Drau töchter - Villach
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mals immer gesagt: Lern’ kochen und<br />
nd dann schau’, dass du einen Mann<br />
ion hat. Am besten einen Eisenbahner!“<br />
<strong>Drau</strong>töchter<br />
<strong>Villach</strong>er Frauengeschichte(n)<br />
Alexandra Schmidt (Hg.)
<strong>Drau</strong>töchter<br />
<strong>Villach</strong>er Frauengeschichte(n)<br />
Alexandra Schmidt (Hg.)<br />
1
2<br />
Impressum<br />
© 2013 Alexandra Schmidt und Autorinnen<br />
Herausgeberin: Alexandra Schmidt<br />
Grafik, Layout, Satz: Karin Pesau-Engelhart<br />
Bildbearbeitung: Karin Pesau-Engelhart<br />
Redaktion: Alexandra Schmidt<br />
Lektorat: edition lebenszeit KG<br />
Wissenschaftliche Beratung: Lisa Rettl<br />
Druck: Druckerei Theiss, Wolfsberg<br />
Verlag: Johannes Heyn Verlag, Klagenfurt/Celovec<br />
Coverfotos: Privat, Familie Adamitsch, <strong>Villach</strong><br />
ISBN 978-3-7084-0486-8<br />
Diese Publikation ist ein Projekt des Frauenreferats der Stadt <strong>Villach</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
5 Geleitworte des Bürgermeisters der Stadt <strong>Villach</strong><br />
Helmut Manzenreiter<br />
6 Vorwort der Frauenreferentin der Stadt <strong>Villach</strong><br />
Gerda Sandriesser<br />
7 Vorbemerkungen und Dank der Autorin<br />
Alexandra Schmidt<br />
9 „Die Frauen aber sind züchtig …“<br />
<strong>Villach</strong>erinnen in der Frühen Neuzeit (1500–1800)<br />
36 „Überall, wo die Neumanin begütert war …“<br />
Anna Neumann (1535–1623)<br />
40 „Die Welt steht auch nimmer lang, wenn die Weiber an die Schul’ kommen …“<br />
Facetten der Frauen- und Mädchenbildung in <strong>Villach</strong> von der Frühen Neuzeit<br />
bis zum beginnenden 20. Jahrhundert<br />
65 „Heuer ist einmal ein Malheur mit den Domestiken …“<br />
Frauengeschichte(n) in Warmbad<br />
75 „Eine energische Frau und tüchtige Bildnismalerin …“<br />
Mathilde Martens (1834–1911)<br />
80 „Es ist mein ausdrücklicher Wunsch …“<br />
Edle Spenderinnen<br />
83 „Frauen und Mädchen von <strong>Villach</strong>! Das Vaterland ruft!“<br />
Bürgerliche Frauenvereine in <strong>Villach</strong><br />
102 „Für die Armen und das Wohl der Stadt …“<br />
Rosa Wirth (1844–1906)<br />
104 „Es ist nicht allein unsere Aufgabe, unsere Tracht spazieren zu führen …“<br />
Alice Strobl (1908–1999)<br />
106 „Reden über die Milch tun die Männer, melken tun die Frauen …“<br />
Weibliche Arbeits- und Lebenswelten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert<br />
133 „Jedes Freudenmädchen ist verpflichtet … “<br />
Der Umgang mit Prostitution im 20. Jahrhundert<br />
145 „Die Gunst des Publikums ist wandelbar …“<br />
Frauen im Theater<br />
155 „Wir gehen vorwärts, trotz alledem und alledem!“<br />
Aufbrüche und Einbrüche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
169 „Einmal beweisen, dass man es kann!“<br />
Gertrude Gabler (1923–2012)<br />
172 „Dass der Herrgott für jedes Wehwehchen ein Kraut hat wachsen lassen …“<br />
Die Heilpraktikerin Christine Widowitsch (1887–1976)<br />
176 „Es darf keine Frau mehr geben, die die Hände in den Schoß legt …“<br />
<strong>Villach</strong>erinnen im Nationalsozialismus (1938–1945)<br />
3
4<br />
194 „Du kannst Dir kaum meine Verzweiflung vorstellen …“<br />
Maria Gornik (1900–1942)<br />
Lisa Rettl/Alexandra Schmidt<br />
206 „Heute muss ich euch benachrichtigen, dass mein Todesurteil vollstreckt wird …“<br />
Maria Peskoller (1902–1944)<br />
Lisa Rettl<br />
221 „Eine ungeheure Aufgabe gilt es zu bewältigen …“<br />
Das Nachkriegsjahrzehnt (1945–1955)<br />
240 „Er bat mich, auf ihn zu warten …“<br />
Maria Trolle-Steenstrup (1920–2013)<br />
245 „Entsetzlich waren die für mich, die Konventionen!“<br />
Von Experimenten und neuen Freiheiten in den 1960er und 1970er Jahren<br />
Janina Koroschitz
Geleitwort<br />
Liebe <strong>Villach</strong>erinnen, liebe <strong>Villach</strong>er,<br />
Die Einrichtung des Frauenreferats im Jahr 1993 war ein deutliches Bekenntnis<br />
unserer Stadt zu einer nachhaltigen Frauen- und Gleichstellungspolitik. Seit dieser<br />
