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Ursprung der Kinderläden - BAGE

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<strong>Ursprung</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>läden<br />

2011 - 25 Jahre Bundesarbeitsgemeinschaft (<strong>BAGE</strong> e.V.)<br />

Es ist sicher bekannt, dass die Elterninitiativen ihren<br />

<strong>Ursprung</strong> in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>ladenbewegung <strong>der</strong> Jahre 1965 bis<br />

1986 haben. Die Studentenbewegung hatte eine Neuorientierung<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung im familiären und im außerfamiliären Bereich als wichtige<br />

Grundlage für die moralische und politische Ausrichtung <strong>der</strong> Nachkriegsgesellschaft<br />

erkannt: Mit den Kin<strong>der</strong>läden - zur Entlastung <strong>der</strong> Eltern für politisches Engagement und<br />

zur Entwicklung praktikabler pädagogischer und autoritätskritischer Erziehungsformen.<br />

Man kann <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>ladenbewegung viel vorwerfen, aber sie hat die Türen zur Akzeptanz<br />

<strong>der</strong> außerfamiliären Kin<strong>der</strong>erziehung in <strong>der</strong> BRD weit aufgestoßen. Vor dem Hintergrund<br />

des 2. Weltkrieges hat sie die Familie als staatstragendes Instrument in Frage gestellt und<br />

die Gesellschaft mitverantwortlich gemacht für Bildung, Erziehung und Betreuung. Zur Erinnerung:<br />

Erst ab 1972 wurden die ersten Kin<strong>der</strong>gartengesetze in den Bundeslän<strong>der</strong>n verabschiedet.<br />

Bis dahin galt: Die alleinige Verantwortung für die Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> oblag<br />

den Eltern, vorrangig den Müttern.<br />

Die öffentliche Auseinan<strong>der</strong>setzung über die Ziele und Methoden <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>ladenbewegung<br />

kreiste um nackte Kin<strong>der</strong>, chaotische Kin<strong>der</strong>gruppen und verletzte moralische<br />

Vorstellungen (die Kin<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>sprechen ihren Eltern, grüßen an<strong>der</strong>e Erwachsene nicht<br />

anständig, machen sich schmutzig etc.). Die Medienwirksamkeit <strong>der</strong> Kommune 1 war<br />

gewinnbringen<strong>der</strong> als die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Motivation und Ernsthaftigkeit <strong>der</strong><br />

engagierten Eltern.<br />

Nach 1972 wurde es sehr viel ruhiger um die Kin<strong>der</strong>läden. In den meisten größeren Städten<br />

Deutschlands gab es Elterngruppen, die ihren selbstorganisierten Kin<strong>der</strong>garten in <strong>der</strong><br />

Tradition <strong>der</strong> Studentenbewegung "Kin<strong>der</strong>laden" nannten. Die Gründe für die Selbstorganisation<br />

waren offensichtlich: uralte Konzepte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>gärten mit riesengroßen<br />

Gruppen und konservativ ausgebildeten ErzieherInnen, die mit Elternarbeit o<strong>der</strong> Elternmitarbeit<br />

nichts am Hut hatten sowie die viel zu wenigen Kin<strong>der</strong>gartenplätze. (Von den Einrichtungen<br />

zur Betreuung von Kin<strong>der</strong>n im Alter von 0 - 3 Jahren war damals in den<br />

Anfängen auch in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>ladenbewegung noch wenig zu sehen).<br />

Beson<strong>der</strong>s in Großstädten und Ballungsräumen entstanden immer mehr selbstorganisierte<br />

Kin<strong>der</strong>betreuungsprojekte. Sie nannten sich Kin<strong>der</strong>laden, Elterninitiative, Eltern-Kind-<br />

Gruppe, Eltern-Kind-Initiative, Kin<strong>der</strong>haus, Krabbelgruppe, Babygruppe etc.<br />

