EIn PROzESS DES SUCHEnS - gedok
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<strong>EIn</strong> <strong>PROzESS</strong> <strong>DES</strong> <strong>SUCHEnS</strong><br />
Anne Krickeberg<br />
Birgit Stolzenburg-de Biasio<br />
von Gudrun Mettig<br />
Immer auf der Suche – das sind die Musikerinnen und Komponistinnen, aber auch<br />
die Förderer der GEDOK, des Verbandes der Gemeinschaften der Künstlerinnen<br />
und Kunstförderer. Während in der Musik nach Ausdruckskraft und musikalischer<br />
Bedeutung gesucht wird, verlangen die Förderer nach Anerkennung dieser Arbeiten.<br />
Sie suchen öffentliche Podien und kämpfen um Aufmerksamkeit für die<br />
Musik von Frauen.<br />
Im Münchner Gasteig fand die GEDOK ein geeignetes Podium für ihr Bundeskonzert<br />
2009 mit zeitgenössischer Kammermusik. Abwechselnd in München und Berlin<br />
veranstaltet der Bundesverband ein großes Konzert mit ausgewählten Musikprojekten,<br />
die sich mit Musik von Komponistinnen auseinandersetzen. Für das Münchner<br />
Konzert im April waren Beiträge aus neun der vierundzwanzig GEDOK-Gruppen in<br />
Deutschland und Wien eingereicht und von einer Jury beurteilt worden. An einem<br />
einzigen Konzert-Abend sollte ein umfassender Einblick in das zeitgenössische<br />
Schaffen von Frauen in der Musik gegeben werden.<br />
Die Namen der Komponistinnen sind keine unbekannten. Iris ter Schiphorst und<br />
Annette Schlünz hatten dem Duo „Neue Flötentöne“, Anne Horstmann (große<br />
Flöte, Dizi, Bassflöte) und Dörte Nienstedt (Blockflöten), Stücke gewidmet, die den<br />
beiden Musikerinnen auf den Leib geschrieben sind. „No, Sir . . .“ (2007) von Iris<br />
ter Schiphorst, eine kleine Hommage an die amerikanische Lyrikerin Anne Sexton<br />
und ihre performanceartigen Darbietungen – aber auch an die beiden Flötistinnen<br />
selbst – förderte wechselnde klangliche Mischungen der verschiedenen Flöteninstrumente.<br />
Über „Deux Créatures“ (2006) schreibt Annette Schlünz: „… die Klänge wirbeln in<br />
virtuoser Reise von höchsten in tiefste Register, um sich nach kurzer Ruhepause am Ende ineinander<br />
verflochten lautstark in der Höhe auszuklinken.“<br />
Das Stück „Spaltungen“ von Siegrid Ernst ist Teil eines Werkes des französischen Klangkünstlers Marc<br />
Pira aus dem Jahr 1998. Unter dem Titel „Elektronik + Eins“ regte er KomponistInnen an, Musik<br />
auf einem Instrument zu dessen elektronisch bearbeiteten Klängen zu komponieren. So entstanden<br />
diese „Sechs Duos für je ein Instrument und sein elektronisches Pendant“. In „Spaltungen“ setzte<br />
die Pianistin und Komponistin Siegrid Ernst das Live-Klavier, das sie bei der Uraufführung 1998<br />
auch selbst gespielt hatte, den von Band zugespielten<br />
elektronisch verfremdeten Klavierklängen gegenüber. Im<br />
Münchner GEDOK-Konzert übernahm Susanne Geiger<br />
den auskomponierten Klavierpart, die Zuspielung wurde<br />
von Siegrid Ernst selbst ausgesteuert. Die beiden Stimmen<br />
korrespondieren mal einander umschmeichelnd, mal temperamentvoll<br />
um die Dominanz streitend, bis schließlich<br />
die rein elektronischen Klänge das Ende bestimmen.<br />
Die elektronische Verarbeitung von Cembalo-Klängen<br />
bestimmt die Arbeit der Komponistin/Interpretin Anne<br />
Krickeberg, die ihrem Stück „cem 8 für E-Piano/Cembalo,<br />
Nyckelharpa und Zuspielung“ am PC bearbeitete Motive<br />
aus einer Sonate für Cembalo Solo von Domenico Scarlatti<br />
zugrunde legt. „Entstanden ist eine Folge kurzer Stücke,<br />
deren letztes einen Spannungshöhepunkt darstellt. Melodiefragmente<br />
werden ähnlich dem Scratching eines<br />
DJs mehrfach wiederholt“ (Anne Krickeberg). Aus der<br />
gelegentlich monoton wirkenden Wiederholung der Fragmente<br />
entstehen rhythmische Muster, die von den beiden
Live-Musikerinnen, Anne Krickeberg (Nyckelharpa, Zuspielung) und<br />
