Die Presse Schaufenster
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Nr. 33/11. 10. 2013<br />
<strong>Schaufenster</strong><br />
Sturmfront<br />
Neunziger-Revival:
Cover: Bernd Preiml Fotos: Reuters, Michel Comte/I-Management, beigestellt<br />
Bild<br />
der<br />
Woche<br />
Hund und Herrl.
9<br />
10<br />
8 <strong>Schaufenster</strong><br />
2<br />
1<br />
K u l t<br />
90er-Reminiszenz<br />
8<br />
7<br />
3<br />
4<br />
1. Damenlook von Alexis Reyna, Preis auf<br />
Anfrage, www.alexisreyna.com<br />
2. Lampe aus der „Graphic Lamp Collec-tion“<br />
von Delightfull, 3108 Euro, erhältlich<br />
bei Quas, Gumpendorferstraße 16,<br />
1060 Wien<br />
3. Damenlook von Jean Paul Gaultier, Preis<br />
auf Anfrage,<br />
www.jeanpaulgaultier.com<br />
4. Broschenset von Marni, 164 Euro,<br />
www.marni.com<br />
5. Schnürschuhe von Robert Clergerie, 390<br />
Euro, www.net-a-porter.com<br />
6. Sonnenbrille von Christian Roth aus der<br />
„Silver Lining Vintage x Opening<br />
Ceremony“-Kollektion, ca. 330 Euro,<br />
www.openingceremony.us<br />
7. Herrenlook von Shaun Ramson, Preis<br />
auf Anfrage, www.shaunsamson.co.uk<br />
8. Mascara „Great Lash“ von Maybellin, 8,99<br />
Euro, im Drogeriefachhandel erhältlich<br />
9. Kappe aus Feincord von Dsquard2,<br />
351 Euro, www.dsquared2.com<br />
10. Schlüsselanhänger von Versace, 400<br />
Euro, Trattnerhof 1, 1010 Wien<br />
Neue Adresse<br />
6<br />
★ Etro. Das Interieur des neuen Flagship-Store<br />
zeigt die Liebe zur Kunst und<br />
Kultur, die das italienische Label ausmacht.<br />
So befindet sich im Geschäft,<br />
das Damen- und Herrenmode sowie Accessoires<br />
führt, etwa ein Ölgemälde von<br />
Umberto Brunelleschi aus dem Jahre<br />
1920. Tuchlauben 5, 1010 Wien<br />
5<br />
Redaktion: Christina Lechner , Fotos: Reuters (2), Versace, beigestellt
www.cartier.at<br />
Ballon Bleu de Cartier<br />
Neue 33 mm Kollektion, Automatik
Materialien. Für die Herstellung der<br />
Stofftiere werden Mohair, Alpaca<br />
oder Webplüsch verwendet.<br />
Innenleben. Bei der Verwendung<br />
von Holzwolle als Füllmaterial ist<br />
händisches Stopfen notwendig.<br />
A t e l i e r<br />
Es war nicht etwa ein Teddybär, der am Anfang von Margarete<br />
Steiffs Karriere stand. Es war ein einfaches Schnittmuster in<br />
Elefantenform – 1879 im Journal „Modenwelt“ abgedruckt –, das<br />
zum Grundstein des berühmten Spielzeugunternehmens wurde.<br />
Fünf Nadelkissen nähte Margarete Steiff zunächst nach dem Muster,<br />
doch die starke Nachfrage von Kinderseite löste bald eine Neuorientierung<br />
aus: Das Steiff ’sche Filzkonfektionsgeschäft wurde<br />
10 <strong>Schaufenster</strong><br />
Steiff<br />
Fertigung. Dunkle Knopfaugen vollenden<br />
das Stofftier. Danach folgt der<br />
berühmte Knopf im Ohr.<br />
Aussagekräftig. Charakter und Ausdruck<br />
der Stofftiere können nicht an<br />
Maschinen umgesetzt werden.<br />
zur Manufaktur Steiff. 1902 entwarf Margaretes Neffe Richard dann<br />
den „Bären 55 PB“ mit beweglichen Armen und Beinen. Ein amerikanischer<br />
Händler bestellte sofort 3000 Stück und der Teddybär,<br />
benannt nach Präsident Theodore Roosevelt, wurde ab 1906 in den<br />
USA verkauft. Mehr als 130 Jahre nach seiner Gründung bleibt Steiff<br />
Weltmarke, vor allem, weil man auch heute noch auf Handarbeit<br />
setzt – und nicht zuletzt auf den Knopf im Ohr. s<br />
Fotos: Beigestellt
Wien<br />
Graben 22<br />
Tel. 01 532 56 56<br />
Hermes.com<br />
Hermès Winterspiele
Rüsche. Weißes Kleid um 2350 Euro von Dimitri, Strickweste um 269 Euro von Marlene Birger, Jacke um 4100 Euro von Akris. Ohrringe um 245 Euro, Cadenzza<br />
designed by Gian Paulo Maria. Collier über Schulter, 285 Euro, Cadenzza designed by Gaurav Gupta. Der Schmuck auf allen Seiten stammt von Cadenzza.<br />
12 <strong>Schaufenster</strong><br />
Nirvana-<br />
Stimmung<br />
<strong>Die</strong> Neunziger sind zurück: Ein Grunge-Revival bringt eine<br />
Edelversion des typischen Seattle-Schlabberlooks mit sich.<br />
Produktion: Barbara Zach Fotos: Bernd Preiml
Bouclé. Kleid um 2495 Euro und Schuhe um 800 Euro, beides von Alexander McQueen, Strickmantel von Blumarine, Preis auf Anfrage, Socken von Blugirl, Preis<br />
auf Anfrage, Gürtel um 395 Euro von Gucci. Ohrringe „Black Hole Sun“ um 112 Euro entworfen von Iosseliani. Obere Hand: Mittelfingerring „3Skull“ um 210 Euro,<br />
Ringfingerringe „Skull“ um 180 Euro und „Bird Claw“ um 195 Euro, alle entworfen von Bernard Delettrez.<br />
<strong>Schaufenster</strong> 13
Strick. Jacke um 635 Euro von Giorgio Armani, weißer Pullover von Mugler, Preis auf Anfrage, Strickkleid um 964 Euro und Stricktube um 375 Euro, beides von<br />
Jean Paul Gaultier, schwarzes Lederhemd um 650 Euro von <strong>Die</strong>sel Black Gold, Boots um 590 Euro von Blumarine.<br />
14 <strong>Schaufenster</strong>
Spitze. Grünes Oberteil um 2630 Euro und Weste um 2570 Euro, beides von Chanel, Mantel von Jana Wieland, Preis auf Anfrage. Armreif „Duchess“ um 250 Euro<br />
und Ring „Duchess“ um 135 Euro, beides entworfen von Melissa Kandiyoti.<br />
<strong>Schaufenster</strong> 15
Leder. Kleid um 3500 Euro von Gucci, Hose um 650 Euro und Jacke um 1190 Euro, beides von <strong>Die</strong>sel Black Gold, goldene Boots um 800 Euro von Miu Miu. Collier<br />
„Modern Swing“ um 440 Euro, „Black Hole Sun“ verwendet als Armband um 275 Euro, beides entworfen von Iosseliani.<br />
16 <strong>Schaufenster</strong>
Stickerei. Graue Weste um 5200 Euro und Kleid um 5200 Euro, beides von Prada, karierter Schal von Jana Wieland, Preis auf Anfrage, Mütze um 120 Euro von<br />
Blugirl. Kette „Skull“ um 230 Euro entworfen von Janis Savitt.<br />
Cover. Kleid und Mantel von Louis Vuitton, Preis auf Anfrage, Strickgilet in Schwarz/Silber um 529 Euro von MMissoni, Stutzen, Stylists own, Boots um 590 von<br />
Blugirl. Kette „Padlock“ um 595 Euro designed von Mawi London und Ring „Skull“ um 180 Euro, entworfen von Bernard Delletrez für Cadenzza.<br />
Produktion & Styling: Barbara Zach/www.barbarazach.com ☆ Foto: Bernd Preiml ☆ Haar: Alex Moser/www.alexmoser.at ☆ Make-up: Nicole jaritz ☆ Model: Helena/Wienermodels ☆ Make-up: Nicole Jaritz ☆ Set: Empire<br />
of Wolves ☆ Stylingassistenz: Ivana ☆ <strong>Die</strong>se Modestrecke entstand mit Unterstützung von Cadenzza.<br />
Bezugsquellen: Akris, Kohlmarkt 4, 1010 Wien ★ Alexander McQueen, www.alexandermcqueen.com ★ Blugirl, www.blugirl.it ★ Blumarine, www.blumarine.com ★ Cadenzza, Kärntner Straße 53–55, 1010 Wien ★<br />
Chanel, Kohlmarkt 5, 1010 Wien ★ <strong>Die</strong>sel, Kohlmarkt 8–10, 1010 Wien ★ Dimitri, www.bydimitri.com ★ Giorgio Armani, Kohlmarkt 3, 1010 Wien ★ Gucci, Kohlmarkt 5, 1010 Wien ★ Jana Wieland, www.janawieland.at<br />
★ Jean Paul Gaultier, www.jeanpaulgaultier.com ★ Louis Vuitton, Seitzergasse 2–4, 1010 Wien ★ Marlene Birger, www.bymarlenebirger.com ★Mugler, int.mugler.com ★ Prada, Weihburggasse 9, 1010 Wien<br />
18 <strong>Schaufenster</strong>
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Saint Laurent.<br />
<strong>Die</strong> Inspiration<br />
kommt aus kalifornischenVintage-Läden.<br />
Zaungast. Grunge-Ikone Courtney<br />
Love bei der Alexander-Wang-Show.<br />
House of Holland.<br />
Hier ein<br />
Grunge-Remix<br />
des britischen<br />
Labels.<br />
Greta Gerwig.<br />
In „Frances Ha“<br />
ebenfalls im<br />
vom Grunge inspirierten<br />
Look.<br />
Schmuddel-<br />
Luxus<br />
Der Grunge-Look der Neunzigerjahre feiert ein<br />
Comeback und wurde von Modedesignern<br />
ordentlich auf Vordermann gebracht.<br />
20 <strong>Schaufenster</strong><br />
20 <strong>Schaufenster</strong><br />
Text: Elly Kiss<br />
Hedi Slimane.<br />
Der Mastermind<br />
hinter<br />
dem luxuriösen<br />
Grunge-Revival.<br />
Dries van Noten.<br />
Auch der<br />
belgische Designer<br />
zeigte<br />
Kompatibles.<br />
Geniestreich eines Modeschöpfers<br />
oder doch der<br />
Versuch, sich über die<br />
ganze Branche lustig zu<br />
machen? Nach der Präsentation<br />
von Hedi Slimanes<br />
Herbstkollektion für Saint Laurent<br />
waren die Reaktionen gespalten, auf jeden<br />
Fall aber hat der stilprägende Designer mit<br />
seiner Neuinterpretation des NeunzigerjahreGrungeLooks<br />
der Modebranche ein<br />
Raunen entlockt. Der NoStatementKleidungsstil,<br />
der vor zwanzig Jahren in der<br />
UndergroundSzene angesagt war, feiert<br />
nun seinen Einzug in die Welt des luxuriösen<br />
Prêtàporter. Darf der GrungeStil wieder<br />
Teil einer weltweiten Jugendkultur<br />
werden, oder erfolgte eine nicht mehr<br />
rückgängig zu machende Kontextverschiebung.<br />
Und was macht den Reiz dieser<br />
unprätentiös erscheinenden Stilbewegung<br />
aus?<br />
No-Style der Neunziger.
Grunge-Band. Das Zugpferd der Bewegung<br />
ist und war Nirvana.<br />
Karohemden, Arbeitsstiefel und die Vernachlässigung<br />
des Äußeren spiegelten eine<br />
innere Haltung und zeigten Zugehröigkeit<br />
zur Subkultur Grunge. Der kommerzielle<br />
Durchbruch der Grunge-Kultur war auch<br />
gleichzeitig ihr Untergang. Filme wie „Reality<br />
Bites“ inszenierten die Unvereinbarkeit<br />
des Lebensgefühls mit den gesellschaftlichen<br />
Ansprüchen. Der Slacker-Prototyp,<br />
gespielt von Generationsikone Ethan<br />
Hawke, skandiert für seine Freunde Parolen<br />
der Verweigerung, kombiniert mit<br />
einer Art weltanschaulich-philosophischem<br />
Unterbau.<br />
An der Ostküste der USA wurde so eine<br />
ganze Generation geprägt, und der Überlebenskampf<br />
vieler junger Künstler in den<br />
Metropolen trug dieses Bewusstsein weiter.<br />
Insbesonders in Kalifornien ist der<br />
„Nineties No-Style“ nie ganz verschwunden<br />
und sozusagen zum Bestandteil der dortigen<br />
Folklore geworden.<br />
<strong>Die</strong> Autorin und Schauspielerin Greta Gerwig<br />
stellt dieses Lebensgefühl in<br />
ihren Filmen dar und trägt auch<br />
den dazugehörigen Look: mädchenhafte<br />
Kleider, übergroße Pullover<br />
und am liebsten alles, was<br />
etwas verlottert und zerknautscht<br />
aussieht.<br />
Traumpaar Kurt und Courtney.