Etablierung konnten zahlreiche frauenfördernde Initiativen und Projekte realpolitisch<br />
und nachhaltig umgesetzt werden.<br />
Die Stadt <strong>Villach</strong> hat nun das zwanzigjährige Jubiläum dieser wertvollen Institution<br />
zum Anlass genommen, eine Publikation über die Geschichte der Frauen in unserer<br />
Stadt – ihr Leben und Wirken – herauszugeben.<br />
<strong>Drau</strong>töchter ist die erste Publikation dieser Art in Kärnten, die sich auf lokaler Ebene<br />
intensiv mit der weiblichen Seite der Geschichte auseinandersetzt und dabei einen<br />
informativen und vielfältigen Überblick von der Frühen Neuzeit bis in die 1970er<br />
Jahre bietet.<br />
Als Bürgermeister der Stadt <strong>Villach</strong> freue ich mich, Sie zur Lektüre dieses spannenden<br />
und wichtigen Buches einzuladen!<br />
Helmut Manzenreiter<br />
Bürgermeister der Stadt <strong>Villach</strong><br />
5
6<br />
Vorwort<br />
Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts war Geschichtsschreibung eine vorwiegend<br />
männliche Domäne – Geschichte wurde in erster Linie von Männern für Männer<br />
geschrieben.<br />
Nur wenige Frauen schafften es, nachhaltig und namentlich in die Chroniken der<br />
Geschichte einzugehen. Frauenspuren in der <strong>Villach</strong>er Vergangenheit sichtbar zu<br />
machen und der weiblichen Seite der Geschichte ein Gesicht zu geben, ist das Anliegen<br />
der vorliegenden Publikation.<br />
Die Beschäftigung mit der lokalen weiblichen Vergangenheit birgt keineswegs eine<br />
ausschließlich rückwärtsgewandte, vergangenheitsorientierte Facette. Vielmehr geht<br />
es dabei auch um die Identität gegenwärtiger und künftiger Frauengenerationen:<br />
Die jungen Mädchen und Frauen von heute sollen sehen, dass Frauen eben nicht<br />
geschichtslos sind, sondern dass unsere Stadt entscheidend durch das Wirken von<br />
Frauen geprägt wurde: Von <strong>Villach</strong>erinnen, die über Jahrhunderte hinweg beeindruckend<br />
und kreativ, intelligent und klug, mutig, weitsichtig und widerständig<br />
agierten und die uns gleichermaßen als Überlebens- und Improvisationskünstlerinnen,<br />
als Opfer und als Täterinnen, als starke Frauen und als Heldinnen des Alltags<br />
entgegentreten.<br />
Die Fülle an bislang unbekanntem Quellenmaterial, das in diesem Buch zu spannenden<br />
Überblickstexten und individuellen Biografien verarbeitet wurde, zeigt vor allem<br />
eines: Den Facettenreichtum und die Vielfältigkeit weiblichen Lebens in <strong>Villach</strong>.<br />
Ich freue mich sehr, Ihnen anlässlich unseres Jubiläumsjahres diesen wichtigen<br />
Beitrag zur Würdigung der weiblichen Geschichte präsentieren zu dürfen!<br />
Stadträtin Mag. a Gerda Sandriesser<br />
Frauenreferentin
Vorbemerkung und Dank der Autorin<br />
Gerda Lerner, amerikanische Historikerin österreichischer Herkunft und Pionierin<br />
auf dem Gebiet der feministischen Geschichtswissenschaft, konstatierte im Jahr 2000<br />
in ihrem Essay Warum uns Geschichte angeht:<br />
„Wenn Frauen ihre Geschichte finden, ihre Verbundenheit mit der Vergangenheit<br />
wiederherstellen und ihre wahre Bedeutung in der Kulturbildung richtig verstehen,<br />
wird ihr Selbstbewusstsein dramatisch verändert.“<br />
Im Zuge der in den 1970er Jahren aufgekommenen Frauenbewegungen war weltweit<br />
das Interesse an der bis dato vernachlässigten Frauengeschichtsforschung erwacht.<br />
Seitdem versuchen HistorikerInnen nicht nur, die herkömmliche Geschichtsschreibung<br />
aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, sondern zwei Teile zu einem Ganzen<br />
zusammenzufügen und eine andere und vollständigere Beurteilung historischer Verläufe<br />
aufzuzeigen.<br />
Das Projekt, <strong>Villach</strong>erinnen aus ihrer vermeintlichen Geschichtslosigkeit herauszulösen<br />
und ihre Lebensspuren sichtbar zu machen, begann Ende des Jahres 2009 auf Initiative<br />
der damaligen Frauenreferentin Mag. a Hilde Schaumberger. Es folgten intensive<br />
Archiv- und Literaturrecherchen sowie Interviews mit Zeitzeuginnen verschiedenster<br />
biografischer Hintergründe. Allgemeine Erkenntnisse der feministischen Geschichtswissenschaft<br />
