<br />

dass auch die Gewährleistung <strong>de</strong>s unbaren<br />

Zahlungsverkehrs in Gänze betrachtet – <strong>im</strong> Normal-<br />

und Krisenfall – eine Gemeinschaftsaufgabe von Zentralbank<br />

und Kreditwirtschaft ist.<br />

Zur Bewältigung eines Not- und Katastrophenfalles<br />

und zur Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r Handlungsfähigkeit<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esbank wur<strong>de</strong>n spezielle Vorkehrungen <strong>im</strong><br />

Rahmen einer <strong>Krisenmanagement</strong>organisation („Krisenstab“)<br />

geschaffen. Ziel ist es hierbei, <strong>im</strong> Krisenfall<br />

Entscheidungswege zu verkürzen und erfor<strong>de</strong>rliche,<br />

bereits vorbereitete Maßnahmen zur Krisenbewältigung<br />

einzuleiten. Durch turnusmäßige interne Übungen<br />

und durch speziell geschulte Mitarbeiter wur<strong>de</strong>n<br />

die Voraussetzungen dafür geschaffen, kritischen Situationen<br />

<strong>im</strong> Rahmen einer nationalen o<strong>de</strong>r internationalen<br />

Katastrophe angemessen begegnen zu können.<br />

Die <strong>Bund</strong>esbank ist hierfür auch <strong>im</strong> Krisenstab<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung sowie in <strong>de</strong>r Interministeriellen<br />

Koordinierungsgruppe von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn vertreten.<br />

In nationalen (UP <strong>Bund</strong>, UP Kritis) und internationalen<br />

Arbeitsgruppen arbeitet die <strong>Bund</strong>esbank mit<br />

an <strong>de</strong>r Weiterentwicklung <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

und <strong>de</strong>r „Business Continuity“ <strong>im</strong> Finanzbereich.


<strong>Krisenmanagement</strong>planung <strong>de</strong>r Deutsche Bahn AG<br />

Burkhard Arnold<br />

Die Deutsche Bahn AG ist ein bun<strong>de</strong>sweit und international<br />

agieren<strong>de</strong>r Großkonzern mit knapp 231.300<br />

Mitarbeitern, etwas über 34 Mio. Streckenkilometern,<br />

ca. 5.400 Bahnhöfen, 5,1 Mio. Reisen<strong>de</strong>n pro Tag,<br />

und sie beför<strong>de</strong>rt jährlich rund 307 Mio. Tonnen an<br />

Gütern auf <strong>de</strong>r Schiene. Daraus ergibt sich eine hohe<br />

Verantwortung <strong>de</strong>s Konzerns für die Sicherheit <strong>de</strong>r<br />

Kun<strong>de</strong>n und Mitarbeiter, <strong>de</strong>r Transportgüter, aber<br />

auch für <strong>de</strong>n Erhalt einer funktionsfähigen Infrastruktur.<br />

Kein Unternehmen, auch nicht die Deutsche Bahn<br />

AG, kann eine umfassen<strong>de</strong> Krisenvorsorge allein<br />

„schultern“. Eine enge Zusammenarbeit mit staatlichen<br />

Einrichtungen für die Gefahrenabwehr ist zur<br />

Bewältigung aller <strong>de</strong>nkbaren Krisenszenarien unabdingbar.<br />

Entsprechend hat sich <strong>de</strong>r Konzern <strong>im</strong> Rahmen<br />

<strong>de</strong>s Public Private Partnership (PPP) aufgestellt.<br />

<strong>Bund</strong>espolizei und Deutsche Bahn AG praktizieren<br />

eine erfolgreiche Ordnungspartnerschaft<br />

So wur<strong>de</strong> am 27. November 2000 eine Vereinbarung<br />

zur Ordnungspartnerschaft zwischen <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esministerium<br />

<strong>de</strong>s Innern und <strong>de</strong>r Deutschen Bahn AG<br />

unterzeichnet, welche zur Intensivierung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />

<strong>im</strong> Interesse <strong>de</strong>r Inneren Sicherheit und <strong>de</strong>r<br />

Sicherheitsvorsorge <strong>de</strong>r DB AG beigetragen hat und<br />

heute wesentlicher Bestandteil zur Aufgabenbewältigung<br />

ist. Von dieser Vereinbarung abgeleitet, wur<strong>de</strong><br />

<strong>im</strong> August 2005 in Berlin das Sicherheitszentrum<br />

Bahn, eine gemeinsame Einrichtung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>espolizei<br />

(<strong>Bund</strong>espolizeipräsidium in Potsdam) und <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Bahn AG (Konzernsicherheit), in Betrieb<br />

genommen. In ihm arbeiten Beamte <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>espolizei<br />

in ihrer hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung und<br />

Mitarbeiter <strong>de</strong>r Bahn eng zusammen. Dadurch wer<strong>de</strong>n<br />

Informationswege verkürzt, und die Fortschreibung<br />

eines aktuellen, bun<strong>de</strong>sweiten Lagebil<strong>de</strong>s als<br />

Grundlage für übergeordnete operative und strategische<br />

Entscheidungen wird wesentlich unterstützt –<br />

sowohl für die Bahn als auch die <strong>Bund</strong>espolizei.<br />

Zur PPP gehören auch eine enge Zusammenarbeit<br />

und Vernetzung mit <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, so z.B. mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Mel<strong>de</strong>-<br />

und Lagezentrum (GMLZ) <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>esamtes für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe. Mit <strong>de</strong>m<br />

GMLZ fin<strong>de</strong>t ein regelmäßiger Informationsaustausch<br />

statt. Zwischen <strong>de</strong>n Innenministerien <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und<br />

<strong>de</strong>r DB AG sind Vereinbarungen getroffen wor<strong>de</strong>n,<br />

die <strong>de</strong>n gegenseitigen Informationsaustausch regeln<br />

sowie Verfahrensweisen für die gegenseitige Unterstützung<br />

bei Lagen mit <strong>de</strong>n Polizeien, Rettungskräften<br />

und Feuerwehren festschreiben.<br />

Seit 2004 beteiligt sich die DB AG an <strong>de</strong>r Übungsserie<br />

LÜKEX, um die Zusammenarbeit mit internen und<br />

externen Partnern zu üben und auf ihre Funktionalität<br />

zu prüfen.<br />

Fußball-WM 2006: Der Bahn-Ordnungsdienst kontrolliert die<br />

Bahnhöfe<br />

121


122<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> DB-Konzern: Umfassen<strong>de</strong> Planung und Organisation<br />

Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n und öffentlichen Einrichtungen<br />

mit Aufgaben <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr ist eine umfassen<strong>de</strong><br />

<strong>Krisenmanagement</strong>planung und -organisation<br />

<strong>im</strong> Konzern. Diese muss zum einen <strong>de</strong>r Fortentwicklung<br />

<strong>de</strong>s Konzerns, aber auch <strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungen<br />

bei <strong>de</strong>n Bedrohungsszenarien Rechnung tragen. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

die Bewältigung <strong>de</strong>s 11. September 2001,<br />

<strong>de</strong>r Flutkatastrophe 2002, die Pan<strong>de</strong>mieplanung aufgrund<br />

<strong>de</strong>r H5N1-Virus-Verbreitung seit 2005 und „Kyrill“<br />

2007 haben auch bei <strong>de</strong>r Deutschen Bahn AG<br />

gezeigt, wie wichtig neben präventiven Maßnahmen<br />

zur Verhin<strong>de</strong>rung von Krisen und krisenähnlichen<br />

Ereignissen eine sehr gut funktionieren<strong>de</strong> Krisenorganisation<br />

ist.<br />

Zu diesem Zweck wur<strong>de</strong> 2003 bei <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Bahn AG ein standardisiertes <strong>Krisenmanagement</strong>-<br />

Tool eingeführt. Dieses regelt die Krisenorganisation,<br />

die Zusammensetzung und Arbeitsweise <strong>de</strong>s zentralen<br />

Krisenstabes und <strong>de</strong>r regionalen Krisenstäbe sowie<br />

die Krisenkommunikation.<br />

Ein wichtiger Grundsatz <strong>de</strong>r Krisenorgani-<br />

sation ist das sich gegenseitig ergänzen<strong>de</strong><br />

Zusammenwirken zwischen allen Ge-<br />

schäftsfel<strong>de</strong>rn und Spezialdisziplinen <strong>im</strong><br />

Konzern.<br />

Ein unerlässlicher Bestandteil davon ist das Ereignis-<br />

Reporting, welches sowohl als Frühwarnsystem als<br />

auch zur Vermittlung von Ereignismeldungen dient.<br />

Als operatives Instrument und Organisationsmittel für<br />

die Krisen- und Arbeitsstäbe dient das DB Lagezentrum,<br />

welches 24 Stun<strong>de</strong>n täglich besetzt und <strong>de</strong>m<br />

Leiter Konzernsicherheit fachlich zugeordnet ist.<br />

Wesentliche Spezialdisziplinen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Notfall-<br />

und Krisenvorsorge und <strong>de</strong>r Krisenbewältigung<br />

sind<br />

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Im Notfall müssen ICE-Züge schnell evakuiert wer<strong>de</strong>n


Notfallmanagement, Katastrophenschutz, Störungsmanagement<br />

Das Notfallmanagement (einschließlich Brandschutz)<br />

umfasst <strong>de</strong>n vorbeugen<strong>de</strong>n Brandschutz und die<br />

gesamtheitliche Organisation <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr.<br />

Formuliert ist <strong>de</strong>r gesetzliche Auftrag <strong>im</strong> Allgemeinen<br />

Eisenbahngesetz (AEG) § 4. Auch hier hat die DB<br />

AG ein konzerngültiges Regelwerk <strong>im</strong>plementiert,<br />

welches die grundlegen<strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>s vorbeugen<strong>de</strong>n<br />

Brandschutzes in Gebäu<strong>de</strong>n, Anlagen und<br />

Schienenfahrzeugen und alle Maßnahmen bei gefährlichen<br />

Unregelmäßigkeiten, Unfällen, Brän<strong>de</strong>n<br />

und Katastrophen bei <strong>de</strong>r DB AG/Konzernunternehmen<br />

(abwehren<strong>de</strong>r Brandschutz) sowie Störungen<br />

<strong>im</strong> operativen Eisenbahnbetrieb regelt.<br />

Das Störungsmanagement regelt <strong>de</strong>n Umgang mit<br />

Störungen mit erheblichen Auswirkungen auf die<br />

Verfügbarkeit <strong>de</strong>s Fahrweges sowie die Koordination<br />

<strong>de</strong>r Weiterführung bzw. Wie<strong>de</strong>raufnahme <strong>de</strong>s Bahnbetriebes.<br />

Zerstörungen von Bahninfrastrukturen – wie <strong>im</strong> Bild durch<br />

Hochwasser – können Versorgung und Bewegungsfreiheit <strong>de</strong>r<br />

Menschen erheblich beeinträchtigen<br />

Zerstörungen von Bahninfrastrukturen, sei es durch<br />

kriegerische Handlungen, Terroranschläge, Sabotageakte<br />

o<strong>de</strong>r Naturkatastrophen können einen erheblichen<br />

negativen Einfluss auf die Versorgung <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bund</strong>esrepublik sowie auf die Bewegungsfreiheit<br />

<strong>de</strong>r Streitkräfte haben. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>s Ost-<br />

West-Konflikts und mit Blick auf mögliche kriegerische<br />

Handlungen wur<strong>de</strong> daher in <strong>de</strong>n 60er Jahren<br />

das Verkehrssicherstellungsgesetz in Kraft gesetzt. Auf<br />

seiner Grundlage sind an die DB AG Aufgaben zur<br />

Aufrechterhaltung von Verkehrsleistungen <strong>im</strong> Krisen-<br />

und Verteidigungsfall übertragen wor<strong>de</strong>n; sie wer<strong>de</strong>n<br />

heute durch <strong>de</strong>n Bereich Zivile Notfallvorsorge<br />

umgesetzt.<br />

Hauptaufgaben sind dabei<br />

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schen, betrieblichen und personellen Maßnah-<br />

men,<br />

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fallebenen wie mobilen Stellwerken, Notbrücken<br />

und Kommunikationsmitteln, die für die Aufrecht<br />

erhaltung o<strong>de</strong>r zur raschen Wie<strong>de</strong>rherstel-<br />

lung von Verkehrsleistungen in Krisensituationen<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sind (Consequence Management).<br />

Fazit: Mit <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>r dargestellten <strong>Krisenmanagement</strong>maßnahmen<br />

ist die Deutsche Bahn AG als<br />

ein bun<strong>de</strong>sweit und international agieren<strong>de</strong>r Großkonzern<br />

für die notwendigen Vorsorgemaßnahmen<br />

auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s gut vorbereitet,<br />

um <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Public Private Partnership<br />

(PPP) in einer engen Zusammenarbeit mit staatlichen<br />

Einrichtungen für Gefahrenabwehr alle <strong>de</strong>nkbaren<br />

Krisenszenarien bewältigen zu können.<br />

Zum Autor: Burkhard Arnold ist Leiter <strong>de</strong>s DB Lagezentrums <strong>im</strong> Bereich Konzernsicherheit <strong>de</strong>r DB AG, Berlin<br />

123


124<br />

Das <strong>Krisenmanagement</strong>system <strong>de</strong>r EnBw<br />

Energie Ba<strong>de</strong>n-Württemberg AG<br />

Dr.-Ing. Wolf-Dietrich Erhard<br />

Die Energie Ba<strong>de</strong>n-Württemberg AG (EnBW) ist<br />

das drittgrößte Energieversorgungsunternehmen in<br />

Deutschland. In eigenen Kraftwerken wer<strong>de</strong>n jährlich<br />

rund 15 Gigawatt Strom erzeugt, die EnBW betreibt<br />

circa 15 Prozent <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Transport- und Verteilungsnetzes.<br />

Mit über 20.000 Mitarbeitern erzielte das<br />

Unternehmen 2007 einen Jahresumsatz von über 14<br />

Mrd. Euro und versorgte rund sechs Millionen Menschen<br />

mit Energie. Damit trägt das Unternehmen in<br />

beson<strong>de</strong>rem Maße Verantwortung für eine flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong><br />

Versorgungssicherheit und die Aufrechterhaltung<br />

<strong>de</strong>r Infrastruktur.<br />

Die Kraftwerke <strong>de</strong>r EnBW<br />

Energie Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />

AG<br />

Im Oktober 2004 hat die EnBW ein konzernweites<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>system eingeführt und seit<strong>de</strong>m an<br />

<strong>de</strong>ssen Ausbau gearbeitet. Damit wird <strong>im</strong> Krisenfall<br />

die schnelle, effektive und abgest<strong>im</strong>mte Vorgehensweise<br />

sämtlicher Organisationseinheiten <strong>de</strong>s Konzerns<br />

sichergestellt. Zentrale Aufgaben sind, Schä<strong>de</strong>n<br />

auf die Umwelt, das Unternehmen, die Kun<strong>de</strong>n und<br />

die Belegschaft zu min<strong>im</strong>ieren sowie eine klar strukturierte<br />

Koordination und Steuerung aller Konzernaktivitäten<br />

hinsichtlich Prävention, Krisenbeherrschung<br />

und Nachbereitung zu gewährleisten. Das Krisen-


managementsystem ist durchgängig in die Konzernstrukturen<br />

<strong>im</strong>plementiert. In einem allen Mitarbeitern<br />

zugänglichen <strong>Krisenmanagement</strong>handbuch sind die<br />

Grundzüge <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s dargestellt. Ein<br />

vertrauliches Krisenhandbuch beschreibt <strong>de</strong>tailliert<br />

Verfahren und Metho<strong>de</strong>n sowie einzelne Krisenszenarien<br />

und ihre Bewältigungsstrategien.<br />

Die organisatorische Umsetzung <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>systems<br />

in <strong>de</strong>r EnBW wird durch klar <strong>de</strong>finierte<br />

Verantwortlichkeiten erreicht.<br />

Eskalationsstufen <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>system <strong>de</strong>r EnBW<br />

Aufgabe <strong>de</strong>r Leitungen <strong>de</strong>r Konzerngesellschaften<br />

(KG) sowie <strong>de</strong>r Querschnitts- und Holdingbereiche<br />

ist es, <strong>de</strong>n erfor<strong>de</strong>rlichen Informationsfluss zur OE<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> zu gewährleisten und hierfür einen<br />

Ansprechpartner zu benennen. Darüber hinaus<br />

sind die Geschäftsleitungen dafür verantwortlich,<br />

dass das gesellschaftseigene Notfallmanagement und<br />

das <strong>de</strong>r direkt einbezogenen Beteiligungen <strong>de</strong>n gesetzlichen<br />

Erfor<strong>de</strong>rnissen und <strong>de</strong>n Konzernregelungen<br />

entspricht. Außer<strong>de</strong>m verfügt je<strong>de</strong> EnBW-Konzerngesellschaft<br />

über ein aktuelles Regelwerk zum<br />

Notfallmanagement.<br />

Verantwortlich für die Umsetzung <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>systems<br />

ist die Organisationseinheit (OE)<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> in <strong>de</strong>r EnBW-Holding. Sie steuert<br />

zentral die Organisation und Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>systems, die Abst<strong>im</strong>mung mit<br />

Behör<strong>de</strong>n, Politik, Hilfsorganisationen und Experten<br />

in Grundsatzfragen sowie die Planung und Durchführung<br />

von Übungen. Darüber hinaus unterstützt<br />

das <strong>Krisenmanagement</strong> die einzelnen Konzerngesellschaften<br />

innerhalb <strong>de</strong>s jeweils <strong>de</strong>zentral aufgestellten<br />

Störungs- und Notfallmanagements.<br />

Ein Mel<strong>de</strong>konzept stellt <strong>de</strong>n konzernweiten Informationsfluss<br />

zur Holding bei allen relevanten Ereignissen<br />

sicher. Je<strong>de</strong>r Vorgang mit Krisenpotenzial kann<br />

damit durch das <strong>Krisenmanagement</strong> zentral bewertet<br />

wer<strong>de</strong>n. So ist sichergestellt, dass zur Ereignisbewältigung<br />

je<strong>de</strong>rzeit neben <strong>de</strong>n <strong>de</strong>zentralen Strukturen in<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft auch die zentralen Strukturen <strong>de</strong>s<br />

Konzerns zur Verfügung stehen. Im Falle einer Krise<br />

o<strong>de</strong>r einer Katastrophe stellt das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

grundsätzlich <strong>de</strong>n Informationsaustausch zu <strong>de</strong>n<br />

„oberen“ Behör<strong>de</strong>n sicher.<br />

125


126<br />

Struktur <strong>de</strong>s Krisenstabs <strong>im</strong> EnBW-Konzern<br />

Im Normalfall ebenso wie <strong>im</strong> Notfall liegen die Zuständigkeiten<br />

und Verantwortlichkeiten in <strong>de</strong>n Konzerngesellschaften.<br />

Zusätzlich sind auf Konzernebene<br />

so genannte Task Forces mit Vertretern aus <strong>de</strong>n<br />

Holdingbereichen und <strong>de</strong>n Konzerngesellschaften<br />

für best<strong>im</strong>mte Szenarien eingerichtet. Aufgaben dieser<br />

Task Forces sind die Lagebeurteilung und die<br />

Begrenzung <strong>de</strong>r Auswirkungen auf Konzernebene<br />

sowie die Unterstützung <strong>de</strong>r betroffenen Gesellschaften.<br />

Im Krisenfall liegt die Weisungsbefugnis bei einem<br />

zentralen Krisenstab.<br />

Der Krisenstab setzt sich aus <strong>de</strong>n Mitarbeitern <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s, Vertretern <strong>de</strong>r Querschnittsfunktionen<br />

<strong>de</strong>r Holding (Kernteam), <strong>de</strong>r Konzerngesellschaften<br />

(Fachteam), <strong>de</strong>r Unternehmenskommunikation<br />

(Kommunikations- und Medienteam) und<br />

<strong>de</strong>r internen Dienstleister (Supportteam) zusammen.<br />

Der Krisenstab erstellt eine Lagebeurteilung und<br />

koordiniert die Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m operativen<br />

Notfallmanagement <strong>de</strong>r Konzerngesellschaften und<br />

mit Behör<strong>de</strong>n sowie die interne und externe Kommunikation.<br />

Ein zentrales Element <strong>de</strong>r Krisenprävention ist die<br />

Vorbereitung auf <strong>de</strong>n Krisenfall. Dies betrifft neben<br />

<strong>de</strong>n konzerninternen Vorgehensweisen zur Krisenbewältigung<br />

auch die Zusammenarbeit mit kommunalen<br />

und staatlichen Behör<strong>de</strong>n und Institutionen wie<br />

etwa <strong>de</strong>m Katastrophenschutz. Hierzu wer<strong>de</strong>n in gemeinsamen<br />

Veranstaltungen regelmäßig Erfahrungen<br />

ausgetauscht und in Planspielen das Vorgehen <strong>im</strong><br />

Krisenfall geübt. Das Training <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Krisenbewältigung<br />

betrauten Personen erfolgt in <strong>de</strong>n jährlich<br />

stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n konzernweiten Krisenübungen sowie<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r regelmäßigen Teilnahme an <strong>de</strong>n<br />

bun<strong>de</strong>sweiten LÜKEX-Übungen. Die systematische<br />

Auswertung dieser Übungen ist eine Grundlage für<br />

die ständige Verbesserung <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>systems<br />

<strong>de</strong>r EnBW.<br />

Zum Autor: Dr.-Ing. Wolf-Dietrich Erhard ist Bereichsleiter „<strong>Krisenmanagement</strong>“ <strong>de</strong>r EnBw Energie Ba<strong>de</strong>n-Württemberg


Pan<strong>de</strong>mie - eine globale Herausfor<strong>de</strong>rung -<br />

Erfahrungen <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s<br />

Unternehmens IBM<br />

Lars Gielg<br />

Eine Pan<strong>de</strong>mie ist eine <strong>de</strong>r herausfor-<br />

<strong>de</strong>rndsten Aufgabenstellungen <strong>im</strong> unter-<br />

nehmerischen <strong>Krisenmanagement</strong>. In <strong>de</strong>r<br />

globalisierten Wirtschaft <strong>de</strong>s 21. Jahrhun-<br />

<strong>de</strong>rts stellt sie uns durch ihre vermutlich<br />

schnelle und weitläufige Ausbreitung sowie<br />

die lange Dauer vor sehr komplexe Pro-<br />

bleme, die bislang so in das betriebliche<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> keinen Eingang gefun-<br />

<strong>de</strong>n hatten.<br />

Genau diese Bedrohungscharakteristik stellt für IBM<br />

eine beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung dar, <strong>de</strong>nn die globale<br />

Integration <strong>de</strong>s Unternehmens über Kontinente<br />

und Zeitzonen hinweg sorgt zum einen für starke Abhängigkeiten,<br />

hat aber zum an<strong>de</strong>ren große Potentiale<br />

bei Flexibilität und Verfügbarkeit geschaffen. Das<br />

macht ein weltweit abgest<strong>im</strong>mtes betriebliches Pan<strong>de</strong>miemanagement<br />

notwendig. Je<strong>de</strong>r internationale<br />

Ansatz muss <strong>de</strong>nnoch konsequent auf nationaler,<br />

teilweise sogar regionaler Ebene umgesetzt wer<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>nn Informationstechnologie hat alles gesellschaftliche<br />

und insbeson<strong>de</strong>re wirtschaftliche Han<strong>de</strong>ln voll<br />

durchdrungen. Von <strong>de</strong>r Abhebung am Geldautomaten<br />

über das Steuern von Logistikprozessen für die<br />

Lebensmittelbranche bis hin zur nächsten Wettervorhersage<br />

gilt, dass krisenhafte Störungen, wie sie bei<br />

einer Pan<strong>de</strong>mie zu erwarten sind, für je<strong>de</strong>n Menschen<br />

direkt <strong>im</strong> Alltag spürbare Konsequenzen hätten. Somit<br />

müssen auch die lokalen Gegebenheiten in ihrer<br />

Relevanz für das Gesamtsystem bewertet wer<strong>de</strong>n.<br />

IBM ist sich ihrer daraus resultieren<strong>de</strong>n gesamtgesellschaftlichen<br />

Verantwortung bewusst. Bereits <strong>im</strong><br />

Mai 2006 hat das Unternehmen mit über 20 <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utendsten<br />

Gesundheitsinstitutionen, darunter die<br />

WHO, eine weltweite Pan<strong>de</strong>mie-Initiative gegrün<strong>de</strong>t.<br />

Zeitgleich wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Umsetzung einer weltweit<br />

einheitlichen Strategie zum betrieblichen Pan<strong>de</strong>miemanagement<br />

begonnen.<br />

Innovationsportal „CeBIT next“ 2008: <strong>Bund</strong>eskanzlerin<br />

Angela Merkel zusammen mit Martin Jetter, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsführung <strong>de</strong>r IBM Deutschland<br />

127


128<br />

Das IBM-Pan<strong>de</strong>miemanagement und Public-Private-Partnership<br />

Public-Private-Partnership hat <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r betrieblichen<br />

Pan<strong>de</strong>mieplanung beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung.<br />

Zum einen wird IBM wie je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re Unternehmen<br />

von <strong>de</strong>n behördlichen Maßnahmen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s betroffen sein. Daher gilt es, die<br />

möglichen Auswirkungen abzuschätzen und entsprechen<strong>de</strong><br />

Anpassungen und Maßnahmen vorzubereiten.<br />

Zum an<strong>de</strong>ren ist aber auch die öffentliche Hand<br />

Kun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r IBM. Sie hat, ebenso wie eine Vielzahl<br />

an<strong>de</strong>rer Unternehmen, die für lebensnotwendige<br />

Grundleistungen in <strong>de</strong>r Gesellschaft verantwortlich<br />

sind, auch für <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>miefall eine klare Erwartungshaltung<br />

an IBM.<br />

Um diesen Anfor<strong>de</strong>rungen gerecht zu wer<strong>de</strong>n, ist das<br />

betriebliche Pan<strong>de</strong>miemanagement <strong>de</strong>r IBM kun<strong>de</strong>nbezogen<br />

entlang <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Geschäftsbereiche<br />

und Serviceleistungen aufgebaut. Der Schutz <strong>de</strong>r<br />

Mitarbeiter und das Sicherstellen <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n<br />

kritischen Prozesse bil<strong>de</strong>n hierbei <strong>de</strong>n Kern. Die daraus<br />

resultieren<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen gilt es unter <strong>de</strong>n<br />

zu erwarten<strong>de</strong>n Einschränkungen wie Personalausfälle<br />

o<strong>de</strong>r Störungen <strong>de</strong>r Infrastruktur zu erfüllen.<br />

Bereits bei <strong>de</strong>r Festlegung <strong>de</strong>r Randbedingungen für<br />

die Planungsszenarios half die Zusammenarbeit mit<br />

nationalen und internationalen öffentlichen Stellen,<br />

zum Beispiel bei <strong>de</strong>r Abschätzung <strong>de</strong>r Erkrankungsrate.<br />

Entlang <strong>de</strong>r <strong>de</strong>finierten kritischen Prozesse wur<strong>de</strong>n<br />

die Schnittstellen und Abhängigkeiten untersucht.<br />

Dies beschränkte sich nicht auf nationale o<strong>de</strong>r<br />

globale IBM Funktionen son<strong>de</strong>rn umfasste ebenso<br />

Lieferanten vom Energieversorger bis hin zur Reinigungsfirma.<br />

Auch bei diesem Planungsschritt war ein<br />

IBM und LÜKEX 2007<br />

Neben <strong>de</strong>m Erstellen eines Pan<strong>de</strong>mie-<strong>Krisenmanagement</strong>planes<br />

ist ein weiterer notwendiger Schritt, diesen<br />

zu testen und zu beüben. Auch hier erwies sich<br />

die gute Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Hand, insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe, als äußerst<br />

wertvoll. Im Rahmen von LÜKEX 2007 konnte die<br />

Intelligentes, mobiles IBM Notfall-Rechenzentrum, vorgestellt<br />

2007 in Washington, DC, USA<br />

Abgleich mit öffentlichen Stellen hilfreich. Abschließend<br />

mussten die <strong>de</strong>finierten Maßnahmen von <strong>de</strong>r<br />

Organisationsebene aus auf die geographische Ebene<br />

übertragen wer<strong>de</strong>n, um für alle an einem Standort<br />

vertretenen Geschäftsbereiche die notwendigen infrastrukturellen<br />

Vorbereitungen treffen zu können.<br />

Die Entscheidungs- und Kommunikationsstruktur<br />

für <strong>de</strong>n Krisenfall ist mehrfach redundant ausgelegt.<br />

Als Wissensbasis und zur Dokumentation dient eine<br />

europaweite Datenbank, die für die Entscheidungsträger<br />

sowohl online wie auch als lokale Replik auf<br />

<strong>de</strong>m jeweiligen persönlichen Rechner verfügbar ist.<br />

Wegen <strong>de</strong>r Dynamik <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungen in großen Unternehmen<br />

und <strong>de</strong>m Bedarf einer stets aktuellen und<br />

einheitlichen Informationsquelle ist ein <strong>de</strong>rartiger<br />

Plan allerdings nicht in Papierform verfügbar.<br />

betriebliche Pan<strong>de</strong>mieplanung <strong>de</strong>r IBM in Deutschland<br />

erstmals auf die Probe gestellt wer<strong>de</strong>n. Bereits<br />

während <strong>de</strong>r Vorbereitungen haben sich die Kontakte<br />

zu unterschiedlichsten Behör<strong>de</strong>nvertretern und<br />

Unternehmen, sowohl <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n- wie auch <strong>de</strong>r<br />

Zuliefererseite, als sehr informativ und mitunter auch<br />

innovativ gestaltet.


Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Erfolgsfaktoren für LÜKEX<br />

2007 waren die Güte <strong>de</strong>r Übungsrealität,<br />

die sicherlich von keinem <strong>de</strong>r teilnehmen-<br />

<strong>de</strong>n Unternehmen allein hätte erreicht<br />

wer<strong>de</strong>n können, sowie die vielfältigen<br />

Interaktionsmöglichkeiten, die auch spon-<br />

tane und <strong>im</strong>provisierte Einspielungen<br />

zuließen.<br />

Hierbei erwies es sich nicht als notwendig, 100 Prozent<br />

Realitätsnähe bei technischen Angaben, Prognosen<br />

o<strong>de</strong>r Anfragen zu erreichen, allein schon die<br />

Übungsdichte und die durch die Lagebil<strong>de</strong>r erzeugte<br />

St<strong>im</strong>mung sorgten für entsprechen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>ntifikation<br />

<strong>de</strong>r Teilnehmer mit ihren Übungsaufgaben. Das Ziel,<br />

das IBM <strong>Krisenmanagement</strong>team zu sensibilisieren<br />

und eine erste Konsistenzprüfung <strong>de</strong>s Planes vorzunehmen,<br />

wur<strong>de</strong> voll erreicht. Darüber hinaus machte<br />

die Übung <strong>de</strong>utlich, wie stark die einzelnen Funktionen<br />

von einan<strong>de</strong>r abhängen, obwohl sie <strong>im</strong> Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Übung lediglich einen ausgewählten Ausschnitt<br />

<strong>de</strong>s komplexen Gesamtgefüges <strong>de</strong>r Gesellschaft repräsentierten.<br />

Perspektive<br />

Die Vorbereitung auf <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>miefall zeigt <strong>de</strong>utlich,<br />

wie eng die unterschiedlichsten Akteure <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s miteinan<strong>de</strong>r verwoben sein<br />

müssen und welche beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung eine gemeinschaftliche<br />

Herangehensweise von Unternehmen<br />

und öffentlicher Hand hat. Unternehmen müssen<br />

sich dabei ihrer gesamtgesellschaftlichen Rolle<br />

und Verantwortung bewusst sein, und sie dürfen sich<br />

auch nicht scheuen, aktiv auf Behör<strong>de</strong>n, Ämter und<br />

Institutionen zuzugehen. Für letztere wie<strong>de</strong>rum ist es<br />

unerlässlich, Funktionsweisen und Abhängigkeiten<br />

<strong>de</strong>r Unternehmen zu kennen und dies in ihre politischen<br />

und planerischen Überlegungen mit einzubeziehen.<br />

Transparenz <strong>de</strong>r Zuständigkeiten und klare<br />

Kommunikationswege sind hierbei unerlässlich. Die<br />

Pan<strong>de</strong>mieplanung hat dies für IBM bereits in Teilen<br />

erfüllt und lässt auf weitere gemeinsame Fortschritte<br />

hoffen, <strong>de</strong>nn<br />

Public-Private-Partnership <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s hat für alle<br />

Beteiligten einen beson<strong>de</strong>ren Stellenwert<br />

und be<strong>de</strong>utet einen großen Zugewinn.<br />

Zum Autor: Lars Gielg ist Leiten<strong>de</strong>r Sicherheitsingenieur, Well-Being Service Manager IBM Deutschland & CEMAAS, Stuttgart<br />

129


132<br />

IV. Kapitel<br />

Das System LÜKEX:<br />

Strategisches Forum <strong>de</strong>s natio-<br />

nalen <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

„Der <strong>Bund</strong> wird mit Blick auf die Gefahren<br />

von morgen <strong>de</strong>n Bevölkerungsschutz<br />

national wie international mitgestalten<br />

und somit die Effektivität in einem<br />

Kernbereich staatlicher Daseinsvorsorge,<br />

<strong>de</strong>r Sicherheit seiner Bürgerinnen und<br />

Bürger, weiter steigern.“<br />

„Das Zusammenwirken aller Beteiligten<br />

muss gut geübt sein, damit <strong>im</strong> Ernstfall<br />

alles reibungslos funktioniert. Deshalb<br />

führen wir seit 2004 ressort- und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong><strong>Krisenmanagement</strong>übungen<br />

durch, die „LÜKEX-Übungen.“<br />

Dr. Wolfgang Schäuble, <strong>Bund</strong>esminister <strong>de</strong>s Innern


Das System LÜKEX als Motor <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

strategischen <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

Manfred Klink / Tanja Thie<strong>de</strong><br />

Allgemeines und Grundsätze<br />

Deutschland hat <strong>de</strong>n komplexen sicherheitspolitischen<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen ein ebenso komplexes<br />

System <strong>de</strong>r polizeilichen, nichtpolizeilichen, nachrichtendienstlichen<br />

und militärischen Gefahrenabwehr<br />

gegenübergestellt. Nun funktionieren komplexe<br />

Systeme <strong>im</strong> Einsatz nur, wenn sie regelmäßig<br />

erprobt wer<strong>de</strong>n. Das kann in realen Lagen o<strong>de</strong>r in<br />

Übungen erfolgen. In diesem Sinne fan<strong>de</strong>n während<br />

<strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s Kalten Krieges die so genannten „WIN-<br />

TEX-CIMEX“-Übungen statt, die neben einem militärischen<br />

Szenario auch <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r Zivilbevölkerung<br />

<strong>im</strong> Verteidigungsfall einbezogen.<br />

Nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ost-West-Konfliktes fan<strong>de</strong>n diese<br />

Übungen <strong>im</strong> Rahmen eines sicherheitspolitischen<br />

Paradigmenwechsels nicht mehr statt, Vorkehrungen<br />

für <strong>de</strong>n Kriegsfall wur<strong>de</strong>n größtenteils aufgegeben,<br />

so z. B. Luftschutzwarneinrichtungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Regierungsbunker<br />

an <strong>de</strong>r Ahr. In <strong>de</strong>r Folge fan<strong>de</strong>n lediglich<br />

Katastrophenschutzübungen in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r zu<br />

einigen speziellen Themen bei <strong>de</strong>n zuständigen <strong>Bund</strong>esressorts<br />

und -behör<strong>de</strong>n statt. Die Übungen hatten<br />

jedoch <strong>de</strong>utlich taktisch-operative Schwerpunkte und<br />

waren auf einzelne punktuelle Scha<strong>de</strong>nslagen ausgerichtet.<br />

Einzelne Scha<strong>de</strong>nsereignisse wirken sich jedoch in<br />

aller Regel nach <strong>de</strong>m „Dominoprinzip“ auf an<strong>de</strong>re<br />

Bereiche aus. Deshalb sind zusätzliche Übungen erfor<strong>de</strong>rlich,<br />

die <strong>de</strong>n gesamtgesellschaftlichen nationalen<br />

Ansatz in <strong>de</strong>n Mittelpunkt stellen.<br />

Die Terroranschläge <strong>de</strong>s 11. September 2001 und die<br />

Elbeflut <strong>im</strong> Sommer 2002 haben inzwischen zu einem<br />

generellen Um<strong>de</strong>nken geführt. Die von <strong>de</strong>r Innenministerkonferenz<br />

<strong>im</strong> Jahre 2002 beschlossene„Neue<br />

Strategie zum Schutz <strong>de</strong>r Bevölkerung“ reflektiert das<br />

Bewusstsein einer Gesamtverantwortung von <strong>Bund</strong><br />

und Län<strong>de</strong>rn. Neben einer Reihe an<strong>de</strong>rer Maßnahmen<br />

sind gemeinsame Übungen vorgesehen, bei<br />

<strong>de</strong>r die bun<strong>de</strong>sweite Abst<strong>im</strong>mung von Notfallmaßnahmen<br />

und vereinheitlichte Schutzkonzeptionen erprobt<br />

wer<strong>de</strong>n sollen.<br />

Aufbauend auf dieser Beschlusslage wur<strong>de</strong> 2003 an<br />

<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong>, Notfallplanung<br />

und Zivilschutz (AKNZ) mit <strong>de</strong>r Vorbereitung<br />

einer ersten strategischen <strong>Krisenmanagement</strong>-Übung<br />

begonnen. Dabei ist <strong>de</strong>r einprägsame Begriff LÜK-<br />

EX (Län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>-Übung<br />

Exercise) entstan<strong>de</strong>n.<br />

131


132<br />

Der Begriff LÜKEX ist inzwischen zum<br />

anerkannten Markenzeichen eines Ge-<br />

samtsystems gewor<strong>de</strong>n, das neben <strong>de</strong>r Er-<br />

probung <strong>de</strong>s län<strong>de</strong>r- und bereichsübergrei-<br />

fen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>s auch für die<br />

Bildung von Netzwerken steht, in <strong>de</strong>nen<br />

sich unterschiedliche Teile <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Verwaltung mit Privatunternehmen, Hilfs-<br />

organisationen und Verbän<strong>de</strong>n auf über-<br />

regionale und länger anhalten<strong>de</strong> Krisen<br />

vorbereiten.<br />

Neben <strong>de</strong>n Übungen selbst sind Handlungsempfehlungen<br />

fürs <strong>Krisenmanagement</strong>, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen,<br />

das Coaching von Entscheidungsträgern,<br />

die Weiterentwicklung technischer<br />

Instrumente sowie Forschungsprojekte Bestandteile<br />

<strong>de</strong>s „Systems LÜKEX“.<br />

Das Übungskonzept LÜKEX<br />

Das Übungskonzept muss sich am strategischen Ansatz<br />

orientieren. Dazu müssen sowohl be<strong>im</strong> <strong>Bund</strong> als<br />

auch in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn die politischen Entscheidungsträger<br />

in <strong>de</strong>n Übungsprozess einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Lan<strong>de</strong>sinterne Kabinettsbeschlüsse zur Übungsbeteiligung<br />

sind ein geeignetes Mittel, um eine möglichst<br />

hochrangige und somit eine <strong>de</strong>m Realfall einer<br />

Krise vergleichbare Besetzung <strong>de</strong>r Krisen- und Verwaltungsstäbe<br />

während <strong>de</strong>r Übung zu erreichen. Die<br />

Übungen fin<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen<br />

verfassungsrechtlich best<strong>im</strong>mten Zuständigkeitsregelungen<br />

statt, die ein hohes Maß an kooperativem<br />

Verhalten und Konsensbereitschaft <strong>de</strong>r Beteiligten<br />

verlangen, um ein erfolgreiches gesamtgesellschaftlichen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> zu erreichen. LÜKEX dient<br />

<strong>de</strong>shalb auch <strong>de</strong>m Zweck, eine krisenfeste „Verhand-<br />

Das <strong>Bund</strong>esinnenministerium, das <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r<br />

neuen Strategie auf Seiten <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es eine Schlüsselrolle<br />

einn<strong>im</strong>mt, hat – ganz wesentlich mitbest<strong>im</strong>mt<br />

von <strong>de</strong>n zuständigen Referatsleitern <strong>de</strong>r Abteilung<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> – <strong>de</strong>n Gedanken gemeinsamer<br />

Übungen <strong>im</strong> Rahmen einer Übungsserie von Anfang<br />

an aufgenommen und mitgestaltet. Im Rahmen eines<br />

dort entwickelten Übungskonzepts sind alle zwei<br />

Jahre strategische <strong>Krisenmanagement</strong>-Übungen (LÜ-<br />

KEX) vorgesehen, die bei Bedarf durch Übungen,<br />

die Teilaspekte ab<strong>de</strong>cken, ergänzt wer<strong>de</strong>n. Grundsätzlich<br />

wer<strong>de</strong>n, nach einer Vorabst<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esressorts,<br />

die Län<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Themen<br />

beteiligt. Im Anschluss entschei<strong>de</strong>n die Län<strong>de</strong>r über<br />

ihre Teilnahme. Eine Arbeitsgruppe von <strong>Bund</strong> und<br />

Län<strong>de</strong>rn, die aus Projektgruppen <strong>de</strong>s BBK und <strong>de</strong>r<br />

hauptbeteiligten Län<strong>de</strong>r besteht, wird gebil<strong>de</strong>t. Es<br />

wird angestrebt, dass sich neben <strong>de</strong>n hauptbetroffenen<br />

<strong>Bund</strong>esressorts und Behör<strong>de</strong>n alle Län<strong>de</strong>r in<br />

unterschiedlicher Beteiligungstiefe in einem wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>n<br />

Rhythmus an <strong>de</strong>n Übungen beteiligen<br />

und stets alle Län<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong> an <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />

je<strong>de</strong>r Übung partizipieren. In gleicher Weise wird<br />

auch eine Beteiligung von Unternehmen, Hilfsorganisationen<br />

und Verbän<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Public-<br />

Private-Partnership angeregt.<br />

lungs- und Entscheidungskultur“ zwischen <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn<br />

und <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong> zu etablieren, die auch unter<br />

hohem Zeit- und Handlungsdruck nachhaltige Lösungen<br />

ermöglicht. Nach einer vorläufigen Auswahl <strong>de</strong>r<br />

groben Übungsthemen durch die zuständigen <strong>Bund</strong>esressorts<br />

erfolgt ein Angebot an alle <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r,<br />

sich <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r gewünschten Beteiligungstiefe<br />

an <strong>de</strong>r Übung zu beteiligen. Gleichfalls wer<strong>de</strong>n die<br />

Übungsschwerpunkte in <strong>de</strong>n zuständigen <strong>Bund</strong>-<br />

Län<strong>de</strong>r-Gremien (AK II und AK V) abgest<strong>im</strong>mt. Die<br />

Grundzüge <strong>de</strong>s Übungskonzepts – insbeson<strong>de</strong>re das<br />

Grundszenario, die Übungsziele und die Beteiligung<br />

– wer<strong>de</strong>n in einem verbindlichen Dokument, <strong>de</strong>m<br />

„Übungsrahmen“ festgelegt; es ist die Grundlage für<br />

die Vorbereitung und Durchführung <strong>de</strong>r Übung.


Das Konzept für die LÜKEX-Übungen basiert auf folgen<strong>de</strong>n<br />

Grundsätzen:<br />

Den Übungen wer<strong>de</strong>n Szenarien zugrun<strong>de</strong> gelegt,<br />

von <strong>de</strong>nen mehrere <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r die gesamte<br />

<strong>Bund</strong>esrepublik mehr o<strong>de</strong>r weniger stark betroffen<br />

sind. Dieser Ansatz folgt <strong>de</strong>r Feststellung, dass die<br />

zuständigen Kommunen und <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r über ein<br />

gut ausgestattetes und <strong>im</strong> operativ-taktischen Bereich<br />

erprobtes und bewährtes Notfallsystem für einzelne<br />

regional begrenzte Scha<strong>de</strong>nsereignisse verfügen, aber<br />

kaum erprobte Konzepte und Strukturen für überregionale<br />

und länger andauern<strong>de</strong> Krisen vorhan<strong>de</strong>n<br />

sind. Die Szenarien erfor<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>mgemäß abgest<strong>im</strong>mtes,<br />

koordiniertes län<strong>de</strong>r- und bereichsübergreifen<strong>de</strong>s<br />

Han<strong>de</strong>ln auf <strong>de</strong>r poltisch-strategischen Ebene.<br />

Die Übungen wer<strong>de</strong>n als Stabsrahmenübungen<br />

durchgeführt, die auch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten<br />

für <strong>de</strong>n angestrebten Zweck beson<strong>de</strong>rs<br />

geeignet sind. Vollübungsanteile sind grundsätzlich<br />

nicht Bestandteil von LÜKEX, sie können jedoch<br />

von einzelnen <strong>Bund</strong>es- o<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong>n zur<br />

realitätsnahen Überprüfung konkreter Probleme auf<br />

taktischer Ebene angehängt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zur Bewältigung <strong>de</strong>r Krise ist <strong>de</strong>r integrierte Einsatz<br />

<strong>de</strong>r Ressourcen <strong>de</strong>r polizeilichen und nichtpolizeilichen<br />

Gefahrenabwehr erfor<strong>de</strong>rlich, das Scha<strong>de</strong>nsausmaß<br />

und /o<strong>de</strong>r die Gefahrenlage erfor<strong>de</strong>rn<br />

grundsätzlich auch die Unterstützung durch <strong>Bund</strong>esressourcen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re die Hilfe <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r zivil-militärischen Zusammenarbeit in<br />

<strong>de</strong>r aktuellen Struktur (Art. 35 GG).<br />

Nach<strong>de</strong>m sich in zunehmen<strong>de</strong>m Maße kritische Infrastrukturen<br />

und essentielle Versorgungsbereiche<br />

in privater Hand befin<strong>de</strong>n (z. B. in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Verkehr, Energieversorgung, Kommunikation) und<br />

Notfallvorsorge und Rettungsdienste weitgehend von<br />

nichtstaatlichen Hilfsorganisationen (teilweise mit<br />

ehrenamtlichen Kräften) geleistet wer<strong>de</strong>n, hat die<br />

Beteiligung von Privatunternehmen, Verbän<strong>de</strong>n und<br />

Hilfsorganisationen in <strong>de</strong>n Übungen einen hohen<br />

Stellenwert. Demzufolge sind die Übungsunterlagen,<br />

die fiktive Szenarien verwen<strong>de</strong>n, nicht als Verschlusssachen<br />

eingestuft, um einen breiten und offenen Dialog<br />

zu ermöglichen. Gleichwohl verpflichten sich die<br />

Übungsbeteiligten zur vertraulichen Behandlung <strong>de</strong>r<br />

Unterlagen, auch um <strong>de</strong>n „Überraschungseffekt“ bei<br />

<strong>de</strong>n Üben<strong>de</strong>n zu gewährleisten.<br />

Um die nationale Betroffenheit darzustellen, sind die<br />

<strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r, Unternehmen und Verbän<strong>de</strong>, die nicht<br />

als „Kernübungslän<strong>de</strong>r“ unmittelbar an <strong>de</strong>r Übung<br />

beteiligt sind, mit einer kleinen, aus entscheidungsbefugten<br />

Vertretern gebil<strong>de</strong>ten Reaktionsgruppe vertreten.<br />

Angestrebt wird auch eine Beteiligung <strong>de</strong>r<br />

Verwaltungsstrukturen auf Bezirks- und kommunaler<br />

Ebene (Städte, Kreise), um Auswirkungen „vor Ort“<br />

möglichst realistisch einzubringen und damit „Realitätsdruck“<br />

bei <strong>de</strong>n Stäben auf Lan<strong>de</strong>s- und <strong>Bund</strong>esebene<br />

zu erzeugen.<br />

Abgest<strong>im</strong>mte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit als<br />

strategisches Mittel <strong>de</strong>r Kommunikation mit <strong>de</strong>r von<br />

<strong>de</strong>n Auswirkungen <strong>de</strong>r Krise betroffenen Bevölkerung<br />

ist – wie nachfolgend in einem eigenen Beitrag<br />

noch ausführlich dargestellt – ein Hauptelement <strong>de</strong>r<br />

Übung.<br />

133


134<br />

Bei <strong>de</strong>r Anlage <strong>de</strong>r Übung wirken die Projektgruppen<br />

<strong>de</strong>r Kernübungslän<strong>de</strong>r und die Projektgruppe <strong>de</strong>s<br />

BBK (PG LÜKEX) in einer Arbeitsgruppe zusammen,<br />

um einerseits die Übung nach län<strong>de</strong>rspezifischen<br />

Bedingungen realistisch zu gestalten, an<strong>de</strong>rerseits<br />

<strong>de</strong>n sinnvollen Gesamtzusammenhang <strong>de</strong>r nationalen<br />

Krisenbewältigung zu gewährleisten. Nach einer<br />

Grun<strong>de</strong>inweisung wer<strong>de</strong>n die in Betracht kommen<strong>de</strong>n<br />

beteiligten öffentlichen und privaten Institutionen<br />

<strong>im</strong> Rahmen von Workshops in die Übungsvorbereitung<br />

einbezogen.<br />

Diese Vorbereitung ist bereits ein wesentlicher Bestandteil<br />

<strong>de</strong>s Übungsgeschehens, weil dadurch schon<br />

<strong>im</strong> Vorfeld <strong>de</strong>r Übung erkannte Schwachstellen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s beseitigt und Strukturen verbessert<br />

wer<strong>de</strong>n können. So haben beispielsweise einige<br />

Län<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Zuge <strong>de</strong>r Vorbereitung von LÜKEX-Übungen<br />

Kabinettbeschlüsse zur Führungszuständigkeit<br />

und zur Zusammensetzung <strong>de</strong>r Krisenstäbe verabschie<strong>de</strong>t.<br />

Darüber hinaus bietet die Übungsvorbereitung<br />

Gelegenheit, szenarienspezifische inhaltliche<br />

Defizite zu i<strong>de</strong>ntifizieren und zu beseitigen.<br />

Das Drehbuch <strong>de</strong>r Übung wird in einem mehrstufigen<br />

Verfahren entwickelt: Auf <strong>de</strong>r Basis von Teilszenarien<br />

wer<strong>de</strong>n themenbezogene Workshops durchgeführt,<br />

so z. B. zu <strong>de</strong>n Auswirkungen einer Krise auf <strong>de</strong>n Betrieb<br />

eines Großflughafens. In diese Workshops wer<strong>de</strong>n<br />

möglichst alle betroffenen Institutionen einbezogen<br />

(<strong>im</strong> Beispiel also Flughafenbetreiber, Fluglinien,<br />

<strong>Bund</strong>es- und Lan<strong>de</strong>spolizei, Zoll, Flugsicherung), so<br />

dass die Auswirkungen möglichst realistisch erfasst<br />

wer<strong>de</strong>n können.<br />

Zur Durchführung <strong>de</strong>r Übung wird eine Übungssteuerung<br />

eingesetzt, die neben <strong>de</strong>m entscheidungsbefugten<br />

Steuerungsstab aus Übungsbeobachtern (die<br />

das Verhalten <strong>de</strong>r Übungsstäbe dokumentieren und<br />

bewerten) und Rahmenleitungsgruppen besteht.<br />

Letztere stellen als Teil <strong>de</strong>r Steuerungsorganisation<br />

nachgeordnete o<strong>de</strong>r benachbarte (nicht selbst zu beüben<strong>de</strong>)<br />

Organisationen dar; sie spielen <strong>de</strong>n Großteil<br />

<strong>de</strong>r Einlagen ein und sorgen durch ihr <strong>de</strong>n Übungsstäben<br />

entsprechen<strong>de</strong>s Verhalten für möglichst realitätsnahe<br />

Betroffenheit <strong>de</strong>r Übungsstäbe.


Üben<strong>de</strong> sind in erster Linie die Krisen- und Verwaltungsstäbe<br />

<strong>de</strong>r zuständigen Ressorts <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, ggf. auch wichtige nachgeordnete Behör<strong>de</strong>n,<br />

sowie einzelne Unternehmen und Verbän<strong>de</strong>, bei<br />

<strong>de</strong>nen strategischer Übungsbedarf besteht. Angestrebt<br />

wird die Bildung von interministeriellen Krisenstäben<br />

als gemeinschaftlich Verantwortliche für die Beurteilung<br />

und Bewältigung <strong>de</strong>r Gesamtlage und von Ressortstäben,<br />

die <strong>de</strong>m gemeinsamen Stab zuarbeiten.<br />

Die Üben<strong>de</strong>n erhalten zu Beginn <strong>de</strong>r Übung ihnen<br />

bis dahin <strong>im</strong> Detail nicht bekannte Ausgangslagen<br />

einschließlich eines Presseteils, ggf. zur Erzeugung<br />

von „Realitätsdruck“ auch vorbereitete Fernsehsendungen<br />

(z. B. TV-Brennpunkt „Pan<strong>de</strong>mie“). Im Verlauf<br />

<strong>de</strong>r Übung wer<strong>de</strong>n ihnen die (<strong>im</strong> Drehbuch) vorbereiteten<br />

o<strong>de</strong>r an die Lageentwicklung angepassten<br />

aktuell erstellten Einlagen zugespielt, zu <strong>de</strong>nen strategische<br />

Reaktionen erwartet wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Ergebnisse <strong>de</strong>r Übung wer<strong>de</strong>n in einem Auswertungsbericht<br />

zusammengefasst, <strong>de</strong>r neben <strong>de</strong>r<br />

(Selbst-) Kritik an Konzept, Anlage und Durchführung<br />

<strong>de</strong>r Übung das Verhalten <strong>de</strong>r Stäbe von Län<strong>de</strong>rn<br />

und <strong>Bund</strong>, die <strong>Bund</strong>-Län<strong>de</strong>r-Zusammenarbeit, Public-Private-Partnership,<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,<br />

sowie die szenarienbezogene Bewältigung<br />

<strong>de</strong>r inhaltlichen Herausfor<strong>de</strong>rungen (z. B. erfolgreiche<br />

Ausführung <strong>de</strong>s Pan<strong>de</strong>mieplanes) würdigt. Dem<br />

Bericht wer<strong>de</strong>n in einer Anlage Handlungsempfehlungen<br />

beigefügt, die stichwortartig <strong>de</strong>n wichtigsten<br />

Umsetzungsbedarf <strong>de</strong>r Übungsergebnisse enthalten.<br />

Eine <strong>de</strong>taillierte Erfolgskontrolle durch die zentrale<br />

Übungssteuerung ist aufgrund <strong>de</strong>r <strong>de</strong>zentralen Zuständigkeiten<br />

nicht beabsichtigt. Diese ist innerhalb<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esressorts und Län<strong>de</strong>r vorgesehen. So hat<br />

z. B. das BMI in einer Zwischenübung „Hermes“ die<br />

IT-Kommunikation einer kritischen Prüfung unterzogen,<br />

dabei festgestellte Defizite sind in einem Handlungskatalog<br />

zusammengefasst wor<strong>de</strong>n, zu <strong>de</strong>ren<br />

Beseitigung die betroffenen Abteilungen <strong>de</strong>s Ministeriums<br />

und die Behör<strong>de</strong>n binnen Jahresfrist Stellung<br />

nehmen mussten.<br />

Zentrale Übungssteuerung LÜKEX 07 an <strong>de</strong>r AKNZ<br />

in Ahrweiler<br />

Das BBK als Zentralstelle kann <strong>im</strong> Rahmen seines<br />

Aus- und Fortbildungsauftrags erkannte Handlungsnotwendigkeiten<br />

in die Lehre einbeziehen. Im Rahmen<br />

nachfolgen<strong>de</strong>r LÜKEX-Übungen ist es – in begrenztem<br />

Umfang – möglich, positive Verän<strong>de</strong>rungen<br />

in Aufbau- und Ablauforganisation <strong>de</strong>r Stäbe, in <strong>de</strong>r<br />

Entscheidungsfindung, <strong>im</strong> Informationsverhalten<br />

o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r räumlichen und technischen Ausstattung<br />

<strong>de</strong>r Stäbe festzustellen. Dabei kann festgehalten wer<strong>de</strong>n,<br />

dass nach Beobachtung <strong>de</strong>r Projektgruppe LÜ-<br />

KEX bereits die drei durchgeführten Übungen erheblich<br />

zur Opt<strong>im</strong>ierung beigetragen haben.<br />

Inhaltliche Schwerpunkte <strong>de</strong>r bisher durchgeführten<br />

LÜKEX-Übungen<br />

In <strong>de</strong>n bisherigen drei Übungen wur<strong>de</strong> das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

bei außergewöhnlichen Scha<strong>de</strong>ns- o<strong>de</strong>r<br />

Gefährdungslagen geübt. Die Szenarien knüpften an<br />

reale Ereignisse o<strong>de</strong>r an Gefahrenlagen an, die nach<br />

wissenschaftlicher Beurteilung wahrscheinlich sind,<br />

auch wenn sich <strong>de</strong>r Zeitpunkt ihres Eintretens nicht<br />

voraussagen lässt. Alle Län<strong>de</strong>r haben sich bisher einmal,<br />

Ba<strong>de</strong>n-Württemberg zwe<strong>im</strong>al an LÜKEX-Übungen<br />

beteiligt:<br />

135


136<br />

An <strong>de</strong>r Übung LÜKEX 2004 waren vier <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r<br />

beteiligt. Das Szenario ging davon aus, dass Bayern<br />

und Ba<strong>de</strong>n-Württemberg von einem fiktiven, durch<br />

eine winterliche Extremwetterlage verursachten<br />

großflächigen und ca. zwei Wochen andauern<strong>de</strong>n<br />

Stromausfall betroffen waren. Darüber hinaus ereigneten<br />

sich in diesen Län<strong>de</strong>rn sowie in Berlin und<br />

Schleswig-Holstein zeitgleich Terroranschläge, zum<br />

Teil unter Verwendung chemischer Substanzen. Dem<br />

Terrorismusszenario in Schleswig-Holstein lag eine<br />

Anschlagsdrohung gegen ein auf hoher See befindliches<br />

Fährschiff zugrun<strong>de</strong>; dadurch bot die Übung<br />

auch <strong>de</strong>n Einstieg in die Thematik „Seesicherheit“.<br />

Das Übungsszenario in Süd<strong>de</strong>utschland wur<strong>de</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>m Deutschen Wetterdienst und<br />

mit <strong>de</strong>n großen Energiekonzernen in Anlehnung an<br />

<strong>de</strong>n Orkan „Lothar“ erstellt, <strong>de</strong>r 1999 neben Verwüstungen<br />

in <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn vor allem in Frankreich und<br />

<strong>de</strong>r Schweiz mehrtägigen Stromausfall verursacht<br />

hatte. Die Übungslage, die von einigen Kritikern in<br />

ihren angenommenen Auswirkungen als übertrieben<br />

bezeichnet wor<strong>de</strong>n war, wur<strong>de</strong> 2005 be<strong>im</strong> Stromausfall<br />

<strong>im</strong> Münsterland von <strong>de</strong>r Realität eingeholt. Insgesamt<br />

waren mehrere tausend Übungsbeteiligte in<br />

unterschiedlichsten Funktionen in die Übung eingebun<strong>de</strong>n.<br />

Als Ergebnis <strong>de</strong>r Übung kann festgehalten<br />

wer<strong>de</strong>n, dass länger andauern<strong>de</strong> flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong><br />

Stromausfälle schwere Störungen <strong>de</strong>s gesamtgesellschaftlichen<br />

Lebens verursachen können und staatliche<br />

und private Institutionen <strong>de</strong>shalb gut beraten<br />

sind, ihre Strukturen regelmäßig auf ihre Funktionsfähigkeit<br />

<strong>im</strong> Falle eines Energieausfalls zu überprüfen<br />

(Stichwort: Business Continuity). Die Abhängigkeit<br />

<strong>de</strong>s gesamtgesellschaftlichen Lebens von <strong>de</strong>r<br />

Energieversorgung und die Anfälligkeit mo<strong>de</strong>rner<br />

Industriegesellschaften ist auch in an<strong>de</strong>ren Staaten<br />

Gegenstand von Krisenübungen, so hat z. B. Großbritannien<br />

<strong>im</strong> Sommer 2007 das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

bei einem lan<strong>de</strong>sweiten 24-stündigen Stromausfall<br />

erprobt (Übung „long shadow“). Die Erkenntnisse<br />

aus <strong>de</strong>r LÜKEX-Übung wur<strong>de</strong>n von allen Beteiligten<br />

als wertvoll für die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

beurteilt; dies galt sowohl für die erstmals<br />

in dieser Form praktizierte Zusammenarbeit <strong>de</strong>r neuen<br />

Verwaltungsstäbe nach <strong>de</strong>m bun<strong>de</strong>seinheitlichen<br />

Mo<strong>de</strong>ll als auch für die Präventionsarbeit <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong>de</strong>r Energieversorgung in Extremsituationen.