Louis Vuitton. „Time<br />
to say goodbye“,<br />
meinte Marc Jacobs<br />
und zeigte sehr viel<br />
Schwarzes.<br />
herMÈs<br />
dior<br />
valentino<br />
22 <strong>Schaufenster</strong><br />
22 <strong>Schaufenster</strong><br />
saint laurent<br />
Abschied und<br />
Ausdruckstanz<br />
<strong>Die</strong> Pariser Modewoche bescherte neben<br />
Frühlingslooks für 2014 auch Knalleffekte.<br />
Es ist immer dasselbe: Sobald<br />
ein wichtiges Modehaus<br />
eine Designerrochade<br />
bestätigt, äußern sich die<br />
wichtigsten Insider auf<br />
Social-Media-Kanälen<br />
über die „endlich erfolgte“ Bestätigung<br />
eines „seit Monaten“ kursierenden<br />
Gerüchts (auch ein Insiderstatus<br />
will untermauert<br />
werden). So dürfte also halb Paris<br />
schon gewusst haben, was nach<br />
der Louis-Vuitton-Show offiziell<br />
war: Marc Jacobs verlässt<br />
das Luxuslabel nach<br />
einem äußerst erfolgreichen<br />
Jahrzehnt in Amt und Würden,<br />
um den Börsegang seines<br />
eigenen Modelabels vorzubereiten.<br />
Seine letzte Kollektion<br />
war stimmigerweise (nicht<br />
nur Frühlingsgefühle evozierend)<br />
ganz in Schwarz gehalten.<br />
Anderswo, nämlich im Grand Palais,<br />
zelebrierte Karl Lagerfeld seine augenzwinkernde<br />
Variante der immer enger<br />
werdenden Kunst-Mode-Bande: <strong>Die</strong> Chanel-Kollektion<br />
wurde in einer Art „White<br />
Cube“ gezeigt, ausstaffiert mit dekorati-<br />
alexander MCQueen<br />
Text: Daniel Kalt<br />
Rick Owens. Eine<br />
kraftvolle Performanceamerikanischer<br />
Stampftanz-<br />
Truppen.<br />
dries van noten<br />
ver Kunst, die auch auf der Art Basel<br />
ihr Plätzchen hätte finden können,<br />
aber zur Gänze von Lagerfeld ersonnen<br />
worden war. Eigenkunst zeigte<br />
auch Jean-Charles de Castelbajac,<br />
jedoch als Motive auf Kleidungsstücken.<br />
Rick Owens wieder setzte<br />
auf Performance-Kunst und ließ<br />
eine Vielzahl tanzender Powerfrauen<br />
aus den USA einfliegen.<br />
In puncto Trendvorschau für kommenden<br />
Frühling war die Vielzahl<br />
von Ethno-Anleihen auffällig<br />
(Valentino, Miu Miu, subtiler bei<br />
Hermès), oft in Richtung Afrika<br />
schielend (Givenchy, McQueen).<br />
Bei Saint Laurent schaffte Hedi<br />
Slimane den Spagat zwischen<br />
der klassischen Eleganz<br />
des Hauses und seinenRockstar-Allüren,<br />
und bei Dior<br />
konsolidierte Raf<br />
Simons sich als visionärer<br />
Modemacher,<br />
der es Saison um Saison<br />
eher wagt, das<br />
Maison in Richtung seiner<br />
eigenen Ästhetik zu<br />
biegen. s<br />
Jean Paul Gaultier<br />
Chanel. Lagerfelds<br />
Kreationen in Mode<br />
und Kunst – Letztere<br />
waren nicht ganz<br />
ernst gemeint.<br />
GivenChy<br />
J. C. de CastelbaJaC<br />
Miu Miu<br />
Fotos: Beigestellt, APA (7), Reuters (4), Getty (1)
Innovation und kompromisslose Qualität sind die Merkmale von Frédérique Constant. Getrieben von beispielloser Leidenschaft nach Präzision<br />
und handwerklichem Geschick fertigenunsere UhrmacherGenfer Zeitmesser von zeitgenössischem,klassischem Design und außer<br />
gewöhnlichem Wert.<br />
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Genius im<br />
Goldsakko<br />
Der Entertainer Liberace war der erste große<br />
Showstar des Fernsehzeitalters. Sein bestgehütetes<br />
Geheimnis thematisiert nun ein Kinofilm.<br />
24 <strong>Schaufenster</strong><br />
24 <strong>Schaufenster</strong><br />
Text: Oliver Grimm<br />
Superstar. Liberaces opulenter Look in-<br />
spirierte unter anderem Elvis Presley.<br />
Der Kritiker des „New Yorker“ war<br />
sichtlich ergriffen von dem, was er da<br />
Anfang Juni 1954 auf der Bühne des<br />
mit 15.000 Zuhörern restlos ausverkauften<br />
Madison Square Garden sah:<br />
„Der Auftritt! Liberace! Höchstpersönlich!<br />
Ein Gedicht in weißer Fliege,<br />
weißem Frack, weißen Schuhen und dicker Schminke!<br />
Publikum außer sich. Szenen von Pandämonium.“<br />
Zu diesem Zeitpunkt war der am 16. Mai 1919 als Władzio<br />
Valentino Liberace in einer Kleinstadt im Bundesstaat<br />
Wisconsin geborene Mann am Konzertflügel bereits ein<br />
Superstar. Ab 1952 ging die „Liberace Show“, eigentlich<br />
nur eine Folge von Live-Aufzeichnungen seiner Auftritte<br />
auf wechselnden Bühnen, amerikaweit auf Sendung. <strong>Die</strong><br />
Wirtschaftswunder-Generation war süchtig nach dem<br />
neuen Medium, und Liberace gab ihr, wonach sie sich<br />
sehnte: Glanz, Glimmer, romantische Melodien, bis an<br />
den Rand der Erträglichkeit verkitscht, dazu harmlose<br />
Scherze und joviales Geplauder mit dem Publikum, das<br />
am Ende der Konzerte mit auf die Bühne durfte. 30 Millionen<br />
Amerikaner schalteten regelmäßig ein. Pro<br />
Woche gingen im Durchschnitt 10.000 Fanbriefe ein.<br />
Irrwitzig glamourös.
gelacht“, pflegte er besonders feindselig eingestellten<br />
Musikjournalisten brieflich mit auf den Weg zu geben.<br />
Ein bisschen Chopin hier, ein wenig Liszt da, eine Prise<br />
Tschaikowsky, aber nichts allzu Kompliziertes. Sein<br />
Geheimnis? „Ich lasse die ganzen faden Teile weg.“<br />
Dafür legte er umso mehr Wert auf sein Auftreten. Schon<br />
Anfang der 1950er-Jahre tauschte er die bis dahin für<br />
Bühnenmusiker üblichen klassisch-dezenten Anzüge<br />
gegen goldene Sakkos und strassbesetzte Hosen. Als ein<br />
junger Bluessänger aus Memphis namens Elvis Presley<br />
diese Mode einige Jahre später übernahm, war<br />
Liberace längst auf eine irrwitzigere Ebene<br />
des Glamours emporgestiegen. In mehrere<br />
Kilogramm schweren Fuchsmänteln mit<br />
meterlangen Schleppen stieg er aus einem mit<br />
Glitzersteinchen übersäten Rolls-Royce, der<br />
ihn auf die Bühne chauffiert hatte. Denn Rolls,<br />
scherzte er im Plauderton, habe er von seinem<br />
letzten Besuch in London mitgenommen. Dort<br />
hatte er für die Queen gespielt. „Reizende<br />
Dame“, gluckste er. „Und sie wollte ständig<br />
meinen Mantel berühren. Mach nur, Darling,<br />
mach nur, sagte ich.“<br />
Neuzeitlicher Pygmalion.
Design-piraten<br />
<strong>Die</strong> 3-D-Drucktechnologie macht Designer<br />
mächtig und machtlos zugleich.<br />
Text: Norbert Philipp<br />
We love the machine, but<br />
we hate the factory“:<br />
Das Vienna Open<br />
Designfestival, das am 17.<br />
Oktober startet, verschreibt<br />
sich diesem<br />
Motto. Designer brauchen die Industrie<br />
nicht unbedingt mehr, um zu produzieren.<br />
Sie selbst sind die Macher, die „Maker“, wie<br />
sie Chris Anderson in seinem Buch über<br />
„die neue industrielle Revolution“<br />
beschreibt. Dazu ermächtigt hat sie eine<br />
Maschine, die schon als zukünftiger Zauberkasten<br />
des Designs gilt: der 3-D-Drucker.<br />
Wahre Wunderdinge traut man ihm<br />
zu. Wundertaten, die sogar die Weltwirtschaft<br />
komplett auf den Kopf stellen.<br />
<strong>Die</strong> 3-D-Drucktechnologie ermächtigt die<br />
Menschen, Dinge zu tun und auf die Welt<br />
zu bringen, für die man früher Forschungsabteilungen<br />
und Produktionshallen anderer<br />
brauchte. Doch nicht nur „Macher“ sind<br />
die Designer. Manchmal sind sie auch<br />
<strong>Die</strong>be. „Der 3-D-Printer kann die nächste<br />
3-D-Kopiermaschine sein“, spekuliert der<br />
26 <strong>Schaufenster</strong><br />
26 <strong>Schaufenster</strong><br />
Design aus dem Drucker. <strong>Die</strong><br />
„Mash Up“-Kollektion verarbeitet<br />
bereits bestehende Entwürfe.<br />
Designer <strong>Die</strong>derik Schneemann. Das Internet<br />
ist ein riesiges Entwurfsarchiv, in dem<br />
sich Designer bedienen können.<br />
Was verschiedene Fragen aufwirft, vor<br />
allem auch zum Thema Copyright, geistiges<br />
Eigentum und Wert von kreativer Leistung.<br />
„Einer der größten Trends in<br />
3-D-Printing ist die Reproduktion anhand<br />
von Datenbanken im Internet“, sagt<br />
Schneemann. Und mit seiner „Mash Up<br />
Collection“ aus Leuchten, Stühlen und<br />
Zuckerdosen setzt er sich damit auseinander,<br />
indem er zusammensetzt: <strong>Die</strong> Entwürfe<br />
komponiert er aus Teilen von<br />
Designikonen der Vergangenheit zu neuen,<br />
Tipp<br />
Vienna Open 2013. Der Pop-up-Store Neubau in<br />
der Westbahnstraße bildet den Mittelpunkt des<br />
Festivals, das vom 17. bis 31. Oktober stattfindet.<br />
Ausstellungen, Workshops und Vorträge internationaler<br />
Gäste bilden das Programm. Das Festivalmotto<br />
lautet in diesem Jahr zur zweiten Auflage:<br />
„We love the machine, but hate the factory“.<br />
Geborgt oder geklaut. <strong>Die</strong>derik<br />
Schneemann verarbeitet ikonische<br />
Formen seiner Vorbilder.<br />
kontroversiellen Stücken. Referenzen auf<br />
verehrte Altmeister sind es. <strong>Die</strong> „Mash Up<br />
Collection“ soll das Augenmerk auf ein<br />
Thema richten, das wohl die Kehrseite der<br />
3-D-Print-Euphorie bedeutet.<br />
„Ich bin überzeugt, dass der 3-D-Druck-<br />
Trend nicht zu stoppen ist. Mehr und mehr<br />
Designs werden im Internet auftauchen. So<br />
wird es unmöglich, die Copyrights zu kontrollieren“,<br />
erklärt Schneemann. Noch<br />
Designer oder schon <strong>Die</strong>b? „Bewegen wir<br />
uns in Richtung Napster des Designs?“,<br />
fragt sich der Niederländer.<br />
<strong>Die</strong> neue Offenheit. Design öffnet sich: <strong>Die</strong><br />
Designer bleiben längst nicht mehr in ihren<br />
Rollen, in denen sie sich selbst und andere<br />
sie viele Jahre sahen: Sie treiben ihre Ideen<br />
lieber voran und setzen sie um. Werkzeuge<br />
und Technologien haben sich derart<br />
gewandelt, dass der Gestalter selbst den<br />
gesamten Produktionsprozess steuern<br />
kann. Beim Vienna Open 2013 steht hingegen<br />
weniger das Stehlen als das Teilen im<br />
Vordergrund. Den aktuellen Diskurs zu<br />
„Shared Economies“ und „Produktionsmitteln<br />
der 3. industriellen Revolution“ will<br />
das Festival in seinem Programm abbilden.<br />
Der Design-Pop-up-Store Neubau in der<br />
Wiener Westbahnstraße wird zur Festivalzentrale.<br />
<strong>Die</strong> Veranstalter haben sich zum<br />
Ziel gesetzt, lokale und internationale Initiativen<br />
zu präsentieren, die sich mit der<br />
gemeinschaftlichen Nutzung von Maschinen<br />
und dem Teilen von Produktionsmitteln<br />
auseinandersetzen. s<br />
Fotos: Norbert Philipp (2)
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28 <strong>Schaufenster</strong><br />
M o t o r<br />
Aus unserer Reihe „Berühmte Vorbesitzer“: der Facel Vega, eine Perle französischer<br />
Automobilbaukunst. Schnell, der von Ringo Starr wartet in London auf Ihr Gebot!<br />
Text: Timo Völker<br />
Der Schriftsteller Albert Camus, Literatur-Popstar seiner Tage,<br />
wäre demnächst (genau: am 7. November) 100 Jahre alt geworden.<br />
Tatsächlich hauchte er sein Leben am 4. Jänner 1960 auf dem<br />
Beifahrersitz eines Facel Vega aus. Ein Reifen war geplatzt, das<br />
Auto ins Schlingern geraten, ein Baum im Weg. Zu der Autofahrt<br />
nach Paris hat sich Camus vom Neffen seines Verlegers überreden<br />
lassen, dabei hatte er schon die Bahnfahrkarte in der Tasche<br />
gehabt. Der Tod, das wissen wir aus Camus’ Werken, ist eben<br />
unausweichlich, und er ist nicht gerecht.<br />
Dem französischen Hersteller Facel war selbst nur ein kurzes<br />
Leben beschieden. Zunächst sah es noch so aus, als wäre eine neue,<br />
große Luxusmarke geboren. Der Vega traf den Geschmack des Jetsets<br />
der späten 1950er und 1960er: Das viersitzige Coupé war eine<br />
glamouröse Erscheinung, der ein mächtiger Chrysler-V8 unter der<br />
langen Motorhaube Beine machte. Vergleiche mit Rolls-Royce<br />
lagen auf der Hand – schicker war aber der Facel Vega, der zu seiner<br />
Zeit auch schneller als Ferraris und Aston Martins war. Beim<br />
Versuch, ein günstigeres Modell zu lancieren, übernahm sich der<br />
kleine Hersteller, nach zehn Jahren endete die Episode.<br />
Eines der letzten gebauten Exemplare kaufte 1964 – gleich vom<br />
Stand der Londoner Autoshow weg – ein gewisser Ringo Starr.<br />
Seine Band hatte in jenem Jahr gleich alle Top Five der Charts.<br />
Ringo fuhr ein paar Jahre. Unfallfrei. Sein Facel Vega wird am<br />
1. Dezember in London bei Bonhams versteigert. s<br />
Glamour.