verbanden sich nach und nach mit weiblicher Lokal- und Regionalgeschichte.<br />
Oft waren es nur kleine Hinweise oder Randnotizen, die zu Frauenspuren in<br />
der Vergangenheit führten, sich schlussendlich wie Puzzlestücke zusammenfügten und<br />
ein ganzheitlicheres Bild ergaben.<br />
Das Buch versucht, anhand verschiedener und umfangreicher Themenkomplexe<br />
sowie einzelner biografischer Skizzen die weibliche Geschichte <strong>Villach</strong>s von der Frühen<br />
Neuzeit bis in die 1970er Jahre nachzuzeichnen. Im Vordergrund dieser Arbeit stand<br />
nicht die Herausarbeitung prominenter Frauenpersönlichkeiten, sondern der Blick auf<br />
die verschiedenen Facetten weiblichen Lebens – quer durch die Jahrhunderte. Eines<br />
wurde im Zuge der Recherchen bald offensichtlich: Es bestand keine Möglichkeit, der<br />
Vielfalt weiblicher Themen und Persönlichkeiten, die die Frauengeschichte <strong>Villach</strong>s<br />
prägten, auf einer begrenzten Seitenanzahl gerecht zu werden.<br />
Ohne die Mithilfe vieler Menschen hätte dieses Projekt nicht realisiert werden können.<br />
Ich danke Mag. a Janina Koroschitz und Dr. in Lisa Rettl, die als Gastautorinnen die<br />
Publikation mit wertvollen Forschungsergebnissen bereichern.<br />
Ein herzliches Danke an die Frauenreferentinnen der Stadt <strong>Villach</strong> Mag. a Gerda Sandriesser<br />
und Mag. a Hilde Schaumberger sowie die Frauenbeauftragten Sigrun Alten und<br />
Susanne Palermo für die Ermöglichung des Projektes und die gute Zusammenarbeit.<br />
Besonderer Dank gilt Dr. Werner Koroschitz und dem Verein Industriekultur und Alltagsgeschichte<br />
sowie dem Museum der Stadt <strong>Villach</strong> für die Bereitstellung von Fotos,<br />
Interview- und Dokumentationsmaterial. In diesem Zusammenhang danke ich auch<br />
den folgenden Archiven und Institutionen für ihre freundliche Kooperation:<br />
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Deutsches Theatermuseum München, Dokumentationsstelle<br />
für lebensgeschichtliche Aufzeichnungen an der Universität Wien,<br />
Dokumentationsstelle Frauenforschung am Institut für Wissenschaft und Kunst Wien,<br />
Puppenwelt Elli Riehl Treffen, Kärntner Landesarchiv, Kärntner Landesmuseum,<br />
Museum für Angewandte Kunst Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Oral History<br />
Archiv der Karl-Franzens-Universität Graz, Sammlung Frauennachlässe der Univer-<br />
7
8<br />
sität Wien, Staatsarchiv Bamberg, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Verein<br />
Industriekultur und Alltagsgeschichte, <strong>Villach</strong>er Bürgerfrauen, <strong>Villach</strong>er Turnverein,<br />
Volksschule 1 <strong>Villach</strong>, Wienbibliothek im Rathaus.<br />
Herzlicher Dank gebührt auch allen Privatpersonen, die mich mit wertvollen Hinweisen<br />
unterstützt haben und diese Publikation mit Fotos und Dokumenten aus ihren<br />
privaten Beständen bereichern. Besonderer Dank gilt allen <strong>Drau</strong>töchtern, die mich in<br />
Interviews an ihrer Geschichte teilhaben ließen – einige baten um Anonymisierung.<br />
Auch ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.<br />
Familie Adamitsch, Familie Baumgartner, Vera Marie Chloupek, Theresia Dolzer,<br />
Gerda Elliott, Helga Emperger, Roland Fellinger, Olga Ferk, Editha Gabler, Gertrude<br />
Gabler, Friederike Gaggl, Lore Görlich, Familie Heinricher, Irmtraud Kintzi,<br />
Mag. a Sylvia Köchl, Antonia Komposch, Maria Löcker, Helga Lukeschitsch,<br />
Dr. in Leonore Lukeschitsch, Tina Mosser, Gertrud Oezelt, Martina Pichler, Maria<br />
Rainer, Dr. Peter Scheibner, Gertrude Schmidt, Irmgard Schmölzer, Dr. Franz-Christian<br />
Sladek, Josefine Steigenberger, Familie Strehlow, Ursula Strobl, Ida Tomaschitz,<br />
Maria Trolle-Steenstrup, Henriette Unterlass, Familie Warmuth, Familie Wirth,<br />
Josefine Zimmermann.<br />
Das Buch ist den Frauen <strong>Villach</strong>s gewidmet.<br />
Alexandra Schmidt<br />
Mag. a Alexandra Schmidt, geb. 1967, ist freiberufliche Historikerin mit dem Arbeitsschwerpunkt<br />
Frauen- und Geschlechtergeschichte. Sie lebt und arbeitet in <strong>Villach</strong>.
