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Kursmanipulation - Bullshit mit Bildchen.pdf - Universität Konstanz

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habe mich hingesetzt und alles geschrieben<br />

(…). Es haben alle ihr Geld bekommen<br />

und alle haben prächtig verdient an<br />

diesem Deal. Deine Geschäftspartner, die<br />

ihre Aktien verkauft haben, alle die von<br />

mir bezahlt worden sind (…). Mir fehlen<br />

ca. 50000 – 80000 Euro aus diesen beiden<br />

Geschäften in meinem Geldbeutel (…).<br />

Dass es mir nicht an Loyalität fehlt, siehst<br />

du an vielen Dingen. Jede Woche gehen<br />

die Sachen raus! Du bist der Spiritus<br />

Rector! Nicht eine Aussendung verlässt<br />

ohne Deine Einwilligung das Account. Ich<br />

habe, seit wir zusammenarbeiten, über 1,5<br />

Mio CHF (Schweizer Franken –Red.) an<br />

Gelder zur Weiterleitung erhalten! Nie<br />

gab es irgendwelche Beanstandungen!<br />

Alle haben ihr Geld erhalten! Das läuft alles<br />

lautlos ab!“<br />

Fiebachs Ärger scheint aber bald verraucht<br />

zu sein, die Kooperation zwischen<br />

Bosler, der die Aktien aussucht, und Fiebach,<br />

der die Werbung organisiert, läuft<br />

weiter wie geschmiert. Nach Erkenntnis-<br />

Firmenaktien im Visier Kurse in Euro Quelle: Thomson Reuters Datastream<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2008<br />

Wetten auf<br />

sinkende Kurse<br />

2010<br />

Wetten auf<br />

sinkende Kurse<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Der Kurs wurde zum Börseneintritt<br />

hochgeschrieben, um dann schnell<br />

zu verkaufen<br />

Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Jan. Feb. März Apr. Mai<br />

