EinBlick 1/11 - Stiftung Tosam
EinBlick 1/11 - Stiftung Tosam
EinBlick 1/11 - Stiftung Tosam
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
wenn ich sage, dass manch ein Kunde einfach<br />
nur reden möchte? –, dem Einfallsreichtum und<br />
der Umsetzung der Kreativität (wie poetisch<br />
nicht wahr? Man nennt es auch schlicht:<br />
Schaufenstergestaltung).<br />
Kurz: auch wenn es nicht den Anschein hat,<br />
aber das Buch ist in einer Buchhandlung selten<br />
der wahre Mittelpunkt. Ich glaube, die Menschen<br />
und Bücher drehen sich gegenseitig um<br />
sich selbst. Während wir Menschen schrubben,<br />
putzen, einsortieren, rechnen, gestalten und<br />
empathisch auf unsere Kunden zugehen oder es<br />
zumindest versuchen, schnauben, prusten, jammern,<br />
lächeln, tänzeln, flirten die Bücher um<br />
uns herum.<br />
Ein Beispiel, wie Bücher jammern? Eine<br />
Entschuldigung vorweg und mit einem grossen<br />
Lächeln, aber ich stand schnaubend vor unserer<br />
Frauenabteilung. Täglich. Wahrscheinlich habe<br />
ich mich auch alle zwei Stunden darüber<br />
beschwert. Wer Bücher hört, kann nicht anders.<br />
Eingepfercht zwischen Politik und Geschichte<br />
waren sie doch sehr beleidigt. Vielleicht noch<br />
mehr, da manch ein Mann vergnügt lächelte.<br />
Inzwischen stehen sie woanders. Ganz eindeutig<br />
gefällt es ihnen dort besser.<br />
Damit komme ich gleich zu zwei Themen<br />
gleichzeitig. Nein, es waren nicht nur die jammernden<br />
Bücher, aber mit ihnen fing es an. Wir<br />
sind am Umstrukturieren. Manch ein Gebiet<br />
wurde bereits verschoben, vielleicht folgen noch<br />
andere. Zusätzlich werden die Thematiken verfeinert,<br />
neue Schilder gemacht etc. Schaufenster,<br />
sie sind nicht nur jahreszeitenabhängig oder<br />
nach der Aktualität mancher Themen, sie dienen<br />
auch dazu, auf sich aufmerksam zu machen.<br />
So bieten wir ein Fenster regelmässig Vereinen<br />
von Gossau und Umgebung an. Im März präsentierte<br />
sich darin ein Handballclub. Im Februar<br />
war es eine Künstlerin, welche wunderschöne<br />
Bilder ausgestellt hatte und bei unseren<br />
Zur person: Sandra ist gelernte Buchhänd lerin und musste gezwungener-<br />
massen den Weg des Lebens ändern, bewahrte sich aber ihre Liebe zu<br />
Büchern. In den Buch WinWin kam sie durch Mundwerbung und nun wird sie<br />
im Laden überall eingesetzt. Sie liebt Philip K. Dick, Terry Pratchett, Khalil<br />
Gibran und noch manch anderen Autor, schwärmt für Erstauf lagen vom Klett-<br />
Cotta-Verlag und liest ab und zu sogar ein Sachbuch. Sie interessiert sich für<br />
vieles in ihrer Freizeit, sie strickt, kocht, liebt Pflanzen und fördert den<br />
Dschungel in ihren kleinen vier Wänden, malt und schreibt.<br />
Kunden Begeisterung auslöste. Schaufenster<br />
sind wie Schnappschüsse, die etwas länger<br />
andauern. Sie sind eine Visitenkarte. Sie müssen<br />
nicht perfekt sein oder erfolgswirtschaftlich<br />
korrekt konzipiert, sie müssen nur den Menschen<br />
ansprechen. Dürfen provozieren, frech<br />
sein und einfach mal anders.<br />
Allerdings entfachen Schaufenster, wie<br />
bereits erwähnt, oft ein grosses Stöhnen, wenn<br />
es um ihre Erneuerung geht. Sie werden ca. alle<br />
vier Wochen neu gestaltet, wie in einem normalen<br />
Buchladen auch. Die Entscheidung, was,<br />
wer oder wie wir es gestalten wollen, ist nicht<br />
immer einfach. Ja, bei uns ist einiges im Gange,<br />
denn ein Grundprinzip in einer Buchhandlung<br />
ist: Der Kunde muss sich auch ohne Hilfe<br />
zurechtfinden können. Manches dazu haben wir<br />
noch nicht fertig, aber was nicht ist, kann noch<br />
werden. Also packen wir es an. Wir versuchen<br />
auch das Bistro gemütlicher zu machen. Die<br />
Giesskannen mit den Blümchen darin, die wir<br />
nun auf den Tischen haben, sind wirklich<br />
schön. Neu haben wir im Untergeschoss auch<br />
einen Büchertisch, dazu einen bequemen Stuhl,<br />
der von unseren Kunden rege genutzt wird, um<br />
in Ruhe in Büchern zu schmökern, zu verweilen<br />
und diesen urtümlichen Geruch einzuatmen.<br />
Und wie es eben so ist, wo Menschen arbeiten.<br />
Es ist nicht immer alles nett und freundlich.<br />
Es fängt bei der nicht nachgefüllten Klopapierrolle<br />
an, geht weiter zu Büchern in der falschen<br />
Abteilung, zu einer Pappschachtel, welche im<br />
Weg liegt, den unzähligen Suchaufträgen, welche<br />
wild durcheinander hängen, Bücher, die vor<br />
die anderen oder ganz einfach irgendwie in ein<br />
Regal hinein gestellt wurden, Kaffeetassen, die<br />
vergessen werden und in diesem Moment werden<br />
wohl wir die Bücher zum Jammern, Motzen,<br />
Prusten und Schnauben bringen.<br />
Bücher benötigen Pflege, viel Liebe und die<br />
Lust und Freude und manchmal auch die Überschreitung<br />
seiner eigenen Frustrationsgrenze,<br />
um immer wieder aufs Neue mit ihnen zu arbeiten.<br />
Es braucht Kreativität, Wissensdurst, Hingabe<br />
und mehr als ein bisschen: ich lese gerne.<br />
sanDra hinnen, Mitarbeiterin y<br />
7