52<br />
Erhaltung der Schule zur Verfügung stellte. 46 Mit dem Bau der neuen Schule kehrte<br />
die Mädchenbildung zu ihren Wurzeln zurück, denn das Gebäude wurde auf dem<br />
Platz des 1894 abgetragenen Minoritenklosters erbaut – der ehemaligen Wirkstätte<br />
der Versammelten Jungfrauen. Die Anzahl der Schülerinnen wuchs kontinuierlich.<br />
Mit dem Schuljahr 1909/10 wurden Mädchenvolks- und Bürgerschule räumlich<br />
getrennt und die Bürgerschule übersiedelte unter der Leitung von Anna Spörl in die<br />
Richard-Wagner-Straße. Am 5. Oktober 1910 erfolgte die Eröffnung einer weiteren<br />
Mädchenvolksschule in Lind unter der Leitung von Marie Olsacher.<br />
Der Kampf um Matura und Studium<br />
Der weibliche Zugang zu einer höheren Bildung blieb ein zähes Ringen und vorerst<br />
weitgehend ein Privatvergnügen. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden an vielen<br />
Orten sogenannte „Höhere Töchterschulen“ oder Mädchen-Lyzeen, die auf privater<br />
Basis in erster Linie zur besseren Vorbereitung bürgerlicher Mädchen auf ein Leben<br />
als zukünftige „Dame des Hauses“ dienten oder auf das Lehrerinnenamt vorbereiteten.<br />
Während sich eine solche Schule in Klagenfurt längerfristig etablieren konnte,<br />
existierte eine Höhere Töchterschule in <strong>Villach</strong> zu Beginn der 1880er Jahre nur zwei<br />
Jahre als Privatschule. 47<br />
Theoretisch waren Frauen in Österreich zwar seit 1872 zur Matura zugelassen,<br />
faktisch hatten sie jedoch kaum Möglichkeiten, diese auch zu realisieren. 1892<br />
wurde, nach langem Widerstand des Unterrichtsministeriums, in Wien das erste<br />
Mädchengymnasium eingerichtet – zu einem Zeitpunkt, als in Österreich bereits<br />
siebenundsiebzig Knabengymnasien existierten. In <strong>Villach</strong> hatte 1869/70 das Peraugymnasium<br />
seine Pforten für dreiunddreißig männliche Schüler geöffnet, den<br />
Mädchen blieben die Türen weiterhin verschlossen. Erst ab dem Schuljahr 1909/10<br />
bequemte man sich hier zu einer Lösung, die allerdings die Mädchen nach wie vor<br />
stark benachteiligte:<br />
„Auch die Pforten dieses Minervatempels haben sich in Kärnten […] den Frauen<br />
geöffnet, und zwar wird dieses Studium derzeit auf folgende Weise ermöglicht: Da<br />
sich weder in Klagenfurt noch <strong>Villach</strong> an den Sitzen der Knabengymnasien auch<br />
solche speciell für Mädchen befinden, so hat die Elevin dieses Studiums zwar das<br />
vorgeschriebene Schulgeld für solche Anstalten zu entrichten, nimmt sich jedoch<br />
den vorgeschriebenen Unterricht für solche Classen zuhause privat. Alle Halbjahre<br />
erlegt diese externe Frequentantin die Prüfungstaxe, legt die Prüfung ab und erhält<br />
dann ein staatsgiltiges Zeugnis. Den Schlusspunkt dieses Studienganges bildet die<br />
Matura […].“ 48<br />
Erst mit der Verfassung der Ersten Republik erhielten Mädchen das Recht, ein<br />
Gymnasium als reguläre Schülerinnen zu besuchen. Im Schuljahr 1919/20 verzeichnete<br />
das Peraugymnasium bereits zweiundsechzig Schülerinnen, zehn Jahre später<br />
war die Anzahl der Mädchen bei einer GesamtschülerInnenzahl von 464 auf 148<br />
angestiegen. 49 1929 kam es zur Gründung der ersten reinen Mädchenklasse. Die<br />
1919 geborene Irmtraud Kintzi war eines der Mädchen, die diese Klasse bis zur<br />
Matura besuchten:<br />
„In St. Martin bin ich Volksschule gegangen und im Jahre 1929 bin ich dann aufs<br />
Peraugymnasium gekommen, dort hast eine Aufnahmeprüfung machen müssen.<br />
Oder du hast ein Jahr lang eine Vorbereitungsklasse machen müssen, dann ist<br />
man ohne Aufnahmeprüfung aufs Gymnasium gekommen. Hast aber dann ein<br />
Jahr länger gehabt. Wir waren im Jahre 1929 – da war ja in <strong>Villach</strong> nur das Perau-
gymnasium – die erste reine Mädchenklasse. Unsere Klassenvorsteherin, das war<br />
eine ungeheuer tüchtige Frau, die haben wir in Deutsch und Turnen gehabt. Die war<br />
die erste weibliche Klassenvorsteherin auf dem Gymnasium. Und hat es dadurch<br />
sehr schwer gehabt, weil von den alten Männern dort haben ein paar nicht begreifen<br />
wollen, dass da auf einmal eine Frau war, die etwas geleistet hat, was die nicht einmal<br />