Fotos: Beigestellt<br />
Fotos: Panerai<br />
U h r e n<br />
<strong>Die</strong> „Radiomir 1940 3 Days – 47 mm Paneristi Forever“ ist gegenwärtig weltweit die<br />
gesuchteste Panerai.<br />
Unter dem Zifferblatt der auf 500<br />
Stück limitierten Panerai „Radiomir<br />
1940 3 Days – 47 mm Paneristi<br />
Forever“ tickt das hauseigene Kaliber<br />
„P.3000“, ein Drei-Tage-Handaufzugkaliber<br />
mit zwei Federhäusern, dessen<br />
Unruh mit 21.600 A/h oszilliert.<br />
Der Stundenzeiger kann in Stundenschritten<br />
unabhängig verstellt werden,<br />
ohne dabei das Uhrwerk anzuhalten.<br />
Der Preis: 9200 Euro.<br />
Im September des Jahres 2000 gründeten<br />
Sammler und Liebhaber der Swiss<br />
made Italo-Kultmarke Officine Panerai die<br />
Internetplattform www.paneristi.com. Seither tummeln<br />
sich da zigtausende Fans der Marke weltweit.<br />
Man tauscht Informationen aus, erzählt<br />
sich die letzten News, zeigt und bespricht neue<br />
Errungenschaften. Letztendlich erhält man so den<br />
Mythos Panerai nachhaltig am Leben. Über das Virtuelle<br />
hinaus treffen sich die Paneristi aber ebenso<br />
regelmäßig im Rahmen großer internationaler Events,<br />
viele neue Freundschaften haben sich so entwickelt.<br />
Es gibt nichts Vergleichbares in der Welt der Uhren,<br />
deshalb hat auch Panerai selbst größtes Interesse,<br />
dass sich an dieser Win-win-Situation nichts ändert.<br />
Seit der Ankündigung des auf 500 Stück limitierten<br />
Sondermodells, genannt „Radiomir 1940 3 Days –<br />
Text: Alexander Linz<br />
47 mm Paneristi Forever“, stellt sich jeder<br />
Paneristi nur noch eine Frage: Wie komme<br />
ich an eine der 500 Stück heran? Nun, eine<br />
Antwort darauf haben wir auch keine parat, aber<br />
was wir zumindest machen können, ist, dieses<br />
Objekt der Begierde einmal zu zeigen.<br />
Das 47 mm große „Radiomir 1940“-Stahlgehäuse ist<br />
schwarz DLC-beschichtet. Es hat dieselbe Form wie<br />
jenes historische, das zwischen den Entwicklungen<br />
der Radiomir- und Luminor-Gehäuse stand. <strong>Die</strong><br />
47 mm entsprechen genau jenem Durchmesser, den<br />
Panerai im Jahre 1936 für die ersten Prototypen seiner<br />
Spezialuhren gewählt hat. Auf dem Zifferblatt sehen<br />
wir die Silhouette eines Siluro a Lenta Corsa, eines<br />
von Menschenhand gesteuerten Torpedos, so wie ihn<br />
die italienische Marine benützt hat und dessen Taucher<br />
die historischen Uhren getragen haben. s<br />
<strong>Schaufenster</strong> 29
30 <strong>Schaufenster</strong><br />
Fruchtsalat im<br />
Weinberg<br />
Dritte Reihe, achter Stock: Rabigato. Im Dourotal katalogisiert man die<br />
Reben der gemischten Gärten. Den Wildschweinen ist das egal. Text: Anna Burghardt
Fotos: Beigestellt, Anna Burghardt (3)<br />
Zweigespann. Tomas und Miguel Roquette<br />
von der Quinta do Crasto katalogisieren<br />
Rebstöcke. Wenn sie nicht gerade reden.<br />
Xito Olazabal ist nicht unbedingt ein<br />
schweigsamer Fahrer. Der Juniorchef<br />
der Quinta do Vale Meão erzählt während<br />
einer Buckelpistenfahrt durch<br />
die Weinberge im Dourotal nicht nur<br />
von seinen Kindern, die in den Bewässerungsbecken<br />
gern Frösche fangen –<br />
„mit einem roten Tuch geht das ganz leicht, Frösche lieben<br />
Rot“. Er schwärmt nicht nur – wo wir doch beim<br />
Thema Rot sind – von alten nordportugiesischen Gerichten<br />
wie Schweineblutsuppe mit Mais oder Hühnerblutrisotto,<br />
„die Kunst ist, die richtige Menge Essig zu nehmen,<br />
sodass es nicht gerinnt, aber auch nicht<br />
nach Essig schmeckt“. Xito Olazabal kommentiert<br />
nicht nur den Range Rover, in dem<br />
wir sitzen: „<strong>Die</strong>se Autos sind das Beste, was<br />
die Briten je gemacht haben. Sie haben nur<br />
nicht bedacht, dass man normalerweise auch<br />
einen linken Arm hat! Ich muss immer das<br />
Fenster runterkurbeln, damit ich lenken<br />
kann.“ Und er erzählt nicht nur von seinen<br />
Plänen, wenn mit Wein einmal kein Geld<br />
mehr zu verdienen ist: „Dann machen wir<br />
eben Gin, Wacholder haben wir hier genug,<br />
und in Porto gibt’s schon lauter Gin-Bars.“<br />
Xito Olazabal erwähnt auch jene Tiere, die<br />
sich hier zu einer ziemlichen Plage ausgewachsen<br />
haben dürften – und außerdem<br />
noch respektlos sind: Wildschweine. „Sie<br />
fressen unsere guten Trauben, spucken aber immer die<br />
Schalen aus. <strong>Die</strong> Füchse essen die wenigstens mit!“<br />
Gemischter Satz auf Portugiesisch.
→→<br />
Aha-Erlebnis. <strong>Die</strong> Quinta do Crasto vinifiziert<br />
erst seit 2011 Parzellen einzeln.<br />
dene rote und drei weiße Rebsorten zu finden sind.<br />
Und zweitens ist man nun in der Lage, einen Rebstock<br />
punktgenau zu ersetzen, um die Mischung im<br />
Weingarten exakt beizubehalten. „Wenn ein Stock<br />
stirbt, wissen wir jetzt, Flur drei, Reihe C, Stock zehn<br />
war Rebsorte XY. Und wir können ihn ersetzen.“<br />
Auch auf der Quinta do Crasto plagt man sich mit<br />
den Wildschweinen. Mit Skorpionen haben die<br />
Roquettes indes zu leben gelernt: „Im Winter kommen<br />
sie ins Haus, da muss man nur dran denken, die<br />
Stiefel verkehrt herum aufzustellen.“ Erst seit 2011<br />
vinifiziert man hier einzelne Parzellen, „das war ein Aha-<br />
Erlebnis“, sagt Miguel Roquette, der im Übrigen ein ausgewachsener<br />
Hygienefanatiker ist. Jeden Tag wird der<br />
Boden in der Produktionshalle gründlich desinfiziert,<br />
die im Dourotal üblichen steinernen Stampfbecken sind<br />
mit Epoxidharz ausgegossen.<br />
<strong>Die</strong> Roquettes praktizieren drei Arten des Anbaus: in vertikalen<br />
Reihen, auf Terrassen, wenn die Hänge zu steil<br />
sind, oder eben in wild-dichten waagrechten Reihen,<br />
Stichwort alte Reben, Field Blend. Mit dem vertikalen<br />
Anbau war diese Quinta in den Achtzigern die erste des<br />
Dourotals. Und sie produziert, im Gegensatz zur Quinta<br />
Vale Dona Maria etwa, reinsortige Weine. Unter anderem<br />
Touriga Nacional. Zwar ist dieser Wein nicht Tomas<br />
Roquettes Favorit, „aber für den US-Markt ist Reinsortigkeit<br />
nun einmal wichtig“. <strong>Die</strong> Rebsorte mit den Veilchennoten<br />
sei weiters ein Aushängeschild Portugals. „Wie<br />
Cabernet Sauvignon in Frankreich, wie Riesling in<br />
Deutschland. Und: Er ist leicht zu merken“, spielt Tomas<br />
Roquette auf die bisweilen schwierige Aussprache portugiesischer<br />
Rebsorten an.<br />
„Bastardo für die Dame?“
Vorreiter.
