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Mitteilungen - Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland

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Ehemalige berichten<br />

Der Blick auf den Stephansdom ist atemberaubend. Das gotische Wahrzeichen mitten<br />

in Wien ragt massiv und gleichzeitig filigran in den blauen Himmel. Gestern<br />

Abend sass ich mit Freunden im Stadtheurigen, um meinen Wiener Liederabend<br />

vom kommenden Samstag zu planen. Da kam ein Anruf aus der Schweiz, ob ich den<br />

nächsten Ehemaligenbericht schreiben könne. Mach ich doch gerne.<br />

Nach der 12. Klasse wurde ich als Jungstudierender ans Konservatorium Zürich aufgenommen.<br />

Ich konnte mich zwei Jahre auf das Gesangsstudium vorbereiten: Theorie,<br />

Komposition, Gehörbildung, Musikgeschichte, Gesangsstunden und dazu ein<br />

Dutzend, Jobs vom Büromöbelmonteur über Zeitungsverkäufer bis hin zum Bäcker.<br />

Die neu gewonnene Freiheit lebte ich auch auf Reisen aus. Australien, Asien, Europa<br />

und Nordafrika konnte ich während diesen zwei Jahren bereisen.<br />

Die Bühne ist momentan für mich das Leben. Ich wäre gerne auch Tänzer oder<br />

Schauspieler geworden, aber singen wollte ich unbedingt. Und da die Oper alle drei<br />

Künste umfasst, bin ich eben Opernsänger geworden. Lyrischer Tenor, um genau<br />

zu sein.<br />

Angefangen zu singen (so richtig, meine ich) habe ich in der 9. Klasse. Ich wollte<br />

Gesangsunterricht bei Beat Spörri nehmen, unserem damaligen Musiklehrer. Leider<br />

hat er mich nicht genommen, er nehme keine privaten Gesangsschüler. Zwei<br />

Monate später hat er mich gefragt, ob ich am nächsten Chorkonzert Solist sein wolle.<br />

Meine Antwort war ja, aber nur wenn ich sein Gesangsschüler sein dürfe. So hat‘s<br />

dann doch noch geklappt.<br />

Auch während meines Studiums an der Musikhochschule Zürich kam das Reisen<br />

nie zu kurz. Natürlich konnte ich nicht mehr jederzeit meinen Rucksack packen und<br />

verschwinden; durch Engagements in Wien, Italien, an der Staatsoper Stuttgart,<br />

in Japan, Frankreich und in anderen Länder wurde meine Reiselust bis jetzt jedoch<br />

immer befriedigt.<br />

Letztes Jahr wurde ich durch einen glücklichen Zufall Mieter eines Theaters in Zürich.<br />

So stellte ich kurzerhand eine kleine und delikate Musikwoche auf die Bühne unter<br />

dem Namen «Camille Festival». Jeden Abend ein anderes Konzert. Der rote Faden<br />

war die Stimme. Nächsten März folgt die Fortsetzung.<br />

Oft sitze ich lange vor meiner Agenda und plane die nächste Spielzeit. Proben, Konzerte,<br />

Flüge buchen, schauen, dass ich von einer Probe bis zur nächsten genügend<br />

Zeit habe für den Weg usw.<br />

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Häufig lebe ich dann nach meiner Agenda. Sie ist<br />

meine «Bibel». Aber auch ein Schubert-Band oder<br />

eine Verdi-Partitur können in gewissen Zeiten zur<br />

«Bibel» werden. Wenn ich mich lange mit einem Werk<br />

auseinandersetze, suche ich unter anderem eine<br />

Verbindung von der Zeit, in der der Komponist gelebt<br />

hat, ins Jetzt. Die Gefühle einer Rolle, deren Charakter<br />

und die daraus resultierenden Handlungen sind<br />

meist erstaunlich einfach nachzuvollziehen. Und<br />

dann gibt es Werke, welche mich seit meinen ersten<br />

Gesangsstunden begleiten. Die «Dichterliebe» von<br />

Schumann zum Beispiel. Es ist ein Liederzyklus, den<br />

ich immer tiefer zu empfinden lerne, dessen Text<br />

von Heine ich immer besser begreife und die eigene<br />

Interpretation an Verständnis und Intensität wächst.<br />

Hinzu kommt die Arbeit mit Pianistinnen und Pianisten,<br />

die mich auch in der Ansicht eines Klangs,<br />

Tempos oder Wortes beeinflussen kann. So scheint<br />

es mir wichtig, dass wir Musiker unsere ganz eigene<br />

Sprache, unseren eigenen Ausdruck haben, aber jederzeit<br />

bereit sind, uns auf Mitmusiker einzulassen.<br />

Ähnlich ist es auf der Bühne: Bei den Proben ist<br />

alles neu: Regisseur, Musik, Bühne, Gesangspartner<br />

und -partnerinnen, Text, Kostüm, meist fast alles.<br />

Und dann singe ich als verliebter Schmachtlappen<br />

eine Liebesarie, und dabei denke ich nur an meinen<br />

linken Schuh, der mich drückt. Aber auch solche<br />

Felix Zimmermann<br />

8. Klasse<br />

«Kleinigkeiten»kann ich dazu nutzen, in eine gute und starke Energie zu kommen,<br />

um die Arie nicht zu säuseln, sondern als tief empfundene Liebesbotschaft zu singen.<br />

An der Premiere ist meine Konzentration ganz der Rolle gewidmet. Die Stimme<br />

kann ich leicht führen, und das Spiel geschieht aus dem Charakter heraus.<br />

Zurzeit wohne ich in Zürich. Nachdem ich hier das Lehrdiplom und das Konzertdiplom<br />

erlangt habe, werde ich nun im Herbst mit dem Schweizerischen Opernstudio<br />

in Biel beginnen.<br />

Für meine Freunde und die Muse fahre ich etwa dreimal pro Jahr nach Wien. Das<br />

Schöne an Wien ist für mich auch die Donau, die Menschen und die heimlichen<br />

Gässchen. Und der Dom. Deshalb bin ich immer glücklich, hier singen zu dürfen.<br />

Daniel Camille Bentz<br />

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