KLAVIER - Steinway in Austria
KLAVIER - Steinway in Austria
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<strong>in</strong>terview<br />
Viele erste E<strong>in</strong>drücke s<strong>in</strong>d es, die wir beim Verabschieden von Hélène Grimaud noch<br />
im Kopf haben: sehr natürlich und menschlich, noch attraktiver als auf den Fotos,<br />
starke Ausstrahlung und Charisma, viel <strong>in</strong>nere Ruhe und Kraft. Und alles andere<br />
als e<strong>in</strong> „Star“. Unser Gespräch auf der Couch führen wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er amüsanten Klangmelange<br />
aus Französisch und Englisch. Es mutet fast wie e<strong>in</strong> Kaffeeklatsch an, ungezwungen<br />
und unaufdr<strong>in</strong>glich – e<strong>in</strong>e Atmosphäre, <strong>in</strong> der sich Hélène Grimaud<br />
wohlzufühlen sche<strong>in</strong>t. Immer mehr, je länger wir uns unterhalten.<br />
<strong>Ste<strong>in</strong>way</strong> <strong>in</strong> <strong>Austria</strong>: Frau Grimaud, Sie sagen, Sie nehmen beim Klavierspielen<br />
Farben wahr. Hat das mit dem Stück zu tun, das Sie gerade<br />
<strong>in</strong>terpretieren, oder mit den jeweiligen Tönen und Klängen?<br />
Hélène Grimaud: Das Wahrnehmen e<strong>in</strong>er Farbe beim Spielen hängt<br />
mit der jeweiligen Tonart zusammen, das heißt, ob Dur oder Moll<br />
und weiter ob C-Dur, G-Dur, D-Dur und so weiter. Ich sehe jede<br />
Tonart als e<strong>in</strong>e andere Farbe, so zum Beispiel C-Dur als Grün. Man<br />
spricht <strong>in</strong> der Musik generell oft von Klangfarben. Auch e<strong>in</strong> Flügel<br />
kann rot, grün oder blau kl<strong>in</strong>gen, das ist meist e<strong>in</strong> sehr subjektives<br />
Empf<strong>in</strong>den und schwer erklärbar.<br />
Kann man sagen, dass Klavierspielen und Musik e<strong>in</strong>e Art Meditation<br />
für Sie s<strong>in</strong>d?<br />
(Nickend) Ja, mit Sicherheit. Ich sehe die Parallele zwischen Musik<br />
und Meditation vor allem dar<strong>in</strong>, dass es bei beiden darum geht,<br />
nicht mehr zu denken, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere, höhere Ebene zu gelangen.<br />
Beim technischen Erarbeiten e<strong>in</strong>es Stücks braucht man natürlich<br />
den Kopf, aber eigentlich geht es beim Musizieren darum, über diese<br />
Denkebene h<strong>in</strong>auszukommen und nur noch zu spielen und zu se<strong>in</strong>,<br />
was viel tiefer geht. Dann beg<strong>in</strong>nt man, wirklich zu fühlen und zu<br />
erleben, was Musik ist oder se<strong>in</strong> kann.<br />
F<strong>in</strong>den Sie, dass Klavierspiel oder die Musik generell zur Heilung und<br />
zur Harmonie zwischen Körper, Geist und Seele beiträgt?<br />
(Sehr überzeugt) Ja, auf jeden Fall. Vor allem weil unsere Welt immer<br />
kopflastiger wird, werden kreative Tätigkeiten wie das Musizieren<br />
immer wichtiger. Musik – auch wenn man sie nur hört und<br />
nicht selbst spielt – ist e<strong>in</strong> guter Ausgleich zu oft sehr e<strong>in</strong>seitigen Be-<br />
04<br />
Stille Kraft<br />
tätigungen, denen wir heutzutage nachgehen oder nachgehen müssen.<br />
Ich b<strong>in</strong> überzeugt davon, dass Musik heilend se<strong>in</strong> kann und<br />
Körper, Geist und Seele wieder <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen vermag.<br />
Ohne dass ich e<strong>in</strong>e Therapeut<strong>in</strong> wäre, glaube ich fest an die heilende<br />
Kraft der Musik.<br />
Ich habe gelesen, Sie unterstützen Projekte für Jugendliche. Wird <strong>in</strong> diesen<br />
Projekten die Musik oder konkret das Klavierspielen gefördert?<br />
Sie me<strong>in</strong>en damit wahrsche<strong>in</strong>lich me<strong>in</strong>e Zeit <strong>in</strong> den USA. Dort habe<br />
ich für Jugendliche gespielt, damit sie – neben Rock und Pop, was ich<br />
übrigens selbst auch gern höre – auch e<strong>in</strong>en Zugang zur klassischen<br />
Musik bekommen. Klassische Musik hat e<strong>in</strong>e starke spirituelle Wirkung,<br />
und diese wollte ich den jungen Menschen vermitteln.<br />
Die zweite Schiene, auf der ich nach wie vor K<strong>in</strong>der – kranke wie<br />
gesunde – unterstütze, s<strong>in</strong>d Spenden aus Benefizkonzerten. So kann<br />
K<strong>in</strong>dern durch professionelle Therapeuten und Pädagogen geholfen<br />
werden.<br />
Was würden Sie K<strong>in</strong>dern, die gerade zu spielen begonnen haben und<br />
merken: Hmm, da steckt ja doch e<strong>in</strong>e Menge Arbeit und Üben dah<strong>in</strong>ter<br />
…, als Motivation mitgeben?<br />
(Lacht) Das ist e<strong>in</strong>e sehr gute Frage. Leider gibt es dafür ke<strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong>rezept.<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Rolle bei der Motivation der K<strong>in</strong>der spielen<br />