Die jungen Eltern, die diese Einrichtungen aufbauten und betrieben, fingen ganz langsam<br />

an, sich von den Kin<strong>der</strong>läden zu distanzieren. Sie empfanden die Kin<strong>der</strong>laden-Ideologie<br />

eher als Hypothek denn als Anregung. Das hing nach meiner Beobachtung in Bayern auch<br />

damit zusammen, dass die kommunale Bürokratie, die mit dem Vollzug <strong>der</strong> neuen Kin<strong>der</strong>gartengesetzgebung<br />

betraut war, immer noch einen riesigen Bammel vor den „linken Horden“<br />

hatte und alles, was nach Kin<strong>der</strong>laden roch, sehr sehr kritisch beäugte. Selbstorganisiertes<br />

war links, radikal und verdächtig. Wer sich nicht auf die Angebote des Staates<br />

verlassen wollte, musste subversives Gedankengut im Kopf haben.<br />

Viele Eltern wollten sich das nicht antun - sie wollten einen Platz für ihre Kin<strong>der</strong>, waren mit<br />

<strong>der</strong> traditionellen Kin<strong>der</strong>betreuung in mehr als 25 Kin<strong>der</strong> großen Kin<strong>der</strong>gruppen unzufrieden,<br />

begeisterten sich für die Idee <strong>der</strong> Selbstorganisation, wollten ihre Erziehungsverantwortung<br />

nicht einfach an einen Träger abgeben, son<strong>der</strong>n den Kin<strong>der</strong>garten mit ihren<br />

Kin<strong>der</strong>n gestalten - aber nicht die Bürokratie reformieren.<br />

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2011 - 25 Jahre Bundesarbeitsgemeinschaft (<strong>BAGE</strong> e.V.)<br />

Am Anfang waren die Kin<strong>der</strong>läden Orte <strong>der</strong> sozialpolitischen Diskussion und politischen<br />

Aktion mit sozialpädagogischen Konsequenzen.<br />

Die Kin<strong>der</strong>läden und Elterninitiativen ab Ende 1970 bis heute sind viel mehr Orte <strong>der</strong><br />

sozialpädagogischen Diskussion. Die Kritik am Erziehungsstil von Oma und Opa und<br />

<strong>der</strong>en Umgang mit unserer nationalsozialistischen Geschichte verlor an Bedeutung. Die<br />

Erziehung <strong>der</strong> eigenen Kin<strong>der</strong>, die Erwartung nach Entlastung und gemeinsames Handeln<br />

traten in den Vor<strong>der</strong>grund. Es ging und geht nicht mehr um die Reform von Familie, son<strong>der</strong>n<br />

um die Vereinbarkeit <strong>der</strong> individuellen Lebensplanung mit den immer komplexeren<br />

Bedingungen des Arbeitsmarktes und <strong>der</strong> Freizeitindustrie.<br />

Und trotzdem sind nicht nur die individuellen Erwartungen <strong>der</strong> Eltern <strong>der</strong> Auslöser für das<br />

Engagement in heutigen Elterninitiativen und Kin<strong>der</strong>läden. Es geht zwangsläufig um gesellschaftliche<br />

Fragen und Demokratieentwicklung, um Zivilgesellschaft und Bürgerschaftliches<br />

Engagement. Alles ist politisch - so wie Alles, was wir tun und was wir nicht tun,<br />

Vorbild für die Entwicklung von Werten für unsere Kin<strong>der</strong> ist. (Hier <strong>der</strong> Hinweis auf die<br />

Studie des DJI "Familienselbsthilfe und ihr Beitrag zur kommunalen Wertschöpfung" 1998)<br />

Entstehungsgeschichte <strong>der</strong> <strong>BAGE</strong><br />

Von Berlin, München, Stuttgart und Frankfurt weiß ich, dass es damals (in den Siebzigern)<br />

regionale Zusammenschlüsse von Kin<strong>der</strong>läden gab - die "Zentralräte <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>läden", die<br />

neben <strong>der</strong> alternativen Pädagogik auch die gesellschaftspolitische Bedeutung und Notwendigkeit<br />

einer reformierten Kin<strong>der</strong>erziehung diskutierten. Es kam jedoch nie zu einem<br />

funktionierenden Zusammenschluss dieser kommunalen Zentralräte, obwohl es dazu einige<br />