• 4 Wolfsbarschfilets<br />
• Salz und Pfeffer<br />
• 1 EL Butter<br />
Rezept<br />
Wolfsbarsch auf<br />
Tahini-Curry-Sauce<br />
( für 2–4 Portionen)<br />
• 1 TL Sesamsaat, geröstet<br />
• 2 EL frisch gehacktes Koriandergrün<br />
• 1 Spritzer Zitronensaft<br />
Für die Sauce:<br />
• 90 g Tahini<br />
• 1 TL Salz, Saft von 1 Zitrone, 1 TL Curry<br />
Backrohr auf 180 Grad vorheizen. Für<br />
die Sauce alle Zutaten mit 120 ml Wasser<br />
verrühren. Sauce in eine Auflaufform<br />
gießen, ins Rohr stellen. Filets<br />
halbieren, Hautseite je zweimal einschneiden.<br />
Filets salzen und pfeffern.<br />
Butter in einer Pfanne zerlassen. Fisch<br />
auf der Hautseite knusprig braten,<br />
wenden, weitere 1–2 Min. braten. Fisch<br />
auf die Sauce legen, mit Sesam bestreuen,<br />
5 Min. im Rohr erhitzen. Mit<br />
Koriander und Zitronensaft würzen.<br />
Vielfalt. <strong>Die</strong> libanesische<br />
Küche, oft als<br />
die variantenreichste<br />
des Nahen Ostens bezeichnet,<br />
kann in diesem<br />
dicken Kochbuch<br />
all ihre Wucht<br />
entfalten. Schönes haptisches Detail<br />
am – im wahrsten Sinn des Wortes –<br />
Rande: die gezackte Flanke.<br />
Salma Hage: „<strong>Die</strong> libanesische Küche“,<br />
Phaidon, 41,10 Euro.<br />
34 <strong>Schaufenster</strong><br />
G o u r m e t<br />
Fragt man Leute, wie der Herbst<br />
schmeckt, beschreiben die meisten<br />
Gerichte wie Schmorbraten, Pilzsuppe<br />
und andere herzhafte, wärmende<br />
Speisen“, schreibt Magnus<br />
Nilsson, der im wundersamen, völlig<br />
abgelegenen Fäviken im Norden<br />
Schwedens kocht. „Aber schmecken<br />
sie denn wirklich nach Herbst? Ich<br />
finde nicht.“ Und Nilsson schlägt stattdessen<br />
eine Brühe aus Herbstlaub vor.<br />
Nachkochen gestaltet sich nur insofern<br />
knifflig, als man „altes Herbstlaub<br />
vom Vorjahr“<br />
braucht. Sprich:<br />
jetzt sammeln, einlagern,<br />
nächstes Jahr<br />
Kostnotiz<br />
verwenden. Entweder für eine Brühe<br />
mit Pilzen und wenig Salz, wie Nilsson<br />
extra betont, oder, um neue Erdäpfel<br />
damit beim Kochen zu aromatisieren.<br />
Man muss vielleicht nicht ganz unbedingt<br />
„höchstens 15 Minuten vor dem<br />
Kochen geerntete“ Erdäpfel nehmen.<br />
Das alte Herbstlaub wird jedenfalls<br />
mit den Erdäpfeln in den Topf gegeben.<br />
Anrichten möge man dann beides<br />
auf einem Stein, die Gäste sollen<br />
die Erdäpfel mit den Händen ausgraben,<br />
mit den Fingern zerdrücken und<br />
in Butter tunken. Das Ganze<br />
soll olfaktorisch an die<br />
Erdäpfelernte<br />
erinnern.<br />
Wo steht das auf der Karte ?<br />
Blattsalat. Magnus Nilsson<br />
vom Restaurant Fäviken<br />
im nordschwedischen<br />
Nirgendwo zeigt<br />
in seinem Kochbuch „Fäviken“,<br />
wie man mit welkem<br />
Herbstlaub<br />
kocht.<br />
Q Velouté aus karamellisiertem Topinambur mit Huckleberries<br />
Q Agnolotti mit gebackenem Butternut Squash,
Redaktion: Anna Burghardt, Fotos: Stanislav Jenis(2), beigestellt<br />
„Quak and Turf“ und noch mehr Eiweiß im Stilwerk.<br />
Baby, ich will ein Steak von dir!“, heißt es<br />
jetzt im Stilwerk, da, wo zuvor das Neni<br />
war. Dessen Chefin, Haya Molcho, hatte<br />
bekanntgegeben, sich fortan mehr auf ihre<br />
Kooperation mit Spar konzentrieren zu<br />
wollen. Der Standort wird auch nicht der<br />
leichteste sein, weil wenig sichtbar. Was<br />
dem neuen Mieter, der Gastronomiefamilie<br />
Grossauer mit ihrem El Gaucho, in den<br />
Anfangstagen nichts auszumachen scheint,<br />
an der Bar drängen sich die Wartenden.<br />
Schwarze Tafeln mit Baby!-Steak!-Kreidegekritzel,<br />
ein großer Weinkühlschrank und<br />
sonst auch noch ein paar neue Elemente,<br />
und fertig ist das neue Steakhaus.<br />
Und das funktioniert gut. (In der gastronomischen<br />
Wüste Baden, wo es<br />
neben Graz ein weiteres El<br />
Gaucho gibt, ist das kein Wunder<br />
– „wir können entweder<br />
zu Hause kochen oder ins El<br />
Gaucho gehen“, sagte mir<br />
unlängst eine Badenerin.)<br />
Im Stilwerk werden nun exemplarische<br />
Fleischtrümmer in beleuchteten Glasboxen<br />
zu Tisch gebracht, „oh, die LEDs werden<br />
schon schwächer“, und erklärt. <strong>Die</strong> Fleischkarte<br />
teilt sich in österreichisches Dry-Age-<br />
Beef, pro 100 g zu zahlende Kaliber, und<br />
argentinisches Rindfleisch, das es in<br />
<strong>Die</strong> Testerinnen<br />
Anna Burghardt, Petra Percher, Almuth Spiegler<br />
NACHSCHLAG: Was man<br />
hier unter „hausgemachtem<br />
Wunschbrot“ versteht, war<br />
leider Billigbaguette mit<br />
Leichenteint.<br />
Info<br />
moderateren Portionen gibt. Als Vorspeise<br />
gibt es einiges zum Thema Eiweiß – es gilt<br />
schließlich dem drohenden Eiweißmangel<br />
bei den Hauptspeisen vorzubeugen. Zum<br />
Beispiel ein ziemlich eingecremtes und<br />
ziemlich würziges Beef Tatar mit Crab<br />
Cake (Anglizismen bitte verzeihen, wir<br />
sind in einem Steakhaus), eine etwas<br />
oberslastige, aber sehr aromatische Garnelencurrysuppe<br />
und wieder einmal die derzeit<br />
beliebte Kombination Oktopus und<br />
Blutwurst, hier in erfreulicher Qualität: der<br />
Pulpo zur Terrine gepresst und dünn aufgeschnitten,<br />
ein gegrillter Arm dazu und<br />
knusprige Blutwursttascherln.<br />
Unter dem Motto „Pimp your steak“ kann<br />
man dann sein Fleisch auf-<br />
motzen: mit Gänseleber,<br />
quasi „Quak and Turf“, Riesengarnele,<br />
Soft Shell Crab<br />
oder Spiegelei. Das ist nett,<br />
aber auch sinnlos. Wenn es<br />
hingegen auch nur irgendwie<br />
sinnvoll wäre, einem Bratpunkt mehr<br />
Worte zu widmen als eines, nämlich das<br />
Wörtchen „perfekt“, würde ich das jetzt<br />
tun. Bei den Weinen setzt der Sommelier<br />
vor allem auf rote, auch in Halbflaschen.<br />
Für Alleinesser, die auch ihr Porterhouse<br />
nicht teilen wollen. s<br />
★ El Gaucho,
36 <strong>Schaufenster</strong><br />
36 <strong>Schaufenster</strong><br />
Brückenschlag<br />
<strong>Die</strong> vergessenste unter den britischen Städten, weitab, einzelgängerisch,<br />
aber sehr charmant: Bristol im Herbst.<br />
Text: Martin Amanshauser<br />
Fotos: Getty
Ikonisch.
Angesagt. Essen in der<br />
luftigen Stahl-Glas-Konstruktion<br />
des Lebensmittelmarkts<br />
St. Nicholas.<br />
Wills Memorial Tower<br />
der Bristol University.<br />
Ein romantischer Lokalflughafen in einer hügeligen<br />
Landschaft aus Bäumen und Wiesen, der<br />
einen Airportbus namens Flyer betreibt –<br />
durchaus logisch, dass einen beim Verlassen<br />
des Flughafengebäudes der Chauffeur, eigentlich<br />
im gemütlichen Gespräch mit einem Kollegen,<br />
anspricht: „Can I help you, my friend?“<br />
Neben dem Essig auf den Pommes frites gehört Freundlichkeit<br />
im ruralen United Kingdom zum Standard. Niemand<br />
würde auf die Idee kommen, dass in einer Fahrdistanz von<br />
zwanzig Minuten Bristol liegt, mit einer knappen halben Million<br />
Einwohner achtgrößte Stadt des Landes. <strong>Die</strong> ersten Pubs<br />
auf der Landstraße klingen auch noch nicht besonders<br />
urban, „Waggon And Horses“ heißt eines. Irgendwann wächst<br />
dann eine britische Stadt an den Straßenseiten hoch, und<br />
plötzlich erscheint die Harbourside von Bristol, lebendig,<br />
quirlig und sehr britisch.<br />
Doch Vorsicht! Man versteht in Bristol nicht alles, was die<br />
Leute sagen, denn sie sagen es auf „Brizzle“. Klingt cool, weil<br />
sie alles so aussprechen, wie man es eigentlich immer selbst<br />
tun wollte. Es ist nicht allein der berüchtigte A-i-Laut, der<br />
mehr oder weniger ausgeprägt den ganzen Süden durchzieht<br />
(z. B. „saith“ für „south“). Zu „she does it“ sagen sie „she do’s<br />
it“, oder sie verwenden „hisself“ statt „himself“. Dazu kommt<br />
eine bizarre Beziehung zu dem Buchstaben L. Das Bristoler L<br />
kann plötzlich mitten in l-losen Wörtern auftauchen (drawling<br />
für drawing), oder man verzichtet völlig darauf („funera“<br />
für „funeral“) – ein poetisches, wenngleich schwer durchschaubares<br />
Spiel, so, als würden die Bristoler ihr eigenes<br />
Scrabble benötigen. Wenn sie sich verabschieden, rufen sie<br />
übrigens gern: „Laters!“<br />
Bristol ist steil.
Köstlich. Very british: gegrillte Speckrollen,<br />
Schweinsbraten mit Apfelsauce. Schmal. Als die SS Great Britain 1845 vom<br />
Stapel lief, galt diese Kabine als luxuriös.<br />
Luxusliner SS Great Britain. <strong>Die</strong>ses Dampfschiff aus 1845<br />
wurde im Floating Harbour gebaut, wo es heute als Museumsschiff<br />
im Dock steht. Bei der ersten Atlantiküberquerung für<br />
120 Personen in der ersten und 135 Personen in der zweiten<br />
Klasse zugelassen, markierte die SS Great Britain einen Höhepunkt<br />
der Luxuspassagierschifffahrt. Im folgenden Jahr lief<br />
sie auf eine Sandbank, die Reederei bankrottierte, sie tingelte<br />
fortan als Kriegstransportschiff und Emigrantenschiff über<br />
die Weltmeere. Später wurde der Motor ausgebaut, und sie<br />
diente vor ihrer Rückführung (1970) auf den Falklandinseln<br />
als antriebsloser Kohlenlagerhulk. Als Exponat zeugt ihr wiederhergestellter<br />
Ursprungszustand von einem Luxus, den<br />
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wir heute nicht mehr als solchen empfinden: <strong>Die</strong> Stockbetten<br />
der zweiten Klasse sind so schmal, dass man nur auf der Seite<br />
liegen kann. Das industrielle 19. Jahrhundert machte auch<br />
aus Wohlhabenden Ölsardinen. Ingenieure wie Brunel bauten<br />
engmaschig, stickig, aber gediegen und elegant. <strong>Die</strong> Clifton<br />
Suspension Bridge hingegen, eine Kettenbrücke über die<br />
furchterregende Schlucht des Flusses Avon, schwebt<br />
75 Meter über dem Wasser. Sie war der erste große Auftrag<br />
des damals 24-jährigen Brunel, der auf ägyptisierenden Stil<br />
setzte: Türmchen mit Sphinxköpfen. <strong>Die</strong> Bauzeit (1831–64),<br />
während der der Ingenieur verstarb, betrug über dreißig<br />
Jahre. Am Ende setzte man doch auf britischen Stil, ver- »<br />
Hello Tomorrow
»<br />
mischt mit Elementen aus „Raumschiff Enterprise“ – es sieht<br />
jedenfalls so aus. 1885 überlebte die 22-jährige liebeskummerkranke<br />
Sarah Ann Henley den Sprung von der Brücke,<br />
weil ihre Röcke sie fallschirmartig bremsten, heißt es. Sie landete<br />
im Schlamm des Avon und starb erst 1948. <strong>Die</strong> hohe<br />
Selbstmörderquote machte die Brücke landesweit bekannt,<br />
die Suizide gingen erst zurück, als vor zwanzig Jahren Sicherungen<br />
geschaffen wurden. <strong>Die</strong> Lebensmüden brachten sich<br />
fortan lieber woanders um. Heute prangen Schilder mit Telefonnummern<br />
des lokalen sozialtherapeutischen Zentrums<br />
am Brückenkopf. <strong>Die</strong> Überquerung ist seit der Eröffnung<br />
mautpflichtig, heute 50 Pence pro Auto; das Passieren der<br />
Fußgänger ist hingegen gratis. Während des jährlichen Ballonfestivals<br />
und des Musikfestivals Ashton Court wird sie seit<br />
2003 ganz geschlossen, um Überbelastung zu vermeiden.<br />
Bristol im Herbst.