zusammengebracht haben. Ihr Name war Doktor Käthe Tschebull.“ 50<br />
Abschlussfoto der ersten weiblichen Maturaklasse am Peraugymnasium, <strong>Villach</strong>, 1937.<br />
„Am Anfang waren noch viele Schülerinnen, aber nach der vierten Klasse sind viele ausgetreten. Früher<br />
Die erste<br />
Mädchenklasse am<br />
Peraugymnasium<br />
mit Irmtraud Kintzi<br />
(sechste von links,<br />
stehend) und der<br />
Lehrerin Dr. in Käthe<br />
Tschebull, <strong>Villach</strong>,<br />
1929.<br />
Foto: Privat, Irmtraud<br />
Kintzi, <strong>Villach</strong><br />
waren ja nicht viele Mädchen auf der höheren Schule. Immer nur ein paar im Gymnasium. Und wir waren<br />
dann die erste reine Mädchenklasse dort. Bei der Matura 1937 waren wir dreiundzwanzig Mädchen.“ 51<br />
Foto: Privat, Irmtraud Kintzi, <strong>Villach</strong><br />
53
92<br />
Mädchen, die die dritte Mädchenortsgruppe des ganzen Südmarkgebietes in <strong>Villach</strong><br />
erstehen lassen, mit ihrem wackeren Bestreben recht großen Erfolg haben werden.“ 25<br />
Auch die 1884 ins Leben gerufene Frauenortsgruppe des Deutschen Schulvereins verfolgte<br />
„den gewiß edlen Zweck der Erhaltung der deutschen Muttersprache an<br />
den Sprachgrenzen und Sprachinseln unseres Vaterlandes Österreich“ 26 durch die<br />
Errichtung deutschsprachiger Schulen. In der Chronik der Mädchenvolksschule<br />
Khevenhüllergasse heißt es dazu:<br />
„Aber auch die Frauenortsgruppe des deutschen Schulvereins war bestrebt im<br />
laufenden Schuljahr wieder ihr Schärflein für das Kind beizutragen. Anläßlich<br />
ihres 25-jährigen Gründungsfestes im Jahre 1909 faßte der Ausschuß obgenannter<br />
Ortsgruppe den Beschluß, der Anregung des Dichters und Stammesgenossen<br />
Peter Rosegger ‚durch Spenden von je 2.000 K einen Fond von zwei Millionen zur<br />
Errichtung deutscher Schulen an der Sprachgrenze zu schaffen’ Folge zu geben und<br />
durch Sammlung unter der Bewohnerschaft <strong>Villach</strong>s einen Baustein aufzubringen,<br />
welcher unter dem Namen ‚Baustein der deutschen Bewohnerschaft <strong>Villach</strong>s’ der<br />
Hauptleitung des deutschen Schulvereins übergeben werden sollte. Würde die<br />
Sammlung einen höheren Betrag als 2.000 K ergeben, so wollte man den Mehrbetrag<br />
dem Knaben- und Mädchenhorte widmen.“ 27<br />
Entgegen des scheinbar unpolitischen Engagements nahmen die Frauengruppen der<br />
deutschnationalen Vereine insbesondere seit den 1920er Jahren eine aktive Rolle<br />
bei der Propagierung völkischer Ziele ein, die letztendlich den Nährboden für die<br />
Ideologie des Nationalsozialismus aufbereiteten.<br />
Dabei funktionierte die Mobilisierung der Frauen über einen scheinbar unpolitischen<br />
Verein auch deshalb so gut, weil das geforderte Engagement mit den Tugenden des<br />
bürgerlichen Frauenbildes vereinbar war. 28<br />
Für das Vaterland<br />
Patriotischer Frauenhilfsverein <strong>Villach</strong><br />
Nicht die negativen Folgen einer verfehlten Sozialpolitik, sondern die Auswirkungen<br />
des Krieges standen im Zentrum der humanitären Arbeit jener patriotischen Frauenhilfsvereine,<br />
die sich nach den Kriegsereignissen im Sardinischen Krieg von 1859<br />
allerorts zusammen geschlossen hatten. 29 Diese Frauenhilfsvereine traten vor allem<br />
seit 1866 – nach dem Beitritt Österreichs zur zwei Jahre vorher ratifizierten Genfer<br />
Konvention – unter dem Symbol eines roten Kreuzes auf weißem Grund öffentlich<br />
in Erscheinung. Sie galten als Vorläufer der 1880 gegründeten Österreichischen Gesellschaft<br />
vom Roten Kreuz. Carl Ghon schreibt im ersten Teil seiner <strong>Villach</strong>er Chronik:<br />
„25. Juni 1866: Sofort nach dem Erscheinen des kaiserlichen Kriegs-Manifestes<br />
vom 18. Juni [Krieg gegen Preussen], bildete sich in <strong>Villach</strong> ein Frauen-Hilfsverein<br />
für verwundete Krieger. Den Verein leiteten: Frau Gabriele Egger, Therese Hauser,<br />
Johanna Horner, Sidonie Moritsch und Philippine Zozzoli. Im Hause des Herrn<br />
Wirth, Gerbergasse, jetzt Dodel’sche Werkstätte, errichtete der Verein ein großes<br />
Krankenzimmer zur unentgeltlichen Unterbringung 20 verwundeter Krieger der<br />