Anläufe gab - woran auch immer das gelegen haben mag.<br />

Bereits Ende <strong>der</strong> siebziger Jahre war das Konzept <strong>der</strong> Mütterzentren im „Deutschen<br />

Jugendinstitut“ (DJI) im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Elternarbeit (1976-1980)<br />

entwickelt worden. Dieses Projekt beför<strong>der</strong>te die feministische Debatte, die u.a. zur Entstehung<br />

des „Müttermanifestes“ führte (siehe Dokumente auf <strong>der</strong> <strong>BAGE</strong>-Website).<br />

Im Jahre 1980 begann auf Anregung <strong>der</strong> Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung<br />

ein Projekt zu Erforschung von Präventionsmaßnahmen zur Verringerung <strong>der</strong> Herz- und<br />

Kreislauferkrankungen. Den Zuschlag für das Projekt erhielt <strong>der</strong> Bundesverband „Neue<br />

Erziehung (BNE)“ mit Sitz in Bonn, <strong>der</strong> vom Bundesverband <strong>der</strong> Arbeiterwohlfahrt gegründet<br />

worden war. Er sollte das dringend notwendige Gegengewicht zu den kirchlichen<br />

Familienverbänden werden. Im Projekt sollte untersucht werden, ob die gegenseitige<br />

Entlastung und Hilfestellung von Eltern Einfluss auf die Herz- und Kreislauferkrankungen<br />

von Männern und Frauen hat. Das Projekt trug den Namen "Eltern helfen Eltern" und war<br />

für einen Modellzeitraum von fünf Jahren angelegt.<br />

Die ProjektmitarbeiterInnen beim BNE kannten die Szene und nutzen die Erfahrungen von<br />

Eltern und ErzieherInnen aus Kin<strong>der</strong>läden und Elterninitiativen sowie an<strong>der</strong>er Mitarbeiter-<br />

Innen aus psychosozialen, selbstorganisierten Projekten. Es entstand ein bundesweiter<br />

Arbeitskreis, <strong>der</strong> sich regelmäßig traf, Erfahrungen austauschte, die eigene Arbeit reflektierte,<br />

Konzepte verglich, diskutierte und weiterentwickelte.<br />

Nach fünf Jahren sollte das Projekt auslaufen. Auf Druck und durch viel Engagement<br />

wurde das Modell verlängert und sammelte weiterhin Daten zur Auswertung, diesmal unter<br />

dem Namen „Elterninitiativen auf dem Lande“. Der Projektträger war diesmal das Institut<br />

„Frau und Gesellschaft“ in Hannover. Natürlich gab es einen Bruch in <strong>der</strong> bisherigen Arbeit<br />

des Arbeitskreises. Die TeilnehmerInnen hatten während <strong>der</strong> fünf Jahre erfahren, wie<br />

wichtig, entlastend und motivierend so ein Netzwerk ist und beschlossen, die Auflösung<br />

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2011 - 25 Jahre Bundesarbeitsgemeinschaft (<strong>BAGE</strong> e.V.)<br />

des AK nicht so ohne weiteres zu akzeptieren. Ende 1985 planten sie eine Vereinsgründung,<br />

um den Zusammenschluss <strong>der</strong> Ehrenamtlichen (ErzieherInnen, Eltern, ehrenamtliche<br />

MitarbeiterInnen in Kin<strong>der</strong>läden und Elterninitiativen) formal zu sichern. Gleichzeitig<br />

wollten sie natürlich beweisen, dass das, was unter den Fittichen des BNE möglich war,<br />

auch in Eigenverantwortung und Eigeninitiativen realisierbar ist.<br />

Im April 1986 wurde in Berlin <strong>der</strong> Verein Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen<br />

(<strong>BAGE</strong>) e.V. offiziell gegründet. Nachdem sich die MitarbeiterInnen aus den psychosozialen<br />