die Eltern, denn sehr viele Klavierschüler durchlaufen <strong>in</strong> der Pubertät<br />
e<strong>in</strong>e schwierige Phase, <strong>in</strong> der sie ans Aufhören denken. Selbst<br />
e<strong>in</strong>ige der heute arrivierten Pianisten wären nicht so weit gekommen,<br />
wenn ihre Eltern sie damals nicht überredet hätten, weiterzumachen.<br />
Viele, mit denen ich rede und die das Klavierspielen <strong>in</strong> der<br />
Jugend aufgegeben haben, bedauern es heute zutiefst und beklagen<br />
sich bei ihren Eltern: „Warum habt ihr mich bloß aufhören lassen!“<br />
Phasen von ger<strong>in</strong>gerer Motivation haben fast alle, außer Ausnahmek<strong>in</strong>der,<br />
wie ich e<strong>in</strong>es war, für die das Klavierspielen e<strong>in</strong>e Art Flucht<br />
ist und die dadurch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere Welt e<strong>in</strong>tauchen.<br />
Wichtig ist immer der spielerische Zugang, das spielerische Vermitteln<br />
der Musik, was vor allem <strong>in</strong> der Hand der Pädagogen liegt,<br />
die hier e<strong>in</strong>e große Verantwortung haben und erheblich E<strong>in</strong>fluss auf<br />
die Entwicklung der Schüler nehmen können – im Positiven wie im<br />
Negativen. Damit man langfristig bei der Musik bleibt, muss die<br />
Freude am Spielen erhalten bleiben, komb<strong>in</strong>iert jedoch mit e<strong>in</strong>er gewissen<br />
Diszipl<strong>in</strong>, da sonst ke<strong>in</strong>e Fortschritte sichtbar s<strong>in</strong>d und die<br />
Freude am Erreichen von Zielen fehlt.<br />
Ich würde K<strong>in</strong>dern außerdem erzählen und erklären, welch große<br />
persönliche Bereicherung das Klavierspiel se<strong>in</strong> kann, und dass es e<strong>in</strong>em<br />
unendlich viel (zurück)gibt – mehr als andere Beschäftigungen<br />
wie etwa Lesen, Schachspielen oder das Lösen von Rechenbeispielen.<br />
Auch wenn sie dies <strong>in</strong> jungen Jahren noch nicht empf<strong>in</strong>den oder<br />
auch nicht zur Gänze begreifen können, so würde ich es ihnen dennoch<br />
sagen.<br />
Wann spielten Sie zum ersten Mal auf e<strong>in</strong>em <strong>Ste<strong>in</strong>way</strong> und was war das<br />
für e<strong>in</strong> Gefühl für Sie?<br />
(Strahlt) Oh, daran kann ich mich noch sehr gut er<strong>in</strong>nern. Das war<br />
im Alter von elf Jahren bei der Aufnahmeprüfung am Conservatoire<br />
<strong>in</strong> Aix-en-Provence, me<strong>in</strong>er Heimatstadt. Ich war nach dem Vorspielen<br />
total überrascht, da ich viel besser gespielt hatte, als von mir<br />
selbst erwartet, was e<strong>in</strong>deutig mit dem <strong>Ste<strong>in</strong>way</strong>-Flügel zusammen-<br />
h<strong>in</strong>g (macht e<strong>in</strong>e ausladende, engelsgleiche Bewegung mit den Händen<br />
und strahlt mit weit geöffneten Augen noch mehr). Es war, wie<br />
auf e<strong>in</strong>em geflügelten Pferd zu reiten!<br />
E<strong>in</strong> <strong>Ste<strong>in</strong>way</strong> ist e<strong>in</strong> unheimlich verlässliches und klares Instrument,<br />
was für mich als Pianist<strong>in</strong> sehr wichtig ist. Er gibt dir mehr<br />
zurück von dem, was du h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gibst, als alle anderen Flügel. Ich<br />
habe im Laufe me<strong>in</strong>er Karriere sehr, sehr viele <strong>Ste<strong>in</strong>way</strong>s gespielt. Jeder<br />
ist auf se<strong>in</strong>e Art etwas anders, aber die Brillanz, Klarheit und Zuverlässigkeit<br />
haben alle geme<strong>in</strong>sam. Ich würde auch nicht behaupten,<br />
dass die <strong>Ste<strong>in</strong>way</strong>s von Horowitz, Richter oder Rub<strong>in</strong>ste<strong>in</strong><br />
„besser“ wären als andere. E<strong>in</strong> <strong>Ste<strong>in</strong>way</strong> hat immer die gleiche hohe<br />
Qualität, egal ob ihn Herr Horowitz aussucht und spielt oder Herr<br />
Müller.<br />
Natürlich gibt es Flügel, die e<strong>in</strong>em von ihrer Eigenheit und ihrem<br />
Charakter her mehr entgegenkommen als andere. Flügel, die e<strong>in</strong>em<br />
weniger entgegenkommen, verlangen e<strong>in</strong>em mehr ab und man muss<br />
sich besonders anstrengen, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen.<br />
Aber dadurch lernt man von ihnen auch mehr.<br />
Frau Grimaud, herzlichen Dank für das Gespräch!<br />
Das Interview wurde am 28.07.2008 <strong>in</strong> der <strong>Ste<strong>in</strong>way</strong>-Galerie Salzburg von Franziska<br />
Büchsner und Sonja Höchfurtner geführt.<br />
Weitere Infos und Konzertterm<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>den Sie auf<br />
www.helenegrimaud.com<br />
<strong>in</strong>terview<br />
05<br />
Foto: Deutsche Grammophon