Süd-Armee. Dieses Zimmer war nahezu ein Jahr mit Patienten besetzt. Die Damen<br />
besorgten in liebevoller, anerkennenswerter Weise die Pflege der Kranken.“ 30<br />
Wie lange dieser Verein existent war, ist nicht überliefert. Die Fürsorge im Kriegsfall<br />
war aber auch jenen bürgerlichen Frauen ein Anliegen, die sich 1880 unter der Initiative<br />
von Irene Eizinger, der Gattin des <strong>Villach</strong>er Bezirkshauptmanns, und Ludmilla
Dollhopf von Tollhopfen, der Ehefrau des <strong>Villach</strong>er Bürgermeisters, zum Patriotischen<br />
Frauenhilfsverein vom Roten Kreuz in <strong>Villach</strong> 31 zusammengeschlossen hatten. In keinem<br />
anderen Frauenverein war die Verbindung zu Politik und Wirtschaft durch familiäre<br />
Bande so greifbar wie bei den patriotischen Frauenvereinen. Vereinspräsidentinnen 32<br />
waren in der Regel die Frauen einflussreicher Politiker und Industrieller, deren<br />
Interessen sich auf das Engagement ihrer Frauen auswirkten.<br />
Darüber hinaus ist es auch nicht verwunderlich, dass in den vorhandenen Dokumenten<br />
militärisch geprägte, männliche Beiräte auftauchen, wie etwa 1900 Ludwig<br />
Genotte Edler von Streitwall, k.k. Oberstleutnant im Ruhestand, oder 1913 Hauptmann<br />
Georg Teppner. Bis in die 1920er Jahre war die Leitung des Roten Kreuzes in<br />
<strong>Villach</strong> in weiblicher Hand, danach traten die Frauen in die zweite Reihe zurück. 33<br />
Ähnlich anderen patriotischen Frauenvereinen waren die Vereinszwecke nicht auf<br />
die Erhaltung des Friedens ausgerichtet, sondern in erster Linie auf sofortige Hilfsmaßnahmen<br />
im Kriegsfall:<br />
„Der Landes- und Frauenhilfsverein vom Rothen Kreuze in Oesterreich und<br />
somit auch speciell in unserem Kronlande Kärnten hat es sich zur edlen Aufgabe<br />
gestellt, in den so gefürchteten und schweren Zeiten eines Krieges durch<br />
seine Vertreter und Mitglieder allseitig charitativ zu wirken. Um dieses<br />
erhabene Ziel aber auch auf das zweckmäßigste zu erreichen, wird,<br />
wie aus den vorher bekannt gegebenen Statuten zu ersehen ist, schon<br />
in Friedenszeiten in Bezug auf die Organisation des Vereines, die<br />
Sammlungen und Bergungen der Vorräthe die größte Sorgfalt<br />
verwendet und die weitgehendsten Vorkehrungen getroffen, um<br />
im etwaigen Bedarfsfalle auch gleich werkthätig eingreifen zu<br />
können.“ 34<br />
Mit Hilfe der Vereinsbeiträge und regelmäßigen Sammlungen von<br />
Geld, Wäsche oder Verbandsmaterial sowie dem Ausbau des Pflegewesens<br />
wurde der Ernstfall systematisch vorbereitet. Darüber<br />
hinaus kümmerte man sich um gemeinnützige Aufgaben wie um<br />
die Eindämmung von Epidemien oder um Hilfe bei Unglücksfällen.<br />
35 Verständlicherweise war jedoch in Friedenszeiten die Mitgliederzahl<br />
eher rückläufig und die in den beiden <strong>Villach</strong>er Apotheken<br />
und anderen Geschäften aufgestellten Sammelbüchsen lieferten nicht<br />
das gewünschte Ergebnis, sodass man über Aufrufe in der Zeitung diese<br />
unbefriedigende Situation zu verbessern versuchte. 36 Erst der Ausbruch des<br />
Ersten Weltkrieges sollte die Wiederbelebung des Roten Kreuzes einleiten.<br />
Weibliche Beteiligung am vaterländischen Krieg<br />
Angesichts der menschlichen Katastrophe, die sich mit dem Ausbruch des Ersten<br />
Weltkrieges anbahnte, erscheint der folgende Ausspruch der Landesvereinsleitung<br />
des Roten Kreuzes aus heutiger Perspektive eher unpassend:<br />
„daß das Rote Kreuz seinen 50-jährigen Bestand schöner nicht hätte begehen<br />
können, als mit der sofortigen Einleitung regsamer Tätigkeit für die unter die Fahnen<br />
gerufenen Soldaten, um hiedurch die Härten des Krieges zu mildern.“ 37<br />
Zu Kriegsbeginn war die Stimmung in den österreichischen Kronländern noch<br />
erwartungsvoll und von einem euphorischen Patriotismus getragen. Während die<br />
Männer als Soldaten an die Front abkommandiert wurden, drängte es auch die<br />
Ludmilla Dollhopf<br />
von Tollhopfen<br />
(1824–1911), geb.<br />
Mickl, Mitbegründerin<br />
des Patriotischen<br />
Frauenhilfsvereins vom<br />
Roten Kreuz in <strong>Villach</strong>,<br />
um 1880.<br />
Foto: Privatarchiv,<br />
Alexandra Schmidt, <strong>Villach</strong><br />