Projekten nach Ablauf <strong>der</strong> Modellphase in speziellen Landes- bzw. Bundesverbänden<br />

engagiert hatten, waren die Kin<strong>der</strong>läden und Elterninitiativen übrig geblieben.<br />

Weil immer mehr Eltern Kin<strong>der</strong>läden und Elterninitiativen gründeten, entstanden parallel<br />

zur <strong>BAGE</strong> in vielen Großstädten und Ballungsräumen <strong>der</strong> Bundesrepublik in den Jahren<br />

1980 - 1985 Anlauf- und Kontaktstellen für Eltern, die eine Initiative, einen Kin<strong>der</strong>laden<br />

gründen wollten. Diese Kontaktstellen spezialisierten sich auf die Unterstützung von<br />

Eigeninitiative, berieten in Fragen <strong>der</strong> Vereinsgründung, Konzeptentwicklung und Selbstorganisation.<br />

Sie arbeiteten auf kommunaler Ebene und wussten lange nichts voneinan<strong>der</strong>.<br />

In einer nebligen Herbstnacht 1986 trafen sich auf Einladung <strong>der</strong> „Kin<strong>der</strong>laden-Initiative<br />

Hannover“ MitarbeiterInnen (Eltern und ErzieherInnen) aus Kin<strong>der</strong>läden und Elterninitiativen<br />

im Jugendgästehaus am Rande von Hannover. MitarbeiterInnen <strong>der</strong> <strong>BAGE</strong> hörten<br />

zufällig von dieser Initiative und nahmen am Treffen teil.<br />

Es war relativ schnell klar, dass es ungeachtet <strong>der</strong> unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Kontaktstellen (die aus dem Projekt "Eltern helfen Eltern" und die autark entstandenen)<br />

sinnvoll war, unter einem Dach zusammenzuarbeiten. Die Erfahrungen im<br />

Arbeitskreis "Eltern helfen Eltern" deckten sich nahezu nahtlos mit den Vorstellungen und<br />

Erwartungen <strong>der</strong> TeilnehmerInnen dieses "Kontaktstellentreffens". Die Vorarbeiten <strong>der</strong><br />

<strong>BAGE</strong> und die Idee, einen För<strong>der</strong>antrag an das Bundesministerium zu stellen, fanden breite<br />

Zustimmung. Das Konzept wurde ausführlich diskutiert und aktualisiert. Alle bekannten<br />

Kontaktstellen waren mit dem Zusammenschluss unter dem Dach <strong>der</strong> <strong>BAGE</strong><br />

einverstanden. Die <strong>BAGE</strong> e.V. hatte sich vom Arbeitskreis "Eltern helfen Eltern" zu einem<br />

eigenständigen, selbstverwalteten und unabhängigen Bundesverband entwickelt - als<br />

Lobby und Vertretung <strong>der</strong> Interessen von mehr als 8000 selbstorganisierten Projekten zur<br />

Bildung, Erziehung und Betreuung von Kin<strong>der</strong>n - egal unter welchem Namen sie<br />

firmierten.<br />

Bereits im selben Jahr stellte die <strong>BAGE</strong> einen Antrag auf För<strong>der</strong>ung an das Bundesministerium<br />

für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit unter <strong>der</strong> Amtsführung von Rita<br />

Süssmuth (CDU, 1985 -1988). In den Auseinan<strong>der</strong>setzungen wurde schnell deutlich, dass<br />

die Bundespolitik kein son<strong>der</strong>liches Interesse an <strong>der</strong> selbstorganisierten Kin<strong>der</strong>betreuung<br />

hatte. Die Kin<strong>der</strong>betreuung war im Jugendwohlfahrtsgesetz geregelt, das neue Kin<strong>der</strong>-<br />

und Jugendhilfegesetz (KJHG) war in Vorbereitung und überhaupt waren für Kin<strong>der</strong>gärten<br />

und Horte die Län<strong>der</strong> und Kommunen zuständig. Der Bund war an einer För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