Fotos: Beigestellt<br />
Nichts frisst so viel Energie wie veraltete<br />
Hausgeräte. Insbesondere bei<br />
den Waschmaschinen hat die Entwicklung<br />
der vergangenen Jahre und Jahrzehnte<br />
zu besonders energieeffizienten Geräten<br />
geführt, die mit älteren Modellen nicht<br />
mehr vergleichbar sind.<br />
Seine Vorreiterrolle bei ökologischem<br />
Waschen beweist AEG mit dem Lavamat<br />
L98699FL2. Das Spitzenmodell ist um<br />
20 Prozent sparsamer als die höchste Energieeffizienzklasse<br />
A+++, und der durchschnittliche<br />
Energieverbrauch beträgt nur 152 kWh im<br />
Jahr. Wie Sie dieses Modell gewinnen können,<br />
erfahren Sie im Infokasten.<br />
Moderne Waschmaschinen von AEG punkten<br />
aber auch mit Leistung und Komfort<br />
und sorgen für perfekte Reinigung und<br />
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Materialien: Bei 16 verschiedenen<br />
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Spart auch beim Lärm<br />
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Plus wäscht die neue Waschmaschine flüs-<br />
Waschmaschine der<br />
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terleise – und das trotz kraftvollen Schleuderns<br />
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Minute. Das schont nicht nur die eigenen<br />
Nerven, sondern auch die der Nachbarn.<br />
<strong>Die</strong> neuartige Konstruktion dieses Antriebs<br />
gewährleistet zudem eine lange Lebensdauer.<br />
Daher gewährt AEG auf die Funktion<br />
des Silence-Motors eine Zehn-Jahre-Herstellergarantie.<br />
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Zu Hause stellt sich dann oft die Frage: Wie<br />
reinigt man das empfindliche neue Lieblingsstück?<br />
Spätestens nach einem missglückten<br />
Versuch scheinen Reinigung oder<br />
Handwäsche oft die umständlichen, aber<br />
einzigen Alternativen zu sein.<br />
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und kann sie das richtige Maß an<br />
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gesamte Beladung schnell und gleichmäßig<br />
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Impressiv.
Luxus von seinen besten Seiten...
44 <strong>Schaufenster</strong><br />
Gnade<br />
der Musik<br />
1995 landete er den Hit „A Girl Like You“. Nach zwei Schlaganfällen 2005<br />
gelang ihm die Rückkehr in die Poparena. Zu Besuch bei Edwyn Collins.<br />
Text: Samir H. Köck<br />
Fotos: Beigestellt
Man weiß nicht, was schlechter ist. Dass das<br />
im Norden Londons gelegene Kilburn im<br />
letzten Moment doch nicht gentrifiziert<br />
wurde oder dass alles beim Alten bleibt. Wie<br />
praktisch überall an den gammeligen Rändern<br />
Londons kommt auf der Kilburn High<br />
Street das Gefühl auf, dass man sich in<br />
einem Entwicklungsland befindet. <strong>Die</strong> Läden bieten Waren feil, die<br />
schon neu wie secondhand anmuten. Nur eine der in London omnipräsenten<br />
Kaffeehausketten hat sich hier etabliert, wo Arbeits- und<br />
Obdachlose das Bild dominieren. Im einzigen Café weit und breit<br />
krakeelt ein Mann lautstark über „ethnic cleansing“. Nein, es ist kein<br />
rassistischer Weißer. Es ist ein leicht vewirrter Nachfahre der ersten<br />
karibischen Einwanderungswelle, die in den Fünfzigerjahren in<br />
London aufschlug. Hier soll Edwyn Collins wohnen? Der Mann, der<br />
mit seiner Band Orange Juice in den frühen Achtzigerjahren für<br />
einen entzückend unschuldigen Entwurf von Pop stand? Der reife<br />
Rocker, der Mitte der Neunzigerjahre mit dem Ohrwurm „A Girl Like<br />
You“ einen genuinen Welthit lancieren konnte?<br />
Lenkt man die Schritte nur ein paar hundert Meter weg von der High<br />
Street, betritt man eine andere, eine stille, fast heile Welt. Da sind<br />
sie, die typisch ziegelroten Reihenhäuschen. In einem davon steht<br />
die Tür schon offen. Grace Maxwell, die Frau und Managerin von<br />
Edwyn Collins, braut dahinter semiprofessionell Kaffee<br />
für die vielen Journalisten, die hier ihre Aufwartung<br />
machen. Schließlich geht es in dem Haus um<br />
nichts weniger als um die Würdigung eines Wunders.<br />
Edwyn Collins, einer der britischen Könige des Post-<br />
Punk, hat sich nach einem zweifachen Gehirnschlag<br />
mit fast völligem Sprachverlust zurück ins Leben, in<br />
die Karriere gekämpft. Das ist Grace zu verdanken,<br />
nicht dem britischen Gesundheitssystem, das viel<br />
kostet, aber ähnlich wenig bietet wie die privatisierte<br />
Bahn in Großbritannien. Als ihr Edwyn nach den notwendigsten<br />
Operationen links liegen gelassen wurde,<br />
erwachte ihr Beschützerinstinkt, und sie beschloss, für ihn und mit<br />
ihm zu kämpfen.<br />
Liebe, die Berge versetzt. Später schrieb Grace Maxwell ein berührendes<br />
Buch über die Jahre der Rehabilitation. „Falling & Laughing<br />
– The Restauration Of Edwyn Collins“ ist ein Dokument des Grauens,<br />
was das britische Spitalswesen betrifft. Gleichzeitig ist es das herzerwärmende<br />
Manifest der Liebe. „Manche Menschen glauben, ich<br />
würde Edwyn gegen seinen Willen antreiben. Das finde ich extrem<br />
beleidigend.“ Starke Liebe kann wirklich Berge versetzen. Aus dem<br />
Pflegefall, der sich nach den Gehirnblutungen von 2005 kaum artikulieren<br />
und bewegen konnte, war in nur fünf Jahren wieder ein<br />
Künstler geworden. Beim Comebackkonzert 2010 traten hochkarätige<br />
Pop-Freunde wie Johnny Marr, Alex Kapranos, Roddy Frame<br />
und Romeo Stoddard mit Collins in der Queen Elizabeth Hall auf.<br />
Seither hat sich der Zustand von Collins weiter gebessert.<br />
„Früher hatte<br />
ich ein Problem<br />
mit meinem<br />
Selbstwertgefühl.“<br />
Heuer kam mit dem feinen Album „Understated“ bereits das zweite<br />
Album nach der Katastrophe heraus. Collins, einst eifriger Leser von<br />
Schriftstellern wie dem Lyriker Michail Lermontov und den Romanciers<br />
F. Scott Fitzgerald und Iwan Gontscharow, hat zwar an eigener<br />
sprachlicher Ausdrucksfähigkeit, keinesfalls aber seinen Sinn für<br />
Ironie verloren. „Dilemma that’s me, that’s me all over“, singt er im<br />
ersten Song von „Understated“. Und: „Hopelessly lost, I’m on the<br />
main road, what’s the point?“ Der Mann muß jetzt mit weniger Worten<br />
auskommen. Das passt gut zu den geradliniger geworden Songs,<br />
bei deren Umsetzung Collins alte und neue Technologien verwendet.<br />
Seine Ideen spricht und singt er zunächst auf einen alten Kassettenrekorder.<br />
Obwohl er einen seiner Arme nur schwer bewegen<br />
kann, spielt er gern Rhythmusgitarre. „Mit den Griffen hab ich keine<br />
Probleme, aber mit dem Anschlag. Meinen rechten Arm hab ich leider<br />
kaum unter Kontrolle. Früher hab ich meinen Sound auf einer<br />
verstärkten Gibson 330 gezaubert. Das geht nicht mehr. Mein Ingenieur<br />
Sebastian Lewsley hat mir geraten, mich in meiner Situation<br />
mit simpler Memphis-Gitarre zu beschäftigen. <strong>Die</strong> feineren Sounds<br />
kommen nun halt von Barrie Cadogan und James Walbourne.“<br />
Zu schüchtern für David Bowie. Collins reflektiert auf „Understated“<br />
über seine lange Zeit im Popbusiness („31 Years“) und den Sinn des<br />
Lebens. „I’m going to find a way to understand the world“ singt er<br />
trotzig in „Baby Jean“. Ein Highlight ist das gefühlvolle<br />
Cover der Rod-McKuen-Ballade „Love’s Been Good To<br />
Me“. „Das Lied ist ein alter, sentimentaler Favorit von<br />
mir“ sagt Collins mit einem glucksenden Lachen. „Ich<br />
hab es schon vor 15 Jahren von Zeit zu Zeit live<br />
gespielt.“ <strong>Die</strong> Liebe war wirklich gut zu ihm. Grace<br />
bindet ihm während unseres Gesprächs die Schuhe<br />
und versucht, falsche Gedanken zu verhindern: „Können<br />
Sie mit Ihrer linken Hand Ihre Schuhbänder binden?“,<br />
fragt sie, während ihr Edwyn von seinen frühen<br />
Popmusikerlebnissen als Hörer schwärmt. Er<br />
lacht über eigene, geschmackliche Verirrungen wie<br />
Rick Wakemans „ Journey To The Center Of The World“. „Aber ein<br />
Pianist war er ein ausgezeichneter. Sogar bei David Bowie hat er<br />
gespielt. Und den hab ich total geliebt. Neben den Sparks. Später bin<br />
ich ihm sogar begegnet. Gesprochen hab ich aber nicht mit ihm. Ich<br />
war zu schüchtern. Eigentlich war es ein Mix aus Arroganz und<br />
Schüchternheit. Schade.“ Vielleicht hätte er da schon seinen Welthit<br />
„A Girl Like You“ eingespielt haben müssen, um die Begegnung mit<br />
dem Idol lockerer zu nehmen. „Früher hatte ich Probleme mit dem<br />
Selbstwertgefühl. Ich habe ja schon 1988 das erste Mal geglaubt,<br />
meine Musikkarriere wäre zu Ende. Heute sieht die Sache anders<br />
aus. Es ist eine Gnade für mich, Musik machen zu können.“ s<br />
Tipp<br />
Blue Bird Festival (14.–16. 11. im Porgy & Bess): u. a. mit Adam Green, Amanda<br />
Palmer, I-Wolf, Dawa, Rachel Sermanni. Edwyn Collins ist Headliner am 16. 11.<br />
<strong>Schaufenster</strong> 45
KULTUR<br />
pRogRamm<br />
Vorstellung<br />
magda tothova. Ihr Hauptmetier ist das Video.<br />
<strong>Die</strong>ses setzt sie autonom ein oder als Medium<br />
neben Skulpturen, Zeichnungen. „Video ist sehr<br />
gut geeignet, Sichtweisen zu skizzieren, auch um<br />
Dinge zu erzählen,“ sagt sie. <strong>Die</strong> Inspirationen zu<br />
den Erzählungen entnimmt sie häufig der Sci-Fi-<br />
Literatur. „Sciene-Fiction ist wie ein Spiegelbild,<br />
das zeigt, welche Wünsche, Ängste, Sehnsüchte<br />
eine Gesellschaft hat.“ Auf der Viennafair ist Tothova<br />
mit einem gemeinsam mit Ana Prvacki produzierten<br />
Videotrailer vertreten, der diese Zusammenarbeit<br />
humorvoll hinterfragt. („Vienna<br />
Live“, Stand H 24, bis 13. 10.)<br />
Veranstaltungsinformationen bitte per Post an Magdalena<br />
Mayer (Hainburger Straße 33, 1030 Wien) oder per E-Mail an:<br />
schaufenster@diepresse.com. Es müssen genaue Details zur<br />
Veranstaltung (Datum, Uhrzeit, Öffnungszeiten, Adresse,<br />
Telefonnummer, Web site) enthalten sein. Einsendeschluss ist<br />
14 Tage vor dem gewünschten Erscheinungstermin. Unvollständige<br />
