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JAHRESBERICHT 2008 KORNHAUS - Kornhaus Vogelsang

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Rückblick<br />

Ich kann mich an meinen ersten Tag in der Buchbinderei noch gut erinnern. Ich hatte damals<br />

viele Ängste vor den Leuten, vor dem neuen Umfeld und ob ich überhaupt irgendwas schaffen<br />

werde. Einen klaren Willen hatte ich nicht wirklich und es ging mir oft schlecht.<br />

Allerdings war für mich wichtig, dass die Leute mich nicht ‹in eine Schublade› stecken. Ich<br />

wollte nicht als Satanist bezeichnet werden und auch nicht als böse, obwohl ich immer kohlrabenschwarz<br />

angezogen war und kein Wort von mir aus sagte.<br />

Ich hatte aber bald das Gefühl, dass man mich als den erkennt, der ich wirklich bin oder werden<br />

will. Allerdings hatte ich auch Probleme damit, mich zu zeigen.<br />

Die Arbeit fand ich bald sehr interessant, und ich hatte das Ziel einer Vorbereitung im Blick auf<br />

die Lehre hin. Einige Zeit schien es für mich gut zu klappen. Irgendwann habe ich mich dann<br />

wieder dazu entschlossen, von zu Hause auszuziehen, was mir sehr gut getan hat. Ich hatte das<br />

Gefühl, dass ich mich stark verändert habe. Ich gewann etwas mehr Interesse an Kontakten und<br />

konnte mich freier zeigen. Oft hatte ich allerdings das Gefühl, zu viel gezeigt zu haben und<br />

gewissermassen nackt dazustehen. Damit hatte ich noch Probleme. Eine Weile klappte alles<br />

recht gut.<br />

Gegen Ende des Jahres wurde mir immer bewusster, dass es mit der Ausbildung knapp wird,<br />

vielleicht sogar wegen meinem neuen Sozialverhalten und auch anderen Dingen. Ich hatte das<br />

Gefühl, dass alles schief geht, denn auch im Sozialen hatte ich wieder vermehrt Probleme, im<br />

<strong>Kornhaus</strong> und auch im Hofberg. Ich stellte mein Leben grundsätzlich in Frage, dachte wieder,<br />

ich sei unfähig und wertlos. Ich hatte schlimme Gefühle wie noch selten, auch kamen plötzlich<br />

wieder alte Sachen hoch, sodass ich mich vor Weihnachten geschnitten habe.<br />

Im Nachhinein war es mir sehr unangenehm, dass ich damit alles vermasselt habe und auch,<br />

dass es alle wussten. Seitdem geht es mir wieder öfters schlecht, allerdings bin ich doch irgendwie<br />

anders als noch am Anfang in der Buchbinderei. Es kann mir auch mal richtig gut gehen,<br />

und auch mein Selbstvertrauen ist stärker geworden.<br />

Früher war alles wie in einem Nebel. Jetzt empfinde ich alles differenzierter zwischen gut und<br />

schlecht. Ich fühle mich nicht mehr so hilflos, wenn ich mit jemandem spreche. Ich kann besser<br />

Vergleiche machen und sehe manchmal auch in den negativen Sachen einen Sinn. Das Lernen<br />

in der Buchbinderei hat bei mir bewirkt, dass ich in meinem Alltag manchmal Papier oder<br />

Karton befühle und schaue, welche Eigenschaften diese haben. Oder ich schaue mir irgendwelche<br />

Bücher oder Schachteln genauer an. Ich habe so etwas wie einen neuen Bezug dazu<br />

bekommen.<br />

Juni <strong>2008</strong><br />

Django Hanselmann, ehemaliger Lernender Buchbinderei<br />

29 Ich<br />

werde erkannt<br />

als der, der ich bin oder werden will

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