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Wissenschaft und Politik in der DDR - Peer Pasternack

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516<br />

Die deutsch-deutsche <strong>Wissenschaft</strong>sentwicklung <strong>der</strong> Nachkriegsjahrzehnte <strong>in</strong> Stichworten<br />

Forum<br />

1950er-Jahre 1960er-Jahre 1970er-Jahre 1980er-Jahre 1990er-Jahre 2000er-Jahre<br />

Zentralisie- techno-<br />

Expansions- Abwickrung,<br />

Gegen- kratische Mo- Krise,<br />

rücknahme,<br />

lung,<br />

<strong>DDR</strong> privilegierung, <strong>der</strong>nisierung,<br />

Generations-<br />

Manageria-<br />

Diszipl<strong>in</strong>ie- Transfor-<br />

Ka<strong>der</strong>- Hochschul- biockade lisierung,<br />

rung mation Utilitaripolitisierung<br />

expansion<br />

Re-Büro-<br />

_____ •••• ____ 0_. sierung,<br />

Hochschul-<br />

kratisierung,<br />

Generations- Auflö- Flexibili-<br />

expansion, Expansions- Fö<strong>der</strong>aliblockade,<br />

sung <strong>der</strong> sierung<br />

B<strong>und</strong>es- kulturelle fortsetzung,<br />

sierung,<br />

Restauration Untert<strong>in</strong>an- Generarepublik<br />

Durchlüftung, Pädagogi-<br />

Verschulung<br />

zierung, Büro- tionsblo-<br />

Demokrati- sierung<br />

kratisierung ckade<br />

sierung<br />

Verschulung verb<strong>und</strong>en: Obligatorische Lehrveranstaltungen,<br />

starre Studienpläne, ger<strong>in</strong>ge Selbststudienzeit,<br />

Standardisierung <strong>und</strong> zahlreiche Prüfungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

kennzeichnen die bisherige Studienstrukturreform.<br />

Was hier unternommen wurde, war e<strong>in</strong>e Herausarbeitung<br />

dom<strong>in</strong>ieren<strong>der</strong> Entwicklungsl<strong>in</strong>ien. Dies<br />

impl iziert, dass nichtdom<strong>in</strong>ierende vernachlässigt<br />

wurden. Um es an e<strong>in</strong>em Beispiel zu verdeutlichen:<br />

Im Verhältnis zum radikalen Elitenbruch, wie er nach<br />

1945 <strong>in</strong> Ostdeutschland stattfand, ist es für diese Betrachtung<br />

nicht wesentlich, dass <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen auch<br />

dort auf <strong>in</strong> den NS verstrickte <strong>Wissenschaft</strong>ler zurückgegriffen<br />

wurde. 25 Denn dom<strong>in</strong>ierend war <strong>der</strong><br />

Bruch, nicht die Kont<strong>in</strong>uität. Umgekehrt verhielt es<br />

sich dagegen im Westen Deutschlands: Elitenkont<strong>in</strong>uität<br />

verband sich mit zum Teil offener Fe<strong>in</strong>dseligkeit<br />

gegenüber Emigranten <strong>und</strong> Rückkehrern. Daher ist<br />

dies dort mit dem Begriff <strong>der</strong> Restauration als dom<strong>in</strong>ieren<strong>der</strong><br />

Trend vermerkt.<br />

Auch trifft sich die obige Darstellung <strong>in</strong> zahlreichen<br />

Punkten nicht mit <strong>in</strong>dividuellen Er<strong>in</strong>nerungen, wie<br />

sie mittlerweile <strong>in</strong> reicher Zahl publiziert s<strong>in</strong>d. Das<br />

entwertet die Er<strong>in</strong>nerungen <strong>der</strong> Zeitzeugen nicht,<br />

son<strong>der</strong>n verweist auf etwas an<strong>der</strong>es: Die dom<strong>in</strong>ierenden<br />

Entwicklungsl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>er Zeit erschließen<br />

sich erst e<strong>in</strong>er distanzierten, vom E<strong>in</strong>zelerleben abstrahierenden<br />

Betrachtung - zeitlich, räumlich o<strong>der</strong><br />

kognitiv distanziert <strong>und</strong> analytisch abstrahierend. Wir<br />

haben es hier mit e<strong>in</strong>er unaufhebbaren Diskrepanz<br />

von Zeitzeugenschaft <strong>und</strong> Zeitgeschichtsschreibung<br />

zu tun. Diese zeigt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er »Deutungskonkurrenz«<br />

zwischen Zeitzeugen <strong>und</strong> Zeitbistorikern. 26<br />

Wenn beispielsweise für die B<strong>und</strong>esrepublik <strong>der</strong><br />

60er-Jahre als e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> dom<strong>in</strong>ierenden Entwicklungen<br />

die kulturelle Durchlüftung des <strong>Wissenschaft</strong>sbetriebs<br />

festgehalten wird, dann wi<strong>der</strong>spricht das zweifelsohne<br />

zahlreichen Er<strong>in</strong>nerungen von Zeitzeugen. Diese<br />

haben häufig vor allem Krawalle <strong>und</strong> Angriffe auf<br />

akademische Traditionen im Gedächtnis behalten.<br />

Doch handelte es sich dabei zum e<strong>in</strong>en um zeitty-<br />

25 Z. B. den Germanisten Joachim Müller (vgl. Günter Schmidt!<br />

Ulrich Kaufmann [Hg.], Ritt über den Bodensee. Studien <strong>und</strong><br />

Dokumente zum Werk des Jenaer Germanisten Joachim<br />

Müller, Jena/Quedl<strong>in</strong>burg 2006), den Chemiker Peter Adolt<br />

Thiessen (vgl. Christ<strong>in</strong>a Eibl, Der Physikochemiker Peter<br />

Adolf Thiessen als <strong>Wissenschaft</strong>sorganisator [1899-1990].<br />

E<strong>in</strong>e biographische Studie, Diss. phil. Stuttgart1999; Klaus<br />

Beneke, Die Kolloidwissenschaftler Peter Adolf Thiessen,<br />

Gerhart Jan<strong>der</strong>, Robert Havemann, Hans Witzmann <strong>und</strong><br />

ihre Zeit, Nehmten 2000, S. 24-174), den Mediz<strong>in</strong>er Jussuf<br />

Ibrahim (vgl. Bericht <strong>der</strong> Kommission <strong>der</strong> Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena zur Untersuchung <strong>der</strong> Beteiligung Prof.<br />

Dr. Jussuf Ibrahims an <strong>der</strong> Vernichtung »lebensunwerten<br />

Lebens« während <strong>der</strong> NS-Zeit, Jena 2000) sowie die mediz<strong>in</strong>ische<br />

Hochschullehrerschaft <strong>in</strong>sgesamt (vgl. Anna­<br />

Sab<strong>in</strong>e Ernst, »Die beste Prophylaxe ist <strong>der</strong> Sozialismus«.<br />

Ärzte <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ische Hochschullehrer <strong>in</strong> <strong>der</strong> SBZ/<strong>DDR</strong><br />

1945-1961, Münster 1997).<br />

26 Konrad Jarausch, Zeitgeschichte <strong>und</strong> Er<strong>in</strong>nerung. Deutungskonkurrenz<br />

o<strong>der</strong> Interdependenz?, <strong>in</strong>: <strong>der</strong>s./Mart<strong>in</strong><br />

Sabrow (Hg.), Verletztes Gedächtnis. Er<strong>in</strong>nerungskultur<br />

<strong>und</strong> Zeitgeschichte im Konflikt, Frankfurt a. M./New York<br />

2002, S. 9-37.

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