Einsendungen werden nicht berücksichtigt. Für<br />
Angaben übernehmen wir keine Gewähr. <strong>Die</strong> blau gekennzeichneten<br />
Programmhinweise beziehen sich auf Kooperationspartner<br />
der „<strong>Presse</strong>“.<br />
Hinweis: n Kooperationen diepresse.com/derclub<br />
46 <strong>Schaufenster</strong><br />
Freitag<br />
11. 10.•<br />
Kinder<br />
nnAkzent
cherin… eine abenteuerliche<br />
Reise, ab 2,5 J., 14h<br />
Renaissancetheater
Marionettentheater<br />
Schönbrunn <strong>Die</strong> Zauberflöte, 19h<br />
Renaissancetheater <strong>Die</strong><br />
unendliche Geschichte. Teil 1:<br />
Phantasien in Not, ab 6 J., 16h<br />
Sargfabrik
Theater<br />
von Barbara Petsch<br />
„heinrich 4“
Gerstbach,
Film<br />
von Christoph Huber<br />
„Heaven’s Gate“.<br />
Westernklassiker<br />
von Michael Cimino.<br />
Ab 11. Oktober.<br />
Nach dem Vietnam-Epos „<strong>Die</strong> durch die Hölle gehen“ (1978)<br />
hatte Regisseur Michael Cimino beim nächsten Projekt<br />
freie Hand: „Heaven’s Gate“ (1980), ein bis in kleinste Rollen<br />
mit Stars von Kris Kristofferson bis Isabelle Huppert besetzter<br />
Western über den Johnson County War (1892) zwischen alteingesessenen<br />
Rinderbaronen und osteuropäischen Immigranten,<br />
sprengte aufgrund des Größenwahns und Perfektionismus des<br />
Regisseurs das Budget – und trieb das Studio United Artists in<br />
den Bankrott. In den USA lief eine verstümmelte Fassung, in<br />
Europa wurde Ciminos dreieinhalbstündiger Monumentalfilm<br />
aber gewürdigt: ein Schwelgen in Mythen, zerbrochen und verklärt,<br />
klassenbewusst und voller unvergesslicher Szenen. Im<br />
Wiener Gartenbaukino ist diese Großtat wiederzusehen, allerdings<br />
in einer neuen Digitalrestauration, bei der Cimino – ungebrochen<br />
wahnwitzig – einige umstrittene Änderungen vorgenommen<br />
hat, wie das Eliminieren der originalen Sepiatöne.<br />
Fernsehen mit Kultur<br />
von Isabella Wallnöfer<br />
Stiller Abschied. <strong>Die</strong><br />
Hörbiger in einer<br />
Glanzrolle als Alzheimer-Patientin.<br />
Am 13. Oktober wird Christiane Hörbiger 75 – Grund genug,<br />
die Grande Dame des deutschsprachigen Charakterfachs<br />
mit einem Wiedersehen zu feiern. Am Montag brilliert sie in<br />
einer neuen Rolle: In „Stiller Abschied“ gibt sie eine aktive<br />
Unternehmerin, die an Alzheimer erkrankt. Ganz langsam geht<br />
der Verfall vor sich, aber irgendwann funktionieren die Verdrängungsmechanismen<br />
nicht mehr, Angst und Verzweiflung<br />
schleichen sich ein. Das ist eine schauspielerische Herausforderung<br />
– selbst für ein Kaliber wie die Hörbiger. Am schwierigsten<br />
seien ihr „die unvermittelten Wutausbrüche“ gefallen, sagt sie –<br />
und dass es dabei vor allem um eines geht: „Um die Liebe zur<br />
Familie“ (14. 10., 20.15 Uhr, ORF2 und ARD). Zu sehen sind u. a.<br />
auch die ganz junge Hörbiger im Drama „Der Edelweißkönig“<br />
(entstanden 1957) an der Seite ihres Vaters, Attila Hörbiger<br />
(12. 10., 11.25 Uhr, ORF2), ein Porträt der Schauspielerin (12. 10.,<br />
12.10 Uhr, 3sat) und „<strong>Die</strong> Geschworene“ (15. 10., 20.15 Uhr, 3sat).<br />
Mobilität ist ein Schlüsselwort dieser Tage, auf das derzeit<br />
sogar das Kunstgeschehen Ansprüche reklamiert. Ganz konkret<br />
klinkt sich da nun der alljährlich in der erweiterten Vorweihnachtszeit<br />
anberaumte Kunstsupermarkt ein – insofern, als er<br />
durch die Ereignisse der letzten Wochen nunmehr mitten in der<br />
verkehrs- und umweltpolitisch heiß umkämpften Begegnungszone<br />
der Mariahilfer Straße angesiedelt ist. <strong>Die</strong>se ungewohnte<br />
Situation ist bekanntlich zum Leidwesen der Automobilisten, aber<br />
durchaus zur Freude der Freunde der langsamen Fortbewegung,<br />
Fußgänger also und Radfahrer, die ihrerseits wiederum eine<br />
potenzielle Zielgruppe solcher alternativer Kunsthandelsformen<br />
darstellen könnten. Gut 90 Künstlerinnen und Künstler mit insgesamt<br />
5000 Arbeiten nehmen teil. Der Schwerpunkt liegt auf der<br />
Kunst von „emerging artists“ wie der<br />
jungen Johanna Kleedorfer (Bild). Alle<br />
Arbeiten sind Unikate, die Preise liegen<br />
zwischen 59 und 299 Euro. Nicht<br />
jedes der Kunstwerke mag ein Versprechen<br />
für die Zukunft sein. Ein<br />
Abstecher lohnt sich dennoch – entweder,<br />
um die eine oder andere Entdeckung<br />
zu machen oder vielleicht<br />
gar schon die ersten Weihnachtsgeschenke<br />
zu sichern.<br />
FINALE<br />
★<br />
presented by<br />
★<br />
Schauplätze<br />
von Johanna Hofleitner<br />
Kunstsupermarkt,
Reliefs und Skulpturen. (Vernissage<br />
am 16.10., 18h) 17.10. bis 23.11.<br />
Gerersdorfer
Fotos: Beigestellt<br />
Museen&<br />
Ausstellungen<br />
wien<br />
Akademie d. Bildenden Künste<br />
I., Schillerplatz 3, 58816-2201<br />
Di–So 10–18h<br />
GEMÄLDEGALERIE: Tableau<br />
vivant. Der König in Frauenkleidern.<br />
Bis 10.11. XHIBIT: Theophil<br />
Hansen. Architekt und Designer.<br />
Ausstellung anlässlich des 200.<br />
Geburtstages. Bis 10.11.<br />
n Albertina I., Albertinapl.1,<br />
53483-555<br />
Tägl. 10–18h, Mi 10– 21h<br />
Gottfried Helnwein. Bis 13.10.<br />
Albertina Contemporary: Baselitz<br />
- Richter - Kiefer. Bis 17.11.<br />
Matisse und die Fauves. Bis<br />
12.1.2014
Ulla von Brandenburg/ Susi<br />
Jirkuff/ Hannes Böck. Bis 10.11.<br />
Sigmund Freud Museum<br />
IX., Bergg. 19, 319 15 96<br />
Täglich 9–18h<br />
Lucian Freud: Privat. Fotografien<br />
von David Dawson. Bis 6.1.2014<br />
Strabag Kunstforum XXII.,<br />
Donau-City-Str. 9, 22422-1848<br />
Mo-Do 9-17h, Fr 9-12h<br />
Artaward International 01/13:<br />
Adrian Buschmann. 11.10. bis 8.11.<br />
Technisches Museum XIV.,<br />
Mariahilfer Straße 212, 89998<br />
Mo–Fr 9–18h, Sa, So 10–18h<br />
Roboter. Maschine und<br />
Mensch? Bis 8.12.<br />
Österr. Theatermuseum<br />
I., Lobkowitzplatz 2,<br />
52524-3460<br />
täglich außer <strong>Die</strong>nstag 10–18h<br />
<strong>Die</strong> Bühnen des Richard<br />
Teschner. Bis 10.2.2014<br />
Thyssen-Bornemisza Art<br />
Contemporary – Augarten<br />
II., Scherzerg. 1A, 5139856-24<br />
Tägl. außer Mo. 12–19h<br />
Cerith Wyn Evans: The What If?...<br />
Scenario (after LG). Bis 3.11.<br />
Universität für Angewandte<br />
Kunst Wien I., Oskar Kokoschka-<br />
Platz 2, 71133-2161<br />
Ich sehe deine Worte nicht in<br />
Farbe. Malerei von Studierenden<br />
der Abt. KKP. Lichthof, 14.10. bis 17.10.<br />
AUSSTELLUNGSZENTRUM<br />
HEILIGENKREUZER HOF:<br />
I., Grashofgasse 3/ Schönlaterngasse<br />
5, 71133-2161<br />
Di–Fr 16.30–18.30, Sa, So, 14–18h<br />
Moderns. Works from the Lalit<br />
Kala Akademi Collection, Nerw<br />
Delhi. (Eröffnung am 15.10., 18.30)<br />
16.10. bis 8.11.<br />
Waschsalon Karl-Marx-Hof<br />
XIX., Halteraugasse 7,<br />
0664/88540888<br />
Do 13–18h, So 12–16h<br />
„… man lebt von Tag zu Tag dahin<br />
und weiß nicht warum” – <strong>Die</strong><br />
Arbeitslosen von Marienthal.<br />
Bis 1.5.2014<br />
Wagner:Werk Museum<br />
Postsparkasse<br />
I., Georg Coch-Platz 2,<br />
534 53-33 825<br />
Mo–Fr 8–17h<br />
Upcycling. Glasdesign<br />
aus Finnland. Bis 8.11.<br />
Weltmuseum<br />
I., Neue Burg, 52524-4025<br />
Täglich außer Di 10–18h, Mi bis 21h<br />
Getanzte Schöpfung: Asien<br />
zwischen den Welten. Bis 5.10.2014<br />
Fotoausstellung: Historische<br />
Stadt Diyarbarkir. Bis 30.10.<br />
WestLicht. Schauplatz<br />
für Fotografie VII.,<br />
Westbahnstr. 40, 522 66 36<br />
Di, Mi, Fr 14–19h, Do 14–21h,<br />
Sa, So, Ftg. 11–19h<br />
World Press Photo 13. Bis 13.10.<br />
Wienbibliothek im Rathaus<br />
.Felderstraße/Lichtenfelsgasse,<br />
4000/84920<br />
Mo–Do 9–18.30, Fr 9–16.30 (Ftg. geschl.)<br />
Josef Meinrad. Der ideale<br />
Österreicher. Bis 31.10.<br />
Wien Museum Karlsplatz<br />
IV., Karlsplatz, 5058747<br />
Di–So & Ftg 10–18h<br />
Edith Tudor-Hart - Im Schatten<br />
der Diktaturen. Bis 12.1.2014<br />
Schnelle Jahre - Wien Museum:<br />
Ausstellungsdesign 2003-2013.<br />
Bis 6.1.2014<br />
Zoom Kindermuseum<br />
Museumsquartier/<br />
Museumsplatz 1, 5247908<br />
Di–Fr 8.45, 10.30, 14h, 15.30;<br />
Sa/So/Ftg./Ferien 10h, 12h, 14h, 16h<br />
Es war einmal...das Mittelalter!<br />
Eine Mitmachausstellung für<br />
54 <strong>Schaufenster</strong><br />
Kinder von 6 – 12 Jahren.<br />
Bis 16.2.2014<br />
MUSEEN & AUSSTELLUNGEN<br />
b u r g e n l a n d<br />
EisEnstadt 02682 -<br />
Landesmuseum Museumg.<br />
1–5, 719-4000<br />
Mo – Sa 9–17h, So & Ftg 10–17h<br />
„Feuer.Erde.Wasser.Luft.“<br />
Das Burgenland im Spiel der<br />
Elemente. Bis 11.11. „<strong>Die</strong> eigenen<br />
vier Wände“. Zu Gast: Das<br />
Dorfmuseum Mönchhof. Bis 11.11.<br />
Landesgalerie Kultur Kongress<br />
Zentrum, Franz-Schubert-Platz 6,<br />
719 50000<br />
Di–Sa 9–17h, So & Ftg 10–17h<br />
Schnittpunkt Burgenland. Wege<br />
der Kunst ins 21. Jahrhundert. Bis<br />
20.12. art[dialog]: Helmut Parthl<br />
(Burgenland) & Szuda M. Barna<br />
(Ungarn). Bis 20.12.<br />
Schloss Esterhazy<br />
Esterhazyplatz 1, 63854-12<br />
täglich 9–18h<br />
Sonderausstellung 2013: Paul I.<br />
Esterházy: Harmonia Caelestis.<br />
Halbturn<br />
Infeld Haus der Kultur<br />
Parkstraße 13, 02172/ 20123<br />
Do–So & Ftg. 13–18h<br />
Carola & Clemens<br />
Kindermann. Bis 17.11.<br />
zurndorf<br />
Sammlung Friedrichshof<br />
Römerstr.3, 0676/7497682<br />
Besichtigung nach tel. Vereinbarung<br />
Denisa Lehocká. Bis 13.4.2014<br />
n i e d e r ö s t e r r e i c h<br />
st. PöltEn 02742 -<br />
Diözesanmuseum Domplatz 1,<br />
02742/324331<br />
Di–Fr 9–12, 14–17h, Sa 10–13h<br />
Credo. Der Glaube in der<br />
Kunst. Bis 31.10.<br />
Landesgalerie/ Zeit Kunst<br />
Niederösterreich<br />
Kulturbezirk 5, 908090,<br />
www.zeitkunstnoe.at<br />
Di–So & Ftg 9–17h <strong>Die</strong> Damen:<br />
Ona B., Evelyne Egerer, Birgit<br />
Jürgenssen, Ingeborg Strobl,<br />
Lawrence Weiner. Bis 3.11.<br />
Landesmuseum Kulturbezirk 5,<br />
908090-999 Di–So & Ftg 9–17h<br />