Marta Dotkus (Keyboard), aufgenommen werden. Der Schwerpunkt<br />
der Komposition liegt nicht in der Fortführung der Motive, sondern<br />
im spielerischen Umgang mit ihnen. Der klanglichen und stilistischen<br />
Spanne von originaler Cembalo-Musik aus dem 18. Jahrhundert bis<br />
zu elektronisch aufbereiteten Klängen und ihrer Verbindung entspricht<br />
das in „cem 8“ verwendete Instrumentarium auf der Bühne<br />
mit Computer, Keyboard und Nyckelharpa, einer Schlüsselfiedel, die<br />
in Schweden seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar ist.<br />
Sich zwischen Stilen zu bewegen, bezeichnet die Komponistin und<br />
Violoncellistin Johanna Varner als Stärke des Ensembles Varner &<br />
Varner, die auch in ihrem Stück „Peccata mundi“ zum Tragen kommt.<br />
Zusammen mit dem Posaunisten Christofer Varner wandert sie unter<br />
Einsatz verschiedenster Spieltechniken „zwischen den Stilen von<br />
Experimentellem bis Jazz, von Renaissance über Spätbarock zu Thelonius<br />
Monk. Inspiriert vom Gregorianischen Choral und motivisch<br />
orientiert am ‚Agnus Die’ des lateinischen Messgesangs, changiert<br />
‚Peccata mundi’ zwischen Gregorianik und obertonreicher Avantgarde“<br />
(Varner). Die ganze klangliche Bandbreite von Violoncello und<br />
Posaune zeigt sich besonders in dem improvisierten Stück „acht“,<br />
in dem das Streich- auch zum Schlaginstrument wird. „acht“ ist<br />
ein – laut Komponistin nur schwer zu erkennendes – Ostinato im<br />
klassischen Sinn über jazzigen Bass-Linien, das – erweitert um die<br />
Klangfarbe einer großen Muschel – schließlich in einen mächtigen<br />
Klang aus dieser Muschel eintaucht.<br />
Das Tenor-Hackbrett, gespielt von Birgit Stolzenburg-de Biasio, bringt<br />
eine weitere interessante Farbe in das GEDOK-Konzert. Die durch<br />
den Namen des Instrumentes provozierte Erwartung wird beim<br />
ersten Klang sofort widerlegt: Nicht „Zerhacktes“ wird produziert,<br />
sondern Klänge von zart, lieblich, geheimnisvoll bis wild rauschend<br />
unter Ausnutzung des Holzrahmens als Perkussionsinstrument. Es<br />
sind „9 Haiku“ der Komponistin Dorothea Hofmann, die auch selbst<br />
anwesend ist. Die ersten 8 Haiku wurden bereits im November 2007<br />
am selben Ort erstmals gespielt, „Haiku 9“ wird in diesem Konzert<br />
uraufgeführt. „Nicht im Sinne der 17 Silben dieser japanischen<br />
Gedichtform sind diese Stücke ‚Haiku’, auch geben sie nicht – wie<br />
die Haiku-Gedichte ursprünglich – die Jahreszeit zu erkennen. Doch<br />
sie sind von jeweils einem musikalischen Gedanken“ (Dorothea<br />
Hofmann).<br />
Aus dem Wasser geschöpfte musikalische Gedanken bestimmten<br />
„Turning Points“ von Mayako Kubo, gespielt von Renate Eggebrecht<br />
(Violine), Julia Rebekka Adler (Viola) und Friedemann Kupsa<br />
(Violoncello), das abschließende Stück eines instrumental und damit<br />
klanglich vielfältigen GEDOK-Konzertes mit lockeren Einführungen<br />
auch der anwesenden Komponistinnen. Die seit 1972 in Europa<br />
lebende Komponistin japanischer Herkunft Mayako Kubo hat ihr<br />
Stück „Turning Points“ der Bildenden Künstlerin Anna Werkmeister<br />
gewidmet, nach deren Video-Arbeit zum Thema „Wasser“ sie ihre<br />
Musik komponierte. Ihre Musik habe sich aber verselbständigt und<br />
habe nun nichts mit der Video-Arbeit zu tun. Sie sagt: „Wenn ein<br />
Komponist Wasser in Bewegung sieht, ist er oft von den unendlichen<br />
Wasserbewegungen und Wassergeräuschen fasziniert. Er wird aber<br />
niemals in seiner Komposition das Wassergeräusch verwenden.<br />
Musik ist ein abstrahierender Prozess aus dem Inneren eines Komponisten.“<br />
Ein Prozess des Suchens.<br />
VivaVoce 84 / Sommer 2009<br />
Gertrud Firnkees und Dörte Nienstedt<br />
Gloria Coates, Gudrun Mettig und Mayako Kubo<br />
Dorothea Hofmann und Anne Horstmann<br />
Rückblicke<br />
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