LÜKEX 2005 fand, abweichend vom zweijährigen<br />

Übungsrhythmus, bereits nach einem Jahr statt. Die<br />

Übung orientierte sich thematisch an internationalen<br />

Großveranstaltungen. Sie wur<strong>de</strong> so frühzeitig<br />

durchgeführt, dass Erkenntnisse noch in die Sicherheitskonzepte<br />

für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006<br />

einfließen konnten. Dem Drehbuch lagen unterschiedliche<br />

Scha<strong>de</strong>nsereignisse in <strong>de</strong>n sechs üben<strong>de</strong>n<br />

Län<strong>de</strong>rn (Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Bran<strong>de</strong>nburg,<br />

Hessen, Nordrhein-Westfalen, Nie<strong>de</strong>rsachsen und<br />

Sachsen) zugrun<strong>de</strong>. Neben Terroranschlägen auf Verkehrsmittel<br />

und -einrichtungen ereigneten sich witterungsbedingt<br />

Katastrophen o<strong>de</strong>r technische Havarien.<br />

Daneben sorgten aus <strong>de</strong>m Ausland übertragene<br />

Seuchen für bun<strong>de</strong>sweite Betroffenheit. Höhepunkt<br />

<strong>de</strong>r Übung war die Prüfung <strong>de</strong>r Frage, ob angesichts<br />

<strong>de</strong>r Unglücksfälle und Terroranschläge mit großen<br />

Opferzahlen und <strong>de</strong>r andauern<strong>de</strong>n Bedrohung die<br />

Fortführung <strong>de</strong>r fiktiven Großveranstaltung noch<br />

möglich war. In einer Telefonschaltkonferenz wur<strong>de</strong><br />

zwischen <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn unter Beteiligung <strong>de</strong>s<br />

Veranstalters (Organisationskomitee <strong>de</strong>s Deutschen<br />

Zentrale Übungssteuerung LÜKEX 2007: Lagebesprechung<br />

Zusammenfassung und Ausblick: Konzeptionelle Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>r <strong>Krisenmanagement</strong>strukturen<br />

Am Anfang war LÜKEX „nur“ eine große Übung.<br />

Durch ein innovatives Übungskonzept, durch Hartnäckigkeit<br />

und Flexibilität wuchs LÜKEX zu einem<br />

System auf, das nicht nur die Übungskultur auf <strong>de</strong>r<br />

strategischen Ebene in Deutschland beeinflusst, son<strong>de</strong>rn<br />

inzwischen auch Teilsysteme <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s,<br />

Führungsausbildung, Sicherheitsforschung,<br />

Public Private Partnership <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> umfasst<br />

und weiterentwickelt.<br />

Fußballbun<strong>de</strong>s) eine ausgewogene und von allen<br />

akzeptierte Konsensentscheidung getroffen, ein Beispiel<br />

für Kooperationsfähigkeit <strong>im</strong> fö<strong>de</strong>ralen System,<br />

unabhängig von Zuständigkeitsfragen.<br />

LÜKEX 2007 schließlich wur<strong>de</strong> von allen Beteiligten<br />

als die bisher erfolgreichste Übung bezeichnet. Ca.<br />

dreitausend Beteiligte aus sieben <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>rn,<br />

11 <strong>Bund</strong>esressorts, ca. 50 Wirtschaftsunternehmen,<br />

Hilfsorganisationen und Verbän<strong>de</strong>n übten an zwei<br />

Tagen anhand eines bun<strong>de</strong>seinheitlichen Pan<strong>de</strong>mieszenarios<br />

mit einer fiktiven Erkrankungsrate von<br />

33 Prozent <strong>de</strong>r Bevölkerung, die bun<strong>de</strong>sweit zu ca.<br />

400.000 Krankenhauseinweisungen und ca. 100.000<br />

To<strong>de</strong>sfällen führte. Das in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m<br />

Robert Koch-Institut entwickelte Szenario bil<strong>de</strong>te die<br />

gesamtgesellschaftliche Betroffenheit einer Pan<strong>de</strong>mie<br />

ab. Die inhaltliche Auswertung <strong>de</strong>r Übung hat ergeben,<br />

dass <strong>de</strong>r nationale Pan<strong>de</strong>mieplan <strong>im</strong> gesundheitlichen<br />

Sektor eine tragfähige Grundlage für die<br />

medizinische Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung ist, dass<br />

die Pan<strong>de</strong>mieplanung jedoch insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r<br />

nichtgesundheitlichen Notfallvorsorge einer umfangreichen<br />

Ergänzung bedarf. Dies betrifft vor allem<br />

die psychologische Reaktion <strong>de</strong>r Bevölkerung sowie<br />

die Vorkehrungen aller betroffenen Institutionen für<br />

erhebliche Personalausfälle, die <strong>im</strong> Ernstfall zu sog.<br />

„Dominoeffekten“ in <strong>de</strong>r Verkehrsinfrastruktur, <strong>de</strong>r<br />

Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und in <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Sicherheit und Ordnung führen wür<strong>de</strong>n.<br />

Beson<strong>de</strong>rs erfreulich ist, dass sich als Folge <strong>de</strong>r Übung<br />

LÜKEX 2007 in einigen Län<strong>de</strong>rn bereichsübergreifen<strong>de</strong><br />

Gesprächs- und Arbeitskreise gebil<strong>de</strong>t haben, die<br />

sich <strong>im</strong> Bereich erkannter Problembereiche mit abgest<strong>im</strong>mten<br />

Vorsorgemaßnahmen beschäftigen.<br />

Die <strong>Krisenmanagement</strong>strukturen <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r, die in <strong>de</strong>n Kapiteln I und II dieses Hefts<br />

dargestellt wor<strong>de</strong>n sind, wur<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Übungen erprobt und durch Auswertung und Nachbereitung<br />

konzeptionell weiterentwickelt. So wur<strong>de</strong><br />

beispielsweise die Arbeitsfähigkeit <strong>de</strong>r Interministeriellen<br />

Koordinierungsgruppe <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r<br />

Län<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n LÜKEX-Übungen getestet.<br />

137


138<br />

Dabei zeigte sich, dass sie aus strukturellen und Kapazitätsgrün<strong>de</strong>n<br />

nicht ausgelegt ist, ad hoc die Vielzahl<br />

unterschiedlicher Führungs- und Kommunikationsstrukturen<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r zu einem<br />

gemeinsamen und abgest<strong>im</strong>mten <strong>Krisenmanagement</strong><br />

zusammenzuführen. Ein Ergebnis <strong>de</strong>r Übung LÜKEX<br />

2004 war unter an<strong>de</strong>rem, dass <strong>de</strong>r Aufgabenschwerpunkt<br />

<strong>de</strong>r Interministeriellen Koordinierungsgruppe<br />

neu <strong>de</strong>finiert wur<strong>de</strong>: Nach <strong>de</strong>r neuen Geschäftsordnung<br />

bereitet sie Entscheidungen <strong>de</strong>r Krisenstäbe vor<br />

und erleichtert <strong>de</strong>n politischen und fachlichen Abst<strong>im</strong>mungsprozess<br />

in lang anhalten<strong>de</strong>n und Län<strong>de</strong>r<br />

übergreifen<strong>de</strong>n Lagen.<br />

Weitere Anstöße für die strukturelle Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s in Deutschland konnten<br />

<strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Mel<strong>de</strong>- und Informationswesen<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n. So initiierte die Übung eine Verbesserung<br />

<strong>de</strong>s bun<strong>de</strong>sweiten Mel<strong>de</strong>wesens <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

und führte zu einer breiteren Beteiligung<br />

am Deutschen Notfallinformationssystem<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus .<br />

Die Erkenntnisse aus <strong>de</strong>n LÜKEX-Übungen fließen<br />

in die Aus- und Fortbildungstätigkeiten <strong>de</strong>r AKNZ<br />

und <strong>de</strong>r Ausbildungseinrichtungen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r ein.<br />

Parallel zu <strong>de</strong>n Übungen bietet die AKNZ für die<br />

Leiter <strong>de</strong>r Krisenstäbe und ihre Stabsbereichsleiter<br />

Coaching-Veranstaltungen an, bei <strong>de</strong>nen szenarienorientiert<br />

die zweckmäßige Aufbau- und Ablauforganisation<br />

diskutiert und das Führungsverhalten geübt<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Dieses Angebot wird zukünftig auch<br />

auf die Vorstandsebenen von Unternehmen <strong>im</strong> Bereich<br />

Kritische Infrastrukturen erweitert.<br />

Zu einigen <strong>im</strong> System LÜKEX i<strong>de</strong>ntifizierten Problemen<br />

sind zwischenzeitlich Forschungsvorhaben initiiert<br />

wor<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>rs hervorzuheben ist hier das<br />

Forschungsprojekt Krisenhandbuch Stromausfall in<br />

Ba<strong>de</strong>n Württemberg, das die inhaltlichen Ergebnisse<br />

<strong>de</strong>r LÜKEX 2004 als Ausgangspunkt hat. Bemerkenswert<br />

ist nicht nur das Ziel <strong>de</strong>s Pilotprojekts – die<br />

Erstellung eines Krisenhandbuch für <strong>de</strong>n Fall eines<br />

Stromausfalles für Behör<strong>de</strong>n, Energieversorgungs-<br />

unternehmen und an<strong>de</strong>re Unternehmen kritischer<br />

Infrastrukturen –, auch das ebenen- und bereichsübergreifen<strong>de</strong><br />

Konsortium, das sich für die Verwirklichung<br />

<strong>de</strong>s Projektes gebil<strong>de</strong>t hat, ist in seiner Zusammensetzung<br />

einzigartig. Es besteht aus Vertretern<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Ba<strong>de</strong>n-Württemberg und <strong>de</strong>s Energieversorgers<br />

EnBW, bei<strong>de</strong> LÜKEX- Beteiligte <strong>de</strong>r ersten<br />

Stun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m BBK, <strong>de</strong>r Universität Karlsruhe und <strong>de</strong>m<br />

Center for Disaster Management and Risk Reduction<br />

Technology (CEDIM). Es haben sich also öffentliche<br />

und private Repräsentanten von <strong>Krisenmanagement</strong>strukturen<br />

zusammengeschlossen, um unter wissenschaftlicher<br />

Beteiligung die Grundlagen <strong>de</strong>s Krisemanagements<br />

konzeptionell weiterzuentwickeln.<br />

Vortrag zu LÜKEX <strong>im</strong> Deutschen <strong>Bund</strong>estag<br />

LÜKEX“ ist in <strong>de</strong>r Politik angekommen: Der Präsi<strong>de</strong>nt<br />

<strong>de</strong>s BBK unterrichtete am 11. April 2008 gemeinsam<br />

mit <strong>de</strong>m Abteilungsleiter KM <strong>im</strong> BMI sowie <strong>de</strong>m zuständigen<br />

Unterabteilungsleiter <strong>de</strong>s BMG Mitglie<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Innen- sowie <strong>de</strong>s Verteidigungsausschusses <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>estages über die aktuellsten Erkenntnisse <strong>de</strong>r<br />

Übung LÜKEX 2007.<br />

Das „System LÜKEX“ hat sich als ein wesentlicher<br />

Baustein <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>-Län<strong>de</strong>r-Zusammenarbeit etabliert.<br />

Es zeigt zukunftsweisend, wie sich <strong>de</strong>r Bevölkerungsschutz<br />

in Deutschland neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

stellt und dabei das Gesamtsystem kontinuierlich<br />

überprüft und opt<strong>im</strong>iert.<br />

Zu <strong>de</strong>n Autoren: Manfred Klink, Fachberater für <strong>Krisenmanagement</strong>, ist Mitarbeiter <strong>de</strong>r Projektgruppe LÜKEX, Tanja Thie<strong>de</strong> ist<br />

Referentin <strong>im</strong> Lehrbereich IV.6, <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Ahrweiler


<strong>Krisenmanagement</strong> ist Chefsache.<br />

Sechs Grundregeln für Krisenmanager<br />

Dietrich Läpke<br />

Vorbemerkung<br />

Die Welt ist unsicherer gewor<strong>de</strong>n. Terroristen, Kl<strong>im</strong>awan<strong>de</strong>l,<br />

Naturkatastrophen und die Risiken <strong>de</strong>r<br />

mo<strong>de</strong>rnen Industriegesellschaft haben unsere Umwelt<br />

unberechenbarer gemacht. Dagegen war die<br />

„gute alte Zeit“ <strong>de</strong>s Kalten Krieges mit zwei stabilen<br />

Machtblöcken – trotz aller damit verbun<strong>de</strong>nen Risiken<br />

– gera<strong>de</strong>zu eine berechenbare Perio<strong>de</strong>. Heute<br />

stehen wir vor <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung, das Un<strong>de</strong>nkbare<br />

(„think the unthinkable“) durchzuspielen, bevor es<br />

geschieht. Dies ist ein ganz wesentlichen Motiv dafür<br />

gewesen, die Übungsreihe LÜKEX zu schaffen.<br />

Für eine strategische Übung war von Anfang an wichtig,<br />

dass nicht nur die Arbeitsebene mit Risiken, Gefahren,<br />

Szenarien, Abwehrstrategien und <strong>Krisenmanagement</strong>strukturen<br />

vertraut gemacht wer<strong>de</strong>n muss,<br />

son<strong>de</strong>rn dass Defizitanalysen und Opt<strong>im</strong>ierungen<br />

nur dann stattfin<strong>de</strong>n, wenn die Leitungsebene <strong>de</strong>r<br />

Ressorts und Behör<strong>de</strong>n sich beteiligt. Bei <strong>de</strong>n drei<br />

bisherigen LÜKEX-Übungen konnte das Ziel, diese<br />

Ebene aktiv zu beteiligen, von Übung zu Übung<br />

besser erreicht wer<strong>de</strong>n. Wur<strong>de</strong>n 2003 auf <strong>Bund</strong>es-<br />

und Län<strong>de</strong>rebene die Krisenstäbe ausschließlich von<br />

Abteilungsleitern geleitet, waren 2005 schon in zwei<br />

Regel 1<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> ist ein Regelkreis<br />

Auswertung<br />

Evaluation<br />

Rehabilitation<br />

Wie<strong>de</strong>rherstellung<br />

Prävention<br />

Vorbeugung<br />

Stäben Staatssekretäre vertreten. Die Übung 2007 hat<br />

einen weiteren Fortschritt gebracht, weil in einem<br />

<strong>Bund</strong>esland die zuständige Ministerin <strong>de</strong>n Stab leitete<br />

und auf <strong>Bund</strong>esebene und in <strong>de</strong>n meisten Län<strong>de</strong>rn<br />

die Staatssekretäre ihre Stäbe führten. Bemerkenswert<br />

war <strong>im</strong> Übrigen, dass in einigen Län<strong>de</strong>rn auch<br />

die beteiligten Ressorts in <strong>de</strong>n Krisenstäben durch<br />

die Staatssekretärsebene vertreten waren.<br />

Diese oberste Führungsebene ist in Krisensituationen<br />

vor allen an<strong>de</strong>ren Ebenen gefor<strong>de</strong>rt, Entscheidungen<br />

zu treffen, und das Übungsinteresse zeigt<br />

die Erkenntnis dieser höchsten Beamtenebene in <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland, dass man Krisen nicht<br />

nur mit gesun<strong>de</strong>n Menschenverstand und Erfahrung<br />

bewältigen muss, son<strong>de</strong>rn dass man <strong>Krisenmanagement</strong><br />

lernen und einüben kann. Im Folgen<strong>de</strong>n<br />

sollen plakativ die wichtigsten Grundregeln für ein<br />

erfolgreiches <strong>Krisenmanagement</strong> dargestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Diese sollten nicht nur von <strong>de</strong>r Chefebene beherzigt<br />

wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch von <strong>de</strong>njenigen, die einmal<br />

Chef wer<strong>de</strong>n wollen und diese beraten dürfen bzw.<br />

müssen.<br />

Gefahrenabwehr<br />

Hilfeleistung<br />

Vorsorge<br />

Vorbereitung<br />

Früherkennung<br />

Frühwarnung<br />

139


140<br />

Die nachfolgen<strong>de</strong>n Regeln 2 bis 6 gehen auf die einzelnen Phasen eines umfassen<strong>de</strong>n<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s näher ein.<br />

Regel 2<br />

Unangenehme Botschaften/Anzeichen/Anfragen müssen angehört/gesehen<br />

und – stets in Richtung Worst-Case – analysiert wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r Missachtung dieser Regel liegt häufig <strong>de</strong>r<br />

Grund für das Versagen von Entscheidungsträgern<br />

bzw. <strong>de</strong>r zuständigen Behör<strong>de</strong>n. Die berühmten<br />

„Kölner Grundsätze“ “Es kommt wie es kommt“ und<br />

“Es ist schon <strong>im</strong>mer gut gegangen“ fin<strong>de</strong>n schon fast<br />

zwanghaft <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r Anwendung. Angst vor Verantwortungsübernahme<br />

o<strong>de</strong>r Entscheidungen, Kostenfragen,<br />

Zuständigkeitsgerangel, Sorge vor <strong>de</strong>r Verunsicherung<br />

<strong>de</strong>r Medien o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bevölkerung und<br />

vieles mehr verhin<strong>de</strong>rn häufig die Akzeptanz, solche<br />

Anzeichen überhaupt zu registrieren. Eher wer<strong>de</strong>n<br />

die falschen, nämlich die Best-Case-Folgen ange-<br />

Regel 3<br />

Man kann und muss sich auf Krisen vorbereiten.<br />

Das be<strong>de</strong>utet: Man muss<br />

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und pflegen;<br />

� ������������� ������������� ��� ��������������<br />

mechanismen etablieren;<br />

� ������������� ������������� ��� ����������<br />

tionssysteme und -strukturen vorbereiten.<br />

LÜKEX hat bewiesen, dass Planspiele und -übungen<br />

ein hervorragen<strong>de</strong>s Mittel sind, einerseits Defizite<br />

aufzuzeigen und an<strong>de</strong>rerseits die o.a. Bereiche so<br />

auszugestalten, dass sie krisensicher funktionieren.<br />

Ein Erfolg <strong>de</strong>r LÜKEX-Serie ist sicherlich, dass nun<br />

alle <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r durch Kabinettsbeschlüsse o<strong>de</strong>r<br />

Verordnungen ihr <strong>Krisenmanagement</strong> strukturiert<br />

haben. Gleiches gilt für einige Ressort bzw. <strong>de</strong>ren<br />

nachgeordnete Bereiche. Die Regel gilt aber auch für<br />

nommen, und dieses Verhalten fin<strong>de</strong>t sich nicht nur<br />

auf <strong>de</strong>r obersten Ebene, son<strong>de</strong>rn viele beteiligen sich<br />

am Wettlauf <strong>de</strong>r gedanklichen Deeskalation. Erschrecken<strong>de</strong><br />

Beispiele dafür sind Tschernobyl, Seveso und<br />

Sandoz.<br />

Hier hat <strong>de</strong>r Chef die Wahl zwischen Erfolg o<strong>de</strong>r<br />

Misserfolg. Erfolgreich kann er sein, wenn er durch<br />

ständiges Hinterfragen von Expertise <strong>im</strong> eigenen<br />

Haus, aber auch von Wissenschaft, Industrie etc. herausbekommt,<br />

welche Worst-Case-Folgen das absehbare<br />

Ereignis haben könnte.<br />

Gemein<strong>de</strong>n, Kreise und Regierungsbezirke ebenso<br />

wie für viele Unternehmen. Zu <strong>de</strong>n Planungen und<br />

Vorbereitungen gehören u.a.<br />

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und Informationswege;<br />

� ������������ ��� ����������� ��� �������<br />

staatlichen sowie privaten Beteiligten u.v.a.m.


Leitungszentrale während <strong>de</strong>s G8-Gipfels in Heiligendamm 2007<br />

Regel 4<br />

Beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Krise ist <strong>de</strong>r Führungs- und Entscheidungsprozess<br />

stringent anzuwen<strong>de</strong>n. Verwalten in <strong>de</strong>r Krise heißt ENTSCHEIDEN.<br />

Die Umsetzung dieser Regel ist die schwierigste Aufgabe<br />

für Krisenmanager. Der Verantwortliche kann<br />

sie auch nur mit Hilfe eines Stabes bzw. <strong>de</strong>r Leiter<br />

<strong>de</strong>r Organisationseinheiten bzw. Leitern seiner nachgeordneten<br />

Behör<strong>de</strong>n / Unternehmensstrukturen um-<br />

1. Lagefeststellung<br />

Fragestellung: Was ist passiert? Was wird geschehen?<br />

setzen. Im Folgen<strong>de</strong>n sollen kurz die wesentlichen<br />

Schritte <strong>de</strong>s Führungs- und Entscheidungsprozesses<br />

dargestellt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r in vergleichbarer Weise seit<br />

langen vom Militär, von <strong>de</strong>r Polizei und an<strong>de</strong>ren operativen<br />

Einrichtungen erfolgreich angewen<strong>de</strong>t wird.<br />

Die Lagedarstellung ist das Fundament <strong>de</strong>s ganzen Prozesses. Sie ist nicht so<br />

einfach wie es auf <strong>de</strong>n ersten Blick erscheint, <strong>de</strong>nn häufig hat man wenige o<strong>de</strong>r<br />

sich wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong> Informationen, die <strong>de</strong>r Chef mit seinen Mitarbeitern auswerten<br />

muss, um zu einer gemeinsamen bzw. einheitlichen Lagedarstellung zu<br />

kommen.<br />

141


142<br />

2. Lagebeurteilung<br />

Fragestellung: Welche Folgen sind absehbar?<br />

Auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Lagefeststellung hat eine Lagebeurteilung zu erfolgen. Als<br />

Zeithorizont dafür hat grundsätzlich eine kurz-, mittel- und langfristige Beurteilung<br />

zu erfolgen. Häufig ist es sinnvoll bzw. erfor<strong>de</strong>rlich, verschie<strong>de</strong>ne Lagebeurteilungen<br />

unter <strong>de</strong>m Motto anzustellen:<br />

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3. Prüfung <strong>de</strong>r Optionen <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns<br />

Fragestellung: Was können wir tun / veranlassen?<br />

Wird diese Phase <strong>de</strong>s Entscheidungsprozesses nicht intensiv bearbeitet, ist das<br />

Risiko von Fehlentscheidungen sehr hoch. Häufig wird bereits am Anfang <strong>de</strong>r<br />

Fehler gemacht, die Lagebeurteilung eind<strong>im</strong>ensional durchzuführen und damit<br />

nur eine ausschließliche Handlungsoption zu präjudizieren. Es gibt aber <strong>im</strong>mer<br />

min<strong>de</strong>stens zwei Optionen, nämlich: Abwarten o<strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>ln.<br />

Im Rahmen dieser Phase sind vor allem alle Folgen <strong>de</strong>r Handlungsoptionen abzuschätzen,<br />

um zum opt<strong>im</strong>alen (o<strong>de</strong>r häufig zum möglichst wenig Scha<strong>de</strong>n anrichten<strong>de</strong>n)<br />

Entschluss zu kommen. Hier müssen <strong>im</strong> Stab alle Meinungen offen gesagt<br />

wer<strong>de</strong>n können. Die gewählte Handlungsoption muss <strong>im</strong> Übrigen gewährleisten,<br />

dass be<strong>im</strong> Eintritt <strong>de</strong>s Worst-Case entsprechen<strong>de</strong> Maßnahmen möglich sind.<br />

4. Entschluss — Entscheidung<br />

Hier hat <strong>de</strong>r Chef ein weiteres Mal die Wahl zwischen Erfolg und Misserfolg, <strong>de</strong>nn<br />

er muss die Entscheidung zwischen <strong>de</strong>n Handlungsoptionen treffen.<br />

5. Planung<br />

Fragestellung: Wie soll <strong>de</strong>r Entschluss umgesetzt wer<strong>de</strong>n?<br />

Die wenigsten Entschlüsse können sofort in die Tat umgesetzt wer<strong>de</strong>n. Daher<br />

sind die zuständigen Stellen innerhalb und außerhalb <strong>de</strong>s eigenen Hauses zu<br />

beauftragen, <strong>de</strong>n Entschluss in einen Plan umzusetzen. Die fertige Planung sollte<br />

grundsätzlich zur Billigung vorgelegt wer<strong>de</strong>n. Es ist allerdings auch zu empfehlen,<br />

eine Eventualplanung für <strong>de</strong>n Worst-Case-Fall in Auftrag zu geben.


