JOSEPH BEUYS - Materialien
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„Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“<br />
Auffällig ist, dass besonders in den aktionistischen Werken<br />
von Beuys, die sich dem Tier zuwenden, die Sprache<br />
zum eigentlichen Thema wird. „Wie man dem toten Hasen<br />
die Bilder erklärt“ ist eines der prägnantesten Beispiele.<br />
Der Künstler unternahm den Versuch, eine philosophische<br />
Kommunikation mit einem Tier den gleichen Wert zuzuschreiben,<br />
den ein intellektuelles menschliches Gegenüber<br />
verdiente.<br />
Josep Beuys nahm seinen Hut ab und ließ seinen Kopf<br />
mit Honig einreiben und Blattgold ummanteln. Er folgte<br />
damit zeremoniellen Praktiken, bei denen Maske und<br />
Maskierung die Verwandlung in eine andere Gestalt mit<br />
überindividuellen und spirituellen Fähigkeiten anzeigen.<br />
Die archaische Maske der Reinheit gestattete es Beuys,<br />
das Gespräch mit dem noch im Status der Reinheit verharrenden<br />
Tier einzugehen. Die verwendeten Materialen<br />
waren typisch für Beuys und verfügten über eine eigene<br />
Bedeutungstradition. Der Kopf als Sitz des Denkens wurde<br />
durch die Materialen Honig und Gold aufgewertet und erhielt<br />
durch die Vergoldung eine spirituelle Aussstrahlung.<br />
Gold und Honig stehen nicht nur für Reichtum, sondern<br />
verweisen auch auf Lebendigkeit, das Sinnliche. Die <strong>Materialien</strong><br />
durchdringen den Geist und beleben ihn. Gold<br />
hatte für Beuys überhöhenden Charakter. In der griechischen<br />
Mythologie galt Gold auch als Farbe des Todes und<br />
Zeichen der Todesnähe. Honig stand in der Theorie von<br />
Joseph Beuys für die Repräsentation des Denkens. Beuys<br />
sagte über seine Vorstellungen der Funktion von Honig:<br />
„Mit Honig auf dem Kopf tue ich natürlich etwas, was mit<br />
Denken zu tun hat. Die menschliche Fähigkeit ist nicht,<br />
Honig abzugeben, sondern zu denken, Ideen abzugeben.<br />
Das wird jetzt parallel gesetzt. Dadurch wird der Todescharakter<br />
des Gedanken wieder lebendig gemacht. Denn Honig<br />
ist zweifelsohne eine lebendige Substanz.“ 5) Die Maske aus<br />
Gold und Honig war substanzieller Bestandteil der Aktion.<br />
Beuys stellte den Transformationsgedanken in den<br />
größeren zyklischen Zusammenhang von Geburt und Tod,<br />
Tod und Auferstehung.<br />
Ablauf<br />
Die Aktion „Wie man einem toten Hasen die Bilder erklärt“<br />
fand am 26. November 1965 in der Galerie Schmela<br />
in Düsseldorf anlässlich der Eröffnung der ersten Einzelausstellung<br />
von Beuys „... irgend ein Strang ...“ statt. Zuächst<br />
war die Galerie mit der Ausstellung für die Besucher<br />
geschlossen. Die Zuschauer hatten lediglich durch ein<br />
Fenster Einblick und bekamen nur mit, dass da irgend etwas<br />
passierte. Die Aktion dauerte zwei bis drei Stunden.<br />
Joseph Beuys saß mit dem Rücken zum Fenster auf einem<br />
Schemel. Das Bein des Schemels war mit Filz umwickelt,<br />
unter ihm lagen ein Mikrofon, ein Knochen und eine Filzsohle.<br />
Beuys‘ Kopf war vollkommen mit Honig und Blattgold<br />
bedeckt, Gold im Wert von 200 DM. In seinen Armen<br />
hielt er einen toten Hasen, den er ansah. Nach einiger<br />
Zeit stand Joseph Beuys auf und ging mit dem Hasen zu<br />
den Bildern, von deren Betrachtung die Zuschauer ausgeschlossen<br />
waren. Er führte den Hasen durch den Raum<br />
und es sah so aus, als würde er dem Hasen die Kunstwerke<br />
erklären. Der Künstler ließ den Hasen mit seiner Pfote<br />
die Bilder berühren und sprach dabei mit ihm. Er hob<br />
das Kinn des Hasen, als wolle er auf bestimmte Details<br />
5) Rappmann, Rainer; Schata, Peter; Harlan, Volker: Soziale Plastik. <strong>Materialien</strong> von Joseph Beuys, Achberg, 1976. S.61.<br />
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