selbstorganisierten Kin<strong>der</strong>betreuung nicht interessiert.<br />

Die <strong>BAGE</strong> machte deutlich, dass Selbsthilfe ein Modell <strong>der</strong> gesellschaftlichen Mitverantwortung<br />

ist. Sie erläuterte das System <strong>der</strong> Selbsthilfe, bei <strong>der</strong> die Mitverantwortung aller<br />

am Projekt Beteiligten, die Akzeptanz <strong>der</strong> unterschiedlichen Fähigkeiten, das Selbstbestimmungsrecht<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Eltern und ErzieherInnen,<br />

eine innovative - auch für die Politik interessante - Form zur Gestaltung von<br />

sozialpolitischen Maßnahmen ist. Sie versuchte zu erklären, dass Eigeninitiative und<br />

-verantwortung Bausteine für die Zivilgesellschaft und die Akzeptanz von Fähigkeiten die<br />

Voraussetzung für demokratisches Handeln sind. Für den Bund war das nicht förde<br />

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ungsfähig.<br />

2011 - 25 Jahre Bundesarbeitsgemeinschaft (<strong>BAGE</strong> e.V.)<br />

Mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung 1989 kam eine ganz neue Aufgabe auf die Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe<br />

zu. Während im Westen mit dem gesetzlich neu verankerten Rechtsanspruch auf<br />

einen Kin<strong>der</strong>gartenplatz ein riesiges Aufbauprogramm für Kin<strong>der</strong>gartenplätze gestartet<br />

wurde, sollten im Osten <strong>der</strong> Republik die in staatlicher Trägerschaft organisierten Kin<strong>der</strong>tagesstätten<br />

in freie Trägerschaft übergeführt werden, gleichzeitig gab es ein riesiges Abbauprogramm,<br />

um die fast 100% Versorgung mit Krippen, Kin<strong>der</strong>garten und Hortplätzen<br />

auf ein "notwendiges Maß“ zu reduzieren. Wie schon im Westen <strong>der</strong> 80er und 90er Jahre<br />

war <strong>der</strong> Maßstab für das Notwendige nicht <strong>der</strong> Bedarf <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n die Berufstätigkeit<br />

<strong>der</strong> Eltern. Und da in <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung viele BürgerInnen <strong>der</strong> neuen<br />

Bundeslän<strong>der</strong> ihre Jobs verloren, war auch <strong>der</strong> Bedarf an Kitaplätzen nicht mehr in dem<br />

Maße notwendig.<br />

Das Bundesministerium war darüber hinaus sehr daran interessiert, die in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

entstehenden Kin<strong>der</strong>tagesstätten in freier Trägerschaft zu motivieren, sich <strong>der</strong><br />

<strong>BAGE</strong> anzuschließen.<br />

Dieser Prozess ist nicht ganz einfach zu beschreiben. Die Elterninitiativen im Westen hatten<br />

ihren <strong>Ursprung</strong> und ihre Geschichte in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>ladenbewegung auf Grund <strong>der</strong> Tatsache,<br />

dass es viel zu wenig Betreuungsplätze außerhalb <strong>der</strong> Familie gab.<br />

Die Elterninitiativen im Osten entstanden, weil viele kommunale Kitas abgebaut werden<br />

sollten, die Eltern aber "ihre" Einrichtung erhalten wollten und sie deshalb in eigener Trägerschaft<br />

(als Elternverein) weiterführen wollten. Die Kommunen waren natürlich daran<br />

interessiert, die Kita Plätze zu reduzieren, versprachen sich aber nicht nur eine Bereicherung<br />

<strong>der</strong> sozialen Landschaft, son<strong>der</strong>n auch entsprechend Zuschüsse vom Bund, wenn<br />

sie die Projekte als Familien- und Nachbarschaftszentren mit integrierter Kin<strong>der</strong>betreuung<br />

genehmigen würden.<br />

Die Eltern <strong>der</strong> in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n entstehenden Kin<strong>der</strong>läden und Elterninitiativen<br />

hatten wegen <strong>der</strong> unterschiedlichen Geschichten und Perspektiven Berührungsängste mit<br />

den Initiativen aus dem Westen. Die <strong>BAGE</strong> e.V. respektierte diese Vorsicht, bemühte sich<br />

um Kooperationen, vermied Vereinnahmung.<br />

Auf dieser Grundlage entstand ein relativ entspanntes Verhältnis zwischen den Eltern und<br />