Unbekannte Moderne - aus<br />
Tschechien und Mitteleuropa. Bis<br />
3.11. Josef Schagerl - Poesie der<br />
Geometrie. Bis 17.11.<br />
Hl. Leopold: Mensch, Politiker,<br />
Landespatron. Bis 26.1.2014<br />
Schmetterlinge. Bis 16.3.2014<br />
asParn an dEr zaya/<br />
Poysdorf<br />
Niederösterreichische<br />
Landesausstellung 2013
Freitag 11.10.<br />
Samstag 12.10.<br />
Sonntag 13.10.<br />
Montag 14.10.<br />
<strong>Die</strong>nstag 15.10.<br />
Mittwoch 16.10.<br />
Donnerstag 17.10.<br />
Burgtheater<br />
514 44 - 4145<br />
www.burgtheater.at<br />
19.30–22.30 Uhr<br />
Nestroy:
Abend Nachmittag<br />
Vormittag<br />
samstag<br />
12. 10.<br />
06 00 nachrichten<br />
06 05 guten morgen Österreich<br />
06 56 gedanken<br />
07 00 morgenjournal<br />
07 33 guten morgen Österreich<br />
07 55 schon gehört?<br />
08 00 morgenjournal<br />
08 10 Ö1 heute<br />
08 15 Pasticcio<br />
09 05 hörbilder<br />
„Mademoiselle Gertrude,<br />
vous êtes belle“. Gertraud<br />
Hierhammer spaziert durch<br />
Wien und erinnert sich.<br />
10 05 Klassiktreffpunkt<br />
Live aus dem RadioCafe.<br />
Gast: Valentin Erben.<br />
11 35 schon gehört?<br />
11 40 help<br />
12 00 mittagsjournal<br />
13 00 Ö1 bis zwei le week-end<br />
Zeus üben, Lektion 1:<br />
Blitze schleudern<br />
14 00 hörspiel-galerie<br />
„Gestorben wird immer<br />
rechts“. Von Charles<br />
Lewinsky<br />
15 05 apropos musik<br />
Vor 25 Jahren „draußen vor<br />
der Tür“: Sommer 1988 bei<br />
den Salzburger Festspielen.<br />
Harnoncourt und Gulda am<br />
Domplatz in Salzburg<br />
(Mozart)<br />
16 57 Ö1 heute<br />
17 05 Diagonal<br />
Diagonal stellt vor<br />
19 05 Logos<br />
„Mumbai: Hindus und<br />
Muslime auf Distanz“<br />
19 30 guiseppe Verdi: mecbeth<br />
Mit Renato Bruson (Macbeth),<br />
Mara Zampieri (Lady<br />
Macbeth), Nicolai Ghiaurov<br />
(Banquo), Peter Dvorsky<br />
(Macduff), Ewald Aichberger<br />
(Malcolm) u. a.<br />
Chor und Orchester der<br />
Wiener Staatsoper; Dirigent:<br />
Giuseppe Sinopoli (aufgenommen<br />
am 2. Februar<br />
1982 in der Wiener Staatsoper)<br />
22 30 nachtbilder<br />
23 25 Ö1 Jazznacht<br />
mit Andreas Felber. Motor<br />
der Vorarlberger Jazz-<br />
Hausse: Peter Madsen<br />
00 00 nachrichten<br />
00 05 Ö1 Jazznacht Fortsetzung<br />
19 05 Konzert des Symphonieorchesters<br />
des Bayerischen Rundfunks<br />
in Moskau<br />
Leitung: Mariss Jansons.<br />
Brahms: Symphonie Nr. 2 D-Dur;<br />
Wagner: „Tristan und Isolde“,<br />
Vorspiel und Isoldes Liebestod;<br />
Strauss: „Der Rosenkavalier“<br />
56 <strong>Schaufenster</strong><br />
sonntag<br />
13. 10.<br />
06 00 nachrichten<br />
06 05 guten morgen Österreich<br />
06 55 Zwischenruf<br />
07 05 erfüllte Zeit<br />
08 00 morgenjournal<br />
08 10 Ö1 heute<br />
08 15 Du holde Kunst<br />
„Ich kann in keinem Weg<br />
mehr einen Weg sehen“.<br />
Gedichte von Ingeborg<br />
Bachmann<br />
09 05 café sonntag<br />
„Der gelernte Österreicher“<br />
Zu Gast: Alfred Goubran<br />
10 05 ambiente<br />
11 03 matinee live Wiener<br />
Philharmoniker, Herbert<br />
Blomstedt (Bruckner)<br />
11 50 intermezzo<br />
12 10 matinee Fortsetzung<br />
13 00 sonntagsjournal<br />
13 10 gehört. gewusst.<br />
14 05 menschenbilder<br />
„Schwalbenschrift“ - Ilse<br />
Helbich zum 90. Geburtstag<br />
14 55 schon gehört?<br />
15 05 apropos musik<br />
Oper aus Österreich<br />
16 00 ex iibris<br />
17 00 Journal um Fünf<br />
17 10 <strong>Die</strong> Ö1 Kinderuni<br />
Wovon lebten die Römerinnen<br />
und Römer?<br />
17 30 spielräume<br />
Jerry Cotton lässt grüßen<br />
17 56 Ö1 heute<br />
18 00 abendjournal<br />
18 15 momente am sonntag<br />
Trash design.<br />
19 05 motive<br />
19 30 Festival musica sacra 2013<br />
Bauchklang & Cinquecento.<br />
„a cappella + groove“,<br />
Ensemble Lyriarte, München;<br />
Valer Barna-Sabadus,<br />
Counertenor (Händel,<br />
Corelli)<br />
21 30 heimspiel<br />
21 55 schon gehört?<br />
22 05 contra „Sekundenschlaf“<br />
- das neue Solo von Andreas<br />
Vitasek<br />
22 30 matrix Fai da te - Basteln auf<br />
Italienisch „Maker Faire<br />
Rome“<br />
23 03 Kunstradio - radiokunst<br />
„<strong>Die</strong> schwarze Botin Acoustic<br />
Abstract“. Liesl Ujvary<br />
00 05 Du holde Kunst<br />
00 50 Ö1 Klassiknacht<br />
19 00 Sonntagskonzert mit dem<br />
Münchner Rundfunkorchester<br />
Paul Hindemith: „Cardillac“ Oper in<br />
drei Akten. Cardillac, Markus Eiche;<br />
Cardillacs Tochter, Juliane Banse;<br />
Dame, Michaela Selinger; Offizier,<br />
Matthias Klink u.a. Prager Philharmonischer<br />
Chor, Lg: Stefan Soltesz<br />
RadioPRogRamm<br />
montag<br />
14. 10.<br />
06 00 Frühjournal<br />
06 15 guten morgen Österreich<br />
06 56 gedanken<br />
07 00 morgenjournal<br />
07 33 guten morgen Österreich<br />
07 52 Leporello<br />
08 00 morgenjournal<br />
08 15 Pasticcio<br />
08 55 Vom Leben der natur<br />
09 05 radiokolleg 1. Schweigen<br />
ist Gold, 2. Auf der Suche<br />
nach einem neuen<br />
Humanismus, 3. Mit dem<br />
Orchester aus der Armut<br />
10 05 schubertiade hohenems<br />
Christian Gerhaher, Bariton;<br />
G. Huber, Klavier (Schubert)<br />
11 35 schon gehört?<br />
11 40 radiogeschichten<br />
12 00 mittagsjournal<br />
13 00 Ö1 bis zwei<br />
13 55 wissen aktuell<br />
14 05 radiodoktor<br />
14 40 moment - Leben heute<br />
14 55 rudi! radio für Kinder<br />
15 05 apropos musik<br />
mit Johannes Leopold<br />
Mayer. „1740“<br />
16 00 Passagen<br />
16 55 Digital. Leben<br />
17 00 Journal um Fünf<br />
17 09 Kulturjournal<br />
17 30 spielräume<br />
17 55 Betrifft: geschichte<br />
<strong>Die</strong> Völkerschlacht bei<br />
Leipzig<br />
18 00 abendjournal<br />
18 25 Journal-Panorama<br />
18 55 religion aktuell<br />
19 05 Dimensionen<br />
19 30 on stage<br />
Festival Glatt & Verkehrt<br />
2013<br />
21 00 tonspuren<br />
21 40 texte - neue Ö. Literatur<br />
„some stuff. Aus meinem<br />
Internet-Tagebuch“. Von<br />
Karin Peschka.<br />
22 00 nachtjournal<br />
22 15 radiokolleg<br />
22 55 schon gehört?<br />
23 03 Zeit-ton<br />
00 00 mitternachtsjournal<br />
00 08 giuseppe Verdi: "otello"<br />
Chor und Orchester der Wiener<br />
Staatsoper, Zubin Mehta.<br />
Placido Domingo (Otello),<br />
Anna Tomowa-Sintow<br />
(Desdemona) u.a.<br />
03 03 Ö1 Klassiknacht<br />
12.10. bis 18.10. 2013<br />
Radio Ö1<br />
<strong>Die</strong>nstag<br />
15. 10.<br />
06 00 Frühjournal<br />
06 15 guten morgen Österreich<br />
06 56 gedanken<br />
07 00 morgenjournal<br />
07 33 guten morgen Österreich<br />
07 52 Leporello<br />
08 00 morgenjournal<br />
08 15 Pasticcio<br />
08 55 Vom Leben der natur<br />
09 05 radiokolleg (2)<br />
10 05 schubertiade hohenems<br />
Ingolf Wunder, Klavier<br />
(Beethoven, Chopin u.a.)<br />
11 35 schon gehört?<br />
11 40 radiogeschichten<br />
„Hundertundelf Jahre ohne<br />
Chauffeur“. Von Muriel<br />
Spark. Es liest Gertrud Roll<br />
11 57 Ö1 heute<br />
12 00 mittagsjournal<br />
19 30 alte musik -<br />
neu interpretiert<br />
Venice Monteverdi Academy;<br />
Ensemble Lorenzo da<br />
Ponte, Roberto Zarpellon.<br />
Silvia Frigato, Sopran;<br />
Elena Biscuola, Alt. (Vivaldi:<br />
Musica sacra - Kyrie; Gloria)<br />
21 00 hörspielstudio<br />
„Hochstand“.<br />
Von Steffen Thiemann<br />
22 00 nachtjournal<br />
22 15 radiokolleg (2)<br />
22 55 schon gehört?<br />
23 03 Zeit-ton<br />
musikprotokoll 2013:<br />
Vokale Erkundungen<br />
00 00 mitternachtsjournal<br />
00 08 nachtquartier<br />
01 03 Ö1 Klassiknacht<br />
mittwoch<br />
16. 10.<br />
19 30 Philharmonisches in Ö1<br />
Philharmonische Verführung<br />
mit Wilhelm Sinkovicz.<br />
<strong>Die</strong> junge Garde (aufgenommen<br />
am 20. September im<br />
RadioKulturhaus in Wien).<br />
21 00 salzburger nachtstudio<br />
Landschaft des Wissens<br />
22 00 nachtjournal<br />
22 15 radiokolleg (3)<br />
22 55 schon gehört?<br />
23 03 Zeit-ton<br />
U.a. Finalisten des diesjährigen<br />
Ö1 Talentebörse-<br />
Kompositionspreises,<br />
Jean-Baptiste Marchand<br />
00 00 mitternachtsjournal<br />
00 08 nachtquartier<br />
01 00 nachrichten<br />
01 03 Ö1 Klassiknacht<br />
Radio Bayern Konzerttipp<br />
19 05 Konzert des London<br />
Philharmonic Orchestra<br />
Leitung: Stanislaw Skrowaczewski.<br />
Solist: Garrick Ohlsson, Klavier<br />
Brahms: Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll;<br />
Bruckner: Quintett F-Dur, Adagio;<br />
Schostakowitsch: Symphonie Nr. 1<br />
f-Moll. Vom 26.10. 2012 in London<br />
13 00 Ö1 bis zwei<br />
13 55 wissen aktuell<br />
14 05 Von tag zu tag<br />
14 40 moment - Leben heute<br />
14 55 rudi! radio für Kinder<br />
15 05 apropos musik<br />
Gino Bechi und Tito Gobbi -<br />
zum 100. Geburtstag<br />
16 00 Da capo: ambiente<br />
16 55 Digital. Leben<br />
17 00 Journal um Fünf<br />
17 09 Kulturjournal<br />
17 30 spielräume<br />
17 55 Betrifft: geschichte<br />
<strong>Die</strong> Völkerschlacht bei<br />
Leipzig<br />
18 00 abendjournal<br />
18 25 Journal-Panorama<br />
18 55 religion aktuell<br />
19 05 Dimensionen<br />
19 05 Benjamin Britten: „Gloriana“
Fotos: Matador, Deutsche Grammophon, Ambiente<br />
Zum 90. Geburtstag des bedeutenden<br />
österreichischen Komponisten Anton<br />
Heiller erschien soeben Vol. 2 der Gesamtaufnahme<br />
des Orgelwerks, die Heillers<br />
Schüler Roman Summereder vorlegt. Musiziert<br />
auf der Brucknerorgel von St. Florian,<br />
breiten die Einspielungen eine faszinierende<br />
Klangwelt aus, in der nicht nur die<br />
farblichen Möglichkeiten des Instruments,<br />
sondern auch die kompositionstechnischen<br />
Möglichkeiten ausgelotet werden,<br />
die ein schöpferischer Nachkomme der<br />
Wiener Schule in der Zeit nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg vorfand. Schönbergs „Zwölftonmethode“<br />
schien damals zumindest<br />
unumgänglicher Ausgangspunkt jeglicher<br />
innovatorischen Überlegung zu sein. Heiller<br />
gelang es auf faszinierende Weise, eine<br />
subjektive Variante der Arbeit mit (nicht<br />
