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Erich Niessen - Siegburg

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Vizebürgermeister <strong>Erich</strong> Nießen erlebte als 11-Jähriger das Kriegsende<br />

„Lieber daheim sterben“<br />

<strong>Siegburg</strong>. Die letzten Kriegstage in <strong>Siegburg</strong>.<br />

Der heutige Vizebürgermeister <strong>Erich</strong> Nießen<br />

hat sie als 11-jähriger Junge hautnah miterlebt.<br />

Zusammen mit seiner Mutter Anna und drei<br />

Brüdern, der jüngste erst wenige Monate alt,<br />

war er vorübergehend aus dem von einer<br />

Bombe getroffenen Elternhaus in der<br />

Frankfurter Straße 7 in einen der drei in den<br />

Michaelsberg getriebenen Stollen gezogen. Der<br />

Eingang lag gegenüber dem heutigen<br />

Finanzamt, hinter dem Torbogen des Weges<br />

von der Mühlenstraße auf den Berg. Weitere<br />

Stollen befanden sich dort, wo sich heute der<br />

große Kinderspielplatz sowie das Parkhotel<br />

befinden. Die Gleise der Kipp-Loren, mit deren<br />

Hilfe die Stollen weiter in den Berg<br />

vorangetrieben werden sollten, waren mit<br />

Brettern verdeckt, links und rechts standen<br />

Betten und Matratzenlager, erinnert sich<br />

Nießen.<br />

<strong>Erich</strong> Nießen<br />

Als die Einschläge der Artillerie um den offenen Stolleneingang immer heftiger wurden,<br />

Phosphorqualm der Granaten um den Tunneleingang waberte und Panik vor Fleckfieber<br />

ausbrach, entschloss sich Anna Nießen zur Rückkehr in die Frankfurter Straße: "Wenn wir<br />

alle sterben, dann daheim." "Im Hagel der Granaten, von Haustür zur Haustür" sei die Familie<br />

zurück, erinnert sich Nießen. Die nächsten Tage lebten sie in der Waschküche, schliefen im<br />

Luftschutzkeller. Tagsüber spielten die Pänz im Innenhof und wurden mehrfach von einem<br />

ganz tief fliegenden Motorsegler, einem US-Aufklärungsflugzeug, beobachtet. "Wir sind dann<br />

nicht mehr beschossen worden", erinnert sich Nießen und ist sicher: "Die Amerikaner haben<br />

uns bewusst verschont."<br />

Als SS-Trupps die Frankfurter Straße räumen ließen, erklärte Anna Nießen zwar, das Haus zu<br />

verlassen, blieb trotzdem heimlich. Nachts klopfte es, vier Amerikaner, ein Spähtrupp,<br />

standen vor der Türe. Darunter ein in Frankfurt geborener Deutsch-Amerikaner namens<br />

Hoffmann, dem Mädchennamen von Nießens Mutter, ebenfalls aus dem Frankfurter Raum<br />

stammend. Man sei bestimmt verwandt, mutmaßte Hoffmann. Anna Nießen kochte Kaffee.<br />

Beim nächsten nächtlichen Besuch brachten die GIs amerikanischen Kaffee und Zigaretten<br />

mit, welche am Tage darauf deutsche Soldaten entdeckten. Als diese den Amerikanern<br />

auflauern wollten, habe sie Anna Nießen mit den Worten angeschrien "Wollt Ihr meine<br />

Kinder umbringen?" Sie solle den Amerikaner zumindest sagen, sie sollten wegbleiben,<br />

entgegneten die deutschen Soldaten. Als dies Anna Nießen den GI´s berichtete, erklärten<br />

diese ungerührt, besser blieben die Deutschen weg, bald "gehe es los".<br />

Tatsächlich setzte einen Tag später der heftige Artilleriebeschuss vor dem Sturm auf <strong>Siegburg</strong><br />

ein. Das Trommelfeuer ging die ganze Nacht hindurch. Morgens dann Radau vor der Haustür.<br />

Deutsche Soldaten, dachte Anna Nießen und stieß beim Öffnen der Tür einen


Schreckensschrei aus. Ein farbiger US-Soldat mit aufgepflanztem Seitengewehr stürmte ins<br />

Haus und rief "Soldat, Soldat", durchsuchte den Keller und stieß zur Kontrolle mit dem<br />

Bajonett in Wäscheballen, während in der Ecke die Kinder weinten. Später kam Hoffmann<br />

und riet "Bleibt die nächsten Tage im Keller, zeigt euch nicht am Fenster." Wahre<br />

"Gräuelmärchen über die Neger" seien ihnen als Kinder von den Lehrern eingebläut worden,<br />

doch schnell sei die Furcht vor den farbigen Soldaten gewichen, erinnert sich Nießen: "Die<br />

waren alle nett, schenkten uns Pänz Obst und Schokolade."

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