93
„Mädchen für alles“<br />
Frauen im Dienstleistungsgewerbe<br />
Über den industriellen Sektor hinaus eröffneten sich im <strong>Villach</strong> des beginnenden<br />
20. Jahrhunderts weitere Verdienstmöglichkeiten für Frauen. Die Expansion von<br />
Fremdenverkehr, Gastronomie und Handel bot in steigendem Ausmaß ein weiteres,<br />
wenn auch schlecht bezahltes Spektrum an saisonalen Vollzeit- und Teilzeitarbeitsplätzen.<br />
Desgleichen arbeiteten zahlreiche junge und ledige Frauen als Dienstpersonal<br />
in gutsituierten Haushalten:<br />
„Viele Frauen sind ja damals als Wäscherinnen in die Stadt gegangen. Meist in<br />
die besseren Haushalte. Ärzte, Rechtsanwälte oder bessere Beamte, die haben sich<br />
eine Wäscherin geleistet. Die haben eine Waschküche gehabt, meistens im Keller und<br />
da sind die Frauen um ein paar Schillinge waschen gegangen, damit sie die Kinder<br />
leichter haben ernähren können. Für sich selbst haben sie ja eh nix verbraucht. Viele<br />
Männer waren damals, in den 20er und 30er Jahren arbeitslos und haben eh nix<br />
gehabt, und die Frauen haben dann halt ein paar Schilling heimgebracht.“ 35<br />
Über Dienstpersonal verfügen zu können, war mit sozialem Prestige verbunden.<br />
Die Frau des Hauses, die im Haushalt durch Dienstpersonal entlastet wurde, hatte<br />
es gesellschaftlich geschafft. Um diesen sozialen Aufstieg mit einem Dienstmädchen<br />
als Statussymbol bemühten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch immer<br />
mehr kleinbürgerliche Haushalte. In diesen kleineren Haushalten fungierten die<br />
Dienstmädchen üblicherweise als „Mädchen für alles“, während die in größerer<br />
Anzahl vorhandenen Dienstmädchen der großbürgerlichen Haushalte meist mit<br />
individuellen, spezialisierten Arbeitsbereichen betraut waren.<br />
Dienstmädchen, <strong>Villach</strong>, um 1900.<br />
Foto: Privatarchiv, Alexandra Schmidt, <strong>Villach</strong><br />
Personalsuche via Annonce in der<br />
<strong>Villach</strong>er Zeitung, 10. Februar 1907.<br />
Quelle: Museum der Stadt <strong>Villach</strong><br />
119
„Wir gehen vorwärts,<br />
1<br />
trotz alledem und alledem!“<br />
Aufbrüche und Einbrüche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
Der politische Aufbruch<br />
Bis ins 20. Jahrhundert blieb Frauen der Weg zur politischen Partizipation versperrt.<br />
Noch 1865 war ihnen per Gesetz nicht nur die Gründung bzw. Mitgliedschaft in<br />
politischen Vereinigungen untersagt, darüber hinaus waren sie nach geltendem<br />
Vereinsgesetz mit „Verbrechern und Minderjährigen“ auf eine Stufe gestellt.<br />
Aber die Zeit war reif für Veränderungen. Die Aufklärung und deren Leitgedanke<br />
von der Gleichheit aller Menschen bildete eine wichtige Basis für die Entstehung<br />
der Frauenbewegungen im 19. Jahrhundert – auch wenn männliche Denker der<br />
Aufklärung unter Gleichheit nicht unbedingt Gleichberechtigung der Frauen verstanden<br />
hatten. Doch soziale und ökonomische Wandlungsprozesse trugen dazu<br />
bei, dass europaweit Frauen aller gesellschaftlichen Klassen langsam begannen,<br />
sich zu organisieren und alte Rollenmuster aufzubrechen. Ausgehend von Wien<br />
und mit Hilfe unterschiedlicher Presseorgane wie der Österreichischen Frauenzeitung<br />
oder der Arbeiterinnenzeitung verbreiteten sich die Forderungen der verschiedenen<br />
Frauenbewegungen schließlich in der gesamten Monarchie. Während die bürgerliche<br />
Frauenbewegung im Wesentlichen gleiche Rechte sowie gleiche Berufs- und<br />
Bildungsmöglichkeiten für Frauen forderte – zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch<br />
verstärkt das Frauenwahlrecht, sah die Arbeiterinnenbewegung die Frauenfrage als<br />
wichtigen Teil der Sozialen Frage bzw. des Klassenkampfes und kämpfte vorrangig<br />
um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für proletarische Frauen. 2<br />
Für <strong>Villach</strong> gibt es, anders als in anderen urbanen Zentren, keinerlei Hinweise auf<br />
eine bürgerliche Frauenbewegung mit politischen Zielsetzungen, etwa der Forderung<br />
nach gleichen Ausbildungschancen oder der Einführung des Frauenwahlrechts. Hier<br />