unbedingt zwölftönigen) Reihen zu entwickeln,<br />
die bald Echos liturgischer Traditionen,<br />
barocker oder älterer Praktiken in sich<br />
aufnahm. So stehen in seinen Orgelwerken<br />
klassizistische Sonatenformen neben<br />
freien Fantasien, wie sich<br />
lyrisch-verhaltene Passagen mit<br />
zum Teil überwältigend kraftvollen,<br />
hymnischen Schichtungen<br />
mischen. Wie Summereder<br />
die Formenvielfalt zum Leben<br />
erweckt, wie er pastellfarbene<br />
Bilder dramaturgisch sinnfällig<br />
mit heftigen Aufwallungen, wie<br />
mit der Spachtel aufgetragenen,<br />
wild-expressiven akustischen<br />
DiscothÈque<br />
Klassik Jazz<br />
von Samir H. Köck<br />
Mehr als Dur und Moll<br />
Spannend: Das Orgelwerk von Anton Heiller ist erschienen.<br />
von Wilhelm Sinkovicz<br />
Bei Ambiente erschienen:<br />
das Orgelwerk von<br />
Anton Heiller (1923–1979)<br />
„Malprozessen“ in Beziehung setzt, das<br />
macht diese Edition zum spannenden<br />
Lehrstück jüngerer österreichischer Musikgeschichte.<br />
Schon in der ersten der beiden<br />
Orgelsonaten, entstanden 1944, wird klar,<br />
wie die interpretatorische Kunst erhellend<br />
zum Verständnis der alles andere als „einfachen“<br />
Musik beitragen kann. Heiller, der<br />
das Werk ursprünglich mit Generalvorzeichen<br />
für die Tonart fis-Moll versehen hat –<br />
was in der Druckausgabe dann unterblieb<br />
–, arbeitet sich bereits in den ersten Takten<br />
weit hinaus in den freitonalen Raum.<br />
Was ist Konsonanz? Das anschließende<br />
kontrapunktische Geflecht offenbart,<br />
welch instinktives Gefühl für Spannung<br />
und Entspannung in jener tonal kaum noch<br />
definierbaren Atmosphäre herrscht: Heiller<br />
definiert quasi Konsonanz und Dissonanz<br />
neu. Wer sich auf das Abenteuer einlässt,<br />
empfindet dann, je nach Gewichtung<br />
der Schichtungen, auch weitaus komplexere<br />
Konglomerate als Dur- oder Moll-Akkorde<br />
als befriedigende<br />
Kadenz-Schlüsse. Das Balancegefühl<br />
vermittelt in den<br />
späteren Stücken auch zwischen<br />
scheinbar einfachsten<br />
Choralzitaten und expressionistischer<br />
Harmonik. Gewiss<br />
ein Hörkurs für fortgeschrit-<br />
tene Musikfreunde – doch<br />
einer, der helfen kann, die<br />
Ohren zu öffnen. s<br />
Es ist ihr bisher für westliche Ohren<br />
eingängigstes Album: Anoushka<br />
Shankar hat es dem Gedenken an<br />
ihren Vater Ravi Shankar gewidmet, es<br />
heißt „Traces Of You“. Weinende<br />
Sitarklänge, sanfte Rhythmen und auf<br />
drei Songs die Stimme von Anoushkas<br />
Halbschwester Norah Jones, die besonders<br />
auf „Unsaid“ einfährt: Das klingt<br />
esoterischer, als es ist. Besonders eindringlich<br />
sind zart groovende Stücke<br />
wie „Laysa“ und „Fathers“. Zornig<br />
klingt Shankar nur einmal: auf „In<br />
Jyoti’s Name“, das an die jüngst in<br />
Indien vergewaltigte und getötete Studentin<br />
erinnert. Sonst regiert die Wehmut<br />
und Einsicht in den Kreislauf des<br />
Lebens. (Deutsche Grammophon)<br />
Pop<br />
von Holger Fleischmann<br />
Das Duo Darkside sorgte schon vor<br />
seinem Albumdebüt für Furore:<br />
Unter dem Nom de Guerre Daftside<br />
remixten Nicolas Jaar und Dave Harrington<br />
das aktuelle Daft-Punk-Album –<br />
und führten dessen luxuriöse Grooves<br />
in die Gosse. Superb ist nun auch der<br />
Longplayer „Psychic“. Jaar öffnet – wie<br />
auf seinem Soloalbum „Space Is Only<br />
Noise“ – weite elektronische Räume,<br />
durch die Harringtons gespenstisch<br />
verhallte, bisweilen dem Blues zugeneigte<br />
Gitarre mäandert. Gepaart mit<br />
zähen, hypnotischen Grooves pendeln<br />
die Stücke zwischen schattenseitiger<br />
Slow-Motion-Disco, psychedelischem<br />
Horrortrip oder kosmischen Rock-Exkursionen.<br />
(Matador)<br />
<strong>Schaufenster</strong> 57
Randerscheinung<br />
von Florian Asamer<br />
Ich weiß es nicht. Wirklich. Ich sage<br />
das nicht nur so, sondern ich weiß<br />
es wirklich nicht. Früher hatte ich ja<br />
ganz generell eher den Eindruck, ich<br />
wüsste es (eigentlich ziemlich egal<br />
was), aber niemand fragt mich nach<br />
meiner Meinung. Inzwischen ist es<br />
überwiegend umgekehrt: Fragen über<br />
Fragen, aber ich habe keine passende<br />
Antwort. Ich stammle nicht nur vor<br />
mich hin, wenn mich der Mittlere<br />
danach fragt, wie das mit so einem<br />
Feuer genau funktioniert – also dem<br />
chemischen Prozess, der dahinter<br />
steht. Auch wenn ich zum Beispiel zu<br />
Beziehungsproblemen von irgendjemandem<br />
Stellung nehmen soll, fällt<br />
mir dazu nichts Rechtes ein – bis auf<br />
ein unbeholfenes einerseits/andererseits.<br />
Ich versuche, meine Kinder (fast<br />
hätte ich geschrieben) richtig zu erziehen,<br />
aber es will mir oft nicht einmal<br />
verlässlich gelingen, ihnen angemessen<br />
zu begegnen. Wobei ich ja eben<br />
nicht einmal sagen könnte, was angemessen<br />
wäre. Das Leben kommt mir<br />
momentan so vor, wie der Jüngste es<br />
beschreibt, wenn man ihm einen zu<br />
stark verdünnten Dünnsaft unterjubeln<br />
will: Es schmeckt so mittel. Der<br />
Mittlere ist da übrigens noch in einer<br />
anderen Phase. Er schmiedet gerade<br />
Pläne zur Übernahme der Weltherrschaft.<br />
Er sieht überall Dinge, die er<br />
gern ändern würde. Und er wüsste<br />
auch (noch) ganz genau, wie. Ich habe<br />
neulich im Radio wieder einmal<br />
gehört, dass praktisch alle Mathematiker<br />
ihre wirklich großen Gedanken<br />
vor ihrem 30. Geburtstag haben, also<br />
eine Art Spitzensportlerschicksal<br />
erleiden. Irgendwie tragisch. Wenn<br />
einem die Fähigkeiten zu Spitzenleistungen<br />
und sämtliche Gewissheiten<br />
über die Jahre sukzessive abhandenkommen,<br />
könnte das aber auch einen<br />
großen Vorteil haben. Fragen Sie mich<br />
bitte nicht, welchen. Ich weiß es nämlich<br />
nicht. s<br />
S c h l u S S<br />
„<strong>Die</strong> Geschichte<br />
der Kunst<br />
ist<br />
eine Geschichte<br />
der Revivals.“<br />
<strong>Die</strong>sem Wort des streitbaren<br />
britischen Künstlers Samuel Butler<br />
ist fast nichts hinzuzufügen. Außer:<br />
nicht nur die Geschichte der Kunst.<br />
Impressum<br />
Medieninhaber, Redaktion und Herausgeber:<br />
„<strong>Die</strong> <strong>Presse</strong>“ Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 1030 Wien, Hainburger Straße 33.<br />
Tel.: 01/514 14-Serie. E-Mail: schaufenster@diepresse.com vorname.name@diepresse.com<br />
Geschäftsführung: Dr. Michael Tillian (Vorsitz), Mag. Herwig Langanger.<br />
Chefredaktion: Rainer Nowak. Chefredaktion <strong>Schaufenster</strong>: Mag. Petra Percher.<br />
Stellvertretende Chefredaktion: Mag. Daniel Kalt. Chefin vom <strong>Die</strong>nst: Mag. Anna Burghardt.<br />
Mode/Kosmetik: Mag. Petra Percher, Mag. Daniel Kalt. Wohnen/Design: Mag. Norbert Philipp.<br />
Essen/Trinken: Mag. Anna Burghardt. Kultur: Barbara Petsch mit Feuilleton-Redaktion.<br />
Fotoredaktion: Mag. Christine Pichler. Mode/Beauty/Foto: Mag. Barbara Zach. Programm:<br />
Magdalena Mayer. Reise: Michael Reichel. Produktion und Grafik: M.S.C. Medien Service GmbH.<br />
Art Direction: Matthias Eberhart. Bildbearbeitung, Grafik: Christian Stutzig, Patricia Varga.<br />
Anzeigen: „<strong>Die</strong> <strong>Presse</strong>“ Media GmbH & Co KG. Geschäftsführer: Peter Syrch.<br />
Art Copyright: VBK/Wien. Hersteller: Niederösterreichisches <strong>Presse</strong>haus, Druck- und<br />
Verlagsgesellschaft m.b.H., 3100 St. Pölten, Gutenbergstraße 12.<br />
<strong>Die</strong> in dieser Ausgabe vorgestellten Produkte wurden der Redaktion zum Teil zu Testzwecken zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
<strong>Die</strong> Ich-Pleite<br />
von Annemarie<br />
An manchen Tagen steht man mit<br />
dem falschen Fuß auf. Vielleicht<br />
weil der Bedienstete von der MA 48<br />
auch mit dem falschen Fuß aufgestanden<br />
und deshalb um 6.15 Uhr mit der<br />
Mülltonne extralaut durch den Hausgang<br />
gepoltert ist. Aber der Tag hätte<br />
noch gut werden können, wenn man<br />
nicht zu faul fürs Laufen gewesen<br />
wäre und sich stattdessen auf die<br />
Waage gestellt hätte. Und wenn man<br />
nicht ohne den Verzehr des Gute-Laune-Lieblings-Croissants<br />
in die Arbeit<br />
gefahren wäre, um dort mieselsüchtig<br />
beim Morgenmeeting zu sitzen und<br />
keine Miene zu verziehen, während<br />
die anderen einen Schmäh nach dem<br />
anderen machen. Aber auch dann<br />
hätte es noch ein Eins-a-Tag werden<br />
können, wenn man nicht weiterhin<br />
stirngerunzelt und geseufzt und<br />
schließlich sogar Ohropax in die<br />
Ohren gestopft hätte, kaum dass einer<br />
lacht, telefoniert, eine Frage an einen<br />
richtet, blöd schaut oder atmet. Und<br />
anstatt „Kopfweh“ zu bekommen und<br />
für den Rest des Tages blauzumachen,<br />
hat man seine Position als Spaßbremse<br />
bis zum Abend so weit ausgebaut,<br />
dass selbst Hitler einen Beliebtheitskontest<br />
gegen einen gewonnen<br />
hätte. Aber auch da wäre der Tag<br />
noch zu retten gewesen, wenn man<br />
nicht nach Hause gefahren und nicht<br />
extra nicht gekocht, sondern hungrig<br />
auf den Lebenspartner gewartet<br />
hätte, um ihn daran zu erinnern, dass<br />
ER heute mit dem Kochen dran gewesen<br />
wäre. Selbst da hätte der Tag noch<br />
eine klitzekleine Chance gehabt,<br />
wenn man nicht seinen Witz „Dann<br />
machen wir heute einmal Dinner-<br />
Canceling“ mit einem giftigen „Du findest<br />
mich wohl zu dick?“ quittiert<br />
hätte. Nur als man den Lebensmenschen<br />
schließlich auch noch fragt:<br />
„Sag, bist du eigentlich noch glücklich<br />
mit mir?“ ist der Tag wirklich nicht<br />
mehr zu retten gewesen. s<br />
<strong>Schaufenster</strong>.<strong>Die</strong><strong>Presse</strong>.com/Randerscheinung <strong>Schaufenster</strong>.<strong>Die</strong><strong>Presse</strong>.com/<strong>Die</strong>IchPleite<br />
58 <strong>Schaufenster</strong><br />
Illustration: Nina Ober
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