Regel 5<br />

6. Auftragserteilung – Weisung<br />

Fragestellung: Wer tut was, wann, wo, wie und mit wem?<br />

Die ein<strong>de</strong>utige Auftragserteilung an diejenigen, die für die Umsetzung <strong>de</strong>s Entschlusses<br />

zuständig sind, ist letztlich <strong>de</strong>r Schlüssel für Erfolg und Versagen. Häufig<br />

erreichen Aufträge <strong>de</strong>n Adressaten nicht o<strong>de</strong>r einen falschen Empfänger o<strong>de</strong>r<br />

sind so unklar formuliert, dass die Umsetzung nicht in die beabsichtigte Richtung<br />

zielt. Es empfiehlt sich, <strong>im</strong> Auftrag – wie be<strong>im</strong> Militär – die Absicht <strong>de</strong>r übergeordneten<br />

Führung zu übermitteln, damit kann <strong>de</strong>r Empfänger auch bei plötzlichen<br />

Lageverän<strong>de</strong>rungen stets in diesem Sinne han<strong>de</strong>ln.<br />

7. Kontrolle<br />

Fragestellung: Ist <strong>de</strong>r Auftrag richtig ausgeführt wor<strong>de</strong>n?<br />

Letzter „Baustein“ <strong>de</strong>s Führungsprozesses ist die Erfolgskontrolle (durch Rückmeldung,<br />

Vor-Ort-Kontrolle etc.), <strong>de</strong>nn es ist nie auszuschließen, dass <strong>de</strong>r „Chef“<br />

/ <strong>de</strong>r Stab glaubt, alles sei, wie angeordnet, ausgeführt wor<strong>de</strong>n, aber dieses mitnichten<br />

geschehen ist. Da dieser Führungsprozess in vielen Situationen mehrmals<br />

täglich wie<strong>de</strong>rholt wird, kann schon die Lagefeststellung be<strong>im</strong> nächsten<br />

Mal falsch sein, wenn die früheren Aufträge nicht o<strong>de</strong>r nur teilweise ausgeführt<br />

wur<strong>de</strong>n und dieses nicht bemerkt wird.<br />

Wie <strong>de</strong>r Leser feststellt, ist dieser Führungsprozess zwar grundsätzlich einfach,<br />

in <strong>de</strong>r Regel aber <strong>de</strong>nnoch eine komplexe Herausfor<strong>de</strong>rung. Daher sollte man<br />

<strong>im</strong> Team <strong>de</strong>n Führungsprozess an Beispielen regelmäßig üben, dann ist man <strong>im</strong><br />

Ernstfall besser vorbereitet.<br />

Man bekommt eine Krise nur dann in <strong>de</strong>n Griff, wenn man aus <strong>de</strong>r Reaktion<br />

in die Aktion kommt, d.h. Herr <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns wird.<br />

Dieser Grundsatz, <strong>de</strong>r allen Pressesprechern aus<br />

<strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Seminaren bekannt ist, gilt<br />

nicht nur für die Medienarbeit. Je früher man eine<br />

prognostische Lagebeurteilung <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s Worst-<br />

Case-Szenarios erstellt, <strong>de</strong>sto weniger wird man von<br />

unerwarteten Lageentwickelungen überrascht. Wenn<br />

man Planungen und Strukturen dafür vorbereitet und<br />

zusätzliche Ressourcen vorhält, ist man naturgemäß<br />

besser in <strong>de</strong>r Lage, in eine „Steuerungsfunktion“ zu<br />

kommen, als wenn man stets „<strong>de</strong>r Lage hinterherläuft“,<br />

weil man die bei<strong>de</strong>n „Kölner Grundsätze“ als<br />

Leitlinie hat.<br />

143


144<br />

Regel 6<br />

Nur Übung macht <strong>de</strong>n „Master of Disaster“<br />

Die Übungsreihe LÜKEX hat bewiesen, dass Planspiele<br />

nicht nur ein hervorragen<strong>de</strong>s Mittel sind, Schwachstellen,<br />

Defizite und Strukturprobleme aufzuzeigen.<br />

Viele Beteiligte auf allen Ebenen haben erklärt, wie<br />

wichtig die Übung für sie als „Training on the job“<br />

war. Es gibt aber noch viele an<strong>de</strong>re Möglichkeiten<br />

sich vorzubereiten, zum Beispiel:<br />

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Bildungseinrichtungen;<br />

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-übungen <strong>im</strong> Team (mit wechseln<strong>de</strong>n Szenarien);<br />

Fazit<br />

Der Leser wird, soweit er nicht schon selbst die eine<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Erfahrung gemacht hat, feststellen, dass<br />

Entscheidungsträger eine hohe Verantwortung haben.<br />

Diese können sie nicht <strong>de</strong>legieren, son<strong>de</strong>rn müssen<br />

sie annehmen – nicht nur <strong>de</strong>shalb, weil das von Politik,<br />

Medien und auch ihren Mitarbeitern so erwartet<br />

wird. Vielleicht ist be<strong>im</strong> Studieren <strong>de</strong>r vorstehen<strong>de</strong>n<br />

Regeln auch <strong>de</strong>r eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Rücktritt von Politikern<br />

in Erinnerung gekommen. In schöner Regelmäßigkeit<br />

wird nämlich von <strong>de</strong>n meisten Betroffenen<br />

gegen die wichtigsten Grundsätze <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

verstoßen:<br />

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pagnen) wird nicht durchgeführt;<br />

� ���� ��������� ��������������� ���������������� ���<br />

-beurteilung wird nicht aufgebaut;<br />

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Han<strong>de</strong>lns wird nicht vorgenommen.<br />

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behör<strong>de</strong>n, <strong>Bund</strong>eswehr, Bevölkerungsschutz,<br />

Fachbehör<strong>de</strong>n, Wirtschaft auf Kreis-, Bezirks-,<br />

Lan<strong>de</strong>s-, <strong>Bund</strong>esebene.<br />

Dieses zu for<strong>de</strong>rn und selbst zu leiten ist die Vorbildaufgabe<br />

<strong>de</strong>s Chefs. Er trainiert sich damit nicht nur<br />

selbst, son<strong>de</strong>rn sein Team und verbessert damit seine<br />

Chancen, aus <strong>de</strong>r Krise als erfolgreicher Krisenmanager<br />

hervorzugehen.<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> ist kein Buch mit sieben Siegeln.<br />

Eine leiten<strong>de</strong> Führungskraft kann <strong>im</strong> Übrigen mit<br />

vertretbarem Aufwand an Ausbildung, Training,<br />

Coaching und Übung entsprechen<strong>de</strong> Fertigkeiten erwerben<br />

bzw. erweitern.<br />

Allen Lesern, die sich mit <strong>de</strong>r Thematik tiefer befassen<br />

wollen, sei das Buch <strong>de</strong>s früheren Leiters <strong>de</strong>r<br />

strategischen Führungsausbildung <strong>de</strong>r Schweizer<br />

<strong>Bund</strong>eskanzlei, Laurent F. Carrel, „Lea<strong>de</strong>rship in Krisen“,<br />

Zürich 2004, empfohlen. Prof. Dr. Carrel hat die<br />

Projektgruppe LÜKEX ermutigt, diese strategische<br />

Übungsreihe mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>r Einbindung <strong>de</strong>r Chefebene<br />

weiter zu entwickeln. In <strong>de</strong>r Schweiz hat bereits<br />

eine Übung auf <strong>Bund</strong>esebene mit <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>esrat<br />

(vergleichbar <strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>eskabinett) stattgefun<strong>de</strong>n.<br />

Diese Bewährungsprobe steht bei einer <strong>de</strong>r nächsten<br />

LÜKEX-Übungen noch an.<br />

Zum Autor: Dipl.Ing. Dietrich Läpke war von 2001 bis 2007 Leiter <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong> und Katastrophenhilfe<br />

(AKNZ) <strong>im</strong> BBK und verantwortlich für die Projektgruppe LÜKEX. Zuvor war er in leiten<strong>de</strong>r Funktion auf Lan<strong>de</strong>s- und <strong>Bund</strong>esebene<br />

<strong>im</strong> Technischen Hilfswerk tätig, seit En<strong>de</strong> 2007 arbeitet er <strong>im</strong> BMI.


Die strategische Be<strong>de</strong>utung von Krisenkommunikation 1<br />

Werner Baach / Ralf Burmeister<br />

Krisen und Katastrophen sind in hohem Maß durch<br />

Verunsicherung <strong>de</strong>r Bevölkerung gekennzeichnet. Sie<br />

sind zugleich Vorgänge von hohem „News-Wert“ und<br />

wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel von großem „Informationshunger“<br />

<strong>de</strong>r Medien begleitet. Dabei ist eine zunehmen<strong>de</strong><br />

Ten<strong>de</strong>nz zur „Skandaliserung, Konfliktakzentuierung<br />

und Emotionalisierung“ solcher Ereignisse erkennbar,<br />

stellt <strong>de</strong>r Schweizer Mediensoziologe Kurt Imhof<br />

2 in einer Untersuchung <strong>de</strong>r Wochenzeitung „Die<br />

Zeit“ fest. Ein anschauliches Beispiel dafür sei u.a.<br />

die teilweise hysterisch geführte Diskussion um die<br />

Vogelgrippe <strong>im</strong> Sommer 2005 gewesen, die gezeigt<br />

habe, wie sich „die Spirale medial-öffentlicher Erregung<br />

hochschaukeln“ könne, um dann schließlich in<br />

sich zusammenzubrechen. An<strong>de</strong>rerseits stellt <strong>de</strong>r Risikoforscher<br />

Peter Sandmann 3 in <strong>de</strong>mselben Beitrag<br />

fest, dass, sobald eine reale Gefahr eintrete, die Berichterstattung<br />

sachlich und beschwichtigend wer<strong>de</strong>,<br />

„<strong>de</strong>nn nun haben die Journalisten selbst Angst und<br />

versuchen, sich und ihre Leser zu beruhigen“. Wenn<br />

also in <strong>de</strong>n Medien plötzlich ein „staatstragen<strong>de</strong>r“<br />

Ton dominiere, wenn Verlautbarungen zitiert wür<strong>de</strong>n<br />

und „Alarmisten“ nicht mehr gefragt seien, dann läge<br />

eine echte Krise vor.<br />

Krisenkommunikation darf die mögliche Dynamik<br />

einer Krise nie unterschätzen. Krisenkommunikation<br />

ist <strong>de</strong>shalb ein unabdingbarer Bestandteil je<strong>de</strong>s<br />

staatlichen <strong>Krisenmanagement</strong>s. Dieses muss zu je<strong>de</strong>r<br />

Zeit die Rezeption einer Krisenlage durch die<br />

Bevölkerung sorgsam beobachten und entsprechend<br />

durch externe Krisenkommunikation mit <strong>de</strong>r Presse,<br />

<strong>de</strong>n Medien und <strong>de</strong>r Bevölkerung agieren. Diese<br />

Kommunikation muss von Anfang an als ein wesentlicher<br />

Teil <strong>de</strong>s strategischen <strong>Krisenmanagement</strong>s eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Deshalb verlangt die Vorsorge von<br />

<strong>de</strong>n Leitungen von Krisen- und Verwaltungsstäben<br />

ebenso wie von <strong>de</strong>n Sprechern/ Leitern <strong>de</strong>r Presse-<br />

und Öffentlichkeitsarbeit (PrÖA) in einer Krise eine<br />

sorgfältige Kommunikationsstrategie und, darauf aufbauend,<br />

Informationsplanung. Dies wird, nach unseren<br />

Erkenntnissen aus <strong>de</strong>r Übungsserie LÜKEX, noch<br />

nicht überall genügend erkannt und praktiziert, obwohl<br />

es genug Beispiele dafür gibt, wie sich gute,<br />

noch mehr aber schlechte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

auf das <strong>Krisenmanagement</strong> auswirken<br />

können. Die verheeren<strong>de</strong>, bis heute andauern<strong>de</strong><br />

Kritik an <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>r<br />

Hurrikan-Katastrophe von New Orleans 2005 ist nur<br />

ein Beispiel dafür.<br />

Hurrikan-Katastrophe in New Orleans <strong>im</strong> September 2005:<br />

Musterbeispiel für das Versagen <strong>de</strong>r Krisenkommunikation<br />

mit <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

145


146<br />

Wenn Krisen schon nur schwer vorhersehbar und<br />

schon gar nicht „planbar“ sind, so kann, ja muss Krisenkommunikation<br />

„in ruhiger Zeit“ vorausschauend<br />

vorbereitet wer<strong>de</strong>n: durch personelle, organisatorische<br />

und technische Maßnahmen ebenso wie durch<br />

Verhaltenstraining, zum Beispiel <strong>im</strong> Rahmen von<br />

Übungen. In <strong>de</strong>r kritischen, oft explosiven „Kernphase“<br />

einer Krise müssen Entscheidungen meist unter<br />

extremem Zeitdruck getroffen und Maßnahmen<br />

schnell umgesetzt und kommuniziert wer<strong>de</strong>n. In dieser<br />

Phase gehören die Verantwortlichen für die Presse-<br />

und Öffentlichkeitsarbeit (PrÖA) zu <strong>de</strong>n meist<br />

gefragten und am stärksten gefor<strong>de</strong>rten Personen.<br />

Wer dann vorausschauend Informationsstrategien<br />

Nur glaubwürdige Information schafft Vertrauen<br />

entwickelt, mögliche Krisenszenarien durchgespielt,<br />

Zuständigkeiten und Arbeitsabläufe festgelegt und<br />

<strong>de</strong>n Umgang mit Journalisten trainiert hat, ist darauf<br />

vorbereitet, Ängsten, Misstrauen und Spekulationen<br />

zu begegnen.<br />

Wer aber auf eine Krise nicht vorbereitet<br />

ist, <strong>de</strong>n überrollen die Medien; sie sind bei<br />

Ausbruch einer Krise sofort vor Ort, und<br />

das überall.<br />

Die Grundlinie einer glaubwürdigen Informationsstrategie muss lauten: sachliches<br />

Argumentieren und ehrliche Unterrichtung, verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m (durchaus legit<strong>im</strong>en<br />

emotionalen) Werben um Vertrauen in das <strong>Krisenmanagement</strong>.<br />

Einige Grundregeln sollten daher bei je<strong>de</strong>r Krisenkommunikation<br />

beachtet wer<strong>de</strong>n:<br />

Glaubwürdigkeit: Sie ist Grundbedingung je<strong>de</strong>r Krisenkommunikation.<br />

Einmal verspieltes Vertrauen<br />

zurück zu gewinnen ist schwer. Mängel und Fehler<br />

dürfen nicht verschwiegen wer<strong>de</strong>n; Abwiegeln,<br />

Beschönigen o<strong>de</strong>r gar Vertuschen verschärfen je<strong>de</strong><br />

Krise und höhlen das Vertrauen in das <strong>Krisenmanagement</strong><br />

aus.<br />

Vertrauen schaffen: Das Gefühl von Nicht-Wissen<br />

erzeugt Ohnmacht und Angst. Deshalb muss je<strong>de</strong><br />

Kommunikationsstrategie in <strong>de</strong>r Krise darauf zielen,<br />

Vertrauen in das <strong>Krisenmanagement</strong> zu schaffen. Am<br />

Beispiel <strong>de</strong>s Übungsszenarios in LÜKEX 2007, einer<br />

Influenza-Pan<strong>de</strong>mie, ver<strong>de</strong>utlicht, hieß das: Die Unvermeidbarkeit<br />

<strong>de</strong>r Pan<strong>de</strong>mie bewusst machen; alle<br />

vorbereiteten und getroffenen Maßnahmen zur Mil<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Pan<strong>de</strong>mieverlaufs aufzeigen; Vertrauen<br />

in die Arbeit <strong>de</strong>r Krisenstäbe gewinnen; das Gefühl<br />

<strong>de</strong>r Zusammengehörigkeit in schwieriger Situation<br />

erzeugen (Wir-Gefühl, Hilfsbereitschaft, Spontanhilfe,<br />

Solidarität). Aber auch <strong>de</strong>r Appell an die Eigenverantwortung<br />

je<strong>de</strong>s Einzelnen in einer Krise ist ein<br />

wichtiges Kommunikationsziel. Dabei müssen auch<br />

die nicht o<strong>de</strong>r kaum Deutsch sprechen<strong>de</strong>n Mitbürger<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n (interkulturelle Kommunikation).<br />

Agieren, nicht reagieren: In einer psychologisch<br />

schwierigen Krisensituation muss von Anfang an eine<br />

aktive Informationsarbeit angestrebt wer<strong>de</strong>n. Je aktueller<br />

und verlässlicher die „amtliche“ Information ist,<br />

<strong>de</strong>sto besser ist die Chance, dass sie in <strong>de</strong>n Medien<br />

präsent wird. Kommuniziert die Organisation nicht<br />

o<strong>de</strong>r nicht offen, zapfen Journalisten an<strong>de</strong>re, meist<br />

weniger zuverlässige Quellen an. Sind Informations<strong>de</strong>fizite<br />

bereits entstan<strong>de</strong>n, muss es das Ziel sein, die<br />

„Informationshoheit“ und das Vertrauen <strong>de</strong>r breiten<br />

Bevölkerung durch sachgerechte, offene Information<br />

zurück zu gewinnen.


Kommunikation ist Führung: Krisenkommunikation<br />

muss stets „Chefsache“ sein. Dieser Satz klingt banal,<br />

hat aber in <strong>de</strong>r Krise noch mehr Gewicht als<br />

schon <strong>im</strong> Routinebetrieb. Entscheidungsträger sind<br />

die wichtigsten Kommunikatoren; sie haben in <strong>de</strong>r<br />

Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit die „höchste<br />

Kompetenz“ – positiv wie negativ. Deshalb müssen<br />

sie von Anfang an in Kommunikationsstrategien und<br />

-konzepte eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Der Pressesprecher/<br />

die Pressesprecherin ist (und bleibt) in einer<br />

Krisenlage gewiss eine wichtige Kontaktperson, sie<br />

kann aber <strong>de</strong>n „Chef“ und <strong>de</strong>ssen Auftreten gegenüber<br />

Presse und Öffentlichkeit nicht ersetzen.<br />

Kommunikation braucht Netzwerke: Strategische<br />

Wirkung kann in einer Krise opt<strong>im</strong>al nur durch eine<br />

vernetzte, abgest<strong>im</strong>mte Informationspolitik unter<br />

Einschluss aller Ebenen (<strong>Bund</strong>, Län<strong>de</strong>r, kommunale<br />

Ebene, Organisationen, Verbän<strong>de</strong>, Unternehmen,<br />

u.a.) erreicht wer<strong>de</strong>n. Nachgeordnete Führungsebenen<br />

müssen in Entscheidungen und Maßnahmen<br />

eingebun<strong>de</strong>n und „mitgenommen“ wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Vernetzung von Verantwortlichen, Entscheidungsträgern,<br />

Spezialisten, Wissenschaftlern und das Erstellen<br />

sowie die Pflege entsprechen<strong>de</strong>r Datenbanken sind<br />

Aufgabe schon vor, jedoch spätestens zu Beginn einer<br />

Krise. Parallel dazu ist <strong>de</strong>r Aufbau und die Pflege<br />

eines „Netzwerks Medien“ wichtige Aufgabe <strong>de</strong>r Krisenvorsorge<br />

in „ruhigen“ Zeiten.<br />

Information braucht Koordination: Wichtige Informationsmaßnahmen<br />

sollten fortlaufend horizontal und<br />

vertikal abgest<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n, um so „mit einer St<strong>im</strong>me“<br />

sprechen zu können. Das gilt insbeson<strong>de</strong>re für<br />

zentrale Aussagen und „Kernbotschaften“, die von<br />

allen Beteiligten mitgetragen wer<strong>de</strong>n müssen. Das<br />

setzt voraus, dass vor, spätestens jedoch in <strong>de</strong>r Anfangsphase<br />

einer Krise die Koordinationsverfahren<br />

sowie die organisatorischen und technischen Voraussetzungen<br />

für einen zügigen Informationsaustausch<br />

geschaffen wer<strong>de</strong>n. Der Ausfall von Kommunikationswegen<br />

sollte einkalkuliert, Aushilfen für diesen<br />

Fall vorbereitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Medien als Partner gewinnen: Die Medien sind in einer<br />

Krise die wichtigsten „Mittler“ zur Öffentlichkeit.<br />

Sie wirken breit und sind „dicht an <strong>de</strong>n Menschen“.<br />

Deshalb muss es das Ziel sein, ihre Meinungsführer<br />

(Chefredakteure/ leiten<strong>de</strong> Redakteure usw.) durch<br />

möglichst umfassen<strong>de</strong> Hintergrundinformation in die<br />

„Verantwortung einzubin<strong>de</strong>n“ sowie die Journalisten<br />

„vor Ort“ während <strong>de</strong>r Krise über <strong>de</strong>n jeweiligen<br />

Stand so weit wie möglich zu informieren. Internet-<br />

Portale für Journalisten mit aktuellen Informationen<br />

entlasten die Pressestellen und unterstützen eine einheitliche<br />

Sprachregelung.<br />

Kommunikation braucht Vorbereitung:<br />

Je besser eine Organisation auf die Krise<br />

vorbereitet ist, <strong>de</strong>sto besser steht sie diese<br />

durch und <strong>de</strong>sto schneller erholt sie sich<br />

von ihr. Für die Krisenkommunikation<br />

heißt das: Kommunikationspläne<br />

entwickeln, gute organisatorische und<br />

technische Arbeitsbedingungen schaffen,<br />

das Personal sorgfältig auswählen und<br />

schulen, Verstärkungen einplanen.<br />

In <strong>de</strong>r Kernphase einer Krise gehören die Verantwortlichen<br />

für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu<br />

<strong>de</strong>n meist gefragten Personen. Ihre Arbeit darf nicht<br />

durch ungenügen<strong>de</strong> Vorbereitung und schlechte Arbeitsbedingungen<br />

beeinträchtigt wer<strong>de</strong>n. Vor allem<br />

aber muss Krisenkommunikation „geübt“ wer<strong>de</strong>n –<br />

ein Hauptanliegen <strong>de</strong>r LÜKEX-Übungen.<br />

147


148<br />

LÜKEX 2007: Bewährtes Übungskonzept für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Entsprechend <strong>de</strong>r strategischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r PrÖA<br />

bei <strong>de</strong>r Bewältigung komplexer Krisenlagen verlangte<br />

LÜKEX 2007 – wie auch schon LÜKEX 2005<br />

– „eine breit angelegte, abgest<strong>im</strong>mte aktive Öffentlichkeitsarbeit<br />

zur situationsgerechten Information<br />

<strong>de</strong>r Bevölkerung und Einsatzkräfte <strong>im</strong> Rahmen eines<br />

vorausschauen<strong>de</strong>n, ressortübergreifen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>s“<br />

sowie durchgängig eine „aktive Informationsarbeit“.<br />

Die hauptsächlichen Übungsziele<br />

waren <strong>im</strong> Grundlagendokument für die Übung, <strong>de</strong>m<br />

„Übungsrahmen“, wie folgt <strong>de</strong>finiert wor<strong>de</strong>n:<br />

� �������� ��� strategischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Pres-<br />

se- und Öffentlichkeitsarbeit <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Bewältigung extremer Scha<strong>de</strong>nsereignisse;<br />

� Abst<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>r Presse- und Öffentlichkeitsar -<br />

beit zwischen <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn;<br />

� ���� län<strong>de</strong>r- und bereichsübergreifen<strong>de</strong>r Presse-<br />

und Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Im Zuge <strong>de</strong>r Übungsvorbereitung wur<strong>de</strong> – neben<br />

zahlreichen individuellen Einweisungen und Einweisungen<br />

bei Workshops – vier Wochen vor <strong>de</strong>r Übung<br />

ein speziell entwickeltes zweitägiges Seminar „Strategische<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ be<strong>im</strong> BBK<br />

durchgeführt. Sein Zweck war es, das Personal PrÖA<br />

<strong>de</strong>r üben<strong>de</strong>n Stäbe zeitnah in die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

Übung einzuführen und es an ausgewählten Lagen<br />

für seine Aufgaben in <strong>de</strong>n Krisen-/ Verwaltungsstäben<br />

zu schulen. Auf Grund <strong>de</strong>r positiven Erfahrungen ist<br />

geplant, das Seminar zukünftigen LÜKEX-Übungen<br />

grundsätzlich voranzustellen, eventuell erweitert um<br />

wichtige psychologische und psychosoziale Aspekte<br />

<strong>de</strong>r Krisenkommunikation.<br />

Um während <strong>de</strong>r Übung <strong>de</strong>n üben<strong>de</strong>n Stäben ein<br />

möglichst realistisches Bild <strong>de</strong>r Medienlage und <strong>de</strong>n<br />

„Druck“ von Medien und Öffentlichkeit zu vermitteln,<br />

steuerte <strong>de</strong>r zentrale Steuerungsstab AHRWEILER fortlaufend<br />

umfangreiche fiktive „Übungsnachrichten“ in<br />

das Lagebild ein. Diese <strong>de</strong>ckten das gesamte Spektrum<br />

<strong>de</strong>r vielfältigen <strong>de</strong>utschen Medienlandschaft ab,<br />

von Übungszeitungen und Agenturmeldungen über<br />

spezielle Fernsehsendungen bis hin zu Anfragen von<br />

Journalisten und Bürgern an die Übungsstäbe. Die<br />

von <strong>de</strong>n Stäben erwarteten Maßnahmen reichten von<br />

<strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Medienlage über Empfehlungen<br />

und Entscheidungen zur Informationsarbeit, die Erarbeitung<br />

von Informationskonzepten bis hin zu <strong>de</strong>ren<br />

Umsetzung in Pressemitteilungen, Pressekonferenzen,<br />

Interviews und Statements und sonstige Maßnahmen<br />

(wie Internet-Websites und Bürgertelefon).<br />

Eine während <strong>de</strong>r Übung fortlaufend aktualisierten<br />

Website mit <strong>de</strong>n in die Übung eingespielten Übungsnachrichten<br />

vermittelte allen Übungsstäben je<strong>de</strong>rzeit<br />

ein aktuelles Bild <strong>de</strong>r Medienlage.<br />

Dreharbeiten für die LÜKEX Fernsehsendungen <strong>im</strong> Flughafen<br />

Hamburg


Drei vorbereitete Fernsehsendungen (LÜKEX TV)<br />

erwiesen sich als beson<strong>de</strong>rs geeignete Informationsmittel,<br />

um die Übungsstäbe schnell und umfassend<br />

in die Lageentwicklungen einzuführen und die Stabsarbeit<br />

anzustoßen.<br />

Das Steuerungskonzept PrÖA hat sich bewährt. Das<br />

<strong>im</strong> Steuerungsstab AHRWEILER gebil<strong>de</strong>te Presse-<br />

und Informationszentrum (PIZ) umfasste neben <strong>de</strong>r<br />

Leitung zehn Journalisten, die – aufgeteilt nach Ressorts<br />

und teilnehmen<strong>de</strong>n <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>rn – über 200<br />

auf die Lageentwicklung abgest<strong>im</strong>mte Presseartikel<br />

verfassten und über das als „Presseportal“ genutzte<br />

System <strong><strong>de</strong>NIS</strong> I einspielten.<br />

Dieses Verfahren hat sich als sehr geeignet erwiesen,<br />

die Übungsmedienlandschaft für Übungsteilnehmer<br />

und Übungssteuerung „in Echtzeit“ bereitzustellen.<br />

Die Pressemeldungen und Kommentare wur<strong>de</strong>n<br />

durch zahlreiche Anfragen <strong>de</strong>r Journalisten an die<br />

Übungsstäbe und durch das erneute Reagieren auf<br />

Maßnahmen <strong>de</strong>r Übungsstäbe (zum Beispiel das Umsetzen<br />

von Pressemitteilungen in Nachrichten und<br />

Kommentare) vervollständigt. Das Prinzip <strong>de</strong>r Steuerung<br />

<strong>de</strong>r PrÖA zeigt die Grafik „Regelkreis Kommunikation“<br />

auf Seite 151. Bei sparsamem, effektivem<br />

Einsatz von Personal und Mitteln war es so möglich,<br />

<strong>de</strong>n Übungsstäben ein weitgehend realitätsnahes Medienbild<br />

in <strong>de</strong>r sich entwickeln<strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>mie-Krise<br />

zu vermitteln und ausreichen<strong>de</strong>n „Mediendruck“<br />

aufzubauen. Dennoch ist davon auszugehen, dass<br />

in einer wirklichen Krise <strong>de</strong>r Informationsdruck <strong>de</strong>r<br />

Medien und aus <strong>de</strong>r Öffentlichkeit auf die Stäbe noch<br />

weit höher sein wür<strong>de</strong> als dies in <strong>de</strong>r Übung s<strong>im</strong>uliert<br />

wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Die LÜKEX-Medienlandschaft baut „Mediendruck“ auf … und die Reaktion – eine Auswahl <strong>de</strong>r Presseaktivitäten <strong>de</strong>r<br />

Übungsstäbe<br />

149


150<br />

Wichtigste Erkenntnis: Planung und Übung machen <strong>de</strong>n Meister<br />

Die als Übungsziel gefor<strong>de</strong>rte „aktive Presse- und<br />

Informationsarbeit“ wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Stabsarbeit weitgehend<br />

erfüllt. Die Sprecherbereiche / Stabsstellen<br />

PrÖA waren gut in die Gesamtarbeit <strong>de</strong>r Stäbe und<br />

Organisationen integriert; ihre Arbeit war durchgängig<br />

professionell.<br />

Die Abst<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>r PrÖA wur<strong>de</strong> gegenüber früheren<br />

Übungen bei LÜKEX 2007 weiter verbessert.<br />

Dennoch waren auch Lücken in <strong>de</strong>r gegenseitigen<br />

Information und <strong>de</strong>r Koordination zu beobachten.<br />

Hier wird Entwicklungspotenzial gesehen, zum Beispiel<br />

durch frühzeitiges Einrichten und Einspielen<br />

von Kommunikationsverbindungen und -verfahren<br />

zwischen <strong>de</strong>n hauptbeteiligten Stäben und Ressorts.<br />

Im Zuge <strong>de</strong>r Übungsauswertung ist zu<strong>de</strong>m angeregt<br />

wor<strong>de</strong>n, über eine geschlossene Website wichtige<br />

Informationen zur bereichsübergreifen<strong>de</strong>n Informationskoordination<br />

(z.B. Beurteilung <strong>de</strong>r Medienlage,<br />

Informationsplanungen, Pressemitteilungen, Statements,<br />

Pressekonferenzen u.a.) bereitzustellen. Es<br />

wird überlegt, ein solches Portal bei LÜKEX 2009<br />

versuchsweise zu erproben.<br />

LÜKEX 07: Übungspressezentrum<br />

Redaktionskonferenz <strong>im</strong> Übungspressezentrum LÜKEX 07<br />

Krisen stellen an das Personal <strong>de</strong>r Stabsbereiche<br />

PrÖA hohe physische und psychische Anfor<strong>de</strong>rungen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn infolge hohen „Mediendrucks“<br />

intensive Beratung <strong>de</strong>r Stäbe, Planung,<br />

Abst<strong>im</strong>mung und schnelle Durchführung von Informationsmaßnahmen<br />

sowie die Beantwortung zahlreicher<br />

Medienanfragen erfor<strong>de</strong>rlich sind. In Anbetracht<br />

<strong>de</strong>r Tatsache, dass das Personal PrÖA – wie auch die<br />

Übung wie<strong>de</strong>r gezeigt hat – vielfach eine „Engpassressource“<br />

ist, wird dringend empfohlen, Vorsorge<br />

für eine personelle Aufstockung zu treffen. Die Erfahrung<br />

hat gezeigt, dass zum Beispiel aus <strong>de</strong>n Bereichen<br />

<strong>de</strong>r Polizei und <strong>de</strong>r Feuerwehren gutes Personal<br />

für Verstärkungen rekrutiert wer<strong>de</strong>n könnte.<br />

Wie in an<strong>de</strong>ren Stabsbereichen auch, bedarf das Personal<br />

PrÖA <strong>de</strong>r kontinuierlichen Aus- und Weiterbildung<br />

in Fragen <strong>de</strong>r strategischen Krisenkommunikation.<br />

Das in Vorbereitung auf LÜKEX 2007 entwickelte<br />

Seminar „Strategische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“<br />

könnte nach Auffassung <strong>de</strong>r Verfasser als ein<br />

Baustein zur Schulung <strong>de</strong>s Leitungspersonals PrÖA<br />

(Pressesprecher, Leiter <strong>de</strong>r Öffentlichkeitsarbeit u.a.)<br />

weiterentwickelt und über die Vorbereitungen auf<br />

LÜKEX hinaus generell zur Weiterbildung genutzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Es kann aber die ständige Aus- und Weiterbildung<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Schulung <strong>de</strong>r Krisen-/ Verwaltungsstäbe<br />

nicht ersetzen.


