Die Presse Schaufenster
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Fotos: Beigestellt<br />
Vier Jahre lang war es still um den König<br />
des Freak-Folk. Jetzt kredenzt Devendra<br />
Banhart sein achtes Album. „Mala“<br />
betört mit sehr lockeren Arrangements.<br />
Zart verzerrte Gitarren, ein paar Tupfer am<br />
Keyboard, dazu die bewährten vokalen<br />
Ornamente, die Kiekser à la Marc Bolan.<br />
Niemand vor ihm hat das brasilianische<br />
Genre Tropicália so wunderbar mit Folk<br />
gemixt. Neben eigenen Großtaten wie den<br />
Alben „Cripple Crow“ und „Smokey Rolls<br />
Down The Canyon“ hat dieser singende<br />
Vagabund viele vergessene Kollegen wiederentdeckt:<br />
Vashti Bunyan, Cindy Kallet,<br />
Karen Dalton, Linda Perhacs. Banhart lag<br />
immer richtig. Auch mit den ästhetischen<br />
Entscheidungen auf „Mala“. So schenkt er<br />
uns endlich wieder eines seiner versonnenen<br />
Gitarreninstrumentals. Er vergnügt<br />
sich mit Latineskem im Ranchera-Stil, tändelt<br />
mit Fifties-R&B, Bistro-Walzer und Soft<br />
Shoe Jazz. Auf „Your Fine Petting Duck“, seinem<br />
nur oberflächlich lasziv tönenden<br />
Duett mit seiner Lebensgefährtin, der serbischen<br />
Künstlerin Ana Kras,<br />
attackiert er gar mit effektvoll<br />
schaumgebremsten Electro-<br />
Beats. Inhaltlich geht es um<br />
Wiederversöhnung nach einem<br />
Seitensprung: Eine untreue<br />
Dame will ihren Herzbuben<br />
zurück, der wehrt sich meta-<br />
phernreich. Gegen Ende des<br />
skurrilen Songs plagt sich Banharts<br />
Zunge mit Deutsch, betont<br />
DiscothÈque<br />
Pop Jazz<br />
von Samir H. Köck<br />
Nicht von dieser Welt<br />
Gestutzt, aber nicht gebügelt: der neue Devendra Banhart.<br />
von Samir H. Köck<br />
so kurios, dass man den Silbensalat kaum<br />
als die Sprache der Philosophen erkennt.<br />
Obwohl die Verse vom umnachteten Nietzsche<br />
sein könnten: „Als eine Flamme reist<br />
du durch das essenzialisierte Universum,<br />
inzwischen trinken wir unser Glas des Himmels<br />
Abstinenz, eines Tages könnten wir<br />
wieder unsere Löcher stopfen.“<br />
„Mi Negrita“. Spanisch ist Banhart eindeutig<br />
näher, wie man beim eleganten „Mi Negrita“<br />
feststellen kann. Mit einem seiner<br />
unnachahmlich simplen Gitarrengrooves<br />
geht es ins absurde „Hildegard von Bingen“,<br />
das die Mystikerin als VHS-verliebte VJane<br />
vorführt: „She’s been dreamin’, relocation<br />
from the mystic regulations. Now she’s workin<br />
at the station, as a VJ on rotation.“ Dass<br />
er in seinem verkifften Neo-Hippietum ein<br />
charmanter Bastard ist, zeigen Zeilen wie<br />
„If we ever make sweet love again, I’m sure<br />
it would be quite disgusting.“ Vielleicht<br />
gründet sein zynischer Zugang zur Liebe<br />
darin, dass sich seine Mama einst von ihm<br />
enttäuscht gezeigt hat, wie er<br />
im verschummerten „A Gain“<br />
enthüllt. Mittlerweile mag sie<br />
ihn wohl wieder: Der einstige<br />
zottige Prinz der Gegenkultur<br />
hat sich artig die Haare<br />
gestutzt, seine Lieder sind<br />
zugänglicher geworden.<br />
„Mala“: