Einer geht mit - Gefährdetenhilfe Scheideweg eV
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4<br />
Begleitung<br />
Begleitung in Familien: Herausforderung und Chance<br />
Offene Familien und familiäre Wohngemeinschaften<br />
für Menschen aus Kriminalität und<br />
Sucht sind aus der <strong>Gefährdetenhilfe</strong>arbeit nicht<br />
wegzudenken. Unser Reden im Gefängnis von<br />
Gottes Liebe und Vergebung würde stark an<br />
Glaubwürdigkeit verlieren, wenn wir unseren<br />
Worten keine Taten folgen ließen. Und die Tat,<br />
die viele junge Männer und Frauen hinter Gittern<br />
brauchen, ist die Aufnahme in eine christliche<br />
Gemeinschaft. Ohne ein sehr persönliches<br />
und individuelles Beziehungsangebot und ein<br />
neues Lebensumfeld kann vielen von ihnen der<br />
Ausstieg aus Kriminalität und Sucht nicht gelingen.<br />
Noch vor Gründung des <strong>Gefährdetenhilfe</strong>-<br />
Vereins haben Christen in und um <strong>Scheideweg</strong><br />
deshalb da<strong>mit</strong> begonnen, junge Männer<br />
aus der JVA Siegburg Zuhause aufzunehmen.<br />
Seitdem sind über 35 Jahre vergangenen; vielfältige<br />
und sehr unterschiedliche Erfahrungen<br />
haben uns geprägt; gesellschaftliche Rahmenbedingungen,<br />
die Menschen und auch unsere<br />
Arbeit haben sich verändert. Wir wollen weiterhin<br />
das Gleiche tun – Menschen aus dem<br />
Gefängnis ein Zuhause geben. Und doch sind<br />
da<strong>mit</strong> (neue) Herausforderungen verbunden:<br />
Ganzer Einsatz „<strong>mit</strong> Haut und Haaren“ ist nicht<br />
selbstverständlich, …<br />
aber das Leben in einer Wohngemeinschaft<br />
oder offenen Familie bringt einen solchen Einsatz<br />
<strong>mit</strong> sich: Weil gefährdete junge Menschen<br />
in unseren Familien leben, sind die Rückzugsmöglichkeiten<br />
für Hauseltern gering. Ein solches<br />
Engagement lässt sich nicht in Arbeitsverträge<br />
fassen, es setzt eine Liebe zu jungen<br />
Leuten in Krisensituationen und zu Jesus<br />
Christus voraus. Und Mut. Und das Vertrauen<br />
darauf, in dieser Aufgabe nicht allein gelassen<br />
zu werden. In den zurückliegenden Monaten<br />
und Jahren haben Mitarbeiter unter uns ein<br />
„Burnout“ erlitten. Das hat die Frage aufgeworfen:<br />
Kann man denn überhaupt so – intensiv –<br />
leben? Worauf muss man achten? Dazu verstärken<br />
wir die Begleitung unserer Hauseltern,<br />
schaffen Auftank-, Schulungs- und Rückzugsmöglichkeiten<br />
– und wollen dabei das zentrale<br />
Anliegen nicht aufgeben: Menschen ein<br />
Zuhause zu geben. In <strong>Scheideweg</strong> brauchen<br />
wir weitere Ehepaare, die sich als Teil unserer<br />
Gemeinschaft dieser Herausforderung stellen.<br />
Es <strong>geht</strong> um mehr als um einen Abstand von<br />
Kriminalität und Sucht, …<br />
denn die eigentliche Herausforderung für<br />
die jungen Leute in unseren Wohngemeinschaften<br />
besteht darin, das Leben zu lernen:<br />
Wie gestalte ich Beziehungen? Wodurch überwinde<br />
ich emotionale Krisen? Was sind befriedigende<br />
Inhalte und Ziele für mein Leben?<br />
Wie gewinne und erhalte ich Leistungsmotivation?<br />
Wer bin ich – vor mir selbst, vor anderen<br />
und vor Gott? Zunächst bieten wir in <strong>Scheideweg</strong><br />
einen neuen Lebensrahmen, der einen<br />
Abstand zu früheren Gefährdungen schafft.<br />
Manche Veränderung geschieht dadurch, dass<br />
wir sie als Gemeinschaft einfordern. Wer zu uns<br />
kommt, wird beispielweise in einen geregelten<br />
Tagesablauf hineingenommen. Während der<br />
Zeit in unseren Wohngemeinschaften müssen<br />
junge Leute auf ein eigenverantwortliches<br />
Leben vorbereitet werden und zu Persönlichkeiten<br />
heranwachsen, die im „Wind des Lebens“<br />
stehen können. Dabei müssen Verletzungen<br />
und Verhaltensweisen aus der Vergangenheit<br />
verstanden und bearbeitet werden. Während<br />
wir auf der ersten Stufe der Begleitung sehr eng<br />
und intensiv <strong>mit</strong> dem einzelnen arbeiten, brauchen<br />
wir danach zunehmend Gelegenheiten zu<br />
eigenverantwortlichen Entscheidungen und zur<br />
Bewährung. Wie dies unter sich ständig verändernden<br />
Rahmenbedingungen heute gelingen<br />
kann, das beschäftigt uns derzeit besonders.<br />
Ein Beispiel ist das Handy: Nach wie vor gibt<br />
jeder sein Mobiltelefon beim Einzug in <strong>Scheideweg</strong><br />
ab, weil darauf häufig Kontakte in die<br />
alte Szene gespeichert sind, Telefonnummern<br />
von Dealern oder Mittätern. Andererseits ist<br />
später ein Leben ohne Handy in unserer Gesellschaft<br />
kaum vorstellbar. Und: Die kleinen technischen<br />
Wunderwerke werden immer mehr zu<br />
Multimediaempfängern, mobilen Internetzugängen<br />
und Fernsehgeräten und stellen eine<br />
wachsende Anforderung an die Medienkompetenz<br />
ihrer Nutzer. Das Beispiel zeigt: Während<br />
am Anfang ein Verzicht hilfreich ist, muss am<br />
Ende die (Medien-) Kompetenz stehen. Um uns<br />
dieser und anderen Herausforderungen zu stellen,<br />
werden wir in diesem Jahr <strong>mit</strong> unseren Hauseltern<br />
und Mitarbeitern verstärkt Schulungen<br />
besuchen und im gemeinsamen Gespräch<br />
Antworten auf viele praktische Fragen aus der<br />
Wohngemeinschaftsarbeit suchen.<br />
Immer mehr „Ehemalige“ leben in unserem<br />
Umfeld …<br />
und brauchen weiterhin Menschen an ihrer<br />
Seite. Nach drei oder vier Jahren in einer<br />
Wohngemeinschaft sind die entscheidenden<br />
Schritte aus dem alten Leben heraus getan.<br />
Dennoch bleibt es für viele wichtig, bei den<br />
WG Ertel