Krisenkommunikation kann nicht in ein festes Schema<br />

gepresst wer<strong>de</strong>n, je<strong>de</strong> Krise hat eigene Charakteristiken<br />

und Abläufe, die starren Verfahrensfestlegungen<br />

bei <strong>de</strong>r Kommunikation entgegenstehen.<br />

Dennoch können Arbeitshilfen zur Krisenkommunikation<br />

(Leitfä<strong>de</strong>n, Krisenkommunikationspläne, Kommunikationshandbücher<br />

für Krisen u.a.) hilfreiche<br />

Organisationsmittel sein und die Stabsbereiche PrÖA<br />

in einer Krise von Routineaufgaben entlasten. In solchen<br />

Arbeitshilfen könnte beispielsweise geregelt<br />

wer<strong>de</strong>n: Personalkonzepte, einschließlich eventueller<br />

Verstärkungsplanungen; Funktions- und Aufgabenfestlegungen;<br />

Arbeitsorganisation, einschließlich<br />

<strong>de</strong>r Kommunikationsmittel; eventuell „Schlüsselbotschaften“,<br />

die in <strong>de</strong>r Krise vermittelt wer<strong>de</strong>n sollen;<br />

wichtige Ansprechpartner usw. 4<br />

Verglichen mit <strong>de</strong>r Presse- und Medienarbeit ist die<br />

direkte Information <strong>de</strong>r Bevölkerung (Bürgertelefone,<br />

Callcenter, Internetseiten u.a.) nicht in gleicher<br />

Intensität geübt wor<strong>de</strong>n. Bei LÜKEX 2009 soll dieser<br />

Bereich – zumin<strong>de</strong>st punktuell – stärker in das<br />

Übungskonzept einbezogen wer<strong>de</strong>n, um belastbare<br />

Erkenntnisse über seine Funktionsfähigkeit zu gewinnen.<br />

Im Bereich <strong>de</strong>r Risiko- und Krisenkommunikation <strong>im</strong><br />

Pan<strong>de</strong>miefall wur<strong>de</strong> die Informationsarbeit auf <strong>de</strong>r<br />

Zentraler Steuerungsstab<br />

Gruppe PrÖA<br />

Einspielungen:<br />

Journalistenanfrage, Agenturmeldung,<br />

Medienbericht usw.<br />

Neuer Zyklus beginnt<br />

Auswertung durch<br />

Steuerungsstab Gruppe PrÖA<br />

neue Einspielung<br />

Regelkreis Kommunikation<br />

4<br />

Voraussetzung:<br />

keine Unterbrechung<br />

<strong>de</strong>s Regelkreises<br />

3a<br />

Grundlage <strong>de</strong>s <strong>de</strong>m Nationalen Pan<strong>de</strong>mieplan angehängten<br />

Dokuments „<strong>Bund</strong>-Län<strong>de</strong>r-Konzept zur<br />

Risiko- und Krisenkommunikation <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Influenza-Pan<strong>de</strong>mieplanung“ (Entwurf, Stand: 26.<br />

Juli 2007) durchgeführt. Der Entwurf hat sich als gute<br />

Grundlage für die Endfassung <strong>de</strong>s Konzepts und <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung darauf aufbauen<strong>de</strong>r Detailmaßnahmen<br />

erwiesen. Das Konzept befasst sich naturgemäß mit<br />

<strong>de</strong>r Kommunikation <strong>im</strong> Gesundheitsbereich <strong>im</strong> Pan<strong>de</strong>miefall.<br />

Wegen <strong>de</strong>r aber weit über <strong>de</strong>n Gesundheitsbereich<br />

hinausreichen<strong>de</strong>n Auswirkungen einer<br />

Pan<strong>de</strong>mie wird angeregt, in <strong>de</strong>n allgemeinen Notfallplanungen<br />

<strong>de</strong>r Ressorts und Behör<strong>de</strong>n (Inneres,<br />

Verkehr, Ernährung, Wirtschaft, Landwirtschaft u.a.)<br />

die Informationskonzepte auf ihre Eignung für <strong>de</strong>n<br />

Pan<strong>de</strong>miefall zu prüfen und, sofern erfor<strong>de</strong>rlich, anzupassen.<br />

Eine aktive reale Pressearbeit bei LÜKEX 2007 hat<br />

das Bewusstsein <strong>de</strong>r Öffentlichkeit für die Be<strong>de</strong>utung<br />

vorsorgen<strong>de</strong>r Maßnahmen <strong>de</strong>s Staates <strong>im</strong> strategischen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong> geschärft und Vertrauen<br />

in das Han<strong>de</strong>ln aller Akteure gestärkt. Sie sollte bei<br />

zukünftigen Übungen – abgest<strong>im</strong>mt auf das jeweilige<br />

Übungsszenario – grundsätzlich beibehalten wer<strong>de</strong>n<br />

und könnte ggf. dadurch intensiviert wer<strong>de</strong>n, dass<br />

Pressevertreter gezielt in Vorbereitung und Durchführung<br />

<strong>de</strong>r Übung eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

1<br />

5<br />

Krisenstab/ Verwaltungsstab<br />

Beurteilung PrÖA-Lage<br />

Entscheidung<br />

Weisung<br />

PrÖA-Stab<br />

Konzepte/ Durchführung<br />

PrÖA-Maßnahmen<br />

(z.B. Pressemitteilung)<br />

3b<br />

Steuerungselement PrÖA<br />

be<strong>im</strong> Übungsstab<br />

Auswerten Maßnahmen –<br />

Nachsteuern „vor Ort“ –<br />

Weitergabe an Zentralen Steuerungsstab<br />

Gruppe PrÖA<br />

2<br />

151


152<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Krisen wer<strong>de</strong>n sich auch künftig ereignen,<br />

und die Vorwarnzeit für Medien und Öf-<br />

fentlichkeit kann dann <strong>de</strong>nkbar kurz sein.<br />

Je besser die Stäbe aller Ebenen und Be-<br />

reiche sich vorbereiten, <strong>de</strong>sto wahrschein-<br />

licher können sie die Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>r Krisenkommunikation bewältigen.<br />

Sorgfältige Auswahl <strong>de</strong>s Personals, ausreichen<strong>de</strong> Personalstärken,<br />

regelmäßiges Training, Pflege von Netzwerken<br />

und das Schaffen guter Arbeitsbedingungen<br />

für die Stabsstellen PrÖA sind dafür wichtige Voraussetzungen.<br />

Entschei<strong>de</strong>nd aber ist, dass sich in <strong>de</strong>n<br />

Stäben selbst sowie zwischen <strong>de</strong>n <strong>im</strong> fö<strong>de</strong>ralen System<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esrepublik han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Akteuren eine<br />

vertiefte Zusammenarbeit auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Kommunikation<br />

mit <strong>de</strong>r Öffentlichkeit herausbil<strong>de</strong>t und<br />

dass die „Entscheidungsträger“ sich als die wichtigsten<br />

„Kommunikatoren“ in die Krisenkommunikation<br />

einbringen. LÜKEX 2007 hat dazu beigetragen, das<br />

Verständnis für die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Krisenkommunikation<br />

zu stärken. Bei LÜKEX 2009 sollen durch eine<br />

weitere Verfeinerung <strong>de</strong>s Konzepts die Übungsmöglichkeiten<br />

für die PrÖA weiter ausgebaut wer<strong>de</strong>n.<br />

Sachstandsinformation zu „Krisenkommunikation – Leitfa<strong>de</strong>n für Behör<strong>de</strong>n und Unternehmen“,<br />

Herausgeber <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern, Referat KM 1<br />

Der 74 Seiten umfassen<strong>de</strong> Leitfa<strong>de</strong>n untersucht in seinem Teil A in systematischer Betrachtung<br />

umfassend die Bereiche „Krise und Krisenkommunikation“. Dabei wer<strong>de</strong>n u.a. <strong>de</strong>r Begriff Krisenkommunikation<br />

<strong>de</strong>finiert, Handlungsphasen <strong>de</strong>r Krisenkommunikation dargestellt, die Zielgruppen<br />

betrachtet, Empfehlungen für die Krisenkommunikationsplanung angeboten sowie die<br />

wesentlichen Aufgaben <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Krisenkommunikation beschrieben. Die Teile B bis D<br />

geben ergänzend wertvolle praktische Hilfen und Handlungsempfehlungen für die Krisenkommunikation<br />

als wesentlichem Teil <strong>de</strong>s Gesamtkrisenmanagements.<br />

Der Leitfa<strong>de</strong>n kann bezogen wer<strong>de</strong>n über: Publikationsversand <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung, Postfach<br />

48 10 09, 18132 Rostock, eMail: Publikationen@bun<strong>de</strong>sregierung.<strong>de</strong> – o<strong>de</strong>r per Download <strong>im</strong><br />

Internet auf <strong>de</strong>r Homepage <strong>de</strong>s BMI (www.bmi.bund.<strong>de</strong>).<br />

Zu <strong>de</strong>n Autoren: Werner Baach und Ralf Burmeister sind als Medienberater tätig. Sie sind seit 2005 in <strong>de</strong>r Projektgruppe LÜK-<br />

EX für Konzeption, Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Medien-, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

verantwortlich.


1 Das Dokument „Auskunftsunterlage <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern“, Stabsbereich KM, Stand: Mai<br />

2008, <strong>de</strong>finiert <strong>de</strong>n Begriff Krisenkommunikation wie folgt: „Alle kommunikativen Aktivitäten, die in Zusammenhang mit einer<br />

Krisensituation durchgeführt wer<strong>de</strong>n zur Verhin<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Begrenzung von Vertrauensverlust, Imageeinbußen usw. In <strong>de</strong>r<br />

Praxis be<strong>de</strong>utet Krisenkommunikation die klare Zuordnung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sowie eine klare<br />

Kommunikationslinie für ein inhaltlich und argumentativ einheitliches Auftreten. Dazu bedarf es auch <strong>de</strong>r Einigung darüber,<br />

wie Medien bei <strong>de</strong>r Aufarbeitung <strong>de</strong>r Krise eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n sollen.“ Unter <strong>de</strong>m Begriff „externe Krisenkommunikation“<br />

wird <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r öffentlichen Sicherheit allgemein die kommunikative Interaktion zwischen Staat (Behör<strong>de</strong>n), Medien und<br />

Bürgern verstan<strong>de</strong>n.<br />

In diesem Sinne wird <strong>de</strong>r Begriff Krisenkommunikation in diesem Beitrag <strong>im</strong> Wesentlichen <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>r Definition von<br />

Albert Oeckl gebraucht als das „bewusste, geplante und dauern<strong>de</strong> Bemühen, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen<br />

in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit aufzubauen und zu pflegen. Das Wort Öffentlichkeitsarbeit als die geeignetste <strong>de</strong>utsche Wortbildung<br />

für Public Relations drückt ein Dreifaches aus: Arbeit in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit, Arbeit für die Öffentlichkeit, Arbeit mit <strong>de</strong>r Öffentlichkeit.“<br />

– Albert Oeckl,: Handbuch <strong>de</strong>r Public Relations. Hamburg, 1964, S. 43.<br />

2 In einem Beitrag <strong>de</strong>r Wochenzeitung „Die Zeit“, Nr. 26 vom 19.06.2008, Seiten 26 f., „Die Konjunktur <strong>de</strong>r Ängste“. Imhof führt<br />

dort weiter aus, dass Katastrophen „sich ausgezeichnet visualisieren [lassen], und sie schaffen Betroffenheit aufseiten <strong>de</strong>s<br />

Publikums, die wie<strong>de</strong>r effektvoll bewirtschaftet wer<strong>de</strong>n kann“.<br />

3 a.a.O. S. 26<br />

4 Ba<strong>de</strong>n-Württemberg hat ein „Handbuch Krisenkommunikation“ eingeführt sowie für die externe und interne Kommunikation<br />

in Krisensituationen <strong>im</strong> Internet seit 2003 einen Son<strong>de</strong>r-Informationsdienst (www.infodienst-bw.<strong>de</strong>) eingerichtet.<br />

Das <strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern hat eine Arbeitshilfe "Krisenkommunikation – Leitfa<strong>de</strong>n für Behör<strong>de</strong>n und Unternehmen"<br />

erarbeitet, <strong>de</strong>r wertvolle Anregungen und Hilfen für die Erarbeitung von auf die Bedürfnisse <strong>de</strong>r jeweiligen Organisation<br />

ausgerichteten Leitfä<strong>de</strong>n gibt. Dazu führt <strong>de</strong>r Leitfa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s BMI aus: Er soll „<strong>de</strong>n für die Krisenkommunikation<br />

verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Behör<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Erhebung, Analyse und Opt<strong>im</strong>ierung<br />

<strong>de</strong>r externen und internen Krisenkommunikation und ihrer Strukturen eine Orientierungshilfe sein, Akzeptanz für die beson<strong>de</strong>ren<br />

Maßnahmen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s innerhalb <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> schaffen, und damit auch einen Beitrag zur Stärkung <strong>de</strong>s<br />

Bewusstseins für Krisenkommunikation auf allen Ebenen liefern“. Näheres zum Leitfa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s BMI enthält <strong>de</strong>r Hinweis <strong>im</strong><br />

Kasten auf Seite 152.<br />

153


154<br />

Sozialwissenschaftliche Aspekte <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

in Übung und Einsatz<br />

Prof. Dr. Wolf R. Dombrowsky / Dipl. Psych. Horst Schuh<br />

Management ist, unbescha<strong>de</strong>t mo<strong>de</strong>rnster Instrumente,<br />

nach wie vor Opt<strong>im</strong>ierung und Steuerung <strong>de</strong>r Mittel,<br />

die zur Erreichung gesteckter Ziele erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sind. Doch leitete es in die Irre, „<strong>Krisenmanagement</strong>“<br />

als Opt<strong>im</strong>ierung und Steuerung jener Mittel zu <strong>de</strong>finieren,<br />

die zur Überwindung einer Krise erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sind. „Krise“ ist nichts Gegenständliches, das wie ein<br />

Werkstück i<strong>de</strong>ntifiziert und bearbeitet wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Krise ist ein Erlebnis, eine Wahrnehmungsqualität,<br />

eine Art „Überschattung“ allen Fühlens und Han<strong>de</strong>lns,<br />

also auch von „Management“ selbst.<br />

Am besten stellt man sich Krise als<br />

Entkoppelungsvorgang vor: Aus Interagie-<br />

ren<strong>de</strong>n und ihren Interaktionen wer<strong>de</strong>n<br />

Agieren<strong>de</strong> und Aktionen, die <strong>im</strong>mer<br />

weniger miteinan<strong>de</strong>r zu tun haben.<br />

Solange Interagieren<strong>de</strong> und Interaktionen gekoppelt<br />

sind, was in <strong>de</strong>r Alltagssprache als „Normalität” bezeichnet<br />

wird, han<strong>de</strong>ln Menschen untereinan<strong>de</strong>r wie<br />

auch mit ihren kulturellen Artefakten, z.B. technischen<br />

Geräten, in beständigen Bezugsschleifen. Man<br />

kann dies kybernetisch als Regelkreis bezeichnen<br />

o<strong>de</strong>r als Kooperation und Kommunikation <strong>im</strong> weitesten<br />

Sinne. Immer fin<strong>de</strong>t eine Bezug nehmen<strong>de</strong>,<br />

wechselseitige Beeinflussung statt, durch die letztlich<br />

„Funktionieren“ erreicht wird. Krisenhaft erscheint<br />

uns unsere Welt erst, wenn unsere Maßnahmen <strong>im</strong>mer<br />

weniger o<strong>de</strong>r nicht mehr das erreichen, was wir<br />

als Funktionieren erwarten. Wer diesen Vorgang von<br />

Entkoppelung wahrn<strong>im</strong>mt, spürt, dass er die Kontrolle<br />

verliert, dass sein Han<strong>de</strong>ln und Mühen nicht<br />

mehr erreicht, was es soll. Insofern ist Krise zuvör<strong>de</strong>rst<br />

Bedrohung von I<strong>de</strong>ntität und Existenz: Versage<br />

ich? Scheitere ich?<br />

Die erste Phase <strong>de</strong>s Krisenhaften ist von diesem bedrohlichen<br />

Entkoppelungsvorgang charakterisiert.<br />

Seine Dauer indiziert <strong>de</strong>n Verstörungsgrad und damit<br />

die Schwere <strong>de</strong>r Krise, in <strong>de</strong>r sich die agieren<strong>de</strong>n Personen<br />

befin<strong>de</strong>n. Die zweite Phase setzt ein, wenn die<br />

Agieren<strong>de</strong>n realisiert haben, dass ihr bisheriges Han<strong>de</strong>ln<br />

mit nichts mehr interagiert und somit keinerlei<br />

Wirkung, am wenigsten eine positive, hilfreiche, hervorbringt.<br />

Dem folgt die dritte Phase <strong>de</strong>r Reorganisation<br />

hin auf ein neues Interaktionsniveau, auf <strong>de</strong>m<br />

sich an die äußeren Abläufe so koppeln lässt, dass<br />

wie<strong>de</strong>r gewünschte Effekte erzielt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Ist dies erreichbar, gewinnen die Betroffenen ihre<br />

Souveränität zurück, wird dies nicht erreicht, erleben<br />

sie sich als hilflos und unnütz bis zur existenziellen<br />

Bedrohung.<br />

„<strong>Krisenmanagement</strong>“ ist in erster Linie die Fähigkeit,<br />

nicht mehr wirksame Umgangsweisen mit <strong>de</strong>r Realität<br />

aufgeben und auf neue, situativ besser angemessene<br />

Umgangsweisen umschalten zu können. Dies kann<br />

aber nur gelingen, wenn entsprechen<strong>de</strong> Kenntnisse<br />

und Ressourcen vorhan<strong>de</strong>n und mobilisierbar sind.


Von „Krisenmanagern“ erwartet man, dass sie über<br />

<strong>de</strong>rartige Kenntnisse und Ressourcen verfügen und<br />

dass sie je<strong>de</strong>rzeit in <strong>de</strong>r Lage sind, bei<strong>de</strong> bestmöglich<br />

zum Einsatz zu bringen. Von daher muss „<strong>Krisenmanagement</strong>“<br />

vor allem Vorbereitung auf Entkoppelungsrisiken<br />

sein, sowohl intellektuell wie psychisch,<br />

zugleich aber auch materiell, in Form vorgehaltener<br />

Entsatzressourcen, und als <strong>de</strong>ren gekonnte Mobilisierung<br />

(Warnung und Alarmierung) und Anwendung<br />

(Ausbildung, Training und Übung). Folgerichtig ist<br />

Entkoppelung zwangsläufig, wenn we<strong>de</strong>r materieller<br />

Entsatz mobilisiert noch kompetent und psychisch<br />

stabil angewandt wer<strong>de</strong>n kann. Dieses Ausfallrisiko<br />

<strong>de</strong>s menschlichen Faktors stellt sich zumeist entlang<br />

<strong>de</strong>r gesellschaftlichen Verteilung <strong>de</strong>r Mobilisierungschancen<br />

materieller und psychisch-kognitiver Ressourcen.<br />

Betrachtet man die reale Verfügbarkeit bei<strong>de</strong>r Ressourcen,<br />

steht es um die Krisenbewältigungskapazitäten<br />

unserer Gesellschaft schlecht, weil bei anwachsen<strong>de</strong>n<br />

Krisen das Verhältnis zwischen Entkoppelungen und<br />

situativer Koppelungsfähigkeit entsprechend ungünstiger<br />

wird. Vor allem flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>, systemische<br />

Ausfälle führen dazu, dass nicht nur die regulären<br />

Ressourcen von Gesellschaft (Ver- und Entsorgungssysteme,<br />

Infrastruktur, Verkehre, Kommunikation)<br />

knapper wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch die davon weitgehend<br />

abhängigen materiellen Entsatzressourcen. Deren<br />

Knappheit bewirkt dann auch Entkoppelungen<br />

bei <strong>de</strong>n Krisenmanagern, so dass <strong>de</strong>n realen Opfern<br />

schwerer geholfen wer<strong>de</strong>n kann und die mittelbar<br />

Betroffenen <strong>im</strong>mer länger aus eigener Kraft ausharren<br />

müssen.<br />

Ein Ausharren aus eigener Kraft jedoch erfor<strong>de</strong>rt<br />

zumin<strong>de</strong>st basale Mobilisierungschancen von nützlichen<br />

Ressourcen, weswegen zunehmend Selbsthilfekapazitäten<br />

gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Solange <strong>de</strong>rartige Selbsthilfekapazitäten nicht o<strong>de</strong>r<br />

nur min<strong>im</strong>al verfügbar sind, muss gefragt wer<strong>de</strong>n,<br />

wie Menschen auf sachlich unbeantwortbare Entkoppelungen<br />

reagieren wer<strong>de</strong>n? Bedauerlicherweise besteht<br />

dazu eine ernste Kenntnislücke, die zu<strong>de</strong>m auch<br />

noch mit Mutmaßungen über Reaktionen gefüllt wird,<br />

die bislang keinen empirischen Gehalt haben. So wird<br />

vermutet, dass sich vor allem Panik breit macht, dass<br />

Menschen massenhaft unvernünftig, asozial und sogar<br />

kr<strong>im</strong>inell reagieren. Tatsächlich aber ist dies alles<br />

nicht <strong>de</strong>r Fall, treten besagte Abweichungen max<strong>im</strong>al<br />

in Größenordnungen unterhalb 3 Prozent auf, während<br />

sich über 80 Prozent aller betroffenen Personen<br />

„normal“ verhalten, zumeist sogar „pro-aktiv“. Kaum<br />

ein Übungsszenario malt jedoch Bevölkerungsreaktionen<br />

in diesen positiven Farben: als Spontanhilfe,<br />

als mobilisierbare Ressource <strong>de</strong>r „Tausend Hän<strong>de</strong>“,<br />

als Fundus für Solidarität, Information, Wachsamkeit<br />

und sozialen Zusammenhalts. Im Gegenteil: Bevölkerung<br />

ist <strong>im</strong>mer synonym mit Massenhysterie, Gerücht,<br />

Aggressivität, Hamstern, Plün<strong>de</strong>rn und allem<br />

an<strong>de</strong>ren abweichen<strong>de</strong>n Verhalten, für das sonst nur<br />

das Strafgesetzbuch zuständig ist.<br />

155


156<br />

…es ist sinnvoll, die „Tausend Hän<strong>de</strong>“ <strong>de</strong>r Bevölkerung klug zu machen…<br />

Kaum eine Übung entwickelt Szenari-<br />

en, in <strong>de</strong>nen neue, positive Koppelungen<br />

erprobt wer<strong>de</strong>n können, die das bewirken,<br />

was großflächige und systemische Ausfälle<br />

zukünftig brauchen: Die Vernetzung von<br />

materiellen Entsatzressourcen mit huma-<br />

nen Ressourcen, mit Solidarität, Wohlwol-<br />

len, Nachbarschaft und Befreundung.<br />

Alle Betroffenen wissen, was normativ erwünscht<br />

ist und was situativ nützlich wäre. Also trifft zumeist<br />

das richtige Wollen auf einen (<strong>de</strong>rzeit noch) bestehen<strong>de</strong>n<br />

Mangel an materiellen Ressourcen und an<br />

Können. Die materiellen Ressourcen benötigen ein<br />

breites Können, und es steht zu vermuten, dass <strong>de</strong>ssen<br />

Träger, die organisierten „Krisenmanager“, selbst<br />

Betroffene wer<strong>de</strong>n (vor allem bei Pan<strong>de</strong>mien). Also<br />

ist es sinnvoll, die „Tausend Hän<strong>de</strong>“ <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

klug zu machen, damit sie selbst Entsatzressource<br />

wer<strong>de</strong>n können. Diesen Versuch unternahm man<br />

bereits bei LÜKEX 2007, bei <strong>de</strong>r neben Szenarien <strong>de</strong>s<br />

Negativverhaltens, wie z. B. Gerüchte, Desinformation,<br />

Plün<strong>de</strong>rn, auch Vorbil<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Mittelpunkt stan<strong>de</strong>n,<br />

die wie „die Hel<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Alltags“ zum Einen noch <strong>im</strong>mer<br />

empirisch vorherrschend sind und die zum An<strong>de</strong>ren<br />

normativ <strong>im</strong>mer dringlicher wer<strong>de</strong>n. Deshalb<br />

sollte man <strong>de</strong>n Weg, kopplungsfähige menschliche<br />

Ressourcen zu mobilisieren, auch bei LÜKEX 2009<br />

weiter beschreiten.<br />

Zu <strong>de</strong>n Autoren: Prof.Dr. Wolf R. Dombrowsky ist Professor für Katastrophenmanagement an <strong>de</strong>r Steinbeis Universität Berlin;<br />

er ist u.a. Mitglied <strong>de</strong>r Schutzkommission be<strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esminister <strong>de</strong>s Innern (BMI); Dipl.Psych. Horst Schuh, ehemals Professor<br />

an <strong>de</strong>r Fachhochschule <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es für öffentliche Verwaltung, ist u.a. ständiger Gast <strong>de</strong>r Schutzkommission be<strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esminister<br />

<strong>de</strong>s Innern; er war Fachberater für psychologische Fragen bei LÜKEX 2007.


LÜKEX 2007: Wichtige Erkenntnisse für<br />

strategisches <strong>Krisenmanagement</strong> und nationale<br />

Pan<strong>de</strong>mieplanung<br />

Botho von Schrenk / Wolfgang Grambs<br />

Die strategische <strong>Krisenmanagement</strong>übung LÜK-<br />

EX 2007 wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> November 2007 durchgeführt.<br />

Grundlegen<strong>de</strong> Übungsannahme war eine Influenza-<br />

Pan<strong>de</strong>mie, in <strong>de</strong>r ein mittelschweres Pan<strong>de</strong>mieszenario<br />

gewählt wur<strong>de</strong>, um die weit reichen<strong>de</strong>n gesamtgesellschaftlichen<br />

Auswirkungen (<strong>im</strong> Wesentlichen:<br />

Gesundheitswesen, Versorgung und Transport, öffentliche<br />

Sicherheit, Banken) darzustellen und ein<br />

bereichs- und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong><br />

zu üben.<br />

Mit bloßem Auge nicht zu erkennen: ein Influenza-Virus unter<br />

<strong>de</strong>m Mikroskop<br />

Mit <strong>de</strong>r Teilnahme <strong>de</strong>r „Kernübungslän<strong>de</strong>r“ Bremen,<br />

Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-<br />

Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat<br />

sich <strong>de</strong>r Kreis <strong>de</strong>r beübten Län<strong>de</strong>r geschlossen. Alle<br />

sechzehn <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>r haben seit 2004 damit min<strong>de</strong>stens<br />

einmal <strong>im</strong> System LÜKEX geübt. Auf Seiten<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es wur<strong>de</strong> mit elf teilnehmen<strong>de</strong>n Ressorts,<br />

<strong>de</strong>m <strong>Bund</strong>eskanzleramt, <strong>de</strong>m Presse- und Informationsamt<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung und <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esbank<br />

nahezu das gesamte Spektrum <strong>de</strong>r ressortübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Zusammenarbeit abgebil<strong>de</strong>t. Die Teilnahme<br />

von mehr als fünfzig Unternehmen, Verbän<strong>de</strong>n<br />

und Organisationen mit zum Teil eigenständigen<br />

Übungsinhalten war Ausdruck <strong>de</strong>r weit reichen<strong>de</strong>n<br />

Betroffenheit von Schlüsselbereichen <strong>de</strong>r kritischen<br />

Infrastrukturen durch das Übungsszenario. Die Beteiligung<br />

wichtiger internationaler Gremien <strong>de</strong>s Gesundheitswesens<br />

– EU-Kommission, European Centre<br />

for Disease Prevention and Control (ECDC) und<br />

World Health Organisation (WHO) – in Form von<br />

Reaktionsgruppen - ver<strong>de</strong>utlichte die über eine rein<br />

nationale Betroffenheit hinausreichen<strong>de</strong> D<strong>im</strong>ension<br />

einer Pan<strong>de</strong>mie. Die bereichs- und ebenenübergreifen<strong>de</strong><br />

„Grundaufstellung“ für die Übung war die Voraussetzung<br />

dafür, allen Beteiligten die Notwendigkeit<br />

eines möglichst geschlossenen bun<strong>de</strong>seinheitlichen<br />

Vorgehens bei einer flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n und lange<br />

anhalten<strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>nslage bewusst zu machen.<br />

157


158<br />

Anlage zur Herstellung eines Grippe-Impfstoffes<br />

Bei LÜKEX 2007 wur<strong>de</strong> erstmals die Übungssteuerungssoftware<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II ÜSA eingesetzt, die allerdings<br />

erst kurz vor Übungsbeginn verfügbar war. Mit <strong>de</strong>-<br />

NIS II ÜSA stand eine Software zur Verfügung, die<br />

neben <strong>de</strong>r Protokollierung <strong>de</strong>s Übungsablaufs auch<br />

Auswertetools bereitstellte und die Übungsvorbereitung<br />

(u.a die <strong>de</strong>zentrale Drehbucherstellung) unterstützte.<br />

Die Software hat sich grundsätzlich bewährt;<br />

sie wird <strong>de</strong>rzeit für die folgen<strong>de</strong>n LÜKEX-Übungen<br />

weiter opt<strong>im</strong>iert<br />

Insgesamt haben sich LÜKEX 2007 und die Übungsserie<br />

LÜKEX allgemein als ein wirksames Instrument<br />

Das System LÜKEX – wirklichkeitsnahe S<strong>im</strong>ulation von Realereignissen<br />

Die Übungsauswertung hat bestätigt, dass Übungen<br />

auf strategischer Ebene zunehmend als geeignetes<br />

Werkzeug zur Evaluierung und Weiterentwicklung<br />

bestehen<strong>de</strong>r Regelungen, Verfahren und Kooperationen<br />

innerhalb <strong>de</strong>s nationalen <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

akzeptiert wer<strong>de</strong>n. Wesentlich ist vor allem die Er-<br />

erwiesen, um über ausgewählte Szenarien die Zusammenarbeit<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Krisenbewältigung<br />

zu beüben und das Bewusstsein für<br />

ein gemeinsames Han<strong>de</strong>ln zu schärfen. Wesentliche<br />

Übungserkenntnisse und Handlungsempfehlungen<br />

für einige wichtige Bereiche – dabei vor allem auch<br />

<strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Pan<strong>de</strong>mievorsorge und -bewältigung<br />

– wer<strong>de</strong>n nachfolgend ausführlicher dargestellt.<br />

Sie wur<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r zweitägigen Übung selbst und <strong>im</strong><br />

Rahmen vorbereiten<strong>de</strong>r Expertengespräche, Workshops<br />

und Planbesprechungen über einen Zeitraum<br />

von fast zwei Jahren gewonnen.<br />

kenntnis, dass Strukturen und Verfahren, <strong>de</strong>ren<br />

Funktionsfähigkeit in Realereignissen bisher glücklicherweise<br />

nicht erprobt wer<strong>de</strong>n mussten, in <strong>de</strong>n<br />

LÜKEX-Übungen wirklichkeitsnah und effektiv s<strong>im</strong>uliert<br />

wer<strong>de</strong>n können.