ErzieherInnen aus Ost und West. Mit Ausnahme von Berlin, Leipzig und Dresden gab es<br />

jedoch in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n keine kommunalen Kontaktstellen, wie sie im Westen<br />

organisiert und aufgebaut worden waren. Den Kontaktstellen Leipzig und Dresden wurden<br />

zudem in den folgenden Jahren wegen knapper Haushaltsmittel die Zuschüsse für die<br />

Beratung und Vernetzung <strong>der</strong> Elterninitiativen gestrichen. Übrig blieb <strong>der</strong> Berliner „Dachverband<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Schülerläden“ (DAKS) als Fusion <strong>der</strong> West- und Ostberliner Kin<strong>der</strong>läden<br />

und Elterninitiativen.<br />

Ende 1989 kam ein Mitarbeiter des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und<br />

Gesundheit unter <strong>der</strong> Leitung von Ursula Lehr (CDU, 1988 – 1991) auf die Idee, dass die<br />

<strong>BAGE</strong> im Verbund mit an<strong>der</strong>en Familienselbsthilfeprojekten för<strong>der</strong>ungsfähig sein könnte.<br />

Damals waren das <strong>der</strong> Bundesverband <strong>der</strong> Mütterzentren, <strong>der</strong> Bundesverband <strong>der</strong> Familien-<br />

und Nachbarschaftszentren, die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen und die<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft <strong>der</strong> Selbsthilfegruppen <strong>der</strong> Stieffamilien.<br />

1 1/2 Jahre wurde gemeinsam diskutiert und verhandelt, verschiedene Variationen eines<br />

Antrages geschrieben, korrigiert, verworfen, neu geschrieben und letztlich beim Ministerium<br />

eingereicht. Für das Jahr 1991 wurde dann zum ersten Mal die Familienselbsthilfe<br />

vom Ministerium geför<strong>der</strong>t.<br />

Die <strong>BAGE</strong> arbeitete bis zum Jahr 2007 mit einer ehrenamtlichen Geschäftsstelle – unter<br />

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2011 - 25 Jahre Bundesarbeitsgemeinschaft (<strong>BAGE</strong> e.V.)<br />

stützt durch eine kollektive Geschäftsführung, die sich aus MitarbeiterInnen verschiedener<br />

Kontaktstellen zusammensetzte.<br />

Seit 2007 wird die <strong>BAGE</strong> mit einer halben Stelle zur Koordination <strong>der</strong> kommunalen und<br />

regionalen Kontaktstellen vom Bund geför<strong>der</strong>t. Das Kontaktstellentreffen und die Mitglie<strong>der</strong>versammlung<br />

sind weiterhin die entscheidenden Organe, die die Inhalte und Strategie<br />

<strong>der</strong> <strong>BAGE</strong> definieren. Ausführendes Organ ist weiterhin die Kollektive Geschäftsführung.<br />

Der Autor dieser Zeilen hat die <strong>BAGE</strong> von 1980 bis bis zu seiner Rente Ende 2009 begleitet.<br />

Ich wünsche <strong>der</strong> <strong>BAGE</strong> aus tiefster Seele alles nur erdenklich Gute und Teure, damit sie<br />

auch weiterhin die Arbeit machen kann, die notwendig und sinnvoll ist:<br />

Die Beratung, Unterstützung und Begleitung von Eltern und Elterngruppen, die die<br />

Kin<strong>der</strong>betreuung selbst organisieren,<br />

Johannes Lachenmair<br />

(München, Oktober 2011)<br />

damit die Kin<strong>der</strong> das kriegen, was sie verdienen: das Beste.<br />

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