blieb das Wirken der bürgerlichen Frauenvereine auf ihr karitatives Engagement<br />
beschränkt. Anders die Frauen der Arbeiterklasse: Um 1900 war die <strong>Drau</strong>stadt<br />
bereits zum Zentrum der Kärntner Arbeiterbewegung geworden, deren Strukturen<br />
jedoch nach traditionell patriarchalen Mustern aufgebaut waren. Demnach waren<br />
Frauen zunächst nur als Mithelfende unter männlicher Kontrolle erwünscht, nicht<br />
jedoch als eine selbstständig organisierte und für eigene weibliche Interessen agierende<br />
politische Bewegung. Dies verdeutlicht ein Beschluss der ersten Gewerkschaftskonferenz<br />
für Kärnten am 15. August 1896:<br />
„In Erwägung, daß die Arbeiterinnen keine eigene Berufsklasse darstellen, sondern<br />
in den Berufen der Männer tätig sind und organisiert nicht nur selbst in ihrer<br />
Existenz bedroht werden, sondern auch eine gefährliche Konkurrenz der männlichen<br />
Arbeiter bilden, beschließt die Konferenz: Die Arbeiterinnen haben von der Schaffung<br />
selbständiger Arbeiterinnenverbände abzusehen und sich den Organisationen<br />
jener Berufe, in welchen sie tätig sind, anzuschließen, um mit den männlichen<br />
Berufsgenossen die gemeinsamen Interessen zu vertreten.“ 3<br />
Es sollte noch einige Jahre dauern, bis der männliche Teil der Arbeiterbewegung den<br />
Nutzen einer eigenständig agierenden proletarischen Frauenbewegung erkannte und<br />
ihren Aufbau unterstützte. Eine Initialzündung für die <strong>Villach</strong>er Arbeiterinnenbewe-<br />
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156<br />
Das Aktionskomitee<br />
der freien politischen<br />
Frauen mit den<br />
Aktivistinnen Anna<br />
Pölzl, Katharina<br />
Steinschifter, Marie<br />
Rothwangel, Maria<br />
Wimmer, Anna Köppl<br />
und Dora Kircher,<br />
<strong>Villach</strong>, 1910.<br />
Foto: Frauenreferat der<br />
Stadt <strong>Villach</strong><br />
gung markierte das Jahr 1910. Ende Juni und Anfang Juli war die Gallionsfigur der<br />
österreichischen Arbeiterinnenbewegung, Adelheid Popp, in mehrere Orte Kärntens,<br />
darunter auch nach <strong>Villach</strong>, gereist, um mit Referaten und Vorträgen den Aufbau<br />
der Arbeiterinnenbewegung in Gang zu setzen. Bereits im September konstituierte<br />
sich in <strong>Villach</strong> das Aktionskomitee der freien politischen Frauen, das innerhalb kürzester<br />
Zeit zur stärksten Stimme der Arbeiterinnenbewegung in Kärnten werden sollte.<br />
Kurz nach ihrer Gründung veröffentlichte die Organisation einen Bericht in der<br />
Arbeiterinnenzeitung:<br />
„Die in unserem Orte im September gegründete Frauenorganisation zählt bereits<br />
125 Mitglieder, wovon ein großer Teil aus Eisenbahnerfrauen besteht. Seit der Gründung<br />
der Organisation tagten zwei gut besuchte Frauenversammlungen. In der ersten<br />
Versammlung referierte Genossin Koch aus Graz; nach dem beifällig aufgenommenen<br />
Referat wurde ein Frauenaktionskomitee, bestehend aus den Genossinnen:<br />
Pölzl, Melcher, Krobath, Köppl, Klumeyer, Luger, Neuhuber, Hribernig, Nakler<br />
und Hofer gewählt, das bereits eine emsige Tätigkeit entfaltete.“ 4<br />
Die Frauen trafen sich regelmäßig im Vereinslokal am Kaiser-Josef-Platz 4, um zu<br />
diskutieren oder Vorträge von GastrednerInnen aus der ArbeiterInnenbewegung<br />
zu hören. Zur ersten Vorsitzenden des <strong>Villach</strong>er Aktionskomitees wurde 1910 Anna<br />
Pölzl gewählt, die auch auf der ersten Landeskonferenz der politisch organisierten<br />
Frauen am 18. November 1911 in Klagenfurt neben Anna Gröger zur zweiten Vorsitzenden<br />
bestimmt wurde und darüber hinaus Mitglied des Landesagitationskomitees<br />
war. 1913 übernahm Marie Rothwangel den Vorsitz in <strong>Villach</strong>, ab 1918 Dora Kircher.<br />
Als wichtigste Aufgabe erachtete die Organisation, „die Frauen aus ihrer bisherigen<br />
Gleichgültigkeit aufzurütteln.“ 5<br />
Mitglieder akquirierte das Aktionskomitee durch Vorträge und die Verbreitung<br />
der Arbeiterinnenzeitung. Wer beitrat, zahlte vierzig Heller im Monat und bekam die<br />
Zeitung gleich dazu. Zum politischen Hauptagitationstag wurde auch in <strong>Villach</strong> der<br />
seit 1911 jährlich stattfindende Internationale Frauentag am 8. März.