2006 2007 2008 2009 2010<br />

sen der Er<strong>mit</strong>tler nutzte Bosler dabei<br />

rund ein halbes Dutzend anonyme Mail-<br />

Namen wie „barnabus05“, „digitaleco“,<br />

„michael-mayer-007“ oder Pseudonyme<br />

wie „Conni Huber“ und „Peter Müller“.<br />

Und der Zirkel wird immer mutiger.<br />

Einen ihrer größten Deals startet die<br />

Clique im Jahr 2006 bei Nascacell. Auch<br />

diese Biotec-Firma kennt zunächst fast niemand.<br />

Nach den Er<strong>mit</strong>tlungen deckt sich<br />

diesmal neben den üblichen Akteuren<br />

eine ganze Medien-Phalanx <strong>mit</strong> Nascacell-<br />

Aktien ein: Der frühere „Performaxx“-<br />

Chef Christian Jüptner, Wallstreet-Online-<br />

Vorstand André Kolbinger und der Chef<br />

des Börsenbriefes „Small Cap Trader“,<br />

Stefan Kallabis. Mit im Spiel waren auch<br />

Markus Straub und Christoph Öfele, ausgerechnet<br />

zwei Funktionäre der Schutz -<br />

gemeinschaft der Kapitalanleger (SdK),<br />

die sich eigentlich als Anwälte der Kleinaktionäre<br />

verstehen sollten.<br />

92<br />

Wirtschaft<br />

Den Start gab erneut Fiebachs „International<br />

Stock Picker“, einen Tag bevor<br />

Nascacell an die Börse kam: „Das Kursziel<br />

sehen wir bei 20 Euro.“ Einen Tag<br />

später nahm TV-Experte Burschik Nascacell<br />

in ein Musterdepot seines Börsenbriefs<br />

„Swiss Trading“ auf, und „Performaxx“<br />

sah einen „fairen Aktienkurs“ bei<br />

14,54 Euro. Für „Focus Money“-Mann Janich<br />

war Nascacell ebenfalls ein ganz heißer<br />

Tipp: „Für Anleger ist dies die einmalige<br />

Chance, zu Schnäppchenpreisen<br />

an die Aktie zu kommen.“<br />

Wer sich an Janichs Tipp hielt, konnte<br />

mal wieder richtig viel Geld verlieren.<br />

Seit seiner Empfehlung ging die Aktie in<br />

den Sinkflug über, aber das musste Bosler<br />

und seine Freunde nicht kümmern. Sie<br />

hatten nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft<br />

zu diesem Zeitpunkt ihre Wertpapiere<br />

bereits wieder verkauft.<br />

Bosler hatte für die positive Berichterstattung<br />

zwar ein paar Kosten, jedenfalls<br />

findet sich in seinem BlackBerry unter<br />

dem 11. Mai 2006 die Notiz: „handgeld<br />

fuer analysten“. Doch unterm Strich war<br />

der Gewinn aus diesem Deal großartig:<br />

Allein er, Straub und Öfele sollen bei Nascacell<br />

jeweils rund eine Million Euro verdient<br />

haben.<br />

Wer als normaler Leser die Börsentipps<br />

zum Anlass nahm, ebenfalls einzusteigen,<br />

erlebte dagegen ein Fiasko: Der Kurs startete<br />

bei acht Euro am ersten Handelstag,<br />

Ende des Jahres war das Papier weniger<br />

als einen Euro Wert, Anfang 2010 pendelte<br />

die Aktie um vier Cent. Im letzten<br />

Monat wurde der Wert schließlich von<br />

der Börse genommen, das Unternehmen<br />

aufgelöst.<br />

Im Fall Nascacell arbeitete die Staatsanwaltschaft<br />

eng <strong>mit</strong> der Bundesanstalt<br />

für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)<br />

zusammen, denn die kann bis 1996 zurückverfolgen,<br />

wer wann wie viele Aktien<br />

gekauft oder verkauft hat. Wer etwas<br />

DER SPIEGEL 46/2010<br />

zu verbergen hat, handelt zwar oft über<br />

Depots im Ausland. Doch selbst die<br />

Schweiz zeigt sich in der Regel nach einer<br />

Weile kooperationsbereit.<br />

Im Januar 2007 leitete die Münchner<br />

Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen<br />

Fiesbach an die BaFin weiter. Die<br />

Untersuchungen förderten schnell mehr<br />

als ein halbes Dutzend weiterer Verdächtiger<br />

zutage. Mit Hilfe der BaFin-Erkenntnisse<br />

konnte die Staatsanwaltschaft ihre<br />

Er<strong>mit</strong>tlungen ausweiten auf ähnlich dubiose<br />

Geschäfte rund um Firmen wie<br />

Petro hunter, Splendid Medien, Barnabus,<br />

Medec, Tiptel, Hucke, 3S Swiss Solar,<br />

New Value, Convisual, Solar Millennium,<br />

Rubincon, Cinemedia, Berentzen, Solar<br />

Enertech, Thielert, Metrodome, Dolphin,<br />

Conergy, Lifejack und Wirecard.<br />

Deshalb wissen die Er<strong>mit</strong>tler heute<br />

ziemlich genau, wer wie viel <strong>mit</strong> dem<br />

Kauf der Aktie verdient hat. Zurzeit wird<br />

der Handel weiterer Aktien geprüft. „Die<br />

Zahl der verdächtigen Transaktionen ist<br />

enorm“, sagt einer der Er<strong>mit</strong>tler. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass weitere Anzeigen<br />

erfolgen, ist sehr hoch.<br />

Doch warum veröffentlichen Börsenjournalisten<br />

„Tipps“, bei denen ihre Leser<br />

Geld verlieren? Einmal verzeihen die<br />

Leser das vielleicht. Aber zweimal? Dreimal?<br />

Zehnmal? Selbst den Börsen-Autor<br />

Fiebach beschlichen bisweilen düstere<br />

Ahnungen, was aus seiner Glaubwürdigkeit<br />

werden könnte. Ende November<br />

2006 mailte er an Bosler: „Unsere Leser<br />

sind gar nicht in der Lage, Geld zu verdienen;<br />

deshalb werden sie sich auch von<br />

uns abwenden (...). Von 10 Empfehlungen<br />

haben sich 9 nach hinten entwickelt: Von<br />

Hucke (letzte Woche pleite gegangen)<br />

über Nascacell (-90 Prozent innerhalb von<br />

2 Monaten) über Barnabus (-50 Prozent)<br />

über… über… etc. Diese Liste lässt sich<br />

unendlich fortsetzen, es war alles der<br />

schnelle Deal! Von Nachhaltigkeit keine

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