Bei <strong>de</strong>r Übungsvorbereitung fiel auf, dass <strong>de</strong>r Übergang<br />

zum ressortübergreifen<strong>de</strong>n Managementansatz<br />

in einer krisenhaften Entwicklung in einigen Bereichen<br />

naturgemäß zu Abst<strong>im</strong>mungs- und Führungsproblemen<br />

führte. Nur durch die bei LÜKEX 2007<br />

konsequent verfolgte Einbindung <strong>de</strong>r politischen<br />

Ebene <strong>de</strong>r Verwaltungen und <strong>de</strong>r obersten Managementebene<br />

von Unternehmen <strong>de</strong>r Wirtschaft von<br />

Anfang an in Vorbereitung und Durchführung <strong>de</strong>r<br />

Übung wur<strong>de</strong> die notwendige Sensibilisierung für<br />

das <strong>Krisenmanagement</strong> auf höchster Ebene erreicht<br />

und dadurch <strong>de</strong>m übergreifen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>ansatz<br />

in <strong>de</strong>n Organisationen die erfor<strong>de</strong>rliche<br />

konzeptionelle und strategische Basis gegeben. Das<br />

Grundprinzip „<strong>Krisenmanagement</strong> ist Chefsache“<br />

konnte auf diese Weise nachhaltig und zielgerichtet<br />

umgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r Übungsbeteiligung wird noch Verbesserungsbedarf<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Einbindung wichtiger<br />

gesellschaftlicher Interessengruppen – z.B. von Religionsgemeinschaften,<br />

karitativen Einrichtungen, Gewerkschaften,<br />

Bürgerinitiativen etc. – gesehen. Die<br />

zunehmen<strong>de</strong> soziale Betroffenheit dieser Bereiche<br />

stellt in einer Krise für das <strong>Krisenmanagement</strong> eine<br />

außergewöhnliche Herausfor<strong>de</strong>rung dar. Reaktionen<br />

Wichtige Anstöße für die Influenza-Pan<strong>de</strong>mieplanungen<br />

LÜKEX 2007 war in ihrer Anlage als län<strong>de</strong>r- und<br />

bereichsübergreifen<strong>de</strong> Stabsrahmenübung für viele<br />

Teilnehmer aus <strong>de</strong>m Gesundheitsbereich eine neue<br />

Herausfor<strong>de</strong>rung. Es wur<strong>de</strong> nicht nur <strong>de</strong>r medizinisch-fachliche<br />

und organisatorische Stand <strong>de</strong>r Pan<strong>de</strong>mieplanung<br />

auf <strong>de</strong>n Prüfstand gestellt, son<strong>de</strong>rn es<br />

galt auch, sich <strong>im</strong> bereichsübergreifen<strong>de</strong>n Ansatz mit<br />

Strukturen und Begrifflichkeiten <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

vertraut zu machen. LÜKEX hat Problembewusstsein<br />

insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n nicht-gesundheitlichen<br />

Bereichen geschaffen und Anstöße für die interne<br />

Pan<strong>de</strong>mieplanung in Behör<strong>de</strong>n und Unternehmen<br />

gegeben. Durch ein <strong>im</strong> Robert Koch-Institut (RKI)<br />

neu entwickeltes Mo<strong>de</strong>llierungsprogramm gelang es,<br />

die Auswirkungen einer Pan<strong>de</strong>mie mit unterschiedlicher<br />

regionaler Betroffenheit und mit zeitlichen Variationen<br />

für alle Üben<strong>de</strong>n darzustellen.<br />

<strong>de</strong>r Bevölkerung auf die Lageentwicklung und die<br />

Maßnahmen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s mit Auswirkungen<br />

auf <strong>de</strong>n „sozialen Frie<strong>de</strong>n“ müssen aus diesem<br />

Grund <strong>im</strong> Rahmen einer abgest<strong>im</strong>mten, aktiven<br />

Medien- und Öffentlichkeitsarbeit noch intensiver in<br />

das Übungskonzept einbezogen wer<strong>de</strong>n. Auch katastrophenpsychologische<br />

und sozialwissenschaftliche<br />

Untersuchungen und Forschungsvorhaben müssen<br />

zu diesem Zweck initiiert, geeignete Metho<strong>de</strong>n zur<br />

Erfassung <strong>de</strong>r „Krisenst<strong>im</strong>mungslage“ mo<strong>de</strong>rner Gesellschaften<br />

entwickelt und für das praktische <strong>Krisenmanagement</strong><br />

verfügbar gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

159


160<br />

Die komplexe inhaltliche Vorbereitung wur<strong>de</strong> in thematischen<br />

Arbeitskreisen (Medizinische Versorgung,<br />

Grundversorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung, Verkehrsbereich<br />

etc.) vollzogen, in <strong>de</strong>nen relevante Institutionen, Behör<strong>de</strong>n<br />

und Verbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wirtschaft mit <strong>de</strong>m Ziel<br />

zusammengeführt wur<strong>de</strong>n, die Expertise von Vertretern<br />

spezieller Bereiche in die Übung einzubringen.<br />

Neben einem bereichsübergreifen<strong>de</strong>n, fachlichen<br />

Austausch wur<strong>de</strong> so ein Netzwerk geschaffen, das<br />

sich über die Übung hinaus positiv in <strong>de</strong>r weiteren<br />

Pan<strong>de</strong>mieplanung bewähren wird. Darüber hinaus<br />

wur<strong>de</strong>n Wissens<strong>de</strong>fizite sichtbar gemacht und die<br />

Entscheidungsebenen für die Notwendigkeit wissenschaftlicher<br />

Studien sensibilisiert.<br />

Die fachlichen Diskussionen in <strong>de</strong>r Influenzakommission<br />

für <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>miefall und in <strong>de</strong>r IntMinKoGr 1<br />

haben gezeigt, dass die Mo<strong>de</strong>llierung unterschiedlicher<br />

Impfstrategien wichtige Entscheidungshilfen<br />

liefern kann. Weiterentwickelte Mo<strong>de</strong>llierungen für<br />

eine <strong>de</strong>m Bedarfsfall angepasste Strategie könnten<br />

auch Grundlage für Entscheidungen zu einer realen,<br />

zwischen <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn abgest<strong>im</strong>mten Impfstrategie<br />

über die bisherigen Festlegungen (Ver<strong>im</strong>pfung<br />

nach Altersjahrgängen) hinaus sein.<br />

Die Übungsthemen machten weiteren Handlungsbedarf<br />

auch <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r medizinischen Versorgung<br />

für die weitere Pan<strong>de</strong>mieplanung und -vorbereitung<br />

<strong>de</strong>utlich. Insbeson<strong>de</strong>re das Ressourcenmanagement<br />

zeigte Opt<strong>im</strong>ierungsmöglichkeiten bei <strong>de</strong>r aktuellen<br />

und prognostischen Bedarfs- und Ressourcenermittlung<br />

sowie bei <strong>de</strong>r Vernetzung und Verteilung beispielsweise<br />

bei <strong>de</strong>r Bereitstellung von medizinischem<br />

und pharmazeutischem Personal sowie von Pflegekräften.<br />

Es zeigte sich, dass die Sicherstellung <strong>de</strong>r<br />

ambulanten Versorgung in <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>mieplänen <strong>de</strong>r<br />

Län<strong>de</strong>r in Hinblick auf die Erstellung von Konzepten<br />

zur Personalrekrutierung (Personen <strong>im</strong> Ruhestand,<br />

Stu<strong>de</strong>nten, etc.) konkretisiert wer<strong>de</strong>n sollten. Dabei<br />

sind auch rechtliche Unsicherheiten in Haftungsfragen<br />

bei <strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Einsatz in Betracht gezogenen<br />

Personengruppen sowie in <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />

einer Zwangsverpflichtung noch zu klären und<br />

mit allen Beteiligten abzust<strong>im</strong>men. Die Finanzierung,<br />

Entlohnung und Rechtsstellung zusätzlich rekrutierten<br />

Personals bedarf ebenso noch einer Regelung.<br />

<strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r sollten gemeinsam prüfen, wie <strong>im</strong><br />

Ereignisfall ein aussagefähiges Lagebild über die Versorgung<br />

mit Arzne<strong>im</strong>itteln und Medizinprodukten generiert<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Die Erhebung diesbezüglicher<br />

Informationen erfor<strong>de</strong>rt die Beteiligung relevanter<br />

Institutionen, Verbän<strong>de</strong> und Unternehmen. Die gewonnenen<br />

Informationen sollten behördlicherseits<br />

auf <strong>Bund</strong>esebene zentral zusammengeführt wer<strong>de</strong>n,<br />

da auf Lan<strong>de</strong>sebene lediglich aktuelle Bestän<strong>de</strong> in<br />

Apotheken und Krankenhäusern und eventuelle Lan<strong>de</strong>svorräte<br />

erfragt wer<strong>de</strong>n können. Die bun<strong>de</strong>slandübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Aktivitäten <strong>de</strong>s pharmazeutischen<br />

Großhan<strong>de</strong>ls und die internationale Aufstellung <strong>de</strong>r<br />

pharmazeutischen Hersteller stützen diese For<strong>de</strong>rung.<br />

Gera<strong>de</strong> in diesem Bereich zeigte sich, dass für<br />

die Krisenbewältigung die Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m<br />

privatwirtschaftlichen Sektor unabdingbar ist und<br />

weiter intensiviert wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

Die Notwendigkeit einer Erweiterung <strong>de</strong>s indikatorengestützten<br />

Monitoring-Systems wur<strong>de</strong> erkannt. In diesem<br />

Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Erstellung<br />

einer abgest<strong>im</strong>mten Liste mit dringend vorzuhalten<strong>de</strong>n<br />

Arzne<strong>im</strong>itteln sinnvoll und eine weitergehen<strong>de</strong><br />

Bevorratung von Arzne<strong>im</strong>itteln und Medizinprodukten<br />

durch die Län<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n <strong>Bund</strong> notwendig ist.<br />

Positive Entscheidungen in diesen grundsätzlichen<br />

Fragen ziehen die Notwendigkeit nach sich, Art und<br />

Umfang einer möglichen Bevorratung zu <strong>de</strong>finieren<br />

und Fragen <strong>de</strong>r organisatorischen und rechtlichen<br />

Umsetzung sowie <strong>de</strong>r Finanzierbarkeit einvernehmlich<br />

und übergreifend zu klären. Bezüglich <strong>de</strong>r Nutzung<br />

vorhan<strong>de</strong>ner Ressourcen sind die Rechtsgrundlagen<br />

<strong>im</strong> Arzne<strong>im</strong>ittel- und Apothekengesetz sowie<br />

<strong>de</strong>r Apothekenbetriebsordnung zu prüfen und ggf.<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Bereits in <strong>de</strong>r Übungsvorbereitung wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich,<br />

dass <strong>de</strong>taillierte, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse<br />

bezüglich <strong>de</strong>s Nutzens von Barrieremaßnahmen<br />

mittels Mund-Nasen-Schutz (MNS) bzw. Masken für<br />

die Allgemeinbevölkerung fehlen. Die Durchführung<br />

entsprechen<strong>de</strong>r epi<strong>de</strong>miologischer Studien ist für die<br />

Weiterentwicklung entsprechen<strong>de</strong>r Empfehlungen<br />

unverzichtbar, z. B. für eine Präzisierung <strong>de</strong>r Hygiene-Empfehlungen<br />

für ambulante Patienten in Praxen.<br />

Vordringlich wer<strong>de</strong>n auch konkrete Empfehlungen<br />

für die Bevorratung von PSA zum Arbeitsschutz gesehen.


Der nationale Pan<strong>de</strong>mieplan hat sich in<br />

<strong>de</strong>r Übung als Planungsgrundlage für <strong>de</strong>n<br />

Gesundheitsbereich <strong>im</strong> Falle einer Influ-<br />

enza-Pan<strong>de</strong>mie bewährt. Betrachtet man<br />

die gesamtgesellschaftlichen Implikationen<br />

einer Pan<strong>de</strong>mie, müssen jedoch auch die<br />

Krisennotfallpläne in an<strong>de</strong>ren Ressorts<br />

und <strong>im</strong> nichtgesundheitlichen Bereichen<br />

in Bezug auf eine Pan<strong>de</strong>miesituation<br />

überprüft und in weiten Bereichen ange-<br />

passt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Schnittstellen zu <strong>de</strong>n unterschiedlichen Krisennotfallplanungen<br />

sollten in <strong>de</strong>n Pan<strong>de</strong>mieplänen aufgezeigt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>r <strong>Krisenmanagement</strong>-Strukturen in <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn<br />

Durch LÜKEX 2007 wur<strong>de</strong>n sowohl auf <strong>Bund</strong>es- als<br />

auch auf Lan<strong>de</strong>sebene weitere Opt<strong>im</strong>ierungsmöglichkeiten<br />

bei <strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>-Strukturen für <strong>de</strong>n<br />

Fall einer länger andauern<strong>de</strong>n Krise festgestellt. Dies<br />

gilt sowohl für die räumliche und (informations-)<br />

technische Ausstattung als auch die Konkretisierung<br />

<strong>de</strong>r personellen Besetzung <strong>de</strong>r <strong>Krisenmanagement</strong>-<br />

Strukturen sowie die Sicherstellung <strong>de</strong>r personellen<br />

Besetzung <strong>de</strong>r Stäbe <strong>im</strong> Schichtbetrieb.<br />

Der von BMI und BMG gemeinsam gelei-<br />

tete Krisenstab <strong>im</strong> BMI hat sich struktu-<br />

rell und organisatorisch uneingeschränkt<br />

bewährt.<br />

Hochsicherheitslabor <strong>de</strong>s Instituts für Virologie <strong>de</strong>r<br />

Universität Leipzig<br />

Fachberater aus <strong>de</strong>n Ressorts waren ständig beteiligt.<br />

Strukturelles und organisatorisch-technisches Opt<strong>im</strong>ierungspotential<br />

wur<strong>de</strong> erkannt und umgesetzt.<br />

Künftig sollte auf allen Ebenen die durchgängige<br />

Koordination <strong>de</strong>s ressortübergreifen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

in außergewöhnlichen Lagen mit bereichsübergreifen<strong>de</strong>r<br />

Betroffenheit sichergestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Anwendbarkeit dieses Stabsmo<strong>de</strong>lls<br />

auch für an<strong>de</strong>re Szenarien und Bereiche<br />

sollte geprüft wer<strong>de</strong>n<br />

161


162<br />

Gesundheitsinformationen <strong>im</strong> Internet durch das Robert<br />

Koch-Institut<br />

Schulungen in <strong>de</strong>r Stabsarbeit und kontinuierliche<br />

Fortbildungen <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> für die Mitarbeiter<br />

<strong>de</strong>r Krisen-/ Verwaltungsstäbe sind wesentliche<br />

Voraussetzungen für das Funktionieren <strong>de</strong>r Stäbe<br />

unter <strong>de</strong>n schwierigen Bedingungen von Übungen<br />

und erst recht <strong>im</strong> Einsatz. Das gilt auch für vermeintlich<br />

„katastrophenferne“ Ressorts. Solche Schulungen<br />

sollten in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Innenministerien<br />

angeboten wer<strong>de</strong>n, da dies <strong>im</strong> Fall einer tatsächlichen<br />

realen Krise die ressortübergreifen<strong>de</strong> Kommunikation<br />

und Kooperation wesentlich vereinfachen<br />

wür<strong>de</strong>. In allen Ressorts sollten daher interne abteilungsübergreifen<strong>de</strong><br />

<strong>Krisenmanagement</strong>strukturen<br />

aufgebaut und die Etablierung einer Übungskultur<br />

auf <strong>Bund</strong>es- und Lan<strong>de</strong>sebene angestrebt wer<strong>de</strong>n.<br />

Dabei ist vorrangig eine Intensivierung und Beübung<br />

<strong>de</strong>r übergreifen<strong>de</strong>n Zusammenarbeit <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n,<br />

Institutionen und Unternehmen anzustreben. Neben<br />

<strong>de</strong>r Bekanntmachung <strong>de</strong>r Strukturen für <strong>de</strong>n Krisenfall<br />

könnten diese Fortbildungen zu<strong>de</strong>m dazu genutzt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r aktuellen Pan<strong>de</strong>mieplanung<br />

bekannt zu machen.<br />

Es wird empfohlen, ein geschlossenes Informationsportal<br />

für Behör<strong>de</strong>n und Unternehmen einzurichten.<br />

Dieses sollte spezielle Daten und allgemeine Informationen<br />

zur Entwicklung und Nutzung von Vorsorgeplänen,<br />

Strukturen und Verfahren, Ausbildung<br />

und Beübung <strong>im</strong> gemeinsamen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

zentral zur Verfügung stellen. Darüber hinaus soll<br />

damit die Bildung von Netzwerken zwischen Betroffenen<br />

geför<strong>de</strong>rt und das effektive Zusammenwirken<br />

in Übungen und realen Krisen/Großscha<strong>de</strong>nslagen<br />

unterstützt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die <strong>de</strong>rzeitigen Annahmen zur Verfügbarkeit freiwillig<br />

bzw. ehrenamtlich tätiger Einsatzkräfte (z.B.<br />

Hilfsorganisationen, nebenberufliches Pflegepersonal;<br />

Reservisten) müssen auf Grund <strong>de</strong>r Übungserkenntnisse<br />

kritisch beurteilt wer<strong>de</strong>n: Denn <strong>de</strong>r Einsatz<br />

dieses Personals ist in einer flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />

Krise mit ihren beson<strong>de</strong>ren Auswirkungen auf die<br />

Arbeits- und Einsatzfähig von Menschen eine beson<strong>de</strong>rs<br />

kritische Größe. Nicht nur für die Hilfsorganisationen<br />

stellt sich <strong>de</strong>shalb die Frage <strong>de</strong>r Priorisierung<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Schlüsselpersonals.<br />

Eine <strong>de</strong>n „freien Kräften <strong>de</strong>s Marktes“ überlassene<br />

Verfahrensweise wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

einer Krise nicht gerecht wer<strong>de</strong>n. Hier ist<br />

eine zentrale Mo<strong>de</strong>ration und Koordinierung schon<br />

<strong>im</strong> Vorfeld gefor<strong>de</strong>rt.<br />

Aspekte <strong>de</strong>s psychosozialen Krisen- und<br />

Katastrophenmanagements müssen<br />

grundsätzlich stärker in Übungs- und Aus-<br />

bildungsvorhaben einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Retten<strong>de</strong> Impfstoffe – die Menschheit hofft auf Ergebnisse<br />

<strong>de</strong>r Wissenschaft


LÜKEX 2007 brachte die Erkenntnis, dass die beübten<br />

Krisenstäbe die psychologischen Wirkungen ihrer<br />

Entscheidungen und Maßnahmen erst ansatzweise<br />

berücksichtigen. Die katastrophenpsychologischen<br />

Aspekte <strong>de</strong>r Entscheidungsprozesse und Fragen <strong>de</strong>r<br />

Stressbewältigung in <strong>de</strong>n Krisenstäben selbst sollten<br />

<strong>de</strong>shalb verstärkt in die Aus- und Weiterbildung und<br />

in die Übungstätigkeit eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Geeignete<br />

Fachberater sollten entsprechen<strong>de</strong> Lehr- und<br />

Übungsmodule erarbeiten und die Krisenmanager<br />

beraten. Die wissenschaftlichen Untersuchungen und<br />

Erkenntnisse in diesem Bereich sind in <strong>de</strong>r Regel veraltert<br />

und berücksichtigen nur ansatzweise die Rahmenbedingungen<br />

mo<strong>de</strong>rner Industriegesellschaften.<br />

In diesem Bereich wird ein <strong>de</strong>utlicher Forschungsbedarf<br />

gesehen.<br />

Die prognostische Lagebeurteilung <strong>im</strong> politisch-administrativen<br />

Bereich ist bisher nur wenig ausgeprägt.<br />

Beson<strong>de</strong>rs auffällig war dies bei <strong>de</strong>r Abschätzung<br />

langfristiger Folgewirkungen <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsereignisse,<br />

bei <strong>de</strong>n bereichsübergreifen<strong>de</strong>n „Kaska<strong>de</strong>neffekten“<br />

und <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r möglichen Lageentwicklung.<br />

Vorhan<strong>de</strong>ne Stabsmo<strong>de</strong>lle (z.B. Verwaltungsstab)<br />

und Stabsdienstordnungen sollten hierauf untersucht<br />

und die Prognosefähigkeiten zum Beispiel durch die<br />

Einrichtung spezieller Planungsgruppen verbessert<br />

wer<strong>de</strong>n. Darüber hinaus könnten – wie <strong>im</strong> militärischen<br />

Bereich seit Jahren üblich – mo<strong>de</strong>rne S<strong>im</strong>ulationssysteme<br />

unterstützend bei <strong>de</strong>r Vorhersage <strong>de</strong>r<br />

Lageentwicklung, <strong>im</strong> Ressourcenmanagement und in<br />

<strong>de</strong>r Bewertung unterschiedlicher Handlungsoptionen<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Koordinierung <strong>im</strong> <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>r übergreifen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Der Interministeriellen Koordinierungsgruppe <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>-<br />

Län<strong>de</strong>r-übergreifen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>s bei LÜ-<br />

KEX 2007 die Aufgabe gestellt, fachliche Empfehlungen<br />

für eine Impfstrategie auszusprechen, die als<br />

Folge eines nur sukzessiv zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n<br />

Impfstoffes notwendig war. Hierzu wur<strong>de</strong>n erstmalig<br />

die Strukturen und Verfahren <strong>de</strong>r Interministeriellen<br />

Koordinierungsgruppe in einer Beratungs- und Unterstützungsrolle<br />

für die Krisenstäbe bei <strong>Bund</strong> und<br />

Län<strong>de</strong>rn angewandt. Dabei wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>utlich,<br />

Die bun<strong>de</strong>sweite Lageerfassung und -darstellung ist<br />

nach wie vor nicht zufrie<strong>de</strong>nstellend. Erfor<strong>de</strong>rliche<br />

einheitliche Standards zu Mel<strong>de</strong>verfahren und -inhalten<br />

bestehen noch nicht in allen Bereichen und<br />

beruhen zu<strong>de</strong>m teilweise lediglich auf Absprachen<br />

auf Arbeitsebene. Hier müssen – nach einer notwendigen<br />

Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>r Mel<strong>de</strong>wege zwischen allen<br />

Ebenen <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung und nichtöffentlichen<br />

Informationsgebern – effiziente, verbindliche<br />

Regelungen geschaffen wer<strong>de</strong>n. Gleichzeitig sollte<br />

geprüft wer<strong>de</strong>n, welche Maßnahmen zu ergreifen<br />

sind, um diese Informationen <strong>de</strong>n Nutzern zeitnäher<br />

in geschlossenen Datensystemen (z.B. <strong><strong>de</strong>NIS</strong>) verfügbar<br />

zu machen.<br />

In <strong>de</strong>n üben<strong>de</strong>n Bereichen, die nicht über ständige<br />

KM-Strukturen verfügen, wur<strong>de</strong>n Unsicherheiten bei<br />

<strong>de</strong>r Stabsarbeit <strong>de</strong>utlich. Zur besseren Vorbereitung<br />

<strong>de</strong>s Stabspersonals aller Ebenen wird die verstärkte<br />

Aufnahme von übergreifen<strong>de</strong>n Themen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

und <strong>de</strong>r praktischen Stabsarbeit in die<br />

Ausbildungskataloge <strong>de</strong>r zuständigen Hochschulen,<br />

Aka<strong>de</strong>mien und Fortbildungsinstitute angeregt. Die<br />

beson<strong>de</strong>rs intensiven Anfor<strong>de</strong>rungen an die PrÖA-<br />

Strukturen <strong>de</strong>r Krisenstäbe bei knappem Personal erfor<strong>de</strong>rn<br />

beson<strong>de</strong>re planerische und organisatorische<br />

Vorbereitung mit ausreichend zusätzlichem Personal<br />

in <strong>de</strong>r Krisensituation. Maßgeschnei<strong>de</strong>rte zentrale<br />

Weiterbildungsmaßnahmen haben sich für das Personal<br />

<strong>de</strong>r Pressestellen beson<strong>de</strong>rs bewährt (siehe<br />

hierzu <strong>im</strong> Detail <strong>de</strong>n Beitrag „Über die strategische<br />

Be<strong>de</strong>utung von Krisenkommunikation“ dieser Publikation).<br />

dass außerhalb <strong>de</strong>r Innenressorts Funktion und Verfahrensweise<br />

dieses Gremiums nicht ausreichend bekannt<br />

sind. Das neue Verfahren hat sich als wichtige<br />

Ergänzungsfunktion für das bestehen<strong>de</strong> System <strong>de</strong>s<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s grundsätzlich bewährt.<br />

Auf <strong>de</strong>m Gebiet von Fachempfehlungen durch die<br />

zuständigen <strong>Bund</strong>esbehör<strong>de</strong>n zur Unterstützung <strong>de</strong>s<br />

übergreifen<strong>de</strong>n <strong>Krisenmanagement</strong>s hat die Übung<br />

noch Opt<strong>im</strong>ierungs- und Verbesserungsbedarf gezeigt.<br />

163


164<br />

Der Aufbau zentraler Krisenkoordinationsstrukturen<br />

bei <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n Innenressorts ist zielführend.<br />

Im Falle durchgängiger Umsetzung in allen<br />

Bereichen wird eine Konstante geschaffen, die <strong>im</strong><br />

Großscha<strong>de</strong>nsfall ereignisunabhängig und vertraut<br />

hochgefahren wer<strong>de</strong>n kann. Beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />

gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Anfangsphase einer Krise<br />

(Chaos, Informationsflut und Informations<strong>de</strong>fizite,<br />

etc.), können so effektiver bewältigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei LÜKEX 2007 konnten Organisation und Verfahren<br />

<strong>de</strong>r Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ)<br />

auf strategischer Ebene gezielt erprobt wer<strong>de</strong>n. Die<br />

<strong>im</strong> Zuge <strong>de</strong>r Neuordnung <strong>de</strong>r territorialen Struktur<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr neu aufgestellten Lan<strong>de</strong>skomman-<br />

Übungserkenntnisse für wichtige Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche,<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Bereich Kritische Infrastrukturen<br />

Nahezu alle Gesellschaftsbereiche wer<strong>de</strong>n durch<br />

die Sekundäreffekte einer Pan<strong>de</strong>mie getroffen. Neben<br />

<strong>de</strong>m Gesundheitsbereich– also <strong>de</strong>m vorrangigen<br />

Zielbereich <strong>de</strong>r bisherigen Pan<strong>de</strong>mieplanung – wur<strong>de</strong>n<br />

bei Übungsvorbereitung und -durchführung weitere<br />

wichtige Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche<br />

als beson<strong>de</strong>rs betroffen i<strong>de</strong>ntifiziert. Die <strong>im</strong>mer mehr<br />

auf „just in t<strong>im</strong>e“ ausgerichteten Transport- und Logistikvorgänge<br />

auf Straße, Schiene, zu Wasser und<br />

in <strong>de</strong>r Luft sind durch <strong>de</strong>n hohen Personalfaktor<br />

gleich mehrfach betroffen. Personalausfälle (Kraftfahrer,<br />

Lokführer, Werkstätten, Warenumschlag usw.)<br />

führen nach kurzer Zeit zu Lieferausfällen, da die<br />

verbliebenen Arbeitnehmer die Ausfälle nicht durch<br />

unbegrenzt auszu<strong>de</strong>hnen<strong>de</strong> Arbeitszeiten auffangen<br />

können. Das liegt weniger an unflexiblen rechtlichen<br />

Möglichkeiten als an <strong>de</strong>n psychischen und physischen<br />

Belastungsgrenzen <strong>de</strong>s Personals. In einigen<br />

Bereichen <strong>de</strong>s produzieren<strong>de</strong>n Gewerbes wür<strong>de</strong> dies<br />

in einer realen Krise „nur“ zu wirtschaftlichen Ausfällen<br />

führen, zum Beispiel weil Zulieferteile nicht<br />

ankommen (z.B. Kfz-Industrie). In an<strong>de</strong>ren Sparten<br />

dagegen könnte die Grundversorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

direkt beeinträchtigt wer<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>rs zu<br />

nennen sind in diesem Zusammenhang die Versorgungsketten<br />

<strong>de</strong>r Bereiche Lebensmittelversorgung,<br />

pharmazeutische Produkte, Bargeld, Kommunikationsverbindungen<br />

und Energie.<br />

dos konnten erstmals die Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n<br />

interministeriellen Stäben <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierungen<br />

üben. Dennoch konnte die angestrebte intensive Erprobung<br />

<strong>de</strong>r ZMZ insbeson<strong>de</strong>re <strong>im</strong> regionalen und<br />

kommunalen Bereich nicht <strong>im</strong> angestrebten Umfang<br />

geübt wer<strong>de</strong>n, da z.B. die Kreisverwaltungsebenen<br />

nur in wenigen Bereichen teilnahmen (ausgenommen<br />

Saarland). Eine frühzeitigere Einbindung <strong>de</strong>r<br />

beteiligten Lan<strong>de</strong>skommandos könnte bei zukünftigen<br />

Übungen Verbesserung schaffen. Der Ansatz, in<br />

Zukunft die turnusmäßigen ZMZ-Übungen <strong>de</strong>r Wehrbereichskommandos<br />

mit <strong>de</strong>n <strong>Bund</strong>eslän<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n<br />

zweijährigen Übungsrhythmus <strong>de</strong>r LÜKEX-Übungen<br />

einzubin<strong>de</strong>n, ist vor <strong>de</strong>m gesamtgesellschaftlichen<br />

Hintergrund zielführend.<br />

Containerterminal <strong>im</strong> Hamburger Hafen<br />

Wirtschaftsunternehmen, Organisationen und Verbän<strong>de</strong><br />

waren <strong>de</strong>shalb in einem bisher nicht praktizierten<br />

Umfang in die Übung einbezogen. Der Schwerpunkt<br />

lag bei Betrieben und Verbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Transport- und<br />

Logistikgewerbes, <strong>de</strong>s Lebensmitteleinzelhan<strong>de</strong>ls,<br />

<strong>de</strong>r Geschäftsbanken sowie <strong>de</strong>r IT- und Kommunikationsbranche.<br />

In allen Unternehmensbereichen ist<br />

die Sicherstellung <strong>de</strong>r personellen Besetzung von<br />

Schlüsselfunktionen ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Faktor für<br />

die Funktionsfähigkeit in Krisenzeiten und für eine<br />

reibungslose „Business Continuity“. Ihre Übungsbeteiligung<br />

stellte sicher, dass <strong>de</strong>m Übungsszenario realistische<br />

Übungsannahmen zu Grun<strong>de</strong> gelegt und die<br />

bei Übungsvorbereitung und -durchführung i<strong>de</strong>ntifizierten<br />

Schwachstellen nach <strong>de</strong>r Übung mit <strong>de</strong>n zuständigen<br />

staatlichen Stellen gemeinsam aufgearbeitet<br />

wer<strong>de</strong>n können.


Die Einbindung <strong>de</strong>r privaten Betreiber<br />

kritischer Infrastrukturen in das Netzwerk<br />

eines bereichsübergreifen<strong>de</strong>n Krisenmana-<br />

gements ist erfor<strong>de</strong>rlich und weiter auszu-<br />

bauen. In diesem Zusammenhang ist es<br />

geplant, das <strong>Krisenmanagement</strong> als festen<br />

Bestandteil in <strong>de</strong>r Aus- und Weiterbildung<br />

<strong>de</strong>r Führungskräfte <strong>de</strong>r öffentlichen Ver-<br />

waltung und <strong>de</strong>r Wirtschaftsunternehmen<br />

zu verankern.<br />

In allen kritischen Gesellschaftsbereichen kommt<br />

auch <strong>im</strong> Falle einer Pan<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r möglichst durchgängigen<br />

Besetzung <strong>de</strong>r Schlüsselfunktionen beson<strong>de</strong>re<br />

Be<strong>de</strong>utung zu. Neben <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntifizierung dieser<br />

Bereiche kommt es darauf an, tragfähige Regelungen<br />

für eine ausreichen<strong>de</strong> Personalsicherstellung zu<br />

treffen. Die internen Planungen insbeson<strong>de</strong>re überregional<br />

und international tätiger Unternehmen sind<br />

in weiten Bereichen bereits beispielhaft. Dagegen<br />

wur<strong>de</strong>n durch die beteiligten Großunternehmen Defizite<br />

bei klein- und mittelständischen Betrieben <strong>im</strong><br />

Bereich <strong>de</strong>r Zulieferung genannt, die relativ rasch die<br />

Weiterführung <strong>de</strong>r Geschäftsabläufe in Frage stellen<br />

könnten. Die zum Teil umfangreichen Planungen <strong>de</strong>r<br />

großen Unternehmen sollten daher in ihren Grundsätzen<br />

offener kommuniziert wer<strong>de</strong>n; klein- und<br />

mittelständische Unternehmen sollten angeregt wer<strong>de</strong>n,<br />

entsprechen<strong>de</strong> Notfallplanungen zu erarbeiten.<br />

Dachverbän<strong>de</strong> einzelner Unternehmensbereiche und<br />

beispielsweise auch Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammern<br />

könnten dabei eine wichtige Mittlerrolle übernehmen.<br />

Die umfangreichen Planungen <strong>de</strong>r Unternehmen,<br />

Arbeitsplätze zu He<strong>im</strong>arbeitsplätzen auszulagern,<br />

laufen <strong>de</strong>rzeit noch unkoordiniert und wer<strong>de</strong>n insbeson<strong>de</strong>re<br />

von <strong>de</strong>n Unternehmen <strong>de</strong>s Kommunikationsbereichs<br />

kritisch bewertet. Die nur begrenzt verfügbaren<br />

Netzkapazitäten – zu<strong>de</strong>m in einer Pan<strong>de</strong>mie<br />

Ein Blick auf Stän<strong>de</strong> von Großhändlern in <strong>de</strong>r Großmarkthalle<br />

in Frankfurt am Main<br />

möglicherweise zusätzlich eingeschränkt – erfor<strong>de</strong>rn<br />

eine Koordination mit entsprechen<strong>de</strong>r Priorisierung,<br />

um einen Kollaps <strong>de</strong>s Gesamtsystems in <strong>de</strong>r Krise zu<br />

verhin<strong>de</strong>rn.<br />

<strong>Bund</strong>esweit tätige Betriebe und multinationale Unternehmen<br />

for<strong>de</strong>rn zu Recht in einer grenzübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Krise o<strong>de</strong>r Katastrophe einheitliche und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong><br />

Maßnahmen. Nur so können komplexe<br />

Produktions- und Verteilungsabläufe ohne zusätzliche<br />

Behin<strong>de</strong>rungen aufrechterhalten und zentrale<br />

Planungen <strong>de</strong>r betroffenen Unternehmen in Abst<strong>im</strong>mung<br />

mit <strong>de</strong>n öffentlichen Stellen effektiv umgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Auch <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r rechtlichen Grundlagen hat LÜ-<br />

KEX 2007 Handlungsbedarf gezeigt, z.B. um Personal<br />

zur Erfüllung lebensnotwendiger Grundfunktionen<br />

staatlicher Daseinsvorsorge (wie Gesundheit, Pflege,<br />

Grundversorgung, Störfallbetriebe) zur Dienstleistung<br />

verpflichten zu können.<br />

165


166<br />

Die Erprobung einiger für dieses Szenario vorhan<strong>de</strong>ner<br />

Rechtsvorschriften (Leistungs- und Vorsorgegesetze)<br />

hat Verbesserungsmöglichkeiten bei <strong>de</strong>n<br />

Inhalten, beson<strong>de</strong>rs jedoch bei <strong>de</strong>ren Anwendung<br />

gezeigt. Verfahrensweisen und Regelungen z.B. <strong>de</strong>s<br />

Verkehrsleistungsgesetzes sollten in Kooperation mit<br />

potenziellen Leistungserbringern und <strong>de</strong>n Bedarfsträgern<br />

auf ihre praktische Umsetzbarkeit hin überprüft<br />

wer<strong>de</strong>n. Neben dieser Überprüfung sollten in allen<br />

Bereichen Schulungen in <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Möglichkeiten durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine weitere wichtige Übungserkenntnis war, dass die<br />

relevanten Schlüsselbereiche <strong>de</strong>r privaten Wirtschaft<br />

stärker in <strong>de</strong>n Informationsaustausch zur Gewinnung<br />

eines übergreifen<strong>de</strong>n Lagebil<strong>de</strong>s eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

müssen. Hierzu ist es erfor<strong>de</strong>rlich, geeignete und<br />

sichere Verfahren und technische Möglichkeiten zum<br />

Informationsaustausch aufzubauen. Das GMLZ und<br />

LÜKEX – effektives System zur Überprüfung und Weiterentwicklung <strong>de</strong>s<br />

nationalen <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

LÜKEX 2007 und erste Folgeaktivitäten<br />

haben erneut gezeigt, dass das System<br />

LÜKEX beson<strong>de</strong>rs effektive Möglichkeiten<br />

bietet, das Zusammenwirken aller Berei-<br />

che <strong>de</strong>r öffentlichen Gefahrenabwehr und<br />

privater <strong>Krisenmanagement</strong>strukturen<br />

auf strategischer Führungsebene zu üben<br />

und weiterzuentwickeln.<br />

Aus diesem Grund ist LÜKEX aus gesamtgesellschaftlicher<br />

Sicht ein beson<strong>de</strong>rs geeignetes und unverzichtbares<br />

Instrument dafür, Konzepte, Verfahren und<br />

Strukturen in Vorbereitung auf neue und globale Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

zu testen. Die bereichsübergreifen<strong>de</strong>n<br />

und komplexen Netzwerke in unseren fö<strong>de</strong>ralen<br />

Strukturen haben dadurch eine Plattform für vielfältige<br />

Übungsmöglichkeiten.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen: LÜKEX ist <strong>de</strong>rzeit<br />

das einzige Übungsangebot, das <strong>Bund</strong>, Län<strong>de</strong>rn und<br />

Unternehmen eine ressort- und bereichsübergreifen<strong>de</strong><br />

strategische Ausrichtung bietet. Das System LÜK-<br />

EX sollte daher noch stärker dazu genutzt wer<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>n notwendigen „Opt<strong>im</strong>ierungsdruck“ zur Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>s gesamtstaatlichen <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

unter <strong>de</strong>n gegebenen fö<strong>de</strong>ralen Zuständigkeiten<br />

aufrecht zu erhalten.<br />

Zu <strong>de</strong>n Autoren: Dipl.-Ing. Botho von Schrenk ist Studienreferent <strong>im</strong> Lehrbereich IV.6, Wolfgang Grambs, Fachberater für <strong>Krisenmanagement</strong>,<br />

ist Koordinator <strong>de</strong>r Projektgruppe LÜKEX, <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.<br />

1 Interministerielle Koordinierungsgruppe <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

In <strong>de</strong>m neuen Internationalen Postzentrum Nie<strong>de</strong>raula (Kreis<br />

Hersfeld-Rotenburg) gehen pro Tag durchschnittlich rund 2,7<br />

Millionen Sendungen ein<br />

die übergreifen<strong>de</strong> Nutzung <strong>de</strong>s staatlichen Notfallinformationssystems<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II könnten hier zielgerichtet<br />

weiterhelfen.


Informationstechnologie <strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong>.<br />

Der Einsatz von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus bei LÜKEX 2007<br />

Bernhard Corr<br />

Die vernetzte Informationsgesellschaft<br />

Eine „Just-in-T<strong>im</strong>e“ -Produktion in einem Automobilwerk,<br />

in <strong>de</strong>m die passen<strong>de</strong>n weißen Le<strong>de</strong>rsitze<br />

zeitgleich mit <strong>de</strong>m schwarzen Le<strong>de</strong>rlenkrad exakt zu<br />

<strong>de</strong>m Zeitpunkt durch die Zubehörfirmen angeliefert<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn das „Wunschauto“ auf <strong>de</strong>m Fließband<br />

produziert wird, wäre ohne eine umfassen<strong>de</strong> elektronische<br />

Vernetzung aller an <strong>de</strong>r Produktion beteiligten<br />

Stellen nicht möglich. Die Wirtschaft nutzt schon lange<br />

die Vorteile <strong>de</strong>r elektronischen Informationstechnologie<br />

und Vernetzung, um Prozessabläufe zu opt<strong>im</strong>ieren.<br />

Ziel ist es, qualitativ hochwertige Produkte<br />

möglichst kostengünstig produzieren zu können.<br />

Der Wettbewerb zwingt die Industrie dazu, innovative<br />

Produktions- und Managementmetho<strong>de</strong>n zu erproben<br />

und einzuführen, um am Markt bestehen zu<br />

können. Der Vorteil <strong>de</strong>r Wirtschaftsunternehmen ist,<br />

dass sie opt<strong>im</strong>ierte Prozessabläufe unmittelbar durch<br />

eine höhere Rendite feststellen können.<br />

Übertragen auf das <strong>Krisenmanagement</strong> <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

fehlen uns diese ein<strong>de</strong>utigen „Kennzahlen“,<br />

um feststellen zu können, ob unsere Verfahren<br />

<strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen gewachsen sind, <strong>de</strong>nen sich<br />

<strong>de</strong>r Bevölkerungsschutz bei <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn stellen<br />

muss. Uns bieten allerdings Übungen – wie LÜ-<br />

Der Einsatz von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus während LÜKEX 2007<br />

Als neues Instrument zur Unterstützung <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

bei großflächigen Gefahrenlagen stand<br />

das Kommunikations- und Informationssystem <strong><strong>de</strong>NIS</strong><br />

II plus (<strong>de</strong>utsches Notfallvorsorge-Informationssystem)<br />

erstmals bei <strong>de</strong>r Übung LÜKEX 2007 zur Verfügung.<br />

Während <strong>de</strong>r Übung wur<strong>de</strong> das System in erster Linie<br />

dazu genutzt, <strong>de</strong>n angeschlossenen Lagezentren <strong>de</strong>r<br />

<strong>Bund</strong>esressorts und <strong>de</strong>r Innenministerien <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

ein aktuelles, ebenenübergreifen<strong>de</strong>s, einheitliches<br />

Lagebild zur Verfügung zu stellen.<br />

Ziel: Aufbau einer Kommunikations- und Informationsinfrastruktur<br />

<strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

KEX 2007 – die Gelegenheit, unsere Vorbereitungen<br />

auf großflächige Gefahrenlagen zu testen. Im Anschluss<br />

an diese län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Übung haben<br />

alle Entscheidungsträger die Möglichkeit – aber auch<br />

die Pflicht –, die Instrumente <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

zu evaluieren und selbstkritisch zu hinterfragen.<br />

So übermittelte das Robert Koch-Instituts (RKI) während<br />

<strong>de</strong>r Übung täglich die aktuellen Daten über <strong>de</strong>n<br />

Stand <strong>de</strong>r Erkrankten je Landkreis an das <strong>Bund</strong>esamt<br />

für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

(BBK). Dort wur<strong>de</strong>n die Daten in <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus integriert<br />

und <strong>de</strong>n angeschlossenen Lagezentren als Lagekarte<br />

bereitgestellt. Bereits Wochen vor <strong>de</strong>r Übung<br />

wur<strong>de</strong>n die technischen Einzelheiten <strong>de</strong>r Datenübermittlung<br />

zwischen bei<strong>de</strong>n Häusern besprochen und<br />

festgelegt. Hierdurch konnten alle Vorbereitungen<br />

getroffen wer<strong>de</strong>n, um die aktuellen Daten während<br />

<strong>de</strong>r Übung „on the fly“ <strong>im</strong> BBK aufzunehmen und<br />

sofort in <strong>de</strong>r Lagekarte zu visualisieren.<br />

167


168<br />

Scha<strong>de</strong>nslage<br />

Weitere Unterstützungsfunktionen von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus<br />

Das GMLZ (Gemeinsame Mel<strong>de</strong>- und Lagezentrums von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn<br />

bei großflächigen Gefahrenlagen) nahm <strong>im</strong> Verlauf <strong>de</strong>r Übung Meldungen <strong>de</strong>r<br />

Län<strong>de</strong>r und von <strong>Bund</strong>esbehör<strong>de</strong>n auf, die auf teilweise erhebliche Einschränkungen<br />

<strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung hin<strong>de</strong>uteten. Diese waren die Folge<br />

<strong>de</strong>r Personalausfälle bei Unternehmen, die aufgrund <strong>de</strong>r Übungsannahmen und<br />

Lageeinspielungen zu gravieren<strong>de</strong>n Folgen führten. Auch die Einschränkungen<br />

<strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung selbst konnten entsprechend auf <strong>de</strong>r Lagekarte<br />

visualisiert wer<strong>de</strong>n. Die Meldungen hierzu wur<strong>de</strong>n meist per E-Mail, aber auch<br />

über das „Mel<strong>de</strong>management“ in <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus an das GMLZ abgesetzt. Hierbei<br />

haben die angeschlossenen Nutzer die Möglichkeit, über Eingabemasken <strong>de</strong>s<br />

Programms Meldungen o<strong>de</strong>r auch Aufträge an einzelne o<strong>de</strong>r gleichzeitig mehrere<br />

Empfänger abzusetzen. In einer Mel<strong>de</strong>liste wer<strong>de</strong>n alle Meldungen und Aufträge<br />

übersichtlich aufgeführt. Alle angeschlossenen Nutzer haben so die Möglichkeit,<br />

<strong>de</strong>n Mel<strong>de</strong>austausch zwischen allen angeschlossenen Lagezentren wie in einem<br />

„Nachrichtenticker“ zu verfolgen.<br />

Durch die Nutzung <strong>de</strong>s Lage- und Mel<strong>de</strong>managements von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus wur<strong>de</strong>n<br />

während LÜKEX 2007 bereits wichtige Kernelemente <strong>de</strong>s Systems erfolgreich<br />

eingesetzt. Doch das System bietet noch viel mehr, um die Arbeit in einem Krisenstab<br />

effizient zu unterstützen:<br />

1. Das Mel<strong>de</strong>management<br />

Im Mel<strong>de</strong>management von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus können nicht nur einfache Meldungen<br />

ausgetauscht wer<strong>de</strong>n, es besteht auch die Möglichkeit, diesen Meldungen Anhänge<br />

in Form von Word-, Excel- o<strong>de</strong>r Pdf-Dokumenten beizufügen. Darüber<br />

hinaus können auch Bil<strong>de</strong>r – z.B. von einem Scha<strong>de</strong>nsort – als jpg.-Dateien mit<br />

<strong>de</strong>n Meldungen versandt wer<strong>de</strong>n. Weiterhin kann beispielsweise <strong>de</strong>r Leiter eines<br />

Krisenstabes konkrete Aufträge mit Terminsetzung an seine Sachgebiete erteilen.<br />

Über die Mel<strong>de</strong>liste hat er dann die Möglichkeit, die Erledigung seiner Aufträge<br />

zu überwachen.


Mel<strong>de</strong>liste<br />

2. Das Rollen- und Rechtekonzept<br />

Kernelement <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Notfallvorsorge-Informationssystems - <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus - ist<br />

ein Rollen- und Rechtekonzept. Der Systemadministrator ist in <strong>de</strong>r Lage, spezielle<br />

Rollen <strong>im</strong> System anzulegen. Hierbei kann es sich um die in <strong>de</strong>r Stabsorganisation<br />

vorgesehenen Sachgebiete (S 1, S 2 usw.) o<strong>de</strong>r um frei <strong>de</strong>finierbare Funktionsplätze<br />

han<strong>de</strong>ln. Diese Rollen können nun wie<strong>de</strong>rum frei skalierbar mit best<strong>im</strong>mten<br />

Rechten versehen wer<strong>de</strong>n. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich nicht nur um einfache<br />

Lese- o<strong>de</strong>r Schreibrechte, son<strong>de</strong>rn es können sich auch komplette Funktionalitäten<br />

hinter diesen Rechten verbergen (z.B. das Erstellen und Freischalten von<br />

Lagezeichnungen). Gera<strong>de</strong> dieses Rollenkonzept ermöglicht es, dass unterschiedliche<br />

rollenbasierte Lagekarten erstellt und zielgerichtet best<strong>im</strong>mten Rollen – und<br />

damit ausgewählten Nutzern – freigeschaltet wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Die Lagedokumentation<br />

In einem Ereignisfall ist es wichtig, dass <strong>de</strong>r Ablauf <strong>de</strong>r Lageentwicklung möglichst<br />

umfassend dokumentiert wird. In <strong><strong>de</strong>NIS</strong> IIplus wird zwischen zwei grundsätzlichen<br />

„Betriebszustän<strong>de</strong>n“ unterschie<strong>de</strong>n. Im Normalbetrieb stehen nur Routinefunktionalitäten<br />

<strong>im</strong> System zur Verfügung, die es beispielsweise ermöglichen,<br />

die Daten zu Hilfeleistungspotenzialen o<strong>de</strong>r zu Objekten zu ergänzen o<strong>de</strong>r zu<br />

aktualisieren. Darüber hinaus können <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Einsatzplanung Checklisten<br />

und Lagekarten angelegt und <strong>im</strong> System abgespeichert wer<strong>de</strong>n. In einem<br />

Ereignisfall wird dann <strong>im</strong> System eine so genannte „Lage“ eröffnet. Von diesem<br />

Augenblick an stehen <strong>de</strong>n Nutzern, die an dieser Lage beteiligt sind, zusätzliche<br />

Funktionalitäten zur Verfügung. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n erste Erkenntnisse<br />

zum Scha<strong>de</strong>nsereignis, wie Ereignisort, personelle und materielle Schä<strong>de</strong>n, <strong>im</strong><br />

System eingegeben. Die weiteren Informationen zur Lage wer<strong>de</strong>n nun über das<br />

Mel<strong>de</strong>management in Form von Meldungen und Aufträgen sowie das Lagemanagement<br />

in Form von Lagekarten <strong>im</strong> System erfasst. Wichtige Lagekarten über<br />

die Entwicklung <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>nsausmaßes können zusätzlich <strong>im</strong> System archiviert<br />

wer<strong>de</strong>n. Über das elektronische Einsatztagebuch können darüber hinaus be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />

Informationen zur Lageentwicklung dokumentiert wer<strong>de</strong>n.<br />

169


170<br />

Anzahl Erkrankte<br />

Sobald die Scha<strong>de</strong>nslage bewältigt ist und die „Lage“ <strong>im</strong> System abgeschlossen<br />

wird, wer<strong>de</strong>n sämtliche Meldungen und Lagekarten dieses Scha<strong>de</strong>nsereignisses<br />

ins Lagearchiv verschoben. Zu einem späteren Zeitpunkt können die hinterlegten<br />

Lagekarten sowie die Meldungen und Eintragungen zu dieser Lage aus <strong>de</strong>m<br />

Archiv wie<strong>de</strong>r aufgerufen wer<strong>de</strong>n, um zum Beispiel <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Lagebearbeitung<br />

<strong>im</strong> Krisenstab zu evaluieren.<br />

4. Die Einsatzplanung<br />

Zur Vorbereitung auf einen Einsatzfall stehen <strong>im</strong> System Werkzeuge zur Verfügung,<br />

um Checklisten und Lagekarten vorzubereiten. Diese vorbereiteten<br />

Checklisten und Lagekarten können sich auf best<strong>im</strong>mte Ereignisse (Hochwasser,<br />

Explosion, Feuer usw.) wie auch auf Ereignisorte (Chemiefabrik A-Dorf, Bahnhof<br />

B-Dorf) beziehen. Diese Checklisten und Lagekarten sind wie<strong>de</strong>rum rollenbezogen.<br />

Das be<strong>de</strong>utet, dass für je<strong>de</strong>n Funktionsplatz (Rolle) innerhalb eines<br />

Krisenstabes Checklisten für best<strong>im</strong>mte vorstellbare Ereignisse bereits präventiv<br />

erstellt und <strong>im</strong> System hinterlegt wer<strong>de</strong>n können. In einem konkreten Ereignisfall<br />

können diese vorbereiteten Checklisten aufgerufen und um weitere Maßnahmen<br />

ergänzt wer<strong>de</strong>n, die aufgrund <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s aktuellen Scha<strong>de</strong>nsereignisses<br />

benötigt wer<strong>de</strong>n. Im Verlauf <strong>de</strong>s Einsatzes können die Maßnahmen<br />

<strong>de</strong>r Checkliste „abgearbeitet“ und <strong>de</strong>r Status in <strong>de</strong>r Checkliste auf „erledigt“ gesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

5. Bibliothek und Volltextsuche<br />

In <strong>de</strong>r Bibliothek von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus können textbasierte Informationen hinterlegt<br />

wer<strong>de</strong>n. Hierbei kann es sich um Rechtsgrundlagen, Richtlinien, Merkblättern<br />

o<strong>de</strong>r umfangreiche Beschreibungen zu <strong>de</strong>n Fähigkeiten von Hilfeleistungspotenzialen<br />

han<strong>de</strong>ln. Über eine Volltextsuche ist <strong>de</strong>r Nutzer in <strong>de</strong>r Lage, die gesamte<br />

Datenbank von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus zu durchsuchen, um best<strong>im</strong>mte Dokumente zu fin<strong>de</strong>n.


Zusammenfassung und Ausblick<br />

Erweiterte funktionale Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Krisenstäbe<br />

an das System wer<strong>de</strong>n mit Hilfe von Übungen und<br />

Systemtests ermittelt und in zukünftigen Versionen<br />

berücksichtigt. Darüber hinaus wird das mit <strong><strong>de</strong>NIS</strong> IIplus<br />

zwischen <strong>Bund</strong>es- und Lan<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong>n realisierte<br />

Netzwerk <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz durch <strong>de</strong>n Aufbau<br />

weiterer <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus -Datenbankinstanzen ausgebaut.<br />

So kann <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus als Plattform eines virtuellen<br />

Krisenstabes auch behör<strong>de</strong>nintern genutzt wer<strong>de</strong>n,<br />

in<strong>de</strong>m beispielsweise Lageinformationen und Lagebil<strong>de</strong>r<br />

ausgetauscht und Aufträge erteilt wer<strong>de</strong>n. Im<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus -Kompetenzzentrum, das sich aus Vertretern<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es und von Lan<strong>de</strong>sinnenministerien,<br />

die <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus -Datenbankinstanzen betreiben, zusammensetzt,<br />

wer<strong>de</strong>n zukünftige Ausbaustufen, neu<br />

zu integrieren<strong>de</strong> Ressourcendaten und Schnittstellen<br />

zu externen Systemen abgest<strong>im</strong>mt. Neben <strong>de</strong>m<br />

Ausbau <strong>de</strong>r Ressourcendatenbank wer<strong>de</strong>n zukünftig<br />

weitere Risikokarten und aktuelle Messwertdaten<br />

aus Gefahrenerfassungssystemen, wie beispielsweise<br />

Wetter- und Pegeldaten, automatisiert in das System<br />

eingespielt wer<strong>de</strong>n.<br />

Mit <strong>de</strong>r Entwicklung von <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus hat<br />

<strong>de</strong>r <strong>Bund</strong> einen wichtigen Beitrag geleistet,<br />

um die Defizite <strong>im</strong> Informationsmanage-<br />

ment abzubauen. Neben <strong>de</strong>r Erfassung<br />

und Bereitstellung von Engpassressourcen<br />

wird vor allem die Gewinnung eines aktu-<br />

ellen und einheitlichen Lagebil<strong>de</strong>s durch<br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus wesentlich unterstützt. Dieses<br />

Lagebild ist Voraussetzung dafür, angemes-<br />

sene Ressourcen zeitgerecht und effektiv<br />

einzusetzen.<br />

Das System <strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus bietet damit die Kommunikations-<br />

und Informationsplattform, um die Koordination<br />

<strong>de</strong>s Einsatzes von Hilfeleistungspotenzialen zu<br />

erleichtern.<br />

Zum Autor: Bernhard Corr leitet das Referat I.4 „Deutsches Notfallvorsorge-Informationssystem“ <strong>im</strong> <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz<br />

und Katastrophenhilfe, Bonn<br />

171


172<br />

Zukunftsperspektiven <strong>de</strong>s nationalen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz<br />

Wolfgang Grambs / Tanja Thie<strong>de</strong><br />

Die Vielfalt <strong>de</strong>r in dieser Publikation vorgestellten<br />

Beiträge zeigt die komplexen Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />

<strong>de</strong>nen sich mo<strong>de</strong>rne Industriegesellschaften stellen<br />

müssen. Es bestehen Risiken und Gefahren, die zunehmend<br />

politische und internationale Implikationen<br />

haben. Die Instrumente <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr, insbeson<strong>de</strong>re<br />

<strong>im</strong> nichtpolizeilichen Bereich, wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />

90er Jahren vornehmlich auf <strong>de</strong>r taktisch-operativen<br />

Ebene unter Berücksichtigung von Szenarien <strong>de</strong>r „alltäglichen“<br />

Gefahrenabwehr opt<strong>im</strong>iert. Spätestens seit<br />

<strong>de</strong>m 11. September 2001, <strong>de</strong>m Elbehochwasser 2002<br />

und <strong>de</strong>n Planungen und Vorbereitungen zur Fußballweltmeisterschaft<br />

2006 ist <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>n, dass<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>im</strong> strategischen Bereich <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

konzeptionelle Lücken bestehen. In<br />

diesem Zusammenhang sollen – ohne grundsätzliche<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

<strong>de</strong>s fö<strong>de</strong>rativen Systems – die län<strong>de</strong>r-, ressort- und<br />

bereichsübergreifen<strong>de</strong>n konzeptionellen, organisatorischen<br />

und verfahrensmäßigen Voraussetzungen<br />

für ein ergebnisorientiertes Zusammenwirken bei außergewöhnlichen<br />

Situationen und Großscha<strong>de</strong>nsereignissen<br />

geschaffen und weiter entwickelt wer<strong>de</strong>n.<br />

Damit wird auch <strong>de</strong>r notwendige und opt<strong>im</strong>ierte<br />

Rahmen <strong>im</strong> politisch-administrativen Bereich für <strong>de</strong>n<br />

koordinierten und erfolgreichen Einsatz aller verfügbaren<br />

Ressourcen geschaffen.<br />

Die Bandbreite <strong>de</strong>r vorgestellten Beiträge zeigt die<br />

erheblichen Fortschritte <strong>im</strong> strategischen <strong>Krisenmanagement</strong><br />

in <strong>de</strong>n letzten Jahren. Einen wesentlichen<br />

Anteil an dieser Entwicklung hat die Übungsserie LÜ-<br />

KEX, die erstmalig <strong>im</strong> nationalen Rahmen ein strategisches<br />

Forum etabliert hat, in <strong>de</strong>m sich die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

gesellschaftlichen Akteure <strong>de</strong>s nationalen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s treffen, um gemeinsam zu üben<br />

und dabei Konzepte, Verfahren und Strukturen zu<br />

testen und weiterzuentwickeln.


Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Übungsserie LÜKEX<br />

Auch in Zukunft wer<strong>de</strong>n die Szenarien <strong>de</strong>r LÜKEX-<br />

Übungen weiterhin außergewöhnliche Scha<strong>de</strong>nsereignisse<br />

sein, die die „Lebensa<strong>de</strong>rn“ einer mo<strong>de</strong>rnen<br />

Dienstleistungsgesellschaft min<strong>de</strong>stens in Teilbereichen<br />

so nachhaltig stören, dass das Gesamtsystem <strong>de</strong>r<br />

Notfallvorsorge reagieren muss. Dieser Ansatz stellt<br />

sicher, dass die Akteure für „Worst-Case-Szenarien“<br />

(z. B. großflächiger Stromausfall, Pan<strong>de</strong>mie, Naturkatastrophen<br />

und Terrorismus) und <strong>de</strong>ren Bewältigung<br />

sensibilisiert wer<strong>de</strong>n. Diese umfassen<strong>de</strong> Herangehensweise<br />

stellt sicher, dass die formalen Strukturen<br />

durch informelle Netzwerke verdichtet wer<strong>de</strong>n. Auf<br />

diese Weise wird gewährleistet, dass auch bei Szenarien<br />

unterhalb <strong>de</strong>r Worst-Case-Schwelle flexibler<br />

reagiert und insbeson<strong>de</strong>re die chaotische Anfangsphase<br />

von Großscha<strong>de</strong>nsereignissen erfolgreicher<br />

bewältigt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

In diesem Sinne wird <strong>de</strong>r Übung LÜKEX 2009 ein<br />

terroristisches Drohungs- und Anschlagsszenario mit<br />

radiologischen und chemischen Substanzen zugrun<strong>de</strong><br />

liegen. Im Rahmen dieser Übung wird eine neue<br />

Einheit <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es in <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr in Fällen<br />

<strong>de</strong>s illegalen Umgangs o<strong>de</strong>r z.B. <strong>de</strong>r terroristischen<br />

Anwendung radioaktiver Stoffe zum Einsatz kommen.<br />

Einsatz-Übung <strong>de</strong>r Zentralen Unterstützungsgruppe <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es für gravieren<strong>de</strong> Fälle nuklearspezifischer Gefahrenabwehr<br />

(ZUB)<br />

Diese Einheit, die „Zentrale Unterstützungsgruppe <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es für gravieren<strong>de</strong> Fälle <strong>de</strong>r nuklearspezifischen<br />

Gefahrenabwehr (ZUB)“ wird <strong>im</strong> amts- und ressortübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Ansatz (BKA, BPOL und BfS) entsprechen<strong>de</strong><br />

Aufgaben übernehmen und Maßnahmen <strong>de</strong>r<br />

Gefahrenabwehr koordinieren und durchführen. Ziel<br />

<strong>de</strong>r Übung ist es auch 2009, die Entscheidungs- und<br />

Kommunikationsstrukturen von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn<br />

auf <strong>de</strong>r einen und nichtstaatlicher Akteure auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite auf einan<strong>de</strong>r abzust<strong>im</strong>men.<br />

Atom-Katastrophe von Tschernobyl<br />

Die beson<strong>de</strong>re Sensibilität <strong>de</strong>s Übungsthemas wird<br />

eine noch intensivere Berücksichtigung <strong>de</strong>r Presse-<br />

und Öffentlichkeitsarbeit als zentraler Komponente<br />

<strong>de</strong>s strategischen <strong>Krisenmanagement</strong>s erfor<strong>de</strong>rn. Ein<br />

weiteres wichtiges Übungsziel wird die Befassung<br />

mit psychologischen Fragen <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />

sein: Wie verhält sich die Bevölkerung bei solch einem<br />

Anschlag? Wird es zu Panikreaktionen kommen?<br />

Welche Rolle spielen Desinformationen und Gerüchte?<br />

Wie wer<strong>de</strong>n die Medien reagieren?<br />

Auf diese Fragen müssen Krisenmanager Antworten<br />

und Lösungen fin<strong>de</strong>n. Der Forschungsstand zu dieser<br />

Problematik ist eher veraltet und antizipiert nicht<br />

die Charakteristika mo<strong>de</strong>rner Industriegesellschaften.<br />

Möglicherweise liegt hier eine <strong>de</strong>r Ursachen dafür,<br />

dass die so genannten „weichen Faktoren“ <strong>de</strong>r Entscheidungsfindung<br />

<strong>im</strong> <strong>Krisenmanagement</strong> bisher<br />

eher vernachlässigt wer<strong>de</strong>n und die fachlichen und<br />

rechtlichen Aspekte <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund stehen.<br />

173


174<br />

Die Szenarien <strong>de</strong>r Folgeübungen nach LÜKEX 2009<br />

sollten nach Auffassung <strong>de</strong>r Autoren vorrangig die<br />

Bedrohungen <strong>de</strong>r Strukturen <strong>de</strong>r Informationstechnik<br />

(IT), zum Beispiel durch Terrorismus, organisierte<br />

Kr<strong>im</strong>inalität o<strong>de</strong>r Stromausfall, sowie biologische<br />

Scha<strong>de</strong>nslagen, die keinen natürlichen Ursprung haben,<br />

zum Thema haben.<br />

Der <strong>de</strong>m System LÜKEX zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Gedanke<br />

ist, dass Szenarien mit gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen<br />

Betroffenheit auf allen staatlichen Ebenen<br />

erzeugen. Die LÜKEX-Übungen bil<strong>de</strong>n diese Betrof-<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>s strategischen <strong>Krisenmanagement</strong>s in fö<strong>de</strong>ralen Systemen<br />

Die zunehmen<strong>de</strong> Globalisierung <strong>de</strong>r Wirtschaft, die<br />

verstärkte Privatisierung ehemals staatlicher Grundfunktionen,<br />

das logistische Grundprinzip <strong>de</strong>s „just in<br />

t<strong>im</strong>e“ und das Outsourcing vieler Bereiche <strong>de</strong>r Versorgungs-<br />

und Produktionsabläufe erfor<strong>de</strong>rn in zunehmen<strong>de</strong>m<br />

Maße die <strong>im</strong>mer stärkere Einbeziehung<br />

privater Betreiber (80 Prozent <strong>de</strong>r kritischen Infrastrukturen<br />

sind mittlerweile in privater Hand) in das<br />

gesamtstaatliche <strong>Krisenmanagement</strong>. Vor allem LÜK-<br />

fenheit insbeson<strong>de</strong>re auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>es- und<br />

Lan<strong>de</strong>sregierungen ab. Die zahlreichen Erkenntnisse<br />

und Erfahrungen, die bei diesen Übungen gewonnen<br />

wer<strong>de</strong>n, sollten zukünftig auch auf <strong>de</strong>r mittleren<br />

Verwaltungsebene (z. B. Bezirksregierungen, Lan<strong>de</strong>sverwaltungsämter)<br />

durch Folgeübungen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r<br />

vertieft wer<strong>de</strong>n. Damit wür<strong>de</strong> ein auf einan<strong>de</strong>r abgest<strong>im</strong>mtes<br />

Übungsgeschehen in Deutschland verwirklicht<br />

wer<strong>de</strong>n, das <strong>de</strong>n neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

gerecht wird und gleichzeitig die Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s<br />

fö<strong>de</strong>ralen Systems berücksichtigt<br />

EX 07 hat gezeigt, dass hinsichtlich einer fundierten<br />

Pan<strong>de</strong>mieplanung <strong>de</strong>rzeit nur die großen und international<br />

aufgestellten Unternehmen gut vorbereitet<br />

sind, die kleinen und mittelständischen Unternehmen<br />

sich aber mit dieser Problematik bisher nicht<br />

o<strong>de</strong>r kaum befasst haben. Folglich müssen auch diese<br />

stärker als bisher sowohl in das Übungsgeschehen<br />

als auch in das <strong>Krisenmanagement</strong> auf allen Ebenen<br />

einbezogen wer<strong>de</strong>n.


Altstadt Dres<strong>de</strong>n: „Land unter“<br />

Die opt<strong>im</strong>ale Nutzung <strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen<br />

Ressourcen ist gera<strong>de</strong> in einem fö<strong>de</strong>ralen<br />

System <strong>im</strong>mer dann eine beson<strong>de</strong>re He-<br />

rausfor<strong>de</strong>rung, wenn regionale Zustän-<br />

digkeiten und Kompetenzen nicht mehr<br />

ausreichen, einer grenzüberschreiten<strong>de</strong>n<br />

Scha<strong>de</strong>nslage zu begegnen.<br />

Durch die auch <strong>im</strong> internationalen Vergleich überdurchschnittlich<br />

gute „Grundaufstellung“ in Deutschland<br />

auf örtlicher und regionaler Ebene wer<strong>de</strong>n<br />

Standards gesetzt, die <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

auch auf <strong>de</strong>r überregionalen Ebene<br />

verwirklicht wer<strong>de</strong>n sollten. Im Sinne einer weiteren<br />

Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>r Effizienz <strong>de</strong>s fö<strong>de</strong>ralen Systems ergibt<br />

sich daraus eine beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung, die<br />

län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n Gremien, Strukturen und Ver-<br />

fahren <strong>im</strong> Bevölkerungsschutz weiterzuentwickeln<br />

und in Übungen zu erproben. Die Einführung und<br />

Erprobung eines einheitlichen Mel<strong>de</strong>wesens, die Einrichtung<br />

geschlossener Informationsportale und die<br />

Definition von Kriterienkatalogen für Bedarfs- und<br />

Ressourcenermittlung sind Beispiele für konkreten<br />

Handlungsbedarf.<br />

Die Initialisierung einer neuen Übungskultur sollte<br />

auch dazu genutzt wer<strong>de</strong>n, <strong>Krisenmanagement</strong> als<br />

festen Bestandteil in die Aus- und Weiterbildung<br />

<strong>de</strong>r Führungskräfte in Politik und Wirtschaft aufzunehmen.<br />

Dies wür<strong>de</strong> die Bildung von Netzwerken<br />

stärken, das Verständnis für die gegenseitigen Abhängigkeiten<br />

för<strong>de</strong>rn und zur Einführung bereichsübergreifen<strong>de</strong>r<br />

Standards beitragen. Ausbildungseinrichtungen<br />

wie die Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong><br />

Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ), die <strong>Bund</strong>esaka<strong>de</strong>mie<br />

für Sicherheitspolitik (BAKS) o<strong>de</strong>r die<br />

Deutsche Hochschule <strong>de</strong>r Polizei (DHPol) sollten<br />

ihre Ausbildungsangebote verstärkt <strong>de</strong>mentsprechend<br />

ausrichten.<br />

175


176<br />

Reale Lagen und LÜKEX- Übungslagen<br />

haben gezeigt, dass außergewöhnliche<br />

und komplexe Ereignisse unabhängig von<br />

ihrer tatsächlichen Größenordnung relativ<br />

rasch höchste nationale und internationa-<br />

le Betroffenheit erzeugen.<br />

Auch wenn die <strong>Bund</strong>esregierung <strong>im</strong> Katastrophenschutz<br />

formal keine Zuständigkeit hat, wird durch<br />

die Medien und die internationale Gemeinschaft ein<br />

übergeordneter zentraler nationaler Ansprechpartner<br />

gesucht und erwartet. Deshalb wird bei Scha<strong>de</strong>nsereignissen<br />

von einer D<strong>im</strong>ension, die die Überlebensfähigkeit<br />

<strong>de</strong>s Gesamtsystems gefähr<strong>de</strong>t (außerhalb<br />

<strong>de</strong>s Spannungs- und Verteidigungsfalles), auch <strong>im</strong> fö<strong>de</strong>ralen<br />

System ein Entscheidungsgremium erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sein, das oberhalb <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeit bestehen<strong>de</strong>n Krisenstäbe<br />

auf <strong>Bund</strong>es- und Län<strong>de</strong>rebene angesie<strong>de</strong>lt<br />

sein sollte. Darüber hinaus sollte bei fundamentalen<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen dieser Art <strong>de</strong>r parlamentarische<br />

Bereich in die Entscheidungsfindung einbezogen<br />

wer<strong>de</strong>n. Diese, nach unserem bisherigen Verständnis<br />

durchaus revolutionären I<strong>de</strong>en sollten ohne parteipolitische<br />

Gedankenspiele in die grundsätzlichen<br />

Überlegungen zur Weiterentwicklung <strong>de</strong>s nationalen<br />

Systems <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Außergewöhnliche Scha<strong>de</strong>nsereignisse machen nicht<br />

an Grenzen halt. Deshalb müssen angemessene<br />

Schutzkonzeptionen die grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Aspekte<br />

von Scha<strong>de</strong>nsszenarien miteinan<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>n.<br />

Die Mitgliedstaaten <strong>de</strong>r Europäischen Union<br />

haben damit begonnen, Konzepte zu schaffen sowie<br />

Strukturen und Verfahren auf europäischer Ebene<br />

weiterzuentwickeln, um <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen globaler<br />

Szenarien und Verflechtungen gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein Beispiel ist das EU-Gemeinschaftsverfahren<br />

mit <strong>de</strong>m Monitoring and Information Centre (MIC)<br />

und <strong>de</strong>m Common Emergency Communication System<br />

(CECIS), um nur ein Projekt von mehreren zu<br />

nennen.


Die konzeptionellen Grundlagen für alle institutionellen<br />

Weiterentwicklungen sind das Prinzip <strong>de</strong>r<br />

Subsidiarität und das Pr<strong>im</strong>at <strong>de</strong>r nationalen Reaktionsfähigkeit.<br />

Die Verantwortung für <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung muss bei <strong>de</strong>n Nationalstaaten bleiben,<br />

nur diese haben die notwendigen Kenntnisse <strong>de</strong>r regionalen<br />

Gegebenheiten. Auf <strong>de</strong>r Basis angemessener<br />

nationaler Ressourcen <strong>im</strong> Gesamtspektrum <strong>de</strong>r<br />

Heraufor<strong>de</strong>rungen müssen das Gemeinschaftsverfahren<br />

weiterentwickelt und ein wirkungsvolles Ressourcenmanagement<br />

in <strong>de</strong>r gegenseitigen Hilfeleistung<br />

verwirklicht wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Erfahrungen aus <strong>de</strong>n LÜKEX-Übungen<br />

haben gezeigt, dass subsidiär geprägte<br />

Strukturen in beson<strong>de</strong>rer Weise von über-<br />

greifen<strong>de</strong>n Netzwerken und einem intensi-<br />

ven Austausch aller Beteiligten leben.<br />

In <strong>de</strong>r internationalen Zusammenarbeit sollte daher<br />

<strong>de</strong>r Schwerpunkt zunächst nicht auf <strong>de</strong>r Durchführung<br />

großer europäischer Übungen mit einer Vielzahl<br />

von Mitgliedstaaten liegen, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>m<br />

zielgerichteten Austausch von Erfahrungen, die aus<br />

<strong>de</strong>r Bewältigung realer Ereignisse und <strong>de</strong>n Erkenntnissen<br />

aus nationalen Übungen resultieren. Ein weiterführen<strong>de</strong>r<br />

Ansatz wäre die Initiierung eines stra-<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen für die Forschung<br />

Der Forschungsstand zur Gefahrenabwehr ist bislang<br />

von polizeilichen und militärischen Fragestellungen<br />

geprägt. Hier gilt es weiterzu<strong>de</strong>nken. Benötigt wer<strong>de</strong>n<br />

auch interdisziplinäre Forschungsprogramme,<br />

die alle Aspekte <strong>de</strong>r Gefahrenabwehr ab<strong>de</strong>cken. Eine<br />

weitere Forschungslücke besteht insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r<br />

Bearbeitung <strong>de</strong>r so genannten „weichen Faktoren“<br />

<strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s. Grundlegen<strong>de</strong> soziale Verän<strong>de</strong>rungen<br />

in mo<strong>de</strong>rnen Dienstleistungsgesellschaften,<br />

wie zum Beispiel Individualisierungsprozesse,<br />

Überalterung und abnehmen<strong>de</strong> Selbsthilfefähigkeiten,<br />

erfor<strong>de</strong>rn die verstärkte Berücksichtigung sozialer<br />

und katastrophenpsychologischer Aspekte in<br />

Übungen und bei Entscheidungsprozessen.<br />

„S<strong>im</strong>ulation Krisencenter“<br />

tegischen Forums auf europäischer Ebene, das nicht<br />

nur <strong>de</strong>n Erfahrungsaustausch för<strong>de</strong>rt, son<strong>de</strong>rn auch<br />

zur Verdichtung von Netzwerken beiträgt und die<br />

wechselseitige partielle Übungsbeteiligung koordiniert.<br />

Entsprechen<strong>de</strong> Konzepte wer<strong>de</strong>n in Deutschland<br />

vom <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und<br />

Katastrophenhilfe bereits entwickelt.<br />

Die gesamtgesellschaftliche Perspektive <strong>de</strong>s strategischen<br />

<strong>Krisenmanagement</strong>s erfor<strong>de</strong>rt die Bün<strong>de</strong>lung<br />

aller relevanten gefahrenabwehrübergreifen<strong>de</strong>n Informationen<br />

und Erkenntnisse. Die Aufbereitung<br />

und Darstellung entsprechend komplexer Lagebil<strong>de</strong>r,<br />

beispielsweise auf <strong>de</strong>r Ebene einer Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>esregierung, setzen <strong>de</strong>n Einsatz<br />

informationstechnologischer Systeme zum Informationsmanagement,<br />

zur Lagedarstellung und zur<br />

prognostischen Lageentwicklung voraus. Gera<strong>de</strong> in<br />

<strong>de</strong>zentralen Strukturen erfor<strong>de</strong>rt dies einen ganzheitlichen<br />

Ansatz <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>r Vernetzung individueller<br />

und vorhan<strong>de</strong>ner Teilsysteme.<br />

177


178<br />

Neben <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung müssen die privaten<br />

Betreiber kritischer Infrastrukturen in diese Informationsmanagementsysteme<br />

einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Konsequenterweise sollten hierzu auch <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong>de</strong>r Forschung Joint Ventures aus öffentlichen und<br />

privaten Akteuren gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Ein gutes Beispiel<br />

hierfür ist das kürzlich gestartete Forschungsprojekt<br />

zur Erstellung eines Krisenhandbuchs Stromausfall<br />

für Ba<strong>de</strong>n-Württemberg. Konsortialpartner<br />

sind das <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und<br />

Katastrophenhilfe, die Lan<strong>de</strong>sregierung Ba<strong>de</strong>n-Württemberg,<br />

die Universität Karlsruhe und das Energieunternehmen<br />

EnBW.<br />

Entscheidungen in komplexen Lagen mit weit reichen<strong>de</strong>n<br />

politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen<br />

wer<strong>de</strong>n nach wie vor weitgehend „intuitiv“<br />

getroffen. Es fehlen Möglichkeiten zur systematischen<br />

Bewertung alternativer Handlungsansätze und unterschiedlicher<br />

Lageentwicklungen. Die erfolgreich eingesetzten<br />

S<strong>im</strong>ulationssysteme in militärischen Szenarien<br />

sollten weiterentwickelt wer<strong>de</strong>n, um auch zivile<br />

Ereignisse abbil<strong>de</strong>n zu können. Einsatz- und Krisenstäbe<br />

auf allen Ebenen sowie Ausbildungseinrichtungen<br />

<strong>de</strong>r zivilen Notfallvorsorge wür<strong>de</strong>n dadurch<br />

technische Entscheidungsunterstützungshilfen neuer<br />

Qualität zur Verfügung gestellt.<br />

Im strategischen <strong>Krisenmanagement</strong> sind in <strong>de</strong>n<br />

letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht wor<strong>de</strong>n.<br />

Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat LÜKEX.<br />

Ursprünglich als Übungsserie konzipiert hat sie<br />

inzwischen als „System LÜKEX“ <strong>im</strong> nationalen<br />

Rahmen ein strategisches Forum etabliert, in <strong>de</strong>m sich<br />

die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n staatlichen und gesellschaftlichen<br />

Akteure <strong>de</strong>s nationalen <strong>Krisenmanagement</strong>s treffen,<br />

um gemeinsam zu üben und Konzepte, Verfahren und<br />

Strukturen zu testen und weiterzuentwickeln.<br />

Zu <strong>de</strong>n Autoren: Wolfgang Grambs, Fachberater für <strong>Krisenmanagement</strong>, ist Koordinator <strong>de</strong>r Projektgruppe LÜKEX, Tanja Thie<strong>de</strong><br />

Referentin <strong>im</strong> Lehrbereich IV.6, <strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe


ADNS<br />

AEG<br />

AKNZ<br />

AOLG<br />

BAKS<br />

BBK<br />

BeaBwZMZ<br />

BeaSanStOffzZMZGesWes<br />

BfArM<br />

BfR<br />

BKA<br />

BLALAG<br />

BLE<br />

BMG<br />

BMI<br />

BMVBS<br />

BSI<br />

BVL<br />

CECIS<br />

CERT-<strong>Bund</strong><br />

<strong><strong>de</strong>NIS</strong> II plus<br />

DHPOL<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

An<strong>im</strong>al Disease Notification System<br />

Allgemeines Eisenbahngesetz<br />

Aka<strong>de</strong>mie für <strong>Krisenmanagement</strong>, Notfallplanung und Zivilschutz<br />

Arbeitsgemeinschaft <strong>de</strong>r obersten Lan<strong>de</strong>sgesundheitsbehör<strong>de</strong>n<br />

<strong>Bund</strong>esaka<strong>de</strong>mie für Sicherheitspolitik<br />

<strong>Bund</strong>esamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe<br />

Beauftragte <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr für die Zivil-Militärische<br />

Zusammenarbeit<br />

Beauftragter Sanitätsstabsoffizier für die Zivil-Militärische<br />

Zusammenarbeit Gesundheitswesen<br />

<strong>Bund</strong>esinstitut für Arzne<strong>im</strong>ittel und Medizinprodukte<br />

<strong>Bund</strong>esinstitut für Risikobewertung<br />

<strong>Bund</strong>eskr<strong>im</strong>inalamt<br />

<strong>Bund</strong>-Län<strong>de</strong>r-Abteilungsleiter-Arbeitsgemeinschaft<br />

<strong>Bund</strong>esanstalt für Landwirtschaft und Ernährung<br />

<strong>Bund</strong>esministerium für Gesundheit<br />

<strong>Bund</strong>esministerium <strong>de</strong>s Innern<br />

<strong>Bund</strong>esministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />

<strong>Bund</strong>esamt für Sicherheit in <strong>de</strong>r Informationstechnik<br />

<strong>Bund</strong>esamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit<br />

Common Emergency Communication System<br />

Computer Emergency Response Team für die <strong>Bund</strong>esverwaltung<br />

Deutsches Notfallvorsorge-Informationssystem<br />

Deutsche Hochschule <strong>de</strong>r Polizei<br />

179


180<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

ECDC<br />

ECURIE<br />

EGC<br />

ENV<br />

EPSKI<br />

ESS<br />

EVG<br />

FwDV 100<br />

GASP<br />

GGSK<br />

GMLZ<br />

GTAZ<br />

IAEA<br />

IDKO<br />

IfSG<br />

IKO<br />

IMIS<br />

IntMinKoGr<br />

IS ENV.<br />

E<br />

F<br />

G<br />

I<br />

European Centre for Disease Prevention and Control<br />

European Community Urgent Radiological Information Exchange<br />

European Governmental CERT Group<br />

Ernährungsnotfallvorsorge<br />

Europäisches Programm zum Schutz Kritischer Infrastrukturen<br />

Europäische Sicherheitsstrategie<br />

Ernährungsvorsorgegesetz<br />

Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 „Führung und Leitung <strong>im</strong> Einsatz<br />

– Führungssystem“<br />

Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

Größere Gefahren- und Scha<strong>de</strong>nslagen, Katastrophen<br />

Gemeinsames Mel<strong>de</strong>- und Lagezentrum von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn<br />

Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum<br />

Internationale Atomenergiebehör<strong>de</strong><br />

I<strong>de</strong>ntifizierungskommission <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>eskr<strong>im</strong>inalamtes<br />

Infektionsschutzgesetz<br />

Informations-Koordinator<br />

Integriertes Mess- und Informationssystem für die Überwachung<br />

<strong>de</strong>r Umweltradioaktivität<br />

Interministerielle Koordinierungsgruppe von <strong>Bund</strong> und Län<strong>de</strong>rn<br />

Informationssystem Ernährungsnotfallvorsorge


KoKo<br />

KRZ<br />

KUT<br />

MANV<br />

MIC<br />

NPSI<br />

PEI<br />

ProPK<br />

PSNV<br />

RKI<br />

RSK<br />

SanKdoBw<br />

SSK<br />

K<br />

M<br />

N<br />

P<br />

R<br />

S<br />

Koordinierungsstab Kommunikation<br />

Krisenreaktionszentrum<br />

Krisenunterstützungsteam<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

Massenanfall von Verletzten<br />

Monitoring and Information Centre for Civil Protection<br />

Nationaler Plan zum Schutz <strong>de</strong>r Informationsinfrastrukturen<br />

Paul-Ehrlich-Institut<br />

Programm Polizeiliche Kr<strong>im</strong>inalprävention <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bund</strong>es<br />

Psychosoziale Notfallvorsorge<br />

Robert Koch-Institut<br />

Reaktorsicherheitskommission<br />

Sanitätskommando <strong>de</strong>r <strong>Bund</strong>eswehr<br />

Strahlenschutzkommission<br />

181


182<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

THW<br />

TSG<br />

TSN<br />

TUZ<br />

UBA<br />

VwS<br />

VwVfG<br />

WHO<br />

ZMZ<br />

ZNR<br />

ZUB<br />

T<br />

U<br />

V<br />

W<br />

Z<br />

<strong>Bund</strong>esanstalt Technisches Hilfswerk<br />

Tierseuchengesetz<br />

Tierseuchennachrichtensystem<br />

Technisches Unterstützungszentrum<br />

Umweltbun<strong>de</strong>samt<br />

Verwaltungsstab<br />

Verwaltungsverfahrensgesetz<br />

World Health Organisation<br />

Zivil-Militärische Zusammenarbeit<br />

Zivile Notfallreserve<br />

Zentrale Unterstützungsgruppe <strong>de</strong>s <strong>Bund</strong>es für gravieren<strong>de</strong><br />

Fälle <strong>de</strong>r nuklearspezifischen Gefahrenabwehr


Titel: picture alliance<br />

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Bildnachweis<br />

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Seite 92 rechts: Flughafen Hamburg<br />

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183


184<br />

Bildnachweis<br />

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Seite 175: BBK<br />

Seite 176: BBK<br />

Seite 177: CAE GmbH<br />

Titelfoto: Schneekatastrophe <strong>im</strong> Münsterland November 2005: Strommasten brechen und verursachen<br />

großräumige Störungen <strong>de</strong>r Stromversorgung


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